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Die Geflügelte Schlange - Aufstieg

* * make love, not war * * - Teil 1
von

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29. Schuldgefühle (jugendfrei)

Hamarem sah besorgt auf das friedliche Gesicht des schlafenden Jungen. Derhan hatte Hamarems Vermutung, daß Nefut der Junge unter Drogen stand, bestätigt. Falls er aufwachen sollte, ohne ein bekanntes Gesicht zu sehen, mochte er panisch werden, und nach dem, was die Befehlshaber im Zelt des Ungenannten besprochen hatten, war es wohl sehr ungewiß, wann der Junge zu seiner Mutter zurückkehren konnte. Als Derhan und Nefut in das Mawatizelt zurückkehrten verrieten die Kräfte um sie, wie aufgewühlt sie waren. Nefuts Blick zu Hamarem und dem Lager des Jungen wirkte ausgesprochen schuldbewußt, aber als Hamarem den Mund öffnete, um zu fragen, was Amemna mit ihnen besprochen hatte, schüttelte Derhan hinter Nefuts Rücken den Kopf und Hamarem schwieg. "Du sollst zu unserem Birh-Melack kommen", sagte Derhan dann.
 

Hamarem erhob sich also gehorsam und ging hinüber zum ehemaligen Wanackzelt, daß nun ein Birh-Melack-Zelt war. Was mochte Amemna ihm zu sagen haben? Nefut der Junge würde doch wohl bei ihnen bleiben können, bis Hamarem mit seiner Mutter Kontakt aufnehmen konnte, oder? Das hatte Amemna ja praktisch versprochen.
 

Amemna saß zwischen den Kissen und sah Hamarem entgegen, als er das Zelt betrat. "Verrschließe den Eingang", sagte der frisch gebackene Birh-Melack müde, doch die Kräfte um Amemna waren eher stärker als sonst in Bewegung.
 

Hamarem gehorchte, blieb in einigem Abstand von Amemna stehen und wartete darauf, daß sein Birh-Melack sagte, was er wünschte. Doch Amemna schwieg und Hamarem betrachtete den jungen Mann, der ihn seinerseits musterte. Amemnas Augen, dunkler als gewöhnlich im schwachen Licht der Lampe, schienen plötzlich so uralt, als zeigten sich in ihnen die niederdrückenden Verpflichtungen, die die letzten Stunden für Amemna mit sich gebracht hatten. Es war, als sei Amemnas unbeschwerte Jugend mit dem Stich in die Kehle des Jungen aus ihnen verschwunden. Wenn Hamarem auch nur geahnt hätte, wie Amemna seine Bitte umsetzen würde, hätte er es niemals von ihm verlangt. Er warf sich auf die Knie und drückte die Stirn auf die weichen Teppiche. "Bitte verzeiht mir, Herr."
 

"Was soll ich dirr verzeihen, Hamarrem? Daß du Nefuts Autorrität unterrgrraben hast? Daß du zu einem sehr ungünstigen Moment meine Schulden eingeforrderrt hast? Oder daß du einfach verrschwunden bist, und mich fürrchten ließest, du wärrst getötet worrden?"
 

"Was soll ich denn sagen?" flüsterte Hamarem ratlos in den dicken Teppich. "Wie kann ich für all das Verzeihung erlangen, Herr?"
 

"Wie wärre es, wenn du damit anfängst, mirr zu errklären, was es mit diesem Jungen auf sich hat", ließ Amemna sich fast ebenso leise vernehmen.
 

Hamarem sah zögernd auf, verharrte aber kniend auf dem Boden.
 

"Komm doch bitte hierrherr, damit wirr wenigstens bequem miteinanderr rreden können", forderte Amemna Hamarem auf.
 

Gehorsam nickte Hamarem." Ja, Herr", und erhob sich, um zu den Kissen in Amemnas Nähe zu gehen. Von nahem sah sein Birh-Melack nicht alt sondern eher traurig aus, als hätte sich ein schwerer Kummer in sein Herz gegraben. Auch seine Augen waren etwas gerötet, als habe er vor kurzem noch Tränen vergossen.
 

"Was ist also mit diesem Jungen, den ich unbedingt rretten mußte?" erinnerte Amemna an seine Frage.
 

"Ich sagte euch schon, Herr, er ist der Sohn der Amapriesterin. Er war ein Gesellschafter des Prinzen. Anscheinend hat der Prinz seine Kleider bei ihm gelassen, um sich unerkannt zu verbergen. Und der Junge hat mit den Kleidern zur Unzeit Prinz gespielt. Daher wurde er als Sohn des Feldherrn zum Opferpodest gebracht", erzählte Hamarem.
 

"Und wieso wußtest du von dieserr Verrwechselung?" fragte Amemna nach.
 

Hamarem seufzte schicksalergeben. "Weil seine Mutter und deren Schülerin es mir offenbarten, Herr."
 

"Du bist also auf verrtrrautem Fuße mit derr Amaprriesterin und ihrrerr Schülerrin", folgerte Amemna. Ein anzügliches Lächeln schien um seine schönen Lippen zu spielen.
 

Hamarem spürte, wie er erötete. Er erinnerte sich so lebhaft an die Augenblicke der Ekstase, die er mit Ramilla und der Amapriesterin und natürlich mit der hübschen Karit erlebt hatte. Und er meinte, daß ihm der Geruch des Verlangens dieser drei Frauen in die Nase stieg, vermischt mit dem noch immer in seinem Gewand haftenden Weihrauchgeruch. Hamarem schloß die Augen, um diese Erinnerungen zu verdrängen, aber es gelang nicht. Statt dessen spürte er jetzt auch noch die sinnlichen Berührungen aus seinen Träumen von Amemna. Erschrocken schlug er die Augen auf, aber Amemna berührte ihn nicht. Er saß weiterhin zwei Armlängen von ihm entfernt, die Kräfte um ihn glühten regelrecht, seine Wangen waren etwas gerötet und sein Atem ging schnell und stoßweise. Wie Hamarems eigener, dem seine Erregung zu schaffen machte.
 

"Entschuldige Hamarem", stieß Amemna hervor. "Es ist nurr..., ich wollte nicht...", stammelte er. "Bitte geh. Wirr rreden späterr..., vielleicht..., geh!" Hilflos, flehend klang sein Birh-Melack, aber Hamarem beeilte sich, seinen Wünschen nachzukommen. Und als er aufstand, um sich zum Zeltausgang zu begeben, bemüht, den Mantel über seine Erregung zu decken, sah er in Amemnas Schoß ein ebensolches verräterisches Zeichen der Lust.
 

Draußen, in der durch eine leichte Brise etwas abgekühlten Abendluft, fragte Hamarem sich, was im Zelt seines Birh-Melack gerade passiert war. Hatte sein unirdischer Birh-Melack seine Gedanken und Gefühle geteilt, so wie Hamarem wiederum die des Birh-Melack? Der Gedanke lag nahe, das sie beide das selbe empfunden hatten. Aber wie konnte das passieren? Hamarem floh vor zufälligen Blicken anderer zu den Tieren, die in einem halb aufgebauten Zelt provisorisch untergebracht waren, streichelte seine Stute, vergewisserte sich, daß ihre schon mehrere Tage zurückliegende Verletzung gut verheilt war. Und langsam fand er seine Ruhe wieder. "Oh Orem, wie konnte soetwas nur passieren?" fragte er seinen Gott, obwohl er wußte, daß er die gerade erlebte gemeinschaftliche Erhitzung Amemnas und seinem eigenen unirdischen Erbteil verdankte.
 

*
 

Nach einer ganzen Weile ging Hamarem zurück ins Mawatizelt, fand Nefut den Jungen noch immer schlafend vor, Derhan und Oremar spielten das Bohnenspiel und Nefut las in den Schriften. Bei Hamarems Eintreten wandten sich ihm alle Blicke zu. "Bist du nun noch Wirtschafter oder inzwischen ebenfalls Leibwächter?" fragte Derhan neugierig.
 

Das hatte Amemna nicht mit ihm besprochen. Aber Hamarem war ein schlechter Wirtschafter gewesen, und als Leibwächter würde er gar nichts taugen. Zudem wäre er dadurch in der Nähe seines unirdischen Herrn, und das war keine gute Idee, denn es mochte wieder zu einem solchen gegenseitigen Erregungszustand kommen.
 

"Was sollst du denn nun machen, Hamarem?" fragte Oremar nach.
 

"Der Birh-Melack war vorhin sehr deutlich. Die Mawati sind seine Leibwächter, also doch wohl alle Mawati, nicht wahr?" warf Nefut ein. Hamarem war jedoch im Zweifel, ob er überhaupt noch als Mawati zählte, da er ja eigentlich nur der Wirtschafter der Wannim war.
 

"Und du bist noch immer der Zweite der Mawati?" fragte Derhan Nefut herausfordernd.
 

Nefut ballte die Fäuste, so daß der Schorf auf seinen Knöcheln an einigen Stellen aufplatzte. "Noch bin ich es. Willst du es vielleicht werden, Derhan?" fragte er dann mit einem gefährlichen Unterton. Wie war Nefut nur zu diesen Verletzungen gekommen? Es sah aus, als hätte er mit bloßen Fäusten eine Mauer eingeschlagen. Dann wurde Hamarem durch die Nennung seines Namen aus seinen Gedanken gerissen. "Was ist?" fragte er etwas verwirrt.
 

"Willst du ab morgen Zweiter der Mawati sein, Hamarem?" wiederholte Derhan geduldig, trotz der vernichtenden Blicke Nefuts. Die Kräfte um Nefut waren wie durch einen Sturm aufgewirbelt, aber Derhan schien zu genießen, ihn noch mehr in Rage zu bringen.
 

"Nefut ist doch der Zweite", wandte Hamarem ein. Und wieso sollte Amemna gerade seinem Liebhaber den Posten als Zweiter der Wannim entziehen? "Laß es gut sein, Derhan", bat Hamarem darum. "Nefut ist ein guter Zweiter, das weißt du."
 

"Er ist ein bißchen unbeherrscht in letzter Zeit", wandte ausgerechnet Oremar nun ein.
 

Und Derhan sagte: "Sei mir nicht böse, Hamarem, aber du hast so einiges verpaßt, während du deinem... Gottesdienst nachgekommen bist."
 

Wahrscheinlich machte Amemna auch Nefut verrückt. Hamarem hatte tiefstes Mitgefühl mit seinem ehemaligen Befehlshaber. Er war ihrem unirdischen Birh-Melack viel näher gekommen, als Hamarem es jemals wagen würde. Und da Amemna ja offenbar doch ein Mann war, mußte es Nefut wahrhaftig krank machen, ihn trotzdem zu begehren. Nefut war in seinem Verständnis vom Wahren Weg viel weniger flexibel, als Hamarem es war, und dabei hatten allein Träume von der Vereinigung mit einem Mann Hamarem schon schwer zugesetzt. "Laßt ihn doch in Ruhe, ihr beide", verlangte Hamarem daher zum Erstaunen aller. "Er hat es schwer genug als Zweiter eines unirdischen Befehlshabers." Und Derhan und Oremar verstummten tatsächlich.
 

Hamarem setzte sich neben das Lager von Nefut dem Kind und sah ihm beim Schlafen zu. Nicht einmal der recht laut geführte Streit hatte den Jungen geweckt, und die Kräfte um ihn flossen in ruhigen Wellen. "Du bist nicht wiederzuerkennen, Hamarem. Du hast mich einfach Nefut genannt, nicht Herr", flüsterte Nefut plötzlich hinter ihm.
 

"Entschuldigt, Herr, aber ich würde euch niemals unehrerbietig ansprechen. Ich habe euren Namen nur benutzt, als ich über euch geredet habe", wandte Hamarem ein, ohne sich umzudrehen. Ob er selbst jemals einen Sohn haben würde? Und wer würde die Mutter dieses Sohnes sein? Fast war Hamarem versucht, Traumkraut deswegen zu kauen.
 

"Ich danke dir, daß du für mich eingetreten bist, Hamarem", ließ Nefut sich wiederum leise vernehmen.
 

Hamarem drehte sich um. Er konnte Nefut nicht sagen, wie gut er seine Probleme nachvollziehen konnte, denn Nefut war noch immer sein Herr, dem er Respekt erweisen würde und dessen Mut und Fähigkeiten er bewunderte. Wie konnte er sich anmaßen, sich mit seinem Herrn auf eine Stufe zu stellen, indem er ihm sagte, daß auch er unter dem Zauber des Unirdischen litt, den Amemna wirkte, einfach weil es seine Natur war.
 

Nefut wartete jedoch anscheinend darauf, daß Hamarem etwas sagte, und dann knurrte Nefuts Magen vernehmlich. Hamarem sprang auf, "Ich werde das Nachtessen bereiten, Herr", und eilte zur Feuerstelle. Nefut setzte sich neben die Feuerstelle, sah Hamarem beim Kochen zu. "Wärst du denn bereit, den Posten als Zweiter der Wannim zu übernehmen?" fragte Nefut plötzlich leise und Hamarem fiel vor Schreck fast das halb gegarte Essen ins Feuer.
 

"Das kann nicht euer Ernst sein, Herr", protestierte Hamarem, doch Nefut nickte bestätigend. "Ich, von allen ausgerechnet ich, soll der Zweite der Mawati werden, mit anderen Worten also der Befehlshaber der Leibwache unseres Birh-Melack?"
 

"Dich respektieren die anderen wenigstens", gab Nefut mit ausdruckslosem Gesicht zurück und brachte Hamarems Protest damit zum Verstummen. Respektvoll hatten sich Oremar und Derhan in der Tat nicht benommen. "Du befielst, wir kämpfen", brachte Nefut es auf eine kurze Formel, "und wir alle wären damit zufrieden."
 

Hamarem mußte an Nefuts Argumentation in Bussir denken, als er Amemna dazu überredet hatte, Wanack einer Räuberbande zu werden. Jetzt war die Zeit, energisch den Kopf zu schütteln. "Das kann niemals funktionieren. Ich bin kein Befehlshaber, Herr."
 

"Aber du warst ein sehr fähiger Zweiter, Hamarem. Denk nicht, daß ich das nicht registriert hätte, auch wenn du die Waffenübungen gerne vernachlässigt hast." Und Nefut nahm für Hamarem das Brot aus der Glut, das schon begann anzukokeln. "Alles hat sich verändert, wie du es voraussagtest in jener Nacht."
 

In 'jener Nacht', als sie Amemna das erste Mal gesehen hatten, vor etwa einem Mond. Ja, es hatte sich alles verändert, gedankenverloren nickte Hamarem. Aber er war nicht sicher, ob er guten Gewissens das Amt als Zweiter der Wannim annehmen konnte. Es mochte verheerende Folgen haben. "Oremar kommt nicht in Frage, er kann nicht einmal lesen", zählte Nefut an den Fingern ab. "Und Derhan, nun, dem würde ich nicht folgen", gab Nefut geradeheraus zu. "Also bleibst nur du. Keiner ist mit dir in Konflikt und dein einziges Argument dagegen ist deine mangelnde Fertigkeit mit dem Schwert. Dann sieh deine Aufgabe doch darin, die Gefahren für unseren Birh-Melack mit deinen Zauberkräutern vorherzusehen um sie von ihm abzuwenden. Welche effektivere Leibwache könnte es geben als eine, die die Gefahren gar nicht erst an ihren Herrn herankommen läßt?"
 

Das Problem das blieb, war, daß eine Leibwache sich stets in der Nähe ihres Herrn aufhalten mußte. Das mochte sich für Hamarem und seinen Herrn als sehr ablenkend erweisen. Aber dieses Argument konnte Hamarem leider nicht vorbringen.
 

"Ja, koch' ihn weich, Nefut", ließ Derhan sich vernehmen. "Meine Stimme hast du, Hamarem." Und auch Oremar nickte.
 

*
 

Ihr Birh-Melack wollte nichts essen, Nefut das Kind schlief weiterhin, und die Mawati aßen in brütendem Schweigen. Hamarem protestierte nicht weiter gegen Nefuts Plan, ihn zum neuen Zweiten der Wannim zu machen sondern nahm es hin und hoffte, daß die anderen bald einsahen, daß die Wahl falsch war, und zwar bevor es zu einer Katastrophe kam. Dann legte er sich auf sein Lager, betrachtete den friedlich schlafenden Jungen, fand die Schönheit seiner Mutter in dem Kindergesicht, die gleichen Locken um die Stirn, den Schwung der Lippen und er wünschte sich zurück in das Zelt der Ama, zu jenen unbeschwerten Stunden, in denen seine Gedanken nicht einen Augenblick zu einem seiner Herren oder der Wannim abgeschweift waren. Und nun sollte er die Verantwortung für die Wannim übernehmen, er sollte Nefut Befehle erteilen.
 

Nefut lag unruhig auf seinem Lager, Derhan dagegen schnarchte schon leise und auch Oremar hatte sich in seine Decken gewickelt und schlief. Hamarem strich dem Jungen noch einmal sanft über das Haar und schloß dann selbst die Augen. So viel konnte er ja eigentlich nicht falsch machen bei einem unirdischen Herrn, der sich notfalls auch von einer tödlichen Verwundung wieder erholte.
 

So weiche Lippen, die ihn küssten, sanfte Hände, die über seinen nackten Körper strichen. Hamarem ließ die Augen geschlossen, genoß die lustvollen Gefühle, die erweckt wurden, gab die Küsse inbrünstig zurück, erkundete mit seinen Fingerspitzen einen Nacken, Schultern, Rücken, ein festes, aber nachgiebiges, wohlgeformtes Gesäß.
 

Eine kundige Hand steigerte seine Erregung, ihr Besitzer schmiegte den eigenen, männlichen Schoß gegen Hamarems Beine. Hamarem öffnete die Augen und sah den jungen Unirdischen, um den die glühenden Kräfte geradezu pulsierten. Was mochte jetzt kommen fragte er sich. Furcht und Begierde mischten sich und sorgten dafür, daß Hamarem das Herz bis in den Hals pochte.
 

...
 

Sie trennten sich und Amemna drückte Hamarem ganz zurück auf die Decken, liebkoste seinen Körper mit seinen Lippen, und Hamarem schloß zum vollen Genießen der lustvollen Gefühle wieder die Augen. Als sich erneut ein Seufzer der Erregung von seinen Lippen löste, erwachte er.
 

Es dämmerte bereits, natürlich lag Amemna nicht neben ihm auf den Decken, natürlich war Hamarem noch in sein Untergewand gekleidet und selbstverständlich hatte er sich während dieses Traums ergossen. Ein wunderbarer Traum, der aber wohl niemals Wirklichkeit werden konnte. Nicht wenn Nefut nicht auch seine Position als Liebhaber ihres Birh-Melack an ihn abtrat. Und Hamarem schämte sich für diesen Gedanken.
 

Gerade griff Nefut nach seinem Schwert, wohl um seine morgendlichen Übungen durchzuführen. Da Nefut das Kind noch selig schlief, beeilte Hamarem sich, Nefut dem Mawati hinaus vor das Zelt zu folgen, das eigene Schwert in der Hand. Er hatte es geschafft, gezielt die Gefühle seiner Geliebten in sich aufzunehmen und er würde es schaffen, unerwünschte Gefühle gezielt von sich abprallen zu lassen. Welchen Schrecken konnte das Schwert also noch für ihn haben, wenn er den Umgang damit beherrschte?
 

Nefut war ganz offensichtlich sehr erstaunt, als er sah, wer sich ihm bei den Schwertübungen anschloß. "Du nimmst deine neue Aufgabe also ernst", schloß er aus Hamarems Verhalten.
 

"Ja, Herr", antwortete Hamarem.
 

"Jetzt bist du der Zweite der Wannim. Du solltest mich nicht mehr so ehrerbietig ansprechen."
 

Hamarem mußte lächeln, als er an seine eigenen Worte während eines ähnlichen Gespräches mit Amemna dachte.
 

"Was ist so lustig?" fragte Nefut neugierig.
 

"Das mir dieser Wandel gefällt, Herr. Und ich bin erst der Zweite der Wannim, wenn ihr es unserem Birh-Melack gesagt habt, Herr." Völlig grundlos war Hamarem das Herz so leicht, war ihm so übermütig zumute, daß er lachen mußte, aber bemühte sich gleich darauf, diese Energie in die Übungen fließen zu lassen.
 

Amemna schloß sich den Übungen diesen Morgen nicht an und nachdem Nefut und Hamarem sich gewaschen hatten, als Oremar und Derhan das Frühstück bereiteten und der Junge noch immer schlief, gingen der ehemalige und der zukünftige Zweite der Wannim zu ihrem Birh-Melack, um ihn über Nefuts Entscheidung zu informieren. "Birh-Melack, seid ihr wach?" fragte Nefut höflich vor dem verschlossenen Zelt.
 

Amemna öffnete den Eingang, sah Nefut an. "Also hast du deine Entscheidung getrroffen", sagte er. Hamarem fiel es schwer, bei dem Blick auf Amemnas wunderschöne Lippen zu verdrängen, wie sie in seinem Traum über seinen Körper geglitten waren.
 

"Ja, ich habe meine Entscheidung getroffen", sagte Nefut. "An meiner Stelle wird Hamarem Zweiter der Wannim."
 

Amemna sah zu Hamarem, als hätte er ihn erst in diesem Moment wahrgenommen. Ihre Augen trafen sich einen kurzen Moment, dann überflog eine leichte Röte Amemnas Wangen und er schaute zu Boden.
 

Hatte Hamarem sich den zärtliche Ausdruck in Amemnas Augen nur eingebildet? Er erinnerte ihn an den Blick Karits, nachdem sie die Göttin gefeiert hatten. Er mußte noch aus Hamarems Traum übriggeblieben sein, denn so hatte Amemna ihn noch niemals in Wirklichkeit angesehen. Und Hamarem kam plötzlich der Verdacht, daß Amemna und er, während ihrer beider Geist im Schlaf gewandert war, den Traum dieser Nacht geteilt hatten. War das vielleicht sogar der Ursprung aller seiner Träume von Amemna gewesen? Hatte er die Begierden seines Herrn geteilt? Denn von allein wäre er wohl kaum auf solche Ideen gekommen. Doch hatte Amemna von Hamarem geträumt, oder hatte Hamarem in seinem Teil des Traums nur einen anderen Mann durch sich selbst ersetzt?
 

Amemna räusperte sich, sah wieder auf. "Eine unerrwarrtete Entscheidung hat Nefut da getrroffen, aber ich denke, sie ist durrchaus akzeptabel." Und Amemna lächelte den Zweiten seiner Wannim in einer Weise an, die Hamarem die Knie wieder einmal weich werden ließ. Dann ging der Birh-Melack zum Mawatizelt hinüber. "Verranlasse, daß die Birrh-Mellim sich in derr zweiten Stunde vorr dem Zelt des Ungenannten sammelt", sagte er im Weggehen ohne sich umzudrehen.
 

Hamarem riß sich zusammen, eilte seinem Birh-Melack hinterher. "Herr, habt ihr einen Zweiten für die Birh-Mellim eingesetzt?"
 

Amemna war schon im Eingang des Zeltes. "Derr ehemalige Melack ist derr Zweite derr Birrh-Mellim." Dann verschwand er im Mawatizelt.
 

"Ich veranlasse alles sofort", versicherte Hamarem und lief los zum Zelt des ehemaligen Melack, um dem Zweiten der Birh-Mellim seine Befehle zu überbringen.
 

*
 

Als Hamarem in das Mawatizelt zurückkehrte, war Nefut das Kind endlich erwacht. Derhan kümmerte sich um ihn und hatte ihm anscheinend etwas zu essen gegeben. Der Junge wirkte müde, erstaunlich ruhig, nur die Kräfte um ihn waren etwas in Unordnung. Als er Hamarem erblickte, war er sichtlich erleichtert. Hamarem ging zu ihm und der Junge warf sich ihm an den Hals, vergrub seine Nase wieder in Hamarems Mantel. "Ich will zu meiner Mutter", sagte er so leise, daß nur Hamarem es hören konnte.
 

"Das wird noch ein paar Tage dauern, fürchte ich", antwortete Hamarem ebenso leise. "Aber ich und die anderen Mawati werden bis dahin auf dich aufpassen."

"Hat mich euer Wanack wirklich dem Ungenannten geopfert und ins Leben zurückgeholt?" fragte der Junge dann nach einer Weile. Angesichts des Aufruhr in den Kräften schien ihm die Antwort auf diese Frage überaus wichtig zu sein.
 

"Hat Derhan es dir so erzählt?" fragte Hamarem nach und der Junge nickte.
 

"Eigentlich hat unser ehemaliger Wanack nur deutlich gemacht, daß der Ungenannte das Opfer nicht wünscht", versuchte Hamarem richtig zu stellen.
 

"Nefut, Hamarrem, begleitet mich zurr Verrsammlung derr Birrh-Mellim", ließ sich in dem Moment Amemna vom Zelteingang her vernehmen. "Ihrr anderren bleibt in derr Menge."
 

Vorsichtig löste Hamarem die Arme des Jungen von seinem Hals. "Ich muß meinen Herrn begleiten. Bleib bei Oremar und Derhan, dann kann dir nichts passieren."
 

Der Junge nickte etwas verschüchtert, und als Hamarem vom Zelteingang noch einmal zurückschaute stand er noch genau dort, wo Hamarem ihn wieder auf den Boden gestellt hatte.
 

Hamarem kam außer Atem, als er Amemna und Nefut durch die Zeltgassen in das Zentrum des Lagers zum Zelt des Ungenannten folgte. Und als der Birh-Melack sich vor der fast vollständig versammelten Birh-Mellim auf das Podest begab, Nefut sich breitbeinig ein Stück hinter Amemna aufstellte, die linke Hand am Schwertgriff, fühlte Hamarem sich sehr lächerlich, als er versuchte, die Pose Nefuts nachzuahmen. Immerhin war er einen guten Kopf kleiner als Nefut und um einiges schmaler.
 

Durch die Menge ging ein erwartungsvolles Raunen, als Amemna den ehemaligen Melack zu sich winkte, der ein wichtig aussehendes Schreiben in den Händen hielt, komplett mit zwei Bändern und daran baumelnden Siegeln. Das mochte ein Schreiben der Tetraosi sein. "Männerr", begann Amemna seine Ansprache, und hatte sofort die ungeteilte Aufmerksamkeit der knapp sechshundert Männer, "ich habe den Wanack Narrif Perrdinim zum Zweiten derr Birrh-Mellim gemacht. Err warr ein guterr Melack und err wirrd fürr euch alle ein guterr Zweiterr sein. Und als glücksverrheißendes Zeichen seinerr Amtseinsetzung kam wenig späterr dieses Schrreiben derr Tetrraosi", Amemna streckte die Hand danach aus und Narif Perdinim gab es ihm, "in dem sie perrsönlichen Verrhandlungen zustimmen, die heute vorrmittag stattfinden sollen. Es werrden derr Feldherrr derr Tetrraosi, Verrtrreterr ihrrerr Verrbündeten und Abgesandte des Königs an den Verrhandlungen teilnehmen. Von unserrerr Seite werrden außerr mirr ein Verrtrreterr derr Befehlshaberr derr Rreiterrei und einerr derr Fußtrruppen teilnehmen. Ich werrde verrsuchen, eine neue Anstellung fürr uns alle zu errhalten, damit endlich derr ausstehende Sold bezahlt wirrd. Und ich errwarrte, daß ihrr euch alle rruhig verrhaltet." Mit einer schwungvollen Bewegung steckte Amemna das Schreiben der Tetraosi in seinen Gürtel, nickte seinem Zweiten der Birh-Mellim kurz zu und ging zur Treppe, die von dem Podest herunterführte.
 

Nefut und Hamarem beeilten sich, den Anschluß nicht zu verlieren.
 

Inzwischen schickte der Zweite der Birh-Mellim die Söldner wieder in ihre Zelte und Amemna sagte zu Nefut. "Hol unserre Pferrde, wirr trreffen uns mit den Verrtrreterrn derr Söldnerr auf dem Musterrungsplatz vorr dem Lagerr."
 

Nefut nickte und eilte davon durch die Menge, die sich langsam auflöste, während Amemna eher gemessenen Schrittes in Richtung Ausgang ging, Hamarem immer einen Schritt hinter ihm. Kurz vor der Palisade, die das Heerlager umgab, blieb Amemna auf einmal stehen, so daß Hamarem plötzlich neben ihm war, bevor auch er zum Stillstand kam. "Hamarrem, ich möchte mich bei dirr entschuldigen", sagte der Birh-Melack leise.
 

"Wofür?" fragte Hamarem überrascht, als Amemna längere Zeit schwieg.
 

"Daß ich dich gesterrn so bedrrängt habe. Ich weiß nicht, wie es passierren konnte, aberr ich habe wohl irrgendwie die Kontrrolle verrloren und..." Die Scham, die in Amemna aufstieg, traf Hamarem wie ein Hammerschlag.
 

"Es war euch unangenehm, Herr", folgerte Hamarem schnell und drehte sein Gesicht weg, so daß sein Birh-Melack die Enttäuschung nicht sehen konnte. Wieso war er gar nicht auf die Idee gekommen, daß Amemna die gegenseitige Erhitzung peinlich und unangenehm gewesen sein könnte? Aber das er einen Mann als Liebhaber hatte hieß ja nicht, daß er jedem Mann in dieser Weise begegnen wollte. Von wem habt ihr in der Nacht geträumt, Herr? wollte Hamarem fragen, aber dazu fehlte ihm der Mut. Vielleicht ahnte Amemna gar nichts von den geteilten Träumen, und das war wohl auch besser so. "Ihr seid Abkömmling eines Unirdischen", stellte Hamarem also fest, denn in seinen Augen war das Erklärung und Entschuldigung genug.
 

Und Amemna ließ es dabei bewenden.
 

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