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Marias Monate

Der Jahreskalender 2012
von

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Der Sonnenstrahl einer Erinnerung

„Schönes Heimwochenende!“

„Bis Montag!“

„Lass es dir gut gehen!“

Sabine winkte ihren Kommilitonen zu, die sich in alle Himmelsrichtungen verteilten. Es war ein warmer Freitag, beinahe heiß. Es ging zum Eis essen oder in den Park. Sabine aber führte der Weg zum Bahnhof. Es war ein Wochenende, das sie unbedingt Zuhause verbringen wollte. Immerhin stand ein Geburtstag bevor, der sie den Stress und verlorene Lernzeit einfach vergessen ließ. Mit ihrer Reisetasche auf dem Schoß, saß sie im Bus und schaute den Sonnenstrahlen nach. Schon jetzt freute sie sich auf den Abend, und hoffte, wieder einer Hochzeit bewohnen zu dürfen.
 

„Tante Maria? Warum ist denn die Wolke so rot?“, hatte Sabine als kleines Mädchen einmal gefragt. Ihre Eltern hatten sie zu ihrer liebenswerten Nachbarin gegeben, da sie selbst auf ein Klassentreffen gegangen waren. Sabine und Maria hatten sich einen vergnüglichen Tag gemacht.

„Heute ist Hochzeit!“, rief Tante Maria freudestrahlend aus.

„Hochzeit?“

„Ja. Wenn zwei sich lieben, dann heiraten sie doch. So wie deine Eltern.“

Sabine nickte, verstand aber noch nicht ganz: „Und wer heiratet jetzt?“

„Ein Sonnenstrahl und eine Wolke. Vielleicht sogar mehr.“ Maria zwinkerte und wirbelte das Mädchen an den Händen im Kreis herum. Gemeinsam tanzten sie und feierten die Hochzeit, die sie oben am Firmament beobachten konnten. Tante Maria erzählte ihr später als Gutenachtgeschichte noch das ganze Märchen Vom Sonnenstrahl, der sich eine Frau suchte.
 

Wohlig seufzend stieg Sabine aus dem Bus und machte sich auf dem Weg zum Ticketschalter.

„Mama, Mama. Guck' mal. Die Wolke da sieht aus wie ein Engel.“ Sabine besah sich die Szene für einen Moment. Ein kleines Mädchen, mit dunklen, gelockten Haaren, zog an der Hand ihrer Mutter und deutete aufgeregt in den Himmel. Doch die Frau hatte keine Zeit, sich ihrer Fantasie zu widmen und nahm ihre Tochter hoch auf den Arm, damit sie schnell weiterkamen. Das kannte Sabine alles, das sah sie zu Genüge an Bahnhöfen oder in der Stadt. Zuhause hatte sie dergleichen nie wahrgenommen und selbst nicht erlebt. Vor allem, da Tante Maria und Sabines Mutter sich einen Sommer mit kaum etwas anderem beschäftigt hatten, als der Fantasie des Nachwuchses.

Es hatte Wettbewerbe gegeben, deren Gewinn meistens Kekse oder Kuchen gewesen waren – und sie waren alle wunderbar gewesen. Die Kinder der Siedlung hatten die Wolkengestalten abgemalt, oder die tollsten Feenschlösser aus Moos und Zweigen gebaut. Es hatte nie nur einen einzigen Sieger gegeben, immer waren sie alle mit reichlich Süßkram belohnt worden.
 

Tante Maria hatte auf alle Kinder der Siedlung Einfluss genommen. Doch es hatte auch ein Sorgenkind gegeben. Ein Junge, der sich gern in Schwierigkeiten gebracht hatte. Von ihrer Mutter wusste Sabine, dass ihr Vater gegen den Jungen gewesen war und Maria versucht hatte auszureden, ihm auch nur einen Pfennig zu geben. Doch wie die Dame immer war, hatte sie an den Jungen geglaubt. Daran, dass er das Richtige tun würde. Seit drei Jahren waren die Gerüchte um Felix verebbt. Das Letzte, was Sabine mitbekommen hatte, war, dass Maria eine Kaution für ihn gezahlt hatte. Danach war er verschwunden.

Felix war ein hübscher Junge gewesen und hatte vielen Mädchen den Kopf verdreht. Er war nur ein paar Jahre älter als Sabine, doch schien es, als hätten sie immer Welten voneinander getrennt. Und doch war er derjenige welche, der ihr den ersten Kuss gegeben hatte. Nur Tante Maria wusste davon und das sollte auch so bleiben. Ihren Liebeskummer hatte ihre Babysitterin damals mit einem ihrer schokoladigsten Kuchen bekämpft – und einem Märchen über einen Sonnenstrahl.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  konohayuki
2012-04-30T20:57:00+00:00 30.04.2012 22:57
Huhu :)

Ich freue mich immer wieder auf das neue Kapitel dieses Kalenders, es ist superinteressant zu sehen, wie sich Tante Maria und die Personen in ihrer Umgebung weiterentwickeln.

Die Einstiegsszene ist mir nur allzu gut von meinen Freitagen bekannt :) Und ich beneide Sabine darum, dass sie es schafft, ihre Sachen in einer (!!) Reisetasche unterzubringen.
Was mir in dem Absatz aufgefallen ist, ist die Häufung des Satzanfanges "Es".
Vor allem hier empfinde ich es als etwas störend:
>Es war ein Wochenende, das sie unbedingt Zuhause verbringen wollte. Es stand ein Geburtstag bevor, der sie den Stress und verlorene Lernzeit einfach vergessen ließ.<
Vielleicht kann man da ja statt dem zweiten "es" ein "immerhin" setzen?

>„Heute ist Hochzeit!“<
Aww, ich mag Tante Marias Geschichte. Das Märchen kannte ich gar nicht, deshalb musste ich dann erstmal recherchieren. Danke für diese tolle Entdeckung :)
Ich finde auch, das Gespräch zwischen Tante Maria und Sabine ist dir gut gelungen, vor allem das „Und wer heiratet jetzt?“ konnte ich praktisch hören.

>Es hatte nie nur einen einzigen Sieger gegeben, immer waren sie alle mit reichlich Süßkram belohnt worden.<
Ich finde die Dynamik, die du der Siedlung gibst, wirklich wunderschön. Es wirkt beinahe so, als wäre die Siedlung so eine kleine Insel der Ruhe und Fantasie inmitten der hektischen Welt, die keine Zeit mehr für solche Gedanken hat. Klingt das jetzt zu philosophisch?

>Von ihrer Mutter wusste Sabine, dass ihr Vater gegen den Jungen gewesen war und der Frau versucht hatte auszureden, ihm auch nur einen Pfennig zu geben.<
Ich musste den Satz zweimal lesen, um zu begreifen, dass mit der Frau Tante Maria gemeint ist, weil du dich am Anfang des Satzes auf Sabines Mutter beziehst. Vielleicht wäre es besser, "Frau" hier durch Tante Maria zu ersetzen? Zudem finde ich die Formulierung "gegen den Jungen gewesen war" etwas unglücklich. Meine erste Idee, wie man es anders machen könnte war "dass ihr Vater keine Hoffnung für den Jungen gesehen hatte", aber das klingt so harsch. Vielleicht fällt mir noch etwas anderes ein, wenn ja, dann lasse ich es dich wissen.

>Das Letzte, was Sabine mitbekommen hatte, war, dass Maria eine Kaution für ihn gezahlt hatte.<
Tante Maria ist wirklich besorgt um ihre Schützlinge. Aber manchmal kann man Leute einfach nicht "retten". Ich finde es gut, dass du zeigst, dass halt doch nicht alles perfekt ist und nicht alles so läuft, wie man es sich wünscht.

Mir gefällt dieses Kapitel, es hat, trotz seiner Kürze, eine Aussage. Außerdem hat es mir ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert.

Liebe Schreibziehergrüße,

kono


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