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Aventüre

Sanada & Yukimura
von

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Gala I


 

Kapitel Eins

- G a l a -
 

18. Oktober 2010 – 21:00 Uhr
 

Langsam durch die Schar hindurch watend, besah sich der dunkelhaarige Mann die Menschen im Raum. Einige der vom Schein des Kronleuchters in goldenen Schimmer getauchten Gesichter, die den Raum ausfüllten, kannte er. Der junge Mann hatte sie bereits bei anderen Veranstaltungen oder Interviews kennengelernt. Seit er in seinem Beruf erfolgreich war, bewegte er sich oft auf Festlichkeiten wie dieser, um dem Drängen seiner Managerin nachzugeben. Er wusste sogar, dass sie Recht hatte mit dem was sie sagte und dass er ihrem Eifer seinen Erfolg zu verdanken hatte, denn ohne sie wären seine Bücher niemals so berühmt geworden. Dennoch lag ihm nicht viel an dieser Art von Gesellschaft, deren Beiwohnen in den Augen aller anderen ein Privileg war.

Sanada war ein Mensch, der zurückgezogen lebte, und die meisten Leute, welche ihm begegnet waren, hatten das bereits gut genug erkannt, um es schon jetzt mit seinem Image zu verflechten. Es war ein tadelloses Image. Er galt als bescheiden, höflich und konservativ. Ein talentierter junger Mann, der eher ruhig und zurückhaltend war, sich weder auf seinem Erfolg ausruhte, noch hochmütig wurde und beständig weiter gute Arbeit leistete. Der einzige Schandfleck auf seiner weißen Weste war, dass er mit seinen 28 Jahren noch immer nicht verheiratet war. Aber es war ein allzu süßer Schandfleck, den niemand ihm übel nahm. Viel mehr umgab ihn das mit einer süßen Versuchung, deren romantischer Interpretation die Damenwelt nicht widerstehen konnte. Selbst er realisierte wie die Frauen ihn umschwirrten, obwohl Sanada eigentlich völlig resistent gegen solche Bemühungen war. Dafür war er viel zu nüchtern, viel zu wenig Frauenheld – und viel zu schlecht im sozialen Umgang; selbst wenn den Frauen sogar seine stoische Schroffheit zu gefallen schien anstatt das sie davon abgestoßen wurden.
 

Bis jetzt hatten ihm die Gäste dieser Benefizveranstaltung noch nicht allzu sehr zugesetzt, aber er wusste, dass das nicht mehr besonders lange so bleiben würde. Seine Managerin war vor kurzem eingetroffen und auf der Toilette verschwunden, sobald sie jedoch dort fertig war und befunden hatte, dass sie für ihren öffentlichen Auftritt perfekt aussah, würde er den Kontakt alleine deswegen schon nicht mehr meiden können, weil sie ihn zu verschiedenen Gästen für ein höfliches Vorstellen ziehen würde. Sie hatte ihm unzählige Male erklärt wie wichtig es für ihn war Kontakte zu knüpfen, um ein gutes Ansehen zu halten und auszubauen. Wenn er seine gerade begonnene Karriere halten wollte, war das unumgänglich. Dennoch war es der unliebsamste Teil für den jungen Autor und da die engagierte Frau genau wusste, wie schwer sich ihr Schützling mit diesen Dingen tat, hatte sie kurzerhand selbst das Kontakteknüpfen übernommen.

Er schob sich höflich grüßend an zwei Frauen vorbei - unter denen ihn eine erkannte - noch ehe sie ihn in ein längeres Gespräch verwickeln konnten und suchte einen Punkt im Raum an dem Suzuki ihn nicht zu schnell finden würde, wenn sie von der Toilette wieder kam. Sie würde schon dafür sorgen, dass er an diesem Abend mehr als genug Bekanntschaften machte und so stahl er sich gerne noch ein paar Minuten Ruhe.

Leider gelang ihm das nicht wirklich, denn in seiner Flucht vor den Damen übersah er einen Mann seines Alters mit auffallend blauem Haar, dessen Spitzen sich in schmeichelnden Wellen um dessen Gesicht legten.
 

„Guten Abend“, sprach dieser ruhig, mit einer samtweichen Stimme, deren Ruhe jedoch eine unterschwellige Autorität nicht zu verbergen wusste. Er lehnte an der Wand, gekleidet in einen schlichten schwarzen Anzug, der aber ohne Frage ein kleines Vermögen gekostet haben mochte, und musterte seinen ‚Besucher‘ aus blauen Augen, die zwar zu seinem Haar passten, seinem Aussehen aber ansonsten etwas Exotisches gaben. Sanada drehte sich etwas überrascht und ertappt um. „Auch auf der Flucht?“, fragte der Blauhaarige nun und legte leicht amüsiert den Kopf schief. Jetzt fühlte sich der Autor erst recht ertappt und er strich eine Falte an seinem Jackett grade, registrierte aber den kameradschaftlichen Tonfall und die Formulierung, die sie eher als Gleichgesinnte auswies. Ehe er jedoch antworten konnte, hatte der Mann sich vorgestellt und streckte ihm eine zierliche Hand entgegen.

„Ich freue mich einen Gleichgesinnten kennenzulernen, der scheinbar auch kein übermäßiges Interesse daran hat, in den Lobeshymnen besonders der weiblichen Besucher zu baden. Mein Name ist Yukimura Seiichi – wir sind uns schon mal begegnet.“

Sanada ergriff die Hand, welche einen erstaunlich angenehmen, festen Griff hatte und durchforstete sein Gedächtnis. Er hatte diesen Mann schon einmal gesehen? Eine so auffallende Erscheinung hätte er sicherlich nicht vergessen, dennoch erinnerte er sich an diese Person nicht und wurde sich unangenehm der verstreichenden Zeit bewusst, die seine Unkenntnis verriet.

Gerade als er sich entschuldigen wollte, begann der Blauhaarige bereits wieder zu reden und winkte beschwichtigend ab. „Nur keine falsche Scheu, man kann sich nicht jeden merken, auch wenn ich ehrlich gesagt ein bisschen in meinem Stolz verletzt bin, dass Sie mich vergessen haben“, sprach Seiichi nun mit deutlich neckendem Tonfall, der verriet, dass er dem Autor diese Gedächtnislücke absolut nicht übel nahm. Dann setzte er nach: „Es war nur flüchtig auf einer Ihrer Signierstunden. Bei den vielen Gesichtern die Sie dort sehen wundert es mich nicht, dass Sie sich nicht an meines erinnern können.“

Jetzt erinnerte Sanada sich tatsächlich. Es war bei einer der Signierstunden im letzten Monat gewesen und er erkannte in ihm einen der interessantesten und angenehmsten Leute an diesem Abend, der ihn schon dort mit einem angenehmen Gesprächswechsel erfreut hatte.

Er lächelte leicht – und registrierte nicht die Reaktion der Frauen in seiner Umgebung. Seiichi dagegen nahm sie durchaus wahr – was wohl mit der Tatsache einherging, dass er selten etwas in seiner Nähe außer Acht ließ, selbst wenn es ihn nicht betraf. Und er konnte sich das spöttische Heben einer elegant geschwungenen Augenbraue nicht verkneifen.

„Jetzt erinnere ich mich“, sagte Sanada endlich. „Sie hatten eine der wenigen Ausgaben meines ersten Buches zur Signierstunde in Tokio mitgebracht. Entschuldigen Sie bitte, dass es einen Moment gedauert hat.“ Der Mann erwiderte nun das Lächeln, welches Sanada ihm schenkte und der Spott über die Frauen wich aus seinem Gesicht, als er erneut abwinkte. „Freut mich, dass ich doch noch Eindruck schinden konnte - hoffentlich nur Guten.“ Ein Lächeln begleitete die Worte des Mannes, welches ihn weniger schelmisch, als vielmehr raubtierhaft wirken ließ, selbst wenn es nur ein sehr verschleierter Eindruck war, den wohl nur jemand haben konnte, der genau hinsah und beobachtete. Ein feiner Hauch unterschwelliger Gefahr und Sanada fragte sich einen kurzen Moment, ob noch mehr hinter diesen Worten steckte. Obwohl er seine Worte ernst zu meinen schien, war der Ältere sich nicht sicher ob es Yukimura überhaupt stören würde, negativ aufzufallen. Und angesichts des Auftretens des Blauhaarigen konnte Sanada die Frage im Prinzip bereits jetzt recht sicher mit einem Nein beantworten.

„Selbstverständlich“, antwortete er dennoch.

Tatsächlich war der Autor froh, dass es dieser Mann war, der ihn angesprochen hatte, denn er erinnerte sich an ihn als einen zwar sehr direkten, aber nicht aufdringlichen Gesprächspartner und die Tatsache, dass er sich bereits in einem Gespräch befand würde ihn vor anderen, unliebsameren Gesellschaftern, schützen.

„Sie sind erstaunlich talentiert darin durch die Menge zu wandern und überall aufzufallen, ohne auch nur in ein Gespräch verwickelt zu werden“, kam sein Gegenüber nun wieder auf das Ursprungsthema zurück, als ob er Sanadas Gedanken gelesen hätte. Der Ältere zögerte, doch Seiichi sprach bereits weiter. „Ich kann Ihre Unbehaglichkeit durchaus nachvollziehen. Durch die Menge zu wandeln – zumindest bei solchen Veranstaltungen – kann bei der Anwesenheit all dieser heiratswütigen Frauen für jemanden wie Sie natürlich ähnlich einem Spießrutenlauf sein. Auch wenn das Interesse, welches Sie erregen, ja durchaus für Sie spricht.“ Die blauen Augen musterten Sanada nun auf diese eigentümliche Art und Weise, die selbst einem Menschen das merkwürdige Gefühl gab, sich einem Raubtier gegenüber zu sehen, bei dem es nur darauf ankam, falsch zu reagieren, um dessen Wut auf sich zu ziehen. Nun stieß Seiichi sich von der Wand ab und trat einen Schritt auf Sanada zu, befand sich ihm nun genau gegenüber und es wurde deutlich, dass der Blauhaarige nicht nur zierlicher sondern auch etwa einen halben Kopf kleiner war als der Autor. „Haben Sie vielleicht Interesse daran, dieser Meute für eine kurze Weile zu entgehen?“

Sanada sah auf diese imposante Gestalt hinunter, ein wenig überrascht über dieses Angebot. Er hätte nicht gedacht, dass es eine solche Möglichkeit gab und es reizte ihn herauszufinden wie sie aussah. Dennoch wusste er, dass es seiner Managerin gegenüber eigentlich etwas unfair wäre und sie würde sicherlich einiges zu meckern haben, wenn sie ihn letztlich wiederfand. Zögernd hob der Autor den Blick und besah sich die Menge im Raum, welche ihn in die Akustik stetigen Gemurmels tauchte. Mit einem Stirnrunzeln nahm er einige besorgte und verwunderte Gesichter wahr – Ausdrücke mit denen man ihn normalerweise nicht musterte. Als er einer Bewegung in der Menge folgte, erkannte er Suzuki, welche energisch auf ihn zuschritt und er fragte sich bei ihrem Gesichtsausdruck, ob sie überhaupt etwas anderes als ein „Nein“ zulassen würde.

„Sanada-san, schön dass ich Sie finde“, sagte sie, kaum dass sie ihn erreichte. „Wie ich sehe, haben Sie sich auch gut ohne mich zurecht gefunden. Es tut mir leid Ihre Unterhaltung zu unterbrechen, aber wir müssen dringend über ein paar geschäftliche Dinge reden. Sie würden uns doch sicherlich entschuldigen, nicht wahr?“ Bei den letzten Worten wandte sie sich zwar flüchtig Seiichi zu, ließ ihm nicht wirklich Zeit zum Antworten. Seiichis Gesichtsausdruck spiegelte jedoch deutlich wider, dass er die Frau nur gewähren ließ, um weiteren Ärger für Sanada zu vermeiden – nicht etwa, weil ihm selbst etwas daran gelegen war. Schon zog sie den jungen Autor bei Seite und redete weiter. „Es ist wirklich wichtig, kommen Sie.“ Langsam ließ Sanada sich mitziehen und fragte sich, was passiert sein mochte. Normalerweise benahm Suzuki sich so nicht und er machte sich nun ernsthafte Sorgen. Dennoch schwieg er und wartete, bis sie ihn zu einer Sitzgruppe mit reichlich Abstand zu dem jungen Blauhaarigen gezogen hatte.

„Setz dich“, lautete ihr unverhohlener Befehl der jegliche Höflichkeit zur Seite schob. Sanada tat wie geheißen und sie kam ihm nach.

„Hast du eigentlich eine Ahnung mit wem du dich da gerade unterhalten hast?“ Offensichtlich hatte Suzuki nicht vor um den heißen Brei zu reden.

„Willst du dir deine gesamte Karriere direkt an ihrem Beginn versauen?“ Sanada verstand nicht. „Ich dachte ich sollte Kontakte knüpf-“ „Aber doch nicht mit ihm!“, fiel die junge Frau ihm ins Wort. Er blinzelte etwas irritiert, aber ansonsten völlig ruhig und stoisch - wie immer. Suzuki fuhr sich nach einem Moment mit der Hand übers Gesicht. „Ich glaub‘s nicht, du hast tatsächlich keine Ahnung, nicht wahr?“ Sie hob den Blick wieder und sah ihn an. „Du hast keine Ahnung wer das ist.“ Keine Frage, sondern eine Aussage, denn dass es so war, stand Sanada deutlich ins Gesicht geschrieben. Eine Weile betrachtete sie ihn nur forschend, ehe sie frustriert seufzte und sich in ihrem Stuhl zurück lehnte. „Siehst du denn wirklich niemals fern? Ich dachte du liest die Zeitung!“ „Das tue ich.“ „Aber wie kannst du dann nicht wissen wer er ist? Der Mann dort, mit dem du dich so gut unterhalten hast, ist überall bekannt. Er wird verdächtigt eine regelrechte Größe in der Unterwelt zu sein, auch wenn man ihm nie etwas nachweisen kann – nicht einmal eine Zugehörigkeit. Und das Ominöse an ihm ist, dass nicht einmal seine Gegner seine Identität preiszugeben scheinen. Die Gerüchteküche schreit schon den Verdacht hinaus, dass er der Mann ist, der die Yakuza-Clans in letzter Zeit so ruhig hält – wie auch immer er das anstellt.“

Sanadas Blick wanderte ganz automatisch zurück zu der Stelle wo sie Seiichi zurück gelassen hatten. Ein mächtiger Untergrundboss? Kaum, dass er die Stelle mit den Augen suchte, fand er den jungen Mann. Noch immer stand Seiichi dort, wo Sanada ihn eben recht überstürzt hatte stehen lassen, nur lehnte er nun wieder selbstsicher an der Wand, so als ginge ihn das alles was um ihn herum geschah nur so viel an, wie er es wollte. Auch über die Entfernung hinweg konnte der Autor den nahezu stechenden Blick spüren und doch lächelte er. Ja, Sanada konnte sich vorstellen, dass es solche Gerüchte über einen Mann wie ihn gab. Und plötzlich musste er an die Worte denken, die er ihm vorhin gesagt hatte und den Eindruck, welchen sie ihm vermittelt hatten. Jetzt wusste Sanada, was der Grund für diese Ambivalenz gewesen war: Seiichi konnte nicht mehr negativer auffallen, als er es bereits getan hatte. Das, was er gegenüber dem Braunhaarigen angesprochen hatte, war für ihn eine Lappalie – wenn er der Sache überhaupt eine tiefere Bedeutung zumaß. Und das nächste was Sanada bemerkte war, dass der Blick aus den blauen Augen zu seiner Managerin wanderte, und diese mit unverhohlener Abneigung musterte. Ganz ohne Zweifel wusste Seiichi genau, was sie Sanada just in diesem Augenblick erzählte. Seltsamerweise schien es – wenn es denn stimmte – nicht das zu sein, was den jungen Mann störte. Es schien ihm tatsächlich völlig egal zu sein.

„Verstehst du jetzt – Sanada! Sieh nicht so offensichtlich hin!“

Er tat was Suzuki verlangte, aber er war sich sehr sicher, dass ihre Bemühungen weit zu spät kamen. Er glaubte sogar, dass Seiichi bereits gewusst hatte, dass er das erfuhr noch bevor er ihn überhaupt angesprochen hatte – erst recht, als Suzuki ihn fort gerissen hatte – und der Blick aus diesen außergewöhnlichen Augen bestätigte seine Vermutung. Dennoch sagte er nichts.

„Und ausgerechnet dieser Mann ist der Einzige, mit dem du bisher ganz von dir ausgesprochen hast, freiwillig! Weißt du was für ein Licht das auf dich wirft? Und was noch viel schlimmer ist: Er ist gefährlich!“

Oh ja… Der Autor hatte durchaus eine Vorstellung davon was in den Köpfen der Leute vorgehen musste, selbst wenn sein Einfühlungsvermögen - und eigentlich auch das Interesse - äußerst gering waren. Schon alleine weil er es in den irritierten und neugierigen Gesichtern sah, die ihn hin und wieder musterten – und deren Bedeutung er erst jetzt zu verstehen begann. Sein Blick schweifte erneut unauffällig an Seiichi vorüber – und blieb dort hängen, als der Blauhaarige ihm fast schon absichtlich auffällig zuwinkte. Nein, Seiichi machte wirklich keinen Hehl daraus, dass ihm das, was die anderen Anwesenden hier dachten, relativ egal war. Sanada sah zu wie der Blauhaarige ihn eindringlich ansah und mit diesem Blick hinter einer Tür verschwand neben der er gelehnt hatte.

Eine Einladung? Oder eine unmissverständliche Aufforderung, die keine Ablehnung duldete?

Irritiert sah Sanada eine Weile auf diese Tür. Er war sich ziemlich sicher, dass der Blauhaarige wusste worüber sie gesprochen hatten und doch schien er an seiner Einladung – und Sanada glaubte trotz dem, was er gehört hatte, dass es nicht mehr war als eben das - festzuhalten. Sollte er sie annehmen? Er sah wieder zu Suzuki, die erschöpft etwas trank. Ihr gegenüber verursachte die Erwägung leichte Gewissensbisse und er wusste, dass sie recht hatte. In der jetzigen Situation mit diesem Mann zu verschwinden war absolut unpassend. Wieder sah Sanada die Tür an. Würde überhaupt jemand merken wo er war, wenn er es geschickt anstellte? Die Frage, die ihn die ganze Zeit über beschäftigte war, was ihn hinter dieser Tür erwarten würde, wenn er dem so verschrienen Fremden tatsächlich folgte. Wenn das alles stimmte, warum war dieser Mann dann auf ihn zugegangen? Was konnte er für ein Interesse an einer Person wie Sanada haben – besonders allein?

Kurz blitzte ein Szenario in seinen Ideen auf, über das er beinahe gelacht hätte. Obwohl Suzukis Worte das gar nicht als so unwahrscheinlich darstellten, konnte Sanada sich nicht wirklich vorstellen, dass dieser Mann ihn in eine Falle lockte – aus dem einfachen Grund heraus, dass er kein nennenswertes Ziel darstellte. Genau das war der Punkt. Was wollte Yukimura Seiichi von einem gänzlich einflusslosen Mann wie ihm?

„Wirklich, du machst es mir manchmal nicht leicht, Sanada.“

Suzuki riss ihn aus seinen Gedanken und er sah sogleich wieder sie an.

„Du musst dringend lernen, dich etwas geschmeidiger in der Gesellschaft zu bewegen, versprichst du mir das?“

Er sollte ihr nicht sagen mit welchen Gedanken er spielte – noch nicht einmal von der Einladung sollte er ihr erzählen. Schweigend nickte er und tatsächlich meinte er seine Zustimmung auch so. Suzuki war einer der wenigen Menschen in seiner Umgebung die es gab und eine der besten Managerinnen. Sie tat mehr für ihn, als eigentlich in ihren Aufgabenbereich fiel. Und er war ihr sehr dankbar für all ihr Engagement, wusste, was er ihr schuldig war, einfach nur für ihre gute Arbeit. Sie hatte sich seinen Respekt verdient, obwohl in seinem Alter war – sogar jünger.

„Ich werde mir Mühe geben“, bekräftigte er seine Worte noch. Als er ihr erleichtertes Lächeln sah, fühlte er sich fast wie ein räudiger Lügner. „Ich weiß ja, dass es dir nicht leicht fällt und das muss es auch gar nicht. Aber sowas“, und sie ließ keinen Zweifel was genau damit gemeint war, oder besser, wer, „kann wirklich zu großen Problemen führen.“ Sie stellte ihr leeres Glas auf den Tisch zurück. „Das hier ist übrigens unser Platz für diesen Abend. Tisch 17. Ich hätte gerne Gruppentische gehabt, aber ich denke dir ist es lieber, wenn wir alleine sitzen und der Veranstalter hat dir da ausnahmsweise mal in die Hände gespielt“, erklärte Suzuki, bevor sie auf ein kleines dreieckiges Schild deutete. „Die Nummer steht hier auf den Tischkarten, sodass du unseren Tisch jederzeit wiederfinden kannst. Merk sie dir also gut.“

Der Autor hörte ihr schweigend zu und folgte ihrem Fingerzeig. Mit einem Nicken bestätigte er ihre Worte ab und zu, bis sie zufrieden lächelte. „Also gut. Dann bist du vorerst versorgt. Ich muss mit dem Personal noch ein paar Dinge besprechen für die Präsentation um elf. Ich lass dich also nochmal für eine Stunde alleine, aber stell mir bitte nichts an, ja?“

Der Autor blinzelte mit einem Schweigen, unschlüssig was er darauf erwidern sollte. Sie wusste ja gar nicht wie sehr sie ihm gerade in die Hände spielte und einen Entschluss besiegelte, den er zwar schon vorher gefasst hatte, jetzt aber nicht mehr zurück nehmen würde. Sanada wusste, dass es falsch war was er tat und dennoch hielt ihn das nicht ab.

Zu seinem Glück störte Suzuki sich nicht an seiner fehlenden Antwort, da er auch sonst eher wortkarg war und stand auf. „Wir treffen uns in einer Stunde, wenn die Präsentationsreihe startet, hier am Tisch. Dann geb ich dir die letzten Instruktionen bevor dein Teil an der Reihe ist. Versuch den Abend ein bisschen zu genießen. Ich hab gehört, das Buffet soll sehr lecker sein.“

Sanada nickte und sie verabschiedeten sich vorerst. Fast wie von selbst fiel sein Blick nun wieder auf die Tür, kaum dass er wieder allein war.
 

Zehn Minuten schlängelte der Braunhaarige sich durch den Raum. Er sprach sogar hier und da mit ein paar Leuten, auch wenn er kurz angebunden blieb und immer schnell weiter zog. Vielleicht weil er insgeheim wieder gut machen wollte, was er im Begriff war zu tun und wenigstens die Tatsache aus der Welt schaffen wollte, dass dieser Mann bisher der Einzige war, mit dem er freiwillig gesprochen hatte. Zwar hatte er ihn eigentlich gar nicht angesprochen, doch ihm war klar, dass Suzukis Schilderung der Dinge eher der öffentlichen Ansicht entsprach. Das Buffet ließ er stehen, obwohl er durchaus Hunger hatte, aber ihn drängte sein Weg in Richtung der Tür, welche sich seit Seiichis Verschwinden nicht mehr bewegt hatte. Der Braunhaarige wusste nicht was sich dahinter befand. Möglich, dass der Mann durch irgendein Treppenhaus verschwunden und schon gar nicht mehr da war - dann würde das seine Rettung sein. Es waren bereits fünfzehn Minuten vergangen, seit Yukimura Seiichi dort verschwunden war.

Inzwischen war Sanada nur wenige Schritte von der Stelle entfernt an der Yukimura eben noch gestanden hatte. Sein Weg war sorgsam gewählt, sodass niemand sagen konnte, er wäre geradewegs hierher gegangen und noch hoffte er, dass man vielleicht auch nicht bemerken würde, wie er durch diese Tür schreiten würde.

Nachdem der Autor ein letztes Gespräch beendet hatte und nun direkt vor seinem Ziel stand, sah er sich ruhig in seiner Umgebung um. Er war alleine, gerade schenkte ihm keiner Aufmerksamkeit und die vorherigen Blicke hatten sich allmählich etwas beruhigt, sodass er sogar recht unbeobachtet war. Es war seine Chance und wieder fragte er sich, ob er das tun sollte. Nein, er wusste genau, dass dem nicht so war, dennoch verschränkte er die Hände unauffällig hinter seinem Rücken, sodass er in der Lage war jederzeit unbemerkt die Türklinke zu erreichen. Einen Moment später tastete er danach, bis er sie in der Hand hielt. Wenn er ehrlich war, wusste er trotz seines Zögerns, dass er es tun würde. Dass er im Grunde seine Entscheidung bereits unmittelbar nach der Einladung getroffen hatte. Die Klinke gab leicht unter seinem Druck nach und er verschwand durch den Spalt ins Ungewisse.
 

Das Ungewisse entpuppte sich in diesem Fall nicht als Treppenhaus oder Fluchtmöglichkeit, sondern als kleiner, angenehm beleuchteter Raum mit durchaus anspruchsvoller Einrichtung in hellen und dunklen Brauntönen. In der Mitte des Zimmers stand eine Sitzgruppe mit einem davor befindlichen Glastisch auf dem sich zwei Platten mit Sushi und anderen Kleinigkeiten befanden. Zwei Gläser und eine Flasche Wein konnte Sanada ebenfalls erblicken. Das Licht war etwas gedimmt, was dem Raum eine gemütliche Atmosphäre gab und aus einer Stereoanlage, die auf einem Regal an der Wand angebracht war, klang leise Klaviermusik. „Du bist gekommen“, stellte eine Stimme fest, deren Eigentümer er nicht gleich erblickte. Seiichi saß ruhig auf einem der Sessel, schaute Sanada an, als dieser durch die Tür schritt. Der Wechsel der Anrede geschah ganz automatisch und wirkte absolut natürlich. In der Stimme lag keine Bedrohung – aber auch keine Überraschung. Er hatte sein Jackett ausgezogen und es locker über die Lehne gehängt, den obersten Knopf des weißen Hemdes hatte er geöffnet und wirkte entspannt. „Setz dich“, sprach er nun wieder Sanada an und zeigte auf das gemütlich anmutende Sofa. „Ich weiß es zu schätzen, dass du dich trotz des unglaublich gut funktionierenden Buschfunks in meine Gegenwart traust. Ich gebe zu, dass ich neugierig bin. Was hat sie dir wohl erzählt?“ Die blauen Augen folgten Sanada, wie dieser abwägend langsam auf das Sofa zuging und sich hinsetzte. Sanada registrierte es zwar, doch in seinem Kopf war gar kein Platz, sich darüber zu echauffieren, dass der Blauhaarige direkt zum Du übergegangen war. „Lass mich raten“, war es nun wieder Seiichi, der weitersprach. „Du... weißt nun, dass ich unglaublich gefährlich bin. Der Wolf im Schafspelz, wenn man so möchte. Und dass ich ein Killer bin, der nicht vor schlimmen Taten zurückschreckt, hm?“ Mit einem süffisanten Lächeln ahmte er eine Krallenhand nach und tat so, als würde er nach Sanada schnappen, während ein imitiertes Raubtiergeräusch seinen Mund verließ. „Öde“, stellte er dann fest und lehnte sich mehr in den Sessel, ohne Sanada dabei aus den Augen zu lassen.

Das war nicht ganz das was der Braunhaarige erwartet hatte. Hier unter vier Augen stellte sich der Mann durchaus ein wenig anders dar, als er es vorher in der Öffentlichkeit getan hatte – provokanter, beinahe aggressiver. Allerdings wusste er auch nicht was er denn tatsächlich erwartet hatte. Keine Bedrohung, wie er sich eingestand und die hatte er auch nicht bekommen. Obwohl die Situation etwas seltsam anmutete, fühlte er sich von dem Fremden nicht unter Druck gesetzt – in keinster Weise. Selbst die Süffisanz konnte Sanada nachvollziehen.

Eine innere Stimme riet ihm dennoch sich nicht auf ein Gespräch über Suzuki einzulassen, zumal Sanada ein ganz anderes Interesse überhaupt hergeführt hatte. Er beschloss dem direkten Beispiel seines Gegenübers zu folgen und sprach seine Gedanken direkt aus:

„Sie haben mich eingeladen. Ich frage mich was Sie sich davon versprochen haben.“ Sanada spürte den stechenden Blick, der nicht von ihm abließ, dennoch störte er ihn nicht wirklich. Er warf für den Autor keine Bedrohung, sondern nur Fragen auf.

Nun erschien ein leichtes Lächeln, dessen genaue Bedeutung nicht gänzlich zu erkennen war, auf Seiichis Gesicht. „Ich habe dich sofort wieder erkannt, als du mit deiner liebreizenden Begleitung den Raum betreten hast. Und dabei habe ich mich auch direkt an unser Gespräch erinnert, bei der Buchbesprechung.“ Nachdenklich beugte Seiichi sich nun wieder vor und goss sowohl Sanada als auch sich Wein ein. „Ich habe mir erlaubt einen guten Tropfen hierher bringen zu lassen. Oh, und bitte nimm dir etwas zu essen. Du hast sicherlich Hunger.“ Weiterhin lächelnd zeigte Seiichi auf das Essen, reichte Sanada dann sein Glas. „Aber nun ehrlich... du weißt also jetzt wer ich bin? Oder... Nein anders. Was hat man dir gesagt? Und keine Sorge, du kannst ehrlich sein. Ich werde dir höchstens sagen, was davon stimmt und was nicht.“ Die Medien taten eh schon ihr übriges, wieso sollte er dann vor Sanada mit Lügen aufwarten. Nachdenklich trank er einen Schluck Wein und betrachtete den Autor nun wieder über den Rand des Glases hinweg. Der Mann hatte in Seiichis Augen etwas Besonderes an sich – schon allein, weil ihn das, was er von seiner Managerin ohne Frage gehört hatte, nicht abschreckte. Und dieses Verhalten rechnete Seiichi ihm sehr hoch an.
 

Der Braunhaarige betrachtete das Weinglas. Er fragte sich wie viel er wohl kostete. Auch dieses Zimmer musste sicherlich ein kleines Vermögen gekostet haben - jedenfalls die Ausstattung. Zumindest musste Seiichi über ausreichend Geld verfügen, was auch immer von den Dingen, die man über ihn sagte, nun letztlich der Wahrheit entsprach. Sein Blick wanderte wieder hinauf in das Gesicht des Kleineren, musterte die blauen Augen und widmete sich dessen Frage. Egal was er nun sagte… würde er wirklich die Wahrheit hören?

„Nun ja, es war dem was Sie vermutet haben nicht sehr unähnlich“, antwortete der Braunhaarige schließlich. „Es gibt Gerüchte über die Zugehörigkeit zur Unterwelt.“ Den Teil über die Negativauswirkung seiner Gesellschaft ließ der Autor bewusst aus und folgte dabei erneut einem inneren Gefühl. Sein Blick fiel nun wieder auf das Weinglas und er nippte daran, bevor er Seiichi wieder ansah – jeden Winkel seines Gesichtes genau musternd. Der Wein war wirklich sehr gut und er kam so willkommen wie das Essen, auch wenn Sanada noch immer nichts zu sich genommen hatte.
 

Seinem Gegenüber war das nicht entgangen, doch er kommentierte dieses Verhalten nicht, stattdessen erhob er sich, das Glas weiter in der Hand und ging um das Sofa herum, sodass er hinter Sanada stand. Im Prinzip hatte er rein gar nichts zu verlieren – hätte der Autor Intentionen ihn zu verraten, so würde er nicht lange genug leben, um mit den neugewonnen Informationen etwas nützliches anzufangen. „Nun“, fing die sanfte Stimme fast direkt neben Sanadas Ohr an; augenscheinlich hatte der junge Blauhaarige sich ein bisschen hinunter gebeugt. „Es ist ganz simpel. Alles was du hören musst ist ein: Ja, es ist wahr. Und doch ist es weitaus komplexer. Halten wir doch zuerst fest: Ja, ich bin eine Größe der Unterwelt. Gemeinhin gibt es dafür auch eine Bezeichnung und du als Autor solltest sie kennen. Ich bin ein Yakuza. Wahrscheinlich wäre das noch gar keine so große Überraschung, aber tatsächlich habe ich wohl, ungeachtet meines Alters, sehr große Macht erlangt. Ich beherrsche einen großen Teil der japanischen Unterwelt und viele Dinge sind nur deswegen bislang nicht ausgeartet, weil ich meine schützende Hand darüber gehalten habe.“ Die ganze Zeit über hatte er ruhig, fast schon einfühlsam, gesprochen. Diese Art wirkte beinahe wie ein bisschen Hohn und doch war deutlich, dass es sich nicht gegen Sanada richtete. In allem was Seiichi im Augenblick tat stand die Aussage, dass der Autor nichts zu befürchten hatte.
 

Dennoch konnte dieser den Schauer nicht verdrängen, der sich langsam seinen Rücken hinunter und dann wieder hinauf arbeitete. Es war keine Angst, obwohl er durchaus verstand, wie prekär und gefährlich seine Lage war. Es handelte sich um eine rein körperliche Reaktion, die seinen Verstand nicht erreichte – sein Körper versuchte ihn instinktiv zu warnen.

Eine eigenartige Spannung lag in der Luft und Sanada antwortete eine ganze Weile gar nicht, saß einfach nur still und reglos da, das Kitzeln von Seiichis Atem direkt an seinem Ohr.

„Warum verrätst du mir das wenn es stimmt?“, fragte er schließlich ohne sich entschlossen zu haben, ob er es glauben sollte oder nicht. „Deine Identität ist bisher unerkannt, nicht mal deine Feinde – sofern das alles der Wahrheit entspricht – verraten dich. Warum solltest du dieses Risiko eingehen? Ich könnte dieses Geheimnis schneller verraten, als du mich töten kannst.“

Erst jetzt wurde sich der Autor seines plötzlichen Wechsels zum viel persönlicheren Du bewusst. In dieser Situation, und besonders mit Seiichi, war es einfach natürlicher, auch wenn es nie seine Absicht gewesen war. Doch er scherte sich nicht darum. Viel mehr fragte er sich, wie klug diese waghalsige Aussage gewesen war. Sanada wollte den Mann nicht provozieren und derartiges schwang in seiner Stimme auch nicht mit. Es war schlicht eine Frage, eine Aussage über dessen Wahrheitsgehalt er sich sicher war – es sei denn, Seiichi würde ihn genau hier und jetzt umbringen.

Abermals rannte ein Schauer auf seinem Rücken hin und her, konnte sich nicht entscheiden.

Entsprach alles der Wahrheit und dieser Fremde stand nun hinter seinem Rücken und hielt in Wirklichkeit eine Waffe? Oder würde er eher versuchen ihn zu erwürgen? Vergiften? Sanada hatte keine Ahnung welche Methoden die Yakuza hatten und er wollte es eigentlich auch nicht wirklich wissen. Er hatte sich nicht einmal umgedreht. Hinter seinem Rücken konnte alles lauern.

Dennoch saß er immer noch hier.

Er glaubte nicht daran.

Denn immer noch gab es für ihn keinen Grund. Er glaubte nicht, dass ein Mann in Seiichis Position Skrupel hatte zu töten, aber er schaffte sich auch nicht absichtlich Situationen in denen er dazu gezwungen war – nichts anderes wäre das jetzige Geschehen. Es machte nur dann nichts, wenn das Ziel ohnehin getötet werden sollte und Sanada hatte in seinem ganzen Leben nichts, das ihn für einen Yakuza oder irgendjemanden sonst in der Unterwelt interessant machte. Er hatte nicht mal Reichtum, auch wenn er sich inzwischen ein bequemes Leben leisten konnte und sich keine Sorgen zu machen brauchte. Er wusste nichts – bis jetzt.

„Ich finde es nicht plausibel“, bekräftigte er seine Worte und Gedanken schließlich.

Die ganze Zeit während Sanadas Gedanken Kreise gezogen hatte, war Seiichi still hinter ihm stehen geblieben. Fast hätte man annehmen können, er wäre gar nicht mehr da, wäre da nicht in regelmäßigen Abständen der ruhige, warme Atem der leicht an Sanadas Hals kitzelte. Als der Autor nun geendet hatte, erklang ein leises, fast schon angenehm amüsiertes Lachen. „Ich wusste, dass ich mich in dir nicht getäuscht habe. Du bist ein Mensch der hinterfragt, der nicht einfach nur Dinge als gegeben akzeptiert, weil sie ihm vor die Füße geworfen werden.“

Kurz machte der junge Mann eine Pause. „Deine Frage ist berechtigt, aber versuch es doch einmal von meinem Standpunkt aus zu sehen. In der Presse erzählt man ständig Dinge über mich – dort ist unter anderem auch ziemlich deutlich gemacht worden, wer ich bin und in welchem Milieu ich mich bewege; der Artikel war übrigens ziemlich schlecht – ich denke du hättest so etwas wesentlich bodenständiger schreiben können.“ Der Autor zuckte nicht einmal bei dem Lob, obwohl ihm die erneute Schmeichelei auffiel, ohne dass er weiteres damit hätte anfangen können; hätte festlegen können, warum ihm das auffiel und ihn wunderte. „Ich habe die Aussagen der Presse weder bestätigt noch habe ich sie je negiert, oder? Wenn mir also derartig viel an meiner Anonymität gelegen wäre, dann hätte ich doch in meiner – vermeintlichen – Position leichtes Spiel gehabt, solche Aussagen in der Presse zu unterbinden. Das wiederum hätte allerdings zur Folge, dass man es als Geständnis auffassen würde. Du weißt ja wie die Menschen heute denken, wenn sie es überhaupt tun.“

Sanada schwieg während der Kleinere sprach. Die sanften Klavierklänge aus den hochwertigen Lautsprechern in dieser angespannten Atmosphäre waren seltsam, doch Sanada hörte ihnen nicht wirklich zu. Er lauschte dem Mann hinter ihm, nahm die Worte auf und verwertete sie. Soweit stimmte das was der Blauhaarige sagte zwar, aber es erklärte trotzdem nichts. Es sparte die 'Wenns' und 'Abers' aus, die er hätte einwenden können.

„Du kannst mit dem was ich dir gesagt habe rein gar nichts anfangen – ganz abgesehen davon, dass es dir nichts bringen würde. Das Geständnis allein, dass ich ein Yakuza Boss bin, bringt dich nicht weiter, weil es damit immer noch nicht all die Dinge bestätigt, mit denen man mich in den letzten Jahren in Verbindung gebracht hat – unter uns war kaum die Hälfte davon wirklich mir zuzuschreiben. Aber ich lasse die Leute einfach gerne glauben was sie wollen.“ Nun richtete Seiichi sich wieder auf, ging um das Sofa herum und nahm erneut Platz – dieses Mal jedoch genau neben Sanada auf der Couch. Dieser folgte ihm mit den Augen und sah ihn einfach nur an. Sein Körper vergaß, in seiner Konzentration auf die Worte Erleichterung zu signalisieren, als die Gefahr aus seinem Rücken verschwand. Er analysierte jedes Wort, das der Fremde ihm gab.

„Du könntest zur Presse gehen und ihnen berichten, was ich gesagt habe – aber zum einen ist fraglich ob man dir glauben würde und zum anderen wärest du schneller tot als du denkst, wenn du nur die Intention hättest. Ich bin nicht dumm, das kann ich mir in meiner Position nicht erlauben. Und falls du dich nun immer noch konkret fragst, wieso ich es dir gesagt habe: Weil deine Managerin es dir bereits untergejubelt hat. Und ich schätze zwischen mir und meinem Gesprächspartner Klarheit. Ich habe kein Interesse daran, dass mich mein Gegenüber anschaut und in dessen Kopf immer die gleiche Frage kreist: Tötet er Menschen? Ist er wirklich so gefährlich?“ Fast schon entspannt lehnte Seiichi sich zurück und warf einen Blick aus dem Augenwinkel zu Sanada. „Und gerade du als Autor, aber in erster Linie als intellektueller Mensch, hättest dich genau diese Dinge gefragt. Nun weißt du es und bist noch nicht schreiend davon gerannt, was ein sehr gutes Licht auf dich wirft – zumindest aus meiner Sicht.“

Innerlich schüttelte Sanada den Kopf. Obwohl Seiichis Worte einer gewissen Logik entsprangen, hatte er seine Einwände. In diesem ganzen Monolog gab es mehrere Stellen an denen er seinen Widerspruch hätte einfügen können und alle sammelten sich nun ungeduldig auf seiner Liste. Der Eifer der Diskussion, das verbale Kräftemessen, die Suche nach der Wahrheit, ließ die Vorsicht weiter in Vergessenheit raten. Er wollte gerade ansetzen, als Seiichi, der innegehalten und nachgedacht hatte, wieder sprach:

„Und.. meine Gegner tun ein Gutes daran mich nicht zu verraten – zum einen bringen die Deals mit mir ihnen gutes Geld und zum anderen ist nicht jeder Yakuza versessen darauf, den schnellsten Weg unter die Erde zu nehmen. Sie sind einfach schlau…. Zumindest viele von ihnen.“ Einen Moment ließ der Autor diese Worte nun doch auf sich wirken. Dieser Mann sprach davon äußerst vertraut. Wenn er darüber nachdachte, hatte er von allem sehr vertraut gesprochen und das war das Einzige was möglicherweise wirklich die Kraft hatte Sanada zu überzeugen. Vielleicht. Wenn der Blauhaarige seine Argumente zerschlagen konnte.

„Wenn ich tatsächlich vor hätte diese Information zu nutzen – es ist simpel“, startete er also. „Ich muss nicht einmal zur Presse gehen. Ich kann sie als Autor ganz anders verwerten. Ich verstehe den Einwand, dass mir nicht jeder glauben wird, aber es wäre mir definitiv möglich bevor mich jemand umbringen könnte und dann ist die Information schon öffentlich.“ Diese Worte schmeckten fahl auf seiner Zunge. Er redete über seinen Tod wie übers Geschäft. Die gesamte Situation erschien ihm unwirklich. „Ob ich mit dem Gedanken spiele, kannst du nicht sicher überprüfen, genauso wenig, ob ich es mir später anders überlege, selbst wenn ich den Plan jetzt nicht habe. Du könntest mich natürlich beschatten lassen, aber wie gesagt: Ich muss nicht mal zur Presse gehen. Ich muss nicht mal dieses Gebäude verlassen und hier ist es bei all der Öffentlichkeit und den Fernsehkameras tatsächlich nicht so einfach zu agieren - selbst für einen Yakuza.“ Eine Stimme in seinem Innern fragte sich, warum er das hier überhaupt tat, aber sie blieb im Hintergrund seiner Worte, ohne dass die Warnung Gehör fand. „Wenn ich während der Veranstaltung panisch raus renne und dein Geständnis hinaus schreie wirkt es direkt glaubwürdiger und gibt der Polizei sogar Grund für eine Verhaftung. Versuchst du mich abzuhalten, spielst du mir in die Hände.“ Er redete sich in den Tod, wurde Sanada bewusst und jetzt fand auch endlich die Warnung Gehör. Einen Moment schwieg er nur, den Blauhaarigen musternd. Er suchte den Ausdruck der in den Augen seines Gegenübers lag. Er spielte mit dem Feuer. Wenn dieser Mann tatsächlich ein Yakuza war, warum versuchte er ihn zu überzeugen, dass er ihn töten sollte?

Weil Sanada nicht daran glaubte.

Wenn er ehrlich war – realisierte er – glaubte er nicht ganz daran und deshalb hinterfragte er es so. Wenn der Braunhaarige die Gerüchte in vollem Ausmaß glauben sollte, dann musste man ihm einen Grund dazu geben; musste den Dingen einen Sinn geben.

„Und warum du nicht abstreiten kannst was die Presse schreibt, hast du bereits selbst erläutert“, fuhr er letztlich fort. „Die Medien unterdrücken ist in der heutigen Zeit auch nicht vollständig möglich – nicht einmal für die Yakuza.“ Er machte eine kurze Pause und suchte seine Worte zu formulieren. „Was ich sagen will ist: Deine Worte beinhalten eine gewisse Logik und alles könnte sich genauso verhalten wie du es sagst. Aber es könnte auch anders sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine wirkliche Yakuzagröße sehr lange überleben würde, wenn sie so viele Eventualitäten einfach hinnimmt. Wenn auch nur annähernd stimmt was die Mundpropaganda und die Medien berichten, könntest du dir das – ist dein Geständnis wahr – gar nicht leisten. Ich frage mich also warum das Risiko eingegangen wird, wo bisher offensichtlich nicht gewünscht war, dass die Öffentlichkeit informiert ist, denn egal wie sehr du auch versucht hast es herunterzuspielen: sonst gäbe es wie bei anderen Yakuza-Bossen auch eine Bekenntnis. Stattdessen wurde die Ungewissheit dankend angenommen – sie ist schließlich auch vorteilhaft. Alleine auf dieser Gala könntest du dich nach einem offenen Bekenntnis nicht aufhalten, nirgendwo spenden. Von allen Menschen dieses Geheimnis ausgerechnet einem Autor, der der Presse so nahe ist, anzuvertrauen, ergibt keinen Sinn.“ Sanada war dumm. Er redete sich ins Grab, wenn Seiichi doch ein Yakuza war und das sah ihm nicht ähnlich. Was genau stimmte hier nicht, dass er sich so sonderbar verhielt ohne es auch nur selbst zu verstehen? Er listete diesem Mann auf was für eine Gefahr er war und bekräftigte es, indem er ihm seinen gut funktionierenden Verstand vorführte. Selbst wenn er nicht an die Wahrheit dieser Information glaubte, so war sie dennoch möglich und er war ebenfalls kein Mensch der Eventualitäten außer Acht ließ. Was also wollte er erreichen? „Was mag der Grund sein das jetzt zu gefährden? Machst du dir bloß einen Spaß aus den Gerüchten um dich oder gibt es – sofern es die Wahrheit wäre - einen speziellen Grund mir diese Information mitzuteilen – obwohl ich nicht sehe was dieser Grund sein könnte.“

Sanada hielt inne, als ihm ein ganz neuer Gedanke kam. Als er den Grund plötzlich fand. Das Einzige was ihn für die Yakuza eventuell interessant machen könnte. Er hatte es bisher nur als Bedrohung gesehen, aber die Yakuza nutzten die Presse selbst gezielt – zumindest glaubte Sanada das. Wenn es also genau das war? Wenn Seiichi ihm das erzählte, weil er wollte das er das Geheimnis preisgab? Entweder als Bekenntnis oder aber subtil diese Information nutzte? Wenn, dann würde die Aufgabe sein gezielt Einfluss zu nehmen. Seiichi hatte öfter seine Schreibfähigkeit gelobt. Hatte er nicht grade erst erwähnt, dass er den letzten Artikel viel besser hätte schreiben können? Aber das konnte doch nicht sein…

Der Blick des Autors, welcher bei dieser Erkenntnis abgeschweift war, wanderte wieder zu dem Blauhaarigen und mitten in dessen stechende Augen.

Wenn das der Wahrheit entsprach, würde tatsächlich alles einen Sinn ergeben. Und gleichzeitig wusste er, dass es bedeuten würde der Yakuza zu helfen. Er war ein anständiger Bürger, das würde er nicht tun. Aber würde er die Wahl überhaupt haben?
 

Nun erklang wieder dieses Lachen und dieses Mal erreichte es sogar die blauen Augen, gab Seiichi damit einen wesentlich weniger bedrohlichen, als vielmehr durchaus anziehenden Anblick. Er wirkte ehrlich amüsiert, ohne dabei ablehnend oder gar degradierend zu wirken. „Ich bin beeindruckt. In diesen wenigen Minuten tischst du mir etliche Möglichkeiten auf, die mich davon überzeugen sollen, dass du eine potenzielle Gefahr darstellst, wenn du mir glaubst und die Informationen für dich nutzt.“ Sanadas Miene blieb unbewegt, obwohl in seinen Augen ablesbar war was er dachte: Schön, dass Seiichi meine Dummheit auch bemerkt hat.

„Aber in keinem Augenblick kommt dir in den Sinn, dass ich das zum einen sehr wohl weiß – grundsätzlich ist jeder für mich eine Gefahr“, - als der Blauhaarige das sagte, wirkten die Augen für einen unglaublich kurzen Augenblick distanziert, traurig, fast schon verletzlich, doch der Moment verging so schnell wie er gekommen war, sodass Sanada ihn kaum einfangen konnte bevor der Ausdruck verschwand - ,“jedoch bin ich in der Lage auch zu erkennen, wann die Informationen meinem Gegenüber von Nutzen sind. Ich habe dich bewusst gewählt, auch wenn das ein bisschen übernatürlich klingt. Als ich dich hier auf der Gala sah war ich überrascht, aber auch froh. Du hattest dich in meinen Kopf gebrannt, weil du einen guten Eindruck bei mir hinterlassen hast. Nicht nur als Autor, sondern auch als Mensch. Und ich wusste genau, dass du nie so etwas, egal wie gewichtig die Information sein würde, verkaufen würdest, um deinen Namen besser dastehen zu lassen. Entschuldige meine Direktheit, aber so bist du nicht. Du verkaufst nicht deine Überzeugung für etwas mehr Ruhm und vor allem einen darauf folgenden Tod.“

Sanada sah bei den Worten direkt in die blauen Augen, die seinen Blick ganz direkt erwiderten. Im Hintergrund endete das fast schon romantische Klavierstück, welches die Szene unfreiwillig noch bizarrer erscheinen ließ und wurde von einem neuen, nicht passenderen abgelöst, während Seiichi weiter über die Kriminalität redete, die er darzustellen behauptete.

„Natürlich kannst du rausgehen, die Informationen verkaufen – wobei da immer noch der Wahrheitsgehalt zu beweisen wäre und ich glaube kaum, dass du dieses Gespräch aufzeichnest. Genauso könntest du rauslaufen und sagen, ich hätte dich bedroht, aber auch das könntest du nicht beweisen und glaub mir, ich kenne auch genug Leute bei der Polizei, um dich wie einen Idioten dastehen zu lassen. Die Yakuza agieren doch nicht nur im Untergrund. Menschen wie ich sind überall, bekleiden einflussreiche Positionen und bewegen sich ganz normal zwischen all den anderen armen Seelen, die keine Ahnung davon haben, wer möglicherweise im Fahrstuhl neben ihnen steht. Verstehst du nicht? Wir sind nicht unsichtbar – aber niemand sieht wirklich hin. Du hast Recht wenn du sagst, dass man die Presse nicht gänzlich kaufen kann, aber wir haben genug Leute die es schaffen ungünstige Artikel so darzustellen, als seien sie einfach nur einem kranken Hirn entsprungen.“ Seiichi war immer noch recht entspannt zurückgelehnt, lachte aber mittlerweile nicht mehr, sondern musterte Sanada angestrengt, so als würde er abwägen, ob er weiterreden sollte. „Nein, ich habe dich nicht hierher geholt, um dich dafür zu nutzen, mein Leben in einem Sonderband erscheinen zu lassen. Daran habe ich noch kein Interesse. Und ich bezweifle, dass ich solange überlebe, um in das Alter zu kommen, in dem sich so etwas als adäquat ansehen ließe.“ Leicht zuckte der Blauhaarige die Schultern. „Ich bin nicht dumm, aber statistisch gesehen sieht es für mich schlecht aus. Die wenigsten Yakuza sterben einen friedlichen Tod im Alter.“ Nun wurde er endgültig ernst. „Du fragst dich immer noch warum ich hier mit dir rede und ehe du fragst – nein, das war alles nicht geplant. Ich wusste auch nicht, dass du hier sein würdest, denn die Einladung habe ich kurzfristig erhalten und ich habe mir nicht die Mühe gemacht die Gästeliste zu checken. Aber seien wir ehrlich: so wie die meisten hier mich angesehen haben, wissen auch sie alle von den Gerüchten und mit großer Sicherheit kennt sie sogar der Gastgeber. Trotzdem bekomme ich eine Einladung. Ich würde annehmen das Geld einfach nicht stinkt – egal wo es herkommt. Im Endeffekt war meine einzige Intention dich hierherzuholen die, das ich einmal mit dir reden wollte, in Ruhe. Eigentlich nicht einmal über das Thema, aber deine Managerin hat mir ja die Tour vermasselt. Sehr deprimierend.“

Gala II

Nachdem Seiichi geendet hatte schwieg Sanada eine ganze Weile. Mit diesem stoischen, fast grimmigen Blick, die Brauen leicht zusammen gezogen, ohne erkennbare Emotionen, sah er dem Fremden einfach geradewegs in die Augen. Er sah einen entschlossenen, klugen Mann. In all dem jedoch sah er den Jungen – wenigstens äußerlich und wieder fiel Sanada auf, dass Seiichi kaum älter als er sein konnte. Er war gepflegt, hübsch, fast schon feminin und doch war der beißende, männliche Raubtierausdruck immer da. Der Autor erinnerte sich an das Lachen, was ihn so irritiert hatte. Es war das erste und einzige Mal, dass dieser Mensch ganz anders gewirkt hatte.

Mit allem was Yukimura Seiichi ihm gesagt hatte, lag er richtig. Und jedes einzelne Wort – das sah Sanada in den ernsten, stechenden Augen, meinte er völlig ernst. Sanada hatte die Worte nicht einfach glauben und hinnehmen wollen – immerhin war das auch jede Menge, was man ihm da auftischte und es passte nicht wirklich zusammen - aber Seiichi hatte ihn nicht belogen. Gerade als Autor, der historische Fakten recherchierte und nutzte, wusste der Braunhaarige, dass in jedem Gerücht ein wahrer Kern lag. Gerade in ausgewachsenen wie diesem. Selbst wenn Seiichi kein Untergrundboss war, so hatte er von Anfang an gewusst, dass der Kleinere gewiss wirklich an irgendwelchen illegalen Geschäften beteiligt war. Nur das Ausmaß stand zur Debatte. Die ganze Zeit hatte er das Raubtier in diesem Mann gesehen – ihm direkt ins Gesicht gesehen. Es war da, das wusste er. In dem Fall des Blauhaarigen tat das seiner Schönheit keinen Abbruch, eher spielte es ihm positiv zu, obwohl Sanada niemand war den das Risiko reizte. Aber es machte aus einer einfachen hübschen Hülle einen Menschen mit viel Inhalt, Tiefe.

Nun hatte Seiichi ihm alles gesagt was er hatte hören wollen. Er hatte all seine Beweggründe offen dargelegt und bereitwillig jeden Einwand zerstreut – logisch und damit glaubhaft zerstreut. Logik war für Sanada das einzig Glaubhafte. Alles das, was sowohl Suzuki als auch dieser Mann ihm gesagt hatten, war scheinbar tatsächlich wahr und er saß in diesem Moment mit einem Yakuzaboss alleine in einem Raum, bei teurem Wein und Sushi, begleitet von nahezu romantischer Musik im Dämmerlicht. Ein Ambiente perfekt für ein Date.

Sanada suchte nach der Ablehnung in sich, fand sie jedoch nicht. Er fragte sich, ob er das noch immer nicht ganz realisiert hatte. Er war kein Träumer, aber gerade das machte ihm bewusst wie unwahrscheinlich dieses Szenario in einer Liste von tausend verschiedenen Möglichkeiten war. Aber er war kein Narr. Er wusste, dass es die Wahrheit war. Und das er im Moment nichts zu befürchten hatte.

Das ist so unwirklich, dachte der Autor, als er den Blick endlich von Seiichis Gesicht abwandte und in Gedanken zu Boden wandern ließ – nur um sofort inne zu halten. Seine Augen weiteten sich etwas, als er erkannte, dass er das gerade laut ausgesprochen hatte. Sofort hob sich sein Blick erneut zu dem Seiichis.

Während der ganzen Zeit in der Sanada nicht sprach, sah Seiichi ihn einfach nur an. Die blauen Augen musterten das Gesicht aus dem Profil heraus – ihm fiel auf, dass das warme Licht einen angenehmen Schein darauf zauberte – dann glitt er zum Oberkörper und betrachtete den Mann als Ganzes. Er war ohne Frage ansehnlich und ein bisschen wunderte es Seiichi schon, dass er mit 28 noch nicht verheiratet war. Für ein Land wie Japan war das selbst im 21. Jahrhundert nicht selbstverständlich – diese Details zu erfahren hatte ihn im Übrigen nur ein paar Klicks im Internet gekostet. Es gab genug weibliche Fans die über Sanada in irgendwelchen Foren ihre Tagträume auslebten. „Es ist real“, sagte Seiichi dann unglaublich sanft, als er Sanadas Ausspruch hörte, selbst wenn dieser ganz offensichtlich nicht beabsichtigt war. „Ich bin hier und ich bin genau das, was ich dir gesagt habe. Es ist an dir, etwas daraus zu machen. Ich halte dich nicht fest: Wenn du lieber wieder auf die Gala gehen willst, steht es dir frei – und keine Angst, es hat keine Folgen für dich, falls das nun dein nächster Gedanke sein sollte. Aber wenn ich offen sprechen darf dann würde ich mich freuen, wenn du einfach noch ein wenig hierbleibst und den guten Wein mit mir trinkst. Das Sushi ist übrigens vorzüglich. Mein Koch hat es selbst angefertigt.“

Sanada musterte den Mann etwas irritiert über diese Aussage. Letztlich nahm er es jedoch hin. Vermutlich war es besser nicht alles zu sich zu nehmen was andere einem gaben. Sein Blick fiel auf den Wein in seiner Hand, der offenbar nicht vergiftet war. Innerlich hatte der Autor bereits einen Entschluss gefasst. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er noch immer fast vierzig Minuten hatte bevor Suzuki ihn erwartete. Der Gedanke an sie machte ihm ein schlechtes Gewissen, dennoch nickte er Seiichi einen Moment später zu. „Ich muss um zehn an meinem Tisch zurück sein. Meine Managerin wird dann dort auf mich warten, um mir letzte Instruktionen vor der Präsentation zu geben“, informierte er ihn. Mit einem weiteren Blick auf das Glas nahm er einen Schluck daraus. Der Wein schmeckte wirklich ausgezeichnet. Sanada hatte selten so guten Wein getrunken. Aber was erwartete er auch von einem Yakuza?

Seiichis Blick folgte jeder von Sanadas Bewegungen und er erriet auch den Gedanken bezüglich des Weins, welchen er aber nicht weiter kommentierte, sondern mit einem sachten Lächeln zur Kenntnis nahm. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass die Speisen vergiftet waren, er verübelte dem Autor also diesen Gedanken nicht. Eine Weile herrschte Stille, in welcher Seiichi ein paar Stücke des exzellent angerichteten Sushis zu sich nahm, dann jedoch streckte er langsam die Hand aus und berührte fast wie zufällig Sanadas Bein, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Die Hand war warm. Leicht beugte er sich etwas mehr zu dem Braunhaarigen vor. „Für dich als Autor, der ein gesteigertes Interesse an vielen Dingen hat, müsste es doch ein Glücksgriff sein jemanden wie mich zu treffen“, sprach Seiichi leise, die Stimme fast schon lockend. „Gibt es etwas, was du wissen möchtest? Ich habe dir ja nun schon viel erzählt, aber gibt es etwas, das du mich gerne fragen würdest? Selbst wenn du deine Informationen nicht verwenden darfst, würden in diesem Augenblick sicherlich viele gerne mit dir tauschen.“ Die Art, wie er besonders den letzten Teil des Satzes aussprach ließ Zweifel daran, ob es sich dabei wirklich nur darum handelte, dass auch andere gerne mal einen Yakuza wie Seiichi offen befragen würden. Im Hintergrund wurde das Stück, welches erst neu angelaufen war feuriger, erhielt einen mehr spanischen Flair. Die Antwort des Autors war ein Kopfschütteln. „Nein… ich denke nicht.“ Wieder nippte Sanada an seinem Glas. Seiichis Hand war furchtbar warm, wie er fand. Die Berührung war zwar nur flüchtig, aber dennoch wurde er sich allmählich dessen bewusst wie warm sie sich anfühlte. Mit einem Blick auf das Sushi widmete er sich einem anderen Gedanken – sich Seiichis Blick die ganze Zeit bewusst - und probierte eines. Tatsächlich schmeckte es äußerst gut. Vermutlich wurde er hier besser beköstigt als er es draußen würde, obwohl dort draußen nur erstklassiges Buffet ausgegeben wurde. Bei dem Gedanken bemerkte Sanada, dass er kein einziges Geräusch von der Gala hörte, obwohl sie direkt im Nebenraum waren. Er sah Seiichi wieder an. „Ist dieser Raum schalldicht?“

Sanada verstand vielleicht die Reaktion nicht, doch in den blauen Augen seines Gegenübers erschien ein amüsierter Glanz. „Du sitzt hier mit einem Yakuza, den du alles fragen könntest, was du möchtest und das einzige was dir einfällt ist, ob der Raum schalldicht ist?“ Ein leises Kichern verließ Seiichis Kehle, ließ ihn dabei jünger wirken als er wahrscheinlich war, doch dann wurde er wieder ernst – nur das Funkeln in den Augen blieb. Sanada beobachtete diesen Wandel genau. Er mochte das kindliche Gesicht des anderen. „Natürlich ist dieser Raum schalldicht. Und ehe du fragst: Selbst wenn du ein Aufnahmegerät bei dir hättest und diese Unterhaltung aufzeichnen wolltest, hättest du keinen Spaß daran, es dir später wieder anzuhören. Es gibt hier einen kleinen Sender, der alle Aufnahmen egal ob aus dem Raum oder von außen stört. Ach, und ja ... dieses Gebäude gehört mir. Denn natürlich lasse ich mir nicht spontan einen Tag vor der Einladung einen schalldichten Raum bauen. Jetzt siehst du vielleicht noch besser, wie viel der Gastgeber darauf gibt, dass ich vielleicht ein Yakuza bin. Solange sie Gebäude zu günstigen Konditionen für ihre Veranstaltung mieten können ist die Organisation der Gala still und glücklich.“ Er streckte eine Hand aus und nahm sich wieder ein Stück Sushi. Ganz unauffällig rutschte er dabei ein Stückchen näher, so dass sein Bein das des Autors berührte. „Weißt du was ich viel erstaunlicher finde? Dass dich scheinbar keine der Frauen da draußen interessiert, du aber trotzdem Single bist. Und nein, ich lasse dich nicht überwachen. Diese Informationen kriegt eigentlich jeder der will aus dem Internet.“ Nun ruhte Seiichis Blick wieder auf Sanadas Gesicht. Sanada sah den Jüngeren an. „Du suchst mich im Internet?“

Das amüsierte Flackern blieb, wurde sogar noch ein bisschen deutlicher. „Bist du nun enttäuscht, dass ich nicht alle meine Möglichkeiten aus dem Ärmel ziehe, um Informationen ans Tageslicht zu bringen? Stell dir vor, ich suche oft erst einmal im Internet, wenn ich bestimmte Dinge über Personen wissen will. Erst wenn ich dort entweder nichts finde, oder nicht genug, dann greife ich auf meine Mittelchen zurück. Tut mir also Leid dich enttäuschen zu müssen, aber ich habe weder meine Beschatter auf dich abgesetzt, noch Wanzen in deiner Wohnung installiert oder ähnliches.“ Sanada verzog das Gesicht. „Das lehne ich auch dankend ab.“ Seiichi schmunzelte und bewegte seinen Kopf leicht in die Nähe von Sanadas Ohr. „Aber... du hast mir immer noch nicht verraten, wieso du nun eigentlich noch Single bist. Die Liste deiner Verehrerinnen ist lang und ich glaube kaum das ein Mann wie du Probleme hat, die richtige Frau zu finden“, wisperte er dem Autor ins Ohr. „Doch.“ Sanadas Antwort war so stoisch und sachlich, dass es ihm fast eine drollige Note verlieh. „Ich habe schlichtweg keine Frau gefunden die mich so sehr interessiert, dass ich sie heiraten möchte. Und ich bin nicht sehr daran interessiert intensiv zu suchen – ich kümmere mich lieber darum meinen Beruf gut zu machen.“

Seiichi war ihm ganz nah, kicherte dann aber leise und hauchte ihm einen Kuss auf den Hals, ohne weiter darüber nachzudenken. Sanada erstarrte unwillkürlich – überrascht, irritiert. „Frauen sind nicht die Einzigen, denen man sich annähern kann und ich habe schon früh gelernt, dass man sich durchaus in verschiedene Richtungen entwickeln und orientieren kann“, wisperte der Blauhaarige weiter. Seiichis Atem kitzelte nun erneut Sanadas Hals. „Vielleicht findest du ja auch etwas anderes interessanter als eine schnatternde Frau, die dich eh nur wegen deiner Arbeit anhimmelt. Das ist doch nicht ehrlich...“ Der Autor schluckte. Seine Haut prickelte. Hatte ihn gerade ein Mann auf den Hals geküsst? Am liebsten hätte er sich die Hand auf die Stelle gelegt, doch er war weise genug sich das zu verkneifen. Seiichi war immer noch ganz nahe und das brachte Sanadas Haut noch mehr zum Kribbeln. Er wusste wirklich nicht was er davon halten sollte. In so einer Situation war er auch noch nie gewesen. Stieg ihm der Wein zu Kopf? Er blickte auf sein Glas, doch er hatte bisher kaum etwas getrunken.

„Nervös?“, wisperte da die Stimme ganz dich an seinem Ohr wieder und wie bereits schon einmal an diesem Abend strich warmer Atem über die empfindliche Haut an Sanadas Hals. „Schreckt dich das Fremde ab, oder reizt dich das kleine Risiko, welches du hier eingehst?“ fragte der Blauhaarige ihn. Der Autor antwortete nicht. Er kannte die Antwort auch einfach nicht. In seiner Welt war sowas gewissermaßen ein Tabu und niemand hatte sowas gewagt. Er selbst hatte nie darüber nachgedacht. Er sollte vermutlich einfach gehen, aber trotzdem stieß es ihn gar nicht so sehr ab, wie er erwartet hätte.

Dass Sanada nichts erwiderte ließ Seiichi noch einen weiteren kleinen Schritt nach vorne machen, in dem er sich einfach auf dessen Schoß setzte, dabei vorsichtig die Hand, die das Glas hielt zur Seite schob, damit der Autor sich keine verräterischen Flecken auf die eigene Kleidung brachte. Der schlanke Körper, obwohl der eines Mannes, fühlte sich auf Sanadas Schoß nicht besonders schwer, dafür aber angenehm warm an. Eigentlich hatte der Blauhaarige nie die Intention verfolgt sich dem Autor hier auf irgendeine Art zu nähern und doch hatte er feststellen müssen, dass ihn etwas an dieser Gestalt reizte, was er nicht beschreiben, dem er sich aber auch nicht verwehren konnte. Und da es ein seltenes Gefühl für den Blauhaarige war, machte er sich die Mühe auch einfach nicht. Angesichts der Situation in der Sanada sich nun befand, war er allerdings sprachlos. Ein erwachsener Mann hatte sich schließlich auf seinen Schoß gesetzt. Keine Frau oder ein Kind, sondern ein Mann in seinem Alter, auch wenn er nicht wusste wie alt sein Gegenüber eigentlich genau war. Mit einem schweren Schlucken sah er schweigend einfach nur zu dem Blauhaarigen hinauf. Vieles rann durch seine Augen in diesem Moment, nichts davon verweilte. Doch trotz all des Durcheinanders registrierte der Autor noch, wie sich die Wärme von Seiichis Körper immer stärker in ihm ausbreitete, genauso wie es bei dessen Hand gewesen war.

Seiichi dagegen hob nun seine Hand und strich leicht über Sanadas Wange. „Du stößt mich nicht weg“, hauchte er und es wirkte fast überrascht. Die meisten Leute, die rein gar nichts mit seiner Welt zu tun hatten, würden wohl panisch vor ihm Flüchten, oder zumindest jetzt reagieren und ihn nach einem Moment der Verwirrung wegschubsen. Sanada jedoch blieb sitzen, schaute ihn zwar überrascht – wen würde es wundern –, aber nicht ablehnend an. Der Blauhaarige beugte sich etwas zu ihm, das Gesicht nun nur noch wenige Millimeter von dem des Autors entfernt. Die braunen Augen des anderen waren angenehm, sie wirkten sanft und zutraulich. Trotzdem fühlte Sanada sich innerlich nervös. Er wusste nicht wie er reagieren sollte und da war diese Hitze die Seiichis Körper ausstrahlte und auf seinen eigenen überging. Eine eigenartige Spannung lag in der Luft und jedes Quäntchen schien von der Musik noch weiter getragen zu werden. Dort wo Seiichi ihn berührte kribbelte seine Haut gefährlich. Er war nicht dumm und er war alt genug. Der Braunhaarige wusste sehr genau was er empfand. So absurd es auch war und so verwerflich in den Augen der meisten anderen, so empfand er diesen Mann dennoch als anziehend, attraktiv. Er reizte ihn. Eine feine, aber intensive und überaus angenehme Anziehung.

Noch immer streichelte die sanfte Hand über Sanadas Wange und berührte die Haut, während die blauen Augen das Gesicht noch eine kleine Weile eindringlich musterten. Mit der zweiten Hand drückte er den Autor sachte nach hinten, nachdem er das Weinglas weggestellt hatte, mehr in die Rückenlehne des Sofas, folgte ihm aber genauso schnell. Seiichi war ihm mittlerweile wieder so nah, dass er Sanadas warmen Atem auf seinem Gesicht spüren konnte. „Lauf nicht weg“, hauchte der junge Mann, ehe er seine Lippen sehr vorsichtig auf die des Dunkelhaarigen legte. In diesem Augenblick schwoll die Musik aus den Lautsprechern mehr an, wurde zu etwas erotisch-verführerischem und umschmeichelte die beiden Personen auf dem Sofa. Seiichi lehnte sich mehr gegen Sanada, vertiefte den Kuss leicht und genoss das Gefühl der weichen Lippen unter seinen. Hier konnte er das angenehme After-Shave, welches der Autor benutzte, viel besser wahrnehmen und es betörte den jungen Yakuza. Während Sanada den Kuss auf sich wirken ließ, geriet ihr Umfeld nun gänzlich in Vergessenheit. Der Autor hatte nicht gewusst, dass die Lippen eines Mannes so weich sein konnten. In seinen Gedanken wiederholte sich die flehentliche Bitte des Kleineren Mannes. Diese Worte, so sehr sie ihn auch wunderten, stellten ganz sonderbare Dinge mit ihm an. Der Braunhaarige konnte nicht so tun als wäre da nichts. Sein ganzer Körper kribbelte und war auf diese zarte Nähe zu dem vermeintlichen Yakuza konzentriert. Nein, so hatte er sich einen Mafiaboss nicht vorgestellt und doch hatte er diese Seite schon vorher in dem Blauhaarigen aufblitzen sehen. Einen Moment noch zögerte er, bevor er langsam seine Lippen bewegte. Sanada wusste, dass das nicht war was er tun sollte, aber er konnte nicht anders, als von dieser zarten Verführung zu kosten – und sobald er es tat fühlte sich der Kuss noch viel intensiver, ungleich sinnlicher an als zuvor.

Als Sanada ihn nicht zurückstieß, fühlte Seiichi sich erleichtert – auch wenn er sich das nicht anmerken ließ. Leicht schmiegte er seinen Körper noch etwas mehr an den Älteren und ließ die Hand von Sanadas Wange sachte etwas weiter in dessen Haar gleiten, spielte mit den seidigen dunkelbraunen Haarsträhnen. Einen Moment küsste er ihn nur noch, dann ließ er sachte seine Zungenspitze gegen Sanadas Unterlippe stupsen. Selbst wenn der Autor – so nahm Seiichi an – wohl noch keinen Mann geküsst hatte, war die Mechanik nicht anders als auch bei einer Frau. Und er genoss es. Selbst wenn das eigentümlich klang, so kam das nicht oft vor – viel gewöhnlicher war es für Seiichi Dinge zu tun, weil sie ihm einen Nutzen versprachen, unabhängig davon, ob er daran Gefallen fand oder nicht. Deswegen ging er in diesem Kuss für den Moment auf, auch wenn ihn bereits eine leise Stimme in seinem Kopf mahnte, dass er es lassen sollte, dass es verrückt war. Es war vermutlich dieselbe Stimme, die auch in Sanadas Kopf mahnte und warnte, obwohl der Autor nicht ihr, sondern der sanften Hand in seinem Haar lauschte, dem Pochen seines Herzschlages und dem sachten Stupsen. Er öffnete seinen Mund leicht und kam dem Blauhaarigen gerade entgegen, als die Stimme besonders finster wurde. Dennoch genoss der Autor diesen Kuss und er nahm sich einfach was er wollte. Seine Hände legten sich wie von selbst an Seiichis Seiten und ruhten dort fürs Erste.

Die Berührung, so zärtlich und sachte sie auch war, riss ihn ein Stück weit wieder in die Realität zurück. An sich scheute Seiichi die Nähe anderer – ging sie meistens nur dann ein, wenn es nicht zu verhindern war. Für jemanden, der sich mit den Geschäften der Yakuza nicht auskannte, mochte das eigentümlich klingen, jedoch kam es nicht selten vor, dass der Blauhaarige Dinge tat, die ihm an sich widerstrebten, von denen er aber wusste, dass sie ihn an das gewünschte Ziel brachten. Nun wirkte es für Seiichi einen Augenblick so, als hätte Sanada Macht über ihn – auch wenn dieser sicherlich nicht vorhatte, diese gegen ihn einzusetzen. Der Blauhaarige zwang sich, sich zu entspannen und sprach immer wieder wie ein inneres Mantra mit sich selbst, dass er nichts zu befürchten hatte. Als Yakuza hatte Seiichi Wachsamkeit seit der Kindheit eingeimpft bekommen – oftmals sicherlich auch nicht sehr zärtlich und es kam selten vor, dass der junge Mann sich noch wirklich fallen lassen und entspannen konnte. Doch hier wollte er es für den Moment einfach versuchen, weil es ihm gefiel – weil er es genoss, den dunkelhaarigen Autor zu küssen. Langsam und vorsichtig ließ er seine Zunge ins Sanadas Mund gleiten, umspielte dort neckend und reizend die des Älteren und strich fast schon gedankenverloren mit seiner freien Hand über dessen Brust.

Dieser machte nichts, obwohl ihm wärmer wurde und Seiichi ihn reizte, aber er hatte das Stocken bemerkt und wusste nicht, ob es klug war viel mehr als das zu tun. Also blieb er sitzen wie er war und erwiderte einfach nur den Kuss den der Blauhaarige ihm schenkte. Seiichi tat es leid, dass sein Stocken so offensichtlich gewesen war, aber es gab Dinge die man – leider – in seiner Position nie ganz abschalten konnte, schon gar nicht, wenn man in diese seltsame Welt hineingeboren worden war. Um Sanada jedoch trotzdem zu zeigen, dass es okay war, was er tat, streichelte er sachte weiter über die stoffbedeckte Brust, spielte mit den Haarsträhnen und küsste den Dunkelhaarigen noch intensiver. Immer dann, wenn ihre Lippen nur noch ganz leicht aufeinander lagen, berührten sich ihre Zungenspitzen und Seiichi spürte, wie eine ganz leichte Gänsehaut über seinen schlanken Körper wanderte.

Beinahe wäre Sanada bei einem dieser Zungenspiele ein Keuchen entwichen. So absurd es auch war, dieser Kuss war der Beste den er je gehabt hatte. Ohne das der Autor weiter darüber nachdachte krochen seine Hände etwas weiter um Seiichis Rücken, um ihn mehr zu halten und ihm näher zu sein. Und so sehr es auch gegen seine Natur war, ließ Seiichi sich näher ziehen, drängte sich fast wie von selbst noch weiter an ihn. Beide Arme schlang er um Sanadas Hals und intensivierte den Kuss weiter – falls das überhaupt noch möglich war. Er versuchte sich zu erinnern, wann er sich das letzte Mal so gefühlt hatte, doch er fand keinen Moment in den letzten Jahren. Der Körper des Autors strahlte eine einnehmende Hitze aus, die Seiichi selbst durch ihre Kleidung so deutlich spüren konnte, als würden sie sich ohne störenden Stoff berühren. Eine von Sanadas Händen wanderte derweil Seiichis Rücken empor und verschwand in den weichen Kringeln in Seiichis Nacken, während die andere den Kleineren in dieser vertrauten, fast schon intimen, Position hielt. Der Autor ging gerne noch inniger auf den Kuss ein, verstärkte den Druck seiner Lippen fast selbst noch ein wenig. Die Nähe zu diesem attraktiven, heißen Körper war für den Braunhaarigen so ungewohnt berauschend und die kräftige, zugleich doch so zarte Hand, welche sich immer wieder über seiner Brust bewegte reizte ihn mehr als gut war – erregte ihn regelrecht. Sanada wusste, dass er die Notbremse ziehen sollte, aber er hielt den Kuss dennoch aufrecht.

Auch durch Seiichis Kopf liefen ähnliche Gedanken. Er sollte aufhören doch gleichzeitig erwischte er sich dabei, wie er sich vorstellte, dass es weiterging. Und allein das verwunderte ihn fast noch mehr. Der Blauhaarige war sicherlich kein Tagträumer und das Verlangen, sich jemandem zu nähern, war schon lange durch einen notwendigen Zwang ersetzt worden, dem er nur dann nachging, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft waren. Obwohl Seiichi sich seiner Wirkung auf andere durchaus bewusst war, setzte er diese ‚Waffe’ nicht als Erste ein, selbst wenn ihm klar war, dass es viele Dinge wahrscheinlich vereinfachen und vor allem beschleunigen würde. Der Kuss wandelte sich, ohne das Seiichi viel hätte dagegen machen können - oder gar wollen: Das Feuer schwächte ab, jedoch wurde es ersetzt durch etwas, was fast noch viel lockender und betörender war – Leidenschaft. Anziehung und Lust.

Leidenschaft.

Bis zu diesem Punkt hätte sich vermutlich keiner der beiden besonders leidenschaftlich genannt. Seiichi weil er gar nicht durfte und Sanada… für Sanada waren Dinge wie menschliche Bindungen nie stark genug ausgeprägt gewesen, dass Leidenschaft darin einen Platz gefunden hätte. Der Autor lebte sein Leben allein, in einer ganz eigenbrötlerischen und genügsamen Welt, die niemand verstand. Wie er jetzt Seiichis Körper so heiß an seinem spürte, die Erregung fühlte, die in ihm wuchs und den Willen realisierte, das hier zu tun, kam ihm alles was geschah noch ungleich unwirklicher vor. Es fühlte sich an, als würde er zum ersten Mal wirklich küssen. Bisher war alles eher zweckmäßig gewesen. Nicht, dass Sanada je eine Frau benutzt hätte, aber es hatte eben einfach dazu gehört und er hatte ihr einfach gegeben was sie sich wünschte – aber niemals hatte er selbst diese Nähe so unbedingt gewollt wie jetzt.

Der Autor wob seine Hand weiter in die blauen Haare, strich hindurch und genoss das Gefühl von seidigen Strähnen die an seinen Fingern entlang glitten. Seine Zunge suchte die des Jüngeren, wollte ihn spüren und schmecken. Seiichi reagierte in diesem Augenblick einfach intuitiv und rutschte von Sanadas Schoß auf das Sofa, zog den Älteren auf diese Art und Weise mit und zugleich über sich. Er wollte mehr von ihm spüren, wollte diesen Körper gänzlich dicht bei sich haben. Dem Blauhaarigen war am Rande seines Verstandes klar, dass er dabei war die Kontrolle zu verlieren – etwas, dass in den letzten 10 Jahren in seinem Leben nicht mehr geschehen war und von dem er sich geschworen hatte, es auch nie wieder geschehen zu lassen.

Kontrollverlust war der Anfang vom Ende.

So hatte Seiichi nicht immer gedacht. Mit 17, noch als Jugendlicher, hatte er bereits gewusst, wie sein Leben verlaufen würde – er war als Yakuza geboren und aufgewachsen, seine Zukunft war durch sein Blut und seinen Namen vorherbestimmt, ohne dass er je eine Wahl gehabt hätte. Doch damals hatte er zumindest noch geglaubt, dass er sich das vorgefertigte Leben erträglicher machen könnte, in dem er jemanden fand, der ihn so liebte wie er war und selbst wenn sich das als schwierig gestaltete, fand er diese Person. Und Seiichi wollte sie halten, wollte alles für sie tun, aber vor allen Dingen wollte er sie beschützen. Damals hatte er einmal in seinem Leben erlebt was es hieß, bedingungslos zu lieben und auf die gleiche Art auch geliebt zu werden. Er hatte kein Geheimnis aus seinem Leben gemacht – und sein Partner hatte es akzeptiert, hatte ihn akzeptiert. Sie hatten gelacht, geweint, sie hatten sich geliebt und er – ein 20 jähriger Student – war der bisher einzige gewesen, bei dem Seiichi sich hatte fallen lassen, dem er so sehr vertraute, dass er mit ihm alles teilte. Doch genau dieses Vertrauen war verdammt. An ihrem Jahrestag hatten sie sich treffen wollen – ein Dinner, romantisch und vor allem vertraut. Zwölf Monate hatte ihre Liebe angedauert, dann wurde ihr ein jähes Ende gesetzt. Die Schüsse fielen aus einem vorbeifahrenden Auto, doch Seiichi brauchte keine hellseherischen Fähigkeiten um zu wissen, von wem sie kamen. Sein eigener Vater hatte seine Leute auf den Mann angesetzt, dem sich sein Sohn so voller Leidenschaft ergeben hatte. Zwölf Monate und drei Tage nach ihrem Liebesbekenntnis stand Seiichi abseits eines Friedhofs und betrachtete durch eine Sonnenbrille hindurch die Trauerfeier aus einigem Abstand heraus. Er traute sich nicht, näher zu kommen, wusste auch, dass er dort nichts zu suchen hatte. Zwölf Monate – 365 Tage – so lange hatte das einzige Glück in seinen mittlerweile 27 Jahren gewährt.

Seiichis Gegenwart brachte nichts Gutes, er konnte niemanden schützen, konnte niemandem Glück bringen. Jeder, der ihm zu nahe kam, war so gut wie dem Tod geweiht. Und nun? Nun war er hier, auf einer Gala, und hatte einen Menschen getroffen, der dieses Gefühl von Zufriedenheit, welches er ganz tief in sich vergraben geglaubt hatte, wieder hervorholte. Wie töricht war er denn sich darauf einzulassen, nach all dem, was sein Leben ihn gelehrt hatte? Fast so, als könne Sanada diese düsteren Erinnerungen, von denen es bei weitem noch mehr in seinem Leben gab, wegwischen, drängte Seiichi sich mehr an den Dunkelhaarigen, hielt sich an ihm fest und versuchte, alles was gewesen war zumindest für diesen kurzen Augenblick einfach zu vergessen.

Es war Sanada, der inne hielt und sie davor bewahrte tatsächlich die Kontrolle zu verlieren.

Als Seiichi ihn mit sich auf die Couch zog, folgte er, doch so wie er war, blieb er und sah den Blauhaarigen schweigend an. Man sah in den braunen Augen, die den Kleineren unvoreingenommen musterten, dass er in Gedanken war. Dem Autor war nicht entgangen in welche Richtung sich das hier bewegte. Ihm war nicht entgangen wie nahe sie daran waren die Kontrolle zu verlieren. Er fragte sich wie weit dieser Moment noch getragen werden konnte und all diese Gedanken ließen ihn in diesem Moment inne halten, denn für ihn, der das hier zum ersten Mal tat, waren das zu viele Schritte, um sie zu auf einmal zu gehen.

Jetzt wo sie sich eine Weile nicht küssten, wurde er sich darüber bewusst wie nahe seine Atmung an einem Keuchen war. Ihm war heiß. Und Sanada war sich durchaus darüber im Klaren, dass er hier weiter machen wollte. Er wollte sich näher an diesen schlanken Körper schmiegen, wollte ihn berühren und küssen. Er wusste nur nicht wo das enden sollte; wie er sich jetzt verhalten sollte.

Seine braunen Augen wanderten über das hübsche Gesicht des Mannes unter ihm. Unter ihm… Auch das hatte er nicht erwartet, wenn er ehrlich war. Aber was von dem was hier geschehen war, hatte er schon erwartet? Seiichi war schön. Er war anziehend auf eine andere Art als die Frauen, die Sanada in seinem Bett gehabt hatte. Sein Blick suchte den des Kleineren. Er wusste nicht was er dort suchte, aber es war etwas, das ihm Sicherheit geben würde – um was auch immer zu tun. Vielleicht die Antwort darauf, was als nächstes kommen sollte. Auf jeden Fall wusste der Autor, dass er seine Erklärung in diesen blauen Seen finden würde.

Doch er fand keine Antwort darin, sondern nur eine Unsicherheit, die in eine ganz andere Richtung ging, als die eigene. Seiichi war nun ebenfalls mehr als deutlich klar geworden, wie sehr sie ihre eigenen Grenzen überschritten hatten und er wusste nicht, was er nun eigentlich zu Sanada sagen sollte. Allein der Umstand, dass der Autor diese Unsicherheit in Seiichis Augen sehen konnte, sie wahrnahm, als wäre sie etwas greifbares, zeigte ihm, wie selten dieser Anblick eigentlich war. „Du... solltest wohl zurückgehen“, sprach der Blauhaarige sehr leise, die Stimme bei weitem nicht so fest wie erhofft. Auch er konnte die Erregung nicht verbergen. Leicht räusperte Seiichi sich. „Deine Managerin wird sonst wütend und ich möchte nicht, dass sie dich am Ende noch mit ihren ausgefahrenen Krallen zerfleischt.“ Es sollte wohl kühl klingen, aber in Gedanken war der Blauhaarige teilweise noch in der Vergangenheit. Leicht setzte er sich auf, überging aber in seinem Tun den Umstand, dass Sanada noch über ihm war und fand sich plötzlich wieder nur Millimeter entfernt von diesem wieder. Er wusste, er sollte sich lösen und ihn rausschicken, er wusste, er sollte selbst gehen, den Saal verlassen und nach Hause fahren – doch er tat nichts. Kurz hörte man in der Stille nur ihrer beider Atmung keuchend, abgehackt. „Ich möchte mich in dir verlieren“, wisperte Seiichi, kaum hörbar, für Sanada, auf Grund der Nähe aber immer noch laut genug.

Diese Worte brachten den Älteren nun ganz aus dem Konzept. Sie widersprachen so enorm dem was der Kleinere zuvor hatte zum Ausdruck bringen wollen. Er hatte es nicht schön gefunden, aber er hatte gewusst, dass Seiichi mit seiner Abweisung Recht hatte. Und Sanada hatte gerade reagieren wollen, wenn er nicht genau jetzt diese paar Worte vernommen hätte.

Es war so viel süßer als alles, was eine Frau je zu ihm gesagt hatte.

Sanada schluckte, die Lippen nur wenige Zentimeter von dem Kleineren entfernt. Seine Augen wanderten automatisch von den Augen hinunter zu Seiichis Lippen und wieder hinauf. Es war eine unbewusste Handlung. Noch nie hatte er sich so hingerissen gefühlt. Er schluckte erneut, als er eine Hand hob und ganz sachte über die Haut Seiichis Wange strich. Gott, wie zart sie war! Wer hatte gesagt die Haut eines Mannes wäre immer rau? Keine Frau die er berührt hatte, hatte sich so zart angefühlt. Er konnte nicht widerstehen, ließ seine Hand ganz zaghaft weiter zurück in die samtigen Locken streichen, immer bereit zu stoppen, sollte Seiichi ihn jetzt aufhalten – und doch war seine Sehnsucht nach Nähe so deutlich in dieser zärtlichen Geste spürbar.

Seiichis Brustkorb hob und senkte sich hektisch und er folgte der Bewegung mit den Augen soweit dies möglich war, schaute dann aber wieder dem Älteren ins Gesicht. „Du hast gesagt, dass du nur eine Stunde Zeit hast...“, brachte Seiichi hervor. Es hieß nicht, dass er ihn wegschicken wollte, aber dass es unweigerlich bedeutete, dass man Sanada suchen würde, wäre er zu spät wieder an seinem Tisch. Der Widerwillen ihn gehen zu lassen war mehr als nur spürbar, doch die Uhr tickte beharrlich und unaufhörlich dem verabredeten Zeitpunkt mit Suzuki entgegen. Letztlich schloss der Blauhaarige aber die Augen und schmiegte sich ganz vorsichtig gegen die Hand, die ihn so sachte berührte. Für den Moment war nichts mehr von dem kühlen Yakuzaboss mit dieser enormen, raubtierhaften Ausstrahlung zu sehen, auch wenn es trotz allem glaubwürdig war, dass Seiichi so eine Aura verkörpern konnte.

Sanadas Atem zitterte fast und erleichtert, dass er nicht weggeschoben wurde, fasziniert von der Reaktion des Kleineren, streichelte er ihn weiter. Es war eine zarte und doch so sehnende Geste.

„Ja…“, wisperte er leise, wurde sich erst hinterher bewusst, dass er bloß geflüstert hatte.

Sanada wusste, dass er gehen musste. Er wollte nicht gehen, wollte diesen sonderbaren, aber so besonderen Moment festhalten. Würde er Seiichi je wiedersehen?

Er hielt inne. Schon wieder hatte er seinen Gedanken laut ausgesprochen – so untypisch für ihn. Wenn er hier bei diesem Mann war, schien nichts mehr so zu sein wie es einmal war. Die braunen Augen suchten erneut Seiichis, abwartend, ob dieser seine unabsichtlich gestellte Frage beantworten würde. Seine Hand streichelte ihn erneut ganz sachte, so leicht, dass man fast meinen könnte er bewege sie gar nicht.

Als er die Frage hörte, stockte der Kleinere. Sanada wollte ihn wiedersehen? Auf der einen Seite sollte es ihn nicht überraschen, so wie der Ältere mit ihm umging, auf der anderen Seite wäre es so viel einfacher sich einzureden, dass das hier einfach nur so ... passiert war. Dass kein Interesse bestand, daran anzuknüpfen. „Am liebsten würde ich dich einfach mitnehmen.“ Dieses Mal schaute er der Älteren nicht an. „Ich weiß wie dumm das klingt und das ich es nicht sagen sollte, nicht in meiner Position. Mit jemandem wie mir geht man nicht mit, ich bin kein netter Kerl, sondern für jeden normalen Menschen der 'Schwarze Mann' vor dem man Angst hat und besser wegläuft.“

Sanada schwieg einen Moment. Seine Hand war still, aber er nahm sie nicht weg. Er dachte für einen Moment über diese Worte nach. „Bisher hatte ich noch keinen Grund mich zu fürchten“, schloss er schließlich leise. „Das liegt nur daran, dass du mich in einer eigenartigen Stimmung erlebst. Ich kann auch anders.“ Leise musste Seiichi lachen. „Wie gerne würde ich jetzt klischeeartig reagieren, dir sagen, dass du mich nachher in einem Hotel aufsuchen sollst. Aber so etwas funktioniert nur in Filmen und wirkt selbst da nur wie eine ziemlich platte Anmache.“ Tief atmete der schöne Yakuza durch und strich sanft über Sanadas Brust. „Geh schon... Ich möchte nicht, dass du wegen mir Zwist mit deiner Managerin hast. Sie würde dir nur ziemlich schlimme Dinge über mich erzählen, weil sie bestimmt eine schwache Ahnung hat, wo du dich herumtreibst.“

Es war schon ein leises Stechen, die Erkenntnis, dass er Seiichi nicht wieder sehen würde. Der Autor wusste, dass das unsinnig war und sie froh sein konnten jetzt wieder auf die richtigen und gewohnten Pfade zu gelangen – dennoch war er eben das nicht. Sanada wollte nicht gehen und diesen Moment für immer verstreichen lassen.

Dennoch widersprach er nicht noch einmal. Seine Hand strich noch mal sachte durch das weiche Haar, prägte sich das Gefühl genau ein, ehe er sie langsam zurück zog und sich von der Couch erhob. Die Musik drang erst jetzt wieder zu ihm durch, doch nun erschien sie dem Braunhaarigen kälter als zuvor. Schweigend richtete er seine Kleidung, damit nichts verrückt oder durcheinander war. Er sah den Blauhaarigen nicht an bis er fertig war und ihm nichts mehr blieb als zu gehen. Erst dann sah er wieder auf ihn hinab. Schade. Wider aller Vernunft, schade dass er ihn nicht wieder sehen würde.

„Nun…“, begann Sanada und fühlte sich mulmig dabei. Dennoch versuchte er zu seiner gewohnten Form zurück zu finden, stoisch und unnahbar, denn etwas anderes konnte er gleich dort draußen nicht zeigen. „Danke für das Essen und den Wein. Es…“ Nun blitzte doch kurz etwas anderes durch. „Es hat mich sehr gefreut“, sagte er leise, bevor er sich langsam zur Tür wandte und schweren Herzens den Raum verließ.

Doch bevor Sanada die Tür öffnen konnte, war Seiichi bei ihm. „Four Seasons Hotel, Präsidentensuite“, wisperte Seiichi ihm zu, wohl wissend, wie dämlich allein diese Idee war. Sich auf jemanden einzulassen den er kaum kannte war gar nicht das größte Problem, viel mehr würde er sich damit auf jemanden einlassen der aus ihm noch nicht ganz bekannten Gründen etwas in ihm weckte. Und gleichzeitig erfüllte er mit seiner Reaktion auch noch das eben verurteilte Klischee. Trotzdem wollte er es. „Geh in die Lobby und nimm den Fahrtstuhl in den obersten Stock. Die Suite ist auf der rechten Seite.“ Es klang wie eine Bitte, doch gleichzeitig ließ der Blauhaarige Sanada auch die Entscheidungsgewalt, indem er ihn nach diesen Worten sachte aus der Tür schob und diese hinter sich schloss, sodass er nun allein im Raum stand. Mit klopfendem Herzen lehnte er sich gegen die Tür und atmete tief durch. Das war alles mehr als nur verrückt und er bereit sich einfach darauf einzulassen. Wieso? Er war doch sonst nicht so unglaublich dämlich. Schnell zog er sein Jackett wieder an und verließ den Raum. Seiichi sprach mit niemandem und verließ die Veranstaltung. Sein Teil war eh getan, hatte er doch schließlich bereits zur Eröffnung eine nicht unerhebliche Summe gespendet. Für mehr war er auf dieser Veranstaltung auch nicht interessant.

Die Luft draußen war kühl und rüttelte ihn etwas wach. Sein Wagen stand in der Tiefgarage und nur kurze Zeit später raste er damit durch die hell erleuchtete Hauptstadt. Die Lichter dieser Stadt waren für ihn jedes Mal aufs Neue wunderschön. Tokio bei Nacht war ein mehr als nur beeindruckendes Bild, egal wie oft man es sah. Er kannte den Weg zum Hotel gut und es war keine Frage, dass er die gewünschte Suite erhielt. Mit Geld konnte man in solchen Hotels sehr viel erreichen und oftmals war eine hohe Summe mehr wert als ein guter Name. Die Räumlichkeiten über den Dächern der Stadt waren ihm nicht fremd, Seiichi kam oft hierher, selbst wenn er hier genauso alleine war wie in seiner Wohnung – doch hier fühlte er sich dabei nicht ganz so mies. Das nagende Gefühl, welches ihn den ganzen Weg über begleitet hatte blieb – ob Sanada kommen würde? Wenn er ehrlich war, dann glaubte Seiichi nicht daran.
 

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Ende Kapitel 1

Jemand wie du I

18. Oktober  2010 – 23:35 Uhr

 

Die Laute klatschender Hände schien ineinander über zu gehen und zu einem lauten tosenden Geräusch zu verschmelzen. Sanadas Ohren lauschten den Zuschauern nicht, die ihn und sein Werk feierten. Wochen hatte er an dem Text zu dieser Vorstellung gefeilt und auf den Moment hingearbeitet, in dem man ihn vorstellen und – sofern es den Zuschauern gefallen hätte – somit eine weitere Stufe auf seiner Karriereleiter hinauf stoßen würde. Doch jetzt waren seine Ohren nicht mehr willig auf all das zu lauschen, denn sie hörten immer noch Seiichis letzte Worte bevor er ihn aus der Tür geschoben hatte. Four Seasons Hotel, Präsidentensuite, hatte er gesagt.

„Wir bedanken uns herzlichst für Ihre exzellente Arbeit und hoffen Sie werden uns auch in Zukunft wieder mit Ihren wundervollen Texten beehren“, sagte die durch ein Mikrofon verstärkte Stimme an ihn gewandt, bereit, Sanada aus seinen Überlegungen zu reißen, denen er sich wohlweißlich nicht zu sehr hingegeben hatte so lange er noch auf der Bühne stand. Höflich und zurückhaltend verneigte er sich fast wie auf Knopfdruck. „Selbstverständlich. Es wäre mir eine Ehre.“

Wie einfach und automatisiert diese Worte ihm doch über die Lippen kamen. Das hier war das Leben welches er gewohnt war. Das Leben in welches er sich eingespielt hatte, dessen Abläufe er verinnerlicht hatte, wofür er so hart gearbeitet und gekämpft hatte. Nichts von dem was er in der vergangenen Stunde getan hatte war je Teil von seinem Leben, seiner Person gewesen.

Nichts davon war gut für ihn.

„Meine Damen und Herren, verabschieden Sie mit einem kräftigen Applaus den aufstrebenden Stern am Literaturhimmel: Sanada Genichirou!“

Die Menge applaudierte erneut, während der Braunhaarige sich noch einmal höflich verbeugte, bevor er die Treppen des Podiums wieder hinab schritt, in die dunkleren Bereiche abseits der Bühne und zurück zu seinem Tisch. Der Applaus verstummte sowie er sich setzte allmählich, während die Mikrofonstimme erneut ertönte und die Veranstaltung voran trieb. Er sah das begeisterte Lächeln seiner Managerin, als sie ihm den Arm drückte und er nickte knapp, bevor er sich der Bühne zuwandte. Nichts was dort geschah nahm er war. Es rauschte auf ihn ein und verging. Von der Aufmerksamkeit des Raumes freigegeben versank er in seinen Gedanken, die ihn bereits seit er den Raum verlassen hatte verfolgten.

Yukimura Seiichi…

Sanada hatte ihn nicht mehr gesehen seit er von ihm aus dem Separee verabschiedet worden war. Entweder er war noch immer dort oder er war bereits gegangen, ohne dass er ihn bemerkt hatte. Ob er sich Sanadas Präsentation angesehen hatte? Der Braunhaarige hatte nirgendwo in der Menge den blauen Haarschopf ausmachen können nach dem er sich eingestehen musste mehrfach darin gesucht zu haben. Wenn er da gewesen wäre, hätte er ihn sicherlich gefunden. Wenn Seiichi seine Präsentation verfolgt hatte, dann nicht hier, sondern wo immer er sich nun aufhielt im Fernsehen.

Ob er bereits in der Präsidentensuite war? Präsidentensuite… Ja, jemand wie er konnte sich diese vermutlich leisten. Der Autor versuchte die Realität zu greifen und zu verstehen was vor sich ging, doch es gelang ihm noch immer nicht ganz.

Er hatte sich mit einem Yakuzaoberhaupt getroffen, mit ihm diskutiert, ihm versucht klar zu machen, dass er ihn am besten töten sollte und danach hemmungslos mit ihm herumgeknutscht. Noch niemals in seinem Leben hatte Sanada sich mit jemandem derartig gehen lassen und nicht nur, dass er sich für eine solche Eskapade einen Mann suchte, nein, sogar einen Mafiaboss. Er konnte seine eigene Dummheit kaum fassen, besonders wenn er an seine Überzeugungsversuche zu Beginn dachte.

Das allerschlimmste war jedoch, dass er es einfach nicht fertig brachte dieses Erlebnis, selbst wenn er sich irgendwo ein Stück weit selbst in seiner Ehre kränkte, zu bereuen. Er wusste wie närrisch er war und das er es war, knickte seinen Stolz. Dennoch bereute er es nicht. Noch immer konnte er Seiichis Wärme spüren seine Lippen, weich und heiß, wie sich sengend auf seine legten. Kein Mensch hatte ihm jemals solche Empfindungen entlockt wie er sie eben gehabt hatte, was ihn gleichzeitig berauschte und warnte.

Sanada war kein Mensch der Leidenschaften.

Er liebte sein Leben geordnet, überschaubar und adäquat. Er war tadellos in jeder Hinsicht. Für ihn gab es keine Eskapaden, keine Skandale – nicht das kleinste bisschen war auf der weißen Weste zu finden. Jetzt wo er gerade einen nicht zu geringen Bekanntheitsgrad erlangt hatte konnte er sich so etwas auch nicht erlauben, das sagte zumindest seine innere Stimme. Wo Suzuki sich so für ihn eingesetzt hatte – die ihn eingehend gewarnt hatte und die nicht ahnte, wo er in ihrer Abwesenheit gewesen war. Es war nur zu gerecht, dass ihn das schlechte Gewissen plagte – besonders, weil er sich eingestehen musste mit dem Gedanken zu spielen Seiichis Einladung erneut zu folgen. Das Four Seasons kannte jeder. Es war eines der teuersten Hotels in Tokio – wo sonst würde ein Yakuza auch einchecken? Alleine das Ambiente schreckte ihn bereits ab, denn er gehörte nicht in die Kreise derartiger Nobelhotels und fühlte sich bereits fehl am Platz ohne überhaupt dort zu sein. Dennoch war es die Hoffnung diesen Mann wieder zu treffen. So absurd es war: Sanada wollte ihn wiedersehen. Sein Verstand war dagegen. Er hatte Recht, das wusste der Autor nur zu gut. Wie um das zu bestätigen sprach ihn Suzuki in genau diesem Moment an:

„Was ist los, Sanada? Du wirkst so abwesend, dabei ist alles so gut gelaufen.“ Innerlich seufzte er, denn er hätte wissen müssen, dass er das nicht vor Suzuki verbergen konnte. Für die meisten Menschen auf dieser Veranstaltung würde er ganz normal sein, aber seine Managerin kannte ihn länger und sie war eine sehr aufmerksame, feinfühlige Frau, die ihre Sache gut machte. Sie war eine der wenigen Menschen die in der Lage waren auch leichtere Gefühlsänderungen an ihm wahrzunehmen. Dass ihr seine Abwesenheit nicht entging hatte er befürchtet. „Du warst schon so als ich wieder zum Tisch gekommen bin. Ist etwas passiert, während ich weg war?“

Oh, sie hatte ja keine Ahnung…

„Nein, ich bin nur etwas müde.“

Suzuki schwieg, während sie ihn besorgt musterte, die Brauen leicht zusammen gezogen. Schließlich schien sie einen Entschluss gefällt zu haben, für was auch immer sie diesen gesucht hatte, und sprach weiter: „Die Vorbereitungen waren wohl ganz schön anstrengen.“ Sanada konnte sich nicht entscheiden, ob er froh war, dass sie nicht weiter darauf einging oder ein schlechtes Gewissen hatte wegen der Lüge, der er sie aufsitzen ließ. „Die Veranstaltung dauert nicht mehr lange. Wir verschieben die Nachbesprechung auf morgen, dann kannst du dich für heute erst mal erholen“, schloss sie und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

Vielleicht wenn Suzuki es gewusst hätte. Vielleicht wenn sie ihn angeschrien und zur Rechenschaft gezogen hätte, ihn gefragt hätte, was er sich eigentlich dabei dachte und ob er noch alle Tassen im Schrank hätte, vielleicht hätte er dann einfach alles fallen lassen können und seine banalen, naiven Träumereien wären zu einem Ende gekommen. Für einen Moment war er versucht ihr alles zu erzählen, nur damit genau das passierte – aber er tat es nicht. Sanada schwieg und nahm es hin, dass sie ihm unwissentlich erneut eine Gelegenheit bot von der er nicht wusste, ob er sie nutzen würde.

 

Nur wenig später verließ er das Gebäude an ihrer Seite und trat in die Kälte. Ein paar Gäste winkten ihm und er bemühte sich höflich zurück zu winken. Die Fahrt durch die dunkle Nacht zu seiner Haustür verlief schweigsam. Suzuki ließ ihn gewähren und er war dankbar dafür. Seine Augen beobachteten wie die Lichter an ihnen vorbei rauschten, während er seinen Gedanken für eine Weile die Zügel ließ und einfach an nichts bestimmtes dachte. Er war erschrocken, als er sich bei dem Gefühl von Seiichis seidigem Haar in seiner Hand wieder fand just in dem Augenblick, als seine Managerin den Wagen vor seiner Haustür stoppte. Mit einem Mal zerstreute er die Gedanken.

„Vielen Dank, dass du mich nach Hause gefahren hast“, wandte er sich zu ihr. „Ach was“, winkte Suzuki ab. „Es ist mein Job mich um meinen Schützling zu kümmern. Also sorge ich auch dafür, dass er nach den Veranstaltungen zu denen ich ihn zwinge gut nach Hause kommt.“ Sie grinste ihn an. Hier im Auto war Raum für das recht unkonventionelle Verhältnis, welches sie zueinander hatten. Gleichgesinnte, nicht Managerin und Schützling. Sanada empfand erneut die kameradschaftliche Verbundenheit, den Respekt und die Dankbarkeit die er für diese Frau entwickelt hatte und das schlechte Gewissen nagte stärker an ihm. „Eigentlich bin ich der Ältere. Und du bist eine Frau. Ich sollte dich nach Hause fahren“, stellte er fest und nahm sich vor das beim nächsten Mal auch zu tun. Um wenigstens ein bisschen ihren Bemühungen gerecht zu werden. Er konnte die Müdigkeit auch in ihren Augen sehen.

„Ach, jetzt fang nicht mit sowas an. Raus mit dir und erhol dich gut. Wir müssen morgen aufholen, was wir jetzt verschoben haben.“ Ohne das weiter zu kommentieren, schnallte er sich ab und verließ das Fahrzeug, beugte sich aber nochmal hinein. „Ich erwarte dich morgen um zwölf in der Agentur. Gute Nacht.“ „Gute Nacht.“

Und mit diesen Worten schlug er die Beifahrertür zu, sah dem Wagen hinterher. Langsam wandte er sich ab und ging zur Tür, um sie aufzuschließen. Selbst seine Schritte auf der Treppe waren nicht so zielstrebig wie sonst. Nachdem er aufgeschlossen hatte und in den Flur getreten war, schaltete der Braunhaarige das Licht ein und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Sein Blick glitt durch die Wohnung, während er den Schlüssel in seine Tasche zurück steckte, die paar Stufen zum Arbeitszimmer hinauf, welches der Wohnungstür gegenüber lag und halb offen stand, hinaus aus dem Fenster in die Nacht.

Er war zu Hause.

In seinem Kopf kreiste stetig die Einladung des Blauhaarigen. Vermutlich war dieser jetzt gerade im Hotel und wartete auf ihn. Ob er wirklich da war? Vielleicht hatte er es sich auch schon anders überlegt, dem Autor war nicht entgangen, dass auch Seiichi zwischendurch die Vernunft gepackt und ihn geschüttelt hatte. Wenn er es recht überdachte, hatte ihn diese Einladung ohnehin sehr überrascht und hätte Seiichi ihn nicht aus dem Zimmer gestoßen wäre Sanada auch noch dort stehen geblieben. Denn eigentlich hatte der Kleinere ihm bereits eine deutliche Absage erteilt sich je wieder zu sehen.

Er erinnerte sich an den flehentlichen Tonfall, als er ihn eingeladen hatte, an all die seltsamen Worte die Seiichi immer wieder gesagt hatte. Dieser ganze Mann strahlte so viel Sehnsucht aus… Und Reize, Unmengen von Reizen. Lust. Unerträgliche Zartheit…

Sanada seufzte, als er sich bewusst wurde, dass er noch immer im Flur stand und sich kein Stück bewegt hatte. Es gab keinerlei Grund, warum er in dieses Hotel gehen sollte. Es war eine Einladung, kein Muss, auch wenn er den Mann dann sitzen ließ, aber sie wussten beide, dass es vernünftiger war und am nächsten Morgen wären sie vermutlich froh, wenn sie sich nicht mehr gesehen hätten. Dennoch wusste er ebenso, dass er jetzt nicht schlafen würde. Er war tatsächlich müde. Sanada konnte die Müdigkeit in seinen Gliedern und seinen Augen spüren. Dennoch würde er jetzt nicht ins Bett gehen und einschlafen, selbst wenn er nicht fuhr.

Er schaltete das Licht aus, drehte sich um und verließ die Wohnung wieder.

Seine Schritte die Treppe hinunter waren ruhig, ohne Eile – noch hatte er sich nicht entschieden. Er würde losfahren und sich auf der Fahrt entscheiden, dennoch ging er in Gedanken den Weg zu diesem Hotel durch. Der Braunhaarige verließ das Haus, lief zu seinem Auto, welches auf der anderen Straßenseite stand, und fuhr in die Nacht hinaus. Eine Weile fuhr er nur durch die Straßen, ehe er einige Meter entfernt vor einem großen Gebäudekomplex hielt und den Wagen abstellte. Sanada hatte gewusst, dass ihn seine Fahrt hierher führen würde, noch bevor er überhaupt losgefahren war. Er sah hinauf an den verzierten und teils verglasten Wänden. Automatisch wanderten seine Augen in die obersten Stockwerke. Irgendwo konnte er Licht ausmachen, jedoch nicht sagen, ob es die Präsidentensuite war oder nicht. Ob er hier war? In diesem majestätischen, luxuriösen Gebäude? Irgendwie passte es zu ihm, dachte der Autor, während er mit abgezogenem Schlüssel in seinem Wagen saß, die Arme über dem Lenkrad und in der Dunkelheit das Gebäude beobachtete, welches in seiner Beleuchtung selbst hellen Tag inmitten der Nacht zu verkörpern schien.

Yukimura Seiichi.

Ein Yakuzaboss in seinem Alter… Sanada hatte noch von keinem so jungen Yakuza gehört, der eine derartig hohe Position besetzte. Ein Teil von ihm fand alles noch immer völlig surreal. Er war kein Freund von Tagträumereien, aber fast schien es ihm die logischste Erklärung, dass er sich das alles nur eingebildet hatte. Die weichen Lippen, die seidige Haut und dieses eigentümliche Flehen in einem Aufblitzen von Zerbrechlichkeit zwischen Raubtieraugen konnte er jedoch nicht leugnen. Schließlich realisierte er, dass er diesen Abend niemals vergessen würde, ganz gleich was jetzt noch käme oder nicht. Sein Körper war angespannt. Schon seit er die Gala verlassen hatte, war er in einem Stadium steigender Aufregung. Erwartung. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu diesen wenigen Minuten die sie geteilt hatten, diesem unglaublichen Erlebnis und so sehr er auch die Gefahr spürte, reizte es ihn eben auch.

Was würde passieren, wenn er nun dort hinauf ging?

Würde Seiichi überhaut da sein? Würde sich das eben Erlebte wiederholen oder würde es ganz anders ablaufen? Vielleicht wäre der ganze Zauber verflogen. Vielleicht würde er feststellen, dass er nun doch in eine viel zu gefährliche Lage geraten war, denn das hier, so wusste er, war noch weitaus gefährlicher als in diesen unverhofften Raum zu gehen. Und wenn es sich positiv entwickelte… was würde passieren? Er war nicht schwul. Er würde nicht mit einem Mann schlafen, aber lief es nicht darauf hinaus? War es nicht eine Einwilligung, wenn er der Einladung nachkam?

Sanada seufzte und sah auf die Straße. Tokio schlief nicht. Autos fuhren, Lichter leuchteten überall. Wieder ertappte er sich dabei wie er sich ausmalte was Seiichi wohl gerade tat. Ob er auf einer luxuriösen Couch saß und Wein trank, oder im Bett lag und schlief – oder gar nicht da war.

Kurzerhand öffnete er die Wagentür und stieg aus. Er schloss ab und überquerte nach kurzem Blick in beide Richtungen die Straße, als sich eine Lücke im Verkehr auftat. Er würde es herausfinden. Er würde hinauffahren und sehen, ob Seiichi da war. Sanada wusste, dass er sich diese Frage ansonsten immer wieder stellen würde, wenn er nun nicht hinaufging und nachsah, ob Seiichi tatsächlich auf ihn wartete. Was er tat, wenn der Blauhaarige ihm wirklich die Tür öffnete, wusste er nicht.

Im Foyer war es ruhig und das erleichterte Sanada. Es war so luxuriös wie er erwartet hatte, aber niemand bis auf einen Portier sah ihn an, denn um diese Zeit befand sich niemand mehr hier im Eingangsbereich. Der Mann musterte ihn auffordernd – Sanada war froh, dass er noch seinen Anzug trug und nicht fürchten musste alleine deswegen rausgeschmissen zu werden – und sprach ihn an, ehe er reagieren konnte. „Sanada Genichirou?“, fragte er höflich, aber mit wachem Blick. Der Autor nickte irritiert und bekam von dem Mann ebenso ein Nicken. „Der Aufzug ist dort drüben. Einen angenehmen Aufenthalt.“ Wieder nickte er und bedankte sich, folgte dann dem Fingerzeig. Er war sich ziemlich sicher, dass Seiichi ihn angekündigt hatte. Aber dann war er hier – und Sanadas Frage bereits beantwortet. Er musste nicht hinaufgehen um das rauszufinden. Dennoch stoppte er nicht und drückte einen silbrig schimmernden Knopf neben der Aufzugtür. Er hätte den Hinweis nicht gebraucht – niemand würde diesen pompösen Aufzug übersehen können.

Inzwischen war Sanadas Aufregung gestiegen und sie wuchs mit jeder Etage, die der Aufzug zurücklegte. Er würde es wieder tun. Und dann? Wollte er überhaupt, dass sich das wiederholte? Es war ihm nicht wirklich geheuer, was mit ihm selbst passierte, wenn er mit diesem Mann zu tun bekam. Dennoch gingen die Aufzugtüren wenig später auf und ließen ihn auf einen pompösen Gang hinaus. Verglaste Wände, hohe Decken mit Kronleuchtern. Verzierte Wände auf der anderen Seite, mit kleinen Stickereien die verdächtig gold aussahen. Sanada fühlte sich definitiv fremd. Das bevorstehende Treffen mit Seiichi, seine Umgebung, alles lenkte ihn zu sehr ab, sodass er nicht einmal die einmalige Aussicht über die Stadt genoss. Automatisch wanderten die braunen Augen nach rechts und fanden die Tür hinter der die Präsidentensuite liegen musste. Er war sich ziemlich sicher, dass Seiichi sich hinter dieser Türe befand. Und was noch?

Er trat aus dem Aufzug, als die Türen sich gerade wieder schließen wollten  und lief langsam auf die Tür zu.

Wieder verharrte er. Es war eine edle Tür – edel wie alles hier war. Er musste nur klopfen, dann gab es kein Zurück mehr. Noch konnte er es sich anders überlegen, nach Hause fahren, schlafen und weder sich noch Suzuki oder alles wofür er so hart gekämpft hatte, sogar seine Familie verlassen hatte, gefährden. Sanadas Blick wanderte automatisch den Gang entlang zum Aufzug, doch er bewegte sich nicht.

Stattdessen hob er die Hand und klopfte sachte.

 

Die Zeit über, welche Sanada noch auf der Gala und später auf dem Heimweg verbracht hatte, war Seiichi im Zimmer sitzen geblieben. Da er nie wusste, wann er die Nacht einmal nicht zu Hause verbrachte hatte er sich irgendwann angewöhnt, eine kleine Tasche mit frischer Kleidung im Auto zu haben. Diese hatte er auch mit nach oben genommen, war duschen gegangen und hatte dann den Anzug einfach achtlos in die Tasche geworfen. Nun trug er ein schlichtes graues Langarmshirt und eine Jeans. Tatsächlich fühlte er sich darin auch viel wohler als in einem Smoking, leider jedoch musste er in seiner Position oft genug auf irgendwelche Feiern gehen, auf denen gehobene Kleidung Pflicht war, was nicht hieß, dass es ihm gefiel. Viel lieber trug er eigentlich schlichte, wenn auch durchaus passend gewählte Kleidung, der man das Geld was sie gekostet hatte nicht direkt auf den ersten Blick ansah. Mit einem Handtuch um die nassen blauen Haare hatte er sich auf einen der Sessel im Wohnzimmerbereich der Suite gesetzt und den Fernseher angeschaltet, ein Tablet-PC auf dem Schoß mit welchem er im Internet surfte, Nachrichten las, die man ihm geschickt hatte, während er nebenbei den Tagesnachrichten auf einem englischen Sender zuhörte. Beim Löschen seiner Mails landete er irgendwann wieder bei der eMail mit der Einladung zu der abendlichen Gala, welche ihm sein Vorstand weitergeleitet hatte. Seiichi hatte nur wenige enge Mitarbeiter, aber auf die zwei, die solche Nachrichten filterten konnte er sich auf jeden Fall verlassen. Kaum das er das angehängte Dokument sah wanderten seine Gedanken wieder zurück zu Sanada, den er eigentlich für den Augenblick vergessen wollte. Seiichi war sich eigentlich fast sicher, dass er nicht kommen würde und er könnte es ihm nicht einmal verübeln, wenn es tatsächlich so wäre. Er war dem Autor gegenüber offen gewesen, hatte ihm sehr ehrlich viel über sich erzählt – selbst wenn es sich bei den Informationen gerade einmal um eine kleine Spitze des riesigen Eisberges handelte – und allein mit diesem Wissen müsste er sich abgeschreckt fühlen. Der Blauhaarige nahm an, dass Sanada natürlich auch, nachdem er zurück auf der Gala war, wieder zu Sinnen gekommen war. Seufzend schloss Seiichi die Augen und lehnte sich im Sessel zurück. Er spürte Sanads Lippen auf seinen und ein leichtes Beben ging durch seinen Körper. Wie lange hatte er auf so einen Moment gewartet... Wobei er es nie tatsächlich darauf anlegte. Trotzdem. Die Art und Weise wie sie sich vorhin geküsst hatten, hatte ihn unweigerlich an all das vor zehn Jahren erinnert. Ob sich jemand auf dieser Welt eigentlich Gedanken gemacht hatte, dass auch Yakuza noch normale Menschen waren, die Gefühle hatten wie alle anderen auch? Der einzige Unterschied war, dass sie es nicht erlauben konnten, diese Empfindungen offen nach außen zu tragen, weil jeder Gegner diese als Schwachpunkt sofort erkennen und ausnutzen würde. Das hieß nicht, dass es keine Yakuza gab die nicht auch wunderbar funktionierende Familien hatten, die liebende Väter ihrer Kinder waren und kämpften wie Raubtiere, um dieses bisschen Normalität zu schützen. Diese Dinge gab es. Aber Seiichi hatte damals für sich entschieden, dass er scheinbar nicht dazu in der Lage war – selbst wenn er mit 17 noch eine andere Sichtweise gehabt hatte als heute. Vielleicht könnte er heute so ein Glück sogar halten, aber es wäre viel zu sehr mit einem immensen Risiko verbunden – und er wollte es nie für jemanden eingehen, der ihm nahe stand, weil es der Person gegenüber nicht fair wäre. Erneut fragte der Blauhaarige sich, wieso es ihm eigentlich so leicht gefallen war, sich bei dem ihm doch eigentlich so gut wie fremden Autor derartig fallen und sogar gehen zu lassen? Weil er ihn auch einfach so annahm wie er war? Weil bei Sanada nicht zu spüren war, dass ihn das, was Seiichi ihm gesagt hatte, abschreckte?

Fast schon wütend über sich selbst schüttelte er den Kopf und stand auf, um sich aus der kleinen Bar im hinteren Teil des Zimmers einen Cognac zu holen. Es gab alles – sogar Champagner. Er trank einen Schluck und nahm dankbar das leicht brennende Gefühl war, welches sich in seiner Kehle ausbreitete. Er griff das Handtuch, welches er noch um seine Haare gewickelt hatte und hing es über einen Stuhl, fuhr sich mit den Händen durch die noch leicht feuchten blauen Wellen die sich so noch mehr um sein Gesicht kringelten – sture Dinger. Gerade wollte er sich wieder hinsetzen, als er ein leises Klopfen an der Tür wahrnahm. Kurz schaute er zur Uhr, deren Zeiger bereits anzeigten, dass ein Uhr näher rückte. Es wäre möglich, dass es Sanada war – ganz davon abgesehen, dass er niemanden sonst hier erwartete. Aber eben dieser Umstand ließ ihn auch aufmerksam werden. Nur weil es niemand wusste hieß es nicht, dass ihn nicht doch jemand aufgespürt haben könnte. Leise ging er zur Tür und benutzte einen kleinen Monitor um sich anzeigen zu lassen, wer auf dem Flur stand. Es war eine simple aber gute Maßnahme sich auf unliebsame Besucher vorzubereiten. Als er dann aber doch wider eigenen Erwartens Sanada erblickte spürte er sein Herz höher schlagen. Er war gekommen. Er hatte sich in die Höhle des Löwen gewagt, denn hier konnte er nicht erwarten, dass jemand kam und ihn rettete. Hier war er mit Seiichi noch viel mehr allein als auf der Gala, wo zumindest außerhalb des Raumes etliche Menschen gewesen wären. Leicht schluckte der Blauhaarige, sammelte sich und öffnete dann die Tür, blickte den Mann auf dem Flur an und lächelte ganz leicht. Die Erscheinung des Blauhaarigen war nun nicht mehr so förmlich wie im Anzug auf der Gala, er wirkte eher leger, aber dadurch auch wieder durchaus hübsch – auf diese ambivalente Art und Weise gemessen an dem, was er war. „Hey“, sagte er leise und trat leicht zur Seite, um Sanada hereinkommen zu lassen. Sie schwiegen, sahen sich eine Weile einfach nur mit klopfenden Herzen an, dann trat er langsam über die Türschwelle.

Irgendwo in dieser Suite, deren Luxus ihm überall entgegensprang, konnte sein Verderben lauern und nun gab es für ihn kein Zurück mehr, dennoch war der Autor eingetreten. Er hatte außer Seiichi niemanden gesehen, aber diese Suite war riesig. Es könnten sich hier gut und gerne noch andere Personen aufhalten, ohne dass diese auf den ersten oder zweiten Blick sichtbar waren.

Hinter der Tür wartete er und wandte sich seinem Gastgeber zu, unschlüssig, wo er sich platzieren sollte, jetzt wo er hier war. Er spürte wieder den Sog einer Welt, die nicht seine war, an sich reißen. Den Sog von Geld und Macht, der für ihn im Gegensatz zu anderen Leuten, nicht angenehm war. Nicht, wenn er so offenkundig erkennbar war. Doch der Autor verzog keine Miene, stand nur abwartend auf der Stelle und sah Seiichi unverwandt an. Er war wirklich hier. Er war tatsächlich in dieses verflixte Hotel gefahren. Und der Blauhaarige hatte es auch getan.

Anhand der Art, wie Sanada kurz den Blick durch den Raum schweifen ließ, erkannte dieser schnell, was der Autor dachte. „Wir sind allein“, sagte er nur kurz. In den Jahren, die er in dieser Welt arbeitete, hatte Seiichi gelernt sehr viele Gedanken und Emotionen aus den Gesichtern der Menschen herauszulesen. Er konnte sicherlich keine übernatürlichen Dinge, aber seine Beobachtungs- und Auffassungsgabe war gut, sehr gut sogar. „Komm.“ Vorsichtig griff er Sanada am Handgelenk und zog ihn in den Wohnbereich. Die Berührung wanderte von der Stelle, wo er den schnellen Puls über der Schlagader sehr deutlich in seinen Fingerspitzen wahrnehmen konnte so, dass er sachte die Hand des Älteren hielt. Erneut eine vertraute, wenn auch simple Geste. „Setz dich.“ Es war eine sanfte, freundliche Aufforderung mit einem Zeig auf ein Sofa, welches dem in dem Separee auf der Gala nicht unähnlich war. Seiichi schaltete den Fernseher aus und setzte sich dann ebenfalls, betrachtete den Mann neben sich und fühlte – ohne dass er viel dagegen machen  konnte – direkt wieder diese unbändige Ausstrahlung. „Ich.. hoffe du hast keinen Ärger bekommen von deiner Managerin.“

Etwas deplatziert zupfte Sanada auf der Couch seinen Ärmel grade. So wie Seiichi nun angezogen war, passte er fast besser in dieses Ambiente, als der Kleinere, obwohl es weit über seiner Gehaltsklasse lag. Seiichis Aussehen hatte ihn gewundert, denn er hatte ihn wieder in dem Anzug erwartet obwohl das lockere Alltagsoutfit dem Jüngeren ebenso gut stand.

„Sie hat nichts bemerkt“, antwortete der Autor schlicht.  Seine Augen sahen sich in dem Raum um, entdeckten den Cognac, den PC, die Reisetasche und er nahm alles wertungsfrei auf; ebenso wie die noble Einrichtung der Suite. Auch hier gab es große Fensterwände zur Stadt hin, aber auch mit Stuck verzierten, hohe Decken. Die Suite war eine Mischung aus altertümlicher, royaler Elite und der kühlen Eleganz der Moderne. Sanada konnte sich nicht vorstellen wie viel alleine die Einrichtung in diesem Raum gekostet haben mochte.

Ein leises Ziehen bahnte sich den Weg in sein Bewusstsein und er wurde sich erst jetzt bewusst, dass er Hunger hatte. Dieser Umstand war allerdings nicht weiter verwunderlich, denn er hatte bis auf ein kleines Frühstück und eine Sushirolle noch nichts zu sich genommen. Innerlich seufzte er, denn so bald würde es dazu auch nicht kommen.

Sein Blick wanderte wieder zu dem blauhaarigen, jungen Mann vor sich. Er konnte das alles noch immer nicht ganz glauben. Es schien so unwirklich. Dieser Mann war gefährlich, das wusste und spürte Sanada selbst in seiner unscheinbaren Gestalt und doch machte sein Innerstes einen Hüpfer, wenn er ihn ansah. Nun wo er hier war, wusste er allerdings nicht wie es weiter gehen sollte, also schwieg er einfach.

„Gut“, sprach Seiichi leise und lächelte ganz leicht. „Ich hätte nicht gewollt, dass du wegen mir mit ihr Ärger bekommst. Zumal sie dich ja ohne Zweifel vor mir gewarnt hat und du diese Warnhinweise bewusst in den Wind geschlagen hast. Wenn sie nun herausgefunden hätte, dass du die Zeit bis zu eurem Treffen mit mir verbracht hast, wäre sie wahrscheinlich ausgerastet. Ich kenne deine Managerin zwar nicht, aber ich schätze sie einfach mal so ein. Abgesehen davon hat sie nicht Unrecht. Sich mit mir abzugeben hat noch nie jemandem Glück gebracht. Dass heißt jetzt nicht, dass du dich direkt in unmittelbarer Gefahr befindest, aber seien wir doch ehrlich: Wer würde sich schon freiwillig mit einem Yakuza-Boss in einem Hotel treffen, wohl wissend, wer er ist. Ich bin mir meines Standes sehr wohl bewusst und an sich meide ich näheren Kontakt – außer auf beruflicher Ebene. Und wie ich bereits sagte, in das Alter, in dem es Zeit wäre seine Memoiren zu schreiben, werde ich wahrscheinlich gar nicht kommen – ganz davon ab, dass jemand wie ich das wohl kaum täte. Ich weiß nicht einmal, ob ich meinen 28. Geburtstag erlebe.“

Seiichi hätte nicht erklären können, was diesen Redeschwall verursacht hatte, aber vielleicht war es die Erleichterung, dass Sanada doch gekommen war, gepaart mit der Sorge, dass er den Älteren unweigerlich mit seinem Egoismus in Gefahr brachte.

„Möchtest du... etwas essen?“ fragte er dann etwas zögerlicher, schon allein um das Thema auf etwas andere zu lenken. „Ich kann dir etwas hochbringen lassen. Das Essen hier ist sehr gut und ich habe irgendwie meine Zweifel, dass du auf der Gala noch etwas zu dir genommen hast.“ Langsam, fast unruhig, stand er wieder auf und ging zur Bar. „Ich würde dir einen Drink anbieten, aber ich glaube auf fast leeren Magen ist das nicht sonderlich gut.“ Er füllte dementsprechend ein Glas mit Wasser. Während er mit dem Rücken zu Sanada stand konnte dieser auf Grund des etwas weiteren Ausschnittes des Shirts, welches Seiichi trug, am Beginn der Rückenpartie schwarze Linien auf der Haut erkennen, ohne ein Muster ausmachen zu können. Ohne Zweifel sah man dort ganz leicht die Anfänge eines Tattoos. Für Yakuza war solche Art des Körperschmucks nicht außergewöhnlich, aber anhand der Linien ließ sich erraten, dass das Muster oder das Bild welches sich dort befand große Teile des Rückens einnehmen musste. Der Blauhaarige achtete immer darauf, dass kaum etwas oder am besten gar nichts davon zu sehen war. Obwohl er das Motiv selbst gewählt hatte, hasste er es, einfach weil es ein Zwang gewesen war – der Zwang solch eine Brandmarkung zu tragen.

Bei seinen wechselnden Bettpartnern hatte er immer penibel darauf geachtet sein Hemd nie auszuziehen. Den meisten war es sowieso egal – sie wollten nur den Spaß, die pure Lust, was interessierte sie da, ob das Gegenüber sich gänzlich auszog oder nicht. Das Bildnis war ein ‚Geschenk’ zu seinem 21. Geburtstag gewesen – dem Tag, an dem er auch gänzlich die Geschäfte der Familie übernommen hatte.

Der Autor war dankbar dafür, dass diese Linien ihn ein wenig ablenkten. Es war eine unangenehme, beklemmende Atmosphäre zwischen sie getreten. Einem Teil Sanadas tat es leid, der andere wusste, dass es vermutlich besser so war. Ein dritter kämpfte mit den nicht minder beklemmenden Informationen die der Blauhaarige ihm zuspielte.

„Ich möchte keine Umstände machen. Ich kann später auch zu Hause essen“, antwortete er leise, wissentlich, dass das keine gute Idee war, aber er meinte es ernst. Er wollte keine Umstände machen. „Wie lange bist du schon hier?“, fragte er den Blauhaarigen dann, um auf ein anderes Thema zu lenken. Die Frage, ob Seiichi seine Präsentation gesehen hatte, kam ihm wieder in den Sinn und er fragte sich selbst warum ihn das eigentlich so interessierte – schließlich spielte es eigentlich keine Rolle.

„Das macht keine Umstände. Ich möchte das es dir gut geht, wenn du bei mir bist.“ Die Aussage beinhaltete mehrere Informationen die auf verschiedenen Ebenen zu behandeln waren. Zum einen schien Seiichi durchaus Wert auf die Anwesenheit des anderen zu legen, was aber allein schon durch die erneute Einladung, nun hier ins Hotel, deutlich geworden war. Auf der anderen Seite beinhaltete die Aussage den Inhalt, dass es dem Blauhaarigen wichtig war, dass Sanada sich wohl fühlte, dass er darauf achten wollte, dass der Autor in Ordnung war. Ruhig griff Seiichi nach dem Telefonhörer neben der Bar – in der gesamten Suite waren mehrere davon verteilt - und wählte die Nummer des Zimmerservices, wo er eine Sushi- und eine Aufschnittplatte mit frischem Baguette bestellte, während Sanada schweigend lauschte. „Es ist wirklich okay“, setzte der Blauhaarige dann noch einmal nach und wandte sich zu Sanada, nachdem er das kurze Gespräch beendet hatte. Die schlanke Gestalt lehnte sich leicht mit dem Rücken an die Bar und betrachtete den Autor.

„Ich... bin hier hergekommen kurz nachdem du wieder auf die Gala gegangen bist“, beantwortete Seiichi nun die eingangs gestellte Frage. „Ich empfand meine Aufgabe als erfüllt, in dem ich bereits eine ansehnliche Summe gespendet hatte. Ich bin grundsätzlich nicht so gerne auf solchen Veranstaltungen und gehe nur hin, wenn ich der Meinung bin, dass es sich lohnt.“ Wieder nahm Seiichi einen Schluck Cognac von dem sich ein Tropfen löste und leicht über seine Unterlippe, sein Kinn und dann seinen Hals wanderte. Allein diese Bewegung – so einfach sie war - hatte etwas sinnliches und als Seiichi seine Hand hob und ihn mit einem Finger auffing, nur um ihn kurz danach mit der Zungenspitze aufzulecken entstand eine spürbare Spannung die wohl sonst kaum ein Mensch hätte aufbauen können. Der Braunhaarige wandte schweigend den Blick ab und betrachtete die auf Hochglanz polierte Tischplatte vor sich. „Ich verstehe“, erinnerte er sich noch zu sagen. „Ich musste unweigerlich bis zum Ende der Veranstaltung bleiben.“ Er verriet nicht, dass er eigentlich bereits zu Hause gewesen war, bevor er doch hier hergekommen war. Sanada hatte sich von Anfang an nicht entscheiden könnten, ob er herkommen sollte, doch ihm war klar, dass er erst seinen Wagen holen musste. Seine Unentschlossenheit in seinem eigenen Hausflur war eine weitere untypische Handlung die der Blauhaarige ihm an diesem Abend entlockt hatte.

Jemand wie du II

Einen Moment sprach niemand mehr und eine eigentümliche Stille legte sich über den Raum, die nur von einem leisen Klopfen an der Tür unterbrochen wurde. Schnell nahm Seiichi dem Hotelangestellten vor der Tür zwei Platten ab und stellte diese vor Sanada auf den Tisch, nur um direkt danach wieder neben ihm Platz zu nehmen, nach einem perfekt geformten Sushistück zu greifen und es sachte zwischen Daumen und Zeigefinger Sanada vor den Mund zu halten. „Iss“, wisperte er und sah den Älteren an, der den Blick irritiert erwiderte. Nun waren sie sich wieder nah, Sanada konnte den Duft des Shampoos wahrnehmen, welches Seiichi kurz vorher noch verwendet hatte. Die zweite schlanke Hand ruhte angenehm warm auf Sanadas Oberschenkel. „Hat sich deine Meinung geändert und gibt es vielleicht doch Dinge die du über mich wissen willst?“ fragte er dann leise, seine Lippen wanderten dabei vorsichtig über die Wange des Älteren und beraubten ihn jeder Möglichkeit über die Frage nachzudenken. Solange eine gewisse Entfernung zwischen ihnen lag – selbst wenn es nur ein halbes Zimmer war – konnte er sich gegen die Anziehung wehren, doch sobald dieser Mann derartig nah war verlor Seiichi ein Stück weit die Kontrolle. „Ich frage mich ob du so etwas wie eine Droge bist. Du bist mir fremd und doch ziehst du mich an wie die Motten sich zum Licht hingezogen fühlen“, murmelte der Blauhaarige. Was für ein komisches Zeug er da redete, dachte Sanada und doch verstand er ganz genau was der Kleinere meinte. Es irritierte ihn wie es nun so schnell zu dieser Annäherung gekommen war, wo sie gerade noch so distanziert waren und Sanada tat sich ein wenig schwer damit, sich ganz darauf einzulassen, doch sein Körper reagierte sofort. Seine Haut kribbelte und der Autor spürte gleich wieder diese Wärme in ihm aufsteigen. Er räusperte sich, unschlüssig wie er damit umgehen sollte. Letztlich öffnete er die Lippen und nahm das Sushistück entgegen. Es war eine für ihn völlig unvertraute, seltsame Geste, denn er konnte sich nicht erinnern,  nach seiner Babyzeit jemals wieder gefüttert worden zu sein.

Die ungewöhnlichen blauen Augen musterten Sanada eindringlich, während er ihm wieder ein Stück Sushi vor den Mund hielt und dann wieder eins. Er wollte einfach, dass der Ältere seinen Hunger ein wenig stillte – schon allein weil er wohl nicht unschuldig war,  dass Sanada auf der Gala keine größere Gelegenheit gehabt hatte, etwas Essbares zu sich zu nehmen. Mit seiner freien Hand strich er sich durch seine widerspenstigen blauen Wellen. Dadurch, dass er sie nach dem Duschen nicht wirklich gekämmt hatte, lagen sie nicht perfekt, gaben ihm eher ein leicht verruchtes Aussehen, wobei das direkt wieder gepaart war mit dieser Zartheit, die Seiichi ausstrahlen konnte - wenn er es denn zuließ. Man sollte dieses Zarte nicht verwechseln mit Schwäche, denn der schöne Mann wirkte deswegen sicherlich nicht wie ein leichtes Opfer, noch weniger war er es. Sanada aß was Seiichi ihm gab und sein Magen war sehr dankbar. Mit der Zeit gewöhnte er sich etwas daran und je satter er wurde, desto wohler fühlte er sich, dennoch blieb es eigenartig. „Fütterst du oft andere Leute?“, fragte er nach einer Weile skeptisch. Nun hielt Seiichi inne und sah ihn an. „Ich... nein“, meinte er dann und widerstand dem Drang ein Stück wegzurutschen. Er hatte einfach etwas Gewöhnliches machen wollen und es kam doch nicht selten vor, dass man sich auch unter Erwachsenen noch gegenseitig fütterte, nicht um Hilflosigkeit darzustellen, sondern einfach aus Zuneigung. Aber eigentlich hatte Sanada ja nur Recht ihn das zu fragen. Wieso sollte der Autor auch etwas anderes denken, als dass Seiichi ihn vielleicht einfach nur veräppeln wollte.

„Uhm... ich dachte einfach nur es wäre nett.“ Seiichi zuckte die Schultern und strich sich nun erneut durch die Locken. Sanada fühlte sich sofort schlecht und bereute die Frage, als er sah was sie bei Seiichi ausgelöst hatte. „Das war nicht böse gemeint, aber du bist hungrig, trotzdem hast du auch schon vorhin nichts gegessen, obwohl das Essen vor dir stand und ich wollte dem einfach nur vorbeugen.“ „Ich hätte schon gegessen“, antwortete er leise. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht…nicht…“ Er fand das richtige Wort nicht. „Ich bin das einfach nicht gewohnt“, antwortete er schließlich und entschuldigte sich abermals.

„Nein... ist schon okay“, sprach Seiichi nach einem kurzen Augenblick und schaute Sanada wieder an, lächelte leicht verschmitzt. „Vielleicht bin ich auch nicht so gut darin nett mit jemandem zusammenzusitzen, der mir nicht das Leben nehmen will. Oder der nicht direkt denkt, dass mir das Wort ‚Sex’ auf die Stirn tätowiert steht.“ Der Blauhaarige beugte sich vor und hauchte einen Kuss auf Sanadas Lippen. „Tut mir leid, ich wollte nicht, dass du dich unmännlich fühlst“, hauchte er. Sanada verriet nicht, dass ‚Sex‘ durchaus etwas war, dass der Kleinere deutlich ausstrahlte, besonders wenn er ihn nach den Worten so küsste. Er erwiderte den Kuss nur leicht. „Ich habe mich nicht unmännlich gefühlt, oder schlecht. Es war wirklich einfach ungewohnt. Das letzte Mal, dass das jemand bei mir gemacht hat, war ich noch ein Kleinkind.“

Doch Seiichi sah genau, was Sanada dachte, als er das Beispiel anbrachte und nach einem leisen Lachend bezüglich des Vergleichs mit dem Kleinkind legte er sachte eine Hand an Sanadas Wange und zwang diesen ihm in die Augen zu sehen. „Was hast du eben gedacht? Als ich sagte, dass ich sonst viel mehr mit Leuten zusammensitze, die entweder meinen Tod wollen oder denken, ich sei nur eine lebende Form für ungezügelte Befriedigung?“ fragte der Blauhaarige ruhig, ohne den Dunkelhaarigen aus den Augen zu lassen. „Es war deutlich, dass du dazu eine Meinung hast...“ Die Stimme klang nicht böse, es lag kein Druck darin, doch ohne Zweifel war klar, dass Sanada hier einfach direkt sein sollte – drum herum reden würde nichts bringen.

Ertappt drehte der Autor den Kopf, um sich abzuwenden, ungeachtet dessen, dass der Kleinere ihn festhielt. Als er sich daran erinnerte hielt er inne und senkte einfach den Blick. Er befand sich selten in peinlichen Situationen, weil er sich immerzu korrekt verhielt, doch dieser Moment war ihm wirklich unheimlich peinlich. Er konnte doch so etwas nicht aussprechen – zweifelsohne wäre er aber dazu gezwungen, wenn er diese Frage beantworten sollte. Seiichi kniete sich nun auf das Sofa, ließ Sanada dabei aber nicht los, sondern schaute ihn weiterhin an. Würde ein Außenstehender die Szene betrachten könnte man gut von einer verkehrten Welt ausgehen, wirkte der Autor in seinem Aufzug doch viel mehr wie jemand mit Macht und Einfluss als der junge Blauhaarige in seiner schlichten Kleidung. Allein Seiichis Ausstrahlung jedoch verriet hier seine eigene Position. „Ich reiße dir sicherlich nicht den Kopf ab, außer zu zerrst weiter so an meinen Armen, dann wäre es aber allerhöchstens ein dummer Unfall. Ich.. frage dich das, weil du eben nicht ein Teil dieser Welt bist, weil ich nicht das Gefühl habe, dass das einzige was du denkst wenn du mich siehst ist, wie ich wohl im Bett bin. Selbst wenn du mich anziehend findest, was ja kein Verbrechen ist, glaube ich nicht, dass du solche billigen Gedanken hast. Und wenn doch würdest du sie zumindest so viel besser ausdrücken, dass sie viel von ihrer Anzüglichkeit verlieren würden.“ Sanada seufzte etwas zerknirscht und ließ den Blick wieder ausweichend sinken, den er kurzzeitig gehoben hatte, um Seiichis Bewegung zu folgen. „Ich dachte, dass … Ich denke nicht nur an Sex – normalerweise sogar gar nicht – aber du bist… attraktiv…“, murmelte er irgendwo zwischen die Hände des Blauhaarigen.

Nun ließ Seiichi ihn los, aber nur um sich nach hinten zu lehnen und leise, aber auf eine unheimlich sympathische Art zu lachen. „Du hast mich eben angesehen wie eine Kuh die man zur Schlachtbank führt und ich dachte schon du sagst sonst etwas zu mir, aber dann kommt, dass ich attraktiv bin? Das ist doch nichts schlimmes. Wenn mich die Leute nur attraktiv fänden, dann wäre das Leben ja nur noch halb so schwer, glaub mir.“ Er lachte während des Sprechens immer noch. „Und das du nie an Sex denkst glaube ich dir nicht, selbst wenn ich zugeben muss, dass du tatsächlich so wirkst, als wäre dir alles was damit zu tun hat vollkommen egal. Nur es ist so: Jeder denkt irgendwann mal daran. Was ja auch kein Verbrechen ist. Es kommt einfach nur darauf an, wie man diese Gedanken auslebt, sie rüberbringt; wie man sich anderen gegenüber verhält.“

Sanada setzte sich wieder grade hin und zog seine Kleidung zurecht. Er wusste nicht wie er mit der Situation umgehen sollte. Eine Weile schwieg er einfach, ließ dieses Lachen auf sich wirken. Es war da schönste Lachen was er je gehört hatte.  Der Autor schluckte etwas. Es mochte normal sein, dass man an Sex dachte, aber er tat das normalerweise enorm selten  - und er dachte erst recht nicht bei Männern an sexuelle Dinge. Aber dieser Mann ließ die eigentümliche Spannung nie abflauen. Bei Seiichi fühlte er sich fast so lüstern wie dieser seine Umwelt beschrieb, auch wenn er einen Menschen niemals darauf reduzieren würde.

„Du hast noch nie vorher einen Mann geküsst, nicht wahr?“ fragte Seiichi mitten in Sanadas Gedanken. „Und ich war mir dieser Sache fast bewusst – natürlich kann man bei einer Person die man so gut wie nicht kennt nie genau wissen, was diese in ihrem Leben einmal gemacht hat, aber ich konnte es mir nicht vorstellen. Das aber lag nicht etwa daran, dass es nicht zu dir passt, denn du persönlich wirkst diesen Dingen gegenüber nicht zwingend ablehnend. Aber dein Image, was du selbst nach außen trägst, verbietet es dir deutlich zu machen, dass du überhaupt an so etwas normales wie Sex denkst – wie sollte es dann dazu passen, dass du grundsätzlich eigentlich Männer nicht ablehnst, nicht, weil du auf sie stehst, sondern einfach, weil du dir nie Gedanken zu diesem Thema gemacht hast. Doch als wir dort vorhin allein waren hatte ich das Gefühl, dass in dir eine Sehnsucht ist... eine Sehnsucht die vielleicht nur ich in diesem Moment geweckt habe, aber sie war trotzdem da. Und es war schön“, schloss der Blauhaarige seine Worte. Er streckte nun die Hand aus und strich sachte über Sanadas Unterarm. „Selbst wenn du mir nun sagen würdest, dass ich dich sehr wohl sexuell anziehe, selbst wenn du nie so weit gingest meinen eigenen Willen zu übergehen, dann wäre es okay.“ Wieder räusperte sich der Dunkelhaarige. Himmel, was schnitt dieser Mann denn für Themen an? Er hatte keine Ahnung, ob er damit Recht hatte und wollte es vielleicht auch gar nicht so genau wissen. Womit er auf jeden Fall einen Kern traf war, dass er nie zuvor darüber nachgedacht hatte. Dennoch… Diese sachte Berührung, dieses Geständnis, hatten trotzdem ihren Einfluss auf Sanada, selbst wenn dieser sich weigerte sich diesen Gefühlen hinzugeben. Seiichis Worte hatten ihn verwirrt, aber er hoffte nicht, dass darin auch nur ein Funken Wahrheit lag.

Seiichis Kopf ruhte auf der Rückenlehne des Sofas, die Beine hatte er leicht an sich gezogen und betrachtete Sanada, versuchte herauszufinden, was dieser nun dachte. „Hm?“ machte er deswegen auch leise, um mit diesem sachten Geräusch den Älteren aufzufordern, zu sagen was er dachte – oder eben die Fragen zu stellen, die ihm durch den Kopf gingen. „Was fragst du dich jetzt?“

Der Autor sah kurz zur Seite, wo Seiichi saß ehe er wieder den Tisch vor sich musterte. „Was an dem das du gesagt hast wahr ist“, gab er dann letztlich zu. „Und was davon meinst du?“ fragte Seiichi leise. „Dass Menschen mich gerne nur als Vorlage für Befriedigung sehen? Das stimmt ohne Zweifel auf jeden Fall.“ Die blauen Augen ruhten weiter auf Sanada und er ließ seine Hand wieder sachte über dessen Arm wandern, ganz zärtlich ohne irgendwelchen Druck. Einen Moment achtete der Autor nur auf diese Berührung, ehe er antwortete. „Nein, das was auf mich bezogen war.“ Er wusste nicht mal warum er das zugab. Seiichi war ein Fremder und Sanada gab so etwas nicht einmal vor sich zu. „Du... meinst ob ich wirklich denke, dass du meinen Willen nicht übergehen würdest und das es okay für mich ist, wenn du mich auch auf sexueller Ebene anziehend findest? Beides stimmt. Ich traue dir nicht zu, dass du irgendwem etwas antun würdest, was diese Person nicht will, egal ob ich oder sonst jemand. Zum Zweiten... nun, ich glaube es ist schwer das aus deiner Position zu verstehen, weil ja letztlich erst mal alle mich attraktiv finden und ich eingangs sagte, dass ich das nicht immer sonderlich gut finde. Da geht es aber nicht um die reine Attraktivität, sondern dem Drang, der damit fast immer verbunden ist. Ich bin nicht stolz auf die Dinge die ich in meinem Leben schon getan habe, egal welche das sein mögen, aber ich habe schon mit etlichen Menschen einfach nur deswegen das Bett geteilt weil ich wusste, dass es genau das ist was sie wollen und es wiederum etwas gab, was ich über diese Gefälligkeit von ihnen erhalten konnte. Oftmals war ihr Verlust wesentlich größer als meiner.“ Sanada schluckte leicht. Nein, das hatte er nicht gemeint und vermutlich hätte er das auch lieber nicht gewusst. Auf der anderen Seite war er nicht naiv. Er wusste, dass die Welt in der Seiichi lebte auch da anders verlief. Einen Moment schwieg er und es breitete sich Stille aus. „Ich glaube nicht, dass ihr Verlust größer war“, sagte er dann ganz leise.

Nun schluckte auch Seiichi und sah Sanada an. Bislang hatten noch nicht viele etwas in der Art zu ihm gesagt – meistens war klar, dass die Tatsache seinen Körper für eine kleine Weile einfach zur Verfügung zu stellen, das wesentlich Einfachere war. Und nun kam jemand wie der Braunhaarige und stellte diese Einstellung auf den Kopf. „Wieso?“ stellte der Blauhaarige also nun selbst die Frage dergestalt, wie bisher Sanada es immer getan hatte. Dieser sah den Blauhaarigen ein wenig irritiert an. Die Antwort war doch völlig klar. „Solche Dinge teilt man nicht mit jedem. Wann sollte man mehr von sich preisgeben, als bei dem intimsten Akt der zwischen Menschen existiert?“ Mürrisch wandte er sich wieder ab. Die Worte sagten nicht genau das aus was er ausdrücken wollte, aber er wusste auch nicht wie er es treffender ausdrücken sollte. Automatisch trat in seine Stimme eine gewisse Absolution, als er weiter sprach. „Das sollte nicht von Geschäften bestimmt sein. Niemand sollte das machen, wenn er es nicht von sich aus tun will.“

In Seiichis Blick trat etwas, das man nicht wirklich in Worte fassen konnte – es war eine eigentümliche Mischung aus Distanz, Ablehnung, Widerwillen, Zuneigung Sanada gegenüber und der Art wie er dachte, Amüsement und Unsicherheit. „Hast du dir schon einmal überlegt, dass die Prinzipien deiner Welt in meiner nicht gelten? Es ist überhaupt ein unheimlicher Spagat, wenn man versucht, aus welchen Gründen auch immer, beide Welten zu verbinden. Meistens scheitert es genau an diesen Denkweisen. Ich verstehe dich und an sich gebe ich dir auch Recht, aber gleichzeitig weiß ich, dass es in meiner Welt einen ganz anderen Stellenwert hat. Wenn ich – ganz vulgär ausgedrückt – die Beine breit mache, dann tue ich das weil ich mir selbst davon etwas verspreche, was für mich in meiner Position viel wichtiger ist. Ich habe Stolz und diesen Stolz verliere ich selbst dann nicht. Ein Akt – wenn er aus den Beweggründen eines Geschäfts geschieht – ist nicht sanft. Es ist eine Art... Kampf, auch wenn sich das vielleicht schwer beschreiben lässt. Es hat nichts mit diesen zärtlichen, liebevollen Dingen zu tun. Es ist einfach Teil eines Deals. Aber ehe du mich da gänzlich missverstehst: Das läuft nicht immer so, würde man es in Prozent messen, dann wären es vielleicht 15-20 %.“ „Und das wäre dennoch viel zu viel.“ Der Braunhaarige war selbst überrascht wie endgültig seine Stimme klang, auch wenn er nicht schrie oder lauter wurde – Sanada wurde höchst selten lauter. „Es gibt andere Wege seine Ziele zu erreichen, als sich zu verkaufen. Was-“ Er hielt inne und verweigerte sich jeglicher Vorstellung dieser Art von Sex. „Auch in deiner Welt, da bin ich mir ganz sicher, gibt es andere Möglichkeiten. Möglich, dass die nicht da sind, wenn man irgendein frisch angeheuerter Yakuza ist, aber jemand in deiner Position hat die Wahl sich zu entscheiden. Jedes einzelne Mal. Wie wollen sie dich denn zwingen? Dann kriegen sie doch genauso wenig das was sie wollen wie du. Dich töten? Ich glaube nicht, dass sie dumm genug sind das zu versuchen – du gehst sicher nicht schutzlos zu solchen Treffen und sie würden viel zu viele Geschäfte verlieren. Hier würde wirklich gelten, dass auch was einem nicht gefällt akzeptiert werden muss. Es mag der einfache Weg sein, aber man muss diesen Weg nicht gehen, auch in deiner Welt.“ Eine Weile schwieg er. Einige Gedanken schossen ihm noch durch den Kopf, aber er sprach sie nicht aus und allmählich wurde er sich dessen bewusst wie das klingen musste was er sagte. „Entschuldige, es geht mich nichts an.“

Nun kam Seiichi wieder zu ihm, beugte sich vor. „Vielleicht will ich gar keinen anderen Weg, vielleicht macht es mir Spaß auf diese Art und Weise meine Macht zu zeigen und mit meinem Gegenüber zu spielen. Vielleicht bin ich sogar gerne in der Position die Lust der Menschen auf mich so schamlos auszunutzen, dass sie mich anflehen sie zu vögeln!“ Wenn Sanadas Stimme nicht lauter geworden war, Seiichis wurde es alle Mal. Zwar schrie auch er nicht, aber die Veränderung war nicht zu verkennen. „Und selbst wenn! Nenn mir einen den es interessiert was ein Yakuza fühlt! Zeig mir einen Menschen der Mitleid hätte!“ Die schöne Stimme bebte, doch Seiichi wollte sich das nicht eingestehen. „Ich bin ein Monster. Verstehst du das nicht? Meine Schönheit und mein Körper sind meine Eintrittskarte zu allen Geschäften die ich haben will. Aber ich bin und bleibe ein widerliches Wesen!“

Sanada stand auf und lief ein Stück in den Raum hinein. Erst als er seinen Ärger kontrolliert hatte, wandte er sich wieder Seiichi zu.

„Du kennst nur deine Welt und ja, die meisten Menschen fürchten sie, aber du hast vergessen, dass es da draußen eine andere Welt gibt; das eigentliche Leben läuft anders. Du willst wissen wen es interessiert was ein Yakuza fühlt? Mich zum Beispiel. Und ich bin weiß Gott nicht der Einzige. Vielleicht gibt es sogar welche unter deinesgleichen, nur sie zeigen es nicht, eben weil sie es in eurer Welt nicht dürfen, aber das ändert nichts daran, dass es so ist.“ Jedes Wort war beherrscht, aber Sanadas Ärger war dennoch spürbar. Seine Augen finster zusammengezogen und seine Worte tief und hart. „Es geht mich nichts an, aber dann erzähl mir nicht davon. Es ist mir nicht egal was du fühlst, aber ich habe kein Mitleid mit den Entscheidungen die Menschen freiwillig treffen, weil sie – berechtigt oder unberechtigt – ihr Schicksal hingenommen haben und sich den einfacheren Wegen beugen. Ich kenne dich nicht. Aber ich glaub dir nicht, wenn du behauptest, dass es dir gefallen würde.“ Und bei diesem letzten Satz war das erste Mal mehr als Ärger oder ernste Kritik, sondern Verachtung in Sanadas Stimme zu hören. Nicht gegenüber Seiichi, sondern einzig gegenüber der Lüge an sich.

Kurz schwieg der Blauhaarige. Jeder andere wäre dafür ohne Zweifel entweder gestorben oder zumindest hätte er sein schönes Leben verloren – hätte alles verloren was ihm lieb war. Eine derartige Kritik übte man nicht an jemandem, von dem man ganz genau wusste, wer und was er war. Doch seltsamerweise imponierte Seiichi genau dieses Verhalten. Sanada benahm sich erneut so untypisch im Vergleich zu vielen anderen, denen er im Laufe der Zeit begegnet war – von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen. Gleichzeitig erinnerte es ihn an jemanden, an den der Blauhaarige heute schon einmal gedacht hatte und es traf ihn mehr, als er zugeben wollte. Es gab zwischen den beiden Personen – seinem toten Freund und dem Autor – nicht viele charakterliche oder gar optische Ähnlichkeiten. Sie waren vollkommen unterschiedliche Personen, jedoch war die Argumentation ähnlich. Sie wollten Seiichi beide klar machen, dass es Dinge gab, die nicht unbedingt richtig waren – nur weil man sie ‚eben so machte’. Damals jedoch hatte Seiichi selbst noch viel eher daran geglaubt, dass es in seiner Macht läge, die Dinge zu ändern – selbst wenn es nur Kleinigkeiten waren. „Es gefällt mir... nicht so, wie es mir zum Beispiel gefallen hat, dich zu küssen. Dazwischen liegen ohne Frage Welten. Aber ich kann solange damit umgehen, bis nicht jemand versucht die Oberhand über mich zu gewinnen. Und auch wenn es seltsam klingt, selbst die großen und breit gebauten Männer stehen dann doch im Bett darauf, wenn ich es bin der die Führung übernimmt.“ In den Worten schwangen viele Emotionen mit. Es wurde deutlich, dass es auch nicht unbedingt Seiichis Traum war diese Dinge so zu handhaben und er es deswegen so oft es ging vermied – wenn es möglich war.

Eine Weile schaute der Blauhaarige einfach nur nach unten, hob dann den Blick und sah Sanada an. „Genichirou“, sagte er leise, fast schon bittend. „Auch wenn es für dich jetzt total absurd klingt und gar nicht zu mir oder zu der ganzen Unterhaltung passt, aber... wäre es vermessen, wenn ich dich bitte mich einfach festzuhalten?“

Die Augen des Autors weiteten sich langsam – nur ganz leicht – in einem Ausdruck der Überraschung, dennoch besänftigte es den Ärger, den schon der Moment der Stille und die weitaus ehrlichere Antwort Seiichis etwas gedämpft hatten. Einen Moment blickte der Autor diesen ungewöhnlichen Menschen nur an, ehe er schweigend langsam näher kam und sich neben Seiichi auf die Couch setzte. Die ganze Zeit über sah er ihn an. Als er schließlich neben ihm saß hob er ebenso langsam die Arme und zog den Kleineren leicht an sich. Nur ein sachtes, kurzes Drücken, damit er verstand, dass er ihm jetzt folgen konnte.

In diesem Augenblick war Seiichi froh, dass Sanada nichts sagte, keine Vorwürfe, keine weiteren Nachdrücklichkeiten, sondern einfach nur das stumme Zugeständnis. Vorsichtig rutschte er näher, schmiegte sein Gesicht dann an die Brust des Älteren und atmete erneut an diesem Abend den sanften Duft des After-Shaves ein. Bei niemandem sonst zeigte er seit Jahren diese Form der Schwäche, wieso dann ausgerechnet bei einem quasi Fremden? Wieso war es bei Sanada so leicht – der Autor könnte genauso gut böse Absichten hegen. Doch Seiichi glaubte nicht daran, spürte einfach, dass sein Gegenüber nicht vor hatte irgendwas zu tun, was Seiichi schaden könnte. Die Arme schlossen sich sachte um Seiichi, ohne jeglichen Anflug der Bedrohung und hielten ihn fest. Es war ein kräftiger Druck, aber kein Gefängnis.

Für einen Moment geschah einfach gar nichts. Der Raum war ganz still, während sie so da saßen und sich nicht weiter rührten. Sanada liefen verschiedenste Gedanken durch den Kopf. Daran wie gut es sich sonderbarerweise anfühlte diesen fremden, jungen Mann auf diese Art und Weise festzuhalten; erneute Vergleiche zwischen Frau und Mann, die Frage, ob er zu weit gegangen war, der Gedanke, dass er es trotzdem nicht hätte verschweigen können und die Erkenntnis, dass es ihm – obwohl es keinerlei Rolle spielte – wichtig war das ausgesprochen zu haben. Die Erkenntnis, dass es eigentlich dumm gewesen war – mal wieder, denn bei jedem anderen Yakuza wäre er für seine Worte gestorben, dessen war er sich bewusst.

Er atmete tief ein und wieder aus. Mit jedem Stück, das die Luft langsam aus ihm hinaus wich, wurde der Braunhaarige ruhiger und einen Moment später spürte er seidige Strähnen an seiner Nasenspitze kitzeln. Kurz blinzelte er, gab dann aber seiner automatischen Bewegung nach und legte den Kopf ganz auf Seiichis Haarschopf ab. Er würde unweigerlich merken, wenn er zu weit ging.

Der Blauhaarige nahm es ihm nicht übel, dass er die Dinge so direkt ausgesprochen hatte – die Verwunderung hatte viel mehr daher gerührt, dass es sonst höchst selten jemand tat. Natürlich gab es Personen die es versuchten, aber die waren in der ungünstigen Position sich das Recht nicht herausnehmen zu können. Seine eigenen Leute – von den zwei engsten Vertrauten abgesehen – sprachen nie so direkt mit ihm, und selbst die hielten sich dabei noch etwas zurück. Seiichi hatte die Augen geschlossen und hob die Hand, um mit den Fingerspitzen kleine Kreise auf Sanadas Brust zu malen.

Zuneigung. Sanftheit. Stille.

Seiichi genoss es, von Sanada so gehalten zu werden, obwohl ihm auch klar war, dass es für den Älteren keine alltägliche Situation war. Trotzdem wirkte es so, als würde es ihn nicht wirklich stören. Irgendwann hob Seiichi erneut seinen Kopf, um Sanada direkt in die Augen zu blicken. Wieder waren sie sich ganz nah, wie schon einmal an diesem Abend – auf der Gala. Die süßen Lippen waren leicht geöffnet, während die blauen Augen sanft auf Sanadas Gesicht ruhten. Seine Hand wanderte dabei von der Brust nach oben, glitt sachte über den Hals in den Nacken und streichelte leicht darüber, spielte mit den Haarsträhnen im Nacken des Autors. Dieser ließ alles zu, sah den Kleineren nur schweigend an und bemühte sich die sich anbahnenden Gefühle in Schach zu halten. Er scheiterte jedoch, als er die Hand sachte in seinem Nacken spürte und ein Schauer durch seinen Körper jagte, welcher eine Gänsehaut hinterließ. Es war so ein schönes Gefühl, wenn auch völlig fremd, wie das Füttern zuvor. Sanada spürte wie seine Atmung schwerer ging und sich ein eigenartiges Gefühl in seinem Magen einstellte. Er blieb einfach so sitzen, hielt Seiichi weiter fest, in der Hoffnung der Moment würde genau so verharren. Und allein weil Sanada ihn weiter so ansah, ihn weiter festhielt, überwand Seiichi sein eigenes Zögern und legte seine Lippen erneut auf die des Älteren.

Sofort war da wieder dieses eigentümliche Gefühl, welches er nicht in Worte zu fassen wusste, es aber als durchaus schön – wenn auch irgendwie fremd - empfand, wie etwas aus einer lang vergessenen Zeit. Und kaum spürte er die süßen Lippen wurde der Kuss feuriger. Seiichi rutschte mehr an ihn und hielt ihn weiter sachte mit der Hand im Nacken fest. Der Autor atmete bemüht ruhig, wenn auch etwas zittrig, aus und erwiderte den Kuss. Seine Hände wanderten etwas enger um Seiichis Körper, als seine Augen zufielen. Sanada ertastete etwas Hartes, das im Weg war. Es dauerte einen Moment bis er begriff was er da ertastete, ein Waffenhalfter, straff und gefüllt – zweifelsohne mit einer geladenen Waffe. Diese Feststellung ließ Sanada einen Moment inne halten, riss ihn zurück in die Realität und zum ersten Mal schmeckte das alles hier einen Hauch echt, es war der bittere Beigeschmack der Wirklichkeit. Sonderbarerweise schien es den Braunhaarigen jedoch nicht im Geringsten zu erschrecken. Es war ein kleines Detail was alles glauwürdig und damit wieder real machte und dessen Existenz so wenig überraschend war, dass er es nur zur Kenntnis nahm. Seine Hände suchten sich eine andere Stelle, wo sie die Waffe nicht berühren konnten und er nahm den Kuss wieder da auf, wo er ihn unterbrochen hatte, während alles was sie getan hatten und jetzt taten erneut durch seine Gedanken lief – nur diesmal viel realer. Letztlich löste er den Kuss doch, etwas atemlos und sah schweigend in die blauen Augen. Sein Blick war ganz unvoreingenommen, ohne Angst oder Ablehnung, aber Seiichi konnte auch sonst nichts darin lesen. Er schien ruhig zu sein, vielleicht einen Hauch sanft.

Seiichi wusste sofort dass Sanadas Hand gegen die Waffe stieß und am liebsten hätte er sich selbst geohrfeigt. Nun würde er sicher.... Doch nichts von dem was Seiichi annahm geschah. Einen Moment nur dauerte die kleine Pause und dann küsste der Autor ihn wieder, zog ihn näher. Der Kleinere schlang aufs Neue beide Arme um den Älteren, zog ihn mehr zu sich und hätte ihn am liebsten gar nicht mehr losgelassen, bis... ja bis es dann doch wieder Sanada war, der inne hielt um ihn zu betrachten. Einen Moment zögerte der junge Blauhaarige, öffnete dann aber doch die Augen. „Was ist?“ fragte Seiichi.

Im ersten Moment wusste Sanada nicht was er antworten sollte, wie er die Worte formen sollte, ehe er antwortete: „So langsam wirkt es doch etwas real.“ Wie dumm es klang. Dennoch nahm Sanada es nicht zurück. Anstatt ablehnend, klang er eher erleichtert und man merkte, dass er noch im Moment der Realisation war. Fast sah er den Blauhaarigen an, als sehe er ihn zum ersten Mal. Doch Seiichi stieß es zurück, selbst wenn er durchaus verstand das Sanada es nicht böse meinte. Er glitt mit der Hand zu der Waffe und machte die Halterung ab, warf sie auf den Tisch. „Weil ich eine Waffe trage? Weil dir klar geworden ist wie leicht ich dich erschießen könnte? Oder wieso ist es nun plötzlich real?“ Er wusste, dass es eigentlich nicht fair war, aber aus einem Grund, den er nicht näher erläutern konnte, war er verletzt. „Ist dir jetzt klar, dass ich wirklich das bin, was ich dir glauben machen wollte, ja?“ Er konnte nicht weiterreden, schaute Sanada an und ihm war nicht klar, wie viele Emotionen in seinen schönen blauen Augen zu sehen waren. Sein Gegenüber blinzelte etwas verwirrt, denn ihm war nicht klar was er jetzt falsch gemacht hatte. Darum antwortete er nicht direkt. „Ich wollte dich nicht…“ Nicht was? Er wusste ja nicht mal was er getan hatte. „Was hast du?“, fragte er anschließend. "Ich..frage mich ob du mich nun, wo du es ja ganz sicher weißt, abstoßend findest. Bisher hast du es ja scheinbar nur so halb geglaubt, aber jetzt ist da die Gewissheit..." Seiichi schaute nun wieder auf das Sofa und seufzte leise. Seltsamerweise wollte er nicht das Sanada ihn widerlich fand, auch wenn er sich seine eigene Abscheu gegen diese Möglichkeit nicht erklären konnte.

Sanada schüttelte den Kopf und schloss die Augen kurz, bevor er Seiichi wieder ansah. „Glaubst du ich bin nur hier weil ich dir nicht geglaubt habe? Dass ich gespielt habe, wie ein kleines Kind und jetzt realisiere, dass ich falsch lag? Glaubst du ich renne jetzt schreiend weg?“, stellte er ruhig eine Frage nach der anderen. Einen Moment sah er auf die Waffe, welche neben ihnen auf dem Tisch lag. „Ja, die Waffe hat alles realer werden lassen.“ Sein Blick wanderte wieder zu dem Kleineren und er sah mit festem Blick direkt in die blauen Augen. „Aber realer heißt hier nur greifbarer, vorstellbarer – nicht, dass ich es erst jetzt glaube. Ich wäre nicht mit dir mitgekommen, wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre was die Wahrheit ist.“

Kurz ließ der Braunhaarige seine Worte einfach nur wirken, ohne den Blick abzuwenden. Erneut breitete sich die Stille aus, doch sie war nicht drückend.

„Ehrlich gesagt ist es nicht einmal eine Überraschung, diese Waffe zu sehen“, gab der Autor letztlich zu. „Ich habe mir nicht direkt Gedanken darum gemacht, ob du eine bei dir hast, aber das tut man bei einem Polizisten auch nicht, nicht wahr? Dennoch ist es naheliegend, dass er eine hat.“ Seiichi hörte ihm zu, nickte leicht. "Du hast Recht", gab er dann zu. "Natürlich macht es das nur realer." Einen Moment schwieg er erneut. "Entschuldige...ich wollte dich nicht verurteilen. Ich hatte nur für einen Moment.... Angst." Der Blauhaarige streckte die Hand aus und berührte Sanada am Arm. "Verzeih. Es war nur so schön dich erneut küssen zu können und dann war es plötzlich wieder vorbei." Fast wirkte Seiichi dabei ein wenig schmollend. Der Autor unterdrückte ein Schmunzeln und ein leises Lachen, was bei ihm nur selten vorkam. „Ich brauchte nur einen Moment das bei mir ankommen zu lassen.“

"Du siehst sehr attraktiv aus wenn du lächelst", meinte Seiichi und betrachtete ihn aus seinen blauen Augen. "Und du ziehst mich so noch viel mehr an", brachte er etwas heiser hervor. Selbst damals vor zehn Jahren war die Anziehung nicht so extrem gewesen wie es jetzt der Fall war - vielleicht weil er heute älter war und die Dinge anders greifen konnte. Der Autor schluckte etwas verlegen und erwiderte nur schweigend den Blick. Es hatte einen ganz eigentümlichen Reiz zu wissen, dass Seiichi ihn ebenfalls attraktiv fand – und noch nie hatte jemand ihm ein Kompliment über sein Lächeln gemacht. Vor allem lenkte es das Thema wieder auf ihre Zweisamkeit und sie waren sich noch immer so nahe… Der Blauhaarige rutschte nun wieder etwas näher. "Jetzt, wo du dir ganz sicher über das bist was ich bin, können wir ja wieder interessantere Dinge angehen", wisperte Seiichi und rutschte nun auf den Schoß des Autors. "Außer Sie haben noch Einwände, Herr Autor." Sanada sagte nichts dazu, rückte sich einfach nur in eine Position in der Seiichi nicht fallen konnte und legte die Arme mehr um ihn. Keinen Moment wandten sich die braunen Augen von denen seines Gegenübers ab. Er musste sich eingestehen, dass er sie wunderschön fand. Seiichi ließ ihn, legte nur sanft einen Arm um ihn. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen und er streichelte mit den Fingerspitzen sachte wieder über Sanadas Nacken. Die Wärme des anderen Körpers lockte ihn und er rutschte noch näher an ihn heran.

Warum nur fühlte Seiichi sich so gut an? Was an diesem Körper war es? Sanada hatte keine Ahnung. Aber in diesem Moment war er völlig entspannt und zufrieden. Zufriedener als zu Hause oder sonst jemals zuvor. Er fühlte sich aufrichtig wohl. Es war fast ein wenig absurd und doch war es die blanke Wahrheit. Einen Moment später riss er sich zusammen, als er sogar die Augen hatte schließen wollen, um das Kraulen in seinem Nacken mehr genießen zu können. Bisher hatte niemand das bei ihm so gemacht, allerdings stellte der Autor fest, dass es ihm unheimlich gut gefiel.

Dieses Mal zögerte Seiichi nicht so lange, sondern küsste den Älteren wieder. Sanada zog ihn an, so sehr, dass es fast weh tat sich dagegen zu wehren. Wie konnte das möglich sein bei einem Menschen den er nur wenige Stunden kannte? Und wieso wollte er nicht einmal widerstehen? Wieso ging er das Risiko ein sich zu verlieren? Der Ältere legte eine Hand in Seiichis Haare und erwiderte den Kuss. Wie sonderbar natürlich er reagierte auf alles was der Kleinere tat. Und wie er es liebte durch diese seidigen Haarsträhnen zu fahren, die sich so widerspenstig um seine Finger wickelten. Er vertiefte den Kuss und genoss einfach nur den Moment. Vorsichtig strich Seiichi während des Kusses das Jackett von Sanadas Schultern und vertiefte den Kuss weiter. Wieder begann er sachte die Zunge des Autors zu umspielen, erneut stupsten ihre Zungenspitze sich immer wieder an und dieses Mal war es Seiichi dem ein Keuchen entfuhr. Sanada spürte einen Hitzestoß durch seinen Magen fahren, als Seiichi das Jackett von seinen Schultern strich. Einen Moment später ließ er ihn und vertiefte den Kuss. Irgendwo in seinem Hinterkopf spukte die vage Frage wo das enden würde.  Auch Seiichi fragte sich das. Er hatte keinen Plan, kein Ziel. Im Prinzip dachte er auch jetzt nicht nach, sondern folgte einfach einem Sog. Er wollte Sanadas Haut berühren, nur für einen Moment, weswegen er die Krawatte löste und ein paar Knöpfe des Hemdes öffnete. Ganz leicht legte er die Hand auf die nun freigelegte Haut und es war wie ein Blitzschlag unter seinen Fingerspitzen. Ein Blitzschlag auch auf Sanadas Körper. Er keuchte auf. Peinlich berührt sah er Seiichi nur an. Der Autor war es gewohnt beherrscht zu sein, aber das hier war so wundervoll, er konnte nicht beherrscht bleiben. Nicht wenn diese Hitze aus ihm raus brach. Seine Hände zogen den Kleineren ganz von selbst noch etwas näher. Er wollte diese Hände auf seiner Haut spüren, trotz der Nervosität die es in ihm ausgelöst hatte, als Seiichi ihn auszog. Dabei zog der Kleinere ihn gar nicht weiter aus, streichelte mit den Fingern einfach nur über die Stellen, die er nun erreichen konnte. Die Haut des nur wenig älteren Mannes unter seinen Fingern berauschte ihn, sie fühlte sich heiß an, zeigte ihm wie sehr auch der Autor genoss was sie hier gerade teilten. Den Kuss ließ Seiichi in etwas noch feurigeres wechseln, wollte Sanada betören ohne genau zu wissen warum. Die Hände, die ihn so festhielten, lockten ihn und kurz erwischte er sich dabei sich vorzustellen wie es wohl wäre diese auf dem eigenen Körper zu spüren. Dabei ging es nicht einmal um Sex - denn Seiichi glaubte nicht das er der Mann sein sollte der mit Sanada schlief, so viel Wert schrieb er sich einfach  nicht zu. Aber es konnten durchaus andere intime Dinge geschehen. Seine andere Hand wanderte in das dunkle Haar und er strich schon fast fahrig hindurch.

Es machte den Älteren fast verrückt was Seiichi tat. Er erwischte sich dabei, dass er schon gar nicht mehr alles merkte was im Einzelnen geschah. Ein Keuchen entwich ihm abermals, doch diesmal brach er den Kuss nicht. Seine Hand wanderte ganz von alleine zum Saum des Oberteils und fuhr langsam darunter. Sanada hielt inne, als er merkte was er tat. Es war einfach ganz natürlich über ihn gekommen, aber er konnte doch nicht einfach… Doch er konnte und es war auch wirklich ganz leicht, denn das Oberteil war durch die Bewegungen schon etwas verrutscht und lud quasi dazu ein, die weiche Haut zu berühren und darunter zu schlüpfen. Seiichi erschauderte als er Sanadas warme Hand spürte und fast wie von selbst schmiegte er sich etwas dagegen, während er den Kuss weiter aufrecht erhielt. Die Lippen des Autors waren so unglaublich süß und anziehend. Er konnte einfach nicht von ihm lassen. Also strich Sanada weiter und schlüpfte mit der  Hand ganz unter den Stoff, wo er die weiche Haut am Rücken streichelte. Wirklich, er fragte sich, ob es normal war, dass die Haut des jungen Mannes auf seinem Schoß so verdammt zart war.

Seiichi musste sich eingestehen, dass die Berührung - so unverfänglich sie auch war - ihn erregte, lockte. Der Autor erregte ihn, wie es schon lange kein Mensch mehr getan hatte. Wie schon zuvor auf der Gala rutschte er auf das Sofa, zog Sanada über sich und schmiegte sich an den Älteren. Innerlich hoffte Seiichi einfach, dass der Dunkelhaarige dieses Mal nicht stoppte. Eine Hand vergrub er erneut in den Haaren, die andere wanderte über den Rücken, zog das Hemd etwas hoch und glitt nun auch darunter, um die Haut direkt über dem Bund der Hose zu berühren. Für diesen Moment konnte er vergessen, wer und was er eigentlich war. Bei Sanada fühlte er sich einfach nur normal weil der Ältere ihn nicht verurteilte.

Sanada hörte nicht auf. Als Seiichi ihn unter seinem Hemd berührte, keuchte er leise und schmiegte seinen Unterleib sogar noch mehr an den Kleineren. Wieder intensivierte er den Kuss und ließ die berauschenden Gefühle einfach über sich hinweg schwemmen. Und wieder einmal erwischte Seiichi sich dabei wie er sich fragte, was genau hier geschah. Er wusste aus Büchern und Filmen, dass Menschen sich manchmal trafen und plötzlich eine derartige Anziehung herrschte, als würde man sich schon lange kennen, obwohl man sich gerade das erste Mal traf. Für ihn als Yakuza jedoch gab es solche Bindungen nicht – er glaubte auch schon lange nicht mehr daran, war nicht so naiv zu denken, dass es so etwas wie Frieden für ihn gab. Doch Sanada vermittelte ihm eben genau das Gefühl und tief unter der Oberfläche machte es Seiichi Angst. Es war so leicht sich darin zu verlieren, es zu genießen, gleichzeitig war dem Blauhaarigen auch bewusst, dass er sich damit weniger selbst, als vielmehr den Älteren in Gefahr brachte, weil jede Sekunde ihm deutlicher machte, dass es ihm nicht leicht fallen würde sich von Sanada zu lösen – wider besseren Wissens und jeglicher Vernunft.

Der Blauhaarige schob den Gedanken zur Seite, er würde sich damit unweigerlich eines Tages  auseinandersetzen müssen, jedoch wollte er jetzt einfach genießen und sich fühlen wie ein ganz normaler Mensch. Innig küsste er Sanada weiter, schlang sachte ein Bein um dessen Hüfte und drängte sich so nur noch mehr an den Dunkelhaarigen. Er konnte nun wieder die Hitze des anderen Körpers so deutlich spüren und ein leises Stöhnen kam über seine Lippen – ein Geräusch voller Sinnlichkeit und Sehnsucht; Sehnsucht nach dem Autor, der über ihm war.

Dieser stockte keuchend, als er den Laut vernahm und abermals eine Hitzewelle durch seinen Körper raste. Er stützte sich mit beiden Unterarmen neben dem Kleineren ab und vergrub seine Hände in dessen Haar und an dessen Schulter, als er einen Moment brauchte sich zu fangen, bevor er völlig abstürzte. Die Empfindungen fühlten sich einfach nach  mehr an als er aushalten konnte – vielleicht lag das aber auch nur daran, dass Sanada das hier so verdammt selten tat. Während Sanada keuchend Luft holte blickte Seiichi ihn sachte von der Seite an. „Alles okay?“ fragte er leise und strich mit einer Hand über Sanadas Oberarm.

Auch er tat das hier sicherlich nicht dauernd und schon gar nicht so. Und er hoffte, dass Sanada nicht dachte, dass er nun nur einer von vielen auf Seiichis imaginärer Liste war, dem war nämlich ganz sicher nicht so. Der Blauhaarige drehte seinen Kopf leicht und hauchte kleine Küsse auf Sanadas Wange und dessen Hals, soweit er diesen aus der Position heraus erreichen konnte. „Ich möchte nicht, dass du dich schlecht fühlst, oder gar denkst ich würde so etwas dauernd mit irgendwelchen netten Männern machen, die ich treffe. Das ist nämlich sicher nicht der Fall. Das hier ist... das habe ich noch nie gemacht“, gestand er dann. „Ich... nehme nie irgendwen mit, egal ob nach Hause oder in dieses Hotelzimmer. Und... ich möchte das du weißt, dass es wunderschön ist mit dir...“ Dem Blauhaarigen war wichtig, dass Sanada verstand, dass er für den jungen Yakuza nicht einfach irgendwer war. Kein dahergelaufener Abendspaß. Eine Weile reagierte er gar nicht, dann legte sich Sanada vorsichtig ganz auf Seiichi und vergrub sein Gesicht irgendwo an dessen Halsbeuge ohne ein weiteres Wort. Der Blauhaarige schluckte, als der Ältere ihm nun so gänzliche nahe war, die einzige Trennung ihrer Körper nur durch ihre Kleidung vorhanden war. Sachte streichelte er wieder über den freigelegten Rücken, berührte die heiße Haut und glitt fast schon in einer beruhigenden Geste darüber.

„Genichirou“, kam der Name des Autors so unglaublich sehnsüchtig und süß über die Lippen Seiichis, dass der Laut fast untergegangen wäre, wenn die Lippen des Blauhaarigen sich nicht direkt neben Sanadas Ohr befunden hätten. Diesmal war es an ihm zu schlucken. „Ja…?“, fragte er leise mit etwas rauer Stimme. „Was ist?“ Seiichis Stimme war leise und sanft. Seine Hand streichelte den Älteren immer noch, spürte die feinen Muskeln am Rücken und nahm wieder dieses lockende Verlangen wahr. Er war sich sehr wohl bewusst, dass Sanada zwischen seinen Beinen lag und der Blauhaarige versuchte krampfhaft nicht zu sehr darüber nachzudenken, was das in ihm auslöste. Wieder dauerte es einen Moment bis er seine Antwort bekam, mit der gleichen rauen Stimme wie zuvor: „Es ist alles in Ordnung.“ Die Erregung war hörbar. „Sicher?“, fragte Seiichi sicherheitshalber noch einmal nach und streichelte weiter über Sanadas Rücken. Die Erregung nahm er sehr wohl wahr und sie ließ ihn erschaudern, aber er wollte den Älteren auch nicht zu irgendwas drängen, was dieser vielleicht gar nicht richtig wollte. Nach einer kurzen Pause schlang Seiichi dann auch das andere Bein um Sanada und schmiegte sich mehr an ihn. Sanada wollte gerade nicken, als er das tat und schluckte stattdessen. „Ja“, gab er dann leise zurück und atmete tief diesen verführerischen Duft des Jüngeren ein.

„Wieso versteckst du dich dann?“, lautete die Frage des Blauhaarigen leise und er hauchte ihm einen Kuss ins Haar. Es war so eine vertraute Geste, wie sie eigentlich gar nicht zu ihnen passte – kannten sie sich doch gerade erst wenige Stunden. Und doch wirkte sie auf der anderen Seite natürlich. Seiichi zog das Hemd höher und wollte Sanada damit signalisieren, dass er es ihm ausziehen wollte. „Darf ich?“ fragte er vorsichtshalber. „Ich... möchte dich näher bei mir spüren. Deine Haut fühlt sich so verführerisch an.“ Der Ältere konnte sich nicht entscheiden welche Frage ihm peinlicher war, doch er nickte nur und erhob sich nach einem leisen „Un“, wieder etwas, damit Seiichi in der Lage war, die Knöpfe zu öffnen.

Jemand wie du III

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

China


 

Kapitel Drei

-China-
 

01. November 2010 – 12:00 Uhr
 

Zwei Wochen waren seit dem Galaabend vergangen. Mit zusammen gezogenen Brauen löste der Autor eine Hand von der Tastatur seines Laptops und griff halb blind nach der Tasse, welche neben selbigem stand. Das unregelmäßige, aber stetige Geräusch der gedrückten Tasten wurde langsamer, als er einhändig den Satz beendete und sich etwas mehr aufrichtete. Verdutzt zog Sanada die Tasse wieder von den Lippen und blickte darauf hinab. Leer. Der Braunhaarige war sich dessen gar nicht bewusst gewesen. Mit einem leichten Seufzen stellte er sie zurück und fuhr sich durch die Haare, während er sich in seinem Sessel zurück lehnte. Für den Moment gönnte er seinen Gedanken eine Auszeit.

Seit Stunden saß er an dem großen Antikholzschreibtisch und schrieb an seinem aktuellen Werk. Er hatte diese Nacht kein Auge zugetan, war dafür aber ein beachtliches Stück weiter gekommen. Suzuki würde erfreut sein das zu hören, wenn sie das nächste Mal sprachen und für Sanada war es eine willkommene Ablenkung und ein großes Stück Befreiung. Die letzten Tage hatte der Autor viel Zeit in seinen Gedanken zugebracht und nicht selten war er von seiner Arbeit abgelenkt gewesen – oder von seinem schlechten Gewissen. Etwas geschafft zu haben, die drängende Arbeit in seinem Nacken zu schmälern, war ein gutes Gefühl. Und die Ablenkung die es bedeutete, konnte er momentan sehr gut gebrauchen.

Mit einem Klick auf die kleine Diskette seines Schreibprogrammes, womit er das Dokument noch einmal sicherte, stand der Autor letztlich auf, um in die Küche zu gehen und sich einen weiteren Kaffe zu machen. Er lief durch den spärlich beleuchteten Raum, dessen Licht durch die dunklen Bücherregale, welche bis an die Decken reichten und prall gefüllt waren mit Büchern, Aktenordnern und anderen Büroartikeln, noch gedrückter wirkte und schaltete an der Türe das große Licht an. Seine Augen rebellierten und er musste augenblicklich blinzeln. Jetzt erst merkte er wie überanstrengt sie von der langen Arbeit unter einer einfachen Schreibtischlampe waren. Vielleicht sollte er erst einmal eine Pause machen, etwas essen und danach seine Arbeit fortsetzen. So weit wie er gekommen war, fühlte er sich etwas besser bei einem solchen Beschluss und setzte seinen Weg aus dem Zimmer, die kurzen Stufen hinunter in den Flur, links in das große Wohnzimmer und die davon abgehende Küche fort, um ihn in die Tat umzusetzen. Er griff nach der Kaffeekanne und stellte fest, dass auch sie leer war. Sogleich machte Sanada sich daran neuen aufzubrühen. Vermutlich sollte er auch duschen. Das würde ihm und seinem Körper gut tun. Danach würde die Arbeit viel leichter von der Hand gehen. Seufzend schaltete er die Maschine ein und streckte sich ein wenig. Seine Schritte führten ihn zum Kühlschrank, suchten etwas das er zu sich nehmen konnte und auf seiner Liste entstand ein weiterer Punkt. Sobald es hell wurde und die Supermärkte offen waren, würde er einkaufen gehen – was hieß: jetzt war nur für einen kleinen Snack Gelegenheit. Außerdem würde er im Verlag vorbei gehen und Suzuki die aktuelle Datei bringen, um um Zwölf zum Kendo und danach Mittagessen zu gehen. Am Nachmittag würde er weiter schreiben.

Während Sanada seinen Tagesplan im Kopf sorgsam durchging, korrigierte und formte, wurde das stetige Köcheln der Kaffeemaschine im Hintergrund lauter und leiser, bis das kleine Licht erstarb. Vor seinem Küchenfenster begannen die Vögel allmählich zu zwitschern, um den herannahenden Morgen anzukündigen.

Als Sanada aus der Dusche stieg, fühlte er sich tatsächlich wesentlich erfrischter. Seine Glieder hatten sich aus der steifen Haltung gelöst und seine Augen Gelegenheit gehabt sich wieder zu erholen. Der Duft von frischer Seife und Shampoo folgte ihm und er verspürte ein deutliches Hungergefühl. Vor seinem Fenster war es inzwischen hell geworden. Erste Sonnenstrahlen fielen in die Wohnung, tauchten alles in ein angenehmes Licht und die Vögel gaben sich Mühe, ihre bisherigen Leistungen noch um einiges zu übertreffen. Sanada setzte sich, aß und trank einen weiteren Kaffee.

Sein Blick fiel auf die Zeitung, welche am Tischrand lag. Sie war bereits zwei Wochen alt und auf der Titelseite prangte in großen Lettern die Schlagzeile, welche man für den damaligen Tag als Aufhänger gewählt hatte: »Die 47. Mizuhara-Gala – ein Millionenschwerer Erfolg«. Der Inhalt des Artikels war schnell zusammengefasst: In ausschweifenden Worten wurde die diesjährige Gala gepriesen, sämtlichen Spendern und Helfern ein Dank ausgerichtet. Es wurde sogar sein eigener Name genannt und seine wochenlange Arbeit gelobt, weswegen Suzuki ihm diese Ausgabe mitgebracht hatte. Der eigentliche Punkt war jedoch, dass in dieser Ausgabe auch ein anderer Name stand. Sein Name: Yukimura Seiichi. Der Artikel griff seine großzügige Spende von mehreren Millionen und die stetig herrschenden Gerüchte über die vermeintlich schmutzige Herkunft des Geldes auf.

Sanada hatte dort noch geglaubt es würde das Letzte sein, was er von diesem Mann hörte. Sie hatten sich am nächsten Morgen in der Frühe verabschiedet, um beide ihren Geschäften nachzugehen. Er hatte nicht mehr nach einem weiteren Treffen gefragt, obwohl er stark versucht gewesen war. In seinen Gedanken erinnerte er sich gut daran wie schwer der Blauhaarige sich alleine mit der Einladung in das Hotel getan hatte und Sanada war kein aufdringlicher Mensch. Seiichi selbst hatte nichts gesagt.

Sie hatten sich nicht wieder gesehen, doch der Blauhaarige hatte andere Wege gefunden Kontakt zu ihm aufzunehmen.

Das Geräusch einer Türe im Hausflur holte den Autor in die Gegenwart zurück und er stand auf, um sein Geschirr weg zu stellen, goss sich einen weiteren Kaffee ein und ging zurück in sein Arbeitszimmer.
 

Es war um Punkt neun Uhr, als das Schellen der Türklingel den Autor aus seiner Arbeit riss. Er hatte gerade den letzten Abschnitt von Kapitel Acht beendet und machte sich Gedanken darüber, wie er das neue Kapitel am Nachmittag starten sollte. Wieder speicherte er mit Klick auf die Diskette und klappte seinen Laptop zu, bevor er zur Türe ging, um aufzumachen.

Sanada Genichirou erwartete keinen Besuch – den erwartete er nie. Er war auf seine Arbeit konzentriert, hatte nicht viele Bekannte und schon lange keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Zu erraten, dass eine übermotivierte Suzuki seine Wohnung stürmen würde, sobald er die Türe öffnete, fiel ihm somit nicht schwer und er lag zudem immer richtig. So war es auch jetzt und das Rascheln von Plastiktüten ließ den Dunkelhaarigen erahnen, dass sie bereits wieder irgendetwas mitgebracht hatte, was sie ihm aufschwatzen würde.

„Ahh, ist das Schwer!“, stöhnte sie, kaum dass er sie am Treppenabsatz der letzten Treppe erspähte. Stirnrunzelnd ging er ihr entgegen und nahm ihr die Tüten aus der Hand. „Was hast du überhaupt wieder gekauft?“ „Ach nur ein paar Dinge die du noch brauchst. Ich bin mir sicher du hast mal wieder nichts im Kühlschrank – es ist Samstag – und schließlich muss ich dafür sorgen, dass du als mein Schützling auch ordentlich was zu dir nimmst. Außerdem hab ich noch etwas gefunden was ziemlich praktisch für dich ist – oh und die heutige Zeitung hab ich dir auch mitgebracht.“ Schweigend folgte er ihr und schloss die Türe, während sie schnurstracks in seine Küche marschierte und ihm die Tüten abnahm, um sie auszupacken. Sanada schwieg und nahm sich einen Kaffee, wissentlich, dass er dem ohnehin nichts entgegen zu setzen hatte.

„Du siehst ganz schön übel aus. Hast du schlecht geschlafen?“, flötete sie gut gelaunt über ihre Schulter und Sanada nahm einen weiteren kräftigen Schluck aus seiner Tasse, um sich gegen ihre Energie zu wappnen, die ihn an diesem Morgen durchaus ein wenig überforderte. „Ich habe an dem Buch gearbeitet“, antwortete er letztlich auch nur. Ihre Antwort war das skeptische Heben einer Augenbraue. Einen Moment zögerte sie, ehe sie fragte: „Wie weit bist du denn gekommen?“ Der Autor sah seinem Kühlschrank dabei zu, wie er bereitwillig einer Fremden sein Gemüsefach entgegen streckte, bis sie es wieder schloss und ein Fach darüber Milch nachschob. „Ich habe, als du geklingelt hast, gerade Kapitel Acht beendet.“

Jetzt wurden ihre Augen groß und sie drehte sich zu ihm um.

„Kapitel Acht? Du hast heute Nacht gleich zweieinhalb Kapitel geschrieben?“ Der alarmierte Ton in ihrer Stimme war kein gutes Zeichen. „Sie sind nicht sehr lang“, setzte er nach. Tatsächlich waren sie im Vergleich nicht sehr lang, aber Suzuki kannte ihn zu gut. „Wie lang?“, fragte sie daher und der Dunkelhaarige nannte etwas leiser als nötig die Zahl. „Zwanzig Seiten im Durchschnitt etwa? Sanada, hast du überhaupt eine Sekunde geschlafen?“

Jetzt war die Katze aus dem Sack.

Er nahm noch einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse.

Seine Managerin beobachtete das einen Moment schweigend und sah dann zu seiner Kaffeemaschine, welche diese Nacht auf Hochtouren gelaufen war. Es war keine Schwierigkeit ihre Gedanken zu erraten und wenn der Braunhaarige ehrlich war, dann lag sie damit auch genau richtig. Als sie sich bewusst wurde, dass er ihr offenbar nicht mehr antworten würde – oder sie die Antwort nicht mehr benötigte – seufzte sie schwer, verschränkte die Arme vor der Brust, bevor sie sich vorbeugte und darauf abstützte und sah ihn über den Tisch hinweg an. „Du weißt, dass ich mich freue, wenn deine Arbeit voran geht und das ist als deine Managerin auch mein Job“, begann sie nun in einem etwas sanfteren Ton, „aber ich mach mir wirklich etwas Sorgen. Wirklich, ich weiß deinen Eifer zu schätzen, aber es wäre mir lieber, wenn du wieder tagsüber arbeitest. Du hast das in der letzten Zeit öfter gemacht und das ist auf Dauer wirklich nicht gesund.“

Sanada erwiderte ihren Blick schweigend und gab es endlich auf, seinen Kaffee in Rekordzeit zu trinken, um nicht antworten zu müssen. Er wusste, dass Suzuki Recht hatte, aber er hatte seine Gründe. Gründe die er ihr nicht würde erklären können und die sie auch nicht ändern könnte.

„Es geht mir wirklich gut“, sagte er schließlich versöhnlich und wollte gerade zu einem ‚mach dir keine Sorgen‘ ansetzen, als sie ihm ein offenes: „Du siehst scheiße aus“ entgegen schleuderte und ihn aus dem Konzept brachte. Es war eine schlichte Feststellung und der Autor nahm ihr das auch nicht übel. Sie hatten eine sehr offene Beziehung zueinander und auch wenn er selbst sich nie so ausdrückte, war es zwischen ihnen ganz normal auch in solchen Dingen ehrlich zueinander zu sein.

Er seufzte leise.

Suzuki richtete sich wieder auf und verstaute Reis in seinem Vorratsschrank, von dem sie auch gleich einen ganzen Supermarkt angeschafft hatte. „Gehst du heute wieder zum Kendo?“, fragte sie dabei wie beiläufig, da sie seinen Wochenplan in und auswendig kannte. „Un.“ „Dann tu mir einen Gefallen und übertreib es nicht so. Und heute Abend gehst du etwas früher ins Bett. Wenn auch nur die Hälfte von deinem gestrigen Schreibwahn brauchbar ist – und davon ist bei dir stark anzunehmen – dann schadet das nun wirklich nicht.“ Sie streckte sich, um die Klappe zu erreichen und wieder hinunter zu ziehen, bevor sie ihn eindringlich ansah. „Es ist wirklich wichtig, dass du dich nicht überanstrengst.“ Sanada wusste sofort, dass sie nichts anderes akzeptieren würde als eine Zustimmung. Also gab er sie.

Sie redete noch eine Weile weiter, berichtete ihm von den neuesten Beschlüssen ihres gemeinsamen Chefs und eines anstehenden Interviews, bevor sie darauf bestand das Dokument auf dem neuesten Stand mitzunehmen und ihm die nützliche Errungenschaft gab, welche sie für ihn besorgt hatte: Es handelte sich um einen Zucker- und Milchspender für Kaffetrinker. Auf die persönlichen Bedürfnisse eingestellt, gab er immer genau die passende Menge per Knopfdruck aus.

„So. Ich muss nun wieder los.“ Ein Blick auf die Uhr und sie nickte bestätigend. „Ich habe noch ein Gespräch mit Yojima-san. Vielleicht kann ich da ja noch etwas für dich rausschlagen.“ Yojima-san war der Redaktionsvorsitzende einer Literaturzeitschrift mit der sein Verlag arbeitete. Sie hatten schon öfters mit ihm zusammen gearbeitet – meist bequem und erfolgreich. „Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“ Sanada stand auf und schob mit einem Kopfschütteln seinen Stuhl an den Tisch. „Nein, ich fahre jetzt selbst los.“ „Soll ich dich mitnehmen?“ Wieder schüttelte er den Kopf. „Nein, danke. Ich nehme mein Auto, dann kann ich anschließend essen fahren.“ „Okay. Dann sehen wir uns morgen im Verlag zur Besprechung. Zwölf Uhr wie immer.“ Sie zwinkerte und nahm ihre Handtasche, welche auf einem Stuhl positioniert gewesen war. „Und vergiss nicht: Früh schlafen. Keine Nachtschichten.“ Wieder wartete Suzuki auf seine Bestätigung und er gab sie ihr, bevor sie ebenso schnell wie sie hinein gewirbelt war auch wieder verschwand.
 

02. November 2010 – 11:30 Uhr
 

Ein Auto hupte, Menschen hasteten über die Straße. Überall bewegte sich etwas und ging seines Weges, während Lachen, und andere Geräusche und Gesprächsfetzen durch die Luft surrten.

Sanada bahnte sich durch das Gewusel des Vormittags. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er noch genug Zeit hatte, er war übermäßig pünktlich. Obwohl Suzuki immer mit dem Auto fuhr, war die Agentur nicht sehr weit von seiner Wohnung entfernt und so ging Sanada meist zu Fuß. Das Bild welches sich ihm bot war jeden Vormittag gleich, wann immer er auch die wenigen Blocks zum Verlag oder zurück lief. Es war eine unerschütterliche Routine. Er würde dieselben Dinge sehen und hören, er würde dieselben Dinge tun. Es war der Alltag den er sich aufgebaut und den er zu schätzen gelernt hatte. Dennoch störte ihn etwas daran an diesem Morgen, auch wenn er es nicht fassen konnte und er hatte das ungute Gefühl, das es mit derselben allgemeinen Unruhe zu tun hatte. Welche ihn bereits die gesamten letzten Tage verfolgt hatte.

Wie üblich bog er hinter dem Park nach links ab und hielt auf den Zeitungsstand zu, der nur wenige Meter vom Ausgang entfernt stand. Ein Mann redete gerade mit dem Verkäufer und kramte dabei in seinem Portemonnaie. Der Autor hörte nicht zu. Er wandte sich zu dem Regal mit den Tageszeitungen und griff routiniert nach der heutigen Ausgabe, als ihm etwas ins Auge fiel. Es war eigentlich nichts Besonderes, lediglich drei kunstvoll geschriebene Zahlen unterhalb eines Schriftzuges, doch das reichte, denn es waren die Zahlen 893. Als Sanada näher hinsah, erkannte er, dass sie genau das waren wofür sein Unterbewusstes sie gehalten hatte, denn darüber prangten die Schriftzeichen für ‚Yakuza‘. Innerlich seufzte er, weil er wusste warum er auf diese drei Zahlen reagierte – etwas das er früher nie getan hätte. Dennoch nahm er nach einem Zögern die Wissenszeitschrift, welche das Thema behandelte, aus ihrer Halterung und las die Werbesprüche darauf, die das Thema des Artikels näher beschrieben.

»Die Anfänge der Yakuza – was waren sie wirklich?«

»Phänomen Gentleman-Gangster – Was die Popularität der Yakuza ausmacht«

»Die Yakuza – Organisiertes Verbrechen«

Beim Klang der Schriftzüge verzog Sanada ein wenig das Gesicht. Sie alle sagten nichts Neues und er hatte es gewusst, dennoch störte ihn etwas an dieser rein negativen Darstellung, auch wenn er sich selbst sicher war, dass am Yakuzaleben nichts Tolles war.

Hinter sich merkte Sanada den letzten Kunden und trat zur Seite, um ihn durch zu lassen. Sein Blick fiel auf das Heft in seiner Hand. Er bezweifelte, dass darin sonderlich qualifizierte Informationen standen, dennoch wandte er sich mit einem weiteren Seufzen den Tageszeitungen zu und ergriff eine, bevor er beides vor den Verkäufer auf den Tisch legte. Er fasste nach hinten in seine Hosentasche, um sein Portemonnaie hervorzuholen, als eine Stimme ihn aufsehen ließ: „Recherchen für Ihr neuestes Werk?“ Der Autor blickte geradewegs in das Gesicht des Verkäufers, der ihn freundlich anlächelte und sich daran machte beide Artikel zu kassieren. Sanada kramte einen Schein hervor. „Un… so ähnlich…“ „Bei Ihnen darf man ja immer gespannt sein“, sagte der Mann und nahm den Schein entgegen. Der Braunhaarige sagte nichts. Er wartete geduldig bis der Mann ihm seinen Einkauf und sein Rückgeld gegeben hatte, dann machte er sich auf den Weg in Richtung der Agentur.

Seine Gedanken blieben jedoch bei dem Thema verharren. Er hatte sich nie viel für die Yakuza interessiert. Sie waren Kriminelle und man gab sich besser nicht mit ihnen ab. Weiter hatte er nie darüber nachgedacht und eigentlich auch nicht erwartet jemals mit ihnen in Kontakt zu kommen. Er hatte jedoch auch nicht erwartet jemanden von der Yakuza auf einer Gala zu treffen. Er mochte naiv gewesen sein, musste er sich eingestehen, doch er hatte wie die meisten Menschen gedacht, dass man Yakuza eher an zwielichtigeren Orten traf und war irgendwie davon ausgegangen, dass man sie auf Anhieb als das was sie waren erkannte. ‚Es ist nicht so, dass wir uns verstecken, aber niemand will uns wirklich sehen‘, hatte Seiichi gesagt. Sanada musste zugeben, dass der Blauhaarige vermutlich Recht gehabt hatte, was das betraf.

Heute war eine ganze Woche vergangen, seit er zuletzt von Seiichi gehört hatte. Er hatte gesagt, dass er ein paar Tage in China wäre und sich melden würde, wenn er zurückkäme. ‚Ein paar Tage‘ waren nun schon überfällig, doch den Autor hatte seitdem nicht ein Wort erreicht. Es bestand die Möglichkeit, dass sich das, was immer der Blauhaarige in China tat, verzögert hatte, dennoch wuchs in Sanada der Verdacht, dass Seiichi es sich nach ein paar Tagen Abstand einfach anders überlegt hatte. Und obwohl es genau das war, womit er anfangs so sicher gerechnet hatte, enttäuschte es ihn dennoch. Es war dieses Gefühl zwischen Warten und Aufgeben, was ihn in den letzten Tagen so rastlos machte. Das und der Umstand, dass er zwar viel darüber nachgedacht, sich bis heute aber noch immer nicht entschieden hatte, wie er dazu stand.
 

Seine Schritte führten ihn geradewegs zur Eingangstür des Verlages und von dort die Treppenstufen zum gefragten Stockwerk hinauf, als er inne hielt und begann die Zeitschrift in seine Aktentasche zu packen, damit Suzuki sie nicht sehen würde. Sanada wusste, dass das nur unangenehme Diskussionen und Verdachtsmomente heraufbeschwören würde, die er lieber vermied. Er hatte die Tasche gerade wieder geschlossen und wollte die letzten paar Stufen erklimmen, als sie ihm plötzlich entgegen kam. Beide sahen sich überrascht an, bevor sie ihn einem prüfenden Blick unterzog bei dem er froh war die Zeitschrift eingepackt zu haben. Was sie sah schien sie zufrieden zu stellen, denn sie lächelte und begrüßte ihn.

„Sie sind mal wieder überpünktlich Sanada-san. Ich muss noch eben ein paar Unterlagen hoch holen, aber ich bin sofort bei Ihnen. Sie wissen ja wohin Sie müssen. Gehen Sie einfach schon mal vor und setzen Sie sich. Ich bin sofort bei Ihnen.“

Er nickte knapp auf die förmlichen Worte hin und sie gingen beide ihrer Wege. Im Verlag war es kein Geheimnis, dass er und Suzuki sich gut verstanden und es war auch nicht unüblich das Siezen auszulassen, wenn man eine Weile zusammen arbeitete, dennoch hatten Suzuki und er damit nie aufgehört. Sie hatten nie darüber gesprochen warum sie, kaum, dass sie sich in öffentlicherer Umgebung befanden, begannen sich zu siezen, doch vermutlich lag es gerade an der Öffentlichkeit. Sie wahrten für alle die Distanz, damit keiner auf den Gedanken kam sie seien unprofessionell oder möglicherweise mehr als Kollegen.

Sanada stellte die Tasche neben der kleinen Couch ab und hing seinen Mantel an der Garderobe auf. Der Raum war leer, was er zu schätzen wusste und er setzte sich auf einen Platz, bevor er begann seine Unterlagen heraus zu holen. Kaum einen Moment später war Suzuki wieder da.

„Ich sags dir, heute werde ich irgendwann noch zum Mörder!“, switchte sie automatisch in den vertrauteren Ton, als sie ihn alleine vorfand. Sie ließ theatralisch einige Mappen auf den Tisch vor ihn fallen und lief zum Wasserspender. „Willst du auch etwas zum Trinken?“ Höflich lehnte er ab und sie plapperte weiter, während sie sich etwas nahm. „Aus irgendeinem Grund sind heute alle total gereizt. Jeder blafft jeden direkt an bevor er erst mal nachdenkt. Das bringt mich furchtbar auf die Palme.“ Sie setzte sich vor ihn und seufzte. Einen Moment gönnte sie sich zum Verschnaufen, trank einen Schluck, ehe sich ihr Blick auf Sanada richtete.

„So. Wollen wir anfangen? Ich hab schon in deine Sachen rein gelesen.“ Sanada lauschte ihr aufmerksam, als sie begann, ihm verschiedene Auffälligkeiten und ihre Vorschläge diesbezüglich darzulegen. Noch hatte Suzuki seinen Text nicht ganz gelesen, doch sie war immer sorgfältig, selbst wenn sie zeitlich bedingt nicht weiter kam als ein Stück zu bearbeiten und auch dieses nur überfliegen konnte, weshalb er sich auf ihr Urteil verließ. Sie besprachen verschiedene Möglichkeiten, doch noch war keine große Besprechungsgrundlage da, denn die Geschichte war offen – das wiederum bot ebenfalls Potential.

„Hast du dir schon Gedanken gemacht wie es weiter gehen soll, rein inhaltlich? Bisher ist das was du geschrieben hast sehr gut. Es macht wirklich Spaß für dich verantwortlich zu sein“, grinste sie. Sanada lächelte. „Danke.“ Er dankte nicht oft so aufrichtig, aber von Suzuki nahm er das Lob durchaus an. „Ich habe heute Morgen darüber nachgedacht, ob ich einen Wandel einbauen soll. Die kommenden zwei Kapitel stehen schon fest, aber danach war ich unentschlossen. Mir missfällt die stringente Verlaufsart.“

Suzuki nickte einen Moment mit nachdenklicher Miene. „Ja, das wäre sicherlich eine gute Idee“, antwortet sie dann langsam. „Das Buch ist gut, selbst wenn du nun einen stringenten Weg gehst, aber ein allmählich kommender Wandel, wäre wohl der absolute Durchbruch.“ Sie lächelte ihn an. Einen Moment sagte sie nichts, dann grinste sie. „Aber du weißt noch nicht was.“ Ein leises Lachen entfuhr ihr. „Dieses Gesicht was du machst, wenn dir etwas nicht gefällt, ist wirklich einmalig!“ Sanada ging nicht weiter darauf ein. „Ich werde es nächste Woche wissen. Ich muss dafür ein paar Recherchen einholen, die ich in den nächsten Tagen unternehmen werde.“ Gleich war sie wieder ernst und nickte mit einem Lächeln. „In Ordnung. Aber überanstreng dich nicht. Ich werde wirklich sauer, wenn du so weiter machst wie bisher.“ Wieder antwortete er nicht. „Hast du eigentlich den Spender mal ausprobiert?“, fragte sie mit plötzlicher Begeisterung und er schüttelte zu einem stummen Geständnis den Kopf. Gespielt schmollte seine Managerin. „Dann musst du das aber nachholen – nur nicht für ein nächtliches Kaffee-Besäufnis!“ Bei den letzten Worten wurde ihre Stimme wieder streng und Sanada begann sich zu fragen, wie viel zu weit er wohl gegangen war. Er hatte nicht das Gefühl, dass er es wirklich so sehr übertrieben hatte, aber bei der Hartnäckigkeit welche Suzuki an den Tag legte, war sie wirklich besorgt. „Ich werde es in Zukunft etwas ruhiger vonstatten gehen lassen“, sagte er deswegen noch einmal, um sie zu beruhigen. „Ich werde diese Woche ohnehin überwiegend mit Recherchen und deren Auswertung beschäftigt sein.“ Einen Moment sah sie ihn an, dann nickte sie und stand auf. „Gut. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen dich an einem Sonntag kommen zu lassen.“ Der Ältere horchte auf. „Das brauchst du nicht.“ „Ich weiß, das sagst du immer, aber in letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass wir sonntags arbeiten und wo du so müde und überarbeitet warst…“ Sie beendete den Satz nicht, während sie erneut zum Wasserspender ging, aber das brauchte sie auch nicht. Dem Braunhaarigen war auch schon aufgefallen, dass immer häufiger Zusatzschichten an Sonntagen eingeführt wurden und er fragte sich was der Grund dafür war. Finanziell schlecht gehen konnte es dem Verlag seines Wissens nach eigentlich nicht, trotzdem war die Tendenz offenkundig steigend. Irgendetwas ging im Hintergrund vor sich, das war offensichtlich, aber der Autor wusste nicht was.
 

06. November 2010 – 17:28 Uhr
 

Mit einem unterdrückten Gähnen blätterte Sanada eine weitere Seite des Buches um. Er saß seit Stunden in der Bibliothek und hatte beachtliches Material gesammelt. Nur das was er wirklich suchte, hatte er noch immer nicht gefunden. Es war wenig befriedigend, egal wie viel er fand und wenn er diese eine Sache nicht finden konnte, würde er schlichtweg unbefriedigt bleiben. Als auch dieses Buch nichts ergab lehnte er sich seufzend in seinem Stuhl zurück und dachte darüber nach, welche Begriffe er noch für seine Suche verwenden könnte oder ob ihm noch andere Bereiche einfielen. Möglicherweise andere Orte, wie Fachbibliotheken. Mit einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass es bereits spät war. Er zögerte nur kurz, ehe er beschloss für heute hier Schluss zu machen und etwas essen zu gehen. Sein Magen knurrte und rebellierte gewaltig und auch sein Kopf verlangte nach Nahrungsmitteln und einer Auszeit. Er würde in eines seiner Stammrestaurants fahren, essen und dann zu Hause im Internet ein paar Ideen für weitere Recherchemöglichkeiten sammeln, um am nächsten Tag erfolgreicher sein zu können. Mit diesem Vorsatz packte er seine bisherigen Ergebnisse in seine Aktentasche und brachte die Bücher zurück an ihre Plätze.

Er hatte das Gebäude kaum verlassen, als er in seiner Manteltasche eine leichte Bewegung spürte, dicht gefolgt von einer leisen Melodie. Er blieb stehen und griff in die Tasche, um sein Handy herauszuziehen und abzuheben.

„Moshi moshi?“

„Hallo Brüderchen!“

Der Autor hielt inne, als er gerade weiter gehen wollte und starrte kurz irritiert ins Nichts. Vielleicht hätte er vor dem Abheben auf sein Telefon sehen sollen, dann wäre er vorbereitet gewesen. Aber ein Teil von ihm wollte nicht feststellen, welcher Name nicht dort stand und er war sich ziemlich sicher gewesen, dass es ohnehin nur Suzuki sein würde.

„Hey, was bist du denn so schweigsam, wenn du deinen großen Bruder endlich mal wieder hörst?“

Langsam setzte Sanada sich wieder in Bewegung, jedoch nur langsam und immer am Rande der Häuserwand, um niemandem im Weg zu sein. „Warum rufst du an?“, fragte er ohne Umschweife. Seit Wochen und Monaten hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Sanada hatte akzeptiert, dass seinen Eltern sein Lebensweg nicht gefiel und sich damit abgefunden. Sein Bruder hatte ihn zwar nicht direkt verurteilt, aber er war ihm auch nicht gerade zur Hilfe geeilt und hatte den Kontakt gesucht, nachdem selbiger von seinen Eltern endgültig abgebrochen worden war. Es war selten, dass die Brüder sprachen und vor einigen Monaten war der ohnehin träge Kontakt gänzlich eingeschlafen. „Naaaa“, machte sein Bruder gedehnt am anderen Ende der Leitung. „Nun sei nicht wieder so griesgrämig. Ich hab dich im Fernsehen gesehen und dachte ich ruf dich mal an. Ist ja furchtbar, seinen Bruder wie einen Fremden nur in der Flimmerkiste zu sehen.“

Doch Sanada blieb skeptisch und antwortete deswegen nichts darauf. Er hatte keine Interviews und auch sonst nichts gehabt in den letzten Tagen. Tatsächlich war die Gala sein letzter öffentlicher Auftritt gewesen und es gab eigentlich keinen Grund, warum sein Bruder ihn hätte ausgerechnet jetzt anrufen sollen. Er fragte sich was da noch war, etwas anderes, das der Grund sein musste.

Reiji schwieg eine Weile, ehe er etwas weniger euphorisch weiter sprach. „Vater und Mutter haben es auch gesehen. Es war ein Bericht über die Gala bei der du im Programm mitgewirkt hast. Ist schon ‘ne Woche her.“ Die Pause war nur kurz, doch Sanada entging sie nicht. „Die machen ja ‘nen ganz schönen Wirbel um dich, was?“ Auch der Stimmungswechsel nicht. „Bist ja jetzt fast schon ‘ne Berühmtheit.“

Sanada beschleunigte seinen Schritt, als er die Straße überquerte und wich einem Teenager aus, der an ihm vorbei rannte. „Wo bist du eigentlich? Es ist echt laut bei dir.“ „Ich bin auf dem Weg zu meinem Auto. Ich habe einige Recherchen eingeholt“, antwortete er. „Ah… Für dein neues Buch was sie alle erwarten, nicht?“ Sanada blieb stehen, als er auf der anderen Straßenseite angekommen war und beendete das Spiel. „Du bist ja gut informiert. Warum rufst du mich jetzt aus heiterem Himmel einfach so an?“

Die Leitung blieb für eine Weile still, dann seufzte Reiji schwer.

„Ich wollte dich wirklich nur anrufen, Genichirou. Nur mal hören wie es dir so geht.“

Der Autor wusste nicht wirklich was er mit dieser Information anfangen sollte. Das Verhältnis war schwer mit seiner Familie, schon lange. Und er war nicht gewillt sich auf Diskussionen einzulassen, war es nicht gewohnt, dass nach ihm gefragt wurde.

„Na ja“, sagte sein Bruder, nun wieder mit leichterer Stimme. „Ich werd dich dann mal nicht weiter aufhalten. Fahr nicht wie’n Rowdy, Vater würde echt sauer – und jetzt berichten sie ja alles was du machst.“ Er lachte neckisch und verabschiedete sich. „Viel Erfolg!“

Dann war die Leitung tot.
 

09. November 2010 – 13:37 Uhr
 

Der Raum war völlig still, man hörte nicht mal die Atmung der darin befindlichen Menschen. Und doch bewegte sich etwas in ihm. Die Luft lebte, wurde bewegt von Schallwellen, die nur für das menschliche Ohr nicht ganz zu fassen waren.

Sanada atmete tief ein und aus, genoss die Ruhe, welche mit jedem regelmäßigen Atemzug durch seinen Körper strömte. Der Geruch von Räucherstäbchen umwehte sie und er ließ ihn immer weiter auf seinen Körper einwirken. Diese Ruhe war so viel mehr als willkommen und so viel mehr als eine bloße Freizeitbeschäftigung.

Ein leises, kaum wahrnehmbares, Geräusch ertönte und Sanada erhob sich langsam ohne seine Augen zu öffnen. Nun begannen leise, schleichende Geräusche den Raum zu füllen als sowohl er als auch sein Kontrahent sich in Bewegung setzten. Beide versanken in dem wiegenden Tanz des Eröffnungsspiels, während sie ihre Hände fest um das harte Holz schlossen. Langsam hob er das Schwert in einer kunstvollen Figur über seinen Kopf, spürte die Bewegung in der Luft, als sein Gegenüber es ihm gleich tat. Noch immer öffnete er seine Augen nicht und gab sich dem Ritual hin.

Ruhe durchströmte ihn.

Ruhe und die unermessliche Kraft, die er so zu lieben gelernt hatte.

Sanada hatte das gebraucht.

Schnell drehte er sich um die eigene Achse, das Schwert sauste durch die Luft. Als er nur die Hälfte der Bewegung gemacht hatte, hörte er hinter sich einen Schrei. Bis er sich komplett gedreht hatte waren seine Augen geöffnet, zwei dunkle stechende Seen mit überwältigender Bindungskraft. Holz krachte mit einem kräftigen Laut aufeinander und seine Augen fixierten seinen Gegner. Dieser erwiderte Sanadas Blick und eine Weile verharrten sie so in tödlichem Schweigen, bis sie langsam begannen sich im Kreis zu bewegen, die Holzschwerter zwischen sich gekreuzt.

Allein diese Rituale vermochten es dem Autor die Ruhe zu geben, welche er in den letzten beiden Wochen so schmerzlich eingebüßt hatte. Rastlos war er gewesen, in Gedanken unentschlossen und stets darauf wartend, dass ihn eine simple Nachricht erreichte – obwohl er selbst nicht einmal wusste, ob er darauf reagieren würde.

Mit einem lauten Schrei stießen sie sich gegenseitig zurück, sprangen durch die Luft bis sie sich – nun durch einen Meter voneinander entfernt – erneut gegenüber standen. Beide hoben sie ruhig das Schwert über ihren Kopf, ließen es dann langsam wieder sinken und gingen in die Knie, bevor sie die Hände dicht an den Körper zogen, die Klinge vor sich aufragend auf den Gegner gerichtet.

Von allen Dingen die seine Eltern ihm genommen hatten, war dieser der größte Verlust gewesen und der Einzige den der Autor irgendwie versucht hatte auszugleichen. Er hatte es versucht. Und er hatte es nicht ganz verloren. Doch er hatte es auch nicht ganz erhalten können.

Mehrere Male krachten die Schwerter nun in ausschweifenden Bewegungen von beiden Seiten aufeinander ein. Kraftvolle Ausrufe begleiteten jeden der Schläge und ließen den Lärm bei jedem Schlag noch anschwellen, ehe sie erneut verharrten und sich wieder Schweigen über den Raum senkte.

Früher hatte Sanada jeden Tag trainieren können. Früher, in ihrem Familiendojo, welches er einst hätte übernehmen dürfen. Welches er mit so viel Hingabe geführt hätte.

Erneut umkreisten die beiden Kontrahenten sich mit wiegenden Schritten, wechselten hin und wieder ihre Richtung.

Es war das Einzige gewesen was er von all den Ansprüchen seiner Eltern von Herzen geliebt hatte.

Ein zweiter Schlagabtausch, diesmal von erneuten Pirouetten begleitet, immer schwierigere Techniken, jede Einzelne dazu auserkoren den Gegner zu Fall zu bringen.

Das Einzige was ihn schon immer ganz erfüllt hatte. Was ihm Kraft gegeben hatte. Kraft mit der er auch diese Wochen hätte besser überstehen können.

Sein Gegner strauchelte, fing sich jedoch wieder und der Schlagabtausch wurde noch schneller.

Er ärgerte sich über seine eigene Schwäche. Darüber, dass er sich von Seiichi so hatte aus der Ruhe bringen lassen, von seinem Bruder, von dem Trubel um seine Bücher.

Hastig wich er zurück, als das Schwert seines Kontrahenten mit der Spitze auf ihn zu sauste. Ein Knall und sein Schwert drängte die Klinge seines Gegners zur Seite. Erneut begann der Schlagabtausch.

Er würde seine Kraft sammeln. Er würde sich zusammen reißen, ganz wie er es gelernt hatte und es sich für einen Meister seiner Kunst geziemte. Er wusste nicht warum Seiichi sich noch immer nicht meldete und er wusste nicht warum sein Bruder es tat. Doch von nichts würde er sich bestimmen lassen.

Seine Muskeln spannten sich, als er mehr Kraft in die Schläge legte und weiter in die Hocke ging, damit er in der Lage war dennoch die gebührende Geschmeidigkeit wahren zu können.

Er war ein freier Geist. Verbunden mit dem Schwert.

Wieder strauchelte sein Gegner und diesmal konnte er nicht mehr entkommen.

Dies war die einzige Sehnsucht die er sich gewähren würde.

Mit einem gezielten Schlag verlor der Mann sein Schwert und beide richteten sich wieder auf.

Kendo.

Sie verbeugten sich.

Sein Herz.

Sie verließen den Kampfplatz.

Seine Seele.
 


 

„Genichirou, ich werde heute Abend nach Tokio zurückkehren. Mein Flug landet um 18:00 am städtischen Flughafen Haneda. Warte vor dem Flughafenhotel auf mich. Seiichi“


 

Ende Kapitel 3



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