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Aventüre

Sanada & Yukimura
von

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China


 

Kapitel Drei

-China-
 

01. November 2010 – 12:00 Uhr
 

Zwei Wochen waren seit dem Galaabend vergangen. Mit zusammen gezogenen Brauen löste der Autor eine Hand von der Tastatur seines Laptops und griff halb blind nach der Tasse, welche neben selbigem stand. Das unregelmäßige, aber stetige Geräusch der gedrückten Tasten wurde langsamer, als er einhändig den Satz beendete und sich etwas mehr aufrichtete. Verdutzt zog Sanada die Tasse wieder von den Lippen und blickte darauf hinab. Leer. Der Braunhaarige war sich dessen gar nicht bewusst gewesen. Mit einem leichten Seufzen stellte er sie zurück und fuhr sich durch die Haare, während er sich in seinem Sessel zurück lehnte. Für den Moment gönnte er seinen Gedanken eine Auszeit.

Seit Stunden saß er an dem großen Antikholzschreibtisch und schrieb an seinem aktuellen Werk. Er hatte diese Nacht kein Auge zugetan, war dafür aber ein beachtliches Stück weiter gekommen. Suzuki würde erfreut sein das zu hören, wenn sie das nächste Mal sprachen und für Sanada war es eine willkommene Ablenkung und ein großes Stück Befreiung. Die letzten Tage hatte der Autor viel Zeit in seinen Gedanken zugebracht und nicht selten war er von seiner Arbeit abgelenkt gewesen – oder von seinem schlechten Gewissen. Etwas geschafft zu haben, die drängende Arbeit in seinem Nacken zu schmälern, war ein gutes Gefühl. Und die Ablenkung die es bedeutete, konnte er momentan sehr gut gebrauchen.

Mit einem Klick auf die kleine Diskette seines Schreibprogrammes, womit er das Dokument noch einmal sicherte, stand der Autor letztlich auf, um in die Küche zu gehen und sich einen weiteren Kaffe zu machen. Er lief durch den spärlich beleuchteten Raum, dessen Licht durch die dunklen Bücherregale, welche bis an die Decken reichten und prall gefüllt waren mit Büchern, Aktenordnern und anderen Büroartikeln, noch gedrückter wirkte und schaltete an der Türe das große Licht an. Seine Augen rebellierten und er musste augenblicklich blinzeln. Jetzt erst merkte er wie überanstrengt sie von der langen Arbeit unter einer einfachen Schreibtischlampe waren. Vielleicht sollte er erst einmal eine Pause machen, etwas essen und danach seine Arbeit fortsetzen. So weit wie er gekommen war, fühlte er sich etwas besser bei einem solchen Beschluss und setzte seinen Weg aus dem Zimmer, die kurzen Stufen hinunter in den Flur, links in das große Wohnzimmer und die davon abgehende Küche fort, um ihn in die Tat umzusetzen. Er griff nach der Kaffeekanne und stellte fest, dass auch sie leer war. Sogleich machte Sanada sich daran neuen aufzubrühen. Vermutlich sollte er auch duschen. Das würde ihm und seinem Körper gut tun. Danach würde die Arbeit viel leichter von der Hand gehen. Seufzend schaltete er die Maschine ein und streckte sich ein wenig. Seine Schritte führten ihn zum Kühlschrank, suchten etwas das er zu sich nehmen konnte und auf seiner Liste entstand ein weiterer Punkt. Sobald es hell wurde und die Supermärkte offen waren, würde er einkaufen gehen – was hieß: jetzt war nur für einen kleinen Snack Gelegenheit. Außerdem würde er im Verlag vorbei gehen und Suzuki die aktuelle Datei bringen, um um Zwölf zum Kendo und danach Mittagessen zu gehen. Am Nachmittag würde er weiter schreiben.

Während Sanada seinen Tagesplan im Kopf sorgsam durchging, korrigierte und formte, wurde das stetige Köcheln der Kaffeemaschine im Hintergrund lauter und leiser, bis das kleine Licht erstarb. Vor seinem Küchenfenster begannen die Vögel allmählich zu zwitschern, um den herannahenden Morgen anzukündigen.

Als Sanada aus der Dusche stieg, fühlte er sich tatsächlich wesentlich erfrischter. Seine Glieder hatten sich aus der steifen Haltung gelöst und seine Augen Gelegenheit gehabt sich wieder zu erholen. Der Duft von frischer Seife und Shampoo folgte ihm und er verspürte ein deutliches Hungergefühl. Vor seinem Fenster war es inzwischen hell geworden. Erste Sonnenstrahlen fielen in die Wohnung, tauchten alles in ein angenehmes Licht und die Vögel gaben sich Mühe, ihre bisherigen Leistungen noch um einiges zu übertreffen. Sanada setzte sich, aß und trank einen weiteren Kaffee.

Sein Blick fiel auf die Zeitung, welche am Tischrand lag. Sie war bereits zwei Wochen alt und auf der Titelseite prangte in großen Lettern die Schlagzeile, welche man für den damaligen Tag als Aufhänger gewählt hatte: »Die 47. Mizuhara-Gala – ein Millionenschwerer Erfolg«. Der Inhalt des Artikels war schnell zusammengefasst: In ausschweifenden Worten wurde die diesjährige Gala gepriesen, sämtlichen Spendern und Helfern ein Dank ausgerichtet. Es wurde sogar sein eigener Name genannt und seine wochenlange Arbeit gelobt, weswegen Suzuki ihm diese Ausgabe mitgebracht hatte. Der eigentliche Punkt war jedoch, dass in dieser Ausgabe auch ein anderer Name stand. Sein Name: Yukimura Seiichi. Der Artikel griff seine großzügige Spende von mehreren Millionen und die stetig herrschenden Gerüchte über die vermeintlich schmutzige Herkunft des Geldes auf.

Sanada hatte dort noch geglaubt es würde das Letzte sein, was er von diesem Mann hörte. Sie hatten sich am nächsten Morgen in der Frühe verabschiedet, um beide ihren Geschäften nachzugehen. Er hatte nicht mehr nach einem weiteren Treffen gefragt, obwohl er stark versucht gewesen war. In seinen Gedanken erinnerte er sich gut daran wie schwer der Blauhaarige sich alleine mit der Einladung in das Hotel getan hatte und Sanada war kein aufdringlicher Mensch. Seiichi selbst hatte nichts gesagt.

Sie hatten sich nicht wieder gesehen, doch der Blauhaarige hatte andere Wege gefunden Kontakt zu ihm aufzunehmen.

Das Geräusch einer Türe im Hausflur holte den Autor in die Gegenwart zurück und er stand auf, um sein Geschirr weg zu stellen, goss sich einen weiteren Kaffee ein und ging zurück in sein Arbeitszimmer.
 

Es war um Punkt neun Uhr, als das Schellen der Türklingel den Autor aus seiner Arbeit riss. Er hatte gerade den letzten Abschnitt von Kapitel Acht beendet und machte sich Gedanken darüber, wie er das neue Kapitel am Nachmittag starten sollte. Wieder speicherte er mit Klick auf die Diskette und klappte seinen Laptop zu, bevor er zur Türe ging, um aufzumachen.

Sanada Genichirou erwartete keinen Besuch – den erwartete er nie. Er war auf seine Arbeit konzentriert, hatte nicht viele Bekannte und schon lange keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Zu erraten, dass eine übermotivierte Suzuki seine Wohnung stürmen würde, sobald er die Türe öffnete, fiel ihm somit nicht schwer und er lag zudem immer richtig. So war es auch jetzt und das Rascheln von Plastiktüten ließ den Dunkelhaarigen erahnen, dass sie bereits wieder irgendetwas mitgebracht hatte, was sie ihm aufschwatzen würde.

„Ahh, ist das Schwer!“, stöhnte sie, kaum dass er sie am Treppenabsatz der letzten Treppe erspähte. Stirnrunzelnd ging er ihr entgegen und nahm ihr die Tüten aus der Hand. „Was hast du überhaupt wieder gekauft?“ „Ach nur ein paar Dinge die du noch brauchst. Ich bin mir sicher du hast mal wieder nichts im Kühlschrank – es ist Samstag – und schließlich muss ich dafür sorgen, dass du als mein Schützling auch ordentlich was zu dir nimmst. Außerdem hab ich noch etwas gefunden was ziemlich praktisch für dich ist – oh und die heutige Zeitung hab ich dir auch mitgebracht.“ Schweigend folgte er ihr und schloss die Türe, während sie schnurstracks in seine Küche marschierte und ihm die Tüten abnahm, um sie auszupacken. Sanada schwieg und nahm sich einen Kaffee, wissentlich, dass er dem ohnehin nichts entgegen zu setzen hatte.

„Du siehst ganz schön übel aus. Hast du schlecht geschlafen?“, flötete sie gut gelaunt über ihre Schulter und Sanada nahm einen weiteren kräftigen Schluck aus seiner Tasse, um sich gegen ihre Energie zu wappnen, die ihn an diesem Morgen durchaus ein wenig überforderte. „Ich habe an dem Buch gearbeitet“, antwortete er letztlich auch nur. Ihre Antwort war das skeptische Heben einer Augenbraue. Einen Moment zögerte sie, ehe sie fragte: „Wie weit bist du denn gekommen?“ Der Autor sah seinem Kühlschrank dabei zu, wie er bereitwillig einer Fremden sein Gemüsefach entgegen streckte, bis sie es wieder schloss und ein Fach darüber Milch nachschob. „Ich habe, als du geklingelt hast, gerade Kapitel Acht beendet.“

Jetzt wurden ihre Augen groß und sie drehte sich zu ihm um.

„Kapitel Acht? Du hast heute Nacht gleich zweieinhalb Kapitel geschrieben?“ Der alarmierte Ton in ihrer Stimme war kein gutes Zeichen. „Sie sind nicht sehr lang“, setzte er nach. Tatsächlich waren sie im Vergleich nicht sehr lang, aber Suzuki kannte ihn zu gut. „Wie lang?“, fragte sie daher und der Dunkelhaarige nannte etwas leiser als nötig die Zahl. „Zwanzig Seiten im Durchschnitt etwa? Sanada, hast du überhaupt eine Sekunde geschlafen?“

Jetzt war die Katze aus dem Sack.

Er nahm noch einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse.

Seine Managerin beobachtete das einen Moment schweigend und sah dann zu seiner Kaffeemaschine, welche diese Nacht auf Hochtouren gelaufen war. Es war keine Schwierigkeit ihre Gedanken zu erraten und wenn der Braunhaarige ehrlich war, dann lag sie damit auch genau richtig. Als sie sich bewusst wurde, dass er ihr offenbar nicht mehr antworten würde – oder sie die Antwort nicht mehr benötigte – seufzte sie schwer, verschränkte die Arme vor der Brust, bevor sie sich vorbeugte und darauf abstützte und sah ihn über den Tisch hinweg an. „Du weißt, dass ich mich freue, wenn deine Arbeit voran geht und das ist als deine Managerin auch mein Job“, begann sie nun in einem etwas sanfteren Ton, „aber ich mach mir wirklich etwas Sorgen. Wirklich, ich weiß deinen Eifer zu schätzen, aber es wäre mir lieber, wenn du wieder tagsüber arbeitest. Du hast das in der letzten Zeit öfter gemacht und das ist auf Dauer wirklich nicht gesund.“

Sanada erwiderte ihren Blick schweigend und gab es endlich auf, seinen Kaffee in Rekordzeit zu trinken, um nicht antworten zu müssen. Er wusste, dass Suzuki Recht hatte, aber er hatte seine Gründe. Gründe die er ihr nicht würde erklären können und die sie auch nicht ändern könnte.

„Es geht mir wirklich gut“, sagte er schließlich versöhnlich und wollte gerade zu einem ‚mach dir keine Sorgen‘ ansetzen, als sie ihm ein offenes: „Du siehst scheiße aus“ entgegen schleuderte und ihn aus dem Konzept brachte. Es war eine schlichte Feststellung und der Autor nahm ihr das auch nicht übel. Sie hatten eine sehr offene Beziehung zueinander und auch wenn er selbst sich nie so ausdrückte, war es zwischen ihnen ganz normal auch in solchen Dingen ehrlich zueinander zu sein.

Er seufzte leise.

Suzuki richtete sich wieder auf und verstaute Reis in seinem Vorratsschrank, von dem sie auch gleich einen ganzen Supermarkt angeschafft hatte. „Gehst du heute wieder zum Kendo?“, fragte sie dabei wie beiläufig, da sie seinen Wochenplan in und auswendig kannte. „Un.“ „Dann tu mir einen Gefallen und übertreib es nicht so. Und heute Abend gehst du etwas früher ins Bett. Wenn auch nur die Hälfte von deinem gestrigen Schreibwahn brauchbar ist – und davon ist bei dir stark anzunehmen – dann schadet das nun wirklich nicht.“ Sie streckte sich, um die Klappe zu erreichen und wieder hinunter zu ziehen, bevor sie ihn eindringlich ansah. „Es ist wirklich wichtig, dass du dich nicht überanstrengst.“ Sanada wusste sofort, dass sie nichts anderes akzeptieren würde als eine Zustimmung. Also gab er sie.

Sie redete noch eine Weile weiter, berichtete ihm von den neuesten Beschlüssen ihres gemeinsamen Chefs und eines anstehenden Interviews, bevor sie darauf bestand das Dokument auf dem neuesten Stand mitzunehmen und ihm die nützliche Errungenschaft gab, welche sie für ihn besorgt hatte: Es handelte sich um einen Zucker- und Milchspender für Kaffetrinker. Auf die persönlichen Bedürfnisse eingestellt, gab er immer genau die passende Menge per Knopfdruck aus.

„So. Ich muss nun wieder los.“ Ein Blick auf die Uhr und sie nickte bestätigend. „Ich habe noch ein Gespräch mit Yojima-san. Vielleicht kann ich da ja noch etwas für dich rausschlagen.“ Yojima-san war der Redaktionsvorsitzende einer Literaturzeitschrift mit der sein Verlag arbeitete. Sie hatten schon öfters mit ihm zusammen gearbeitet – meist bequem und erfolgreich. „Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“ Sanada stand auf und schob mit einem Kopfschütteln seinen Stuhl an den Tisch. „Nein, ich fahre jetzt selbst los.“ „Soll ich dich mitnehmen?“ Wieder schüttelte er den Kopf. „Nein, danke. Ich nehme mein Auto, dann kann ich anschließend essen fahren.“ „Okay. Dann sehen wir uns morgen im Verlag zur Besprechung. Zwölf Uhr wie immer.“ Sie zwinkerte und nahm ihre Handtasche, welche auf einem Stuhl positioniert gewesen war. „Und vergiss nicht: Früh schlafen. Keine Nachtschichten.“ Wieder wartete Suzuki auf seine Bestätigung und er gab sie ihr, bevor sie ebenso schnell wie sie hinein gewirbelt war auch wieder verschwand.
 

02. November 2010 – 11:30 Uhr
 

Ein Auto hupte, Menschen hasteten über die Straße. Überall bewegte sich etwas und ging seines Weges, während Lachen, und andere Geräusche und Gesprächsfetzen durch die Luft surrten.

Sanada bahnte sich durch das Gewusel des Vormittags. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er noch genug Zeit hatte, er war übermäßig pünktlich. Obwohl Suzuki immer mit dem Auto fuhr, war die Agentur nicht sehr weit von seiner Wohnung entfernt und so ging Sanada meist zu Fuß. Das Bild welches sich ihm bot war jeden Vormittag gleich, wann immer er auch die wenigen Blocks zum Verlag oder zurück lief. Es war eine unerschütterliche Routine. Er würde dieselben Dinge sehen und hören, er würde dieselben Dinge tun. Es war der Alltag den er sich aufgebaut und den er zu schätzen gelernt hatte. Dennoch störte ihn etwas daran an diesem Morgen, auch wenn er es nicht fassen konnte und er hatte das ungute Gefühl, das es mit derselben allgemeinen Unruhe zu tun hatte. Welche ihn bereits die gesamten letzten Tage verfolgt hatte.

Wie üblich bog er hinter dem Park nach links ab und hielt auf den Zeitungsstand zu, der nur wenige Meter vom Ausgang entfernt stand. Ein Mann redete gerade mit dem Verkäufer und kramte dabei in seinem Portemonnaie. Der Autor hörte nicht zu. Er wandte sich zu dem Regal mit den Tageszeitungen und griff routiniert nach der heutigen Ausgabe, als ihm etwas ins Auge fiel. Es war eigentlich nichts Besonderes, lediglich drei kunstvoll geschriebene Zahlen unterhalb eines Schriftzuges, doch das reichte, denn es waren die Zahlen 893. Als Sanada näher hinsah, erkannte er, dass sie genau das waren wofür sein Unterbewusstes sie gehalten hatte, denn darüber prangten die Schriftzeichen für ‚Yakuza‘. Innerlich seufzte er, weil er wusste warum er auf diese drei Zahlen reagierte – etwas das er früher nie getan hätte. Dennoch nahm er nach einem Zögern die Wissenszeitschrift, welche das Thema behandelte, aus ihrer Halterung und las die Werbesprüche darauf, die das Thema des Artikels näher beschrieben.

»Die Anfänge der Yakuza – was waren sie wirklich?«

»Phänomen Gentleman-Gangster – Was die Popularität der Yakuza ausmacht«

»Die Yakuza – Organisiertes Verbrechen«

Beim Klang der Schriftzüge verzog Sanada ein wenig das Gesicht. Sie alle sagten nichts Neues und er hatte es gewusst, dennoch störte ihn etwas an dieser rein negativen Darstellung, auch wenn er sich selbst sicher war, dass am Yakuzaleben nichts Tolles war.

Hinter sich merkte Sanada den letzten Kunden und trat zur Seite, um ihn durch zu lassen. Sein Blick fiel auf das Heft in seiner Hand. Er bezweifelte, dass darin sonderlich qualifizierte Informationen standen, dennoch wandte er sich mit einem weiteren Seufzen den Tageszeitungen zu und ergriff eine, bevor er beides vor den Verkäufer auf den Tisch legte. Er fasste nach hinten in seine Hosentasche, um sein Portemonnaie hervorzuholen, als eine Stimme ihn aufsehen ließ: „Recherchen für Ihr neuestes Werk?“ Der Autor blickte geradewegs in das Gesicht des Verkäufers, der ihn freundlich anlächelte und sich daran machte beide Artikel zu kassieren. Sanada kramte einen Schein hervor. „Un… so ähnlich…“ „Bei Ihnen darf man ja immer gespannt sein“, sagte der Mann und nahm den Schein entgegen. Der Braunhaarige sagte nichts. Er wartete geduldig bis der Mann ihm seinen Einkauf und sein Rückgeld gegeben hatte, dann machte er sich auf den Weg in Richtung der Agentur.

Seine Gedanken blieben jedoch bei dem Thema verharren. Er hatte sich nie viel für die Yakuza interessiert. Sie waren Kriminelle und man gab sich besser nicht mit ihnen ab. Weiter hatte er nie darüber nachgedacht und eigentlich auch nicht erwartet jemals mit ihnen in Kontakt zu kommen. Er hatte jedoch auch nicht erwartet jemanden von der Yakuza auf einer Gala zu treffen. Er mochte naiv gewesen sein, musste er sich eingestehen, doch er hatte wie die meisten Menschen gedacht, dass man Yakuza eher an zwielichtigeren Orten traf und war irgendwie davon ausgegangen, dass man sie auf Anhieb als das was sie waren erkannte. ‚Es ist nicht so, dass wir uns verstecken, aber niemand will uns wirklich sehen‘, hatte Seiichi gesagt. Sanada musste zugeben, dass der Blauhaarige vermutlich Recht gehabt hatte, was das betraf.

Heute war eine ganze Woche vergangen, seit er zuletzt von Seiichi gehört hatte. Er hatte gesagt, dass er ein paar Tage in China wäre und sich melden würde, wenn er zurückkäme. ‚Ein paar Tage‘ waren nun schon überfällig, doch den Autor hatte seitdem nicht ein Wort erreicht. Es bestand die Möglichkeit, dass sich das, was immer der Blauhaarige in China tat, verzögert hatte, dennoch wuchs in Sanada der Verdacht, dass Seiichi es sich nach ein paar Tagen Abstand einfach anders überlegt hatte. Und obwohl es genau das war, womit er anfangs so sicher gerechnet hatte, enttäuschte es ihn dennoch. Es war dieses Gefühl zwischen Warten und Aufgeben, was ihn in den letzten Tagen so rastlos machte. Das und der Umstand, dass er zwar viel darüber nachgedacht, sich bis heute aber noch immer nicht entschieden hatte, wie er dazu stand.
 

Seine Schritte führten ihn geradewegs zur Eingangstür des Verlages und von dort die Treppenstufen zum gefragten Stockwerk hinauf, als er inne hielt und begann die Zeitschrift in seine Aktentasche zu packen, damit Suzuki sie nicht sehen würde. Sanada wusste, dass das nur unangenehme Diskussionen und Verdachtsmomente heraufbeschwören würde, die er lieber vermied. Er hatte die Tasche gerade wieder geschlossen und wollte die letzten paar Stufen erklimmen, als sie ihm plötzlich entgegen kam. Beide sahen sich überrascht an, bevor sie ihn einem prüfenden Blick unterzog bei dem er froh war die Zeitschrift eingepackt zu haben. Was sie sah schien sie zufrieden zu stellen, denn sie lächelte und begrüßte ihn.

„Sie sind mal wieder überpünktlich Sanada-san. Ich muss noch eben ein paar Unterlagen hoch holen, aber ich bin sofort bei Ihnen. Sie wissen ja wohin Sie müssen. Gehen Sie einfach schon mal vor und setzen Sie sich. Ich bin sofort bei Ihnen.“

Er nickte knapp auf die förmlichen Worte hin und sie gingen beide ihrer Wege. Im Verlag war es kein Geheimnis, dass er und Suzuki sich gut verstanden und es war auch nicht unüblich das Siezen auszulassen, wenn man eine Weile zusammen arbeitete, dennoch hatten Suzuki und er damit nie aufgehört. Sie hatten nie darüber gesprochen warum sie, kaum, dass sie sich in öffentlicherer Umgebung befanden, begannen sich zu siezen, doch vermutlich lag es gerade an der Öffentlichkeit. Sie wahrten für alle die Distanz, damit keiner auf den Gedanken kam sie seien unprofessionell oder möglicherweise mehr als Kollegen.

Sanada stellte die Tasche neben der kleinen Couch ab und hing seinen Mantel an der Garderobe auf. Der Raum war leer, was er zu schätzen wusste und er setzte sich auf einen Platz, bevor er begann seine Unterlagen heraus zu holen. Kaum einen Moment später war Suzuki wieder da.

„Ich sags dir, heute werde ich irgendwann noch zum Mörder!“, switchte sie automatisch in den vertrauteren Ton, als sie ihn alleine vorfand. Sie ließ theatralisch einige Mappen auf den Tisch vor ihn fallen und lief zum Wasserspender. „Willst du auch etwas zum Trinken?“ Höflich lehnte er ab und sie plapperte weiter, während sie sich etwas nahm. „Aus irgendeinem Grund sind heute alle total gereizt. Jeder blafft jeden direkt an bevor er erst mal nachdenkt. Das bringt mich furchtbar auf die Palme.“ Sie setzte sich vor ihn und seufzte. Einen Moment gönnte sie sich zum Verschnaufen, trank einen Schluck, ehe sich ihr Blick auf Sanada richtete.

„So. Wollen wir anfangen? Ich hab schon in deine Sachen rein gelesen.“ Sanada lauschte ihr aufmerksam, als sie begann, ihm verschiedene Auffälligkeiten und ihre Vorschläge diesbezüglich darzulegen. Noch hatte Suzuki seinen Text nicht ganz gelesen, doch sie war immer sorgfältig, selbst wenn sie zeitlich bedingt nicht weiter kam als ein Stück zu bearbeiten und auch dieses nur überfliegen konnte, weshalb er sich auf ihr Urteil verließ. Sie besprachen verschiedene Möglichkeiten, doch noch war keine große Besprechungsgrundlage da, denn die Geschichte war offen – das wiederum bot ebenfalls Potential.

„Hast du dir schon Gedanken gemacht wie es weiter gehen soll, rein inhaltlich? Bisher ist das was du geschrieben hast sehr gut. Es macht wirklich Spaß für dich verantwortlich zu sein“, grinste sie. Sanada lächelte. „Danke.“ Er dankte nicht oft so aufrichtig, aber von Suzuki nahm er das Lob durchaus an. „Ich habe heute Morgen darüber nachgedacht, ob ich einen Wandel einbauen soll. Die kommenden zwei Kapitel stehen schon fest, aber danach war ich unentschlossen. Mir missfällt die stringente Verlaufsart.“

Suzuki nickte einen Moment mit nachdenklicher Miene. „Ja, das wäre sicherlich eine gute Idee“, antwortet sie dann langsam. „Das Buch ist gut, selbst wenn du nun einen stringenten Weg gehst, aber ein allmählich kommender Wandel, wäre wohl der absolute Durchbruch.“ Sie lächelte ihn an. Einen Moment sagte sie nichts, dann grinste sie. „Aber du weißt noch nicht was.“ Ein leises Lachen entfuhr ihr. „Dieses Gesicht was du machst, wenn dir etwas nicht gefällt, ist wirklich einmalig!“ Sanada ging nicht weiter darauf ein. „Ich werde es nächste Woche wissen. Ich muss dafür ein paar Recherchen einholen, die ich in den nächsten Tagen unternehmen werde.“ Gleich war sie wieder ernst und nickte mit einem Lächeln. „In Ordnung. Aber überanstreng dich nicht. Ich werde wirklich sauer, wenn du so weiter machst wie bisher.“ Wieder antwortete er nicht. „Hast du eigentlich den Spender mal ausprobiert?“, fragte sie mit plötzlicher Begeisterung und er schüttelte zu einem stummen Geständnis den Kopf. Gespielt schmollte seine Managerin. „Dann musst du das aber nachholen – nur nicht für ein nächtliches Kaffee-Besäufnis!“ Bei den letzten Worten wurde ihre Stimme wieder streng und Sanada begann sich zu fragen, wie viel zu weit er wohl gegangen war. Er hatte nicht das Gefühl, dass er es wirklich so sehr übertrieben hatte, aber bei der Hartnäckigkeit welche Suzuki an den Tag legte, war sie wirklich besorgt. „Ich werde es in Zukunft etwas ruhiger vonstatten gehen lassen“, sagte er deswegen noch einmal, um sie zu beruhigen. „Ich werde diese Woche ohnehin überwiegend mit Recherchen und deren Auswertung beschäftigt sein.“ Einen Moment sah sie ihn an, dann nickte sie und stand auf. „Gut. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen dich an einem Sonntag kommen zu lassen.“ Der Ältere horchte auf. „Das brauchst du nicht.“ „Ich weiß, das sagst du immer, aber in letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass wir sonntags arbeiten und wo du so müde und überarbeitet warst…“ Sie beendete den Satz nicht, während sie erneut zum Wasserspender ging, aber das brauchte sie auch nicht. Dem Braunhaarigen war auch schon aufgefallen, dass immer häufiger Zusatzschichten an Sonntagen eingeführt wurden und er fragte sich was der Grund dafür war. Finanziell schlecht gehen konnte es dem Verlag seines Wissens nach eigentlich nicht, trotzdem war die Tendenz offenkundig steigend. Irgendetwas ging im Hintergrund vor sich, das war offensichtlich, aber der Autor wusste nicht was.
 

06. November 2010 – 17:28 Uhr
 

Mit einem unterdrückten Gähnen blätterte Sanada eine weitere Seite des Buches um. Er saß seit Stunden in der Bibliothek und hatte beachtliches Material gesammelt. Nur das was er wirklich suchte, hatte er noch immer nicht gefunden. Es war wenig befriedigend, egal wie viel er fand und wenn er diese eine Sache nicht finden konnte, würde er schlichtweg unbefriedigt bleiben. Als auch dieses Buch nichts ergab lehnte er sich seufzend in seinem Stuhl zurück und dachte darüber nach, welche Begriffe er noch für seine Suche verwenden könnte oder ob ihm noch andere Bereiche einfielen. Möglicherweise andere Orte, wie Fachbibliotheken. Mit einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass es bereits spät war. Er zögerte nur kurz, ehe er beschloss für heute hier Schluss zu machen und etwas essen zu gehen. Sein Magen knurrte und rebellierte gewaltig und auch sein Kopf verlangte nach Nahrungsmitteln und einer Auszeit. Er würde in eines seiner Stammrestaurants fahren, essen und dann zu Hause im Internet ein paar Ideen für weitere Recherchemöglichkeiten sammeln, um am nächsten Tag erfolgreicher sein zu können. Mit diesem Vorsatz packte er seine bisherigen Ergebnisse in seine Aktentasche und brachte die Bücher zurück an ihre Plätze.

Er hatte das Gebäude kaum verlassen, als er in seiner Manteltasche eine leichte Bewegung spürte, dicht gefolgt von einer leisen Melodie. Er blieb stehen und griff in die Tasche, um sein Handy herauszuziehen und abzuheben.

„Moshi moshi?“

„Hallo Brüderchen!“

Der Autor hielt inne, als er gerade weiter gehen wollte und starrte kurz irritiert ins Nichts. Vielleicht hätte er vor dem Abheben auf sein Telefon sehen sollen, dann wäre er vorbereitet gewesen. Aber ein Teil von ihm wollte nicht feststellen, welcher Name nicht dort stand und er war sich ziemlich sicher gewesen, dass es ohnehin nur Suzuki sein würde.

„Hey, was bist du denn so schweigsam, wenn du deinen großen Bruder endlich mal wieder hörst?“

Langsam setzte Sanada sich wieder in Bewegung, jedoch nur langsam und immer am Rande der Häuserwand, um niemandem im Weg zu sein. „Warum rufst du an?“, fragte er ohne Umschweife. Seit Wochen und Monaten hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Sanada hatte akzeptiert, dass seinen Eltern sein Lebensweg nicht gefiel und sich damit abgefunden. Sein Bruder hatte ihn zwar nicht direkt verurteilt, aber er war ihm auch nicht gerade zur Hilfe geeilt und hatte den Kontakt gesucht, nachdem selbiger von seinen Eltern endgültig abgebrochen worden war. Es war selten, dass die Brüder sprachen und vor einigen Monaten war der ohnehin träge Kontakt gänzlich eingeschlafen. „Naaaa“, machte sein Bruder gedehnt am anderen Ende der Leitung. „Nun sei nicht wieder so griesgrämig. Ich hab dich im Fernsehen gesehen und dachte ich ruf dich mal an. Ist ja furchtbar, seinen Bruder wie einen Fremden nur in der Flimmerkiste zu sehen.“

Doch Sanada blieb skeptisch und antwortete deswegen nichts darauf. Er hatte keine Interviews und auch sonst nichts gehabt in den letzten Tagen. Tatsächlich war die Gala sein letzter öffentlicher Auftritt gewesen und es gab eigentlich keinen Grund, warum sein Bruder ihn hätte ausgerechnet jetzt anrufen sollen. Er fragte sich was da noch war, etwas anderes, das der Grund sein musste.

Reiji schwieg eine Weile, ehe er etwas weniger euphorisch weiter sprach. „Vater und Mutter haben es auch gesehen. Es war ein Bericht über die Gala bei der du im Programm mitgewirkt hast. Ist schon ‘ne Woche her.“ Die Pause war nur kurz, doch Sanada entging sie nicht. „Die machen ja ‘nen ganz schönen Wirbel um dich, was?“ Auch der Stimmungswechsel nicht. „Bist ja jetzt fast schon ‘ne Berühmtheit.“

Sanada beschleunigte seinen Schritt, als er die Straße überquerte und wich einem Teenager aus, der an ihm vorbei rannte. „Wo bist du eigentlich? Es ist echt laut bei dir.“ „Ich bin auf dem Weg zu meinem Auto. Ich habe einige Recherchen eingeholt“, antwortete er. „Ah… Für dein neues Buch was sie alle erwarten, nicht?“ Sanada blieb stehen, als er auf der anderen Straßenseite angekommen war und beendete das Spiel. „Du bist ja gut informiert. Warum rufst du mich jetzt aus heiterem Himmel einfach so an?“

Die Leitung blieb für eine Weile still, dann seufzte Reiji schwer.

„Ich wollte dich wirklich nur anrufen, Genichirou. Nur mal hören wie es dir so geht.“

Der Autor wusste nicht wirklich was er mit dieser Information anfangen sollte. Das Verhältnis war schwer mit seiner Familie, schon lange. Und er war nicht gewillt sich auf Diskussionen einzulassen, war es nicht gewohnt, dass nach ihm gefragt wurde.

„Na ja“, sagte sein Bruder, nun wieder mit leichterer Stimme. „Ich werd dich dann mal nicht weiter aufhalten. Fahr nicht wie’n Rowdy, Vater würde echt sauer – und jetzt berichten sie ja alles was du machst.“ Er lachte neckisch und verabschiedete sich. „Viel Erfolg!“

Dann war die Leitung tot.
 

09. November 2010 – 13:37 Uhr
 

Der Raum war völlig still, man hörte nicht mal die Atmung der darin befindlichen Menschen. Und doch bewegte sich etwas in ihm. Die Luft lebte, wurde bewegt von Schallwellen, die nur für das menschliche Ohr nicht ganz zu fassen waren.

Sanada atmete tief ein und aus, genoss die Ruhe, welche mit jedem regelmäßigen Atemzug durch seinen Körper strömte. Der Geruch von Räucherstäbchen umwehte sie und er ließ ihn immer weiter auf seinen Körper einwirken. Diese Ruhe war so viel mehr als willkommen und so viel mehr als eine bloße Freizeitbeschäftigung.

Ein leises, kaum wahrnehmbares, Geräusch ertönte und Sanada erhob sich langsam ohne seine Augen zu öffnen. Nun begannen leise, schleichende Geräusche den Raum zu füllen als sowohl er als auch sein Kontrahent sich in Bewegung setzten. Beide versanken in dem wiegenden Tanz des Eröffnungsspiels, während sie ihre Hände fest um das harte Holz schlossen. Langsam hob er das Schwert in einer kunstvollen Figur über seinen Kopf, spürte die Bewegung in der Luft, als sein Gegenüber es ihm gleich tat. Noch immer öffnete er seine Augen nicht und gab sich dem Ritual hin.

Ruhe durchströmte ihn.

Ruhe und die unermessliche Kraft, die er so zu lieben gelernt hatte.

Sanada hatte das gebraucht.

Schnell drehte er sich um die eigene Achse, das Schwert sauste durch die Luft. Als er nur die Hälfte der Bewegung gemacht hatte, hörte er hinter sich einen Schrei. Bis er sich komplett gedreht hatte waren seine Augen geöffnet, zwei dunkle stechende Seen mit überwältigender Bindungskraft. Holz krachte mit einem kräftigen Laut aufeinander und seine Augen fixierten seinen Gegner. Dieser erwiderte Sanadas Blick und eine Weile verharrten sie so in tödlichem Schweigen, bis sie langsam begannen sich im Kreis zu bewegen, die Holzschwerter zwischen sich gekreuzt.

Allein diese Rituale vermochten es dem Autor die Ruhe zu geben, welche er in den letzten beiden Wochen so schmerzlich eingebüßt hatte. Rastlos war er gewesen, in Gedanken unentschlossen und stets darauf wartend, dass ihn eine simple Nachricht erreichte – obwohl er selbst nicht einmal wusste, ob er darauf reagieren würde.

Mit einem lauten Schrei stießen sie sich gegenseitig zurück, sprangen durch die Luft bis sie sich – nun durch einen Meter voneinander entfernt – erneut gegenüber standen. Beide hoben sie ruhig das Schwert über ihren Kopf, ließen es dann langsam wieder sinken und gingen in die Knie, bevor sie die Hände dicht an den Körper zogen, die Klinge vor sich aufragend auf den Gegner gerichtet.

Von allen Dingen die seine Eltern ihm genommen hatten, war dieser der größte Verlust gewesen und der Einzige den der Autor irgendwie versucht hatte auszugleichen. Er hatte es versucht. Und er hatte es nicht ganz verloren. Doch er hatte es auch nicht ganz erhalten können.

Mehrere Male krachten die Schwerter nun in ausschweifenden Bewegungen von beiden Seiten aufeinander ein. Kraftvolle Ausrufe begleiteten jeden der Schläge und ließen den Lärm bei jedem Schlag noch anschwellen, ehe sie erneut verharrten und sich wieder Schweigen über den Raum senkte.

Früher hatte Sanada jeden Tag trainieren können. Früher, in ihrem Familiendojo, welches er einst hätte übernehmen dürfen. Welches er mit so viel Hingabe geführt hätte.

Erneut umkreisten die beiden Kontrahenten sich mit wiegenden Schritten, wechselten hin und wieder ihre Richtung.

Es war das Einzige gewesen was er von all den Ansprüchen seiner Eltern von Herzen geliebt hatte.

Ein zweiter Schlagabtausch, diesmal von erneuten Pirouetten begleitet, immer schwierigere Techniken, jede Einzelne dazu auserkoren den Gegner zu Fall zu bringen.

Das Einzige was ihn schon immer ganz erfüllt hatte. Was ihm Kraft gegeben hatte. Kraft mit der er auch diese Wochen hätte besser überstehen können.

Sein Gegner strauchelte, fing sich jedoch wieder und der Schlagabtausch wurde noch schneller.

Er ärgerte sich über seine eigene Schwäche. Darüber, dass er sich von Seiichi so hatte aus der Ruhe bringen lassen, von seinem Bruder, von dem Trubel um seine Bücher.

Hastig wich er zurück, als das Schwert seines Kontrahenten mit der Spitze auf ihn zu sauste. Ein Knall und sein Schwert drängte die Klinge seines Gegners zur Seite. Erneut begann der Schlagabtausch.

Er würde seine Kraft sammeln. Er würde sich zusammen reißen, ganz wie er es gelernt hatte und es sich für einen Meister seiner Kunst geziemte. Er wusste nicht warum Seiichi sich noch immer nicht meldete und er wusste nicht warum sein Bruder es tat. Doch von nichts würde er sich bestimmen lassen.

Seine Muskeln spannten sich, als er mehr Kraft in die Schläge legte und weiter in die Hocke ging, damit er in der Lage war dennoch die gebührende Geschmeidigkeit wahren zu können.

Er war ein freier Geist. Verbunden mit dem Schwert.

Wieder strauchelte sein Gegner und diesmal konnte er nicht mehr entkommen.

Dies war die einzige Sehnsucht die er sich gewähren würde.

Mit einem gezielten Schlag verlor der Mann sein Schwert und beide richteten sich wieder auf.

Kendo.

Sie verbeugten sich.

Sein Herz.

Sie verließen den Kampfplatz.

Seine Seele.
 


 

„Genichirou, ich werde heute Abend nach Tokio zurückkehren. Mein Flug landet um 18:00 am städtischen Flughafen Haneda. Warte vor dem Flughafenhotel auf mich. Seiichi“


 

Ende Kapitel 3



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