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Von Dämonen, Monstern und Geistern

Herbstspiele
von

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Menschenfresser

Für Florance Heimlich liefen die letzten zehn Halloweennächte immer gleich ab: Sie kostümierte sich ein wenig und verbrachte die Nacht damit Süßigkeiten an die Kinder zu verteilen, die vorbei kamen. Und zwischendurch sah sie sich den einen oder anderen Horrorfilm an. Den Drang, mit gleichaltrigen durch die Straßen zu ziehen, unterdrückte sie jedes mal aufs Neue, denn sie wusste genau, was passieren würde, wenn sie zu Halloween durch die dunklen Straßen lief. Sie würde in jedem Schatten und an jeder Ecke ein Monster sehen... Und zwar nicht die kleinen harmlosen Exemplare mit denen sie jeden Tag zu tun hatte – sondern die mit scharfen Krallen und spitzen Zähnen, die am liebsten Jagd auf Menschen machten.

Tief Atmete Florance die kalte Nachtluft ein. Dutzende kleine Steine und spitze Äste bohrten sich durch ihr Sweatshirt bis tief in ihre helle Haut, doch das spürte sie kaum noch. Genauso wenig wie die unzähligen Schnitte in ihrem Gesicht, die von den Dornenbüschen stammten, in denen sie sich versteckte. Seit sie diesen Friedhof betreten hatte, wusste sie, dass es eine bescheuerte Idee war! Einen kurzen Augenblick lang glitten ihre Gedanken zum Anfang dieses Alptraumes: Wie jedes Jahr wollte sie die Nacht zu Halloween damit verbringen, sich einige Filme anzuschauen. Doch dann hatte eine Klassenkameradin sie per Facebook gefragt, ob sie nicht Lust hätte, zu einer Party zu kommen. Natürlich hatte Florance sich über diese Einladung gefreut. Sie war erst in diesem Schuljahr dazu gestoßen und hatte noch keine Freunde in ihrer neuen Schule gefunden und daher sah sie diese Gelegenheit als eine Chance, Freundschaft mit einigen Leuten zu schließen. Also ignorierte sie die nervige kleine Stimme in ihrem Kopf, die sie zu warnen versuchte. Versuchte ihr klar zu machen, dass das nicht mir rechten Dingen zugehen konnte. Wieso sollte das beliebteste Mädchen ihrer Klasse ausgerechnet eine stille und unscheinbare Leseratte wie Florance zu einer Party einladen?

In freudiger Aufregung vergaß Florance sogar, ihrer Tante und ihrem Onkel Bescheid zu sagen, bei denen sie lebte, solange ihre Eltern auf Forschungsreise waren. Sie war einfach nur froh, endlich Anschluss an andere Jugendliche zu finden. Zu spät erkannte Florance ihren Fehler.

Als sie den alten Friedhof an der Stadtgrenze erreicht hatte, stellte sie fest, dass niemand sonst dort war. Sie stand alleine vor dem rostigen Tor, dass unerwünschte Besucher vom verlassenen Friedhof fernhalten sollte. Langsam sickerte die Erkenntnis, dass sie verarscht wurde, durch den Schleier der Verwirrung und hinterließ nichts als maßlose Enttäuschung und Trauer. Wie konnte sie nur so dumm sein und glauben, Freunde finden zu können? Und dann bemerkte sie es. Sie bemerkte, wie die Sternenklare Nacht sich langsam zurück zog und einer kalten Dunkelheit platz machte – die Monster hatten sie bemerkt.

Schwer schluckte Florance, als sie spürte, wie die ersten Tränen sich ihren Weg über ihre verletzten Wangen suchten. Das erste Mal, dass sie so etwas erlebt hatte, war in der Halloweennacht nach ihrem sechsten Geburtstag. Sie war mit ihren beiden Cousinen Alea und Destina von einer erfolgreichen 'Süßes sonst gibt’s Saures'-Tour zurück und lief mit ihnen durch eine leere Straße, als die Dunkelheit die drei überraschte. In dieser Nacht lernte Florance, dass es Momente gab, in denen man sich Angst nicht erlauben durfte. Zitternd presste sie ihren Körper so nah wie möglich auf den Boden. Egal wie groß ihre Schmerzen waren, egal wie gerne sie in diesem Augenblick laut Aufschreien und Heulen würde, sie durfte nicht. Wenn sie den Sonnenaufgang noch erleben wollte, musste sie ruhig bleiben. Sie wusste, sie durfte keine Geräusche machen. Würden diese Kreaturen sie bemerken, wäre das ihr Ende. Ein rascheln lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den verwilderten Weg vor ihr. Der Menschenfresser schlich langsam an den Büschen entlang – Florance war sich sicher, dass dieses Ungetüm nicht mehr lange brauchen würde, um sie zu bemerken. Sie hatte schon oft von diesen Kreaturen gelesen. Über ihre endlose Blutgier, ihren unbändigen Hunger und ihren unaufhaltsamen Drang. Ihre Beute zu hetzen und zu töten. Doch niemand wusste, wie man diese Monster tötete – so weit, war noch nie jemand gekommen. Die einzige Möglichkeit zu überleben, bestand darin, die nächstbeste Gelegenheit zu nutzen und zu fliehen!

Ein letztes Mal atmete Florance tief ein. Der Menschenfresser war nur noch wenige Schritte von ihr entfernt. Florance war sich sicher, dass das ihr Ende war. Wieso hatte sie nicht auf Alea gewartet? Ihre Cousine hätte sicherlich einen Ausweg gewusst. Sie hätte in wenigen Augenblicken einen Fluchtplan zur Hand gehabt und im Notfall hätte sie immer noch Daemonicon, den Tigerdämonen rufen können! Im Vergleich zu ihrer Cousine, war Florance ein Schwächling. Ein Angsthase, der nichts zu Stande brachte und sogar auf eine falsche Party-Einladung herein fiel!

Kräftig stieß Florance sich vom Boden ab und rannte den überwucherten Weg entlang. Der Menschenfresser dicht hinter ihr.

Vielleicht war sie nicht so stark wie Alea oder so talentiert im Umgang mit Magie, wie Destina. Aber sie würde auf keinen Fall kampflos aufgeben und sich ohne Gegenwehr fressen lassen. Florance war sich sicher, dass sie dem Menschenfresser nicht entkommen konnte, aber sie würde den Teufel tun und es ihm leichter machen!

Plötzlich wurde sie niedergerissen. Hart schlug sie auf den Boden auf und etwas großes beugte sich über ihren schmerzenden Körper. Im ersten Augenblick dachte sie, dass der Menschenfresser sie erwischt hätte, es dauerte einige Augenblicke bis sie realisierte, dass es etwas anderes war. Entsetzt blickte Florance in die schmalen Augen des jungen Drachen, der sie neugierig musterte. Das wütende Brüllen des Menschenfressers hallte in sicherer Entfernung wieder.

Florance erinnerte sich, dass sie irgendwann einmal gelesen hatte, dass Drachen die einzigen Feinde der Menschenfresser waren.
 

Müde ließ Florance sich auf ihr breites Bett fallen. Die heiße Dusche hatte ihr gut getan und nicht nur den Dreck sondern auch einige ihrer Schmerzen davon gespült. Sie musste unbedingt ihrem Onkel erzählen, dass ein Menschenfresser in der Nähe des alten Friedhofs lebte. Immerhin war er ein Magier. Florance war sich sicher, dass er wusste, was zu tun war.

Umständlich wickelte sie sich in ihre Decke ein und drehte sich auf die Seite. Schweigend beobachtete sie den Drachen, der friedlich neben ihrem Bett lag und genüsslich vor sich hin döste. Eines ihrer alten Stofftiere – ein Bär – lag zwischen den Klauen des Drachen. Wie sollte sie nur ihrer Tante erklären, dass sie ab sofort eine Eidechse von der Größe eines Kalbes mit durchfüttern musste, die eine auffällige Vorliebe für weiche Sachen hatte?



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Eldeen
2012-10-19T09:06:24+00:00 19.10.2012 11:06
Dann will ich doch auch mal was zu der zweiten aus dem Trio sagen, die du hiermit vorgestellt hast. :P

Inhaltliches:
Inhaltlich ist das Ganze für einen Oneshot völlig in Ordnung. Man erfährt einiges über die Hauptfigur, sie wird also gut eingeführt und dem Leser näher gebracht und abgesehen davon haben wir eine Art kleine Handlung durch den Streich, das Verstecken auf dem Friedhof und das Finden des Drachens.
Hier kommt jetzt wieder meine übliche Rationalität durch - ich persönlich hätte mir erstens mehr Infos zu dem Menschenfresser gewünscht, zumindest grob was das Äußere und so weiter angeht, und zweitens frage ich mich, was genau der Drache dort gemacht hat und wieso er spontan beschlossen hat, sich Florance anzuschließen. Die Punkte bezüglich des Drachens können natürlich in einer potentiellen Forsetzung geklärt werden, sollte das nicht geplant sein, hätte ich mir ein paar zusätzliche Infos für meinen zu logischen Kopf gewünscht. :P

Stilistisches:
Stilistisch fand ich das Ganze weitestgehend flüssig und gut lesbar, allerdings muss ich ganz ehrlich sagen, dass ich hier und da nicht unbedingt in die ängstliche Stimmung reinkomme, die du ja durch Florance' Verstecken rüberbringen willst. Liegt viellöeicht einfach daran, dass die Situation durch die vielen Rückblicke etwas gestreckt wird und die eigentliche Angst nicht hundertprozentig rüberkommt, zumal Florance ja auch noch in der Lage zu sein scheint, klar zu denken. Das mag allerdings Ansichtssache sein und darf theoretisch auch ganz getrost ignoriert werden. ;D
Abgesehen davon war der Stil - wie bereits erwähnt - angemessen und hier und da finden sich schöne Umschreibungen. :)

Rechtschreibung & Grammatik:
Da Turnaris und konohayuki schon gesucht haben, lasse ich das mal bleiben, die Fehler sind ja noch nicht korrigiert und nur das zu suchen, was bisher keiner gefunden hat, ist umständlich.
Eigentlich haben wir hier sowieso wie immer nur Kleinkram - eigentlich. Was mich dieses Mal wirklich gestört hat, ist die Tatsache, dass in sämtlichen Rückblicken kein Plusquamperfekt, also keine Vorvergangenheit benutzt wurde, sodass ich jedes Mal überlegen musste, wo genau die Rückblicke jetzt anfangen und wo die Haupthandlung weitergeht.
Ich will jetzt nicht alles zitieren, aber hier mal als Beispiel:
Einen kurzen Augenblick lang glitten ihre Gedanken zum Anfang dieses Alptraumes: Wie jedes Jahr wollte sie die Nacht zu Halloween damit verbringen, sich einige Filme anzuschauen. Doch dann hatte eine Klassenkameradin sie per Facebook gefragt, ob sie nicht Lust hätte, zu einer Party zu kommen. Natürlich hatte Florance sich über diese Einladung gefreut. Sie war erst in diesem Schuljahr dazu gestoßen und hatte noch keine Freunde in ihrer neuen Schule gefunden und daher sah sie diese Gelegenheit als eine Chance, Freundschaft mit einigen Leuten zu schließen. Also ignorierte sie die nervige kleine Stimme in ihrem Kopf, die sie zu warnen versuchte. Versuchte ihr klar zu machen, dass das nicht mir rechten Dingen zugehen konnte.
Alles ab "Wie jedes Jahr" müsste ins Plusquamperfekt, weil es ja innerhalb der Handlung schon vorbei ist. ;)

Fazit:
Bis auf die Vorvergangenheit und die damit ein wenig verwirrenden Rückblicke ist das Ganze auf jeden Fall gelungen. Man hat hier gewissermaßen auch mehr Storyline als im ersten Kapitel und abgewesen davon werden neben Florance noch andere Charaktere angerissen, von denen man sicherlich bald auch noch etwas zum Lesen bekommt. ;)

Liebe Schreibziehergrüße,
Eldeen
Von: abgemeldet
2012-10-18T20:17:12+00:00 18.10.2012 22:17
Nabend!
Ahja, Alea. Da war ja noch was. Mal sehen, wie du die Aufgabe in ein zweites Kapitel verwandeln konntest - die Schwierigkeitsstufe ist hier doch etwas größe, denk ich. Oder?

Für Florance Heimlich
Heimlich? Heißt sie Heimlich? Ich mag derart aussagekräftige Namen. ;)

Für Florance Heimlich liefen die letzten zehn Halloweennächte immer gleich ab:
Okay, es könnte verwirrend sein, liegt das an mir? Jedenfalls finde ich, dass "waren die letzten zehn Halloweennächte immer gleich abgelaufen" besser passen würde, vielleicht sogar inklusive "Jahre"? Denn das ist doch gemeint, oder?

dass das nicht mir rechten Dingen zugehen konnte.
Kleiner Tippfehler: "mir"  ->  "mit"

Sie bemerkte, wie die Sternenklare Nacht sich langsam zurück zog und einer kalten Dunkelheit platz machte – die Monster hatten sie bemerkt.
"sternenklare" würde ich klein, "zurückzog" zusammen und "Platz" groß schreiben. "Bemerkt" wird hier wiederholt - das aus dem vorigen nicht mitgezählt, da ich diese Wiederholung eigentlich gut finde.

wie die ersten Tränen sich ihren Weg über ihre verletzten Wangen suchten.
An dieser Stelle bin ich hängengeblieben und habe mich gefragt: Was habe ich verpasst?

war in der Halloweennacht nach ihrem sechsten Geburtstag. + gewesen ?

Ein rascheln lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den verwilderten Weg vor ihr. -> "Rascheln", groß geschrieben.

Aber sie würde auf keinen Fall kampflos aufgeben und sich ohne Gegenwehr fressen lassen.
Wohoo! Das gefällt mir. Ich mag diese Stelle. :)

Das wütende Brüllen des Menschenfressers hallte in sicherer Entfernung wieder.
"wider" - Widerhall

Oh ich stehe auf Drachen. Total! Ganz besonders, wenn sie richtig fies sind oder wie in diesem Fall: Ganz besonders niedlich. Aww.

Ein tolles Kapitel! Richtig gut geschrieben und ich will unbedingt mehr über diese Welt wissen. Man, da bleibt mir sonst nichts zu sagen!

Liebe Schreibziehergrüße,
Turnaris
Von:  konohayuki
2012-10-17T18:00:13+00:00 17.10.2012 20:00
Einen schönen guten Abend,

>Und zwar nicht die kleinen harmlosen Exemplare mit denen sie jeden Tag zu tun hatte – sondern die mit scharfen Krallen und spitzen Zähnen, die am liebsten Jagd auf Menschen machten.

Hui, da hat jemand aber vermutlich schon Bekanntschaft mit dieser Art Monster gemacht. Diese Aussage macht mich als Leser neugierig, was da passiert ist, dass sie so empfindet.

>Tief Atmete Florance die kalte Nachtluft ein.

"atmete" muss hier klein geschrieben werden.

>Zu spät erkannte Florance ihren Fehler.

Und ich als Leser sitze hier und denke mir: Argh! Ich will's auch wissen. Sehr gelungener Spannungsaufbau, finde ich.

>Egal wie groß ihre Schmerzen waren, egal wie gerne sie in diesem Augenblick laut Aufschreien und Heulen würde, sie durfte nicht.

Ich mag mich irren, aber ich würde "aufschreien" und "heulen" hier klein schreiben.

>Ein rascheln lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den verwilderten Weg vor ihr.

Hier muss das "Rascheln" dann aber groß geschrieben werden.
Ich zittere übrigens mit Florance. Und ich finde es toll, dass du Alea aus dem vorangegangenen Kapitel aufgreifst, das gefällt mir.

>Florance erinnerte sich, dass sie irgendwann einmal gelesen hatte, dass Drachen die einzigen Feinde der Menschenfresser waren.

Ui, da hat sie aber Glück gehabt. Das heißt, man muss immer einen Drachen zur Hand haben, wenn man einem Menschenfresser begegnet. Und hoffen, dass Ersterer einen nicht für eine verschleppungswürdige Jungfrau hält oder so. Die Idee gefällt mir wirklich gut.
Und oh mein Gott ist dieser Drache niedlich. Er bekommt dann zum Geburtstag immer Kuscheltiere, oder?

Eine sehr gute Geschichte mit einer interessanten Idee dahinter. Jetzt fehlt aus dem Trio, das du angesprochen hast, noch Destina, ich hoffe doch, wir bekommen auch von ihr noch etwas zu lesen?

Liebe Schreibziehergrüße,

konohayuki


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