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Schmelzender Schnee

von

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Wie angelt man sich einen Emo? (zensiert)

Ich kann ihn stundenlang ansehen. Was sage ich, tagelang. Immer… Er ist wirklich der hübscheste Junge, der mir je vor die Augen gelaufen ist. Seine kleine, gerade Nase. Seine langen Wimpern. Seine schmalen Lippen. Seine Grübchen, wenn er lächelt. Sein schmaler, wohlgeformter Körperbau… Und nicht zu letzt… seine Augen. Diese umwerfenden Augen, bei denen die Zeit stehen zu bleiben scheint, wenn man in sie blickt. Von einer solch tiefbraunen Farbe… wie flüssige Schokolade – nur viel süßer anzusehen.

Nein. Es gibt nichts in der Welt, dass mich so in seinen Bann ziehen kann, wie er. Und das schon seit zwei Jahren.

Zwei Jahre, in denen ich ihn liebe.

Zwei Jahre, in denen ich ihn jeden Tag anstarre.

Zwei Jahre, in denen ich mir jeden klar machen musste, dass er niemals mein sein wird.

Denn so sehr ich mir auch wünsche, Mischa würde endlich mir gehören, so sehr bin ich mir auch darüber im Klaren, dass Mischa mich in den zwei Jahren, in denen ich nun schon hoffe, noch nicht einmal wahrgenommen hat. Zumindest nicht richtig. Ich bin eben der Kerl aus der Para, mit dem er Sport hat. Sicher kennt er meinen Namen nicht.

Was mich angeht, ich habe ihn schon als etwas Besonderes wahrgenommen, als ich ihn das erste Mal gesehen habe.

Vor zwei Jahren kam er neu in die Parallelklasse. Ich hätte es sicher nicht mal mitbekommen, wenn nicht Criss und Samy mit ihm befreundet gewesen wären. So geschah es, dass er in der Pause bei ihnen stand. Und ich, der immer nach den Beiden Ausschau hielt – um ihnen aus dem Weg gehen zu können –, habe keine Sekunde gebraucht, um ihn zu entdecken und für umwerfend befinden zu können.

Damals – ich sage das so, weil es mir schon ewig her zu sein scheint -, da war ich mir noch nicht mal sicher, ob ich wirklich auf Jungs stehe. Ich wusste nur, dass mir Mädels nicht gefielen und dass mich diverses Material im Internet nicht kalt ließ.

Aber als Mischa dann so vor mir stand… da wusste ich, dass ich auf Jungs stand. Oder eher… dass ich auf Mischa stand. Aber da er ein Junge war, erübrigte sich der Rest von selbst.

Und seitdem laufe ich ihm nach. Wobei man das so nicht sagen kann, denn wie gesagt: Er weiß sicher nicht mal, dass es mich gibt.

Ich habe ihn nämlich noch nie angesprochen oder sonst wie auf mich aufmerksam gemacht. Ich gehe ihm und Criss und Samy sogar aus dem Weg, weil ich weiß, dass Letztere mich nur verarschen werden, wenn sie mich entdecken, und ich mir diese Blöße vor Mischa nicht geben will.

Nicht, dass ich mir Chancen bei Mischa einräumen würde, würde ich ihn doch ansprechen. Ich bin nun mal ein langweiliger Streber, der seine Wochenenden alleine zu Hause vor dem Computer oder mit einem Buch auf der Couch verbringt, anstatt auf Partys zu gehen. Und ich bin nicht mal geoutet, weil ich mir den Stress nicht auch noch geben will, den so ein Outing mit sich bringt.

Es gibt also gar keinen Grund, warum sich Mischa für mich interessieren sollte, wo er doch das genaue Gegenteil von mir ist. Er ist nämlich vor allen geoutet und weil er es ist, findet es auch jeder in Ordnung. Immerhin ist er der totale Partylöwe und bei allen beliebt.

Ich seufze frustriert auf und blicke mich suchend in der Aula um. Über meine Gedanken hinweg habe ich tatsächlich kurz aufgehört, auf Mischa zu achten und muss nun feststellen, dass er verschwunden ist.

Ich wühle – oder soll ich gleich kämpfe sagen? – mich durch die Schülermassen, lasse die Augen wachsam über die Schüler streifen. Wo ist er hin? Mit seinem auffälligen Style – Marke Emo – würde ich ihn doch sofort entdecken!

Dann endlich taucht sein schwarzer Haarschopf in der Menge auf und ich stelle mich wieder in seine Nähe. Er steht bei Criss und Samy.

Um kurz auf die Beiden zurück zu kommen: Sie gehen in meine Klasse und sind riesige Arschlöcher. Irgendwie finden sie es witzig, sich über andere lustig zu machen. Vor allem über mich. Was sich natürlich anbietet. Ich bin ein totaler Vorzeigeloser und auch noch in ihrer Klasse… Irgendwie klar, dass ich da den schwarzen Peter gezogen habe!

Wie gesagt, ich will nicht, dass Mischa etwas davon mitbekommt. Nicht, dass das erste Mal, dass er mich bemerkt, ein Moment sein wird, in dem ich gedemütigt werde.

Ich seufze erneut und blicke wieder zu ihm und den andere. Ich stehe nahe genug, um ihre Gespräch zu hören.

Was eigentlich schlecht ist, denn so könnte es für sie ein Leichtes sein, mich zu entdecken. Andererseits interessiert es mich brennend, was Mischa so zu erzählen hat. Leider reden sie dann aber erst Mal nur über das anstehende Mathe-Ex.

„Habt ihr überhaupt gelernt?“, fragt Samy. Er heißt eigentlich Samuel, ist ein kleiner, fetter, hässlicher Junge mit einer Brille und mehr Picken im Gesicht, als Haaren auf dem Kopf. Eigentlich das totale Opfer – sorry, aber ich muss das jetzt mal so sagen -, aber leider sehr beliebt, weil er schon seit der Zeit mit Criss befreundet ist, in der sie noch in die Hosen geschissen haben.

Criss hingegen ist so eine Art Obermacho und Frauenschwarm. Wechselt die Mädels öfter, als seien Unterwäschen, wird aber von allen angehimmelt.

Er sieht ja auch nicht schlecht aus. Im Gegenteil. Er ist schon ziemlich attraktiv. Markante Gesichtszüge, sportliche Figur. Wenn ich mich mit meinem schmalen Körper und den langweiligen blonden Haaren daneben stelle, dann weiß ich schon, warum alle nur ihn angucken, keiner aber je mich.

„Was glaubst du denn?“, lacht nun eben Criss und wirft seine braunen Haare nach hinten. Sie sind kinnlang, mit modischem Schnitt. Ein richtiger Styler eben.

„Ich war am Sonntag so fertig, nach der Party am Samstag… ich hab gar nichts gemacht…“, führt er nun seine Erklärung an, ohne auf Samys Antwort zu warten und sieht zu Mischa, der bekräftigend nickt.

„Die Party… danach ne heiße Nacht… da hab ich Sonntag kein Mathe mehr gebraucht!“

Ich verziehe den Mund, während Samy anerkennend nickt und meint: „Sag ja nicht, du hast schon wieder wen abgeschleppt?“

Ich kann nicht sagen, was mehr weh tut. Zu wissen, dass Mischa eine richtige Schlampe ist und ständig mit einem anderen Kerl vögelt oder die Tatsache, dass es niemals ich sein werde.

„Was denkst du denn?“, lacht er auch noch stolz. Als wäre es eine Meisterleistung, seinen Körper so anzubieten. Das ist das Einzige, was ich an ihm nicht mag. Aber in meiner naiv-romantischen Vorstellung verliebt er sich ja in mich, ist dann komplett treu und wir werden glücklich… Ich schnaube abfällig Darauf kann ich sicher lange warten!

„Dein Talent dafür will ich auch mal haben. Jeden Tag ne andere Frau… das wäre schon schön…“, träumt Samy nun vor sich hin und Criss lacht auf: „Dafür hattest du aber schon mal eine Freundin und Sex. Im Gegensatz zu einer gewissen anderen Person…“

Er dreht sich um und mein Herz setzt ein, zwei Takte aus, als ich begreife, dass er von mir gesprochen hat… schlimmer noch: Dass er zu mir gesprochen hat. Weil er mich nämlich entdeckt hat. Weil er irgendwie gemerkt hat, dass ich in der Nähe stehe. Weil ich mich nicht gut genug versteckt habe…

Ich reiße die Augen auf und öffne den Mund, bringe aber keinen Ton über die Lippen. Die Situation überfordert mich. Und es gibt nur noch einen Gedanken, der in meinem Kopf herumhämmert: Mischa steht daneben und hört alles!

„Du bist doch noch Jungfrau, oder Kevin?“, fragt er mich nun und ich kann nicht antworten. Was soll ich auch sagen? Wenn ich nein sage, wird er mir nicht glauben. Wenn ich ja sage, blamiere ich mich nur noch mehr.

„Wer is’n das?“, fragt in dem auch noch Mischa und mein Alptraum wird Wirklichkeit. Aber jetzt werde ich ihm als Loser im Gedächtnis bleiben!

„Unser Klassensterber und nebenbei der größte Loser der ganzen Schule,“ klärt Criss ihn auf. Dafür hasse ich ihn. Musste er das tun?

Nun sieht mich Mischa abschätzig an und grinst dann.

„Hat noch nie eine Frau abbekommen, weil die schreiend weglaufen, wenn sie ihn sehen,“ fügt Samy noch hinzu. Völlig übertrieben. Mit Mädchen verstehe ich mich ganz gut. Die wollen nur alle keinen Sex mit mir. Was aber nicht an meiner Unattraktivität liegen kann. Ich finde mich nämlich schon attraktiv. Aber irgendwie geht das wegen meines Images unter…

Was Samy betrifft… soll er in den Spiegel gucken, dann weiß er, was zum weglaufen ist…

Ehe ich so etwas in der Art sagen kann, um ihn den Wind aus den Segeln zu nehmen, ziehen sie aber schon weiter.

Wütend sehe ich ihnen nach. Wütend auf sie, weil sie mich so bloß stellen mussten. Aber vor allem wütend auf mich selbst, weil ich mich nicht gewehrt habe!
 

Mathe versaue ich komplett, weil ich in Gedanken noch beim Geschehen in der Pause bin. Wie konnten sie nur solch einen Idioten aus mir machen? Wie konnte ich nur solch einen Idioten aus mir machen?

Ich glaube, dass ist die erste Arbeit, in der ich eine schlechte Note kassieren werde. Vielleicht gelte ich dann wenigstens nicht als Streber…

Aber es kommt ja noch schlimmer. Denn nach der Doppelstunde Mathe erwartet mich das Schlimmste aller Grauen: Sportunterricht.

Wenn ich an Sport denke, bekomme ich immer ganz zwiespältige Gedanken. Zum einen freue ich mich wahnsinnig, denn wir haben zusammen mit Mischas Klasse Sport, wie ich glaube ich schon mal erwähnt habe. Das heißt, ich erlebe ihn zwei Stunden aus der Nähe und habe auch noch das Bild von ihm vor Augen, wenn er sich sein verschwitztes Shirt auszieht.

Zum anderen bin ich eine totale Niete in Sport und blamiere mich immer, was Criss und Samy des Öfteren einen Spruch ablockt.

Deswegen laufe ich auch nicht wirklich begeistert in Richtung Sporthalle und als ich die Umkleide betrete, habe ich mir schon fünf Ausreden einfallen lassen, um auf der Bank sitzen zu dürfen. Nutzen werde ich sicher keine einzige davon, weil ich viel zu ehrlich für solche Lügenstorys bin.

Also quäle ich mich wenig später mit Hochsprung herum und reiße von meinen fünf Sprüngen vier Mal die Stange mit nach unten. Nur die erste Höhe schaffe ich. Aber wie hat sich mein Sportlehrer ausgedrückt: Die hätte auch ein Erstklässer geschafft.

„Hältst dich für clever, kannst aber nicht mal einen Meter hoch hüpfen,“ meint Criss, als wir schon am abräumen sind.

Ich ignoriere ihn. Ich habe immer noch die Hoffnung, wenn ich ihn nur lange genug ignoriere, dann wird er mich irgendwann in Ruhe lassen. Aber mein Desinteresse an seinen Attacken führt nicht zu Desinteresse seinerseits. Stattdessen scheint er mich wohl provozieren zu wollen, bis ich irgendwann mal darauf reagiere. Ich wünschte, ich könnte mit einem Wutanfall reagieren. So, wie ich mich kenne, wird es eher ein Heulanfall…

Irgendwann meint unser Lehrer, wir sollen uns umziehen gehen, den Rest räumt er alleine auf. Ich weigere mich aber, zu den anderen in die Umkleide zu gehen. Ich weiß genau, dass es dann nur Sprüche hageln wird.

Also sage ich ihm, ich hätte eh noch Zeit und biete meine Hilfe an, die er auch annimmt. So komme ich erst in die Umkleide, als fast alle schon fertig sind.

In den Duschen ist niemand mehr. Was mich ehrlich gesagt freut. Wenn man schwul, aber nicht geoutet ist, dann ist es immer komisch, mit so vielen nackten Jungs in einer Dusche. Man will nicht gucken, guckt aber trotzdem und hat letztlich Angst, dass es wem auffallen könnte, dass man guckt…

Wobei ich eh nur Mischa anstarren würde. Aber auch das würde auffallen. Wahrscheinlich noch mehr, als wenn ich ab und an zu wem anderes blicken würde.

So kann ich also nun in Ruhe duschen und bin gerade dabei, mir den Schaum vom Körper zu spülen, als die Türe aufgerissen wird.

Ich wirble erschrocken herum und blicke direkt in Mischas Gesicht. Sofort steigt mir die Schamesröte ins Gesicht. Vor allem, als sein Blick interessiert an mir auf und ab wandert, ehe er knapp meint: „Hab mein Duschgel vergessen,“ und sich abwendet.

Ich schlucke schwer und starre auf seinen Rücken. Mich zu bewegen, traue ich mich irgendwie nicht.

Als er geht, drehe ich den Duschstrahl ab, wickle mich in ein Handtuch und folge ihm aus der Umkleide.

Ein wenig enttäuscht bin ich. Da stehe ich so nackt vor ihm und er wendet sich gleich ab. Nicht, dass er gleich hätte über mich herfallen müssen… aber irgendwie hätte er das doch schon machen können…

Überraschender Weise ist er noch in der Umkleide, als ich in jene trete. Einen aberwitzigen Moment glaube ich, er hat auf mich gewartet, und mein Herz schlägt plötzlich wie verrückt. Dann aber blickt er zu mir und meint: „Irgendein Trottel hat uns eingesperrt.“

Verwirrt sehe ich ihn an und meine dann langsam: „Was?!“

„Wir sind eingesperrt, du Genie!“ Er rüttelt demonstrativ an der Türe. „Scheint, der Angemüller hat gedacht, wir sind schon weg und alles dicht gemacht.“

„Oh…“, mache ich lahm und beschließe, dass ich mich erst Mal anziehen muss, ehe ich logisch denken kann. So halbnackt, nur mit Handtuch bedeckt vor Mischa… geht gar nicht!

Erst als ich angezogen bin, meine ich zu ihm, der er mich ungeduldig beobachtet hat: „Wir könnten im Sekretariat anrufen und ihnen sagen, dass wir noch hier sind.“

Um meine Worte zu bekräftigen, suche ich mein Handy und rufe eben dort an. Es klingelt einmal, zweimal, dreimal… zehnmal… dann gebe ich auf.

„Keiner mehr dort… Hast du die Nummer des Hausmeisters?“, frage ich Mischa, der mich nur irritiert ansieht: „Sollte ich die haben?“

Damit hat sich der Plan von selbst erledigt und so langsam wird mir bewusst, in welcher Situation ich mich befinde: Ich bin in der Sporthalle eingesperrt. Mit Mischa, den ich abgöttisch liebe. Ganz alleine. Und es gibt gerade niemanden, den wir bitten können, uns herauszuholen.

„Du könntest einen deiner Freunde anrufen und ihn bitten, zum Hausmeister zu laufen und ihm zu sagen, dass wir noch hier sind,“ kommt mir dann die rettende Idee, die von Mischa mit einem „Geht nicht,“ abgetan wird.

Ich sehe ihn fragend. „Warum nicht?“

„Hab mein Handy zu Hause liegen lassen.“

Ich reiche ihm meines bereitwillig, aber er mustert mich nur, als käme ich vom Mars: „Weißt du, wie viele Leute ich kenne? Wüsste ich all deren Nummern aus dem Kopf, wäre ich Jesus.“

Darauf weiß ich nichts zu sagen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mir hätte denken können, dass er die Nummern nicht auswendig kennt.

„Ruf doch einfach einen deiner Freunde an,“ schlägt er mir nun vor und ich beiße mir auf die Lippen.

„Hätte ich so was,“ nuschle ich leise und hoffe, dass er es nicht hört. Tut er aber doch. Widererwarten zieht er nicht spöttisch eine Braue hoch, sondern meint nur: „Was ist mit deinen Eltern?“

„Die arbeiten. Da erreiche ich sie nicht. Erst wieder ab Sieben.“ Ich blicke auf die Uhr. Noch zwei Stunden bis dahin. Aushaltbar, wäre da nicht die Tatsache, dass der Akku meine Handys jetzt schon fast schlaff macht.

Ich sehe zu Mischa: „Kannst du deine anrufen.“

Schon wieder schüttelt er den Kopf, diesmal aber mehr als nur bekräftigend. Ich runzle die Stirn, was ihn zu einer Erklärung nötigt: „Die kann ich nicht anrufen. Mein Alter tickt aus. Ich hab ihm gesagt, dass ich bei Criss schlafe. Wenn ich ihm sage, ich bin hier eingesperrt, dann wird er sofort fragen, ob das Criss nicht aufgefallen ist… weißt du…“

Er sieht mich an, als wäre das total logisch, was er da so erzählt, aber ich verstehe nur Bahnhof.

„Warum erzählst du ihm so was?“

„Weil ich auf ein Konzert will, dass heute Abend steigt… und er es mir verboten hat.“

„Dann sag ihm einfach, dass du dich um entschieden hast und doch nicht zu Criss wolltest.“

Für mich ist das Problem damit gelöst, weshalb ich ihm das Handy hinhalte. Er aber macht keine Anstalten, es zu nehmen. „Bist du schwer von Begriff? Dann muss ich ja mit nach Hause und dann kann ich das Konzert vergessen!“

So langsam verliere ich die Geduld. Ich hätte nie gedacht, dass das passieren könnte. Und dann auch noch vor ihm… wegen ihm…

„Und wenn du ihn nicht anrufst, verpasst du es, weil wir hier feststecken!“, fauche ich.

„Dafür kriege ich keinen Ärger!“

Ich ziehe scharf die Luft ein und dann ist es so weit. Ich fauche: „Und ich soll jetzt hier versauern, weil du keinen Ärger willst?“

Als er auch noch treudoof nickt, wird es mir zu blöd und ich ziehe ab. Ich trete in den langen schmalen Flur, der zur eigentlichen Halle führt und betrete diese. Kurz glaube ich, mich hier kurz abreagieren zu können, aber so leicht macht Mischa es mir nicht. Stattdessen folgt er mir.

„Wir können doch später deine Eltern anrufen und dann…. Holen die uns schon raus,“ meint er versöhnlich und weil ich kein Gegenargument finde, stimme ich zu.

Meine Wut ist schon wieder verfolgen.

Danach breitet sich eine seltsame Stille zwischen uns aus und mir wird mal wieder deutlich bewusst, dass ich gerade alleine mit Mischa bin. Die Gelegenheit… die ich nicht nutze. Stattdessen schweige ich und er schweigt auch, bis er irgendwann vorschlägt, eine große Matte auf den Boden zu werfen, damit wir es bequemer haben.

Gesagt, getan. Wenig später sitzen wir also auf der großen Matte und hoffen darauf, dass es Sieben Uhr wird.

Allerdings wird mir klar, dass wir so lange nicht warten können. „Mein Akku ist gleich leer… du musst deinen Vater anrufen.“

Ich blicke auf mein Handy, das schon alarmierend vibriert und werfe es Mischa zu. Er wirft es zurück. „Nein.“

„Es ist noch eine halbe Stunde bis Sieben… So lange schafft es der Akku nicht. Ruf deinen Dad an, sonst sitzen wir bis morgen hier.“

Er schüttelt den Kopf und meint: „Schalt es aus, dann hält der Akku vielleicht noch.“

„Mischa… RUF AN!“ Er zuckt zusammen, dann schaut er mich erstaunt an. Ich bin von meinem Befehlston selbst überrascht. Überhaupt bin ich überrascht, dass es mir gerade gelungen ist, die Stimme zu erheben. Muss an ihm liegen. Seine Gegenwart macht mich nervös.

Und ich bin schon wieder wütend. Auf ihn, weil er nicht anrufen will. Und auf mich, weil ein kleiner Teil in mir gerne die Nacht mit ihm hier verbringen möchte…

„Nein,“ kommt es ruhig zurück und ich sehe ihn fassungslos an. „Das kann nicht dein Ernst sein!“

Ich schnappe mein Handy, das schon wieder kläglich vibriert und klappe es auf. In dem Moment, in dem ich es ausschalten will, vibriert es nochmals und dann wird es schwarz. Sicher vergehen Minuten, in denen ich es nur anstarre. Dann, ganz langsam, drehe ich den Kopf zu Mischa: „Bist du jetzt zufrieden?“

Er zuckt mit den Schultern, steht auf und läuft zu dem kleinen Flur zurück. Weil ich nicht weiß, was tun, folge ich ihm. Eine Antwort oder Erklärung oder sonst was kriege ich nicht. Ich sehe ihm zu, wie er versucht, die Türe zum Büro – das auch als Lehrerumkleide dient – zu öffnen, und feststellen muss, dass es verschlossen ist.

„Mist. Da drin wäre ein Telefon…“

„Wie schön, für das Telefon, dass es da drin ist, wo wir nicht dran kommen…“

Wütend stapfe ich zurück in die Halle. Er folgt mir auf dem Fuße.

„Sei nicht sauer, ja Kev?“

Irritiert blicke ich zu ihm. Kev? Warum gibt er mir einen Spitznamen? Warum weiß er überhaupt, wie ich heiße?

„Deine Eltern werden doch merken, dass du fehlst und dann wird man dich suchen…“

Ich seufze… „Meine Eltern… merken sicher gar nicht, dass ich nicht da bin.“

Ich will auf die Sache nicht weiter eingehen, aber er blickt schon wieder fragend drein. Ich ignoriere den Blick. Er muss nicht wissen, dass die Ehe meiner Eltern eine Katastrophe ist und sie sich aus dem Weg gehen – und ich dabei untergehe. So sehr, dass nicht mal gute Noten helfen, um sie auf mich aufmerksam zu machen.

„Das tut mir Leid.“ Ich sehe zu Mischa. Offenbar habe ich laut gedacht. Super…

„Das heißt dann, wir kommen hier nicht so schnell weg?“, fragt er dann und besitzt sogar noch die Dreistigkeit zu sagen: „Dann verpass ich aber das Konzert.“

Und dann explodiere ich wieder: „DANN HÄTTEST DU EBEN DEINEN VATER ANGERUFEN, ALS ICH ES DIR GESAGT HABE!“

Er blickt unbeeindruckt drein und wirft sich wieder auf die Matratze. Ich tue es ihm gleich, drehe ihm aber den Rücken zu. Dann schweigen wir fast zwei Stunden. Zwei Stunden, in denen meine Wut über uns hängt und den Raum und die Stimmung vergiftet.

Ich erwarte eine Entschuldigung. Auch, wenn ich bereit bin, ihm sofort zu verzeihen, wenn er ‚sorry’ sagen würde. Aber zumindest entschuldigen sollte er sich. Was er aber nicht tut. Stattdessen ist alles, was er nach geraumer Zeit sagt: „Mir ist kalt.“

Ich grummle etwas für ihn sicher Unverständliches und ignoriere ihn so gut wie möglich. „Glaubst du, hier gibt es Decken?“

Als wenn es in einer Sporthalle Decken gäbe! Wobei… vielleicht gibt es in der scheiß Halle sogar irgendwo scheiß Decken… wenn nicht jeder scheiß Raum abgeschlossen wäre!!!

„Frierst du nicht?“, bohrt Mischa weiter. Vielleicht tut es ihm doch Leid und er bringt es nur nicht fertig, das zu sagen.

Jedenfalls merke ich plötzlich, dass er zaghaft ein wenig näher rutscht. Mein Herzschlag wird sofort wahnsinnig schnell.

Damit er nicht noch näher kommt, ziehe ich meine Jacke aus und werfe sie nach ihm. Perplex sieht er mich an. Das kann ich sehen, weil ich zu ihm blicke, um seine Reaktion zu beäugen.

„Ist dir dann nicht kalt?“, fragt er leise, kuschelt sich aber bereits in die Jacke.

„Nicht sehr,“ wehre ich ab. Nicht genug für ihn. Er rutscht näher und ich merke, wie sich sein Körper an mich drückt. Plötzlich ist einer seiner Arme um mich gelegt und ich schlucke hörbar laut.

„Dann ist uns beiden nicht kalt,“ meint er aber nur und scheint wirklich keine anderen Absichten dahinter zu verbergen. Davon gehe ich zumindest aus, als er eingeschlafen ist. Ich blicke auf meine Uhr. Gerade mal halb neun durch. Er muss ja wirklich müde sein. Oder er hat keinen Bock, sich noch länger mit mir Langweiler herum zu ärgern. Sicherlich Letzteres.

Mit diesen depressiven Gedanken versuche ich ebenfalls einzuschlafen. Leider aber geht es nicht. Erstens bin ich noch kein bisschen müde, zweitens ist er viel zu nah, um auch nur an Schlafen zu denken. So wütend ich eben noch war… seine Nähe ist so berauschend, dass ich ihn nur noch anbeten kann.

Ich warte eine halbe Stunde, dann halte ich es nicht mehr aus und drehe mich, blicke ihn nun direkt an.

Er sieht so schön aus. So friedlich und entspannt und zufrieden. Angesichts unserer Situation vielleicht nicht ganz so passend.

Sanft streiche ich ihm eine Strähne hinters Ohr und würde ihn am liebsten küssen. Aber das traue ich mich nicht. Wäre ja auch unfair, wo er sich doch gar nicht mehren könnte.

Aber über seine Wange streichle ich sanft und ohne schlechtes Gewissen. Seine Haut ist ganz weich. Ein wenig muss ich lächeln. Welche abstrakte Situation. Und ausgerechnet so etwas bringt mich ihm näher!

Ich merke erst, dass er wach ist, als seine Hand plötzlich auf meiner liegt, die noch immer verträumt über seine Wange streichelt. Ich zucke fürchterlich zusammen, reiße die Augen auf und blicke ihn entsetzt an. Ich merke, wie ich knallrot anlaufe. Zum Glück ist es mittlerweile so dunkel, dass er das nicht mehr sehen kann.

Leider weiß ich so auch nicht, ob er grinst oder angewidert das Gesicht verzieht. Ich tippe auf Letzteres, aber es muss ersteres sein, denn plötzlich streicht sein Daumen sanft über meine Hand.

„Du bist also schwul.“ Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung. Ich nicke, bis mir einfällt, dass er das sicher nicht sehen kann. Also brumme ich zustimmend.

„Hätte ich nicht gedacht.“

Was soll ich darauf sagen? Das ich es auch nicht an die große Glocke hänge? Sicher hält er mich für feige, weil ich mich noch nicht geoutet habe.

„Na ja… in deiner Situation hätte ich es wohl auch nicht herausposaunt,“ meint er dann aber überraschender Weise selbst und lächelt schon wieder, ehe er sich plötzlich aufrichtet. Ich sehe ihn an – zumindest seinen Schemen.

Das er sich zu mir beugt, spüre ich ebenfalls mehr, als dass ich es mit den Augen erkennen kann. Sein heißer Atem streift über meine Wange, als er mir ins Ohr flüstert: „Und du willst mich?“

Und oh Gott ja! Ich will ihn! So sehr.

Niemals hätte ich gedacht, ich könnte nur Sex mit ihm haben und auf alles andere verzichten. Doch jetzt, in dieser Situation, wird mir klar, dass ich alles tun lassen würde, um ihn nur eine Sekunde lang mein nennen zu können. Ihn nur eine Sekunde lang besitzen zu können.

Ich möchte ihn reinigen, von all den Typen, die ihn je genommen haben. Möchte ihn eine Sekunde lang Unschuld schenken, die er schon lange nicht mehr hat, seitdem er mit Typen geschlafen hat, die ihn nicht lieben, nur seinen Körper wollen.

Dabei weiß ich nicht mal, ob sie alle ihn nicht geliebt haben. Aber was ich sicher weiß ist, dass ich ihn liebe. So sehr liebe, dass es weh tut. Seit zwei Jahren. Ich kann nicht länger warten. Ich will nicht länger warten.

„Ja…“, hauche ich leiser, „Ja, ich will dich.“

„Dann nimm mich,“ flüstert er zurück und mehr braucht es nicht, als diese klare Aufforderung, dass ich mich auf ihn stürze, ihn zu Boden drücken und ihm so stürmisch meine Lippen aufpresse, dass er schon alleine davon stöhnt.

Er spreizt die Beine, so dass ich dazwischen passen und mich näher an ihn drücken kann. Am liebsten würde ich ihn verschlingen. Vor allem, als seine Zunge sich zwischen meine Lippen schiebt, auf meine trifft. Sie beginnt ein Spiel mit dieser und sein Hand drückt gegen meinen Nacken, um mich noch näher zu sich zu ziehen. Ich erwidere jedes Stupsen seiner Zunge, während meine Hände auf Wanderschaft gehen, an seinen Seiten hinab streichen, bis zu seinem festen Po. Seine andere Hand streift über meinen Rücken, nicht langsam, sonder fahrig, fordernd.

Er scheint nicht lange warten zu wollen. Aber ich, ich möchte, dass wir es langsam angehen lassen. Nicht nur, weil es mein erstes Mal ist, sondern weil ich will, dass es bei uns anders läuft, als sonst, wenn er Sex hat.

Deshalb ziehe ich meine Hände zurück und streiche mit einer nur andächtig an seiner Seite auf und ab, während ich die andere dazu nutze, seine Wange zu streicheln. Ich löse unseren Kuss und beginne, nur sachte seine Lippen zu bearbeiten. Sauge erst an der Ober-, dann an der Unterlippe und knabbere dann an dieser.

Nun werden auch seine Hände ruhiger. Er streichelt sanft von meinem Rücken zu meinem Po und wieder nach oben. Ich lächle in den Kuss und löse mich erneut, diesmal aber, um an seinem Hals fort zu fahren. Sanft küsse ich mich daran entlang, bis zu seinem Schlüsselbein. Erst, als meine Lippen auf Stoff treffen, komme ich auf die Idee, ihn von seinem Pulli zu befreien. Das tue ich auch und bei der Gelegenheit ziehe ich mir auch meinen Pulli über den Kopf.

Als ich mich wieder über ihn beuge, spüre ich seinen nackten Oberkörper an meinen reiben, vor allem, als er sich aufrichtet, mit entgegen kommt. Seine Hände streichen weiter über meinen Rücken. Nur über meinen Rücken. Die wilde Begierde ist aus ihm gewichen, nun habe ich die gesamte Kontrolle.

Diese nutze ich, um mich andächtig an seiner Brust entlang zu küssen und seinen Bauchnabel mit meiner Zunge zu liebkosen. Er stöhnte leise und seine Hand streicht sanft durch mein Haar.

Ich richte mich ganz auf, ziehe ihn zu mir, so dass er nun auf meinen Schoß sitzt und ich wieder seinen Hals bearbeiten kann.

Meine Hände wandern an seinem Rücken entlang, bis sie wieder seinen Hintern treffen und endlich erlaube ich mir, dieses zu massieren, durch die Jeans hindurch.

Er lehnt sich ein Stück nach hinten, so dass unsere Körper sich nicht mehr richtig berühren, ich aber Platz habe, seine Hose zu öffnen, was ich auch tue – ohne dabei unseren sanften, gemächlichen Kuss zu unterbrechen.

Um mir zu ermöglichen, ihn die Jeans von den Beinen zu ziehen, lässt er sich ganz nach hinten fallen. Als er nur noch in Shorts vor mir liegt, öffne ich meine Jeans und zerre sie mir unbeholfen von den Beinen.

Letztlich sind wir beide nur noch in Shorts, aber ich bin nicht gewillt, so schnell noch mehr Stoff zu verlieren.

Stattdessen beuge ich mich zu ihm und schnappe nach seinen Lippen, liebkose diese sanft und streiche zärtlich über seine Wange.

Meine Hand landet an seinem Oberschenkel und ich streiche gemächlich darüber. Seine Hände umfassen meine Arme, krallen sich in diese, als ich meine Finger sanft über sein Glied streifen lasse, dass ich hart unter seinen Shorts ertasten kann.

Ich lasse die Hand an seinem Oberschenkel liegen, erlaube aber meinen Daumen, über die Beule in seiner Unterhose zu streichen. Daraufhin löst er den Kuss und vergräbt sein Gesicht an meiner Schulter, was ich dazu nutze, an seinem Hals zu saugen.

Er schmiegt sich an mich und ich löse mich doch wieder von seiner Erregung, schlinge die Arme um ihn und ziehe ihn näher, küsse seinen Hals, seine Schulter, und dann wieder nach oben, bis mein Mund wieder auf seine Lippen trifft.

Seine Hände umfassen mein Gesicht, ziehen mich näher und seine Zunge dringt wieder in meinem Mund. Diesmal aber zärtlich, neckisch… nicht mehr so wild und hemmungslos, wie zuvor.

Da ich die Hände frei habe, lege ich sie an seine Hüften und streiche mit dem Daumen sanft über seine Leiste.

Ich drücke ihn nach hinten, beuge mich wieder über ihn. Das er lächelt, merke ich erst, als ich ihn wieder küsse. Sehen kann ich ihn kaum.

Endlich traue ich mich, meine Hand in seine Shorts gleiten zu lassen und umfasse ihn sanft.

Seine Hände streichen über meinen Po und zupfen pikiert an meinen Shorts. Er gibt erst Ruhe, als ich sie ausgezogen habe und seine Hand fordernd über meinen Penis gleiten kann.

Ich keuche auf und ziehe ihm auch seine Shorts aus.

Nun sind wir nackt und ich werde unsicher, was ich nun tun soll.

Deshalb gehe ich es langsam an, dringe ganz vorsichtig in ihn ein.

Sein herrliches, entzückendes Keuchen erfüllt den Raum. Und dazu gesellt sich meines.

Es ist ein unglaubliches Gefühl, in ihm zu sein. Ich stoße mich langsam in ihn, werde aber mit der Zeit schneller.

Solange, bis er irgendwann kommt. Seine Muskeln ziehen sich zusammen, er schreit leise auf – und um mich ist es geschehen. Ich komme selbst mit einem heißeren Schrei in ihm.
 

Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist es noch nicht einmal richtig hell. Ich blicke auf die große Uhr in der Sporthalle. Erst Sechs Uhr. Es wird noch mindestens bis Sieben dauern, ehe der Hausmeister wach ist und uns befreien kann.

Uns.

Ich blicke zu Mischa, der nackt neben mir liegt, an mich geschmiegt und noch schlafend.

Ich lächle sanft, aber traurig. Das war es wohl jetzt. Eine heiße Nacht, die besser war als alles, was ich je erlebt habe… aber auch nur eine heiße Nacht bleiben wird. Nicht mehr, wie ich es mir in meinen romantischsten Träumen ausgemalt habe.

Ich sehe ihn an. Wehmütig.

Bin ich jetzt nur eine seiner Eroberungen?

Als hätte er meine Gedanken gehört, öffnet er die Augen und lächelt, als er mich erkennt. „Morgen,“ meint er und richtet sich tatsächlich auf, um mich zu küssen.

Ob er das mit allen macht, mit denen er gevögelt hat?

„Morgen,“ nuschle ich leise. Er checkt die Uhrzeit und nickt. Meine Stimmung scheint er gar nicht zu bemerken, oder er blendet sie erfolgreich aus.

Natürlich tut er das. Ich bin sicher nicht der erste Kerl, der jammert, weil ihm nur eine Nacht mit Mischa vergönnt war.

Irgendwann blickt er wieder zu mir und grinst: „Criss und Samy werden Augen machen.“

Ich denke zuerst, er meint unser Abenteuer hier und meine: „Die werden dich auslachen, weil du mit mir eingesperrt warst.“

Er sieht mich irrtiert an, dann lacht er. „Nicht, dass du Dummerchen. Das mit uns!“

Verwirrt sehe ich ihn an. Dann macht es klick! Er will es ihnen also erzählen. Das wir Sex – überwältigenden Sex – hatten. War ja eigentlich klar… Er erzählt ihnen immer, wann und mit wem er Sex hatte.

„Da werden sie dich erst Recht auslachen,“ brumme ich verstimmt. Ich mag nicht von den Beiden reden. Schon gar nicht in dem Zusammenhang. Wenn sie das wissen… Keine Ahnung, wie mein Leben dann weitergehen wird. Dann bin ich ja erst Recht die Lachnummer. Einer von Mischas Tausenden. Abgesehen davon, dass es auch noch ein unfreiwilliges Outing bedeuten würde.

„Hör mal… dann wissen sie, dass ich schwul bin und-“ Er lässt mich nicht ausreden, sonst meint nur: „Ich werde es aber nicht geheim halten!“

Er sieht nahezu empört aus. Als wäre es eine Schande, geheim zu halten, mit wem man Sex hatte.

„Sie werden dich auslachen, mich auslachen… Sie-“ Wieder darf ich meinen Satz nicht beenden.

„Ich werde ihnen nicht erlauben, meinen Freund auszulachen,“ faucht er bestimmt und rollt sich auf mich.

Die Worte zu verarbeiten kostet mich ziemlich viel Mühe, weil ich sie gar nicht einordnen kann.

„Freund?“, echoe ich hingegen perplex.

Er sieht mich an und küsst mich dann plötzlich freudestrahlend. „Du hast gesagt du liebst mich. Also bin ich jetzt dein. Oder willst du mich nicht?“

Ich bin so überwältigt und ungläubig, dass ich erst gar nichts sagen kann. Dann, ganz langsam, meine ich: „Doch… klar… klar!“

Er scheint nicht überzeugt. „Warum hast du so gezögert?“, will er wissen und klingt fast schon enttäuscht.

Ich möchte nicht, dass er so klingt. Das er es so falsch versteht.

„Ich dachte nur, du bist nicht der Typ für feste Beziehungen…“, gestehe ich. Daraufhin verzieht er zu meiner Überraschung das Gesicht zu einem freudlosen, fast schon zynischen Lächeln.

„Das denken alle. Das ich nur eine kleine Schlampe bin, jemand, der jeden ranlässt und unfähig für Beziehungen ist. Aber das stimmt nicht.“

Er sieht mich eindringlich an. „Die Wahrheit ist, dass ich auch nur jemanden suche, der mich liebt. Aber offenbar liebt jeder immer nur meinen Körper und macht die tollsten Versprechen, bis er hatte, was er wollte: Sex. Und dann… dann sind sie morgens meistens schon weg, ehe ich überhaupt die Augen geöffnet habe…“

Plötzlich sieht er sehr traurig aus und fast kann ich es mir vorstellen. Er, der nur die große Liebe sucht und ständig verarscht wird, weil alle ihn nur als Fickmatratze ansehen.

Fast… Aber…

„Aber du prahlst doch immer, wen du abgeschleppt hast und…“

„Natürlich! Oder würdest du gerne zugeben, mal wieder abserviert worden zu sein? Nur leider hat sich dadurch dieser Ruf aufgebaut, ich bin nur für eine Nacht gut und – Peng! – kommen wieder nur Typen zu mir, die Sex wollen!“

Er ist jetzt ganz aufgebracht und plötzlich glaube ich ihm. Vor allem, weil er auf einmal sehr verletzt drein blickt und sich dann hoffnungsvoll an mich wendet: „Du hast gestern gesagt, du liebst mich. Hast du da gelogen?“

Ich schüttle sofort den Kopf. „Nein.“

„Dann bleib bei mir.“

Ich nicke und kann mein Glück kaum fassen. Er will mich! Mich!

„Bist du sicher, dass du auch mich lieben kannst?“, frage ich ihn und er nickt sofort: „Wenn du mich liebst, dann werde ich dich auch lieben. Schon alleine, weil ich mich bei keinem bisher so begehrenswert und glücklich gefühlt habe, wie bei dir.“

Und in seinem Blick ist eine solche Überzeugung und Zuneigung, dass ich ihm sofort glauben.

Ich schlinge die Arme um ihn, ziehe ihn an mich. Er ist jetzt meines. Wie in meinem Träumen. Vielleicht nicht ganz so kitschig und romantisch… aber er ist meines.

„Wir sollten uns anziehen und zur Türe gehen, damit wir hören, wenn jemand kommt,“ schlägt er einige Zeit später vor und ich nicke und bin kaum gewillt, ihn gehen zu lassen. Aber ich muss, wenn ich aus dieser scheiße Halle irgendwann mal noch rauskommen möchte.
 

„Wo warst du gestern?“

Criss sieht Mischa an. Wir haben Pause und ich bin auf dem Weg zu meinem Freund, der leider schon von Criss und Samy gefunden worden ist.

Ich bin nah genug, um ihre Worte zu verstehen. So höre ich auch, wie Mischa ihnen erzählt, dass er mit mir in der Turnhalle eingesperrt war.

„Mit Streberli?“, fragt Samy belustigt und ich warte gespannt auf Mischas Reaktion. Glücklicherweise sieht er Samy tadelnd an und meint: „Hör auf, so zu reden.“

Ehe Samy etwas sagen kann, trete ich zu ihnen.

„Was willst du denn hier?“, fragt Criss und ich nehme all mein neu gewonnenes Selbstbewusstsein zusammen und schmettere ihm entgegen: „Die Pause mit meinem Freund verbringen!“

Ich lächle Mischa an und er lächelt zurück, und über unser Lächeln hinweg hören wir kaum, wie Criss verwirrt „Freund?“ fragt.

Ich trete an Mischa heran, beuge mich nach unten und küsse ihn. Sofort schlingen sich seine Arme um meinen Hals. Neben uns zieht Samy scharf die Luft ein und Criss murmelt: „Alter…“

Ich grinse. Und ich glaube, zum ersten Mal stört mich die Gegenwart der Beiden nicht. Ich genieße sie richtig. Sie und ihr Erstaunen, ihren Unglauben. Und vor allem genieße ich es, Mischa bei mir zu haben. Ich habe mich immer gefragt, wie es schaffen könnte, mir den Emo zu angeln. Jetzt weiß ich, dass es eigentlich ganz einfach ist: Man angelt ihn sich, in dem man ihn liebt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Loona_Strange
2012-01-01T22:50:45+00:00 01.01.2012 23:50
aww das ist so süüüß
tja ich weiß schreibich dauernd aber ist es ja auch
das ist einfach zu niedlich wie sich kev nach mischa verzehrt
nja ich hoffe du machst noch öfter solch kleine storys die so genial sind

glg lost_angel


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