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Auf der Welle des Hungers

Mags' Hungerspiele
von

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Die Brise

Ich stehe wie unter Strom. Obwohl ich versuche, es so weit wie möglich zu verdrängen, trichtert mir eine Stimme in meinem Unterbewusstsein immer wieder ein, dass heute der Tag der Ernte ist. Ich spüre es, in jedem Teil meines Körpers, in jeder einzelnen Zelle. Während ich an einem eher flachem Abhang sitze und weit aufs Meer starree, schlinge ich meine Arme um meine angewinkelten Beine. Mir ist nach heulen zumute. Als ich aufblicke, weht mir eine salzige Brise entgegen. Ich befinde mich in der Nähe der Fischerdocks, wo die kleineren Fischerboote ihren Tagesfang abladen um ihn am nächsten Tag auf dem Markt zu verkaufen. Vorausgesetzt, es bleibt etwas übrig, wenn das Kapitol seine Lieferanten schickt um den Fisch abzuholen.

Unser Haus befindet sich nicht weit von hier. Mein Vater, Feyman, ist Seefahrer und fährt ein solches Fischerboot. Etwas anderes bleibt ihm nicht übrig, denn ihm fehlt sein linker Arm. Er will mir nicht erzählen, wo er ihn verloren hat. Bessergesagt, er will mir nicht die Wahrheit erzählen. "Hab ihn damals beim Angeln auf hoher See in einem Fischernetz so unglücklich verheddert, dass er mir abgetrennt wurde." So oder so ähnlich klingen seine Geschichten, wenn wir ihn danach fragen. Dabei ist es offensichtlich, dass er ihn früher verloren hat. Früher, wo das Kapitol uns noch kein Halsband mit der Aufschrift "Freiheit" umgelegt hat. Wo die Menschen sich noch trauten, gegen die Unterdrückung zu kämpfen.Manchmal kann ich in seinen tiefblauen Augen sehen, dass der Schmerz immer noch nicht vorüber ist. Dann erinnern sie mich immer an das Meer, wenn es draußen stürmig ist.

Mir wird übel. In circa einer halben Stunde müssen wir uns alle auf dem Rathausplatz versammelt haben. Von nicht allzu weiter Entfernung höre ich eine Frauenstimme, die etwas ruft. Sie ruft nach jemandem. Sie ruft nach mir.

"Maggie! Da bist du ja! Komm! .... Ach, wie siehst du denn schon wieder aus?", hörte ich meine Mutter Agnes schimpfen, während sie mir den Schmutz aus dem Gesicht reibt. "Du weißt, was heute für ein Tag ist, oder?" Ich nehme ihre Stimme nur gedämpft wahr, als hätte mir jemand einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf versetzt. Ein leises Seufzen entflieht meinem Mund. Mein Blick schweift weiterhin in die Ferne. "Ja. Ich weiß.", antworte ich knapp. "Komm jetzt, wir sind spät dran!", sagte sie hektisch und zog mich hinter ihr her.

Meine Mutter Agnes ist viel älter als mein Vater. Im Gegensatz zu vielen aus unserem Distrikt hat sie unser neues Leben einfach akzeptiert. Selbst die Hungerspiele begrüßt sie. Auch wenn sie das Töten verabscheut, empfindet sie die Spiele allgemein als etwas "nützliches", wie sie immer sagt. Um unsere Familie zu ernähren arbeitet sie tagsüber als Näherin. Es ist ein harter Job und manchmal kommt sie mit blutigen Fingern nach Hause. Abends, wenn es dunkel ist, stiehlt sie sich auf den Schwarzmarkt und handelt mit dem Fisch, den Vater vom Tagesfang abknipsen kann. Ich habe zu ihr ein schlechtes Verhältnis. Ich bin eben ein typisches Vaterkind. Während meine kleine Schwester Molly sich brennend für das Handwerk meiner Mutter interessiert, konnte ich es in ihrem Alter gar nicht erwarten, wenn Feyman mit mir raus ans Wasser ging und mir alles über das Angeln erzählte. Manchmal vermisse ich diese Zeiten. Sie waren so....unbeschwert. Anders als heute.

Mittlerweile spüre ich festen Boden unter den Füßen. Wir sind mittlerweile nur noch knapp 10 Meter von unserem Haus entfernt. Überall laufen andere Jungen und Mädchen in meinem Alter herum. Sie wissen ebenfalls, was heute für ein Tag ist. In regelmäßigen Abständen sind sogenannte Friedenswächter aufgestellt. Sie sollen aufpassen, dass niemand abhaut oder jemand den Verstand verliert. Ich wage es nicht, einen Gedanken über sie zu verlieren, denn ich weiß, dass dies weitreichende Konsequenzen hätte. Mir fliegt der Geruch von Fischsud entgegen, als Agnes die Haustür unserer Behausung öffnet. Etwas anderes als Suppe aus Fischabfällen können wir uns nicht leisten. Feyman befindet sich auf dem Fischerboot und meine drei kleinen Geschwister stehen frisiert, geputzt und eingekleidet in einer Reihe vor dem Esstisch. Es ist ein niedriger, kleiner Raum. Der Esstisch steht in der Mitte, links davon befand sich eine kleine Kochnische und hinter ihm befindet sich eine Treppe ins obere Stockwerk. Alles sieht etwas abgenutzt und verschmutzt, ja sogar dreckig aus, obwohl Agnes sich größte Mühe gibt, alles in Schuss zu halten.

Meine Geschwister... über sie gibt es nicht viel zu sagen. Zwei von ihnen, Molly und Rodery, sind noch zu klein, um an den Hungerspielen teilnehmen zu können. Mein Bruder Clamsey jedoch ist gerade 13 geworden. Ich hoffe so sehr für ihn, dass er nicht gezogen wird. Wer soll sonst mit mir angeln gehen? Während ich darüber nachdenke, wer noch als männliches Tribut in Frage käme abgesehen von so ziemlich allen Jungs, zwängt mich meine Mutter in ein ausgewaschenes, orangenes Kleid mit einer Schleife auf dem Rücken und Pufferärmeln. Ich hab es schon immer gehasst. Einmal habe ich es sogar zerschnitten um es nie wieder tragen zu müssen, aber Agnes ist eine begnadete Näherin. Was das weibliche Tribut angeht, ist die Sache schon offensichtlicher. "Na wunderbar! Das sieht einem Karriere-Tribut doch schon angemessener aus! Findest du nicht auch, Maggie?"

Die Wahrheit schmerzt, vor allen Dingen, wenn sie einen selber betrifft. In diesem Fall gleicht sie einem Schlag in die Magengrube. Ich habe gehofft, dass dieser Tag auf ewig fernbleiben wird. Doch jetzt lässt er sich nicht mehr abwenden. Ja, ich bin ein Karriere-Tribut. Seit meinem 10.Lebensjahr wurde ich anstatt in die Schule zu einer "Akademie für leistungsorientierte Jugendliche" geschickt. Kurzum, ich wurde jahrelang für die Schlachtbank vorbereitet. Jetzt, da ich 17 bin, ist der Tag gekommen, an dem ich mich freiwillig melden werde. Freiwillig als Tribut. Um meiner Familie, insbesondere meinen Geschwistern, ein besseres Leben zu ermöglichen. Warum ich damals diesen Weg einschlagen musste, war allein meine Entscheidung. Welch fataler Gedanke mich damals geritten hat. Ich wusste nicht mehr, warum und wann ich zugesagt hatte, Schlachtvieh zu werden, doch ich tat es. "Komm jetzt, wir müssen jetzt los! In 8 Minuten beginnt die Ernte!" Hysterisch und übereilt wie immer scheucht Agnes uns förmlich aus dem Haus Richtung Rathausplatz. Ich war gedanklich ganz woanders. Um mich herum schwirrten die Menschen vorbei, ihre Stimmen wurden zu einem einheitlichen Summen und meine Nase riecht nur noch den salzigen Wind, der vom Meer herüber weht. Obwohl meine Beine sich bewegten, stand ich innerlich ganz still. Das ging eine ganze Weile so. Ich versuche, dem Ganzen hier zu entfliehen. Doch ich werde wieder in die Realität zurückgeholt, als ein kleiner Stich in den Finger mir etwas Blut entlockt. "Der Nächste, Bitte!", höre ich eine unfreundliche Männerstimme sprechen, als ich beiseite geschoben werde. Wenige Meter später stehe ich in einem unsichtbar eingezäuntem Bereich, wo alle weiblichen, potenziellen Tribute "platziert" werden. Um den ganzen Platz herum hat man eine Art blaues Stoffband angebracht, welches an manchen Stellen Blumenkränze trägt. Ein kläglicher Versuch, den Platz zu schmücken und es uns erträglicher zu gestalten. Es dauert eine ganze Weile, bis alle Jugendlichen angekommen waren. Ein paar kenne ich vom sehen, doch keinen von ihnen kenne ich persönlich. Ich will keinen von ihnen kennen.

Die Mädchen sehen alle gelassen aus. Fast alle. Die, die wissen, dass ich mich freiwillig melden werde, haben keinerlei Angst, gezogen zu werden. Manche haben sich sogar extra mehrfach in den Lostopf einschmeißen lassen, weil sie wussten, dass ich gehen werde. Bei den Jungs hingehen wirkt es angespannt. Einige schwitzen. Einer zittert sogar am ganzen Leib. Es sieht so aus, als würde er jeden Moment einen Heulkrampf bekommen. Um uns herum sind jede Menge Friedenswächter drappiert, damit wir auch bloß nicht auf dumme Gedanken kommen. Es kommt mir vor wie mehrere Stunden, die ich warten muss. Jede weitere Sekunde wirkt wie Gift auf meine Nerven. Mittlerweile bin ich mehrmals durch mein schulterlanges, schwarzes Haar gefahren. Es sieht etwas zerzaust aus und ich spüre den Blick von Agnes im Nacken, die mir am liebsten einen Zopf gebunden hätte. Ich starre auf den Boden. Beginne, Steinchen zu zählen. Als ich innerlich fast zerreiße, höre ich die durch Lautsprecher dröhnende Stimme, deren Klang unausweichlich ist. "Willkommen, liebe Ladies und Gentlemen. Willkommen. Willkommen an diesem wunderbaren Tag, an dem es Zeit ist, ein Paar Tribute zu ernten, die um Ehre, Stolz und Ruhm kämpfen werden. Willkommen an diesem glorreichen Tag, der uns hoffentlich noch lange in Erinnerung bleiben wird." Ich sah auf und erblicke einen jungen, dunkelhäutigen Mann mit einer Glatze. Auffällig sind die vielen, schimmernden Ringe, die er trägt. Man erkennt sofort, dass er aus dem Kapitol kommt. Sein schwarzer Anzug mit weißen, glitzernden Steinen und dem weißen, schlanken Gesichtstattoo, welches seine Schläfe ziert, sticht er wahrhaftig aus der Masse heraus. Ich kenne seinen Namen nicht. Letztes Jahr stand noch eine junge Frau auf der Bühne, deren Kleid an ein Martini-Glas erinnerte. Er plappert noch etwas in sein Mikrofon rein. Irgendetwas Kapitol-verherrlichendes. Ich höre ihm nicht zu. Ich starre weiter auf den Boden. Erst, als ich höre, wie er zu einem mit kleinen Zetteln gefüllten Behälter wandert, schaue ich wieder auf. "Lasset uns beginnen.", spricht er langsam hinein und fummelt im Behälter herum. Als er endlich einen Zettel herausnimmt, ist es so still wie seit langem nicht mehr. Seit einem Jahr, um genau zu sein. Ich höre nichts. Nur mein eigenes Blut rauschen, welches durch meine Adern gepumpt wird. Der Mann auf der Bühne öffnet den Zettel. Alle warten gespannt auf den Namen. Er öffnet seine Lippen und spricht ihn aus: "Samforth Abergale." Ich war erleichtert. Niemand, den ich kenne, zumindest nicht persönlich. Aber das trifft auf jeden zu. Samforth zeigt keine Reaktion. Der zitternde Junge von vorhin sackt erleichtert auf den Boden zusammen. Samforth ging schnurstracks zur Bühne, begleitet von ein paar Friedenswächtern. Als könne er ausbrechen, lache ich in mich hinein Schließlich wandert er zu einem anderen Behälter, der ebenfalls mit Zetteln gefüllt ist, jedoch mit weitaus mehr als bei den Jungs. "Kommen wir zu den Damen", sagte er mit gedämpfter Stimme und spreizte die Finger von der Hand ab, die von einem Seidenhandschuh bedeckt waren. Mit Zeigefinger und Daumen zog er einen Zettel heraus. Langsam öffnete der Mann den Zettel und die Sonne brachte seinen Anzug zum Funkeln. "Hannasmith Jennson", spricht er mit der selben Stimme, mit der er den Jungennamen vorgelesen hat. Hannasmith ist unsere Nachbarin. Deswegen sieht sie erleichtert aus. Wie alle anderen Mädchen auch. Ich rege mich trotzdem kein Stück. Jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, wo ich mich freiwillig melden könnte. Aber ich halte mich zurück. Mit jeder verstrichenen Sekunde wird Hannasmith angespannter und nervöser. Schließlich drängen ein paar Friedenswächter sie aus dem Viereck hinaus. Ich höre ein leises Schluchzen und kann ihren vorwurfsvollen Blick spüren, den sie nicht zeigen kann. Doch plötzlich schießt es durch mich durch und ich denke an meine Familie, an meine Geschwister. Mein Arm schießt in die Höhe und ich schaue dem Mann auf der Bühne direkt in die Augen. Erst ganz leise, doch beim zweiten Mal mit ungeheurer Kraft in der Stimme schreie ich über den ganzen Platz
 

"Ich melde mich freiwillig..... Ich, Mags Hampton, melde mich freiwillig als Tribut!"



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  candies0002
2012-04-18T15:16:24+00:00 18.04.2012 17:16
So....

Ich find's gut. An manchen Stellen sieht man, dass du kein professioneller Schreiber bist, sonder einfach der Niklas. Allerdings ist es interessant genug gestaltet um mich zu begeistern, obwohl ich bis jetzt werder den Film gesehn, noch die Bücher gelesen habe.

Es war wirklich keine Zeitverschendung.

Applaus ;3


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