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Conspiracy Dwelling (Two Rooms)

Freunde können manchmal grausamer sein als Feinde.
von

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„Stell die Frage dir selbst, du solltest sie beantworten können“

Rating: PG-13

Word Count: 7.759

A/N: Wie oft ich diese Wohnung umgestaltet habe... @_@ (http://i.imgur.com/etXrn.png)

Ich habe mir Mühe gegeben, bei dieser FF sehr detailliert vorzugehen, was mir an manchen Stellen wohl fast zu gut gelungen ist. Bitte lasst euch von der anfänglichen Beschreibung der Wohnung nicht abschrecken, alles, was später relevant wird, was mit ihr zu tun hat, ist bereits in diesen ersten Absätzen drin... (Deshalb würde ich fast empfehlen, den Anfang nach dem Ende noch ein mal zu lesen :3)

Abgesehen davon finde ich es sehr schade, dass ich diese FF in Kapitel zerschnippeln musste. Am Besten liest sie sich in einem durch, aber das ist bei über 40.000 Wörtern wohl utopisch.
 

~*~
 

Es ist eine Wohnung mit zwei Zimmern. Das eine ist das Badezimmer, das andere der Wohnraum. Das Wohnzimmer besteht quasi aus drei Teilen: Dem Küchen-, dem Wohn- und dem Schlafbereich.

Der Küchenbereich beginnt gleich hinter der Wohnungstür mit einem Mülleimer, dessen Innerstes jedoch ruhig ungenannt bleiben kann, und ist insgesamt recht spärlich eingerichtet: Es gibt eine Spüle, einen Herd mit Backofen, einen Kühlschrank mit Eisfach und etliche Schränke. In der Spüle ruht etwas dreckiges Geschirr, das jedoch frisch zu sein scheint, ansonsten ist sie sauber. Auf dem Herd stehen zwei Töpfe: In dem einen befindet sich Reis, in dem anderen Curry. Im Kühlschrank findet sich eine beachtliche Sammlung Alkohol, der präsenter ist als das Essen darum herum. Insgesamt ist der Kühlschrank sehr vollgestopft, ebenso wie das Eisfach, in dem nicht nur eine zuvor frisch gekaufte Eispackungen ihrer Kühlung harren, sondern auch eine vergessene Palette Eiswürfel lagert. In den Schränken befinden sich weitere Vorräte, die nicht in den Kühlschrank gehören, Geschirr, Besteck und ein äußerst wertvolles Teeservice. Der Rest ist kaum von Belang. Über dem Herd befindet sich ein kleines Fenster ohne Gardinen mit einer Fensterbank, auf die sowohl ein kleiner Blumentopf mit einer grünen Ganzjahrespflanze als auch ein kleiner gläserner Aschenbecher ihren Weg gefunden haben. Des Weiteren steht an der linken Wand – von der Wohnungstür aus gesehen – noch ein Staubsauger. Der Fernseher befindet sich schräg in der entsprechenden Ecke auf einer kleinen Kommode, die noch einen DVD-Player, einen Gamecube mit einigen Spielen und ein Aufladegerät für ein schnurloses Telefon beinhaltet. Darüber hängt eine schlichte Wanduhr. Hier kann man den Wohnbereich beginnen lassen.

An der gegenüberliegenden Wand sieht man zunächst die Badezimmertür neben dem Fernseher. Rechts daneben stehen eine Kommode und ein Regal aus Teakholz. Das Regal enthält zur einen Hälfte Bücher und zur anderen Hälfte CDs und DVDs, deren Natur sehr vielfältig ist. Die Kommode enthält nichts sonderlich Auffälliges in ihren Schubladen: Steuernachweise, alte Postkarten, eine stehen gebliebene Armbanduhr, Stifte, Papier, Panzerklebeband, Steck- und Sicherheitsnadeln und so weiter. Auf ihr stehen drei eingerahmte Bilder, die allesamt staubig sind: Eines von einem kleinen Jungen zusammen mit seinen Eltern und seiner großen Schwester, die allesamt ausnahmsweise nicht gekünstelt in die Kamera strahlen. Daneben sieht man eine relativ junge Frau, die überglücklich ein Baby im Arm hält und offenbar in den besten Jahren ihres Lebens ist. Das letzte Foto zeigt zwei Highschooler, welche grinsend die Arme umeinander gelegt haben, und während der eine die Kamera hält, um sie beide zu knipsen, macht der andere das Victory-Zeichen. Dieses Bild weist am wenigsten Staub auf. In der Ecke zwischen der Kommode und der dunkelroten Couch, auf der sich ein recht neuer Laptop befindet, steht eine große Stehlampe. Hinter dem Sofa spendet ein langes Fenster Licht, das auf die Straße hinuntergeht und auf dessen Fensterbank sich kaum etwas befindet; unter der Fensterbank findet sich ein Heizungskörper. Mitten im Zimmer steht ein Küchentisch mit drei Stühlen, dessen eine Hälfe Krimskrams verschiedenster Art aufweist: Ein Fernsehmagazin, eine Tageszeitung, einige Münzen, eine annähernd volle Zigarettenschachtel, einen Aschenbecher, Kaugummis und so fort; die andere Hälfte ist bis auf das schnurlose Telefon und einen Schlüsselbund aufgeräumt. Damit endet der Wohnbereich.

Der Schlafbereich ist nicht sonderlich umfangreich: Er beginnt mit einem niedrigen Nachttisch direkt neben der roten Couch, auf dem ein digitaler Wecker, eine kleine Lampe, ein CD-Player und ein Aschenbecher stehen. In der Schublade liegen zwei Paar Handschellen, ein extra geschärftes Taschenmesser, einige Notizzettel, Haarklammern, eine Tube mit undefinierbarem Inhalt und weiteres Kleinzeug. Das Bett steht in der Ecke und ist breiter als normale Betten, weshalb das weiße Laken, das eigentlich für ein Doppelbett gedacht ist, zu groß erscheint. Die Bettwäsche ist im Stil schottischer Kilts gehalten. Die Bettdecke liegt zusammengeknüllt am Ende des Betts und das Kopfkissen ist eingedrückt. Schlussendlich steht noch ein Kleiderschrank neben der Wohnungstür, in dem sich die unterschiedlichste Kleidung finden lässt, vom feinen Anzug bis zur zerrissenen Hose. Vor dem Kleiderschrank stehen zwei Paar Schuhe und an der Schranktür sind Kleiderhaken befestigt, an denen einige Jacken hängen.

Die Tapete des Wohnraums ist hell gehalten in einem neutralen cremefarbenen Ton, der schön mit dem Holz der Möbel harmoniert und das Fehlen von Dekoration entschuldigt. An den Wänden hängen lediglich ein Poster einer längst aufgelösten Band sowie ein gefälschtes Gemälde eines renommierten Malers. Der Boden ist mit Parkett ausgelegt und trägt daher ebenfalls zur Helligkeit des Raums bei. Die an der Decke hängende Lampe ist ausgeschaltet, denn obwohl die Sonne nicht mehr ins Zimmer scheint, ist es doch bereits hell genug.

Das Badezimmer misst etwa ein Drittel der Fläche des Wohnraums und ist hauptsächlich praktisch orientiert eingerichtet. Man findet weder Bilder noch Postkarten noch Aufkleber an den jungfräulichen Wänden, die weiß gekachelt sind und sauber, aber nicht steril wirken. Man betritt das Badezimmer durch eine gleichermaßen weiße Tür und findet zu seiner Linken einen hohen Schrank aus hellem Holz, in dem große wie kleine Handtücher, Badekleidung, Sonnencreme und Badeschlappen liegen. Daneben ist das Waschbecken, das wie die Toilette aus blütenweißer Keramik besteht und über dem sich ein Bord und ein großer gerade beschlagener Spiegel befinden. Auf der Ablage ruhen Zahnpasta und eine Zahnbürste, ein Kamm, ein Rasierer samt Rasierschaum und After Shave sowie eine halb leere Flasche Herrenparfum. Unter dem Waschbecken findet sich ein kleiner Schrank, dessen Inhalt sowohl eine Packung Haarfärbemittel als auch Vorräte für das bereits Genannte, Shampoo, Pflaster, und verschiedene Medikamente bereitstellt. An der Wand vor Kopf ist links unter einem kleinen Fenster aus Milchglas die Toilette, auf deren Kasten ein aufgeschlagenes Sudokuheft zusammen mit einem Bleistift und einem Radiergummi liegt, das Wasserflecken aufweist und wahrscheinlich vor Kurzem zum Einsatz gekommen ist. Daneben steht ein kleiner blauer Mülleimer, deren Inhalt wohl kaum von Interesse ist. Rechts davon gibt es eine Dusche mit einer halb durchsichtigen Trennwand, die unordentlich zugeklappt ist und in der etliche Hygieneartikel stehen. Ferner finden sich auf der rechten Seite ein Wäschepuff, der zur Hälfte gefüllt ist, und eine hohe Heizung hinter der Tür, über die ein feuchtes Handtuch gehängt ist. Auf dem Boden, der ebenfalls aus weißen Fliesen besteht, liegt ein dunkelblauer Teppich mit nassen Fußspuren darauf.

Doch nun den kaum erkennbaren Wassertropfen hinterher, die eine Linie vom Badezimmer hin zur Couch bilden – dort sitzt der Hausherr und telefoniert. Sein Gesicht mochte von manchen als hübsch bezeichnen werden, der stechende Blick seiner Augen wurde jedoch von den wenigsten geleugnet, am allerwenigsten von sich selbst. Ansonsten weist sein Gesicht keine auffällige Besonderheit auf, obwohl es dem neutralen Beobachter wohl durch seinen Ernst im Gedächtnis bleibt. Knapp schulterlange, tiefschwarze Haare umrahmen das Gesicht, indem sie glatt und noch feucht nach unten fallen, wobei man die vielen Piercings im linken Ohr noch immer mühelos bemerken kann. Der Körper ist schlank und liegt nur knapp unter der japanischen Durchschnittsgröße, zudem ist er in einen weißen Bademantel gehüllt, welcher die Sicht auf die schwarzen Tattoos auf der linken Schulter verwehrt.
 

Insgesamt war dieser recht junge Japaner nichts Besonderes, sah man von einer Tatsache ab, um die es gerade am Telefon ging.

„Es beunruhigt mich auch, ja“, gab der Hausherr gerade von sich und fuhr geistesabwesend mit den Fingerspitzen durch seine feuchten Haarsträhnen. „Wenn ich dir irgendwie helfen kann, tue ich es auf der Stelle, Hiko.“

„Ich glaube, es hat mir schon gut getan, mit dir darüber zu reden“, erklang es von der anderen Seite. Die Frauenstimme klang aufgebracht. „Aber... er ist einfach verschwunden! Ich mache mir solche Sorgen... und meinen Eltern kann ich es natürlich nicht erzählen, du weißt ja, wie sie reagieren würden...“

„Das weiß ich allerdings“, entgegnete der Schwarzhaarige und fixierte seinen Blick auf eine Ecke des Raums. Obwohl seine Stimme Mitgefühl ausdrückte, so war doch die Anspielung eines Lächelns in seinen Mundwinkeln kaum zu übersehen. „Nein, wahrscheinlich solltest du wirklich nicht mit ihnen darüber reden. Aber er kann nicht einfach verschwunden sein, ohne eine Spur hinterlassen zu haben.“

„Ja, das denke ich auch... nur wo sollen wir dann suchen?“

Er gab vor, einen Moment überlegen zu müssen, ehe er vorschlug: „Wie wäre es, wenn du bei seiner Arbeit herumfragst und ich unter seinen Freunden? Es ist zwar Samstag, aber meines Wissens nach halten sie sich immer noch zumindest in der Nähe der Universität auf.“

„...Das ist bestimmt blöd für dich, aber mir ist es so am liebsten. Ich bin auch nicht sonderlich gut mit ihnen ausgekommen, und wer weiß, was sie mir erzählen... falls sie mir überhaupt glauben. Ich habe Angst, ich habe solche Angst...! Was, wenn ihm wirklich was passiert ist?“

„Beruhige dich erst einmal und kümmere dich um seine Arbeitskollegen, dann hast du etwas zu tun. Das wird dich ablenken und du tust etwas Nützliches. Sollen wir heute Abend noch einmal telefonieren?“ Das Lächeln erreichte nun langsam seine Augen, die vor Häme blitzten.

„Gerne, ja. Oh, du bist mir so eine Hilfe, Daisuke, ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde. Meine Freundinnen meinen ja, er sei mit einer anderen auf und davon, aber das KANN ich einfach nicht glauben.“

„So jemand ist er nicht“, bestätigte der Angesprochene namens Daisuke mit bestimmtem Tonfall. Die nächsten Worte gab er von sich, während er seinen Bademantel zurecht rückte, seine Augen jedoch nicht schweifen ließ. Sie blieben dort. „Er liebt dich wirklich, Hiko. Es wird schon alles in Ordnung sein mit ihm.“

„Danke. Danke, vielen Dank. Du gibst mir Mut.“

„Ich tu, was ich kann. Du schaffst das schon, bleib einfach ruhig und denk logisch. Und wenn etwas sein sollte – ich bin für dich da, du kannst mich jederzeit anrufen.“

Nun klang sie bereits etwas entspannter. „Ja. Das ist ein gutes Gefühl. Danke. Ich gehe jetzt los und frage nach und heute Abend rufe ich dich wieder an.“

„Alles klar. Machs gut, Hiko, und denk nicht zu viel. Bis später.“ Daisuke beendete das Gespräch und neigte seinen Kopf zur anderen Seite, als betrachtete er ein seltenes Insekt aus nächster Nähe. Dabei befand sich das Objekt seiner Aufmerksamkeit gar direkt vor ihm. „Deine Freundin ist noch genauso fürchterlich wie früher“, stellte er ruhig fest. „Wie war das – sie konnte mich angeblich noch nie leiden? In meinen Ohren klang es gerade eben eher wie ‚hätte ich ihn nicht, wäre ich mit dir zusammen’.“

Auf dem Bett lag das Thema des vorangegangenen Gesprächs: Es war ein junger Mann in Daisukes Alter, den vor allem sein katzenhaftes Gesicht und seine dunkelroten Haare auszeichneten, die wild zerzaust waren und in sämtliche Richtungen abstanden, wodurch ihm ein freches Aussehen verliehen wurde. Er war mindestens genauso dünn wie der Hausherr und in etwa gleich groß, auch wenn man seine Größe in seiner derzeitigen Position schlecht abschätzen konnte. Er trug eine eng anliegende schwarze Hose, ein knappes weißes T-Shirt und war barfuß, da ihm seine Schuhe und Socken bereits vor einigen Stunden ausgezogen worden waren.

Seine Handgelenke waren hinter seinem Rücken gefesselt und gleichzeitig an das obere Bettgestell gebunden, während seine Knöchel wiederum am unteren befestigt waren. Die Seile bestanden aus solidem Hanf und waren absolut reißfest und schnitten ihm nicht nur ins Fleisch, sondern behinderten auch seine Blutzirkulation nachhaltig. Er hätte seinen Schmerzen sicherlich verbal Luft gemacht, wäre nicht noch ein zusammengerolltes Küchentuch um seinen Kopf gebunden, auf das er unentwegt biss und welches ihm fast unmöglich machte, Geräusche zu produzieren. Im Moment beschränkte er sich darauf, den anderen auf dem Sofa anzustarren. Er hatte gerade eine Position gefunden, in der ihm die wenigsten Körperteile weh taten, daher rührte er sich außer zum Atmen nicht. Und um dem anderen mit den Augen zu folgen, selbstverständlich.

Daisuke stellte sich neben sein Bett und berührte in einer fast liebevollen Geste die roten Haare des anderen, woraufhin dieser zusammenzuckte und mit Augen, aus denen gleichermaßen Hetze, Angst und Ablehnung sprachen, zu ihm aufblickte. „Du wirst nicht so leicht entkommen können, dafür habe ich gesorgt. Halt die Schmerzen noch ein bisschen länger aus, Aie, in ein paar Stunden bin ich wieder da. Jetzt werde ich mich erst einmal um deine sogenannten Freunde kümmern.“ Der Schwarzhaarige schenkte dem anderen ein freundliches Lächeln, ehe er sich ohne einen weiteren Blick auf seinen Gast anzog, den Schlüsselbund vom Küchentisch an seiner Hose befestigte und schließlich die Wohnung verließ.

Zurück blieb Aie, der sich nur mit Mühe davon abhalten konnte, wie wild herum zu strampeln. Einerseits hatte ihn eine lodernde Wut ergriffen, ein Zorn gegen diese Ungerechtigkeit, gegen seine eigene Hilflosigkeit, gegen seine jetzige Situation allgemein. Auf der anderen Seite jedoch beherrschte ihn eine fatalistische Verzweiflung: Er würde nichts tun können. Seine Arme und Beine waren festgebunden, seine Bewegungsfreiheit minimal und ihn würde wohl auch niemand hören. Er konnte nichts tun außer zu warten. Darauf zu warten, dass derjenige, der ihm seine Freiheit geraubt hatte, zurückkehrte.

Das Letzte, woran er sich sehr deutlich erinnern konnte, war, dass er an diesem Morgen neben seiner geliebten Freundin Hiko aufgewacht war und sich gut gefühlt hatte. Ein unwirkliches Gefühl, so erschien es ihm inzwischen, als habe er es nie tatsächlich empfunden. Sie hatten gemeinsam geduscht und zusammen gefrühstückt, anschließend hatte er sich von ihr mit dem Versprechen verabschiedet, sie noch innerhalb der nächsten Stunde wegen des bevorstehenden Treffens mit seinen Eltern zu kontaktieren. Dazu war es jedoch nie gekommen. Kaum dass Hiko seine Wohnung verlassen hatte, schellte es bereits erneut. Aie, der geglaubt hatte, sie habe etwas vergessen, öffnete, ohne über die Sprechanlage nachzufragen und hatte kurz darauf Daisuke vor seiner Wohnungstür stehen. Daisuke, der ihn – im Nachhinein fiel es ihm auf – bereits zu dem Zeitpunkt so lauernd betrachtet hatte. Er log ihm etwas vor, dass er in der Gegend gewesen war – mittlerweile wusste Aie selbstverständlich, dass es gelogen war, da jedoch noch nicht – und ob er nicht kurz herein kommen könne. Aie, der sich zwar wunderte, was seinen ehemals besten Freund dazu verleitet haben konnte, bei ihm vorbeizuschauen, ließ diesen allerdings ohne Umschweife hinein und wollte ihm voran ins Wohnzimmer gehen. Er wurde sofort ohnmächtig und da sein Kopf dumpf brummte, nahm er an, dass Daisuke ihm mit irgendetwas auf den Hinterkopf geschlagen hatte.

Das Nächste, was er wusste, war, dass er mit dröhnendem Schädel, schmerzenden Gliedern und gefesselt auf einem fremden Bett aufgewacht war. Er war alleine in dem recht großen Raum gewesen, von nebenan ertönte jedoch das Geräusch von fließendem Wasser. Aie waren nur wenige Minuten geblieben, sich in dem Raum umzusehen, bevor das Telefon klingelte. Die Wohnung sagte ihm nichts, wobei ihm einige Dinge vage bekannt vorgekommen waren: Das Handtuch, das vor der Spüle hing, das Gemälde und die Kommode. Als sein Blick auf die Kommode gefallen war, hatte er auch das Foto der beiden Highschooler entdeckt und auf der Stelle begriffen, wo er war. Erst dann hatte er sich an Daisuke erinnert.

Auf das Geräusch des klingelnden Telefons hin war eben jener aus dem Badezimmer gekommen, hatte dem Rotschopf einen kurzen Seitenblick, begleitet von einem süffisanten Lächeln, geschenkt und den Anruf angenommen, ehe er sich auf die Couch hatte fallen lassen und seinen Gefangenen beobachtete. Während des Gesprächs wurde die Panik in Aies Bewusstsein immer stärker. Er hatte gleich mitbekommen, dass sein ehemaliger bester Freund mit seiner Freundin, Hiko, telefonierte und dieser mitteilte, er habe auch keine Ahnung, wo Aie sich befand.

Und nun lag er hier und spürte, wie Verzweiflung ihn lähmte.

Er rutschte etwas auf dem Bett herum, musste allerdings feststellen, dass, je mehr er sich bewegte, seine Gliedmaßen umso mehr schmerzten, allen voran seine Arme und Hände. Nicht nur, dass sie derart unbequem hinter seinem Rücken festgebunden waren, dass sie längst eingeschlafen waren; sie wurden auch mit der Zeit immer kälter, da das Blut nicht mehr vernünftig fließen konnte. Er hatte die drei Stunden, die er bewusstlos gewesen war – er konnte von seiner Position aus auf den Wecker sehen – wohl auf der Seite gelegen, wie auch nun immer noch, da er seinen rechten Arm überhaupt nicht mehr spüren konnte bis auf einen entfernten Schmerz. Probeweise rückte er sich so zurecht, dass er auf dem Bauch lag, was erstaunlicherweise sogar die bequemste Position war, die er sich erlauben konnte. Natürlich würde er furchtbare Nackenschmerzen bekommen, wollte er nicht ersticken, aber diese waren im Moment bei Weitem nicht so präsent wie die ganze andere Pein, die er gerade ertrug.

Während er ergeben darauf wartete, dass Daisuke zurückkehrte, beschäftigte ihn hauptsächlich ein Gedanke: Womit habe ich das verdient?
 

Niemals zuvor im Leben hätte Aie es für möglich gehalten, jemals über das Geräusch einer Tür, die gerade aufgeschlossen wurde, so froh zu sein. Er war zwischendurch mehr oder weniger weggedöst und hatte die vier Stunden, die sein Peiniger fort gewesen war, mehr vor sich dahin vegetiert, nun jedoch war er hellwach. Sofort drehte er sich wieder auf die Seite, um Daisuke besser im Blick haben zu können.

Dieser musterte den Rothaarigen mit einer Mischung aus Amüsement und Überlegenheit, während er seine Schuhe auszog, seine Jacke aufhängte und sich erst einmal eine Zigarette anzündete. Dieser Anblick machte Aies Verlangen nach genau so einem Glimmstängel beinahe übermächtig, aber er zwang sich, einen kühlen Kopf zu behalten – soweit das mit einem Körper, der nur noch aus Schmerz zu bestehen schien, eben möglich war.

„Du hast auf mich gewartet“, stellte der Hausherr zufrieden fest und hockte sich vor sein Bett, um auf Augenhöhe mit seinem Gesprächspartner zu sein. Dieser fixierte ihn halb wütend und halb ablehnend. „Deine Freunde, oder wie du sie nennst, haben kein allzu großes Interesse an deinem Verschwinden gezeigt. Ehrlich gesagt schienen sie beinahe genervt – als habe ihnen genau das noch gefehlt. Besonders die eine, diese Blonde, wie hieß sie noch? Arika, richtig. Besonders Arika wirkte desinteressiert.“

Auf diese Eröffnung hin runzelte Aie erst angestrengt die Stirn, während er Daisukes Gesicht nach einem Anzeichen für eine Lüge absuchte. Als ihm jedoch einfiel, wie der andere mit Hiko gesprochen hatte, begriff er, dass es sinnlos war, sich auf Mimik oder Tonfall zu verlassen. Nicht bei Daisuke. Daher schüttelte der Rotschopf lediglich den Kopf, wie es ihm eben möglich war.

„Nein? Nein, sagst du?“, fragte sein Gegenüber beinahe überrascht. „Du glaubst mir nicht?“

Weiteres Kopfschütteln.

„Nun, damit liegst du richtig. Was glaubst du denn, wie sie reagiert haben? So, wie jeder eben reagiert, wenn er hört, dass jemand, den er kennt, verschwunden ist.“ Mit diesen Worten stand der Schwarzhaarige auf und schnippte etwas Asche in den Aschenbecher auf dem Nachttisch, ehe er sich in Richtung Küchenecke begab. „Betroffen, erstaunt, besorgt. Ist das nicht eigentlich noch schlimmer?“ Das Lächeln erschien wieder auf seinen Lippen, während er die beiden Kochplatten anstellte, auf dem die Töpfe vom Vortag standen. „Es ist nicht so, als hätten sie sich ein Bein ausgerissen, um dich zu suchen. Erst glaubten sie mir nicht, aber als sie erst bei dir zuhause und anschließend auf deinem Handy anriefen, wurden sie ratlos.“ Er zog Aies Handy aus seiner Hosentasche und hielt es hoch, sodass der andere es gut sehen konnte. „Ich habe es vorsichtshalber ausgestellt, ich bin schließlich kein Anfänger. Und danach kam die Crème de la Crème: Jeder von ihnen behauptete, er mache sich Sorgen um dich und dass es völlig unnormal wäre und sie sich das bei dir nicht vorstellen könnten, dass dir was passiert sein muss und dass man die Polizei verständigen sollte und dass ja auch vor ein paar Monaten ein anderer Student verschwunden wäre und übrigens war das doch der, der mit dieser einen Braunhaarigen zusammen war, die im letzten Semester...“

Es gab ein unangenehmes Knacken, als Daisuke das Klapphandy seines ehemals besten Freundes auseinander brach. Er warf die beiden Hälften so fest er konnte auf den Boden und drehte sich zu Aie um, lehnte sich an den Herd. Sein Gesicht drückte kaum noch die vorherige Ruhe aus, sie war unterdrückter Wut gewichen. „Wenn du wüsstest, wie sehr es mich angeekelt hat, Aie. Und dann diese mitleidigen Blicke: Och, bist du nicht der, der früher mit ihm so eng befreundet war? Ja, jetzt, wo ihm was passiert, kommst du wieder angekrochen, natürlich. Wenn du wüsstest, Aie. Wenn du wüsstest. Als ob sie sich ernsthaft um dich sorgen – keiner von ihnen hat sich verantwortlich gefühlt. Kein einziger. Hiko wird es ja schon machen. Ach, da ist dieser arme Irre, der glaubt, Aie würde ihn vielleicht wieder mögen, wenn er sich um ihn kümmert. Wir haben damit nichts zu tun, sie kümmern sich schon darum. Sie machen das schon. Wir haben damit nichts zu tun.“

Nun gab Aie das erste Mal Geräusche von sich. Er versuchte, ganze Wörter zu bilden, aber das Handtuch zwischen seinen Zähnen reduzierte diese auf wenig mehr als hohe und tiefe Laute. Er wollte Daisuke ein weiteres Mal widersprechen, er glaubte ihm wieder nicht. Und gleichzeitig tat er es doch. Irgendein Teil in ihm wusste, dass es wahr war, was ihm soeben mitgeteilt worden war. Wie würde er reagieren, erführe er, dass einer von ihnen spurlos verschwunden war? Er wäre betroffen und besorgt und erstaunt, ja. Und mehr nicht – er würde wahrscheinlich auch keine aktiven Anstrengungen unternehmen, ihn zu suchen, weil er sich denken würde, dass er das lieber der Polizei überließ und er alleine sowieso nichts ausrichten konnte und jemand anderes ja ohnehin besser mit ihm befreundet war.

„Oh, verzeih mir, ich hatte mir eigentlich vorgenommen, dir den Knebel abzunehmen“, entschuldigte Daisuke sich überraschend und trat wieder ans Bett, wo er an Aies Hinterkopf griff, um das Handtuch zu lösen. „Wenn du schreist... Sagen wir einfach, dass du es nicht tust.“ Aie wagte es nicht, diese Worte anzuzweifeln und begann zu husten, kaum dass das Handtuch endlich verschwunden war. Gierig schnappte er nach Luft und schloss für einige Momente die Augen. „Was wolltest du sagen, Aie?“

Allein diese Worte bewirkten beinahe, dass Aie erneut in Verzweiflung versank. Er erinnerte sich an die sanfte Seite des Schwarzhaarigen, an sein Mitgefühl, sein Talent, ihn immer zum Lachen zu bringen. Und nun stand dieser verlorene Freund vor ihm und tat ihm so etwas an. Das konnte nicht sein. Irgendetwas lief hier gewaltig falsch. „Warum?“, flüsterte der Rothaarige, da er seiner Stimme noch nicht traute. „Warum, Daisuke? Was soll das hier?“

Der andere lächelte ihn lediglich an. „Denk darüber nach. Stell die Frage dir selbst, du solltest sie beantworten können. Ich wette, du hast Hunger, Lust auf eine Zigarette und musst dringend auf die Toilette. Ich gewähre dir allerdings nur einen Wunsch.“

„Das-“ Aie brach ab, da er begriff, dass er mit Daisuke im Moment wohl kaum eine rationale Diskussion würde führen können. Womit hatte er ihn so verletzt, dass er zu so etwas fähig wurde? Spontan fiel ihm nichts ein. Die letzten zwei Jahre hatten sie ohnehin so gut wie keinen Kontakt zueinander gehabt, was also...? „Bitte, sag es mir, was-“

„Ein Wunsch“, unterbrach Daisuke ihn ungerührt. „Da du offenbar nicht verbal antworten möchtest, lese ich ihn dir von den Lippen ab. An deiner Stelle würde ich keinen Fluchtversuch unternehmen, du weißt nicht, was ich noch in meinen Hosentaschen habe, aber du kannst dich wahrscheinlich sowieso nicht ordentlich bewegen. Halt still.“ Er beugte sich über das Bett und machte sich daran, die Knoten des Seils zu lösen, das Aies Füße am Bettgestell festband. Nach diesem folgte dasjenige, welches Aies Füße zusammenhielt und schließlich noch das Hanfseil, das Aies Handgelenke an das Bett gefesselt hatte. Seine Hände blieben jedoch zusammengebunden. „Das erledigen wir gleich“, versprach Daisuke dem anderen zuversichtlich und half ihm, sich aufrecht hinzusetzen. „Geht es?“

Aie kämpfte gegen den seltsam inneren Schmerz an, der ihn nun von seinen Füßen und Beinen aus durchdrang. Er spürte sie kaum noch, allerdings taten sie so stark von innen weh, dass es ihrem Besitzer den Atem raubte. Er war nicht darauf vorbereitet, von Daisuke auf die Füße gezogen zu werden, daher klappte er beinahe wieder zusammen, wurde jedoch vom Schwarzhaarigen festgehalten. „Daisuke...“

Doch dieser schien ihm überhaupt nicht zuzuhören. „Geh vorsichtig, dann müsste es klappen. Ich helfe dir.“ Zusammen schafften sie es bis ins Badezimmer, wo Aie mit heruntergelassener Hose auf der Toilette platziert wurde. Inzwischen war die Belustigung in Daisukes Augen zurückgekehrt. „So, bitteschön. Lass deinem Stoffwechsel freien Lauf.“

Und Aie dachte: Womit habe ich das verdient?
 

Kurz darauf lag er wieder auf dem Bett und versuchte, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Seine Hände waren nun wieder frei und nur sein rechtes Bein, das näher an der Bettkante war, war mit einem der Hanfseile am Bettgestell festgebunden – und das deutlich lockerer als zuvor, sodass er es praktisch gar nicht spürte. Er lag auf dem Rücken, seine Arme parallel zu seinem Körper, den Blick an die Decke gerichtet und völlig entspannt. So langsam kehrte Leben in seine gefühlt abgestorbenen Arme zurück und jede Bewegung ließ ein Feuerwerk vor seinem inneren Auge explodieren – nein, seine Gliedmaßen kribbelten so bereits genug, das musste er nicht noch unterstützen. Er fühlte sich unendlich schwach und hungrig und durstig und gedemütigt.

Neben dem Bett saß Daisuke auf einem der drei Küchenstühle, den er herangezogen hatte, hatte einen Fuß auf die Bettkante gestellt und kippte leicht nach hinten, balancierte auf den hinteren Stuhlbeinen. Er hielt einen Teller in der Hand, auf dem er den Rest Reis mit dem Rest Curry gemischt hatte, und aß mit der anderen, während er den Rotschopf nicht aus den Augen ließ. Bei jedem Klappern der Gabel auf dem Teller schien Aies Magen lautstark zu grummeln, als beschwere er sich über diese Ungerechtigkeit. „Weißt du, Aie, meine Kochkünste haben sich in den letzten zwei Jahren erheblich gebessert. Ich würde dich ja daran teilhaben lassen, aber so schwach, wie du gerade bist, gefällst du mir ganz gut. Ich kann es mir nicht erlauben, dich wie eine kleine Schlange aufzupäppeln, nur damit du mir irgendwann deine Zähne in die Hand schlägst. Du bekommst morgen ein Frühstück, bis dahin wirst du es wohl noch aushalten müssen. Zigaretten werde ich dir leider keine geben können, ich weiß schließlich nicht, wie sie sich mit dem Beruhigungsmittel vertragen. Du musst nicht an dir zweifeln, du warst keine drei Stunden nur wegen eines kleinen Schlages bewusstlos.“

„Kann ich zumindest etwas trinken?“, wollte Aie mit schwacher Stimme wissen. So, auf dem Rücken, fühlte sich sein Magen noch leerer an als ohnehin schon. Es würde nicht lange dauern, dann würde er sich verkrampfen.

„Alles zu seiner Zeit“, entgegnete Daisuke gelassen und stand auf, um seinen Teller in die Spüle zu stellen. „Wobei du natürlich Recht hast, Trinken ist wichtiger als Essen. Aber erst einmal muss ich sichergehen, dass kein Körperteil abstirbt.“ Er ließ sich wieder auf dem Stuhl nieder und griff nach Aies rechtem Arm, woraufhin der Rotschopf zusammenzuckte und schmerzhaft das Gesicht verzog. Das Kribbeln tat verdammt weh. Doch anstatt es noch schlimmer zu machen, begann Daisuke, sein Handgelenk zu massieren und auch immer wieder mit leichtem Druck über seinen Unterarm zu streichen. Es lag auf einer feinen Linie zwischen schmerzen und kitzeln, aber je länger der Schwarzhaarige Aies Arm bearbeitete, desto mehr spürte Aie diesen. Nach kurzer Zeit konnte er ihn wieder mühelos bewegen. Aber er verstand es nicht, er verstand es einfach nicht – was sollte das alles?

Während Daisuke den zweiten Arm massierte, zündete er sich eine weitere Zigarette an und warf ein: „Jetzt ist es sechs Uhr. Wenn du bis neun Uhr immer noch keine Ahnung hast, weshalb du hier bist und weshalb du SO hier bist, werde ich dir auf die Sprünge helfen. Und ich rate dir, besser gründlich nachzudenken. Wenn nicht, werde ich ungehalten und du willst nicht wissen, wie ich bin, wenn ich wirklich ungehalten werde. Also überleg es dir gut.“

„Mir fällt einiges ein, mit dem ich dich verletzt haben könnte, aber nichts, was das hier erklären würde!“, erwiderte Aie vehement und versuchte, seinen Arm loszureißen.

Daisuke jedoch hielt ihn fest und grub seine Fingernägel in das helle Fleisch, den Blick auf das Gesicht des anderen fixiert. „Deshalb rate ich dir nachzudenken. Aie.“ Sanft drückte er seine Lippen auf die Pulsader an Aies Handgelenk und leckte kurz darüber, woraufhin der Rothaarige erneut zusammen zuckte und ihn ungläubig anstarrte. „Gleich bekommst du etwas zu trinken.“ Nach diesem Versprechen griff Daisuke in die Nachttischschublade und zog zwei Paar Handschellen hervor, mit denen er behände und offenbar geübt erst Aies Hände nicht nur wieder zusammen, sondern mit dem zweiten Paar auch erneut am Bettgestell befestigte – wenigstens lag er dieses Mal auf dem Rücken. „Drei Stunden, Aie. Dann ist die erste Frist vorbei.“

Die erste?, dachte Aie und rüttelte etwas an den Handschellen. Erneute Panik machte sich in ihm breit, während er begann, fieberhaft in seinem Gedächtnis zu kramen.
 

„Dann lass mal hören“, sprach Daisuke seinen Gefangenen mit ruhiger Stimme an und nahm wieder auf dem Küchenstuhl vor dem Bett Platz. Zuvor war er einkaufen gewesen, hatte dabei Aies Handy mitgenommen und entsorgt, hatte seine Einkäufe gerade eben verstaut und machte es sich nun mit einer Flasche Bier in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand bequem, die wachen Augen fest auf Aies Gesicht gerichtet, seine Miene ernst. „Ist es dir eingefallen?“

„Ich weiß es nicht, Daisuke“, entgegnete der Rothaarige mit schwacher Stimme. Er hatte noch immer schrecklichen Hunger und sein Durst war von einem Glas Wasser auch nicht viel besser geworden. Außerdem fühlte er sich, als würden gleich seine Hände anfangen zu zittern, musste er dem anderen weiterhin beim Rauchen zusehen. Seine Liegeposition war zwar deutlich bequemer als zuvor, allerdings war das kein Ausgleich für den gesamten Rest. „Ich weiß es wirklich nicht. Mir würden einige Dinge einfallen, aber-“

„Soll ich deine Erinnerung etwas auffrischen?“, schlug der Schwarzhaarige fast freundlich vor. „Ich kann dir dabei behilflich sein.“

„Kannst du mir noch etwas zu trinken geben? Dann kann ich vielleicht besser denken...“ Je mehr er sich auf den Hunger und den Durst und die Zigarette konzentrierte, desto schwindliger wurde ihm, also versuchte er, an etwas anderes zu denken.

„Oh, das glaube ich nicht“, widersprach Daisuke ihm lächelnd. „Ich hatte vorhin nicht den Eindruck, dass das eine Glas Wasser so viel verändert hat. Nein, da musst du dich schon mehr anstrengen – und glaubst du nicht auch, dass Schmerzen viel wirkungsvoller sind, um verlorene Erinnerungen wieder hervor zu holen?“

Aie stockte der Atem. Bis jetzt hatte Daisuke ihm noch nichts angetan, zumindest nicht körperlich – bis auf dass er ihn ans Bett gebunden hatte, selbstverständlich. Was ihn jetzt allerdings erwarten würde, das wollte er sich nicht ausmalen. „Nein“, flüsterte er leise.

„Tja, ich schon.“ Daisuke stellte sein Bier auf dem Nachttisch ab und schob sich die Zigarette zwischen die Lippen, ehe er aufstand und in der Kommode neben dem Bücherregal herumwühlte, bis er nach kurzer Zeit ein leeres weißes Blatt Papier hervorzog und zu dem Rotschopf zurückkehrte. „Ich könnte dich natürlich auch mit einem Messer aufschneiden“, erklärte er, nachdem er wieder Platz genommen hatte, „allerdings würde das hässliche Narben hinterlassen und viel zu lange zum Heilen brauchen. Außerdem weißt du sicherlich, dass das hier auch ziemlich weh tut.“

Der Rothaarige verkrampfte sich unwillkürlich und versuchte, so weit wie möglich wegzurücken, was natürlich völlig nutzlos war. „Daisuke, nicht, bitte, was... was soll das?“

„Das sollst du mir sagen“, gab der Angesprochene amüsiert zurück und musterte das blütenweiße Blatt nachdenklich. „Ich habe mit dem Gedanken gespielt, dir die Pulsadern aufzuschneiden, damit es hinterher wie ein Selbstmordversuch aussieht, mich aber letztendlich dagegen entschieden. Das würde deine Arme entstellen und du wärst fürs Leben gezeichnet, dazu kann ich mich nicht hinreißen lassen. ... Hast du dich schon mal zwischen den Fingern geschnitten, Aie? Mit Papier?“

So sehr der Rothaarige auch versuchte, seine rechte Hand zu einer Faust geballt zu lassen, irgendwann schaffte Daisuke es, seinen kleinen Finger ein Stück vom Ringfinger weg zu biegen und das Papier dort entlang zu ziehen. Das erste Mal hinterließ nur ein unangenehmes Gefühl, beim zweiten Mal jedoch wurde Aie wirklich geschnitten und biss die Zähne zusammen. Es war ein akuter, scharfer Schmerz, der immer dann aufblitzte, wenn Aie seine Hand auch nur ein bisschen bewegte. „Daisuke, hör auf, ich bitte dich, das kannst du nicht-“

„Entspann deine Hand“, riet Daisuke ihm unberührt, „sonst werde ich dich an unnötigen Stellen schneiden müssen.“ Da Aie allerdings nicht hören wollte, bearbeitete Daisuke so lange seine Fingerknöchel, bis der andere schließlich keine Kraft mehr hatte und der Schwarzhaarige dessen Faust mit etwas Gewalt lösen konnte. Danach machte er sich daran, zwischen allen fünf Fingern mehrere Schnitte zu hinterlassen, die fürchterlich brannten und bei jeder Bewegung bösartig bissen. Daisuke kümmerte sich nicht um Aies Bitten und Betteln, sondern drückte seine Finger zusätzlich noch weit auseinander, um sich die Schnitte besser anzusehen und gegebenenfalls die Wunde mit einem weiteren Schnitt zu vertiefen, was Aie jedes Mal zum Keuchen brachte. Es war beinahe unerträglich, aber der Rothaarige zwang sich, so klar zu bleiben wie möglich, während er fieberhaft überlegte.

„Ist es wegen Hiko?“, wollte er wissen und biss seine Zähne wieder aufeinander, um nicht dem Schmerz die Überhand zu lassen. Seine Hand stand in Flammen und Schmerz durchzuckte ihn immer wieder quälend.

„Oh, du hast beschlossen, dich endlich zu äußern“, nahm Daisuke mit einem Lächeln zur Kenntnis. „Was meinst du damit – wegen Hiko? Doch sicherlich nicht nur durch ihre bloße Existenz. Drück dich präziser aus.“

„Du warst... eifersüchtig auf sie“, stieß Aie atemlos hervor und kniff die Augen zusammen, als Daisuke seine Hand wieder zu einer Faust schloss. Himmel, tat das weh!

„Eifersüchtig?“, wiederholte der Hausherr nachdenklich und ließ endlich von Aies Hand ab, woraufhin er sich eine von Aies etwas längeren Haarsträhnen so weit wie eben möglich um den Finger wickelte und begann, leicht daran zu ziehen. „Das trifft es schon, ja. Ich habe sie verabscheut von dem Moment an, da du sie zum ersten Mal angesehen hast.“ Er zog etwas fester. „Ich habe sie verachtet von dem Moment an, da ihr zusammen wart.“ Mittlerweile klammerte sich Aies unverletzte Hand an das Bettgestell, seine Augen waren erneut zugekniffen und sein Körper angespannt. „Daisuke-“

„Und ich habe sie gehasst von dem Moment an, da du diese gottverdammte Haarfarbe hattest!“ Gleichzeitig zu dem Ruck, mit dem Daisuke dem anderen die Haarsträhne ausriss, presste er eine Hand auf Aies Mund, um den Aufschrei zu dämpfen. Als der Rothaarige nur noch leise wimmernd nach Luft schnappte, legte Daisuke die ausgerissenen Haare auf den Nachttisch, drückte seine Zigarette aus und trank einen Schluck Bier, seine Miene wieder entspannt. „Ich habe nicht dich gehasst, Aie, das solltest du wissen. Ich habe dich nie gehasst, nie verachtet, nie verabscheut, nie verflucht. Ganz im Gegenteil. Ganz im Gegenteil, Aie.“

Der Angesprochene tat alles, um ein Zittern zu unterdrücken, und ließ seine Augen weiterhin geschlossen. Er wollte nicht sehen, wie er betrachtet wurde, wollte nicht den ruhigen Ausdruck auf Daisukes Gesicht sehen. Wollte nicht glauben, dass diese Person zu so etwas fähig war. Er fühlte sich schwach, so schwach. „Wenn du mich doch nicht hasst, wenn du mich doch magst... warum tust du mir das an?“

„Weil ich wütend bin, Aie. Weil ich schlicht und einfach furchtbar wütend bin. Du hast mir wehgetan, du hast mir so wehgetan, dass du mir quasi keine andere Wahl gelassen hast. Du bist ein Arschloch, Aie, und weißt du, was das eigentlich Schlimme ist? Dass sich irgendetwas in mir widerstrebt, dich so zu nennen. Dass irgendetwas in mir mit dir leidet, dass irgendetwas in mir gerade neben dir liegt und mit dir fühlt, dass irgendetwas dich trotzdem noch umarmen will, festhalten will, dir über den Kopf streicheln und dir versprechen will, dass alles gut wird.“

Da schlug Aie seine Augen auf und wandte dem anderen seinen Kopf zu. Daisuke musterte ihn sichtlich aufgebracht, senkte seinen Blick jedoch nicht, also erwiderte Aie diesen unsicher. „Daisuke, bist du...? Bist du etwa...? Seit wann...? Seit wann, Daisuke, warum weiß ich nichts...?“

„Du stellst mir alle Fragen, die du dir selbst stellen solltest“, bemerkte der Schwarzhaarige mit kühler Stimme, ehe er aufstand und zur Küchenecke ging. Länger hatte er Aies Blick nicht ertragen, der gleichzeitig erschrocken, verletzt und so verdammt mitfühlend gewesen war, nein, das hatte er nicht länger ertragen. Er hatte eigentlich von sich gedacht, nicht schon so früh schwanken zu müssen, aber dass er schwanken würde, damit hatte er gerechnet. Dafür kannte er Aie zu lange, dafür kannte er sich zu lange, dafür war es zu stark. Aber so wurde er schon früh dazu gezwungen, sich zusammenreißen zu müssen, was gut war. Einige Momente stand er an der Spüle und krallte sich so fest an den Rand, dass seine Fingerknöchel weiß hervor traten. Er musste es durchziehen, er durfte jetzt nicht nachgeben. Kurzentschlossen griff er sich ein frisches Handtuch und einen Salzstreuer, ehe er zu Aie zurückkehrte und ihn erneut knebelte. „Du kennst doch die Redewendung ‚Salz in die Wunde reiben’, nicht wahr?“, fragte Daisuke beinahe beiläufig, während er sich eine Prise Salz in eine Handfläche streute. „Früher wurde Salz zur Desinfektion verwendet und hatte in etwa die gleiche Effizienz wie das Ausbrennen von Wunden. Außerdem tut beides ziemlich weh. Du kannst natürlich später versuchen, das Salz abzulecken, aber ich verspreche dir, dass dein Durst davon nicht besser wird.“ Er ignorierte Aies hilflosen, flehenden Blick.
 

„Und? Hast du irgendetwas herausfinden können?“ Der Fernseher lief leise im Hintergrund, da Daisuke verhindern wollte, dass Aie sich durch Geräusche bemerkbar machen konnte. Während des Gesprächs am Morgen war er noch zu groggy vom Betäubungsmittel gewesen, da hatte der Schwarzhaarige sich keine Sorgen gemacht, aber jetzt, da der andere gemerkt hatte, dass es bitterer Ernst war, war es nicht auszuschließen. Aber anstatt zu rebellieren oder herumzujammern, lag Aie ganz ruhig auf dem Bett und schien unbedingt mithören zu wollen, was Daisuke seiner Freundin erzählte. Verständlich.

„Nein, nichts“, seufzte Hiko ermattet. „Ich habe alle auf der Arbeit befragt, sie meinten aber nur, dass es keine Anzeichen gab, dass Aie nicht so war wie sonst. Sie fanden es auch sehr komisch, dass er heute nicht erschienen ist, ohne sich abzumelden – normalerweise tut er so etwas nicht.“

„Also können wir ausschließen, dass er abgehauen ist“, schlussfolgerte Daisuke, der halb mit dem Rücken zu dem Rotschopf auf dem Sofa saß und zwar die Augen auf den Fernseher gerichtet hatte, die flimmernden Bilder jedoch kaum tatsächlich sah. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. „Bleibt also nur noch Unfall oder ...“

Am anderen Ende der Leitung schluchzte Hiko unterdrückt. „Vielleicht... vielleicht mache ich mir auch nur zu viele Sorgen. Vielleicht gab es in seiner Familie Probleme und er ist für das Wochenende nach Hause gefahren oder irgendein Freund brauchte ihn oder...“

„Ich glaube nicht, dass du dir zu viele Sorgen machst“, widersprach Daisuke mit sanfter Stimme. „Seine Familie habe ich gerade eben angerufen, sie wissen von nichts. Und – sag du es mir, Hiko, ich habe ja seit längerer Zeit nicht mehr so viel mit ihm zu tun – hat er außer auf seiner Arbeit und in der Uni Freunde, für die er alles stehen und liegen lassen würde? Du hast doch selbst gesagt, dass seine Wohnung wirkt, als sei er nur eben schnell einkaufen gegangen oder so etwas in der Art, dass also nichts fehlt außer er selbst.“

„Nein, ich... habe auch darüber nachgedacht, aber... Ach, Daisuke, ich weiß einfach nicht mehr, was ich denken soll. Wäre es ein Unfall, wäre doch zumindest seine Familie benachrichtigt worden... aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn jemand entführt haben oder ihm etwas angetan haben soll! Warum denn? Seine Familie ist nicht reich, er auch nicht, das Lösegeld würde sich also nicht lohnen. Und, soweit ich weiß, hat er keine Feinde, zumindest keine solchen, die ihn einfach an einem Samstagmorgen entführen würden!“

Für einen kurzen Augenblick erschien ein Lächeln auf Daisukes Lippen, das er jedoch schnell niederkämpfte. „Er ergibt keinen Sinn“, stimmte er der jungen Frau zu. „Es ergibt einfach keinen Sinn, da hast du Recht.“

„Hast du denn irgendetwas herausfinden können?“, wollte Hiko mutlos wissen. Auch sie begriff so langsam, dass es ernst war – sie hatte zwei Stunden auf Aies versprochenen Anruf gewartet, ihn dann zuhause und auf seinem Handy angerufen und ihn nicht erreicht, was sie erstaunt hatte. Doch als sie bei Aies Arbeit anrief und feststellen musste, dass er auch dort nicht aufgetaucht war, begann sie sich ernsthafte Sorgen zu machen und hatte in seiner Wohnung nachgesehen. Gefunden hatte sie alles außer Aie, sein Handy, sein Portemonnaie und seinen Wohnungsschlüssel. Daraufhin war sie in Panik geraten und hatte kurzerhand von Aies Telefon aus Daisuke angerufen, den einzigen Bekannten Aies, mit dem sie nicht auf Kriegsfuß stand. Zumindest sie nicht mit ihm. Und jetzt war es bereits spätabends und es gab immer noch keine Spur von ihm.

„Nein, auch nicht“, antwortete Daisuke ebenso ratlos. „Seine Freunde haben nichts davon mitbekommen, dass er irgendetwas unternehmen wollte, sie haben ihn auch nicht besucht oder sonst wie Kontakt zu ihm aufgenommen – sie wussten ja, dass er Samstagnachmittag arbeitet und hätten ihn höchstens hinterher kontaktiert. Da seine Arbeitskollegen wohl vorher gearbeitet haben, bist du wahrscheinlich die Letzte, die ihn noch gesehen hat.“

Hiko schwieg eine Weile. „Und seine Freunde... ich meine, hat es sie sehr beunruhigt, oder waren sie eher... wie soll ich das ausdrücken?“

„Ich weiß, was du meinst“, antwortete der Schwarzhaarige und konnte nur mit Mühe ein Grinsen unterdrücken. „Sie waren schon besorgt, aber... sie zeigten kein großes Interesse, uns bei der Suche zu helfen, wenn du darauf angespielt hast, das ist mir schon aufgefallen.“

„Diese asozialen Spinner! Du weißt ja, dass ich sie noch nie leiden konnte, aber Aie ist verdammt noch mal VERSCHWUNDEN und es juckt sie nicht!! Das kann doch nicht sein!“

„Beruhig dich, Hiko“, besänftigte Daisuke sie mit mitfühlender Stimme. „Bitte. Ich weiß, wie du dich fühlst und du solltest es auch ausleben, aber nicht an seinen Freunden.“

„Warum nicht?! Das sind irgendwelche hirnverbrannten Idioten, das weißt du genauso gut wie ich! Er hat dich für sie sitzen lassen, solltest du nicht auch-“

„Hiko, es sind nicht umsonst seine Freunde“, fiel er ihr so freundlich wie möglich ins Wort. „Ich mag sie auch nicht, aber es wird wohl einen Grund geben, dass er sich für sie entschieden hat. Also reg dich bitte nicht grundlos über sie auf – davon wird nichts besser.“

„Ja.“ Sie war wieder einige Herzschläge still. „Ja, das stimmt. Du hast Recht, Daisuke, du hast Recht. Es... früher dachte ich, du wärst so wie die anderen, aber ... es tut mir leid, dass ich das so spät merke. Ich hätte dich früher besser behandeln sollen, hätte eure Freundschaft unterstützen sollen.“

„Ist schon gut, Hiko. Wirklich. Das ist doch jetzt nicht wichtig.“ Für diese Worte knipste er sein Grinsen kurz aus, grinste jedoch hinterher ungerührt weiter. Es war kein freundliches Grinsen, sondern eher eine Grimasse, verursacht durch puren Zynismus.

„MIR ist es wichtig. Es... klingt vielleicht bescheuert, aber ich war eifersüchtig auf dich. Aie hat am Anfang so viel Zeit mit dir verbracht – das ist natürlich absoluter Schwachsinn und im Nachhinein tut es mir leid, aber da...“

„Ist schon gut. Ich kann nachvollziehen, wie du dich gefühlt hast, wirklich. Es ist alles vergeben und vergessen. Wir haben im Moment Wichtigeres zu tun, da kann ich nicht noch alten Zorn wieder ausgraben.“

„Ich bin so froh, dass du da bist. Du hilfst mir wirklich. Ich kann nicht mehr.“

„Hast du eigentlich schon die Polizei verständigt?“ Daisuke konnte es sich nicht nehmen lassen, einen Blick nach hinten zu werfen und wurde von zwei dunkelbraunen Augen durchdringend und wütend angestarrt. Er lächelte nur wieder.

„Ja, längst. Aber sie meinten, dass sie erst eine offizielle Vermisstenanzeige aufgeben, wenn 24 Stunden vergangen sind.“

„Dann kontaktiere sie morgen Mittag am Besten gleich noch mal, dann können sie sich nicht rausreden, selbst wenn Sonntag ist. Was hältst du davon, wenn wir... uns morgen treffen? Ich glaube, dass es mir etwas besser geht, wenn ich dich sehe. Das klingt wahrscheinlich etwas seltsam, aber ich hoffe, du verstehst, wie ich das meine. Ich will nur... meine Sorgen mit jemandem teilen können.“

„Ja, ich weiß schon. Mir... geht es ähnlich. Sehr gerne, Daisuke.“

„Dann kann ich dir auch noch etwas anderes sagen... das möchte ich nicht gerne am Telefon tun.“
 

„Du wirst dich nicht mit ihr treffen!“, rief Aie, nachdem er nach Luft geschnappt und wieder kurz gehustet hatte. Daisuke warf das Handtuch in Richtung Küche und kümmerte sich nicht darum, ob es ankam oder nicht. Stattdessen zündete er sich eine neue Zigarette an und musterte den Rothaarigen ungerührt. „Das... das kannst du nicht machen! Lass sie in Ruhe, sie hat nichts damit zu tun! Es ist alles meine Schuld, also zieh sie nicht da mit rein, tu ihr nichts an, ich bitte dich!“

„So sehr dein Betteln auch Musik in meinen Ohren ist – hast du mal nachgedacht? Ich werde wohl kaum offiziell ankündigen, mich mit jemandem zu treffen und ihm dann etwas anzutun. Da muss man nur bei ihr zuhause auf den Kalender schauen, um zu wissen, wer Schuld ist“, entgegnete der Schwarzhaarige kalt. „Freut mich aber zu sehen, wie wichtig sie dir doch ist. Du liebst sie, hm? Von ganzem Herzen, unsterblich, bis in alle Ewigkeiten oder bis zur nächsten Blondine mit langen Beinen und hübschem Gesicht. F*** dich, Aie, f*** dich einfach selbst, dann hättest du weniger Probleme.“

Die mahagonibraunen Augen wurden mit jedem Wort größer, entsetzter und ungläubiger. „Was... was sagst du da...?“, wollte Aie sehr leise wissen.

„Weißt du, was ich Hiko morgen mitteilen werde, was ich nicht am Telefon besprechen wollte?“ Zumindest für den Moment hatte Daisuke es geschafft, zu seinem kaltschnäuzigen Selbst zurückzukehren. Dabei musste er bleiben. „Dass mir aufgefallen ist, wie fertig eine Freundin deines Kollegen wirkte. Arika war geradezu erschüttert. Seltsam, nicht wahr? Dabei kennt ihr euch eigentlich kaum – das muss doch etwas zu bedeuten haben, findest du nicht? Und Hiko ist sicherlich der gleichen Meinung.“

„Woher... das kannst du nicht wissen!“, stieß Aie fassungslos hervor. „Woher weißt du das?!“

„Ich würde es auch lieber nicht wissen, das kannst du mir glauben. Aber was hältst du davon, wenn wir mal chronologisch vorgehen? Ich schlage vor, dass du unsere gesamte Beziehung, Freundschaft, Vorgeschichte – wie immer du es nennen willst – rekapitulierst. Und zwar von Anfang an, als wir uns das erste Mal gesehen haben.“ Daisuke zog an seiner Zigarette und legte dadurch eine kurze Pause ein. „Vielleicht beantwortet das alle Fragen, die ich dir nicht beantworten werde. Bitte. Fang an.“

Aie musterte den anderen mit diesem verflucht verletzten, unschuldigen Ausdruck, aber dieses Mal gab er nicht nach. Dieses Mal nicht und auch nie wieder. „Meinst ... meinst du das ernst?“, fragte er leise. Der Rotschopf hatte mal geglaubt zu wissen, wann Daisuke Spaß machte und wann nicht. Genauso wie er geglaubt hatte, eine Lüge zu bemerken bei seinem ehemaligen besten Freund. Doch dem war offensichtlich nicht so.

„Sieh mir in die Augen“, forderte Daisuke mit ruhiger Stimme und zog die Brauen etwas höher, als der andere gehorchte. „Es ist mein voller Ernst, Aie. Das ist der beste Weg, deine Fragen zu beantworten, zu erklären, weshalb du hier bist, und dir begreiflich zu machen, wie ich mich früher gefühlt habe und wie ich mich jetzt fühle. Los. Fang bei unserer ersten Begegnung an. Zeig mir, wie viel dir unsere Freundschaft wirklich wert war. Zeig mir, wie viel ich dir wert war. Ich will alles hören.“
 

~*~
 

tbc~

A/N: Teilt mir mit, was ihr davon haltet! Was ist (oder könnte sein) zwischen den beiden vorgefallen?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Trashxbaby
2012-04-11T23:31:37+00:00 12.04.2012 01:31
Ohgott! Ich LIEBE deine FFs *^* ♥ Du bist echt eine meiner absoluten Lieblingsautorinnen hier auf Animexx. <333
Und die FF fängt direkt mal wieder super spannend an *O*
Ich les jetzt auch direkt weiter~
Oh und ich muss dir mal sagen ich bin sehr froh dass deine FFs & Kapitel immer so lang sind. Ich hasse diesen 500 Wörter Schrott wo dann alles halbe Jahr mal ein neues Kapitel kommt <___< Das nervt. Bei dir lohnt es sich wenigestens zu lesen ♥


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