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Aventüre

Sanada & Yukimura
von

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Gala II

Nachdem Seiichi geendet hatte schwieg Sanada eine ganze Weile. Mit diesem stoischen, fast grimmigen Blick, die Brauen leicht zusammen gezogen, ohne erkennbare Emotionen, sah er dem Fremden einfach geradewegs in die Augen. Er sah einen entschlossenen, klugen Mann. In all dem jedoch sah er den Jungen – wenigstens äußerlich und wieder fiel Sanada auf, dass Seiichi kaum älter als er sein konnte. Er war gepflegt, hübsch, fast schon feminin und doch war der beißende, männliche Raubtierausdruck immer da. Der Autor erinnerte sich an das Lachen, was ihn so irritiert hatte. Es war das erste und einzige Mal, dass dieser Mensch ganz anders gewirkt hatte.

Mit allem was Yukimura Seiichi ihm gesagt hatte, lag er richtig. Und jedes einzelne Wort – das sah Sanada in den ernsten, stechenden Augen, meinte er völlig ernst. Sanada hatte die Worte nicht einfach glauben und hinnehmen wollen – immerhin war das auch jede Menge, was man ihm da auftischte und es passte nicht wirklich zusammen - aber Seiichi hatte ihn nicht belogen. Gerade als Autor, der historische Fakten recherchierte und nutzte, wusste der Braunhaarige, dass in jedem Gerücht ein wahrer Kern lag. Gerade in ausgewachsenen wie diesem. Selbst wenn Seiichi kein Untergrundboss war, so hatte er von Anfang an gewusst, dass der Kleinere gewiss wirklich an irgendwelchen illegalen Geschäften beteiligt war. Nur das Ausmaß stand zur Debatte. Die ganze Zeit hatte er das Raubtier in diesem Mann gesehen – ihm direkt ins Gesicht gesehen. Es war da, das wusste er. In dem Fall des Blauhaarigen tat das seiner Schönheit keinen Abbruch, eher spielte es ihm positiv zu, obwohl Sanada niemand war den das Risiko reizte. Aber es machte aus einer einfachen hübschen Hülle einen Menschen mit viel Inhalt, Tiefe.

Nun hatte Seiichi ihm alles gesagt was er hatte hören wollen. Er hatte all seine Beweggründe offen dargelegt und bereitwillig jeden Einwand zerstreut – logisch und damit glaubhaft zerstreut. Logik war für Sanada das einzig Glaubhafte. Alles das, was sowohl Suzuki als auch dieser Mann ihm gesagt hatten, war scheinbar tatsächlich wahr und er saß in diesem Moment mit einem Yakuzaboss alleine in einem Raum, bei teurem Wein und Sushi, begleitet von nahezu romantischer Musik im Dämmerlicht. Ein Ambiente perfekt für ein Date.

Sanada suchte nach der Ablehnung in sich, fand sie jedoch nicht. Er fragte sich, ob er das noch immer nicht ganz realisiert hatte. Er war kein Träumer, aber gerade das machte ihm bewusst wie unwahrscheinlich dieses Szenario in einer Liste von tausend verschiedenen Möglichkeiten war. Aber er war kein Narr. Er wusste, dass es die Wahrheit war. Und das er im Moment nichts zu befürchten hatte.

Das ist so unwirklich, dachte der Autor, als er den Blick endlich von Seiichis Gesicht abwandte und in Gedanken zu Boden wandern ließ – nur um sofort inne zu halten. Seine Augen weiteten sich etwas, als er erkannte, dass er das gerade laut ausgesprochen hatte. Sofort hob sich sein Blick erneut zu dem Seiichis.

Während der ganzen Zeit in der Sanada nicht sprach, sah Seiichi ihn einfach nur an. Die blauen Augen musterten das Gesicht aus dem Profil heraus – ihm fiel auf, dass das warme Licht einen angenehmen Schein darauf zauberte – dann glitt er zum Oberkörper und betrachtete den Mann als Ganzes. Er war ohne Frage ansehnlich und ein bisschen wunderte es Seiichi schon, dass er mit 28 noch nicht verheiratet war. Für ein Land wie Japan war das selbst im 21. Jahrhundert nicht selbstverständlich – diese Details zu erfahren hatte ihn im Übrigen nur ein paar Klicks im Internet gekostet. Es gab genug weibliche Fans die über Sanada in irgendwelchen Foren ihre Tagträume auslebten. „Es ist real“, sagte Seiichi dann unglaublich sanft, als er Sanadas Ausspruch hörte, selbst wenn dieser ganz offensichtlich nicht beabsichtigt war. „Ich bin hier und ich bin genau das, was ich dir gesagt habe. Es ist an dir, etwas daraus zu machen. Ich halte dich nicht fest: Wenn du lieber wieder auf die Gala gehen willst, steht es dir frei – und keine Angst, es hat keine Folgen für dich, falls das nun dein nächster Gedanke sein sollte. Aber wenn ich offen sprechen darf dann würde ich mich freuen, wenn du einfach noch ein wenig hierbleibst und den guten Wein mit mir trinkst. Das Sushi ist übrigens vorzüglich. Mein Koch hat es selbst angefertigt.“

Sanada musterte den Mann etwas irritiert über diese Aussage. Letztlich nahm er es jedoch hin. Vermutlich war es besser nicht alles zu sich zu nehmen was andere einem gaben. Sein Blick fiel auf den Wein in seiner Hand, der offenbar nicht vergiftet war. Innerlich hatte der Autor bereits einen Entschluss gefasst. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er noch immer fast vierzig Minuten hatte bevor Suzuki ihn erwartete. Der Gedanke an sie machte ihm ein schlechtes Gewissen, dennoch nickte er Seiichi einen Moment später zu. „Ich muss um zehn an meinem Tisch zurück sein. Meine Managerin wird dann dort auf mich warten, um mir letzte Instruktionen vor der Präsentation zu geben“, informierte er ihn. Mit einem weiteren Blick auf das Glas nahm er einen Schluck daraus. Der Wein schmeckte wirklich ausgezeichnet. Sanada hatte selten so guten Wein getrunken. Aber was erwartete er auch von einem Yakuza?

Seiichis Blick folgte jeder von Sanadas Bewegungen und er erriet auch den Gedanken bezüglich des Weins, welchen er aber nicht weiter kommentierte, sondern mit einem sachten Lächeln zur Kenntnis nahm. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass die Speisen vergiftet waren, er verübelte dem Autor also diesen Gedanken nicht. Eine Weile herrschte Stille, in welcher Seiichi ein paar Stücke des exzellent angerichteten Sushis zu sich nahm, dann jedoch streckte er langsam die Hand aus und berührte fast wie zufällig Sanadas Bein, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Die Hand war warm. Leicht beugte er sich etwas mehr zu dem Braunhaarigen vor. „Für dich als Autor, der ein gesteigertes Interesse an vielen Dingen hat, müsste es doch ein Glücksgriff sein jemanden wie mich zu treffen“, sprach Seiichi leise, die Stimme fast schon lockend. „Gibt es etwas, was du wissen möchtest? Ich habe dir ja nun schon viel erzählt, aber gibt es etwas, das du mich gerne fragen würdest? Selbst wenn du deine Informationen nicht verwenden darfst, würden in diesem Augenblick sicherlich viele gerne mit dir tauschen.“ Die Art, wie er besonders den letzten Teil des Satzes aussprach ließ Zweifel daran, ob es sich dabei wirklich nur darum handelte, dass auch andere gerne mal einen Yakuza wie Seiichi offen befragen würden. Im Hintergrund wurde das Stück, welches erst neu angelaufen war feuriger, erhielt einen mehr spanischen Flair. Die Antwort des Autors war ein Kopfschütteln. „Nein… ich denke nicht.“ Wieder nippte Sanada an seinem Glas. Seiichis Hand war furchtbar warm, wie er fand. Die Berührung war zwar nur flüchtig, aber dennoch wurde er sich allmählich dessen bewusst wie warm sie sich anfühlte. Mit einem Blick auf das Sushi widmete er sich einem anderen Gedanken – sich Seiichis Blick die ganze Zeit bewusst - und probierte eines. Tatsächlich schmeckte es äußerst gut. Vermutlich wurde er hier besser beköstigt als er es draußen würde, obwohl dort draußen nur erstklassiges Buffet ausgegeben wurde. Bei dem Gedanken bemerkte Sanada, dass er kein einziges Geräusch von der Gala hörte, obwohl sie direkt im Nebenraum waren. Er sah Seiichi wieder an. „Ist dieser Raum schalldicht?“

Sanada verstand vielleicht die Reaktion nicht, doch in den blauen Augen seines Gegenübers erschien ein amüsierter Glanz. „Du sitzt hier mit einem Yakuza, den du alles fragen könntest, was du möchtest und das einzige was dir einfällt ist, ob der Raum schalldicht ist?“ Ein leises Kichern verließ Seiichis Kehle, ließ ihn dabei jünger wirken als er wahrscheinlich war, doch dann wurde er wieder ernst – nur das Funkeln in den Augen blieb. Sanada beobachtete diesen Wandel genau. Er mochte das kindliche Gesicht des anderen. „Natürlich ist dieser Raum schalldicht. Und ehe du fragst: Selbst wenn du ein Aufnahmegerät bei dir hättest und diese Unterhaltung aufzeichnen wolltest, hättest du keinen Spaß daran, es dir später wieder anzuhören. Es gibt hier einen kleinen Sender, der alle Aufnahmen egal ob aus dem Raum oder von außen stört. Ach, und ja ... dieses Gebäude gehört mir. Denn natürlich lasse ich mir nicht spontan einen Tag vor der Einladung einen schalldichten Raum bauen. Jetzt siehst du vielleicht noch besser, wie viel der Gastgeber darauf gibt, dass ich vielleicht ein Yakuza bin. Solange sie Gebäude zu günstigen Konditionen für ihre Veranstaltung mieten können ist die Organisation der Gala still und glücklich.“ Er streckte eine Hand aus und nahm sich wieder ein Stück Sushi. Ganz unauffällig rutschte er dabei ein Stückchen näher, so dass sein Bein das des Autors berührte. „Weißt du was ich viel erstaunlicher finde? Dass dich scheinbar keine der Frauen da draußen interessiert, du aber trotzdem Single bist. Und nein, ich lasse dich nicht überwachen. Diese Informationen kriegt eigentlich jeder der will aus dem Internet.“ Nun ruhte Seiichis Blick wieder auf Sanadas Gesicht. Sanada sah den Jüngeren an. „Du suchst mich im Internet?“

Das amüsierte Flackern blieb, wurde sogar noch ein bisschen deutlicher. „Bist du nun enttäuscht, dass ich nicht alle meine Möglichkeiten aus dem Ärmel ziehe, um Informationen ans Tageslicht zu bringen? Stell dir vor, ich suche oft erst einmal im Internet, wenn ich bestimmte Dinge über Personen wissen will. Erst wenn ich dort entweder nichts finde, oder nicht genug, dann greife ich auf meine Mittelchen zurück. Tut mir also Leid dich enttäuschen zu müssen, aber ich habe weder meine Beschatter auf dich abgesetzt, noch Wanzen in deiner Wohnung installiert oder ähnliches.“ Sanada verzog das Gesicht. „Das lehne ich auch dankend ab.“ Seiichi schmunzelte und bewegte seinen Kopf leicht in die Nähe von Sanadas Ohr. „Aber... du hast mir immer noch nicht verraten, wieso du nun eigentlich noch Single bist. Die Liste deiner Verehrerinnen ist lang und ich glaube kaum das ein Mann wie du Probleme hat, die richtige Frau zu finden“, wisperte er dem Autor ins Ohr. „Doch.“ Sanadas Antwort war so stoisch und sachlich, dass es ihm fast eine drollige Note verlieh. „Ich habe schlichtweg keine Frau gefunden die mich so sehr interessiert, dass ich sie heiraten möchte. Und ich bin nicht sehr daran interessiert intensiv zu suchen – ich kümmere mich lieber darum meinen Beruf gut zu machen.“

Seiichi war ihm ganz nah, kicherte dann aber leise und hauchte ihm einen Kuss auf den Hals, ohne weiter darüber nachzudenken. Sanada erstarrte unwillkürlich – überrascht, irritiert. „Frauen sind nicht die Einzigen, denen man sich annähern kann und ich habe schon früh gelernt, dass man sich durchaus in verschiedene Richtungen entwickeln und orientieren kann“, wisperte der Blauhaarige weiter. Seiichis Atem kitzelte nun erneut Sanadas Hals. „Vielleicht findest du ja auch etwas anderes interessanter als eine schnatternde Frau, die dich eh nur wegen deiner Arbeit anhimmelt. Das ist doch nicht ehrlich...“ Der Autor schluckte. Seine Haut prickelte. Hatte ihn gerade ein Mann auf den Hals geküsst? Am liebsten hätte er sich die Hand auf die Stelle gelegt, doch er war weise genug sich das zu verkneifen. Seiichi war immer noch ganz nahe und das brachte Sanadas Haut noch mehr zum Kribbeln. Er wusste wirklich nicht was er davon halten sollte. In so einer Situation war er auch noch nie gewesen. Stieg ihm der Wein zu Kopf? Er blickte auf sein Glas, doch er hatte bisher kaum etwas getrunken.

„Nervös?“, wisperte da die Stimme ganz dich an seinem Ohr wieder und wie bereits schon einmal an diesem Abend strich warmer Atem über die empfindliche Haut an Sanadas Hals. „Schreckt dich das Fremde ab, oder reizt dich das kleine Risiko, welches du hier eingehst?“ fragte der Blauhaarige ihn. Der Autor antwortete nicht. Er kannte die Antwort auch einfach nicht. In seiner Welt war sowas gewissermaßen ein Tabu und niemand hatte sowas gewagt. Er selbst hatte nie darüber nachgedacht. Er sollte vermutlich einfach gehen, aber trotzdem stieß es ihn gar nicht so sehr ab, wie er erwartet hätte.

Dass Sanada nichts erwiderte ließ Seiichi noch einen weiteren kleinen Schritt nach vorne machen, in dem er sich einfach auf dessen Schoß setzte, dabei vorsichtig die Hand, die das Glas hielt zur Seite schob, damit der Autor sich keine verräterischen Flecken auf die eigene Kleidung brachte. Der schlanke Körper, obwohl der eines Mannes, fühlte sich auf Sanadas Schoß nicht besonders schwer, dafür aber angenehm warm an. Eigentlich hatte der Blauhaarige nie die Intention verfolgt sich dem Autor hier auf irgendeine Art zu nähern und doch hatte er feststellen müssen, dass ihn etwas an dieser Gestalt reizte, was er nicht beschreiben, dem er sich aber auch nicht verwehren konnte. Und da es ein seltenes Gefühl für den Blauhaarige war, machte er sich die Mühe auch einfach nicht. Angesichts der Situation in der Sanada sich nun befand, war er allerdings sprachlos. Ein erwachsener Mann hatte sich schließlich auf seinen Schoß gesetzt. Keine Frau oder ein Kind, sondern ein Mann in seinem Alter, auch wenn er nicht wusste wie alt sein Gegenüber eigentlich genau war. Mit einem schweren Schlucken sah er schweigend einfach nur zu dem Blauhaarigen hinauf. Vieles rann durch seine Augen in diesem Moment, nichts davon verweilte. Doch trotz all des Durcheinanders registrierte der Autor noch, wie sich die Wärme von Seiichis Körper immer stärker in ihm ausbreitete, genauso wie es bei dessen Hand gewesen war.

Seiichi dagegen hob nun seine Hand und strich leicht über Sanadas Wange. „Du stößt mich nicht weg“, hauchte er und es wirkte fast überrascht. Die meisten Leute, die rein gar nichts mit seiner Welt zu tun hatten, würden wohl panisch vor ihm Flüchten, oder zumindest jetzt reagieren und ihn nach einem Moment der Verwirrung wegschubsen. Sanada jedoch blieb sitzen, schaute ihn zwar überrascht – wen würde es wundern –, aber nicht ablehnend an. Der Blauhaarige beugte sich etwas zu ihm, das Gesicht nun nur noch wenige Millimeter von dem des Autors entfernt. Die braunen Augen des anderen waren angenehm, sie wirkten sanft und zutraulich. Trotzdem fühlte Sanada sich innerlich nervös. Er wusste nicht wie er reagieren sollte und da war diese Hitze die Seiichis Körper ausstrahlte und auf seinen eigenen überging. Eine eigenartige Spannung lag in der Luft und jedes Quäntchen schien von der Musik noch weiter getragen zu werden. Dort wo Seiichi ihn berührte kribbelte seine Haut gefährlich. Er war nicht dumm und er war alt genug. Der Braunhaarige wusste sehr genau was er empfand. So absurd es auch war und so verwerflich in den Augen der meisten anderen, so empfand er diesen Mann dennoch als anziehend, attraktiv. Er reizte ihn. Eine feine, aber intensive und überaus angenehme Anziehung.

Noch immer streichelte die sanfte Hand über Sanadas Wange und berührte die Haut, während die blauen Augen das Gesicht noch eine kleine Weile eindringlich musterten. Mit der zweiten Hand drückte er den Autor sachte nach hinten, nachdem er das Weinglas weggestellt hatte, mehr in die Rückenlehne des Sofas, folgte ihm aber genauso schnell. Seiichi war ihm mittlerweile wieder so nah, dass er Sanadas warmen Atem auf seinem Gesicht spüren konnte. „Lauf nicht weg“, hauchte der junge Mann, ehe er seine Lippen sehr vorsichtig auf die des Dunkelhaarigen legte. In diesem Augenblick schwoll die Musik aus den Lautsprechern mehr an, wurde zu etwas erotisch-verführerischem und umschmeichelte die beiden Personen auf dem Sofa. Seiichi lehnte sich mehr gegen Sanada, vertiefte den Kuss leicht und genoss das Gefühl der weichen Lippen unter seinen. Hier konnte er das angenehme After-Shave, welches der Autor benutzte, viel besser wahrnehmen und es betörte den jungen Yakuza. Während Sanada den Kuss auf sich wirken ließ, geriet ihr Umfeld nun gänzlich in Vergessenheit. Der Autor hatte nicht gewusst, dass die Lippen eines Mannes so weich sein konnten. In seinen Gedanken wiederholte sich die flehentliche Bitte des Kleineren Mannes. Diese Worte, so sehr sie ihn auch wunderten, stellten ganz sonderbare Dinge mit ihm an. Der Braunhaarige konnte nicht so tun als wäre da nichts. Sein ganzer Körper kribbelte und war auf diese zarte Nähe zu dem vermeintlichen Yakuza konzentriert. Nein, so hatte er sich einen Mafiaboss nicht vorgestellt und doch hatte er diese Seite schon vorher in dem Blauhaarigen aufblitzen sehen. Einen Moment noch zögerte er, bevor er langsam seine Lippen bewegte. Sanada wusste, dass das nicht war was er tun sollte, aber er konnte nicht anders, als von dieser zarten Verführung zu kosten – und sobald er es tat fühlte sich der Kuss noch viel intensiver, ungleich sinnlicher an als zuvor.

Als Sanada ihn nicht zurückstieß, fühlte Seiichi sich erleichtert – auch wenn er sich das nicht anmerken ließ. Leicht schmiegte er seinen Körper noch etwas mehr an den Älteren und ließ die Hand von Sanadas Wange sachte etwas weiter in dessen Haar gleiten, spielte mit den seidigen dunkelbraunen Haarsträhnen. Einen Moment küsste er ihn nur noch, dann ließ er sachte seine Zungenspitze gegen Sanadas Unterlippe stupsen. Selbst wenn der Autor – so nahm Seiichi an – wohl noch keinen Mann geküsst hatte, war die Mechanik nicht anders als auch bei einer Frau. Und er genoss es. Selbst wenn das eigentümlich klang, so kam das nicht oft vor – viel gewöhnlicher war es für Seiichi Dinge zu tun, weil sie ihm einen Nutzen versprachen, unabhängig davon, ob er daran Gefallen fand oder nicht. Deswegen ging er in diesem Kuss für den Moment auf, auch wenn ihn bereits eine leise Stimme in seinem Kopf mahnte, dass er es lassen sollte, dass es verrückt war. Es war vermutlich dieselbe Stimme, die auch in Sanadas Kopf mahnte und warnte, obwohl der Autor nicht ihr, sondern der sanften Hand in seinem Haar lauschte, dem Pochen seines Herzschlages und dem sachten Stupsen. Er öffnete seinen Mund leicht und kam dem Blauhaarigen gerade entgegen, als die Stimme besonders finster wurde. Dennoch genoss der Autor diesen Kuss und er nahm sich einfach was er wollte. Seine Hände legten sich wie von selbst an Seiichis Seiten und ruhten dort fürs Erste.

Die Berührung, so zärtlich und sachte sie auch war, riss ihn ein Stück weit wieder in die Realität zurück. An sich scheute Seiichi die Nähe anderer – ging sie meistens nur dann ein, wenn es nicht zu verhindern war. Für jemanden, der sich mit den Geschäften der Yakuza nicht auskannte, mochte das eigentümlich klingen, jedoch kam es nicht selten vor, dass der Blauhaarige Dinge tat, die ihm an sich widerstrebten, von denen er aber wusste, dass sie ihn an das gewünschte Ziel brachten. Nun wirkte es für Seiichi einen Augenblick so, als hätte Sanada Macht über ihn – auch wenn dieser sicherlich nicht vorhatte, diese gegen ihn einzusetzen. Der Blauhaarige zwang sich, sich zu entspannen und sprach immer wieder wie ein inneres Mantra mit sich selbst, dass er nichts zu befürchten hatte. Als Yakuza hatte Seiichi Wachsamkeit seit der Kindheit eingeimpft bekommen – oftmals sicherlich auch nicht sehr zärtlich und es kam selten vor, dass der junge Mann sich noch wirklich fallen lassen und entspannen konnte. Doch hier wollte er es für den Moment einfach versuchen, weil es ihm gefiel – weil er es genoss, den dunkelhaarigen Autor zu küssen. Langsam und vorsichtig ließ er seine Zunge ins Sanadas Mund gleiten, umspielte dort neckend und reizend die des Älteren und strich fast schon gedankenverloren mit seiner freien Hand über dessen Brust.

Dieser machte nichts, obwohl ihm wärmer wurde und Seiichi ihn reizte, aber er hatte das Stocken bemerkt und wusste nicht, ob es klug war viel mehr als das zu tun. Also blieb er sitzen wie er war und erwiderte einfach nur den Kuss den der Blauhaarige ihm schenkte. Seiichi tat es leid, dass sein Stocken so offensichtlich gewesen war, aber es gab Dinge die man – leider – in seiner Position nie ganz abschalten konnte, schon gar nicht, wenn man in diese seltsame Welt hineingeboren worden war. Um Sanada jedoch trotzdem zu zeigen, dass es okay war, was er tat, streichelte er sachte weiter über die stoffbedeckte Brust, spielte mit den Haarsträhnen und küsste den Dunkelhaarigen noch intensiver. Immer dann, wenn ihre Lippen nur noch ganz leicht aufeinander lagen, berührten sich ihre Zungenspitzen und Seiichi spürte, wie eine ganz leichte Gänsehaut über seinen schlanken Körper wanderte.

Beinahe wäre Sanada bei einem dieser Zungenspiele ein Keuchen entwichen. So absurd es auch war, dieser Kuss war der Beste den er je gehabt hatte. Ohne das der Autor weiter darüber nachdachte krochen seine Hände etwas weiter um Seiichis Rücken, um ihn mehr zu halten und ihm näher zu sein. Und so sehr es auch gegen seine Natur war, ließ Seiichi sich näher ziehen, drängte sich fast wie von selbst noch weiter an ihn. Beide Arme schlang er um Sanadas Hals und intensivierte den Kuss weiter – falls das überhaupt noch möglich war. Er versuchte sich zu erinnern, wann er sich das letzte Mal so gefühlt hatte, doch er fand keinen Moment in den letzten Jahren. Der Körper des Autors strahlte eine einnehmende Hitze aus, die Seiichi selbst durch ihre Kleidung so deutlich spüren konnte, als würden sie sich ohne störenden Stoff berühren. Eine von Sanadas Händen wanderte derweil Seiichis Rücken empor und verschwand in den weichen Kringeln in Seiichis Nacken, während die andere den Kleineren in dieser vertrauten, fast schon intimen, Position hielt. Der Autor ging gerne noch inniger auf den Kuss ein, verstärkte den Druck seiner Lippen fast selbst noch ein wenig. Die Nähe zu diesem attraktiven, heißen Körper war für den Braunhaarigen so ungewohnt berauschend und die kräftige, zugleich doch so zarte Hand, welche sich immer wieder über seiner Brust bewegte reizte ihn mehr als gut war – erregte ihn regelrecht. Sanada wusste, dass er die Notbremse ziehen sollte, aber er hielt den Kuss dennoch aufrecht.

Auch durch Seiichis Kopf liefen ähnliche Gedanken. Er sollte aufhören doch gleichzeitig erwischte er sich dabei, wie er sich vorstellte, dass es weiterging. Und allein das verwunderte ihn fast noch mehr. Der Blauhaarige war sicherlich kein Tagträumer und das Verlangen, sich jemandem zu nähern, war schon lange durch einen notwendigen Zwang ersetzt worden, dem er nur dann nachging, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft waren. Obwohl Seiichi sich seiner Wirkung auf andere durchaus bewusst war, setzte er diese ‚Waffe’ nicht als Erste ein, selbst wenn ihm klar war, dass es viele Dinge wahrscheinlich vereinfachen und vor allem beschleunigen würde. Der Kuss wandelte sich, ohne das Seiichi viel hätte dagegen machen können - oder gar wollen: Das Feuer schwächte ab, jedoch wurde es ersetzt durch etwas, was fast noch viel lockender und betörender war – Leidenschaft. Anziehung und Lust.

Leidenschaft.

Bis zu diesem Punkt hätte sich vermutlich keiner der beiden besonders leidenschaftlich genannt. Seiichi weil er gar nicht durfte und Sanada… für Sanada waren Dinge wie menschliche Bindungen nie stark genug ausgeprägt gewesen, dass Leidenschaft darin einen Platz gefunden hätte. Der Autor lebte sein Leben allein, in einer ganz eigenbrötlerischen und genügsamen Welt, die niemand verstand. Wie er jetzt Seiichis Körper so heiß an seinem spürte, die Erregung fühlte, die in ihm wuchs und den Willen realisierte, das hier zu tun, kam ihm alles was geschah noch ungleich unwirklicher vor. Es fühlte sich an, als würde er zum ersten Mal wirklich küssen. Bisher war alles eher zweckmäßig gewesen. Nicht, dass Sanada je eine Frau benutzt hätte, aber es hatte eben einfach dazu gehört und er hatte ihr einfach gegeben was sie sich wünschte – aber niemals hatte er selbst diese Nähe so unbedingt gewollt wie jetzt.

Der Autor wob seine Hand weiter in die blauen Haare, strich hindurch und genoss das Gefühl von seidigen Strähnen die an seinen Fingern entlang glitten. Seine Zunge suchte die des Jüngeren, wollte ihn spüren und schmecken. Seiichi reagierte in diesem Augenblick einfach intuitiv und rutschte von Sanadas Schoß auf das Sofa, zog den Älteren auf diese Art und Weise mit und zugleich über sich. Er wollte mehr von ihm spüren, wollte diesen Körper gänzlich dicht bei sich haben. Dem Blauhaarigen war am Rande seines Verstandes klar, dass er dabei war die Kontrolle zu verlieren – etwas, dass in den letzten 10 Jahren in seinem Leben nicht mehr geschehen war und von dem er sich geschworen hatte, es auch nie wieder geschehen zu lassen.

Kontrollverlust war der Anfang vom Ende.

So hatte Seiichi nicht immer gedacht. Mit 17, noch als Jugendlicher, hatte er bereits gewusst, wie sein Leben verlaufen würde – er war als Yakuza geboren und aufgewachsen, seine Zukunft war durch sein Blut und seinen Namen vorherbestimmt, ohne dass er je eine Wahl gehabt hätte. Doch damals hatte er zumindest noch geglaubt, dass er sich das vorgefertigte Leben erträglicher machen könnte, in dem er jemanden fand, der ihn so liebte wie er war und selbst wenn sich das als schwierig gestaltete, fand er diese Person. Und Seiichi wollte sie halten, wollte alles für sie tun, aber vor allen Dingen wollte er sie beschützen. Damals hatte er einmal in seinem Leben erlebt was es hieß, bedingungslos zu lieben und auf die gleiche Art auch geliebt zu werden. Er hatte kein Geheimnis aus seinem Leben gemacht – und sein Partner hatte es akzeptiert, hatte ihn akzeptiert. Sie hatten gelacht, geweint, sie hatten sich geliebt und er – ein 20 jähriger Student – war der bisher einzige gewesen, bei dem Seiichi sich hatte fallen lassen, dem er so sehr vertraute, dass er mit ihm alles teilte. Doch genau dieses Vertrauen war verdammt. An ihrem Jahrestag hatten sie sich treffen wollen – ein Dinner, romantisch und vor allem vertraut. Zwölf Monate hatte ihre Liebe angedauert, dann wurde ihr ein jähes Ende gesetzt. Die Schüsse fielen aus einem vorbeifahrenden Auto, doch Seiichi brauchte keine hellseherischen Fähigkeiten um zu wissen, von wem sie kamen. Sein eigener Vater hatte seine Leute auf den Mann angesetzt, dem sich sein Sohn so voller Leidenschaft ergeben hatte. Zwölf Monate und drei Tage nach ihrem Liebesbekenntnis stand Seiichi abseits eines Friedhofs und betrachtete durch eine Sonnenbrille hindurch die Trauerfeier aus einigem Abstand heraus. Er traute sich nicht, näher zu kommen, wusste auch, dass er dort nichts zu suchen hatte. Zwölf Monate – 365 Tage – so lange hatte das einzige Glück in seinen mittlerweile 27 Jahren gewährt.

Seiichis Gegenwart brachte nichts Gutes, er konnte niemanden schützen, konnte niemandem Glück bringen. Jeder, der ihm zu nahe kam, war so gut wie dem Tod geweiht. Und nun? Nun war er hier, auf einer Gala, und hatte einen Menschen getroffen, der dieses Gefühl von Zufriedenheit, welches er ganz tief in sich vergraben geglaubt hatte, wieder hervorholte. Wie töricht war er denn sich darauf einzulassen, nach all dem, was sein Leben ihn gelehrt hatte? Fast so, als könne Sanada diese düsteren Erinnerungen, von denen es bei weitem noch mehr in seinem Leben gab, wegwischen, drängte Seiichi sich mehr an den Dunkelhaarigen, hielt sich an ihm fest und versuchte, alles was gewesen war zumindest für diesen kurzen Augenblick einfach zu vergessen.

Es war Sanada, der inne hielt und sie davor bewahrte tatsächlich die Kontrolle zu verlieren.

Als Seiichi ihn mit sich auf die Couch zog, folgte er, doch so wie er war, blieb er und sah den Blauhaarigen schweigend an. Man sah in den braunen Augen, die den Kleineren unvoreingenommen musterten, dass er in Gedanken war. Dem Autor war nicht entgangen in welche Richtung sich das hier bewegte. Ihm war nicht entgangen wie nahe sie daran waren die Kontrolle zu verlieren. Er fragte sich wie weit dieser Moment noch getragen werden konnte und all diese Gedanken ließen ihn in diesem Moment inne halten, denn für ihn, der das hier zum ersten Mal tat, waren das zu viele Schritte, um sie zu auf einmal zu gehen.

Jetzt wo sie sich eine Weile nicht küssten, wurde er sich darüber bewusst wie nahe seine Atmung an einem Keuchen war. Ihm war heiß. Und Sanada war sich durchaus darüber im Klaren, dass er hier weiter machen wollte. Er wollte sich näher an diesen schlanken Körper schmiegen, wollte ihn berühren und küssen. Er wusste nur nicht wo das enden sollte; wie er sich jetzt verhalten sollte.

Seine braunen Augen wanderten über das hübsche Gesicht des Mannes unter ihm. Unter ihm… Auch das hatte er nicht erwartet, wenn er ehrlich war. Aber was von dem was hier geschehen war, hatte er schon erwartet? Seiichi war schön. Er war anziehend auf eine andere Art als die Frauen, die Sanada in seinem Bett gehabt hatte. Sein Blick suchte den des Kleineren. Er wusste nicht was er dort suchte, aber es war etwas, das ihm Sicherheit geben würde – um was auch immer zu tun. Vielleicht die Antwort darauf, was als nächstes kommen sollte. Auf jeden Fall wusste der Autor, dass er seine Erklärung in diesen blauen Seen finden würde.

Doch er fand keine Antwort darin, sondern nur eine Unsicherheit, die in eine ganz andere Richtung ging, als die eigene. Seiichi war nun ebenfalls mehr als deutlich klar geworden, wie sehr sie ihre eigenen Grenzen überschritten hatten und er wusste nicht, was er nun eigentlich zu Sanada sagen sollte. Allein der Umstand, dass der Autor diese Unsicherheit in Seiichis Augen sehen konnte, sie wahrnahm, als wäre sie etwas greifbares, zeigte ihm, wie selten dieser Anblick eigentlich war. „Du... solltest wohl zurückgehen“, sprach der Blauhaarige sehr leise, die Stimme bei weitem nicht so fest wie erhofft. Auch er konnte die Erregung nicht verbergen. Leicht räusperte Seiichi sich. „Deine Managerin wird sonst wütend und ich möchte nicht, dass sie dich am Ende noch mit ihren ausgefahrenen Krallen zerfleischt.“ Es sollte wohl kühl klingen, aber in Gedanken war der Blauhaarige teilweise noch in der Vergangenheit. Leicht setzte er sich auf, überging aber in seinem Tun den Umstand, dass Sanada noch über ihm war und fand sich plötzlich wieder nur Millimeter entfernt von diesem wieder. Er wusste, er sollte sich lösen und ihn rausschicken, er wusste, er sollte selbst gehen, den Saal verlassen und nach Hause fahren – doch er tat nichts. Kurz hörte man in der Stille nur ihrer beider Atmung keuchend, abgehackt. „Ich möchte mich in dir verlieren“, wisperte Seiichi, kaum hörbar, für Sanada, auf Grund der Nähe aber immer noch laut genug.

Diese Worte brachten den Älteren nun ganz aus dem Konzept. Sie widersprachen so enorm dem was der Kleinere zuvor hatte zum Ausdruck bringen wollen. Er hatte es nicht schön gefunden, aber er hatte gewusst, dass Seiichi mit seiner Abweisung Recht hatte. Und Sanada hatte gerade reagieren wollen, wenn er nicht genau jetzt diese paar Worte vernommen hätte.

Es war so viel süßer als alles, was eine Frau je zu ihm gesagt hatte.

Sanada schluckte, die Lippen nur wenige Zentimeter von dem Kleineren entfernt. Seine Augen wanderten automatisch von den Augen hinunter zu Seiichis Lippen und wieder hinauf. Es war eine unbewusste Handlung. Noch nie hatte er sich so hingerissen gefühlt. Er schluckte erneut, als er eine Hand hob und ganz sachte über die Haut Seiichis Wange strich. Gott, wie zart sie war! Wer hatte gesagt die Haut eines Mannes wäre immer rau? Keine Frau die er berührt hatte, hatte sich so zart angefühlt. Er konnte nicht widerstehen, ließ seine Hand ganz zaghaft weiter zurück in die samtigen Locken streichen, immer bereit zu stoppen, sollte Seiichi ihn jetzt aufhalten – und doch war seine Sehnsucht nach Nähe so deutlich in dieser zärtlichen Geste spürbar.

Seiichis Brustkorb hob und senkte sich hektisch und er folgte der Bewegung mit den Augen soweit dies möglich war, schaute dann aber wieder dem Älteren ins Gesicht. „Du hast gesagt, dass du nur eine Stunde Zeit hast...“, brachte Seiichi hervor. Es hieß nicht, dass er ihn wegschicken wollte, aber dass es unweigerlich bedeutete, dass man Sanada suchen würde, wäre er zu spät wieder an seinem Tisch. Der Widerwillen ihn gehen zu lassen war mehr als nur spürbar, doch die Uhr tickte beharrlich und unaufhörlich dem verabredeten Zeitpunkt mit Suzuki entgegen. Letztlich schloss der Blauhaarige aber die Augen und schmiegte sich ganz vorsichtig gegen die Hand, die ihn so sachte berührte. Für den Moment war nichts mehr von dem kühlen Yakuzaboss mit dieser enormen, raubtierhaften Ausstrahlung zu sehen, auch wenn es trotz allem glaubwürdig war, dass Seiichi so eine Aura verkörpern konnte.

Sanadas Atem zitterte fast und erleichtert, dass er nicht weggeschoben wurde, fasziniert von der Reaktion des Kleineren, streichelte er ihn weiter. Es war eine zarte und doch so sehnende Geste.

„Ja…“, wisperte er leise, wurde sich erst hinterher bewusst, dass er bloß geflüstert hatte.

Sanada wusste, dass er gehen musste. Er wollte nicht gehen, wollte diesen sonderbaren, aber so besonderen Moment festhalten. Würde er Seiichi je wiedersehen?

Er hielt inne. Schon wieder hatte er seinen Gedanken laut ausgesprochen – so untypisch für ihn. Wenn er hier bei diesem Mann war, schien nichts mehr so zu sein wie es einmal war. Die braunen Augen suchten erneut Seiichis, abwartend, ob dieser seine unabsichtlich gestellte Frage beantworten würde. Seine Hand streichelte ihn erneut ganz sachte, so leicht, dass man fast meinen könnte er bewege sie gar nicht.

Als er die Frage hörte, stockte der Kleinere. Sanada wollte ihn wiedersehen? Auf der einen Seite sollte es ihn nicht überraschen, so wie der Ältere mit ihm umging, auf der anderen Seite wäre es so viel einfacher sich einzureden, dass das hier einfach nur so ... passiert war. Dass kein Interesse bestand, daran anzuknüpfen. „Am liebsten würde ich dich einfach mitnehmen.“ Dieses Mal schaute er der Älteren nicht an. „Ich weiß wie dumm das klingt und das ich es nicht sagen sollte, nicht in meiner Position. Mit jemandem wie mir geht man nicht mit, ich bin kein netter Kerl, sondern für jeden normalen Menschen der 'Schwarze Mann' vor dem man Angst hat und besser wegläuft.“

Sanada schwieg einen Moment. Seine Hand war still, aber er nahm sie nicht weg. Er dachte für einen Moment über diese Worte nach. „Bisher hatte ich noch keinen Grund mich zu fürchten“, schloss er schließlich leise. „Das liegt nur daran, dass du mich in einer eigenartigen Stimmung erlebst. Ich kann auch anders.“ Leise musste Seiichi lachen. „Wie gerne würde ich jetzt klischeeartig reagieren, dir sagen, dass du mich nachher in einem Hotel aufsuchen sollst. Aber so etwas funktioniert nur in Filmen und wirkt selbst da nur wie eine ziemlich platte Anmache.“ Tief atmete der schöne Yakuza durch und strich sanft über Sanadas Brust. „Geh schon... Ich möchte nicht, dass du wegen mir Zwist mit deiner Managerin hast. Sie würde dir nur ziemlich schlimme Dinge über mich erzählen, weil sie bestimmt eine schwache Ahnung hat, wo du dich herumtreibst.“

Es war schon ein leises Stechen, die Erkenntnis, dass er Seiichi nicht wieder sehen würde. Der Autor wusste, dass das unsinnig war und sie froh sein konnten jetzt wieder auf die richtigen und gewohnten Pfade zu gelangen – dennoch war er eben das nicht. Sanada wollte nicht gehen und diesen Moment für immer verstreichen lassen.

Dennoch widersprach er nicht noch einmal. Seine Hand strich noch mal sachte durch das weiche Haar, prägte sich das Gefühl genau ein, ehe er sie langsam zurück zog und sich von der Couch erhob. Die Musik drang erst jetzt wieder zu ihm durch, doch nun erschien sie dem Braunhaarigen kälter als zuvor. Schweigend richtete er seine Kleidung, damit nichts verrückt oder durcheinander war. Er sah den Blauhaarigen nicht an bis er fertig war und ihm nichts mehr blieb als zu gehen. Erst dann sah er wieder auf ihn hinab. Schade. Wider aller Vernunft, schade dass er ihn nicht wieder sehen würde.

„Nun…“, begann Sanada und fühlte sich mulmig dabei. Dennoch versuchte er zu seiner gewohnten Form zurück zu finden, stoisch und unnahbar, denn etwas anderes konnte er gleich dort draußen nicht zeigen. „Danke für das Essen und den Wein. Es…“ Nun blitzte doch kurz etwas anderes durch. „Es hat mich sehr gefreut“, sagte er leise, bevor er sich langsam zur Tür wandte und schweren Herzens den Raum verließ.

Doch bevor Sanada die Tür öffnen konnte, war Seiichi bei ihm. „Four Seasons Hotel, Präsidentensuite“, wisperte Seiichi ihm zu, wohl wissend, wie dämlich allein diese Idee war. Sich auf jemanden einzulassen den er kaum kannte war gar nicht das größte Problem, viel mehr würde er sich damit auf jemanden einlassen der aus ihm noch nicht ganz bekannten Gründen etwas in ihm weckte. Und gleichzeitig erfüllte er mit seiner Reaktion auch noch das eben verurteilte Klischee. Trotzdem wollte er es. „Geh in die Lobby und nimm den Fahrtstuhl in den obersten Stock. Die Suite ist auf der rechten Seite.“ Es klang wie eine Bitte, doch gleichzeitig ließ der Blauhaarige Sanada auch die Entscheidungsgewalt, indem er ihn nach diesen Worten sachte aus der Tür schob und diese hinter sich schloss, sodass er nun allein im Raum stand. Mit klopfendem Herzen lehnte er sich gegen die Tür und atmete tief durch. Das war alles mehr als nur verrückt und er bereit sich einfach darauf einzulassen. Wieso? Er war doch sonst nicht so unglaublich dämlich. Schnell zog er sein Jackett wieder an und verließ den Raum. Seiichi sprach mit niemandem und verließ die Veranstaltung. Sein Teil war eh getan, hatte er doch schließlich bereits zur Eröffnung eine nicht unerhebliche Summe gespendet. Für mehr war er auf dieser Veranstaltung auch nicht interessant.

Die Luft draußen war kühl und rüttelte ihn etwas wach. Sein Wagen stand in der Tiefgarage und nur kurze Zeit später raste er damit durch die hell erleuchtete Hauptstadt. Die Lichter dieser Stadt waren für ihn jedes Mal aufs Neue wunderschön. Tokio bei Nacht war ein mehr als nur beeindruckendes Bild, egal wie oft man es sah. Er kannte den Weg zum Hotel gut und es war keine Frage, dass er die gewünschte Suite erhielt. Mit Geld konnte man in solchen Hotels sehr viel erreichen und oftmals war eine hohe Summe mehr wert als ein guter Name. Die Räumlichkeiten über den Dächern der Stadt waren ihm nicht fremd, Seiichi kam oft hierher, selbst wenn er hier genauso alleine war wie in seiner Wohnung – doch hier fühlte er sich dabei nicht ganz so mies. Das nagende Gefühl, welches ihn den ganzen Weg über begleitet hatte blieb – ob Sanada kommen würde? Wenn er ehrlich war, dann glaubte Seiichi nicht daran.
 

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Ende Kapitel 1



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