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Replika - Preis der Wahrheit

Feder & Stift - Rundumwichteln für AgentAya
von

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Prolog

Ich spürte die Blicke, die auf mir ruhten, als ich langsam die Stufen zum Podium erklomm. Mein Puls raste und das Herz schlug wild in meiner Brust, als wollt es sich befreien aus diesem Gefängnis aus Knochen und Fleisch und fliehen, um nicht Teil dieser Dummheit zu sein, die ich begehen würde.

Der Minister trat ein Stück zur Seite, als ich mein Ziel erreichte, dankbar, weil meine zitternden Beine mir den Dienst nicht versagt hatten. Ich wischte verstohlen meine verschwitzten Hände an meiner Hose ab.

Auch der Blick dieses Mannes war auf mich gerichtet. Er hatte kalte, verschlagene Augen und ich wusste, dass er die Wahrheit kannte, das große Geheimnis. Er wusste wer, nein was, ich war und sein Blick versprach mir stumm, dass ich jeden Fehler teuer bezahlen würde. Es hätte mir Angst machen sollen, aber da war schon so viel Angst in mir, dass es einfach keinen Platz mehr für noch mehr gab und deshalb lächelte ich.

Ich lächelte, damit er derjenige war, der Angst hatte. Lächelte, damit er begriff, was ich tun würde und lächelte, weil es rein gar nichts gab, was er tun konnte, um mich daran zu hindern. Nicht er und kein anderer, der an der Verschwörung beteiligt war. Ich war frei. Zum ersten Mal in meinem Leben, weil ich wusste, dass ich noch in dieser Stunde sterben würde.

Mein Blick schweifte nach unten über den großen Platz, wo sich die Einwohner der Stadt entsprechend den Vorschriften beinahe ausnahmslos versammelt hatten. Alte und Kinder, Mütter mit Babys auf dem Arm. Es gab nicht viele Entschuldigungen dafür, eine Versammlung zu versäumen. Der Platz war groß und gefüllt mit Menschen, die sich dicht zusammendrängten. Im vorderen Bereich standen die Würdenträger, die Reichen und die Mächtigen, die es in unserem System angeblich nicht gab. Dann kamen die Fachkräfte und schließlich die einfachen Arbeiter. Die Gesichter verschwammen vor mir wie helle Flecken und ich atmete ein. Ich würde sterben, aber niemand auf der Welt würde in der Lage sein, zurück zu nehmen, was ich sagen würde, niemand konnte ungeschehen machen, was ich tun würde. Viele dieser Menschen dort würden versuchen es zu vergessen und zu verdrängen, weil die Wahrheit sie ebenfalls mit Angst erfüllen würde. Sie würden Entschuldigungen suchen für etwas, dessen Teil sie waren und gegen das sie sich nie aufgelehnt hatten, selbst wenn sie es nicht verursacht oder gewollt hatten. Jeder von ihnen war schuldig, war Mittäter und hatte davon profitiert. Nur wenige würden stark genug sein, um das zu akzeptieren. Aber ich war sicher. Ich musste daran glauben, dass es ein paar gab, die zuhören würden und deren Herzen nicht zu Eis erstarrt waren, wie ein nicht unerheblicher Teil der Welt, in der wir lebten. Und das würde den Unterschied machen.

Meine Worte und mein Tod würden an diesem Abend keine große Bedeutung haben. Aber vielleicht in einem Jahr, vielleicht in fünf oder zehn. Wenn ich die Menschen zum Nachdenken brachte, dazu, zu fühlen, dann konnte es nicht anders sein und dann würde mein Schicksal das Schicksal derer wenden, die meine Familie waren. Und vielleicht würde es ihnen ein Beispiel geben, ihrer Resignation zu entfliehen und selbst etwas zu tun. Sie mussten nur begreifen, dass sie nichts zu verlieren hatten, so wenig wie ich, denn unser Leben hatte niemals uns gehört.

Schweigen kehrte ein. So deutlich, dass es unnatürlich schien, als wären all diese Menschen dort unten, die mich ausdruckslos ansahen, nur Gespenster, nicht wirklich, nicht da. Ich atmete aus und legte in meinem Kopf die Worte zurecht. Ich hatte so lange darüber nachgedacht, was ich sagen sollte, wie ich die kurze Zeit nutzen würde, die mir bliebe. Ich musste etwas sagen, das die Menschen in ihren Bann zog, und ihnen all das mitteilte, was ich ihnen mitteilen musste, noch bevor das Ministrat bemerkte, was ich tat und bevor sie mich zum Schweigen brachten.

So viele Worte, die ich in Betracht gezogen und wieder verworfen hatte, weil es unmöglich schien, dass Worte ausdrücken konnten, was ich war und was ich fühlte. Was es bedeutete. Aber jetzt war es ganz leicht, als wären die Worte schon immer da gewesen, irgendwo in meinem Kopf.

Als ich begann, war es noch die Rede, die der Minister mir vorgegeben hatte. Meine Stimme füllte das Schweigen des Platzes und obwohl sämtliche Blicke auf mir ruhten oder doch zumindest dem Punkt, an dem ich stand, wusste ich, dass die meisten dieser Menschen mir nicht zuhörten. Sie kannten die Worte, die ich sagen sollte wahrscheinlich besser als ich. Hatten sie auswendig gekannt, noch ehe ich sie in Stunden der Arbeit erlernt hatte, weil es die gleichen Worte, die immer wiederkehrenden Parolen waren, mit denen man ihnen versicherte, dass in ihrer Welt alles in Ordnung sei. Es gäbe keinen Grund zur Sorge und so viele Gründe stolz zu sein auf das, was aus den Trümmern einer ausgebluteten Welt entstanden war.

Dann begann ich damit die Wahrheit zu sagen und plötzlich hatte ich alle Aufmerksamkeit der Welt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Chimi-mimi
2013-03-18T16:17:45+00:00 18.03.2013 17:17
Oho... dank Ayas Kommentar weiß ich jetzt, dass es vermutlich um Klone geht. Das ist ein großer Konflikt, hab ich gerade erst ein Buch dazu gelesen.

Der Prolog macht auf alle Fälle Lust auf mehr, regt zum Weiterlesen an.
Von:  Wintersoldier
2013-02-22T12:55:19+00:00 22.02.2013 13:55
Uh, ich liebe es jetzt schon und weiß gar nicht recht, was ich dazu sagen soll.

Ich mag diesen Konflikt, der durch Klone entsteht, sehr. Bzw. den Konflikt, der dadurch entsteht, dass die Klone separat gezüchtet und gehalten werden, während der Rest der Welt nichts davon weiß. Sie wissen zwar, dass sie irgendwoher ihre Organe bekommen, aber nicht woher genau und es interessiert sie nicht genug, um wirklich dem Ganzen nachzugehen, weil es ihnen zu gut geht, als dass es sie stören könnte. Und dann sind da aber die Klone, die auch Gefühle haben bzw. welche entwickeln und ebenfalls in ihrer kleinen Welt leben, bis irgendwer von ihnen dann doch mal über den Tellerrand schaut... ja, sehr, sehr schöne und interessante Thematik. :3

Bin schon gespannt, wie es weitergeht und welcher Aspekt mehr ausgeleuchtet wird; dass ein Klon die andere Seite sieht oder dass die andere Seite damit konfrontiert wird und damit umgehen muss... aufgrund der Ich-Perspektive vermutlich eher der Blick zurück, wie der Ich-Erzähler an den Punkt gekommen ist, an dem er nun steht. Aber ich lese dann einfach mal weiter und finde es heraus. :)

Liebe Grüße
Aya

P.S: sollte es nicht um Klone gehen, immerhin ist der Begriff noch nicht gefallen und eventuell könnte man es auch anders interpretieren und ich komm gerade nur nicht drauf, dann vergiss einfach, was ich hier geschrieben habe. XD


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