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Die schönsten Momente

SJ-M, Weihnachten, und ein unerfüllbarer Wunsch
von

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"Warst du damals schon innerlich so tot wie heute?"

Die schönsten Momente waren die in Taiwan.
 

Die schönsten Momente ereigneten sich normalerweise, wenn sie nach einem langen Tag nach Hause kamen, alle Erinnerungen an den Tagesverlauf zusammen mit dem dicken Make-Up runterwaschen konnten und sich wie junge Frischlinge im Wohnzimmer zusammenrotteten. Ryeowook versuchte jedem noch mehr hausgemachte Reiskuchen aufzudrängen, Sungmin flirtete mit zwei Assistentinnen gleichzeitig, Donghae und Eunhyuk erzählten sich gegenseitig gleichzeitig mit dem gleichen Maß an Begeisterung die gleiche Anekdote, Henry klimperte auf der Gitarre, Siwon legte abwechselnd seinen Arm um jeden Hals, den er zu fassen bekam, und Kyuhyun legte seine Beine über Zhou Mis lange, knochige Beine und es war egal, es waren die wenigen, schönen Momente.
 

„Und dann hat das Mädel… und dann hat sie einfach…“ Donghae konnte sich vor Enthusiasmus gar nicht mehr halten. Neben ihm drohte Eunhyuk an seinem Reiskuchen zu ersticken. Kyuhyun lenkte Mario und Luigi über eine „Speichern“-Plattform und drückte auf „Pause“.
 

„Zhou Mi-hyung“, sagte er ernst, und dann, weil er keine Antwort bekam, nochmal etwas lauter, „Zhou Mi-hyung. Hyung. Zhou Mi. Miiiiii.“ Nicht allzu sanft stieß er seinen Fuß in Zhou Mis Bauchgrube. „Miiiii.“
 

„Hä?“ Zhou Mi röchelte und rieb sich verschlafen die Augen. Dann bemerkte er Kyuhyuns Fuß auf seinem Bauch. „Was ist los, Kuixian?“
 

„Du schläfst zu viel“, sagte Kyuhyun. „Unterhalte mich.“
 

Zhou Mi verzog den Mund. „Dafür brauchst du mich nicht.“ Er deutete auf den Nintendo DS in Kyuhyuns Händen. „Dafür sind Mario und Luigi da. Ich habe diese ehrenvolle Aufgabe auf sie übertragen.“
 

Kyuhyun fuhr langsam mit seinem Fuß an Zhou Mis Oberkörper auf und ab. „Vielleicht, aber bald ist Weihnachten. Wir sollen irgendetwas machen.“ Irgendetwas mit sechs Personen weniger, wollte er noch hinzufügen, als Siwons Arm ihn von hinten erfasste und ihm den Atemweg abschnürte.
 

„Ganz richtig, Kyuhyun-ah! Und Zhou Mi“, sagte Siwon mit ernstem Gesicht, während er durch Kyuhyuns Haare fuhr, „Feiert man in China auch Weihnachten?“
 

Zhou Mi musste lachen, als er den resignierten Ausdruck auf Kyuhyuns Gesicht sah, der vergeblich versuchte, sich von Siwons Klammergriff zu befreien. „Äh, nein, eigentlich nicht. Das heißt, wir dekorieren auch unsere Läden und kaufen Geschenke und packen sie in glitzerndes Papier ein… aber wir feieren nicht, na ja, die Geburt Christi und so“, fügte er vorsichtig hinzu und suchte in Siwons Augen nach einer Spur der Verachtung. Es gab keine. Siwon nickte nur schwermütig und ließ von Kyuhyuns Haaren ab, der sich mit einem Grunzen von ihm entfernte.
 

„Die meisten haben heute die wahre Bedeutung des Weihnachtsfestes vergessen“, verkündete er alsbald mit dunkler Stimme. Es wäre eindrucksvoller gewesen, wenn nicht in diesem Moment Eunhyuk beschlossen hätte, einen Rasensprenkler zu imitieren.
 

Nachdem sich alle mit Stoffservietten von Pepsischaum befreit hatten, beschlossen Ryeowook, Sungmin und Siwon, dass sie zu erwachsen für so etwas waren, und sagten gute Nacht. Für einen kleinen Moment wurde es ruhiger. Dann robbte Donghae sich zu Zhou Mi vor und legte den Kopf in seinen Schoß, wie ein Welpe, der gekrault werden wollte. „Zhou Mi-hyung“, wisperte er, „ich hab gehört, wie ihr vorhin über die wahre Bedeutung von Weihnachten geredet habt.“
 

„Oh“, sagte Zhou Mi, „das war nur Siwon, er… wollte wissen, ob man in China auch Weihnachten feiert.“ Aus den Augenwinkeln betrachtete er Kyuhyun, der seinen Nintendo DS mit weißen Knöcheln fest umklammert hielt und ihn unablässig mit seinem rechten Daumen traktierte.
 

„Pfff“, machte Donghae und setzte sich mit einem Mal aufrecht hin, „pffff“, machte er gleich noch einmal. „Siwonnie kann noch so oft in die Kirche gehen und mit Jesus reden, ich weiß, was die wahre Bedeutung von Weihnachten ist.“
 

„Wirklich, Hae?“ Wie aus dem Nichts saß Eunhyuk zu Zhou Mis Rechten, bereit, jedes Wort aus dem Mund seines besten Freundes nachzuäffen. „Und was ist die wahre Bedeutung von Weihnachten, deiner Meinung nach?“
 

Donghae hielt einen Finger in die Höhe, wie jemand, der sich bereit machte, zwei kleinen Kindern die Quantentheorie nahezulegen. Das war, wie Zhou Mi eine Sekunde darauf dachte, wahrscheinlich auch so.
 

„An Weihnachten“, der Finger glitt verschwörerisch auf Donghaes Lippen, „kommt das Christkind vom Himmel herab und“, Donghae senkte den Kopf, sodass Zhou Mi und Eunhyuk sich weiter nach vorne beugen mussten, um ihn zu verstehen, „belohnt alle Menschen, die lieb gewesen waren.“
 

„Blödsinn!“, rief Eunhyuk so laut, dass Zhou Mi die Augen zusammenkniff. Donghaes Augen schmälerten sich augenblicklich. Kyuhuyn sah von seinem Nintendo DS auf. „Weiß doch jeder, dass das Christkind nur die Geschenke bringt. Nein, das macht der Weihnachtsmann. Weiß doch jeder, dass der Weihnachtsmann die Geschenke bringt.“ Mit einem Male wurde er nachdenklich. „Moment, jetzt bin ich durcheinander gekommen. Also, das Christkind - “
 

„- das Christkind arbeitet mit dem Weihnachtsmann zusammen“, erklärte Donghae geduldig, nunmehr wieder mit seiner Quantentheorie-Stimme, „aber er arbeitet im Stillen, also kennen ihn nicht so viele – ich stelle es mir so vor, dass er im Schlitten sitzenbleibt und dem Weihnachtsmann aus seinem Notizbuch vorliest, wer wie lieb war. Und dann schiebt der Weihnachtsmann die Geschenke durch die Kamine. Und deswegen - “
 

„Was soll das jetzt heißen?“, sagte Eunhyuk wieder laut und Zhou Mi rutschte ein Stück weg von ihm. „Willst du mir erzählen, dass der Weihnachtsmann nur ein Gehilfe vom Christkind ist, oder was? Wie erklärst du’s dir dann, dass er so einen langen Bart hat und offensichtlich so viel älter ist?“ Mit der Miene eines Jemanden, der gerade eine letzte, tödliche Bombe über eine Stadt abgeworfen hat, lehnte Eunhyuk sich zurück, in der Absicht auf Zhou Mis dünnen Körper zu treffen, und fiel stattdessen auf den Rücken. Donghae bekam einen Lachanfall. Kyuhyun sah wieder von seinem Nintendo DS auf, diesmal mit unglücklicherem Blick. Zhou Mi setzte sich vorsichtig neben ihn.
 

„Was ist mit dir, Kuixian?“ Zhou Mi legte sein Kinn auf Kyuhyuns rechte Schulter, es tat ein bisschen weh, aber es war nicht unangenehm. „Glaubst du auch daran, dass der Weihnachtsmann nur der Gehilfe vom Christkind ist… oder andersherum… oder überhaupt an eine wahre Bedeutung von Weihnachten?“ Neckend schob er sein Kinn auf Kyuhyuns Schulter vor und zurück. Kyuhyun schnaubte und schickte Mario über eine Lavagrube. Mario starb.
 

„Ich wusste schon seit 1993, dass meine Eltern die Geschenke kaufen und unter den Baum stellen“, sagte er dann verächtlich, während im Hintergrund Donghae und Eunhyuk sich ernsthaft einen erbitterten Wortkampf darüber lieferten, wer Recht hatte. „Also vergleich mich bitte nicht“, mit einem Kopfnicken deutete er auf Eunhyuk, der inzwischen laut die Namen der Rentiere aufsang, wie um seine Expertise zu beweisen, „mit denen.“
 

„1993?“ In Zhou Mis Augen schwang ein belustigtes Leuchten. „Da warst du erst fünf! Warst du etwa damals schon innerlich tot wie heute?“
 

Kyuhyun runzelte die Stirn. Zhou Mis dunkelrot gefärbten Haare kitzelten ihn an der Wange und er konnte nicht mehr klar denken. Idol-Haare. „Nein.“, entschied er sich dann zu sagen.
 

„Aber wie hast du’s denn rausgefunden?“
 

„Ist doch egal.“
 

„Komm schon, Kuixian.“ Aufrichtig lächelnd ließ Zhou Mi von seiner Schulter ab und blickte Kyuhyun in die Augen. „Mir kannst du alles erzählen.“
 

Mario wollte an diesem Abend wohl nicht richtig. Wieder verfehlte er das Ziel und verendete – wahrscheinlich qualvoll – in der Lavagrube. Kyuhyun stöhnte.
 

„Na gut, wenn du’s unbedingt wissen möchtest – ich – meine Schwester hat mir am Abend vor Weihnachten damals gesagt – sie hat gesagt, „Wenn du was lustiges sehen willst, dann schleich dich in das Schlafzimmer von Mama und Papa und mach die unterste Schublade vom Kleiderschrank auf.“ An Heiligabend war ich dann so enttäuscht von allem, dass ich über dem Essen vor meinen Großeltern angefangen hab zu weinen. So. Wolltest du etwas in der Richtung hören?“
 

Zhou Mi schwieg eine Weile. Dann sagte er sanft, „Und trotzdem bist du kein verbittertet alter Mann geworden.“
 

Kyuhyun sah ihn an. Etwas in ihm wollte Zhou Mis Arm anfassen, langsam und behutsam.
 

Nach einer Pause fügte Zhou Mi hinzu, „Aber das soll nicht bedeuten, dass du es nicht noch werden kannst.“
 

„Immer schön, den Moment zu ruinieren“, schnaubte Kyuhyun im gleichen Augenblick, als Donghae aufstampfte und den gitarrespielenden Henry am Kragen durchs Wohnzimmer zu schleifen begann.
 

„Henry ist aus Kanada!“, schrie er dazu, „Kanada ist fast Amerika. Und weil der Weihnachtsmann aus Amerika kommt, weiß er besser als jeder, was seine wahre Aufgabe ist! Sag’s ihm, Henry, na los!“, richtete er dann ein wenig sanfter an den verwirrten Kanadier.
 

What? Was – wie – What’s going on? Ich habe Weihnachtsmann verstanden. Wollt ihr, dass ich den Weihnachtsmann – das ich mich als Weihnachtsmann verkleide?“ Henry seufzte. „Ich mag es wirklich nicht, was wir alles für diese verrückten Variety Shows machen müssen.“
 

„Du Idiot“, brüllte Eunhyuk und fasste sich an die Stirn. „Woher soll der denn was über den Weihnachtsmann“- („What?“) – „wissen? Noch nie was davon gehört, dass der am Nordpol wohnt? Was glaubst du denn, warum er mit einem Schlitten kommen muss? Und warum er so warm angezogen ist?
 

„Ich glaube“, sagte Zhou Mi so leise wie möglich, „das war mein Stichwort, ins Bett zu gehen. Gute Nacht, Kuixian.“ Dann stand er auf und verschwand in seinem Zimmer. Kyuhyun wandte sich wieder Mario und der Lavagrube zu. Wie durch ein Wunder schaffte er es diesmal, und es war ein gutes Gefühl.
 

***
 

In dieser Nacht konnte Kyuhyun nicht einschlafen. Immer und immer wieder drehte er sich hin und her. Er dachte an seine ältere Schwester. Er dachte an Schlitten. Er dachte an Zhou Mis Haare an seiner Wange.
 

So war er der Einzige, der später in der Nacht, als alle endlich vor Erschöpfung eingeschlafen sind – manche im Bett, manche auf dem Fußboden mit einer Gitarre als Kissen – das kaum vernehmbare Klopfen am Fenster hörte. Tock Tock Tock. Leise stand Kyuhyun auf, zog die Gardinen zurück und war nicht im Geringsten überrascht, den Weihnachtsmann auf einem prachtvollen, schwebenden Schlitten sitzend auf der anderen Seite des Fensters vorzufinden. Er war nicht ganz so alt, wie sich alle ihn immer vorstellten. Allerdings hatte er Augenringe, die den Kyuhyuns in nichts nachstanden.
 

„Du bist der Weihnachtsmann“, sagte Kyuhyun, „und du bist in Taiwan.“
 

„Noch so ein schlauer Bursche“, stöhnte der Weihnachtsmann. „Hör mal, junger Mann, ich brauche deine Hilfe. Das Christkind ist dieses Weihnachten leider etwas – unpässlich. Nach schlechten Erfahrungen mit dem Essen aus dem asiatischen Raum weigert es sich einfach, dieses Jahr nach Taiwan mitzukommen. Deswegen – könntest du dir vorstellen, für ihn einzuspringen? Es ist nicht so schwierig“, beeilte er sich hinzufügen, „du musst nur ein gutes Gedächtnis haben und ein reines Herz.“
 

„Ich hab ein gutes Gedächtnis“, antwortete Kyuhyun. „Und – wie jetzt, bist du der Gehilfe vom Christkind oder ist es andersherum?“
 

„Was?“, sagte der Weihnachtsmann etwas zerstreut, das er beschäftigt war, ein großes Notizbuch aus den Tiefen des Schlittens zu ziehen.
 

„Ach, vergiss es“, sagte Kyuhyun schnell. „Ich zieh mir nur schnell eine Jacke über und komm dan rüber.“
 

„Super“, sagte der Weihnachtsmann.
 

***
 

In einer Stunde arbeitete der Weihnachtsmann Kyuhyun ein. Es war tatsächlich keine sehr anspruchsvolle Aufgabe; aus dem Notizbuch musste er vorlesen, was jemandes Weihnachtswunsch war, und dann anhand einiger sehr krakeliger und vernachlässigter Aufzeichnung des Christkindes abwägen, ob dieser jemand die Erfüllung des Wunsches verdient hatte oder doch eher das standardisierte Dusch- und Pflegeset von Sephora. Kyuhyun amüsierte sich köstlich, unter anderem auf Kosten eines anonymen, angeblichen in Kanada geborenen Taiwanesen, der sich zu Weihnachten wünschte, seinen Babyspeck zu verlieren.
 

„Manche Wünsche sind einfach Unfug“, sagte der Weihnachtsmann geschäftsmäßig. „Hier – Britney Spears wünscht sich bereits zum dritten Mal, dass sie niemals für den Mickey Mouse Club vorgesprochen hätte. Arme Seele.“
 

„Und das ist Unfug, weil man den Wunsch nicht wahrmachen kann?“ Kyuhyun blätterte eine Seite weiter und hielt das Buch näher an sein Gesicht, um die unleserliche Schrift zu entziffern.
 

„Oh nein, ganz im Gegenteil.“ Als er Kyuhyuns ungläubigen Blick sah, lachte er auf. „Ich meine – ich habe einen Schlitten, der von fliegenden Rentieren gezogen wird. Da wirst du mir wohl noch andere Tricks zutrauen.“
 

Kyuhyun schwieg. Er dachte an die harte, forderne Zeit als Trainee in den stickigen Übungsräumen. Er dachte an die langen, zehrenden Stunden vor der Kamera. Er dachte an LED-Schilder, die in einer fremden Sprache schrien „Wir wollen dich nicht!“
 

Er dachte an Zhou Mis Haare an seiner Wange.
 

„Meinst du“, sagte er dann, leicht zögernd, „meinst du, du kannst dieses Jahr eine Ausnahme machen?“
 

Als Zhou Mi am Morgen nach Heiligabend aufwacht, konnte er seine Mutter bereits in der Küche mit Töpfen und Pfannen klirren hören. Sein Handy vibrierte. Merry xmas!!! vergiss nicht heute abend den sj-m auftritt aufzunehmen! Wenn ich kyuhuyn wegen dir verpasse, bekommst du kein geschenk! xo xiaoyu
 

Zhou Mi grinste und stützte sich auf seinen Ellbogen. Xiaoyu war wie immer hoffnungslos vernarrt in diese Idol-Geschichte. Obwohl es sich bestimmt gut anfühlen musste, auf der Bühne die Welt zu Füßen liegen zu haben, dachte Zhou Mi, zuckte mit den Schultern und sah wieder auf sein Handy. Es war noch ein altes, von 2008, aber als Student, der bei Nintendo als Hilfskraft jobbte, war das für ihn gut genug. Halt die klappe schrieb er, und sei lieber ein braves mädchen, damit das christkind dich heute abend nicht übergeht – ich hab ja so meine zweifel.



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