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Zuckerschnecke

von

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Nur einen Katzenwurf entfernt

Tür zur Zooabteilung

„Alfred scheint durch diese Tür gegangen zu sein“, murmelte Matthew, spähte um die Ecke und ließ den Strahl der Taschenlampe hin und her schweifen. „Wir sind wohl wieder auf dem Gang.“

Ja? Gut. Ich hatte schon befürchtet, in diesem Kaufhaus gäbe es ausschließlich Klamotten.“

„Ich weiß aber nicht, was für ein Geschäft jetzt kommt“, sagte Matthew und machte vorsichtig einen Schritt vorwärts. „Und außerdem, wenn es mehrere Abzweigungen gibt, woher sollen wir wissen, wohin...“

Plötzlich leuchtete neben ihm ein Licht auf, so hell, dass er geblendet wurde. Erschrocken kniff er die Augen zu.

„H-hallo! Wer ist da?“

Niemand antwortete – niemand bis auf Matt. „Das ist ein Spiegel, du Vollpfosten. Nichts weiter.“

„Bist du dir sicher?“

Geh ein Stück näher und sieh es dir an.“

Unsicher schlich Matthew näher und atmete auf, als er bemerkte, dass Matt Recht hatte. Die zweite Lichtquelle bewegte sich genau wie seine eigene. Er machte einige letzte Schritte auf die spiegelnde Oberfläche zu und bemerkte, dass es sich um ein Schaufenster handelte. Dahinter war im Dunkeln nichts zu erkennen, doch aus der Scheibe heraus starrte er sich selbst ins Gesicht.

Hey“, sagte Matt überrascht. „Das bist du?“

„Natürlich bin ich das. Wer denn sonst?“

„Man wird ja wohl fragen dürfen! Woher soll ich wissen, wie du aussiehst?“

Matthew blinzelte einige Male. „Ich weiß es immerhin. Hast du nicht gesagt, du wüsstest alles, was ich auch weiß?“

Schon... aber bisher hatte ich noch nicht genug Zeit, deine persönlichen Erinnerungen komplett zu durchforsten.“

„Von mir aus darfst du das auch gerne sein lassen. Die Sache ist mir nämlich ein wenig...“

„Du bist ja glatt niedlich.“

„W-was?“

Na, schau dich doch an! Die weichen Haare, und diese Augen... wie ein Rehkitz. Übertrieben niedlich, wenn du mich fragst.“

„Lass das“, sagte Matthew und bemerkte, dass seine Hand zitterte. „Gehen wir lieber weiter.“

Er wandte sich nach rechts und versuchte, den Eingang zu dem Geschäft zu finden, das hinter dem Schaufenster liegen musste.

Du hast keine Ahnung, was für ein Laden das ist?“

„Nein. Und ich bin mir nicht einmal sicher, ob Alfred hier ist – oder das Ding, das dieses Krachen verursacht hat.“

Nachsehen kann nicht schaden.“

„Na ja, für den Fall, dass dieses Ding gefährlich ist, könnte es durchaus... oh, sacrament!“

Was?“

Sacre bleu!

Drück dich gefälligst deutlicher aus, oder denk wenigstens deutlicher!“

„Siehst du das? Siehst du das etwa nicht?!“

Ja, doch, sehe ich! Da liegen ein paar Glasscherben auf dem Boden. Kein Grund, hier auszuflippen!“

„Ein paar Glasscherben? Das war mal eine Tür! Verdammt, das war eine Tür!“

Am ganzen Körper zitternd ließ Matthew den Lichtstrahl über die Überreste der Eingangstür schweifen. Sie bestand nur noch aus einem Rahmen aus Metall, in dem Scherben von der Länge von Matthews Unterarm stecken. Andere Splitter knirschten unter seinen Füßen, als er einen Schritt zurück machte. Das Geräusch ließ ihn heftig zusammenzucken.

Nur eine Tür, Kleiner. Die sollte dir nicht so viel Angst machen wie das, was sie zerstört hat.“

„Eben das macht mir doch Angst! Was, wenn es noch da drinnen ist?“

Es gibt nur eine Art, das herauszufinden.“

„Ich gehe aber nicht da rein!“, rief Matthew. „Auf gar keinen Fall!“

Wenn es da drinnen ist, hat es dich sowieso schon gehört, bei der Lautstärke, mit der du Pussy hier herum kreischst.“

Erschrocken schlug er sich die Hand vor den Mund.

Und da es dich bemerkt hat“, fuhr Matt ungnädig fort, „können wir auch gleich hinein gehen und nachsehen, was es ist.“

„Eigentlich bin ich immer noch wegen Alfred hier – nicht wegen diesem Ding.“

Oh, du machst mich wahnsinnig! Hast du überhaupt keiner Ehrgeiz, gefährliche Monster zu jagen?“

„Nein?“

Schön, wie du willst! Dann sieh es eben so: Dieses Ding ist da drinnen, aber ob dein Alfred auch da ist, wissen wir nicht. Wir gehen also da rein und sehen nach, ob wir Alfred blutend in einer Ecke finden, und wenn nicht, können wir relativ sicher sein, dass er anderswo in Sicherheit ist. Okay?“

Angespannt versuchte Matthew, seine Atmung zu beruhigen.

Du hast eine Taschenlampe“, erinnerte Matt ihn. „Und einen Hockeyschläger.“

„Also gut“, flüsterte Matthew und stieg vorsichtig über den mit Splittern gespickten Türrahmen. Bei jedem Brechen von Glas unter seinen Schuhen zuckte er zusammen, aber einige zaghafte Schritte in das Innere des Ladens hinein hörte das Knirschen auf.

Sieh mal einer an. Hundehalsbänder. Tierfutter. Jede Menge niedlicher, tierlieber Scheiß. Offensichtlich ist das hier eine Zoohandlung.“

„Was bedeutet das?“

Oh, es könnte vieles bedeuten. Dass unser mysteriöses Monster auf kleine Kaninchen-Babys steht... dass es das pure Böse ist und das Internet mit diesen witzigen Katzenbildern überflutet...“

„Ich meine, was bedeutet es für uns?“

Dass wir hoffen müssen, dass sie hier drinnen keine Krokodile halten, oder dass zumindest deren Käfige unbeschädigt geblieben sind.“

Matthew schluckte und stolperte im nächsten Moment über irgendetwas, das bimmelnd davon rollte. Im letzten Moment fand er sein Gleichgewicht wieder.

„Wahrscheinlich Katzenspielzeug. Das wird dich nicht angreifen.“

„Hoffentlich nicht“, murmelte Matthew und beschloss, den Boden gründlich abzusuchen, bevor er noch einen Schritt machte. Bevor er allerdings dazu kam, wurde er unerwartet unterbrochen.

„Wer ist da?“

Die Stimme war laut und energisch. Erschrocken blieb Matthew stehen und senkte das Licht der Taschenlampe zu Boden. Einige Schritte vor sich sah er ein weiteres Licht näher kommen, trüb und schwach. Er blinzelte mehrmals, bevor er erkannte, wie sich Sadiq aus der Dunkelheit schälte. Der schwache Lichtschimmer kam offenbar von einem Knicklicht in seiner Hand, das schon beinahe erloschen war.

„Wer bist du?“

„Matthew“, antwortete Matthew und bemühte sich, nicht die Augen zu verdrehen. Sadiq runzelte die Stirn, doch dann weiteten sich seine Augen.

„Du hast eine Taschenlampe!“

„Ja. Ich...“

„Darf ich mal eben? Danke!“

Er nahm Matthew die Lampe aus der Hand, drehte sich auf dem Absatz um und machte sich mit großen Schritten auf den Weg zurück. „Hey!“, rief Matthew erschrocken und rannte ihm nach. „Wo willst du hin?“

„Ich habe etwas zu erledigen. Danach kriegst du die Lampe wieder, keine Ursache.“

Widerwillig folgte Matthew seiner entwendeten Lampe, ständig getadelt von Matt. „Und das lässt du dir gefallen? Hol dir gefälligst zurück, was dir gehört!“

„Eigentlich gehört die Taschenlampe ja noch immer Natalia...“, begann Matthew und bremste hastig ab, als Sadiq vor ihm abrupt stehen blieb. Er schwenkte die Lampe langsam von links nach rechts und kratzte sich im Nacken.

„Und ich hätte schwören können, es wäre hier gewesen.“

„Was denn? Wonach suchst du?“

„Nach diesem Nichtsnutz von Herakles. Er sitzt hier irgendwo in so einem kleinen Gehege, wo sie einen Wurf Kätzchen haben.“

„Oh. Kommt er nicht mehr heraus?“

„Nein.“

„Wie furchtbar! Ist er verletzt? Oder eingeklemmt?“

Sadiq sah ihn an und runzelte die Stirn. „Nein. Er will nicht raus.“

„Was?“

„Er sagt, sie wären viel zu flauschig.“

Hör mal zu, Kleiner. Sag ihm, wir haben keine Zeit für seine verdammten Problemchen. Wir müssen irgendwie dieses Ding finden.“

„Aber...“

„Sadiq?“, rief eine Stimme und unterbrach Matthews Gedankengänge. Er erkannte den Sprecher nicht, doch Sadiq atmete auf und schlug zielstrebig eine neue Richtung ein. Erneut blieb Matthew nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

„Wer...?“

„Gupta. Er ist bei ihm geblieben, um aufzupassen.“

Sie bogen um eine Ecke und der Strahl der Taschenlampe fiel auf eine Glasscheibe, die in der Mitte ein gigantisches Loch aufwies. Daneben stand Gupta, den Matthew nur vom Sehen kannte. Er war ein junger Mann, dessen durchdringend gelbe Augen einen auffälligen Kontrast zu seinem sonnengebräunten Gesicht bildeten. Er betrachtete Matthew aufmerksam, sagte aber kein Wort.

„Und?“, erkundigte Sadiq sich knapp. „Was hat sich getan?“

„Gar nichts.“

„Okay, kleiner Scheißer, ich habe die Schnauze voll! Komm sofort da raus, oder ich komm dir da rein, und das wird nicht lustig!“

„Wir können die armen Tiere nicht allein lassen“, erklang Herakles' trotzige Stimme von hinter der Scheibe. Matthew bemerkte die Jacke, die über das Glas geworfen war, anscheinend, damit man unbeschadet über die Bruchstelle klettern konnte. Hinter der Scheibe erkannte er ein wenig Katzenspielzeug, umgeworfene Wasser- und Futternäpfe und nicht zuletzt Herakles, der im Schneidersitz auf dem Boden saß und fünf verschiedenfarbige Fellknäule auf dem Schoß hielt.

„Die Viecher sind mir im Moment völlig egal! Wir sollten uns besser hier verziehen, bevor dieses komische Monster wiederkommt!“

„Komisches Monster?“, platzte Matthew heraus.

Sadiq sah sich zu ihm um. „Ja. Irgendjemand ist hierher gekommen und hat ein wenig randaliert. Du siehst ja...“ Er deutete auf die zerschlagene Scheibe und lachte kurz auf.

„Und wenn es zurückkommt und die Kleinen findet?“, beharrte Herakles. „Das lasse ich nicht zu.“

„Dann stopf dir eben die Taschen voll damit, ist mir doch egal! Hauptsache, wir kommen hier weg!“

„Was glaubt ihr, wo das Ding hingegangen ist?“, fragte Matthew hastig.

„In diese Richtung“, schnaubte Sadiq und deutete den Gang hinunter. „Keine Ahnung, was es war, aber ich lege mich nicht damit an – nicht im Dunkeln und mit derartigen Versagern als Mitstreitern.“

„Ja ja, das sagen sie alle“, erklang Herakles' Stimme.

„Du bist ihm schließlich auch nicht hinterher gestürmt, oder? Komm, jetzt gib mir von mir aus eins von den Viechern, ich steck's in die Tasche, und wir verschwinden!“

Einen Moment lang kam keine Antwort. Dann schoben sich vorsichtig zwei Hände durch das Loch, die ein rötliches Kätzchen festhielten.

„Das nehme ich!“, sagte Gupta mit leuchtenden Augen und trat vor. „Ist das eine Abessinier?“

„Nee“, knurrte Sadiq. „Sieht mir eher aus wie 'ne Katze. Mach voran, Herakles!“

„Kann ich die Taschenlampe wiederhaben?“, fragte Matthew zaghaft, während Herakles ein Kätzchen nach dem anderen durch das Loch nach draußen reichte.

„Sobald wir fertig sind“, erwiderte Sadiq. „Ja, ich habe es! Das ist das letzte, oder? Sehr gut. Geht's dir gut, Gupta?“

Gupta nickte sorglos, die vermeintliche Abessinierkatze auf der Schulter und eine weitere auf dem Arm. Herakles kletterte vorsichtig durch das Loch nach draußen und bekam prompt von Sadiq die drei restlichen Tiere in die Hand gedrückt.

„Und jetzt auf!“

„Wo wollen wir hin?“, fragte Herakles.

„Irgendwo hin, wo wir wenigstens nicht befürchten müssen, von entlaufenen Hunden angefallen zu werden. Oder schon wieder von Chamäleons. Hey, die Viecher waren total gruslig! Gupta, mach mal mehr Knicklichter an.“

Er drückte Matthew die Taschenlampe in die Hand, ohne ihn auch nur anzusehen. Gupta zauberte ein Bündel bunter Knicklichter aus seinem Kragen hervor und gab zwei davon an Sadiq weiter, der sie fachkundig knickte und in die Luft hielt.

„Gehen wir! Immer mir nach!“

Sie zogen von dannen, Herakles gedämpft vor sich hin lamentierend. Unsicher sah Matthew ihnen nach.

Nein, nicht hinterher, Kleiner.“

„Aber ich bin ganz allein, und...“

Das Ding ist genau in die andere Richtung abgehauen, haben sie gesagt.“

Sadiqs Knicklicht hüpfte noch eine Weile durch die Luft und erlosch plötzlich, anscheinend, weil die kleine Karawane um eine Ecke gebogen war. Schluckend richtete Matthew die Taschenlampe auf den Gang, in den Sadiq gewiesen hatte. Er führte anscheinend weiter in den Laden und verlor sich nach wenigen Schritten in der Dunkelheit.

Wir gehen in diese Richtung, keine Widerrede.“

„Und die Krokodile?“, versuchte Matthew es halbherzig.

Sieh meinetwegen nach, ob du noch so einen Wurf flauschiger Scheißviecher findest, die du bei Bedarf verfüttern kannst.“

„Matt! Das ist grausam!“

Es ist der Lauf der Natur, Kleiner. Und jetzt geh schon.“



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