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Schwul sein ist scheiße

Mein Comeback
von

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Feen, Singsang, Gelächter

"Schnee Schnee Schnee"

Mit einem kindlichen Singsang stahl sich ein Mädchen hüpfend an meinem Platz vorbei zum Fenster. Sie öffnete es und ließ frische, weich wirkende Schneefloken auf ihre Hände tänzeln. Welche nicht dort landeten, erstarben auf der Heizung unter dem Fensterbrett. Sie kicherte in ihren Gesang, zerdrückte die zerbrechlichen Flocken zwischen Daumen und Zeigefinger wie einen wertlosen Käfer.

Ich starrte an ihr vorbei nach draußen. Es war als tanzten winzige Feen in Paaren. Mit wundervollen, weißen Kleidern. Früher hatte ich Schneeflocken immer Feenkleider genannt. Jetzt war ich aber älter.

Mich fröstelte. Doch trotz der Kälte trat ich neben das Mädchen ans Fenster, welches es sofort verließ als es meine Nähe spürte. Singend und tanzend, wie als hatte sie sowieso gehen wollen. Ich lehnte mich hinaus.

Noch nicht. Noch war ich nicht bereit mit den Feen zu tanzen.
 

Es war ein kalter Winter. Kalt und einsam. Jetzt war ich Siebzehn, wollte mich wie Fünfunddreißig fühlen und fühlte mich stattdessen wie Null.

Mit gesenktem Haupt, schweigend folgte ich den anderen Schülern in die Pause. Ich tat alles menschenmögliche um Blickkontakt zu vermeiden. Jemanden ansehen führte immer nur dazu dass etwas passierte was ich nicht sehen wollte. Oder dass mich jemand ansprach, den ich hasste. Zum Beispiel Lehrer.

Ein guter Schüler war ich. Machte Hausaufgaben, lernte, war immer ruhig und schlug Salti wenn die Lehrer es wünschten. Alle Lehrer mochten mich und ließen mich das auch fühlen. Und trotz aller Verachtung sehnte ich mich dennoch, wie es üblich in dem Alter war, nach gleichaltriger Gesellschaft. Mein einziger Freund war ein junger Asiate, der anderen Schülern vormachte sich mit Deutsch schwer zu tun aber sich eigentlich nur mit deutschen Umgangsformen schwer tat. Wenn ich von meinen Freunden sprach, ließ ich ihn gerne aus. Dann hatte ich nämlich, in Selbstmitleid versunken, gar keine.

Anders als andere Schüler war ich sehr ordentlich. Fast pingelig. Einmal pro Woche putzte ich meinen Tisch mit Brillentüchern, wenn niemand es sah. Ich erwischte mich sogar dabei wie ich keine Türklinken mehr griff, sondern sie mit den Ärmeln runter schob. Der Gedanke dass tausende winzige Bazillen auf mir herumtanzten machte mich verrückt. Verrückter.

Wenn man mich also mit Worten beschreiben wollte, waren es diese drei. Pingelig, alleine, verrückt. Analakrobatisch veranlagt, wie Amma gerne sagte wenn die Lehrer mir ein Plus neben den Namen setzten und ihr ein Minus weil ihr Rock zu weit oben saß. Sie schlugen mich nicht mehr, schubsten mich weniger herum als sonst sondern lachten nur. Und dieses Gelächter hatte sich in meinen Kopf gebohrt, ich hasste es und ihre verachtenden Blicke die wie Akkupunktur mit angespitzen Telefonmasten war, bis ich außer Sicht war. Ich hasste es so sehr wie diese Schule, so sehr wie mich selbst. Und diese furchtbare Schule war mein Zuhause. Zu Hause war ich nur manchmal zu Besuch. Ungern.
 

Mein Name ist Arthur Kirkland und der einzige Ort an dem ich mich noch wohl fühle, ist ein kleines, selbst gebautes und windschiefes Zelt im Wald den wir nicht betreten sollen. Lebensgefährlich.
 

"Arthur!", rief sie mich nochmal auf. Ich hatte sie erst nicht gehört, schlurfte durch den Gang vom hintersten Teil der Klasse nach vorn. Hinten warfen sie mir keine Papierkugeln an den Kopf.

Im Vorbeigehen hörte ich sie nuscheln: "Wie der Arthy durch die Klasse schleicht", sie keckerten und schnalzten abfällig mit der Zunge. Es ignorierend ließ ich mich träge auf dem Stuhl vor der Lehrerin nieder. In ihrem Gesicht stand ein gefrorenes Lächeln, sie verlor es nie. Niemals, ich senkte den Blick und lächelte verhalten zurück. "Arthur, auf welche Note schätzen Sie sich?", säuselte sie zuckersüß.

"Etwas zwischen Eins und Drei, denke ich."

"Da fehlt eine Zahl."

"Zwei bis Drei.", log ich nüchtern. Ich wusste die Note. "Eins, Arthur.", sie lächelte breiter: "Arthur, Sie wirken aphatisch in letzter Zeit.", sie mochte meinen Namen und erwähnte ihn oft: "Schlafen Sie zu wenig?"

Die letzten zwei Nächte hatte ich nicht geschlafen. Nichtmal ein wenig. Ich lächelte sie nur müde an: "Ich krieg das hin."

Die Antwort schien für sie zu reichen, sie entließ mich und ich schlich zurück zu meinem Platz. Ein Tisch für zwei den ich mir mit mir teilte. Eine ungerade Anzahl an Schülern war es, und mein einziger Freund saß neben einem Mädchen welches er mochte. Nicht dass es mich störte. Ich hätte ihn dafür meucheln können.
 

In den letzten Stunden, Computertechnik, entbrannte eine heftige Diskussion zwischen einem Lehrer und meiner Gruppe. Das Wort "Gruppe", lag mir schwer im Magen. Wenn ich es aussprach, so dachte ich, würde es Gestalt annehmen und zu Boden sinken weil es so schwer war. Ebenso "Wir", "Gesellschaft", "Kollegen". Ecetera. Ich starrte weltfremd von meinem Fensterplatz aus auf den weiten Schulhof, zupfte weiße Haare von meiner Uniform von denen ich nicht wusste woher sie kamen.

Endlich läutete es.
 

Ein Vogel hüpfte durch die Tannenzweige. Einen Moment spielte ich mit dem Gedanken einen Stein zu nehmen und ihn abzuwerfen, wollte ihn aufheben und versorgen. Verwarf den Gedanken wieder, weil ich mich auch beim Vogel verworfen hätte, bei meinem Talent.

Das einzige was die allgemeine, winterliche Melancholie störte, den Schneefall der wie ein seichter Flaum in der Luft hing und die graue Wolkendecke, die all dies auslöste, war Kindsgelächter. Ich wollte die glücklichen Balgen anschreien, lächelte aber nur dämlich als sie mir einen Schneeball anwarfen. Ich wollte nicht ins Wohnheim. Ebensowenig wollte ich hier draußen bleiben.

Mit dem Klacken des Schlüssels in der Tür meines Zimmers, welches ich mir ebenfalls mit mir teilte, schluckte ich hart herunter.

Ich brach erst in Tränen aus, als ich drinnen war.



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