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A Life before...

Cherik AU
von

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Kriegszeiten

Cover zu diesem Kapitel, gemacht von Yulice <3:

http://s1328.photobucket.com/user/o0Yulice0o/media/P9290256_zpsb0a75123.jpg.html
 

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Kriegszeiten - Erik Magnus Lehnsherr
 

Es erleichterte mich ungemein zu hören, dass ich ihn nicht verärgert hatte. Daher wurde mir gleich viel leichter ums Herz. Doch wozu? Ich verstand momentan meine Gefühlslage selbst nicht. War sie doch so verworren und vor allem unbekannt.

Ich musste schmunzeln, als er mein Tanzangebot annahm. So hätte ich es doch nicht für möglich gehalten. Aber wieder wurde ich eines Besseren belehrt und konnte mich auch täuschen. Ins Besondere bei Charles geschah das erstaunlich oft. Ganz einfach weil ich ihn noch nicht genauestens kannte. Weil er für mich noch immer ein wandelndes Geheimnis war. Eines das ich zu ergründen versuchte. Ich senkte meinen Blick als er meine Schuhe erwähnte. Ich konnte nicht anders und lachte auf.

„Gewiss.“, meinte ich eh ich mich hinunter beugte und mir auf Geheiß die Schuhe auszog. Nun in dem Sinne gleichberechtigt, stellte ich mich wieder grade hin, in der Position der Dame. Ich legte meine Hand sachte an seine Schulter und die andere in seine Hand. Ich blickte ihn an, unnötig gesprochene Worte zu äußern, da seine Augen mir alles sagten was ich wissen wollte.

Die Augen die seit dem ersten Tag schienen, als würden sie in mein Innerstes blicken können. Und ohne nachfragen zu müssen ob er bereit wäre, begannen wir die Schrittabfolge zu perfektionieren. Nein….es war keine Übung. Es war schlicht weg Tanzen. Ohne korrigierende Worte, die so wieso nicht nötig waren.

Mein Herz fühlte sich an als hätte es Flügel bekommen, so frei und ungezwungen fühlte ich mich grade. Wir schwebten beinahe über das Parkett so vereint tanzten wir zusammen. Anders als es beim Unterricht von statten gegangen war. Jetzt war er der unbeugsame Führer, der mir Sicherheit gab und mich blind durch den Raum führte. Auch wenn keine Musik spielte, konnte ich eine sanfte Melodie in meinem Kopf ausmachen, die nur allzu passend schien. Eine Melodie nur für uns beide.

Es hatte mich überraschte ihn am Flügel sitzen zu sehen, wo ich doch der Auffassung gewesen war, ihn entweder in der Mitte des Saales oder am Fenster stehend vorzufinden. Ich war es lange nicht mehr gewohnt Leute zu bedienen, weshalb ich erst beschämt zur Seite getreten war, als er das Tee eingießen für mich übernommen hatte.

Die ersten Momente verbrachte ich weiterhin in der Position der Dame, doch später bestand Charles auf einen Wechsel. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden, da es auch mal wieder schön war den dominanteren Part zu übernehmen. Und wie ich feststellen musste, passte es auch besser zu uns. Es war nur noch sehr viel angenehmer. Wir tanzten erst einen größeren Tanz der Gesellschaft, eh ich dann zum Walzer wechselte. Der Grund dazu war, dass ich das Bedürfnis verspürte ihm nahe zu sein. Psychisch wie auch Physisch. Hatte ich mich zu Abendbeginn noch so versteift verhalten, fiel nun jegliche Zurückhaltung von mir ab. Ich fühlte mich einfach unglaublich frei. Und das wollte ich mit Charles ausleben. Dieses Gefühl teilen.

Mein Arm schlang sich um seine Taille, während meine andere Hand die seine festhielt. Vielleicht tanzten wir gar etwas enger, als zu dem Zeitpunkt als ich ihm die Schritte gezeigt hatte. Doch ich nahm dies nicht so genau. Sondern genoss einfach den Moment. Ihn zu führen, ihn bei mir zu haben und mit ihm alle Freiheiten auszuleben. Wie ich gestehen musste…..war dies einer der schönsten Momente die ich seit langem erleben durfte.

Als wir den Tanz beendet hatten, stand ich immer noch dicht an ihm und sah auf ihn nieder, während ich leise keuchte. Getrieben vom Tanz. Ohne ein Wort zu sagen blickte ich auf ihn nieder, in diese fesselnd blauen Augen. Eh ich mich dann besann und zurücktrat.

Was war das eben?

Erschrocken und beschämt von mir selbst, verneigte ich mich schließlich dankend.

„Charles.“, meinte ich während ich mich verneigte.

„Danke für den Tanz. Es….es ist schon reichlich spät. Und morgen ruft die Arbeit wieder. Ich hoffe, sie hatten ihren Spaß und können nun behutsam ihr Bett aufsuchen."

Ich strich mir leicht verunsichert über mein eigenes Verhalten, durch mein Haar, eh ich dann zum Flügel zurück trat um meine Tasse zu leeren.

„Ich wünsche ihnen eine angenehme Nacht.“, nickte ich ihm erneut zu und ging dann zielstrebig auf die Tür zu.

"Ich wünsche ihnen auch eine angenehme Nacht.", hörte ich ihn noch leise antworten.
 

~
 

All diese wunderbaren Tage, kamen mir nun wie ein Traum vor. Die Realität hatte uns viel zu schnell eingeholt. Die Zeiten veränderten sich schlagartig. Not erfüllte unser Land. Das Land, dass wir so sehr liebten und den Wunsch hegten es zu verteidigen. Es herrschte zwar noch kein Krieg, doch wurden wir aufgeboten unsere Dienste an Aufklärungen zu erfüllen.

Ich als Edelmann, hatte diese Verpflichtung nicht anzugehen. Doch ob nun als Edelmann oder nicht, hegte ich den Wunsch wie meines gleichen, alles in meiner Macht stehende zu tun um diesem Land und somit auch der Königin dienlich zu sein. Die Entrüstung stand Miss Fairfax ins Gesicht geschrieben, wo ich doch wusste wie viel Sorge dies doch für die ältere Frau mit sich bringen würde. Doch nicht nur ich reiste plötzlich ab. Auch die anderen tapferen Männer meines Hauses. Somit auch Charles. Wir wurden alle einberufen um in verschiedene Regimentern eingeteilt zu werden. Da wo man uns brauchte.

Ein schwerer Stein bildete sich aus meinem Herzen, der schwer in meiner Brust versuchte zu pochen, als ich mich von ihm verabschieden sollte. Unsere Wege führten in verschiedene Richtungen und doch dienten wir derselben Sache. Also tat ich was ich als Edelmann tun sollte. Ich wünschte ihnen alles erdenkliche Glück und hoffte auf ein frühes Heimkehren. Doch niemals hätte ich damit gerechnet, dass mir der Abschied so schwer fallen würde. Ich war oft in Europa unterwegs - geschäftlich natürlich - doch noch nie war es mir so schwer gefallen von jemandem Abschied zu nehmen wie an dem Tag.
 

~
 

Dieser letzte Augenblick behielt ich auf meiner Reise fest in meinem Kopf und in meinem Herzen. Die Vertrautheit die ich mit ihm hatte, diese Nähe und die Fähigkeiten die uns verband, ließe sich in keinem anderen jemals wiederfinden. In meiner Abwesenheit bemerkte ich erst, wie wichtig er für mich geworden war und dass ich dieses Gefühl von Zugehörigkeit nicht mehr missen wollte. Ich betete inständig, dass er unbeschadet zu meinem Anwesen zurückkehren möge. Zu mir. Denn das erhielt mich am Leben. Der Glaube daran ihn wieder zu sehen und erneut mit ihm übers Parkett zu schweben, wie wir es an dem Abend getan hatten, eh uns die Nachricht der militärischen Lage erreichte. Die Monate waren trostlos und kalt. Aber der Gedanke an mein zu Hause stärkte mich und wärmte mich noch in der kältesten Nacht.

Die Aufklärungsmissionen waren nicht ungefährlich und geschahen unter Einsatz unseres Lebens, wie es auch bei einem Krieg hätte von statten gehen können. Es gab viele Tote, viele Verletzte und nur einige Überlebende. Nach so einer Erfahrung schätzte man das Leben was einem gegeben wurde um so mehr. Auch wenn diese Mission viel von mir abverlangt hatte, so konnte ich keinen Rückzieher machen, wie es mir gestatten gewesen wäre. Ich wollte meinen Dienst am Land und meiner Königin verrichten, wie jeder andere Mann auch. So wählte ich den Weg wie jeder andere normale Bauersmann. Ich saß mit Unterschichtigen am selben Feuer, wärmte meine Hände, aß mit ihnen zusammen das selbe Brot, versorgte deren Wunden und schlief mit ihnen im Dreck.

Ich hielt es nicht für nötig meinen hohen Stand hier Kund zu tun. Hier waren wir alle gleich. Alle Männer die von ihren Familien getrennt wurden um ihren Einsatz am Lande gutzutun. Wieso sollte ich also noch darauf beharren wer ich war? Damit ich ein Feldbett erhielt und nicht im Dreck schlafen musste? Damit ich eine rote Uniform tragen durfte, anstatt der dunkelgrünen? Damit ich etwas warmes zu Essen bekam, während meine Männer nur an Brot knabberten? Nein. Ich war wie alle hier genau gleich. Nur ein Mann der seinen Dienst tat. Und genau so gern wie sie, alles hinter sich haben wollte um zu seinen Liebsten nach Hause zurückzukehren.

Woche um Woche verging, mir kamen es wie Jahre vor. Ich wusste schon gar nicht mehr wie es sich anfühlte, in einem warmen Bett zu nächtigen. Oder hoch zu Ross von Ort zu Ort zu reisen. Wühlte ich doch dauernd nur im Dreck, robbte voran und hielt Ausschau wie eine Eule.

Mein nächster Einsatz im Spätfrühling verging leider nicht so wie erwartet. Wir wurden überrascht und als feindliche Truppe in fremden Gebiet angesehen, was ihnen das Recht gab auf uns zu feuern. Auch wenn ich keinen Gebrauch davon machen wollte, schien meine Fähigkeit in solchen Situationen gut einsetzbar. Ich konnte vielen Männern das Leben auf diese Art retten. Doch im Nahkampf stellte sich das als recht schwer heraus auch noch für andere zu sehen, als nur für seinen eigenen Leib. Ich war diesbezüglich auch etwas unachtsam, was ich dann mit einer tiefen Schnittwunde am Bein bereute. Doch ein Kampf ohne Wunden, würde es wohl kaum geben in der Hitze des Gefechts.

Am nächsten Abend wurde ich, nachdem man herausgefunden hatte in welcher Position ich in der Gesellschaft stand, auf einen höheren Posten gestellt, was mir ermöglichte vom Gefecht fernzubleiben und alles aus der Sicherheit zu handhaben. Ich weigerte mich dies zu akzeptieren, da ich keinen Wunsch hegte andere für meine Befehle herumzukommandieren. Nach einige Diskussionen gelang es mir dann zwar einen höheren Posten zu beziehen, aber dennoch weiter mit meinen Gefährten auszurücken.

Wenn es die Umstände erlaubten, durften wir in die nächst gelegene Stadt, die wir eingenommen hatten und uns etwas ablenken. Doch was ich sah, schien mich nicht in geringster Weise abzulenken. Männer benahmen sich wie Tiere, vergaßen ihre Manieren und fielen sowohl über Essen als auch über Weiber her. Nach einigen misslungenen Versuchen den Männern Vernunft einzubläuen, setzte ich mich in eine Bar und versuchte das um mich herum auszublenden. Sehnte mich nun um so mehr nach meinem warmen Heim, meiner Bediensteten und meiner Familie. Im Nachhinein wusste ich, dass mich die Einsamkeit dazu getrieben hatte, denn ich begann einen Brief zu verfassen, der an Charles ausgehändigt werden sollte. In meiner Position war mir gestattet Sonderwünsche zu stellen und Briefe in großer Dringlichkeit überbringen zu lassen. Meine Feder kratzte über das beschlagene Papier, die Worte die in meinem schweren Herzen ruhten:
 

Lieber Freund,
 

Ich hoffe ihr seid wohl auf. Ich schicke euch dieses Schreiben, weil ich mich aufs dringlichste nach eurem Befinden erkundigen wollte. Die Zeit vergeht doch einfach wie im Flug. Es kommt mir so vor, als wären Jahre ins Land gezogen, als ich euch das letzte mal erblicken durfte. Der Abend des Balls schwebt noch in meinen Gedanken wie eine dichte Wolke meiner Fantasie, so weit zurück liegt dieses Ereignis schon.

Mein Aufklärungstrupp ist beinahe an seinem Ziel angekommen und die Chancen stehen gut auf eine baldige Heimreise. Ich hoffe bald genau so gute Nachrichten von ihnen zu erhalten, wenn es ihnen denn möglich ist. Ansonsten hoffe ich stets, dass es ihnen an nichts fehlt, sie gesund und munter sind, ja gar vielleicht schon auf dem Heimweg.

Schade dass ihre wunderbaren Fähigkeiten nicht so weit reichen um mich zu erhaschen. Meinen Geist aufzusuchen, wie wir es ab und zu gepflegt hatten. Ich befürchte, läge dies in ihrer Macht, würden sie sich beinahe schämen für die Schwäche die sie in meinem Geiste doch ausfindig machen könnten. Zu oft schwelge ich in Erinnerungen und sehne mich nach der Heimat. Doch geht das nicht allen Männern des Kriegshandwerks so?
 

Nun hoffe ich, sie mit diesem Schreiben nicht in Schwierigkeiten gebracht zu haben und sie bald möglichst auf meinem Anwesen wieder zu sehen.
 

Bis dahin verbleibe ich als ihr Freund,
 

Erik Magnus Lehnsherr
 

Es war ungewiss ob er diesen Brief erhielt oder er mit einem großen roten Stempel mit der Aufschrift „Verstorben“ zurückgebracht wird. Hoffnungsvoll glaubte ich natürlich an das erste, doch Gewissheit hatte ich nicht.

Auch wenn mir noch so viel mehr auf dem Herzen lag, vermochte ich es nicht auf Papier zu bringen. Zumal es gefährlich wäre und weil ich an der Überzeugung fest hielt, ihn wieder zu sehen und es ihm dann selbst sagen zu können. Doch was genau dies beinhalten würde, wusste ich selbst kaum. Noch immer ruhte es verworren und unbekannt in meiner Brust. Dieses Gefühl. Jetzt wurde es durch die Abwesenheit nur noch verstärkt.

Mit ernster Miene faltete ich schließlich den fertigen Brief zusammen, versiegelte ihn und ließ ihn wegbringen. In der Hoffnung dass dieser den Weg zu dem Mann fand, an den er adressiert war.
 

Die Wochen vergingen und ich hatte nichts weiter gehört. Aber der Brief kam auch nicht zurück, womit ich die Hoffnung hegte, dass er ihn bekommen hatte.
 

~
 

Es war bereits Sommer und ich stand kurz davor meinen Heimweg antreten zu können. Wir hatten unsere Mission erfüllt, welche ich jetzt nur noch als Bericht den zuständigen Männern ablegen musste. Mit hartem Gesicht, einigen Verletzungen, an einem Stock gehend und in Uniform gekleidet, trat ich meinen vorgesehenen Weg an, zu den zuständigen Personen. Mein Bericht fiel als sehr detailliert aus, wenn auch nicht nur von guten Meldungen erfüllt. Doch es reichte um die Aufklärung als beendet angesehen zu werden. Und somit erhielt ich die Erlaubnis heim zu kehren.

Meine wenigen Habseligkeiten zusammengepackt, wartete ich nun auf eine Kutsche die mich auf mein lang ersehntes Anwesen bringen sollte. Mit Mühe hievte ich mich mit meinem verletzten Bein in den Wagen, atmete aber erleichtert auf, sobald ich auf der Bank saß.

Ich durfte nach Hause. Endlich.

Wie ich es vermisste den Wind auf meinem Gesicht zu spüren, wenn ich mit Tornado über die Felder in den Wald ritt, das knarren der Holzdielen meines alten Hauses zu hören, die vertraute besorgte Stimme von Miss Fairfax zu vernehmen, das Klavier meines Vaters unter meinen Fingern zu spüren und schließlich mich mit dem Mann zu unterhalten, der mir das Gefühl gab erst richtig zu leben. Er hatte mir noch etwas versprochen. Und das forderte ich nun einzuhalten. Es war mein Wunsch gewesen so zu leben wie er. Ich war mir sicher, dass ich nun, nachdem ich solche grausame Zeiten erlebt hatte, um einiges entspannter sein würde. Ich würde weniger Mühe haben seinen Anweisungen Folge zu leisten. Denn wenn ich eins gelernt hatte, dann dass die Förmlichkeiten und Regeln einem Mann im Kriegsgebiet, sei es auch nur eine Aufklärungsmission, nichts brachte.

Die Kutsche setzte sich schließlich in Bewegung und ratterte auf mein Ziel zu.

Ich war im Vergleich zu den ganzen Monaten unterwegs, sehr schnell auf den vertrauten Ländereien angekommen, auch wenn es einige viele Meilen waren, die wir zurückgelegt hatten. Ich wachte aus meinem Schlaf auf, als ich den vertrauten Duft von Gräsern und Wilden Blumen in die Nase bekam. Von Tannennadeln und trockenem Holz. Wir waren schon im Wald und daher kaum einen Katzensprung entfernt vom Haus, das ich so sehr vermisst hatte.

Sofort war ich hell wach. Ich richtete mich wieder etwas auf und blickte aus dem Fenster. Nichts hatte sich verändert. Der Wald lang noch immer still und heimlich da. Gut gepflegt, sicher, dunkel aber wunderschön. Wann hatte ich das letzte Mal das Vergnügen gehabt eine Landschaft derart wunderschön zu beobachten? Lange war es her. Glücklich schloss ich die Augen, als wir aus dem schützenden Dunkeln das Waldes kamen und auf den Feldweg einfuhren. Neben uns erstreckten sich große Wiesen in kräftigem Grün oder hellem Stroh. Ich konnte das Zirpen von Grillen hören, der Fluss der noch immer wunderbar klar unter der Brücke hindurch floss und vernahm dann die Stimme des Kutschers.

„Wir sind gleich da, Sir.“ Freudig berührt streckte ich meinen Kopf aus dem Fenster um einen besseren Blick auf mein Haus zu haben. Anmutig stand es da. Noch immer am selben Fleck und schier unverändert. Die großen Fenster, die kleinen Türme, der große Ostflügel, der den Tanzsaal beinhaltete, die Stallungen links vom Haus, der große Innenhof und die mit wunderschönen Steinen betretene Treppe.

Wir kamen über die kleine Brücke gerattert, als ich hörte wie eine der Dienstmädchen aufgeregt schreiend ins Haus rannte. Wurde ich etwa empfangen?

Charles? War mein erster Gedanke.

War er schon hier? Nun immer aufgeregter, konnte ich mich kaum noch auf meinem Platz stillhalten, bis wir endlich ankamen. Die Kutsche hielt an. Der Kutscher stieg vom Wagen und bemühte sich mir die Tür zu öffnen. Ich blickte in die Gesichter von Miss Fairfax, deren Augen gefährlich glitzerten, Anna und einigen anderen meiner lieben Freunde. Nur nicht in das Gesicht, dass ich am sehnlichsten erwartet hatte.

Doch wollte ich mir die Enttäuschung nicht ansehen lassen, da es sonst kränkend für die lieben Menschen war, die sich meinetwegen herbemüht hatten. Ich griff mir meinen Stock und stieg langsam aus. Ich konnte Miss Fairfax keuchend einatmen hören, als sie sah dass ich eine Gehhilfe benötigte. Doch die war nur vorübergehend. Bis ich mich zusehends erholt hatte. Ich musste furchtbar aussehen. Hatte ich keine Zeit mehr gehabt mich anständig zu rasieren.

„Vorsichtig.“, meinte der Kutscher, der mir aus dem Wagen half.

„Es geht schon, danke.“, meinte ich und spürte nun wieder festen Boden unter den Füssen. Ich machte dann einen Schritt auf meine älteste Freundin zu und streckte die Arme aus. Miss Fairfax konnte nun ihren Tränen nicht mehr zurückhalten und begrüßte mich mit einer so herzlichen Umarmung, dass ich beinahe auch die salzigen Tränen auf meinen Wangen gespürt hätte.

„Willkommen zu Hause, Erik!“
 

~
 

Heimkehr - Charles Francis Xavier
 

Die Männer kamen am zweiten Tag nach dem Ball... Ohne Umschweife drangen sie ins Haus ein und begannen alle Männer zusammen zu suchen, die sie finden konnten; auch meinen Herrn. Ich hatte im ersten Moment nicht verstanden was sich hier ereignete und dann fiel das Wort Krieg. Erik hatte schon etwas erzählt, dass an den Grenzen Tumulte herrschen, doch dass jetzt der Notstand ausgerufen wurde, war auch für uns neu. Besorgt huschte mein Blick immer wieder von einen zum anderen...

Wir wurden eingezogen.
 

Es waren jetzt schon fast zwei Monate her. In diesen zwei Monaten lernte ich Menschen zu töten... Bei jedem von Ihnen brach bei mir immer weiter ein Stück meiner Seele weg.

Ich hatte viel Gutes erfahren bei Herrn Lehnsherr. Hatte gelernt akzeptiert zu werden. Die Gedanken an diesen Mann schmerzten ungemein. Denn ich wusste nicht was mit ihm war. Wie es ihm ging. Mich hielt allein der Gedanke am Leben, zu ihm zurück zu kehren.

Da war nichts anderes. Nichts wofür es sich zu leben lohnte. Die Gesellschaft hatte mich oft genug mit Füßen getreten, also wieso sollte ich für mein Land kämpfen und sterben? Ich würde nur für ihn kämpfen.

Ich wollte nach Hause.

Ja... Ich hatte begonnen es so zu nennen. Innerlich lächelte ich leicht. Ich betrachtete zum ersten Mal etwas als mein Zu Hause und das wollte ich nicht aufgeben. Es war der einzige Gedanke der mich hier am Leben hielt. Mich durch diese schwere Zeit trug.

Zittrig pustete ich gegen meine Hände, die begonnen hatten immer kälter zu werden. Der Graben in dem Jonas und ich lagen war tief und schützte uns vor weiteren Angriffen. Wir verharrten hier jetzt schon fast zwei Wochen, wenn ich es richtig mit bekommen hatte. Die Zeit spielte an diesem Punkt keine Rolle. Nichts spielte eine Rolle... das einzige was wichtig war, war es zu überleben.

Wir wurden nach dem wir in London eingetroffen waren, in Gruppen eingeteilt und so verliefen sich alle. Bei der Ankunft hatte ich Erik sofort aus den Augen verloren. Bis heute ... Ich wusste nicht wo er war oder was er machte.

Wir wurde gen Osten gesandt, sollten aufklären, doch das stellte sich als einen Hinterhalt heraus. Einen Hinterhalt, der vielen aus unserer Truppe das Leben kostete. Viele gute Männer sind gefallen. Jetzt waren wir nur noch ein Trupp aus zehn Leuten. Unsere Zahl betrug vorher fast dreißig. Ich hatte gesehen, wie sie um mich herum starben, wie sie nach ihren Frauen geschrien hatten. Hörte ihre Gedanken.... spürte ihre Gefühle... Es war grauenhaft, doch in dieser kurzen Zeit lernte ich meine Fähigkeiten abzustellen. Sie vollkommen auszublenden.

Die Männer in London hatten uns nicht viel gelehrt. Sie gaben uns einfach nur eine Waffe in die Hand und weisen uns unseren Trupps zu. Unser Offizier war einer der ersten der gefallen war. Jetzt waren wir ein Trupp, der nur noch kämpfte um zu überleben und uns Nahrung zu besorgen. Wir tarnten uns so gut wie es ging, schnitten uns die Haare ab, um uns besser Schlamm über den Kopf zu schmieren.

Ich schaute zu den anderen, die mich erwartungsvoll ansahen, doch auch ich wusste nicht genau wie wir aus dieser Lage entkommen konnten und doch mussten wir es versuchen. Ich sagte ihnen, dass wir uns tarnen sollten und das taten sie dann auch. Langsam rutschten wir zurück. Der Graben befand sich an einem Naheliegenden Waldstück, wo wir versuchen konnten im Dickicht des Waldes unter zu kommen. Es hatte auch funktioniert, wir hatten nur einen unserer Männer verloren.

Es vergingen einige weitere Monate in denen wir einfach nur flohen und uns versteckten. Ich fühlte mich wie ein Tier, doch auch in dieser Zeit hatte ich viel zum Nachdenken. Wir befanden uns in einen verlassenen kleinen Dorf, nahe der Küste. Hielten uns dort versteckt. Es war ein guter Punkt, der uns vor dem Feind schützen konnte. Die Dorfbewohner waren schon lange geflohen, hatten kaum etwas mitgenommen. Das Glück war endlich einmal auf unserer Seite. Wir hatten schon lange nichts mehr von unseren anderen Truppen gehört, die ausgesendet wurden um in den anderen Regionen auskundschaften sollten. Wir waren also völlig auf uns alleine gestellt.

Seufzend legte ich meine Hände in mein Gesicht. Sorge umspielte dieses. Wie sollten wir je wieder nach Hause kommen? Wie sollte ich sicher alle nachhause bringen? Jonas verließ sich auf mich, doch konnte ich ihm überhaupt versichern, dass ich ihn auch wirklich zu Anna zurück brachte? Wir wurden gejagt. Man hatte begonnen uns zu hetzen. Ich hatte das Gefühl sie wollten mit uns spielen und das taten sie auch im Moment mit uns.

In jeder freien Minute begann ich meine Fertigkeiten zu trainieren. Ich merkte, dass ich noch viel mehr konnte als nur Gedanken zu lesen und anderen Menschen meinen Willen aufzuzwingen. Ich konnte die Zeit einfrieren ... und zum ersten Mal probierte ich es aus, um in den Körper eines anderen zu fahren und durch seine Augen zu sehen. Es war mir egal ob sie litten, denn es ging um mein eigenes Überleben. Um Jonas und mein Überleben.

Nach einer Weile traf uns der Winter mit einem Schlag. Die Hütten in denen wir uns versteckt hatten waren völlig eingeschneit, was uns zwang weiter zu ziehen und uns einen neuen Unterschlupf zu suchen. Es war eigentlich eine schlechte Idee, doch ich wollte nicht aufgeben, wenn wir hier bleiben würde wusste ich würden wir erfrieren. Diesen tot wollte ich nicht.

Unser Weg hatte uns wieder weiter ins Landesinnere geführt. Ich wollte zurück... zurück zu ihm. Die Kälte fraß sich in den Gliedern der Männer und immer wieder mussten wir anhalten.

Unsere Gruppe schrumpfte immer weiter. Es machte mir Angst. Wie sollten wir gegen einen Feind bestehen, wenn wir es nicht einmal gegen die Natur wehren konnten? Jonas zog ich immer weiter mit mir, sprach mit ihm, machte ihm Mut. Er sollte an Anna denken und an ihr Gesicht wenn sie lächelte. Er nickte.

Das nächste Ziel war abermals ein Dorf, doch hier war es nicht verlassen. Die Menschen begrüßten uns, gaben uns etwas zu Essen, gaben uns einen Schlafplatz. Eine der Frauen lief umher und schaute sich die verletzten an, als sie bei mir ankam schüttelte ich meinen Kopf, doch begann sie mich verwundert zu mustern.

"Kennen sie einen Mister Lehnsherr?", fragte sie mich dann plötzlich. Bei dem Namen schreckte ich aus meinen trüben Gedanken auf. Hatte sie gerade den Namen meines Herren erwähnt? Auch Jonas blickte auf und in seinen Augen sah ich zum ersten Mal Hoffnung. Ich nickte nur und im nächsten Moment holte sie aus ihrer Rocktasche einen Briefumschlag heraus und reichte mir diesen. Mit zittrigen Händen nahm ich ihn entgegen, dankte ihr vielmals. Was hatte das zu bedeuten?

Im ersten Moment schaffte ich es nicht den Brief zu öffnen. Jonas war derjenige der mich anstupste. Ich lächelte leicht und öffnet ihn schließlich. Das Erste was mir entgegen kam, war mein eigenes Gesicht. Das Gesicht, wenn ich am Fenster stand und die Natur betrachtete. Ich holte tief Luft, stand auf und lief nach draußen in die Kälte. Denn niemand sollte diese Zeichnung sehen, niemand sollte meine Tränen sehen, die sich in meinen Augen bildeten. Es war schlau von ihm gewesen eine Zeichnung bei zupacken, denn niemand wusste wo wir waren, nicht einmal ich wusste wo wir waren. Noch eine ganze Weile sah ich nur auf diese Zeichnung herab. Ich war so erleichtert, dass Jonas die Zeit mit mir genutzt hatte, um mir das lesen bei zu bringen. Langsam öffnete ich dann den Brief:
 

Lieber Freund,
 

Ich hoffe ihr seid wohl auf. Ich schicke euch dieses Schreiben, weil ich mich aufs dringlichste nach eurem Befinden erkundigen wollte. Die Zeit vergeht doch einfach wie im Flug. Es kommt mir so vor, als wären Jahre ins Land gezogen, als ich euch das letzte Mal erblicken durfte. Der Abend des Balls schwebt noch in meinen Gedanken wie eine dichte Wolke meiner Fantasie, so weit zurück liegt dieses Ereignis schon.

Mein Aufklärungstrupp ist beinahe an seinem Ziel angekommen und die Chancen stehen gut auf eine baldige Heimreise. Ich hoffe bald genau so gute Nachrichten von ihnen zu erhalten, wenn es ihnen denn möglich ist. Ansonsten hoffe ich steht’s dass es ihnen an nichts fehlt, sie gesund und munter sind, ja gar vielleicht schon auf dem Heimweg.

Schade dass ihre wunderbaren Fähigkeiten nicht so weit reichen um mich zu erhaschen. Meinen Geist aufzusuchen, wie wir es ab und zu gepflegt hatten. Ich befürchte, läge dies in ihrer Macht, würden sie sich beinahe schämen für die Schwäche die sie in meinem Geiste doch ausfindig machen könnten. Zu oft schwelge ich in Erinnerungen und sehne mich nach der Heimat. Doch geht das nicht allen Männern des Kriegshandwerks so?
 

Nun hoffe ich, sie mit diesem Schreiben nicht in Schwierigkeiten gebracht zu haben und sie bald möglichst auf meinem Anwesen wieder zu sehen.
 

Bis dahin verbleibe ich als ihr Freund,
 

Erik Magnus Lehnsherr
 

Ich musste lachen. Ich weinte und lachte zu gleich. Seine Worte waren auch hier sehr Bedacht gewählt und doch waren sie so unpassend wie es nur ging. Es schmerzte mir in der Brust. Ich hätte schreien können, denn ich wollte zurück. Zurück zu ihm. Denn erst in dieser Zeit wusste ich, was meine Gefühle zu bedeuten hatten.

Es war unsittlich und doch wusste ich, dass ich diesen Mann liebte. Es war Eifersucht was ich empfand, als er sich mit Lady Raven so gut verstanden hatte. Es waren Gefühle der liebe, die ich gegenüber ihn gehegt hatte und es immer noch tat. Dieser Brief sollte mir Hoffnung machen und doch machte es mir schmerzlich bewusst, dass wir vielleicht nie wieder zurück kamen... Ich durfte vielleicht nie wieder seine Berührungen genießen, nie mehr sein Lachen hören. Er war in solch weite Ferne gerückt.

Schnell wischte ich mir die Tränen fort, als Jonas zu mir trat und mich nur anschaute. Ich lächelte.

"Es ist alles gut. Er fragt nur wie es uns geht.", sagte ich aufmunternd. Ich tat es für Jonas und mich und doch machte ich ihm mehr Mut als mir selber.
 

~
 

Die Zeit verging, es wurde Sommer, bis der Feind auch dieses Dorf erreicht hatte. Ich schreckte mitten in der Nacht auf, als ich die Frauen schreien hörte. Diese tiefen qualvollen Schreie. Instinktiv griff ich zu meiner Waffe und lief an eines der Fenster. Jonas nicht weit entfernt von mir. Ich sah wie Männer die Häuser stürmten und die Frauen heraus zerrten. Einige blieben auch drinnen, um den Männern ein wenig Glück zu bescheren. Mir krampfte sich der Magen zusammen.

Sofort begann ich meine Kräfte einzusetzen und befahl einige Männer sich selbst zu töten. Die Verwirrung in Jonas Blick ignorierte ich komplett, denn was sollte ich schon sagen. Ohne ein weiteres Wort stürmte ich nach draußen. Der Kampf dauerte nicht lange und doch starben abermals drei Leute. Der Feind hatte nur einen kleinen Trupp geschickt. Ohne meine Fähigkeiten hätten wir diesen Kampf wahrscheinlich nicht überlebt und dann waren da noch die Männer die aus dem nichts aufgetaucht waren. Ein anderer Trupp. Ich sah mich um, denn immer noch wurde geschrien, Feuer gelöscht. Jonas...

Ich konnte Jonas nicht finden.

Sofort streckte ich meine Sinne aus und spürte ihn dann, doch es war nicht mehr viel übrig. Ohne zu zögern rannte ich hinter eine der Hütten. Der blonde lehnte gegen eine der Wände, er hustete schwer, schaute mich an und lächelte. Als ich ihn dort so liegen sah, konnte ich nicht mehr an mir halten. Ich fiel vor ihm auf die Knie und zog ihn an mich. Er wurde bei dem Feuergefecht getroffen, ich wusste er würde es nicht überleben. Weinend nahm ich ihn in den Arm, legte seinen Kopf in meine Armbeuge, wollte ihm zeigen, dass er in dieser Zeit nicht alleine war. Er hustete wieder... Blut kam aus seinem Mund.

"Sag ihr bitte, das ich sie geliebt habe... und du kämpfe und geh zurück zu ihm...!", sagte er und ich erhaschte Bilder. Bilder die Erik und mich betrafen. Wie wir uns angeschaut hatten. Im Stall, auf dem Flur ... beim Essen.... Jonas hatte es viel früher als ich gewusst. Wie konnte ich nur so blind sein? Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich nickt und wischte meinen Tränen fort.

"Ja ich werde es ihr sagen! Und ich werde kämpfen.", sagte ich schwach und sah zu wie mein Freund in meinen Armen starb. Die Rufe, die ich im Hintergrund vernahm, kamen wie durch Watte. Ich hörte sie nur schwach. Mein Gehirn setzte völlig aus. Hände packten mich, zogen mich von Jonas fort. Ich schrie, wollte ihn nicht gehen lassen, obwohl ich wusste das er tot war. Wollte Anna nicht sagen wo Jonas war, wollte seine frechen Sprüche hören, die mich in der ganzen Zeit aufgemuntert hatten. In Wirklichkeit war er es, der mir Halt in dieser schweren Zeit gegeben hatte und nicht anders herum. Immer wieder schrie ich seinen Namen, bis ich einen stechenden Schmerz an meinem Hinterkopf spürte und ich mein Bewusstsein verlor.
 

~
 

Ich öffnete leicht meine Augen, als ich die Wärme spürte die mich umgab. Ich schaute nach links und sah eine Krankenschwester davon huschen. Wo war ich? Mit einem Schlag kamen all diese Gedanken wieder. Jonas!

Jedoch diesmal weinte ich nicht. Mir war irgendwie alles egal. Langsam setzte ich mich auf. Die Krankenschwester sagte ich sei in London.

London...?

Ich schaute sie entgeistert an und schwang mich aus meinem Bett, bis ich schließlich von einem Offizier aufgehalten wurde und er mir erklärte was passiert war. Er sagte, dass ich meinen Freund einfach nicht los lassen wollte und sie mich schließlich bewusstlos geschlagen haben, um mich hier nach London zu bringen. Ich hatte 3 Tage durchgeschlafen. Vor drei Tagen hätte ich schon wieder zu Hause sein können dachte ich mir und zog mich weiterhin an. Ich durfte nach Hause sprach er weiter.

Nach Hause... Endlich... Ich hatte genug für mein Land gegeben. Hatte einen Freund verloren.

Ich atmete tief durch, schulterte meine kleine Tasche und verschwand aus den Krankenhaus. Wollte ich doch zurück. Meine Füße fanden schnell die Spur die zurück führte.

Unterwegs hingen meine Gedanken an den letzten Worten von Jonas. Er hatte sie geliebt, so wie ich wusste das ich Erik liebte. Den Mann der mir so vieles gezeigt hatte, so vieles beigebracht hatte und doch fürchtete ich mich vor dieser Begegnung. Wie empfand er? Wie solle ich Anna erklären, dass Jonas in meinen Armen gestorben war...?

Frustriert über meine eigenen Gedanken lief ich immer weiter. Bis ich endlich nach einigen Stunden, das Anwesen von Erik erblickte. Mein Gesicht hellte sich auf und doch war es düster. Wusste ich doch nicht was mich erwartete. Ging es ihm gut? war er schon dort? Hat er alles heil überstanden? Diese Frage konnte ich mir alle gleich selbst beantworten und doch war ich zögerlich. Ich blieb stehen, schaute einfach nur auf das Anwesen.

Mein zu Hause. Automatisch trugen mich meine Beine weiter, bis zum Bach. Ich blieb abermals stehen und lächelte. Die Erinnerungen waren so frisch wie als wäre es erst gestern gewesen und doch war so viel Zeit vergangen. So viel ist geschehen. So viel wird noch geschehen, die unausgesprochenen Worte, die noch gesprochen werden müssen. Die Erklärungen die folgen. Mein Lächeln erstarb als ich Schritte vernahm und ich aufschaute.
 

~
 

Wiedersehen - Erik Magnus Lehnsherr
 

So froh ich auch war wieder in meinem Heim zu verweilen, die Tage waren die reinste Qual. Nicht zu wissen ob mein treuer, geschätzter Freund jemals wieder diese Hallen betreten würde, mich mit seinem aufrichtigen Lächeln begrüßen und mich tadeln würde wie stocksteif ich schon wieder dastünde. Es war die reinste Folter. Dem entsprechend ging es mir auch in den Tagen und Wochen nach meiner Ankunft. Es waren seither 14 Tage verstrichen, in denen ich nur vor mich hin lebte. Als wären meine Eltern nochmal gestorben und ich nichts mehr mit mir anzufangen wusste. Das blieb Miss Fairfax geschultem Auge natürlich nicht verborgen. Doch sie fragte mich niemals danach. Zu genau wusste sie über den Grund meines Zustandes Bescheid. Vielleicht sogar besser als ich selbst.

So war es auch an diesem Tag. Ich saß seit meiner Rückkehr oft im Tanzsaal, als ob ich das Gefühl hatte, er würde jeden Moment hier auftauchen und mit mir tanzen wollen. In meiner Einsamkeit begann ich wieder zu spielen. Komponierte eigene Lieder, die meinen Schmerz und meine Einsamkeit lindern sollten. Doch machten sie mir auch schmerzlich bewusst, dass ich Charles das Vergnügen der Musik noch nicht beigebracht hatte. Schließlich würde ich durch ein Klopfen an der Tür aus meinen Gedanken gerissen. Ich antwortete nicht. Miss Fairfax trat dennoch ein, mit einem Tablett in den Händen.

„Behalten sie ihn.“, sagte ich ohne aufzusehen.

„Sir, bei allem Respekt, sie müssen etwas zu sich nehmen.“, kam es hartnäckig von ihr. Doch ich verspürte weder Hunger noch Durst. Zu abgehärtet war ich nun durch die Monate im Kriegsgebiet. Ich antwortete ihr nicht. Und schließlich verschwand die ältere Frau mit einem besorgten Seufzer auf den Lippen wieder aus dem Raum.

Gegen spätem Nachmittag hatte ich das Gefühl die Decke fiel mir jeden Moment auf den Kopf. Schon komisch, erst sehnte man sich nach dem eigenen Heim, eh es einem beinahe zu trübselig wurde. Aber mein Anwesen war nicht mehr dasselbe ohne ihn. Ohne Charles. Es fehlte die Lebensfreude, das Lachen. So erhob ich mich also, nahm meinen Stock, den ich bald nicht mehr brauchen würde – zu gut heilte meine Verwundung - und machte mich auf den Weg nach draußen. Wollte frische Luft schnappen und mich durch die Natur ablenken lassen. Das tat ich fast jeden Tag. Und immer wenn ich draußen war bildete ich mir ein, er würde jeden Moment einfach so über die Brücke da spazieren. In triefnasser Kleidung und sich dafür entschuldigen mich warten gelassen zu haben. Wie damals. Als ich ihn so angeschrien hatte.

Gott, was war nur mit mir los? Er ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich wollte ihn bei mir haben, ihn umarmen und zuflüstern wie sehr ich ihn vermisst hatte.

Mit Hilfe meines Stockes ging ich über den großen Hof, starr zur Brücke blickend.

Doch plötzlich blieb ich stehen.

Da…..! Da sah ich etwas. Jemand. Er kam in Sichtweite der Brücke.

Nein Erik. Das bildest du dir ein.

Schmerzlich kniff ich meine Augen zusammen und ermahnte mich aufzuwachen. Doch anstatt, dass sich das Bild verzog, wurde es nur um so klarer. Da kam er. Einfach so dahergelaufen. Als käme er von einem langen Spaziergang wieder zurück. Plötzlich hielt er an der Brücke an. Schien mich nicht gesehen zu haben. Instinktiv bewegten sich meine Beine. Schritt für Schritt. Bis ich halb humpelnd zu rennen begann. Mit nur einem Gedanken erfüllt: Charles!

Ich ließ meinen Stock fallen, als er sich zu mir umdrehte, eh ich in dann einfach in meine Arme schloss. Ich vergaß jegliche Zurückhaltung. Jeglicher Anstand. Nur erfüllt von dem Gedanken ihn bei mir zu halten und nie mehr wieder gehen zu lassen.

„Charles! Charles! Du bist es! Du bist ….wirklich hier!“, kam es nur völlig überwältigt von mir. Ich vergrub mein Gesicht in seinem kurzen Haar und konnte die Tränen der Freude nicht mehr zurückhalten. Meine Gefühle überwältigten mich schier. Ich verspürte auch nicht das Verlangen sie länger zurückzuhalten.

Ich……ich liebte ihn. Ich liebte ihn wie ich noch nie jemand zuvor geliebt hatte.

Ich löste mich von ihm, aber nur um ihn anzusehen.

Ich nahm sein wundervolles Gesicht in meine Hände und blickte in die Augen, die ich so sehr vermisst hatte. Überwältigende Gefühle überschwemmten mein Herz bei seinem Anblick. Alles und jeden um mich herum vergessend, zog ich sein Gesicht näher an meines. Bis sich unsere Münder, mit einem so überwältigenden und befreienden Gefühl, zu einem Kuss trafen. Sanft und zunächst vorsichtig. Eh ich nicht mehr in der Lage war mich zu bremsen und all meine Leidenschaft mit einfließen ließ.

So meinen Gefühlen freien Lauf ließ, die ich seit dem letzten Tanz mit mir trug. Ich hatte mich einfach von meinen Gefühlen leiten lassen. Von allem abgesehen, was ich mit dieser Tat nun ausgelöst habe. Ich war mir nicht einmal bewusst, ob er das selbe für mich empfand. Sondern hatte ihn einfach bedrängt und nicht auf seine Zustimmung gewartet.

Doch ich wurde freudig überrascht, als er meinen Kuss erwiderte. Meine Umarmung mir gleich tat und sich nicht sträubte. Sich gegen mich fallen ließ und von mir in Besitz nehmen.

Ich hatte es schon damals gewusst. Als wir getanzt hatten, dass es weit über Freundschaft hinaus ging. Schon damals wollte ich ihm nahe sein. Wäre mein unbeugsamer Stolz nicht gewesen, hätte ich schon an jenem Abend meinen Gefühlen Kund getan. Durch den Krieg war ein ganzer Teil davon abgesplittert. Ich war weit aus verletzlicher, empfindlicher. Doch hatte ich das wohl gebraucht um mir meine Gefühle einzugestehen.

Was wenn es nicht so gekommen wäre? Hätte ich dann irgendwann bemerkt was ich für ihn empfand?

Wohl kaum. Auch wenn dies eine der schmerzvollsten Erlebnisse gewesen war, so musste ich beinahe dankbar für die lange Trennung und all das Leid sein. Nur um zu erkennen, was ich die ganze Zeit schon vor meiner Nase hatte.

Als er sich dann von mir löste, blickte ich ihn leicht keuchend an. Schier überwältigt von meinen eigenen Gefühlen und der Tatsache, dass er die meinen zu erwidern schien. Ich sah ihn besorgt an, als er nach Worten zu ringen versuchte. Eh er mir dann mit kratziger Stimme seine Nachricht übergab.

"Jonas ist gefallen . . . "

Ich blickte nun angesichts der schlechten Nachricht zu Boden. Mein Gott, er war noch so jung. Ich nickte kaum merklich. Es war ein deutlicher Verlust für uns alle.

„Das sind….schlechte Nachrichten….“, brachte ich grade noch so heraus. Vorsichtig ließ ich ihn los. Denn mir wurde schmerzlich bewusst, dass dies nur der Anfang war. Mit meiner Tat und dem Eingestehen meiner Gefühle, so wie das Erwidern dieser von Charles, brachte nur noch mehr Schwierigkeiten mit sich. Und doch konnte ich nicht davon absehen. Konnte meine Liebe nicht vergraben und so tun als wäre nie etwas gewesen. Ich war schon immer das schwarze Schaf in der Gesellschaft gewesen. Überraschte es da noch jemand, wenn ich auch in der Hinsicht anders war?

Sicher erst mal wollte ich es nicht an die große Glocke hängen. Besonders nicht heute. Das wäre zu viel für die gute Miss Fairfax. Aber vielleicht zu gegebener Zeit….

„Komm. Lass uns reingehen. Du siehst furchtbar aus.“, meinte ich nun besorgt und senkte meine Arme. Ich humpelte zu meinem Stock den ich vor lauter Eifer weggeworfen hatte, hob ihn auf und wartete auf Charles. Er hatte sicherlich genau so viel durchgemacht wie ich. Wenn nicht mehr. Er brauchte nun das warme Heim und Stunden mit seinen Liebsten. Ich wischte noch die verräterischen Tränen von meinem Gesicht, eh wir gemeinsam zum Haus zurück liefen.
 

~
 

Schlechte Nachricht - Charles Francis Xavier
 

Im ersten Moment hatte ich diesen Mann, der auf mich zu kam, nur angestarrt. Ich wusste nicht ob es real oder doch nur ein Trugbild war. Hatte Angst davor wenn ich meine Augen schloss, dass er einfach verschwunden sein würde. Er hatte es nicht getan. . . Ich hatte gesehen wie er humpelte und es schmerzte mich ihn so zu sehen. Dann, als er mich erreicht hatte, hatte er etwas getan womit ich nicht gerechnet hatte.

Er zog mich in eine Umarmung. Eine Umarmung die alle Last von meinen Schultern nahm, alle Schmerzen der vergangen Wochen vergessen ließ. Ich hatte gehört wie er weinte. Nahm ihn selbst in den Arm, legte meine Hände auf seinen Rücken. Ließ mich einfach nur fallen, mich beschützen.

Mir waren die Konsequenzen egal, mir war egal was er von mir halten würde und doch spürte ich, dass es ihm ebenfalls egal war. Fest drückte er mich an sich... Wir weinten zusammen.

Diese Szene musste unglaublich lächerlich ausgesehen haben. Zwei Männer die im Krieg gekämpft haben, lagen sich in den Armen und weinten. Zwei Männer, die viel Leid gesehen hatten, viel Schmerz. Doch dieser Moment sagte mir, dass ich vermisst wurde; sagte mir das ich endlich angekommen war. Endlich war ich zu Hause. Zu Hause beim ihm. . .

Ich wusste nicht wie er empfand daher genoss ich einfach seine Umarmung, seine Nähe und zog diesen unvergesslichen Duft ein. Mir war es egal ob er mein Herr war. Im Krieg war es auch egal. Jeder hatte für das gleiche gekämpft und doch sah ich diese ganzen Tode für überflüssig. Wir hatten gekämpft, haben gelitten und niemand dankte es einen.

Erik löste sich von mir, erst wollte ich protestieren, doch er legte seine Hände auf meine Wangen und beugte sich zu mir nieder. Erst dieser eine Blick, den er mir damals schon ab und an zu warf und jetzt dieser Kuss. . .

Wieso waren wir so blind gewesen? Sein Kuss war erst sanft gewesen, gar zaghaft wusste ich doch, dass er bei mir Bestätigung gesuchte hatte. Ich glaubte zu träumten, als ich seine Lippen auf den meinen gespürt hatte.

Innerlich prasselten so viele Gefühle auf mich ein. Wieder hatte ich begonnen zu weinen. Hatte ich mir das doch die ganze Zeit gewünscht, mich nach dieser Zärtlichkeit gesehnt und jetzt tat er genau das. Er hatte mich geküsst.

Ich schlang meine Arme um ihn. Machte ihm Mut, zeigte ihm dass ich genauso empfand.

Sein Kuss war leidenschaftlicher geworden, ich hatte mich einfach nur fallen gelassen. Hatte mich von ihm halten lassen. Ich wollte nicht mehr führen. War diese Last doch zu schwer für mich gewesen. Ich verlor mich gar in diesem Kuss und doch wurden wir schnell in die Realität zurück gezogen. . .

Ich hatte noch etwas zu erledigen und diese Aufgabe war die schwerste.

Jonas.

Sanft hatte ich mich aus dem Kuss gelöst, vermisste diese Lippen jetzt schon und doch senkte ich meinen Blick.

Meine Stimme war kratzig und belegt. Stumm schaute ich den Mann an, der mir so viel gegeben hatte. Ich hätte glücklich sein sollen. Er erwiderte meine Gefühle und doch spürte ich diesen Schmerz in meiner Brust. Zu schwer war das was kommen würde. Ich wollte ihr Gesicht nicht sehen... wollte ihren vorwurfsvollen Blick nicht sehen. Ich hätte ihn beschützen sollen... Ich hätte es spüren sollen, dass er verwundet wurde, doch das tat ich nicht. War darauf bedacht mich zu schützen...

War es egoistisch? War es fair in dem ich glücklich wurde und Anna leiden würde...?

Ich legte meinen Kopf an seine Brust und schloss meine Augen. Atmete tief ein und wieder aus. Wollte seine Nähe spüren, wollte bei ihm sein... Am liebsten alles vergessen...

Ich hörte seine belegte Stimme. Sie klang anders, viel sanfter. Wie viel hatte er durchmachen müssen? Was hatte er gesehen? Ich sah wie er sich eine kleinere Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte. Ich musste lächeln und streichelte sanft über seine Wange. Die Erkenntnis, dass er genauso empfand wie ich, ließ mich meine Hemmungen gegenüber ihm völlig vergessen. Vergaß dass ich nur ein Bediensteter war.

"Du sahst bestimmt nicht besser aus...", sagte ich und sah wie er zu seinem Stock lief. Schnell folgte ich ihm, wollte ihm diesen aufheben, doch war er schneller gewesen. Er hatte sich im Krieg verletzt. Sein Bein. Seufzend strich ich über seinen Arm und lief mit ihm zum Hof. Wie ich es vermisst hatte... Doch ich blieb sofort stehen, als ich Anna erblickte.

Ohne auf die Bitte von Erik zu warten, zeigte ich ihm die Bilder von Jonas und Anna und seine letzte Bitte. Es schmerzte. Ich wollte es nicht und doch sah sie mich an.

Ihr Gesicht hellte sich auf, doch dann sah sie meinen verletzten Blick. Ich ließ den Arm von Erik los und schritt auf sie zu. Versuchte meine Worte mit Bedacht zu wählen, doch alles war in meinem Kopf wie verschwommen. Immer wenn ich dachte ich hätte einen klaren Gedanken gefasst, entkam mir dieser auch schon wieder, wie ein Aal der immer wieder aus meiner Hand glitt. Sie kam mir entgegen, doch ihr Gesicht zeigte schon eine Erkenntnis und dennoch fragte sie mich.

"Wo ist er?", sprach sie leise, ihre Hände begannen zu zittern. Den Schmerz den ich fühlte, konnte ich nicht ausdrücken, doch meine Augen mussten Bände sprechen.

"Es ... Es tut mir leid... Ich soll dir sagen das er dich immer geliebt hat...", brachte ich schwer heraus und zog sie an mich, um ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine mit ihrer Trauer war. Verletzt schaute ich zu Erik rüber. Wie gerne hätte ich ihr das erspart.

Erik kam zu uns herüber und legte die Arm um uns.

„Er hat dich bis zum letzten Atemzug geliebt….“, hörte ich seine betroffene Stimme. Anna war es jedoch die alle Stimmen übertönte. Sie schrie ihren Herzschmerz in die Welt hinaus. In der Hoffnung er mochte Jonas erreichen, wo auch immer er nun verweilte.

Miss Fairfax kam nach einer Weile zu uns. Ich konnte nicht sehen was genau in ihr vor sich ging, da ich selbst meine Augen zu gepresst hatte um alles zu vergessen. Zu versuchen das Erlebte zu verarbeiten. Ich war froh darüber, dass mir meine alte Freundin Anna abnahm und sie ihr den Trost spendete den ich ihr nicht geben konnte.

Betrübt schaute ich Anna und der Dame hinter her. Sie hatte geschrien in unseren Armen... Mir wäre es nicht anders ergangen, wenn ich die Nachricht über Eriks Tod erfahren hätte, doch das blieb mir zum Glück erspart. Es war hart und doch war ich froh drüber, dass ich eine zweite Chance bekommen hatte mein Glück zu finden.

Miss Fairfax lief erst einmal Anna hinter her, schenkte mir jedoch noch eine erleichterte Umarmung eher sie ging. Ich hatte diese Frau vermisst. Sie war diejenige, die immer jemanden aufbauen konnte und doch brauchte Anna sie gerade dringender als ich. Ich drehte mich zu Erik und lächelte traurig.

"Ich sollte mich waschen...", sagte ich seufzend und doch gab mir die Geste seiner Hand so viel Geborgenheit.
 

Ich habe dich vermisst...
 

, gab ich ihm sanft zu verstehen und zog ihn schließlich mit ins Haus. Wollte die Schreie von Anna nicht mehr hören. Es war grausam... Es machte mir nur zu deutlich bewusst, wie schwach ich auf dem Schlachtfeld gewesen war. Ich hatte ihn nicht beschützt. Doch konnte ich mir deswegen die Schuld geben...? Würde ich mir nicht mein eigenes Glück verwehren...?



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