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Mädchenherz♥

Ein unfreiwilliger Geschlechterwechsel für Jûdai und seine Folgen
von

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Mädchen verlieben sich

Für mich war die Welt der Mädchen eine völlig neue. Es gab so viel zu entdecken, dass ich viel zu aufgeregt war, um zu merken, was währenddessen an meiner Schule vor sich ging.

 

Vor allem aber begriff ich nicht, was in diesen Tagen in Johan vor sich ging und das war im Nachhinein das Schlimmste.

 

Kapitel 2. Mädchen verlieben sich

 

Wie im Flug verging mein erster Tag als Mädchen an der Duel Academia. Das nennenswerteste Ereignis war, dass Asuka beschloss, zu mir und Rei in das große Zimmer von Osiris Red zu ziehen. Sie erklärte mir, dass sie das Gefühl hatte, ich bräuchte eine Ansprechpartnerin in der Nähe. Und zwar eine, sich schon ein bisschen besser auskannte als Rei, die selbst erst seit Schuljahresbeginn bei uns war. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden.

Und so saßen wir am Abend zu dritt im heißen Wasser des Spa. Am ersten Tag hatte noch die Neugierde überwogen, weil ich (abgesehen von meiner Mutter, und das war ewig her) zum ersten Mal in meinem Leben ein nacktes Mädchen gesehen hatte, aber irgendwie war der Anblick auch nicht mehr so besonders, wenn man schon selber Brüste hatte.

 

„Du, sag mal, Jûjika-chan“, fragte Rei, als sie als letzte zu uns ins heiße Wasser stieg, „kann es eigentlich sein, dass du in Johan verliebt bist?“

Ich lachte. „In Johan? Er ist doch ein Junge!“

Rei runzelte die Stirn. „Ja, genau. Die meisten Mädchen verlieben sich in Jungs.“

Ich kniff die Lippen zusammen. Natürlich hatte ich mal wieder vergessen, dass ich mittlerweile kein Junge mehr war.

„Wie kommst du überhaupt darauf, dass sie in ihn verliebt sein soll?“, fragte Asuka, wofür ich ihr sehr dankbar war.

Rei suchte sich eine bequeme Sitzposition im Wasser und hob dann die linke Hand als Faust.

„Also, erstens“, sagte sie und streckte den Zeigefinger aus, „folgst du ihm überall hin. Also, wirklich überall. Du wärst ihm dreimal fast aufs Männerklo hinterher gegangen.“

„Nach dem Sport wollte sie auch erst mal in die Männerumkleide“, erzählte Asuka ihr, was Rei zufrieden aufnahm, weil es ihre These untermauerte.

 

Ja, das stimmte. Die hatten ja auch keine Ahnung, wie schwer es war, sich so schnell umzugewöhnen, nachdem ich 17 Jahre meines Lebens auf Männerklos gegangen war. Immerhin hatte Johan mich jedes Mal noch rechtzeitig drauf hingewiesen, dass ich auf die Damentoilette gehörte. Ja, wenn ich ihn nicht hätte.

 

Rei streckte als nächstes den Mittelfinger aus: „Außerdem redest du fast nur mit ihm und kaum mit uns.“

 

Auch das stimmte. Natürlich redete ich lieber mit ihm, weil ich da keine Angst haben musste, irgendwas Falsches zu sagen.

 

Als nächstes kam der Ringfinger von Rei zum Einsatz. „Du hängst auch regelrecht an ihm dran. Ständig hältst du dich irgendwo an ihm fest. Zum Beispiel an seinem Arm.“

Asuka nickte zustimmend. „Das beruht allerdings auf Gegenseitigkeit. Ständig legt er seinen Arm um dich.“

 

Das war mir ehrlich gesagt noch gar nicht so aufgefallen, aber wenn die beiden das so sagten, stimmte es wahrscheinlich. Aber was sollte das bitteschön beweisen?

 

Zuletzt klappte Rei den kleinen Finger ihrer Hand aus. „Außerdem hast du ihn beim Mittagessen gefüttert!“

Ich musste lachen. „Das war doch nur, weil er noch nicht mit Essstäbchen umgehen kann und ich es nicht mit ansehen konnte, wie er sich damit abgemüht hat!“

In diesem Fall stimmte Asuka mir zu. „Er ist eben Ausländer.“

 

Rei betrachtete ihre Hand und klappte den kleinen Finger wieder zurück und kratzte sich mit der anderen Hand im Nacken. Dann fiel ihr offenbar doch noch wieder was ein und sie hielt mir die Hand mit jetzt wieder vier ausgestreckten Fingern vor die Nase.

„Außerdem hast du viel zu gute Laune dafür, dass deine Mutter todkrank ist! Das kann nur daran liegen, dass du nur Augen für Johan hast und gar nicht mehr daran denkst!“, verkündete sie triumphal.

 

Darauf wusste ich nichts zu erwidern.

 

„Also, ich weiß nicht“, meinte Asuka nun. „Für mich sieht das alles eher so aus, dass sie in einer neuen Umgebung jemanden braucht, an den sie sich halten kann und das ist in diesem Fall Johan.“

Ich nickte zustimmend. Die Vorstellung, dass ich in Johan verliebt sein sollte, war ziemlich absurd.

Rei schüttelte vehement den Kopf. „Ich erkenne ja wohl ein verliebtes Mädchen, wenn ich es sehe!“, protestierte sie.

Asuka seufzte und griff nach ihrem Handtuch, um das heiße Wasser zu verlassen. Rei und ich blieben noch sitzen, während sie sich kalt abduschte. Als sie damit fertig war und das Wasser abgedreht hatte, drehte sie sich wieder zu uns um: „Abgesehen davon finde ich nicht, dass sich Jûjika-san gegenüber Johan irgendwie anders verhält als Jûdai-kun.“ 

Jetzt stand auch Rei auf. „Und was soll das beweisen?“, fragte sie ein wenig bissig, setzte sich auf einen der Hocker und drehte die kalte Dusche voll auf.

Asuka ging zu den Handtüchern und wickelte sich zuerst eines um ihre langen Haare.

„Das heißt, dass nach deiner Argumentation Jûdai-kun auch in Johan verliebt sein müsste.“

 

Ich brach in Gelächter aus. „Das geht doch gar nicht!“

Rei stellte ihre Dusche ab und sah mich an. „Wieso soll das nicht gehen?“

Ich hatte jetzt auch genug von dem heißen Wasser und setzte mich, immer noch kichernd, neben Rei auf einen der Badehocker. „Na, ich und – nein, ich meine, Jûdai und Johan sind doch beides Jungs!“, sagte ich glucksend und fing an, mich abzuduschen.

„Das ist doch kein Grund!“, widersprach Rei.

Ich lachte weiter, während ich mir das Wasser über den Rücken laufen ließ. „Werd nicht albern. Jungs verlieben sich doch nicht in Jungs!“

„Doch, das kann theoretisch passieren“, mischte sich Asuka ein, die sich schon in ein Handtuch gewickelt hatte und an der Tür zum Umkleideraum stand. Ich hörte auf zu lachen. „Ihr meint, das geht?“, hakte ich verblüfft nach und stellte das Wasser ab.

Rei griff nach ihrem Handtuch und fing an, ihre Haare abzurubbeln. „Na klar. Wieso sollte die Liebe denn vor irgendwelchen Geschlechtergrenzen halt machen?“, fragte sie vorwurfsvoll. Ich dachte nach. Das klang irgendwie logisch.

„In manchen Ländern dürfen Männer sogar heiraten“, erklärte Asuka.

„Was echt?“, fragte ich und musste sofort wieder losprusten. „Wenn zwei Männer heiraten, wer trägt denn dann das Hochzeitskleid?“

Das ist deine wichtigste Frage dazu?“, fragte Rei vorwurfsvoll.
 

Da sie mittlerweile auch ein Handtuch umgebunden hatte, schnappte ich mir schnell meines und wir gingen rüber in die Umkleide, wo wir uns abtrockneten. „Die Vorstellung von einem Mann im Hochzeitskleid ist halt komisch“, verteidigte ich mich grinsend, weil Rei mich immer noch missbilligend ansah. 

„Also, ich glaube nicht, dass einer von beiden ein Hochzeitskleid tragen muss, wenn er nicht will“, sagte Asuka.

Ich hatte mich fertig abgetrocknet, legte mein Handtuch zur Seite und wollte gerade in mein Höschen (eins von denen, die ich mit Johan extra gekauft hatte weil er meinte, ein Mädchen könnte nicht in Boxershorts rumlaufen) schlüpfen, als Rei fragte: „Was hast du denn da gemacht?“

„Wo?“

Sie zeigte auf meinen Rücken, wo es eine auffällig rote Stelle gab. „Oh“, machte ich. „Das war Johan.“  Genauer gesagt war es die Stelle, an der mich Johan immer kniff, wenn ich mal wieder im Begriff war, etwas Falsches zu sagen.

„W- was hat er gemacht?“, stammelte Rei und beugte sich zu der betroffenen Stelle herunter. „I- ist das ein Knutschfleck!?“

„Ein was? Er hat mich einfach nur gekniffen!“

Rei richtete sich wieder auf und verschränkte die Arme. „Das glaubt dir doch kein Mensch. Wenn er dich nur kneift, wird das nie im Leben so rot!“

„Er hat mich oft gekniffen“, widersprach ich.

Rei schüttelte den Kopf. „Warum sollte er das tun?“

„Weil ich ein zu loses Mundwerk habe“, erklärte ich. Genau das hatte Johan zu mir gesagt, als ich mich irgendwann beschwert hatte, dass die Stelle langsam ganz schön weh tat.

Rei sah nach wie vor skeptisch aus, ließ das Thema aber tatsächlich fallen. „Okay, zurück zum Thema“, beschloss sie. „Du hast immer noch nichts dazu gesagt!“

„Was, wozu?“

„Ob du in Johan verliebt bist!“

Diesmal lachte ich nicht. Stattdessen hatte ich eine Frage. „Woher weiß ich überhaupt, ob ich verliebt bin?“, wollte ich wissen.

 

Auf Reis Gesicht machte sich eine Mischung aus Entsetzen und Mitleid breit.

„Warst du etwa noch nie verliebt?“

Ich war langsam fertig mit Abtrocknen und schlüpfte in die Jogginghose, die ich nach wie vor zum Schlafen trug. „Nee“, murmelte ich. 

„Du Arme!“, seufzte Rei und beugte sich zu mir rüber. „Dabei ist es doch so wunderbar, verliebt zu sein!“

Ich wich ein bisschen zurück. „Jetzt erklär mir doch erstmal, wie man überhaupt merkt, ob man verliebt ist!“

Rei sprang auf und begann, auf und ab zu laufen, während Asuka im Hintergrund begann, ihre Haare zu föhnen.

„Weißt du, das ist schwer zu erklären“, sagte Rei, nachdem sie dreimal hin und her gelaufen war. Um den Föhn zu übertönen musste sie ein bisschen lauter sprechen. „Es ist eben… wenn man verliebt ist, dann mag man jemanden ganz besonders. Man bewundert ihn, findet alles an ihm toll, will immer bei ihm sein und dafür würde man alles tun. Man ist glücklich, wenn man nur mit ihm zusammen sein kann. Und natürlich bekommt man ganz unglaubliches Herzklopfen, wenn sich die Blicke treffen!“

„Herzklopfen? So wie wenn man nur noch 100 Lebenspunkte hat und unbedingt die richtige Karte ziehen muss, um nicht zu verlieren?“, fragte ich nach.

Rei sah mich an. „Genau so!“, rief sie.

„Dann bin ich nicht in Johan verliebt. Sowas ist mir bisher nur im Duell passiert“, sagte ich und setze mich neben Asuka, um meine Haare auch ein bisschen zu trocknen.

Rei ließ sich neben mir auf den Stuhl fallen. „Und ich war mir soo sicher…“

 

In der Nacht hatte ich wieder den Traum, der mich schon seit Beginn des Schuljahrs Nacht für Nacht heimsuchte. Ein orange leuchtendes Auge, das nahezu frei in der Finsternis schwebte und meinen Namen sagte: „Jûdai… mein geliebter Jûdai… ich liebe dich… bitte komm zu mir…“

Die Stimme, die dort sprach, kam mir irgendwie vage bekannt vor, aber ich kam einfach nicht drauf, woher.

 

Am nächsten Morgen beim Frühstück sprach mich Rei darauf an, dass ich ziemlich unruhig geschlafen hätte, aber ich meinte nur, dass ich einen Alptraum gehabt hätte. Asuka vermutete gleich, dass es dabei um meine todkranke Mutter gegangen wäre und dabei beließ ich es, außerdem kam dann auch schon Johan, um mit mir zusammen zum Unterricht zu gehen.

 

Obwohl die Duel Academia dieselbe war wie immer und ich auch wie zuvor in Osiris Red wohnte und die meiste Zeit mit Johan verbrachte, war es doch alles wie eine neue Welt für mich. Weil Johan mir eingeschärft hatte, dass ich im Unterricht auf keinen Fall schlafen dürfte weil ich das als Jûdai immer tat, mühte ich mich nach Kräften, wach zu bleiben. Das klappte zunehmend besser, und zu meiner Überraschung entdeckte ich, dass nicht alles, was die Lehrer uns beizubringen versuchten, vollkommen uninteressant war.

Rei und Asuka hielten sich wie Johan auch viel in meiner Nähe auf und waren immer bereit, mir Dinge zu erklären. Von ihnen lernte ich erstaunliche Dinge, zum Beispiel, dass Fingernägel viel schöner aussehen wenn man sie zurechtfeilt statt sie abzukauen wie ich das bis dahin immer gemacht hatte.

Aber die meiste Zeit war ich doch bei Johan, weil es einfach herrlich war, mit ihm zusammen zu sein, herumzualbern, sich zu unterhalten oder einfach nur irgendwo zusammen zu sitzen. Das war zwar schon vor meiner Verwandlung so gewesen, aber irgendwie fühlte es sich trotzdem ein bisschen anders an.  Besser.

 

Johan sprach in den folgenden Tagen noch manchmal an, dass wir eigentlich einen Weg suchen müssten, wie ich zurückverwandelt werden konnte. Allerdings hatten wir beide keine zündenden Ideen, wie wir das anstellen sollten.

Während der Disclosure Duels heimlich die Insel zu verlassen, um uns noch einmal auf die Suche nach Mika zu machen, hielt Johan für unmöglich. Außerdem gab er zu bedenken, dass wir ja schon lange nach ihr gesucht und sie nicht gefunden hatten. Eigentlich hatten wir überhaupt keine Anhaltspunkte; wir wussten nicht mal, ob sie aus Domino City kam oder wie wir nur zu Besuch dort gewesen war.

Nicht zuletzt bezweifelte ich auch nach wie vor, dass Mika mich mit Absicht verwandelt hatte. So hatte sie nicht ausgesehen. Und wie sollte sie etwas rückgängig machen, von dem ihr nicht einmal selbst klar war, wie sie es angestellt hatte?

Letzten Endes hatte ich auch nach ein paar Tagen einfach keine Lust mehr, mir den Kopf zu zerbrechen. Ich war ein Mädchen, na und? Ich kam mit den Leuten klar, hatte Spaß wenn ich mit Johan zusammen war und fühlte mich eigentlich ganz wohl in meinem Körper, seitdem ich mich daran gewöhnt hatte im Sitzen zu pinkeln.

 

Abgesehen von den mysteriösen Träumen hätten diese Tage also sogar ziemlich toll sein können, wenn es nicht ein großes Problem gegeben hätte, mit dem ich einfach nicht fertig wurde.

Irgendwie schien mir bei der Verwandlung in ein Mädchen jegliches Gefühl für das Kartenspiel Duel Monsters abhanden gekommen zu sein.

Das erste Duell, das ich gegen Rei bestritt, weil sie unbedingt herausfinden wollte ob ich so gut wäre wie mein männliches Ich, lief katastrophal. Irgendwie gelang es mir nie, die vielversprechenden Monster aufs Feld zu bringen, die ich auf der Hand hatte oder zog Zauber- und Fallenkarten erst nachdem ich sie wirklich hätte gebrauchen können. Das Duell verlor ich mit einem sagenhaften Vorsprung von Rei, die am Schluss immer noch 3800 Lebenspunkte hatte.

 

Natürlich schob ich diesen Misserfolg erst einmal auf das Deck, aber Johan weigerte sich natürlich  zu glauben, dass es an seinem Deck lag. Dass er damit in der Vergangenheit dutzende Duelle gegen Top-Duellanten aus ganz Europa  erfolgreich bestritten hatte, sprach nicht wirklich dafür. Und trotzdem – ich kam einfach nicht klar. Obwohl ich mit Johans Hilfe das Deck ein wenig umstellte, um es mehr auf meine offensive Art zu spielen auszurichten und in kurzer Zeit verinnerlicht hatte, welche Karten es gab und welche Strategien man damit spielen konnte, klappte es im richtigen Duell irgendwie nie so, wie ich wollte.

Und ich duellierte mich viel, wenn auch vor allem gegen Johan. Während der Disclosure Duels fand der Unterricht grundsätzlich nur vormittags statt, damit wir mehr Zeit zum Duellieren hätten, und meistens machten wir den ganzen Nachmittag nichts anderes. Oft genug schliefen wir beide, nachdem Johan gewonnen hatte, regelrecht an Ort und Stelle ein. Ich schob das darauf, dass mir wegen der seltsamen Träume, und weil ich im Unterricht ständig wach war, einfach der Schlaf fehlte. Trotzdem blieb es dabei, dass ich als Mädchen eine lausige Duellantin war, und das sprach sich an der Schule schnell herum, so dass ich hin und wieder blöde Bemerkungen kassierte wie „Duellieren liegt wohl nicht im Blut“, oder „Jûdai war zwar nervig, aber duellieren konnte er sich“.

Was gab es schlimmeres, als gegen sich selbst zu verlieren?

 

So verging fast eine Woche, ohne dass irgendwas meinen neuen Alltag an der Duel Academia unterbrochen hätte. Der Freitag allerdings begann schon unter schlechten Vorzeichen, nämlich damit, dass Rei mich nur wachbekam indem sie mich aus dem Bett schmiss. Das allein wäre nicht einmal schlimm gewesen, aber da stand Johan schon vor der Tür und bestand darauf, dass ich ohne Frühstück mitkam, weil Zuspätkommen typisch Jûdai und folglich für Jûjika unpassend war. Folglich knurrte mir den ganzen Vormittag der Magen und als wir endlich in die Cafeteria stiefeln konnten, fühlte mich, als müsste ich jeden Moment vor Hunger tot umfallen.

 

Damit nicht genug: Als wir mit endlich gefüllten Mägen aus dem Hauptgebäude kamen, wurde ich auch noch von einem Krokodil angefallen, das mir aus einem Busch entgegensprang!

Genau, ein Krokodil. Es gehörte Jim, der wie Johan als Austauschschüler an unsere Schule gekommen war und er hatte es bei der Einführungsfeier sogar auf dem Rücken mit sich herumgetragen.

Zum Glück passierte mir nichts, weil ich einigermaßen schnell reagieren konnte und das Reptil deshalb nur meine Duel Disk erwischte. Außerdem war Jim dicht hinter ihm her und rang es Sekunden später zu Boden. „I’m sorry! Seit yesterday benimmt sie sich irgendwie seltsam“, entschuldigte er sich dann auch sofort, verband seinem Krokodil die Augen und schnallte es sich wieder auf den Rücken.

Ich verzieh ihm, weil ich eh nicht verletzt war, aber wir verzogen uns, nachdem Jim sich verabschiedet hatte, dann doch lieber auf meinen Lieblingsplatz auf dem Dach der Schule, wo definitiv kein Krokodil aus dem Gebüsch springen würde.
 

Und ich dachte eigentlich, damit hätte ich den schlimmsten Teil überstanden.

 

 

Die Sonne ging bereits unter, als wir unser letztes Duell beendeten. Johan hatte – mal wieder – haushoch gewonnen.

„Bin ich kaputt!“, stieß ich aus und ließ mich mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden nieder.

Johan setzte sich im Schneidersitz neben mich und lehnte sich zurück, um in den Himmel zu schauen. Der Duellgeist Ruby Carbuncle, ein katzenähnliches Wesen, erschien neben ihm und folgte seinem Blick. Sah irgendwie nett aus, wie die zwei da so einig in dieselbe Richtung über de Insel schauten. Johan hatte mal gesagt, dass seine Edelstein-Bestien für ihn so etwas wie eine Familie waren, und in diesem Moment konnte ich das sehr gut nachvollziehen.

„Ich fühl mich auch ziemlich alle. Das heißt wohl, dass wir alles gegeben haben“, sage Johan matt.

Ich nickte und blinzelte in die Abendsonne, die das Meer am Horizont in ein funkelndes Orange tauchte.

„Du lächelst“, stellte Johan fest. „Dabei warst du eben beim Duell so verbissen.“

Ich ließ mich auf den Rücken fallen und starrte jetzt auf die lose verstreuten Wolken über uns, die an den Rändern ebenfalls orange angelaufen waren.

„Na ja“, sagte ich nachdenklich, „ich kann mich ja nicht die ganze Zeit ärgern. Außerdem ist es schön hier.“

Johan ließ sich neben mich fallen und sah mich direkt an. „Stimmt.“

Er hatte wirklich schöne Augen, fiel mir auf. Sie waren blassgrün, eine Farbe, die mich irgendwie immer an die ersten Blumen nach einem langen Winter denken ließ. Ich merkte, wie sich auf einmal mein Herzschlag beschleunigte.

 

Bevor ich darüber nachdenken konnte, was das zu bedeuten hatte, landete Ruby genau zwischen uns. Er drehte sich einmal auf der Stelle und stieß dann ein klagendes Fiepen aus. Vielleicht vermisste er meinen Duellgeist Hane-Kuriboh, mit dem er sonst gerne mal spielerisch in die Haare geriet. „Hey… alles in Ordnung…“, murmelte Johan beruhigend auf ihn ein.

Ich seufzte und schaute wieder in den Himmel. „Eigentlich könnte schon irgendwie alles so bleiben.“

Johan setzte sich wieder auf und sah mich mit einem breiten Lächeln an. „Finde ich auch.“

„Bis auf eins natürlich“, fügte ich hinzu.

Johan lachte. „Das ist klar.“

Rubi sprang auf seine Schulter und trillerte zustimmend.

 

„Ich wette, mit meinen Heldenmonstern könnte ich viel besser spielen. Ob Herr Samejima mir mein Deck wiedergibt, wenn ich nett frage?“

 

Johan sah mich verblüfft an. „Das ist dein größtes Problem?“

Ich rappelte mich vom Boden hoch und fächerte mein Deck auf. „Na ja, ich vermisse meine Monster. Mit deinen Schmetterlingen verbindet mich ja überhaupt nichts. Ich wette, daran liegt es, dass ich ständig verliere.“

Johan fuhr sich durch die Haare, die der laue Abendwind sowieso schon ein bisschen durcheinandergebracht hatte. 

„Das klingt jetzt so, als wäre es dir egal, ob du jemals wieder ein Junge wirst“, bemerkte er.

Ich steckte meine Karten wieder weg und schlang die Arme um meine Knie. „Na ja, ist es auch… irgendwie“, murmelte ich. „Ich meine, es ist immer noch schwierig, ständig so zu tun als wenn ich nicht Jûdai Yûki wäre, aber…“

Ein plötzliches Trillern von Ruby ließ mich den Satz unterbrechen. Der Duellgeist sprang von Johans Schulter und rannte ein paar Schritte in Richtung der Tür, die auf das Dach führte. Aufmerksam sah er sich um, aber dann kehrte er wieder zu uns zurück und setzte sich neben Johan. Der machte ein besorgtes Gesicht, aber ich überging das, weil ich den Satz zu Ende bringen wollte.

„Also, was ich sagen wollte… es ist zwar schwierig, aber … solange du bei mir bist ist das alles nicht so schlimm. Dann vergesse ich manchmal sogar, dass irgendwas anders ist als vorher“, gestand ich und legte meinen Kopf an seine Schulter.

Johan sah mich verblüfft an, dann drehte er seinen Kopf wieder nach vorne, in Richtung Abendsonne.

Er schwieg, und so sahen wir gemeinsam zu, wie sich die Sonne langsam von Orange nach Rot verfärbte und schließlich nach einem letzten Aufleuchten in der weiten See versank. Ein sanfter Wind kam auf und ich schmiegte mich noch ein wenig enger an Johan, weil er so schön warm war.

Es war angenehm, diesen Moment zu teilen. Ich war glücklich.

 

Auf einmal kam mir ein Gedanke. Was hatte Rei nochmal gesagt?

 

„Man ist glücklich, wenn man nur mit ihm zusammen sein kann. Und natürlich bekommt man ganz unglaubliches Herzklopfen, wenn sich die Blicke treffen!“

 

Was, wenn sie Recht gehabt hatte? War ich wirklich in Johan verliebt? Hatte mein Herz nicht eben angefangen zu klopfen, als wir uns angeschaut hatten? Oder war das nur Zufall gewesen?

 

Um das herauszufinden, gab es wohl nur einen Weg.

Ich musste ihm noch einmal in die Augen sehen.

 

„Johan“, sagte ich leise und hob den Kopf.

 

Er drehte sich zu mir, aber kurz bevor sich unsere Blicke trafen, drehte er sich plötzlich weg.

Im nächsten Moment sprang er auf die Füße und ich musste mich eilig abstützen, um nicht wegzukippen.

„Johan?“, fragte ich, aber als ich mich zur Tür umdrehte, sah ich nur noch Rubys Schwanzspitze durch die Tür verschwinden und hörte, wie sich Johans Schritte eilig entfernten.
 

 

Und von da an wurde es eigentlich erst richtig kompliziert.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  hAyLeY9pOtTeR
2012-10-13T20:38:42+00:00 13.10.2012 22:38
das leben könnte für judai oder jujika einfacher werden! dass er an das "neue" leben gewöhnen könnte als weib, aber blöd auch, dass er/sie beim duellieren jedesmal verliert, nur wegen eines anderen decks, wo er/sie nicht verbunden fühlt! rei kennt sich ja in sachen liebe aus und fragte mich, ob sie selber auch in johan verschossen sei? die hat komisch und skeptisch jujika geguckt! kann das sein? wenn jujika sich wie judai verhält (obwohl das die eine und selbe person ist xD), da merkt man, wie ähnlich die sich sein können, als "zwillinge". sogar die szene beim sonnenuntergang mit johan finde ich wunderschön und soo romantisch! *___* schade, dass er gerade an dem moment geht, wo judai ihn etwas sagen wollte, oder irgendwie... :(
Von:  Elaine_Eden
2012-10-13T00:29:32+00:00 13.10.2012 02:29
Ich finde deinen Schreibstil sehr schön. Du beschreibst auch Kleinigkeiten wie den fortschreitenden Waschvorgang, während sich die drei Mädels unterhalten haben. Die Szene konnte man sich dadurch sehr gut bildlich vorstellen. Oder auch wie sich die Umgebung mit fortschreitender Stunde veränderte, als Juudai und Johan auf dem Dach saßen.
btw die beiden sind so süß x3 Ich wette, Johan hat schon längst bemerkt, was vor sich geht und Juudai ist gerade erst dabei, es zu begreifen.

Dass Juudai sich als Mädchen plötzlich nicht mehr duellieren kann, ist aber irgendwie gendermäßig politisch unkorrekt :P Hoffentlich erfindest du dafür eine plausible Erklärung ;D

...
und jetzt eine gendermäßig politisch unkorrekte Aussage von mir: Dass Johan in der Vergangenheit mit einem Schmetterlingsdeck Erfolge gefeiert hat, spricht aber auch nicht gerade für seine Männlichkeit xD
Von:  Raishyra
2012-10-04T14:11:34+00:00 04.10.2012 16:11
Wirklich ein tolles FF ^.^
Mir gefällt dein Schreibstil, nur eins muss ich dich aufmerksam machen.
In allen drei fehlt mal ein Leerzeichen zwischen ein paar Wörter ^^"
Ich weiß es nicht genau die Stellen, aber wenn man noch mal drüber geht, wirst du sie bestimmt schnell finden^^

Weiter so und ich bin gespannt aufs nächste Kappi ;3
Von:  fahnm
2012-10-01T21:17:07+00:00 01.10.2012 23:17
Hammer Kapi^^
Von:  ShinoYuta
2012-10-01T20:16:43+00:00 01.10.2012 22:16
die ff ist richtig genial.
ich kann es kaum abwaten wie es weitergeht!
mir hat noch nie eine ff so gut gefallen <33
mach bloß weiter so :D


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