Prolog
An diesem Morgen starteten zwei Flieger beinahe gleichzeitig. Einer erhob sich vom Flughafen Narita, direkt in Tokyo, während die Triebwerke des anderen in Los Angeles losliefen, um wie selbstverständlich der Schwerkraft zu trotzen. An Bord befand sich eine augenscheinlich junge Frau, mit langen, platinblonden Haaren und kristallblauen Augen, die etwas gelangweilt aus dem Fenster sah und das monotone Piepsen, das wohl die Stimme ihrer Managerin sein sollte, zu ignorieren versuchte. Bald kriege ich dich, dachte sie. Es würde alles ganz leicht sein. Ein Kinderspiel. Sie musste nur auf eine günstige Gelegenheit warten.
„Wow, das ist so aufregend!“ Ran Mori klatschte begeistert in die Hände. „Ich war noch nie in Europa!“
Conan musterte sie lächelnd. Seit Shinichi aus ihrem Leben verschwunden war, war Ran selten so fröhlich, ja euphorisch gewesen. Zwar hatte sie sich immer Mühe gegeben gut gelaunt zu wirken, doch jeder hatte die fahlen Schatten unter ihren Augen gesehen, wie die Spuren längst vergessener Tränen, ebenso wie die matten Schleier, die den Glanz in ihnen vernebelten. Jetzt jedoch wirkte sie anders, warum konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, aber das spielte keine Rolle, denn Ran war glücklich und strahlte mit der Sonne, die mit ihren gleißenden Strahlen die Wolkendecke zum Leuchten brachte, um die Wette.
„Führ dich nicht so kindisch auf, es dauert noch eine ganze Weile, bis wir in Rom landen.“ Kogoro stellte die Lehne seines Sitzes so weit zurück, dass die Frau hinter ihm ein empörtes Schnauben hören ließ. Er ignorierte es.
„Was ist denn los, Paps, freust du dich etwa gar nicht?“ Ran schob enttäuscht die Unterlippe vor, was ihr ein deutlich jüngeres Aussehen verlieh.
Er blickte von seiner Zeitung auf und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Doch, natürlich. Ich meine, hast du die Teile gesehen, die da rumlaufen?“ Er lachte, legte die Zeitung zur Seite und deutete mit seinen Händen einen üppigen Vorbau an. „Rom, die Stadt der Liebe, ich komme!“ Er lachte sein gröhlendes, unerträglich lautes Lachen, während Ran nur die Nase rümpfte.
„Wen nennst du hier bitte kindisch?“
Als die beiden in einem lebhaften Streitgespräch versanken, das das gesamte Flugzeug für eine Weile unterhalten sollte, blickte Ai Haibara seufzend aus dem Fenster, ähnlich, wie es die blonde Frau bereits zuvor getan hatte.
„Hast du was?“
Conan blickte sie nachdenklich an. Ai schüttelte den Kopf und lächelte auf ihre typische Art. Leicht schief und mit einer zarten melancholischen Note, die ihn an einen Schmetterling mit vom Morgentau nassen Flügeln erinnerte.
„Nein. Es ist nur…“, sie zögerte. „Vielleicht ist es albern, aber ich habe ein komisches Gefühl, so, als ob bald etwas Schreckliches passieren wird.“
Einige Stunden später stieg die blonde Frau aus dem Flugzeug und betrat das Gelände des Flughafens, der ganz in der schwülen Hitze der italienischen Großstadt, zu der er gehörte, gefangen war. Ihr Telefon klingelte mit beinahe demselben monotonen Piepen, welches sie schon der Stimme im Flugzeug zugeschrieben hatte.
„Ja?“
„Hast du ihn ausfindig gemacht?“
„Natürlich.“
„Dann eliminiere ihn.“
„Keine Sorge, das werde ich, Gin.“
Sie beendete den Anruf, setzte eine schwarze Sonnenbrille auf, wobei sie lässig das lange Haar zurückwarf und machte sich auf den Weg zu ihrem Leihwagen.
Gin drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus, bis nur noch dünne Rauchschwaden aus der verlöschenden Glut aufstiegen und betrachtete sein blasses Spiegelbild auf dem Fensterglas vor ihm.
Wage es ja nicht zu versagen, Vermouth…