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If A Slave Could Change Your Life

Ein Kajirus für Mariku
von

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der Tanz des Kajirus

„Ryou, beherrschst du die alten Tänze?“
 

Der Albino stutzte. Fast hätte er vor lauter Tagträumen die Frage nicht mitbekommen, zu unglaublich war noch das Gefühl, dass er auf seinen Lippen verspürte. Zu schön war das Kribbeln in seinem Magen. Egal WAS es war, er wollte gern mehr davon. Mehr von diesen vollen Lippen. Mehr von diesem sündigen Mund. Auch wenn es unverschämt war, aber er wollte mehr von seinem Herrn. Wie auch immer dieses „mehr“ aussah, den genau das wusste der Diener ja nicht. Zumindest noch nicht. Seine Gedanken beschämten ihn sogar, überforderten Ryou ein wenig, denn immerhin hatte er noch nie etwas für sich gefordert. Warum also gerade jetzt? Warum Mariku? Sonst gab der Sklave doch nicht mal auf seinen Körper acht, geschweige denn hörte er darauf was er verlangte oder brauchte.
 

Der Albino sah kurz zu Boden. Da war doch noch die Frage seines Meisters nach den Tänzen … und ja, Ryou wusste genau welche Tänze dieser meinte. Aber damit schlug auch die Vergangenheit wieder auf ihn ein, eine Vergangenheit, welcher er eigentlich entkommen wollte, denn an seine Ausbildung hatte er nicht nur angenehme Erinnerungen. Das war die Zeit in der sein ganz persönliches Übel begann, der Bruch, welcher alles verändert hatte. Der Sklave entschied sich daher ehrlich zu sein. Etwas von sich Preis zu geben. Seinem Gebieter etwas anzuvertrauen, wovon er wusste, dass es ihm schaden könnte. Er wollte aber keinesfalls, dass sein Herr wieder sauer auf ihn war, nur weil er kein Experte dieser überaus wichtigen Sklaventänze war.
 

„Soweit bin ich nicht gekommen, Meister“ begann er leise zu sprechen. Seine Stimme klang ungewohnt trüb, leise. Zwar deutlich, aber dennoch unglücklich. Man hätte meinen können, dass dieses Energiebündel zu solchen Regungen wie Trauer nicht fähig war. Allerdings wurde Riku nun eines besseren belehrt.
 

„Als ich ungefähr dreizehn war… ist Master Shinichi überraschend gestorben. Alles was er besaß wurde verkauft, auf diese Weise wurden auch meine Mutter und ich damals getrennt. Master Shinichi hatte mich erst kurz vor seinem Tod zur Ausbildung in einen der Tempel geschickt. Durch seinen Todesfall bestand keine Chance die Kosten zu tragen und es gab auch keine Aussicht darauf, dass die Ausbilder je ihr Geld bekommen würden. Somit war mein erster Verkauf besiegelt... Aber das hatte nicht so geklappt, wie sich das die Senseis vorgestellt hatten…sie dachten ich sei es wert und man könnte alle Schulden begleichen, die ich dort hatte... Schulden, Meister, welche ich in meinem ganzen Leben nie abtragen hätte können. Das wurde mir von da an jeden Tag schmerzlich klar gemacht. Mir wurde gezeigt wo mein Platz ist… Von da an wurde ich immer als Unnütze abgestempelt, als wertlos…man gab mir niemals die Chance zu beweisen, dass ich es doch wert wäre… Meine anderen Meister haben mich immer gleich in die Küche gesteckt, behaupteten, dass sie „so etwas was wie mich, etwas Unvollkommenes“ nicht gebrauchen könnten.“

Plötzlich nahm die gebrochene Stimme einen trotzigen Unterton an.

„Niemand braucht etwas wie mich, nur wegen so einer Ausbildung, die ich nicht habe abschließen können. Deswegen habe ich mich in den Bereichen in denen man mich einsetzte immer bemüht, habe mein Bestes gegeben und versucht jedem noch so kleinen Wunsch augenblicklich nachzukommen. Aber nie…nie wollte mich…jemand behalten...nur…nur Master Shinichi war freundlich zu mir gewesen….“
 

Ein letztes Seufzen entkam dem Jüngeren und er sackte erneut in sich zusammen. Diese tiefen Gefühle, diese schmerzhaften Erinnerungen, sprach er nicht laut aus. Dazu war Ryou schlichtweg nicht imstande. Das waren Sachen, welche er lieber verdrängte oder überhaupt völlig vergessen wollte. Er hatte für sich, eine kleine Welt in seinem Kopf aufgebaut, in welcher das Bild des Versagens nicht hinein passte. In dieser Welt hatte er keine Fehler und daher entschuldigte er sich auch nie bei einem seiner Gebieter. In seinem Universum gab es nur den perfekten Master und ihn, den perfekten Sklaven. Zu diesem Zweck hatte er sich auch das affektierte Dauerlächeln angewöhnt. Einzig sein Lächeln für Mariku war ein echtes, von Herzen kommendes, eines welches er ihm gern schenkte. Ohne Zwang. Ohne Hintergedanken. Sein falsches Dauerlächeln diente nur zu einem Zweck, niemand sollte merken wie es in ihm drinnen aussah. Dadurch prallte alles an ihm ab. Furcht. Angst. Bedenken. Ein schlechtes Gewissen. Strafen. Er konnte sich emotionell komplett zurückziehen, wie eine Schnecke in ihrem Haus, wenn es die Situation verlangte. Erst seit jenem Abend, hinter dem Club, als ihm die Augenbinde abgenommen wurde, spürte er etwas wie ein Feuer in sich. Seine Mauer bekam risse. Immer größer werdende Risse. Es war manchmal für ihn, als ob etwas in ihn eingedrungen wäre und versuchte ihn an diesen Mann zu heften. Mit wachsendem Erfolg.
 

Sein ehemaliger Meister hatte behauptet, dass Sklaven, welche immer lächeln höhere Chancen hätten nicht so schnell in Ungnade zu fallen. Genutzt hatte es ihm bisher wenig. Und nun fürchtete sich Ryou, ob es erneut so enden würde, wie die vorherigen Male. War er bei seinem neuen Besitzer möglicherweise auch in Ungnade gefallen, weil er die Tänze nicht erlernt hatte? Aus diesem Grund setzte er schnell sein Lächeln wieder auf, schaute Riku an und gab kleinlaut eine weitere seiner Schandtaten zu.

„Ich habe eine kleine Begabung, dass Schlösser mich noch nie halten konnten. Daher bin ich oft zu dem Saal der Sensei geschlichen. Wenn dort Musik war, konnte ich manchmal die anderen Schüler beobachten, wenn sie die Tänze geübt hatten. Es sah wunderschön aus. Weich und fliesend. Ich habe es selbst noch nie probiert…aber wenn es dein Wunsch ist, werde ich es probieren?“
 

Ohne eine Antwort abzuwarten schloss Ryou die Augen. Er versuchte sich die Bilder von jenen Nächten wieder in den Sinn zu rufen, versuchte vor seinem geistigen Auge die Bewegungen wieder zum Leben zu erwecken. Die anderen Lehrjungen tanzten mit unheimlich vielen Emotionen, als ob ihr Leben davon abhängen würde. Er hatte dies immer gebannt und neidisch beobachtet und hatte deswegen nie seinen Blick abwenden können. Dies war auch einer der Gründe gewesen, warum er sich immer zu ihnen geschlichen hatte. Er erinnerte sich wie ihre Haare durch die Luft flogen, wie die Armreifen im Kerzenlicht glänzten und wie die Seidenkleidung durch die Bewegungen hin und wieder an ihre Körper gepresst wurden. Dank seines ausgeprägten Gedächtnisses, konnte er sich alles lebhaft in seinen Gedanken vorstellen. Es war so als ob es direkt vor ihm geschehen würde. Ohne groß nachzudenken glitten seine Erinnerungen in seine Glieder und er hob langsam die Hände über den Kopf und klatschte. Er versuchte seinem Meister das schönste und ehrlichste Lächeln zu schenken, welches er besaß, ehe er begann die Bewegungen, welche vor seinem inneren Auge abliefen, nachzuahmen. Gekonnt bewegte der Sklave geschmeidig sein Becken hin und her und kreiste dabei mit dem Kopf. Verführerisch sank er auf alle viere in den She Sleen und bewegte sein Becken zu dem Imaginären Takt in seinen Gedanken.
 

Mariku sah dem Kleinen mit wachsendem Begehren zu. Seine glühenden Augen wurden hungrig. Er verschlang förmlich was er geboten bekam. Gleichzeitig verfluchte er es, dass er so müde war und ihm ständig die Augen zu fielen. Was ein Widerspruch an sich war. Aber der Tag hatte ihn viel abverlangt. Der Köper zollte nun auch seinen Tribut, aber der Meister ermahnte seine Seelenspiegel. Viel Zu gut, viel zu sexy, viel zu einnehmend war mal wieder die Show, welche der Süße abzog, ohne zu wissen was er da genau machte. Der junge Mann wollte nichts davon versäumen, nicht eine Sekunde verpassen, in denen der Albino sich schlängelte wie eine Kobra vor ihrem Beschwörer. Und gerade weil Ryou es nicht perfekt beherrschte, in seiner Unschuld und der Unwissenheit, ließ es dem Ägypter in den Fingern kribbeln. Besser noch, Mariku alleine gehörte diese Unschuld, die sich da vor ihm extrem anregend bewegte. Es war sein Eigentum und er konnte es beflecken! Er alleine und niemandes sonst.
 

Der Jüngere bekam von all dem nichts mit. Stattdessen ließ er sich zu Boden gleiten, als würde er davon angezogen, breitete seine Arme aus und spreizte die Finger, vollführte eine weitere sinnliche und erotische Bewegung, wobei sich sein Eigentümer über die Lippen leckte. Zum Glück hielt die verführerische Pose nicht sonderlich lange. Der Tanzende drehte sich fließend auf die Seite und stützte seinen Oberkörper mit dem rechten Arm ab. Riku war überrascht wie Gelenkig der Knirps doch war, wo der Albino doch so zerbrechlich wirkte. Der Kleine brachte es fertig sein linkes Bein zum Kopf zu strecken, was nach einer schmerzlichen Verrenkung aussah. Sein sanftes Lächeln jedoch und der entspannte Gesichtsausdruck bewiesen das Gegenteil. Die beiden schokobraunen, feurigen Augen schauten ihren Herrn Treu und voller Hingabe an und es gefiel Ryou im Mittelpunkt seines Gebieters zu stehen. Viel zu selten hatte er diese Freude in seiner Vergangenheit erfahren dürfen.
 

Als nächstes ließ er sein Becken und den Kopf weiterhin synchrone Kreise ziehen. Um dann, mit seinem linken Bein Schwung zu holen, er nutzte die Kraft, welche die rasche Bewegung ihm gab, um sich elegant in den Nadu zu setzten. Aufrecht kniend, auf seinen Fersen, hob er den Kopf an und klatschte erneut einen Takt, zu einem Rhythmus, welchen nur Ryou hören konnte. Er schwang seine Hüften und den Oberkörper, als ob es das Einzige wäre, was in seinem Leben Bedeutung hätte. Als ob er ungeahnte Energien mit seinem Tanz freisetzen würde. Die Lavendelfarbenen Augen des Meisters konnten sich nun nicht mehr von ihm abwenden. Es war aufreizend, geradezu faszinierend was der Albino darbrachte. Nicht minder trug auch seine Kleidung zu diesem Ergebnis bei. So war der verruchte Sklave doch halb nackt, nur mit einer Hose bekleidet. Und diesem Gürtel mit dem, beim Tanz, schwingenden silbernen Schnallen. Dem Kleidungsstück, bei dem Mariku einige lüsterne Erinnerungen in den Kopf kamen. Wobei es ihm Ryou, welcher ohne Scham und Verstand tanzte, nicht gerade leicht machte jugendfreie Gedanken zu bewahren. Ob er diesen Tanz in dieser Art auch aufgeführt hätte, wenn er gewusst hätte, was er hier tat? Wenn es ihm ins Bewusstsein gedrungen wäre, dass sich so eine Kajira ihrem Gebieter anzubieten pflegte. Sie damit in gewissem Sinne den Akt der Vereinigung nachstellte. Aber damit rechnete der Jüngere nicht, wusste es schlichtweg nicht und bereitete, auf diese Weise, noch mehr Freude bei seinem Meister.
 

Zum Abschluss lehnte er sich zurück, immer ein Stück weiter, bis seine Schultern den Boden

berührten. Seinen Rücken hatte er dabei gebeugt, so, dass es den Anschein hatte als würde er eine Brücke bilden. Er rollte sich auf den Bauch und warf den Kopf in den Nacken. Nur um sich zum Schluss wieder im Nadu aufzusetzen, welches das Ende des Tanzes signalisierte. Die komplette Choreografie war nun beendet, oder zumindest ein Teil davon, welchen Ryou sich abgeschaut hatte. Sein Atem ging rasch, rascher als man es beim Tanz erwarten würde. Der schmale Oberkörper hob sich schnell auf und ab, um den fehlenden Sauerstoff wieder in den Körper zu saugen. Dieser Tanz hatte ihn mehr angestrengt, als er gedacht hatte. Atemlos blickte der Sklave nun erwartungsvoll zu seinem Meister auf. Immerhin hatte er nun erfolgreich einen Befehl ausgeführt und erwartete sich ein Lob. Oder womöglich sogar einen Kuss? Aber diese Hoffnung erstarb, als Ryou seinen Meister friedlich schlafend sah.
 

~ Noch werde ich dich beschützen können mein kleines, leichtgläubiges Werkzeug, aber die Macht schwindet ~
 

Schweigend erhob sich der Albino und schaute sich den schlafenden Ägypter an. Er seufzte schwer, da es nicht in seinen Kopf hinein wollte. Für gewöhnlich war er so brutal und grob, aber jetzt sah sein Herr so ruhig und friedlich aus. Ryou war sogar versucht ihm eine Strähne aus dem anmutigen, stolzen Gesicht zu streichen, nur um es gänzlich betrachten zu können. Bei diesem Gedanken schüttelte er rasch den Kopf. So etwas durfte er nicht! Also holte er stattdessen eine Decke und legte sie behutsam über den Schlafenden. Und bevor er dem Drang nachgeben konnte, seinen Herren die restliche Nacht zu betrachten, machte er sich daran die Reste des Besuchs geräuschlos aufzuräumen und schnell die Wohnung wieder auf Vordermann zu bringen. Zum Schluss löschte er das Licht und tappte im Dunkeln zu seinem Körbchen, wo er sich hineinkuschelte. Zwei Nächte war er bereits hier und er schien noch geduldet zu sein. Ein beruhigendes Gefühl für ihn, welches sich fast schon wie Stolz anfühlte.
 

Als Ryou versuchte seine Augen zu schließen, blieb er wieder bei dem einen Gedanken hängen. Der Erinnerung wie ihm sein Meister den letzten Schweigebefehl gegeben hatte. Wieder musste er wohlig seufzen und dieses Kribbeln in seinem Bauch bekämpfen, welches immer wieder auftauchte. Alleine nur um diese himmlischen Gefühle wieder zu verspüren, lohnte sich in seinen Augen eine kleine ungehorsame Tat. Das fröhliche Plappern fiel ihm ja nicht sonderlich schwer. So würde er es sicherlich wieder schaffen seinem geliebten Herrn ganz vorsichtig, genug in Rage zu versetzten, damit ihm dieser so schön das Wort verbieten würde. Bei dem Gedanken an die Lippen des Ägypters, fühlte es sich an, als hätte er noch mal eine Kohorte Ameisen verschluckt. Diesen Meister würde er nie und nimmer hergeben, versprach er sich.
 

Und Träumen durfte er. Schließlich war es das Einzige, was die Meister nicht einmal einem Sklaven rauben konnten.
 

~
 

Mitten in der Nacht, der Diener war gerade ins Reich der Träume abgeglitten, hörte er Schreie und Stöhnen. Diese Stimme, auch wenn sie nun verzerrt vor Schmerz war, würde er unter tausenden wieder erkennen. Schnell verließ Ryou sein Körbchen und lief ins Wohnzimmer um nach seinem Meister zu schauen. Er hätte es sich nie verziehen, wenn diesem etwas zugestoßen sein könnte. Jedoch schlief der Ältere, aber er wandte seinen Körper, als würde er die schlimmsten Höllenqualen erleiden. Der Weißhaarige stand hilflos daneben und schaute sich das Schauspiel an. Hektisch blickte er auf und ab, suchte nach Hinweisen was das Leid seines Gebieters verursachen könnte. Dann kniete er sich gegen das Sofa und wollte prüfen ob der Schlafende vielleicht Fieber hatte. In dem Augenblick, als er seine Hand auf dessen Stirn legte wurde der Schlafende ruhiger. Selbst Ryou konnte erkennen, das durch seine Berührung eine augenblickliche Linderung des Zustandes eintrat. Zusätzlich legte sich ein Arm um den zierlichen Rücken, woraufhin Ryou nach unten gedrückt wurde, so dass sein Kopf nun auf Marikus Brust lag. Der Kleine räkelte sich etwas, versuchte es zumindest, aber der Griff um ihn wurde nicht lockerer.
 

Der Körper, unter ihm, war herrlich warm, groß und muskulös. Er konnte das immer ruhiger schlagende Herz seines sonnengebräunten Meisters hören. Liebend gern ergab er sich dem Schicksal, blieb wo er war und da Riku jetzt wieder ruhiger geworden ist, konnte auch Ryou endlich einschlafen, gebettet auf der Brust seines Eigentümers. Kurz bevor sein Meister am Morgen darauf erwachte, entglitt der Albino sich behutsam aus dessen Griff, da dieser sich nun eine Nuance, während der Nacht, gelockert hatte. Er hatte die ganzen Stunden ja nicht mehr versucht sich zu befreien und war still an seiner Seite verharrt. Der Sklave schlich sich mit pochendem Herzen und unbemerkt, zurück zu seinen Platz, wo er sich erneut zur Ruhe und zu Schlaf zwang. Ohnehin wäre es besser, wenn Mariku nicht erfuhr, dass er bei ihm gelegen hatte. Wer wusste es schon, ob Ryou überhaupt die Erlaubnis dazu hatte. Die meisten Gebieter mieden solche Nähe, waren nur für Sex bereit ihren Sklaven an sich heran zu lassen.
 

Aber das hier war eine Ausnahme gewesen. Mariku hatte ihn gebraucht und Ryou würde seinem Gebieter niemals die Hilfe verweigern. Auch wenn er stumm und im Schlaf darum bat.
 

~
 


 

Marikus Gedanken beim Aufwachen
 

Seit der Weißhaarige in Marikus Leben getreten war, stimmte etwas nicht mehr mit ihm. Etwas hatte sich verändert. Etwas Unerklärliches ging hier vor sich. In ihm, in seinem Kopf. Noch nie hatte er eine niedere Lebensform, wie einen kleinen, schmutzigen Sklaven beschützt. Noch nicht einmal daran gedacht, etwas dergleichen zu tun. Zumindest was seine Zeit hier in Japan betraf. Alles was davor lag, war in einem undurchsichtigen Nebel getaucht. Mitgefühl, Mitleid, jemanden beschützen auf eigene Kosten, waren Fremdworte für den Ägypter. Er beruhigte sich mit dem Gedanken, dass es lediglich Eifersucht war. Das Grauen davor teilen zu müssen. Wobei auch dieser Vergleich hinkte, da es im außer bei Ryou gleichgültig war, ob er Sklaven teilte oder nicht. War der Besitz kaputt, wurde er entsorgt und ersetzt. Beschützen war für ihn das falsche Wort.
 

Eine weitere beunruhigende Veränderung betraf seine eigene Gefühlswelt. Mariku hatte niemals Angst verspürt. Ja, es war eine gewisse Form der Furcht, die ihn jedes Mal zurückweichen ließ, wenn er in die Augen des Albinos blickte. Dieses Feuer darin, dass sie so anziehend machte, aber es war auch der Anblick dieser lebendigen Funken, dem er nicht standhalten konnte. Er spürte, dass es etwas mit seiner Vergangenheit zu tun haben musste, aber er konnte sich nicht erinnern. Zu dicht war der Schleier, der über dieser Zeit hing. Zu tief begraben lagen seine Erinnerungen, als dass er sie jemals ans Tageslicht zwingen könnte. Und ein gewisser Teil in ihm, wollte nicht einmal, dass sie wieder auftauchten. Weswegen er auch alles Menschenmögliche unternahm, um Erinnerungen und Gedanken von damals, im Keim zu ersticken.
 

Das was ihm aber am meisten zu schaffen machte, waren diese furchtbaren Alpträume. Am ersten Morgen, nachdem er den kleinen Weißhaarigen mit in die Wohnung genommen hatte, wachte Mariku schweißgebadet auf. Sein Körper zitterte noch vor Anstrengung und blanker Furcht, als ob er einen Marathon bestritten hätte und dabei vor dem Teufel höchstpersönlich geflohen wäre. Seine Haut brannte. Sein Geist lag in Verwirrung. War es da verwunderlich, dass er aggressiv und verstimmt aufwachte? Jedoch schob er es gedanklich auf seinen Alkoholkonsum von letzter Nacht. Und um Ausreden war er nicht sonderlich verlegen. Dabei hatte er nie zuvor etwas Derartiges erlebt, wenn er zu viel getrunken hatte. So war dieser Gedankengang, diese leichtgläubige Erklärung, dennoch leichter zu ertragen, als alles andere.
 

In dieser Nacht kamen genau dieselben Alpträume abermals über ihn. Mariku sah sich, wie er immer kleiner und jünger wurde. Ein verwaister, einsamer Junge. Doch das war es nicht was ihn so sehr ängstigte. Was furchtbar für ihn war, waren die Emotionen, die ihm diese Bilder zwangen mitzuerleben. Gefühle, die ihn ihm längst erloschen waren. Regungen seines Innersten, die er nicht benötigte und die er lange schon beseitigt hatte. Gemütsbewegungen, welche seiner Ansicht nach unbrauchbar und unsinnig für einen Mann wie ihn waren. Aber es gelang ihm nicht, er konnte es nicht lediglich von außen betrachten, wie sonst üblich in seinen Träumen. Immer wieder geriet er mitten in diesen ekelhaften Gefühlsduseligen Strudel hinein und konnte nicht damit umgehen!
 

Dieser Traum begann wie zuvor in der ersten Nacht. Als allererstes war alles in ein kaltes, tiefes, bedrückendes Schwarz getaucht. Theoretisch nichts was beunruhigend für ihn wäre. Aber leider fühlte er diese undurchdringliche, depressive Finsternis. Sie verursachte Unsicherheit und gab ihm das Gefühl eingeengt zu sein. Er wollte seine Augen in dieser düsteren Hölle öffnen, aber es gelang nicht. Er konnte nichts erkennen, bis er bemerkte dass seine Lieder bereits aufgeschlagen waren. Es war nicht einfach nur schrecklich dunkel. Man konnte die Finsternis, die einem grausigen Chaos glich, anfassen. Sie war lebendig und bewegte sich um ihn herum, schlang sich um seinen Körper und zwängte ihn gnadenlos ein. Sie drückte ihm die Kehle zu, raubte ihm den lebensnotwendigen Atem.
 

Dem Sandblonden war plötzlich der Boden unter den Füssen geraubt worden. Nirgends mehr fand er Halt. Er fiel immer weiter und immer tiefer in dieses katastrophale Chaos hinein, welches ihn in seine Vergangenheit brachte. Als sich das Dunkel schließlich langsam zu lichten begann, wich die Finsternis zu den Schatten, die an ihm vorbeihuschten und durch seinen Körper glitten. Seine Kehle schnürte sich noch weiter zu. Er war unsicher, einsam und verlassen. Die bedrängende Situation nahm für ihn noch mehr zu, als die Schatten um ihn herum jeweils zwei glühende Augen, wie glimmende Kohlen bekamen. Die schrecklichen Lichter kannte er aus der Vergangenheit. Es schien ihm, als ob sie ihm früher mal vertraut gewesen waren. Tausende dieser Lichter drehten sich, nach wenigen Augenblicken, um ihn herum, tanzten und lachten über ihn, sprachen aus wie erbärmlich er doch war. Sie nahmen ihm den Sauerstoff, so dass er Ohnmächtig zusammen sank, nicht imstande sich zu wehren.
 

Als er aufwachte, fühlte er sich benutzt, allein und auf sich selbst gestellt. Mariku fand sich wieder in dieser kleinen Gestalt, in dem Körper des kleinen Jungen. Des kleinen Kindes, das er zu Beginn des Traumes geworden war. Er saß, vor Angst schlotternd, in einer kargen Zimmerecke, auf dem schmutzigen Boden zusammengekauert. Selbst die beklemmende Atmosphäre dieses Raumes schien er zu kennen. Vor seinem inneren Auge, sah er ständig Bilder, konnte sie aber nicht zuordnen, so als würde ihm der Bezug dazu fehlen. Der Kleine zog die Knie an und schlang die Arme um diese herum, versuchte in dieser Haltung Trost und Schutz bei sich selbst zu finden. Den Kopf hatte er weinend und verängstigt auf die Knie abgelegt. Ein Bild, wie es surrealer nicht sein könnte, denn Mariku würde nie weinen, sich fürchten oder so erbärmlich da sitzen wie dieses Balg. In diesem Alptraum jedoch wurde er gezwungen zu knien, sich einzugestehen, dass er nicht der harte Mann war, welchen er den anderen ständig offenbarte. Was für eine Strafe es doch war. Was für eine Schmach. Die absolute und vollkommene Niederlage für diesen stolzen Mann, der nie Schwäche und Unterlegenheit zeigte.
 

Knarrend öffnete sich die Tür zu seinem Zimmer. Die Türbänder jaulten bei der Bewegung laut auf. Panisch blickte der Kleine nach vorne, etwas zwang ihn, seine Seelenspiegel auf die eintretende Person zu richten. Kaum erblickte er sie jedoch, riss er die Augen weit auf. Ein erstickter Schrei wollte ihm entkommen, aber er blieb ihm im Hals stecken. Sein gesamter Körper war vor Schreck erstarrt. Die Muskeln verspannte er schmerzhaft. Und es wäre ihm noch schlimmer ergangen wenn ein gleißender Blitz nicht durchs Zimmer gefahren wäre. Der Junge musste sich schnell den Arm vor die Augen halten, um nicht zu erblinden. Er atmete tief ein und aus, versuchte dadurch sein stockendes Herz wieder ans Schlagen zu erinnern. Mühsam zwang sich Riku sogar den Kopf wieder zu heben und zur Türe zu blicken. Nur ganz kurz. Aber es reichte. Es reichte um ihm klar werden zu lassen, dass er nicht mehr alleine war. Eine Gestalt stand im Türrahmen. Es waren die Umrisse eines Mannes. Eines Mannes, welcher ihm merkwürdig bekannt und nicht fremd vorkam. Es war ihm, als sei er ein vertrauter Unbekannter. Nichts vor dem er sich fürchten müsste.
 

Der Fremde glich Marikus erwachsenem Ebenbild, war groß, muskulös und wirkte selbstsicher. Der Unbekannte hatte wirre weiße Haare, von denen zwei Strähnen über dem Pony besonders stark, beinahe abstrakt, abstanden. Riku sah ihn immer nur von hinten, er stand mit dem Rücken zu ihm, aber er wusste, dass er ihn erreichen musste. Es war ein Bedürfnis, es war von enormer Wichtigkeit zu ihm zu gelangen. So geschockt und mitgenommen sich der kleine Junge auch fühlte, so erhob er sich angsterfüllt und rannte dem Mann entgegen. Aber er konnte diese Gestallt nicht erreichen. Je schneller er lief, umso weiter entfernte sie sich, ohne sich in Wahrheit zu bewegen. Der Raum zog sich, wie Gummi, in die Länge. Dabei wollte der Kleine von ihm beschützt werden, nichts anderes. Wusste, dass er bei ihm Sicherheit und Geborgenheit erfahren würde. Aber er erreichte ihn nicht. Nicht einmal ansatzweise. Und wie als wäre es eine gerechte Strafe für sein Versagen umfing ihn erneut Dunkelheit. Besinnungslosigkeit. Beengung und totale Erschöpfung.
 

Alle Kraft und Stärke war aus Mariku gewichen und als er dachte, völlig am Ende zu sein, erschien der Unbekannte erneut. Aber dieses Mal war etwas anders. Denn langsam drehte er sich um und man war imstande in dessen Gesicht zu blicken. In ein Gesicht, welches ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es war leer, starr, tot. Nur zwei Flammenzungen, die wohl die Augen andeuten sollten, waren zu erkennen. Der Rest des Angesichts war verschwommen, weißlich, nicht zu erkennen. So schrecklich Riku aber das Bild auch erschien, so war das Wesen, dieser Mann, ein Freund. Denn er breitete die Arme aus, vor ihm, schützend, so als würde er ihn vor einem unbekannten Feind, Monster, oder was auch immer behüten. Und dann konnte Mariku es hören. Ein ohrenbetäubender Knall. Ein Schuss. Und dann konnte er es sehen, nicht nur hören. Blut. Rötliches, schimmerndes Blut. Überall war die warme Flüssigkeit zu sehen, sie verteilte sich von selbst, wie von Zauberhand. Der Mann lag auf dem Boden. Regungslos und erschlafft, bis Riku Zeuge davon wurde, wie der leblose Leib vom Boden verschlungen wurde.
 

Das kleine bisschen Schutz, welches von dem weißhaarigen Fremden ausgegangen war, war versiegt. Verloren. Er fühlte Trauer, Schuld, Gewissensbisse. Er wusste, dass er schuld an dieser Situation gewesen war. Er hatte es verbockt, hatte nun sein Blut an den Händen, auf seinem Körper, in seiner Seele. Wegen ihm alleine war es geschehen. Er wusste es, aber nicht das wieso und warum. Ein Mensch war gestorben. Ein Mensch, der sein Leben geopfert hatte um das seine zu retten. Warum ging es Mariku so nah? Er kannte ihn doch nicht? Oder doch?
 

Ungewissheit legte sich um seinen Körper, drückte erbarmungslos auf seinen Brustkorb. Etwas was er nie hatte, begann ihn zu beißen, sein Gewissen. Oder war es gar sein eigenes Herz, welches sich gegen ihn stellte? Irgendetwas aus seiner Vergangenheit wollte an die Oberfläche dringen. Etwas Schmerzliches. Etwas was Mariku nicht zuließ, oder nicht zulassen konnte. Und so quälten ihn die Bilder weiter, Lithografien, welche ihm zeigten, dass er schwach und angreifbar war und dass sie nicht aufhören würden seine Nachtruhe zu stören, bis er bereit war einzusehen, was er nicht sehen wollte.
 


 

Eines jedoch war in dieser Nacht anders, als in der vorherigen. Der Traum hatte genauso begonnen. Es war wie ein Déjà-vu. Er durchschritt die gleichen Schauplätze. Wurde erdrückt von den Sinnesreizen. Bis … ja bis er auf einmal Ryou sah. Sein neues Eigentum. Doch was suchte der Albino hier? War er aufgetaucht um ihn auch zu quälen?
 

Sein Sklave stand als durchschimmerndes Bild, beinahe wie ein Engel, neben dem Mann mit dem weißen Haar. Von ihrer Haltung konnte man entnehmen, dass sie sich anscheinend miteinander unterhielten. Sie sahen sich sogar schemenhaft ähnlich. Die angenehme Stimmung und die Wärme veränderten sich aber, als Ryou begann den Kopf zu schütteln, woraufhin ein Streit losbrach. Einen von dem Riku zwar wusste, dass er stattfand, aber hören um was es ging, konnte er nicht. Und unglaublicher Weise schien sich sein Sklave durchzusetzen, zu gewinnen, denn ein triumphierendes Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit und er ging geradewegs auf ihn zu. Dieser blickte wieder in die Flammen, die in den schokobraunen Seelenspiegeln zu erkennen waren. Aber anders als in der Realität, ängstigten sie ihn diesmal nicht. Hier im Traum hatten sie eine beruhigende Wirkung. Mariku war dennoch wie gelähmt, denn er konnte sich nicht mehr bewegen. Dann trat Ryou an seine Seite, eine kleine und doch so mächtige, alles sagende Geste, dass des Ägypters Herz beinahe vor Freude und Dankbarkeit überquellen ließ. Der Traum ging weiter, aber das was er danach durchleben musste, schmerzte Riku nicht mehr, sobald er von dem Kleinen berührt wurde und Ryou seine Hand fest umfasste.
 

Gemeinsam schauten sie sich die Szenen bis zu Ende an. Wie bei einer Kinoleinwand. Wie ein Film in 3D. Mariku wehrte sich nun auch nicht mehr dagegen, dass etwas aus seinem Unterbewusstsein nach oben dringen wollte. Er ließ es zu. Und auf einmal kam ihm der Mann der aus den Schatten entstanden war noch bekannter vor. An dessen Namen oder Gesicht konnte er sich vorerst nicht erinnern, aber er wusste, dass es eine wichtige Person war, der er sehr nahe stand. Oder zumindest gestanden hatte.
 

Als Mariku schließlich langsam aus seinem Traum erwachte, wich auch sein kleiner Kajirus von seiner Seite. Augenblicklich wurde ihm kälter auf der Brust und die Folter des Traumes stürmte wie ein zusammenfallendes Kartenhaus, mit mehr als doppelter Gewalt, wieder auf ihn ein. Schlimmer als zuvor erlebte er die letzten Sequenzen seines Alptraumes. Als sein Bewusstsein in der Realität angekommen war, fand er sich zugedeckt auf dem Sofa liegend wieder. Bevor er sich aufrichtete, dachte er wie schon gestern zuerst über den seltsamen Traum nach. Dann aber schüttelte er den Kopf und schob es beflissen als Unfug beiseite. Seine Augen glitten durch die aufgeräumte Wohnung und suchten wie selbstverständlich nach dem Sklaven, welcher ihn gerettet hatte, ohne dass Riku es sich eingestehen wollte.
 


 

„Ryou, du verdammter Faulpelz! Wo steckst du schon wieder?!“ krächzte er mit übelster Laune durch die Wohnung und schaffte es sich mühsam zu erheben, sich zumindest aufzusetzen. Er wollte ihn sehen, er wollte Ryou betrachten, ihn mustern und feststellen, ob alles tatsächlich nur ein Traum gewesen ist. Oder ob nicht doch ein kleiner Funken Wahrheit dahinter steckte, welchen er nur nicht sofort erkannte. Oder erkennen wollte.
 

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