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Ein Kuss aus Salz

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von

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Ein Kuss aus Salz

Eine Art Sequel zu „Die tausend Kirschbäume von Yoshitsune“, muss zum besseren Verständnis aber nicht gelesen werden – es liegen immerhin gut 400 Jahre dazwischen.
 

Sprichst du von mir,

So meinst du dich,

Der Weg zu dir

Führt über mich.

(Samsas Traum, „Zähne in der Hand“)
 

Itachi stieg auf den Beifahrersitz des Taxis, schwieg, blinzelte. Sein Magen drehte sich um und versetzte ihn in Übelkeit – das war nicht der Fahrer, den er bestellt hatte. Und damit ruinierte es ihm alles.

Der Motor brummte leise, sobald die Tür geschlossen war, und der Wagen rollte ohne Blinken aus der Parkbucht. Ein scharfes Bimmeln wies darauf hin, dass Itachi nicht angeschnallt war. Er kam der Aufforderung verlangsamt nach, während er auf die Straße starrte und sein Mund sich staubtrocken anfühlte. Das war eine Katastrophe; sicherlich hätte das niemand sonst so bezeichnet, nur weil eine Taxigesellschaft mal nicht den persönlichen Wünschen nachgekommen war.

Aber Itachi hatte vor, in einer Dreiviertelstunde zu sterben.

Er dachte blitzschnell, während er tief durchatmete, um sich zu beruhigen. Itachi hatte nie zu der besonders nervösen Sorte Mensch gehört, deshalb legte sich die Übelkeit. Der trockene Mund blieb freilich, und Itachi räusperte sich leise.

„Schalten Sie bitte das Radio aus.“

Der Fahrer grunzte kurz und rammte seinen Handteller auf einen runden Drehknopf an der Anlage, woraufhin die trägen Klänge einer elektronischen Ballade verstummten. Es war Viertel nach eins in der Nacht, und das Radioprogramm schien bestrebt zu sein, jeden Zuhörer einzulullen.

Itachi wandte den Kopf. Das Taxi war warm und roch leicht nach Zigaretten und etwas Anderem, worauf er, der zeitlebens in einer Großstadt gelebt hatte, nicht gleich den Finger legen konnte. Etwas Erdiges.

„Sie sind nicht Tanaka“, stellte Itachi fest. Der Wagen ruckte, als das Taxi abrupt vor einer roten Ampel hielt, und durch den Schub wirkte es, als nicke der Fahrer bestätigend. „Doch, bin ich“, erwiderte er, und der Motor quäkte leise, sobald das Auto anfuhr. Itachi wurde wieder in den Sitz gedrückt.

Wie hatte er in seiner komplizierten Planung diesen elementaren Fehler machen können? Es war lächerlich. ‚Tanaka‘ war ein gängiger Name in Japan, mit der Häufigste überhaupt. Gut möglich, dass eine Taxigesellschaft mehr als einen Mitarbeiter dieses Namens beschäftigte, und Itachi kannte den Vornamen nicht, das war viel zu privat.

Jetzt musste er versuchen, die Bruchstellen zu kitten.

„Was ist mit dem alten Tanaka passiert?“

Das Taxi bretterte über eine Kreuzung. Der Innenraum war dunkel, nur die Bordanzeigen verbreiteten Licht. Die Rückbank wurde durch eine dämmrige Lampe erhellt, doch die reichte nicht bis hierher. Normalerweise nahmen Fahrgäste schließlich dort hinten Platz, und Itachi hatte den fatalen Irrtum erst beim Einsteigen entdeckt.

„War vor ein paar Wochen in Tokio“, brummte der Fahrer, seine Stimme hatte etwas Klangvolles und gleichzeitig Desinteressiertes.

Itachi fragte nicht nach. Wenn der Mann in Tokio gewesen war, hatte ihn das Erdbeben dort erwischt, das hieß, er war nicht nur nicht hier, sondern im schlimmsten Fall tot. Und selbst wenn er noch lebte, würde man ihn nicht mit dieser Nacht in Verbindung bringen. Damit fiel das letzte Glied einer sorgsam aufgefädelten Kette weg, und Itachi konnte nichts dagegen tun.

Fieberhaft starrte er auf die glatt geputzte Armatur des Taxis, als es in einen Tunnel eintauchte. Steriles Neonlicht hüllte den Wagen ein und erhellte ihn, sodass Itachi besser sehen konnte.

Es war wie in einem Roman von Murakami – etwas Unbedeutendes passierte, und plötzlich öffnete sich die Wahrnehmung, man spürte eine Veränderung und sah bewusster. Itachi erkannte das Teakholzimitat der Armatur, die kleine Delle, die ein Cellokasten mal in die Stelle oberhalb einer Lüftung gedrückt hatte. Es war das Taxi, das er kannte, in dem er so umsichtig Vorbereitungsarbeit für sein Sterben geleistet hatte. Man hatte es einem anderen Fahrer gegeben, was nichts Gutes für den ursprünglichen Führer des Fahrzeugs ahnen ließ. Itachi musste umdisponieren. Er rechnete schnell; nachts war der Verkehr in Osaka ruhiger, aber noch lange nicht frei. Von dem Hotel aus, an dem Itachi eingestiegen war, würde es grob eine Dreiviertelstunde dauern, bis er den Zielort erreichte. Vielleicht noch mehr, eine ganze Stunde. Das reichte womöglich.

Itachis Blick wanderte von der Delle weiter nach rechts zum Fahrer. Seit das Radio verstummt war, war es eigentümlich still im Wagen, der Motor schnurrte gedämpft, und das Geräusch kam blechern hier an, verzerrt durch die Tunnelwände. Das Licht flackerte, weil sie an den Leuchtstäben vorbeirasten.

Der Fahrer sah nach oben. Das war eine ungewöhnliche Blickrichtung – ein Autofahrer sollte auf die Straße schauen oder auf den Tunnelausgang. Es ging schnurgerade voran, Itachi war nicht beunruhigt. Er wunderte sich lediglich, was es dort oben gab, da waren nur die Deckenlichter und ihr hektisches Blitzen, manchmal taghell, um auf Notausgänge hinzuweisen.

Der Mann starrte unverwandt. Er wirkte nicht fasziniert oder gebannt von dem Anblick dort oben, aber er schenkte der Tunneldecke seine gesamte Aufmerksamkeit. Das Neonlicht flitzte über sein Gesicht, das dadurch einen ungesunden Schimmer gewann, grünlich. Auf Itachis ohnehin blassem Teint wirkte es richtiggehend fahl.

Durch die Kopfhaltung war die Schirmmütze des Mannes nach hinten gerutscht, balancierte auf seinem Haar. Es war vorgeschrieben, diese Mützen zu tragen, und die meisten Männer trugen ihr Haar kurzgeschoren. Diesmal quoll helles Haar darunter hervor und verschwand im Kragen, wo der Fahrer es unter seine Kleidung gestopft hatte. Von der Rückbank aus hätte man es nicht gesehen.

Der Fahrer hatte sich zurückgelehnt und seine Daumen lose ins Lenkrad gehakt. Er trug dünne weiße Handschuhe wie die Männer, die Menschen in die U-Bahnen schoben. Auf Itachi wirkten sie allerdings eher wie Schutzhandschuhe, die die Haut vor dem Besitz eines Toten schützten.

Der Fahrer machte keine Konversation, er verließ sich in dieser Beziehung wohl auf das Radio. Die Heizung summte leise und reihte sich in die Musik der technischen Hintergrundgeräusche ein. Alle paar Sekunden zischte ein anderes Auto an ihnen vorbei.

„Hübsche Kette“, sagte der Fahrer, als hätte er Itachis Gedanken gehört. Wobei es erstaunlich war, dass er das Aufblitzen von silbrigem Schmuck unter Itachis Hemdkragen überhaupt bemerkt hatte – und wann.

„Ja.“ Itachi hängte keine Erklärung an, woher er sie hatte, und er bedankte sich auch nicht für das Kompliment. Ihm war nicht daran gelegen, Konversation zu machen, er musste nachdenken. Improvisieren. Itachi hasste Improvisation, er war kein flexibler Mensch.

„Sie wissen doch, wo Sie hinmüssen?“, versicherte er sich nüchtern, und der Fahrer löste seinen Blick erstmals von der Decke. Es konnte sein, weil sie im nächsten Moment den Tunnel verlassen würden; der Fahrer sah Itachi an. Im letzten Aufblitzen von Neonlicht blickten ihm Augen entgegen, die so blau waren wie ein Blauer Zwergkaiserfisch. Itachi kam das Aquarium voller wimmelnder bunter Leiber aus keinem besonderen Grund in den Sinn, aber es war das Blau, das ihn erfasste. Einen Sekundenbruchteil sah er diese dummen Fische, die sich ständig jagten, darin umherschwirren.

Dann war die dunkle Straße zurück und löschte das Bild.

„Natürlich, hm.“ Der Taxifahrer klang verärgert, und Itachi hatte das unerklärliche Gefühl, diese Situation vor sehr langer Zeit mal erlebt zu haben. Wie er darauf kam, wusste er nicht. Wahrscheinlich war er aufgewühlt, weil ihm noch keine Idee gekommen war, wie er sein Sterben planmäßig durchführen konnte.

Sein Sterben, nicht seinen tatsächlicher Tod.

Der Verkehr kam nach dem Tunnel ins Stocken, und Itachi korrigierte seinen Zeitplan. Dort drüben war eine Spur gesperrt, das würde eine Weile dauern. Er überlegte, aus dem Taxi auszusteigen und zu Fuß zu gehen. Das würde zu Ungereimtheiten führen, doch womöglich war das genau das, was er brauchte. Er musste nur aussteigen und über die Leitplanke klettern, die ungefähre Richtung kannte er.

Itachi spähte aus dem Fenster. In der Dunkelheit sah er ein paar Plakatwände und Beton. Vielleicht folgte er besser dem Straßenverlauf, auch wenn das unerwünschte Aufmerksamkeit auf ihn zog.

„Können Sie mich hier rauslassen?“

„Nein.“ Die Antwort kam schroff und wie aus der Pistole geschossen. Itachi war Autoritäten gewohnt und hätte fraglos gehorcht, wäre das nicht von einem Ausländer gekommen. Er war sich sicher, dass es einer war, in seinem Beruf begegnete er hin und wieder Ausländern. An den blauen Augen hätte er es sofort sehen müssen, doch er hatte nicht daran denken können.

Die Stimme jedenfalls hatte nichts Eingeschüchtertes, Stockendes, und ganz sicher nichts Unterwürfiges. Sie war eher zu scharf für einen Dienstleister.

„Dieser Stau wird noch dauern“, wandte Itachi ein, ohne sich beeindrucken zu lassen.

„Sagen Sie doch gleich, dass Sie’s eilig haben, hm.“

Der Wagen jaulte auf, als er mit den zwei Rädern der Beifahrerseite über den groben Kies der Baustelle ratterte. Itachis Magen machte einen unangenehmen Satz, als der Spiegel von einem Metallzaun eingeklappt wurde. Das gab sicherlich Kratzer im Lack. Tanaka – der echte Tanaka – wäre nie so mit seinem Taxi umgegangen. Hinter ihnen hupten wütende und vermutlich übermüdete Autofahrer, weil das Taxi sich an ihnen vorbeifädelte und in eine Ausfahrt schlüpfte, bevor es jemand aufhalten konnte.

Erst, als sie wieder ruhiges Fahrwasser erreicht hatten und Itachi den kurzen Schreck überwunden hatte, bemerkte er, dass das Radio wieder lief. Der Fahrer hatte auf den Knopf geklopft, während er einen Druckschalter betätigte, um Itachis Fenster herunterzukurbeln, damit dieser den Spiegel wieder ausklappte. Das Programm spielte jetzt Vocal, und Frank Sinatra sang leise vor sich hin. Er sang von New York.

Itachi konnte sich nicht konzentrieren. Nicht nur, dass der Taxifahrer ständig den Wagen demolierte und riskante Manöver fuhr, er bot auch alles an Ablenkung auf, was er hatte. Und soweit Itachi das beurteilen konnte, nicht mal absichtlich. Oder er glaubte, dass es sein Trinkgeld steigerte. Trinkgelder waren in Japan eigentlich verpönt, doch Ausländer waren allenthalben der Meinung, sich daran nicht halten zu müssen.

Für ein japanisches Radioprogramm war es auch eigenartig, amerikanische Musik zu spielen. Es wurde kein Sender angezeigt.

Der Fahrer sah schon wieder nach oben. Er gab nicht zu erkennen, ob er etwas bemerkte, als Itachi das Radio wieder abschaltete und sich gereizt zurücklehnte. Er hatte es eilig.

Itachi plante diese Nacht seit einem Dreivierteljahr. Dass sie kommen musste, wusste er schon, seit er siebzehn war, doch erst mit zweiunddreißig ergriff er konkrete Maßnahmen. Er manipulierte systematisch sein Umfeld, und das Glück spielte ihm in die Hände – das war ihm klar gewesen, als dieser freundliche, scheinbar watteweiche Mann sich über den Schreibtisch gelehnt hatte und Itachi in seinem verständnisvollsten Tonfall zugesprochen hatte. Sie stehen unter Druck. Wer würde das nicht, in Ihrer Situation? Sie brauchen etwas Zeit, vielleicht sollten Sie sich ganz aus dem Dienst zurückziehen. Niemand würde es verübeln.

Dieses stetige Vergleichen mit anderen Menschen hatte Itachi überdeutlich signalisiert, dass man ihn warnte.

Es musste diese Nacht sein, da bestand kein Zweifel. Itachi hatte dafür gesorgt, dass heute alle Fäden zusammenliefen, eine trügerische Pyramide des Leids. Er war sehr umsichtig dabei vorgegangen, als er sie konstruiert hatte – er hatte sogar eine unglückliche Liebe erstellt. Zu einer Frau, die ihn nicht kannte und er sie nicht, und das war auch gut so. Er hatte einen ganzen Nachmittag damit verbracht, im Internet zu surfen und Zeitschriften zu lesen, um eine weibliche Berühmtheit zu finden, die man später seinem Geschmack zurechnen würde. Eine Frau, die wichtig genug war, um sich nicht mit der Flut an öffentlichem Interesse beschäftigen zu können, das ihr zuteilwurde. Sie würde sich nicht schuldig fühlen, wenn sich jemand wegen ihr umbrachte, weil sie objektiv gar nicht daran beteiligt war. Itachi hatte nicht vor, anderen das Leben zu ruinieren, wenn er seines beendete.

Miseren dieser Art hatte er noch mehr, damit man zu dem Schluss kommen würde, dass er zu stark belastet gewesen war, um weiterzuleben. Eine säuberlich gelegte Spur, die es abwegig erscheinen ließ, dass Itachi nicht tot war, und die das Finden einer Leiche als überflüssige Trivialität abstempelte, denn es würde keine geben.

Auch das Gutachten des Psychologen, des Mannes, der ihn gewarnt hatte, gehörte dazu. Ein Schriftstück, das dringend empfahl, Itachi aus dem Polizeidienst zu entfernen, zumindest temporär, damit er sein inneres Gleichgewicht wiederherstellen konnte. Man verzichtete allerdings nicht gern auf einfache Streifenpolizisten, weil der Job nicht allzu beliebt war. Es würde also zu lange dauern.

Es gab bloß eines, was in diesem Gespinst echt war. Shisui war wirklich tot. Es war das Erste, was Itachi gewarnt hatte, doch er hatte nicht schnell genug reagiert, weil er nicht begriff, wie sein älterer Cousin so plötzlich weg sein konnte. Er hatte ihn gesucht, und lange zu suchen, ohne etwas zu finden, war frustrierend. Frustration war allerdings so alltäglich, dass man auf diesem Fundament besser nachdenken konnte und den Kummer irgendwann untergrub.

Und Itachi hatte festgestellt, dass er nicht sterben wollte. Der Sohn seiner Tante war tot, sein Cousin war tot, aber Shisui war tot. Es klaffte dieses Loch in seiner Familie, das sich nicht füllen ließ.

Und Itachi wusste nicht, ob er selbst mit seinem Sterben davonkommen würde.

Der Taxifahrer hielt wieder vor einer Ampel, diesmal weniger abrupt. Seine Finger huschten kurz über einen Regler, um die Heizung höher zu drehen und das Kondenswasser auf der Scheibe zu trocknen. Sie kamen Itachi irgendwie vertraut vor, und er streckte die Hand aus und hielt sie fest. Die Finger in dem weichen Baumwollstoff spannten sich kurz an; normalerweise ergriff man den Handteller und nicht die Finger.

Der Fahrer sah ihn an. Er schien das weder sonderlich peinlich noch überhaupt interessant zu finden. Er sah zumindest nicht mehr nach oben, Itachi erkannte den schwachen Abglanz auf seinem Haar. Durch das Rot wirkte es anders, nur die Augen blieben nach wie vor blau.

„So schlimm fahre ich nicht“, bemerkte der Mann trocken, obwohl er lächelte. Seine Lippen verzogen sich, und seine Finger lächelten ebenso – so albern es klang. Sie hatten sich entspannt, ohne jedoch mit ihrem ganzen Gewicht nach unten zu ziehen.

Dieser Taxifahrer würde nicht ahnen, was er vorhatte. Tanaka schon, Itachi hatte sorgfältig darauf hingearbeitet, ohne dabei etwas so Offensichtliches wie Tränenausbrüche oder stockende Monologe anzuwenden. Er hätte bestätigt, dass Itachi den Ort seines Sterbens mehrmals besucht hatte, in sich gekehrt gewirkt hatte, apathisch und unglücklich. Dass er am Friedhof gewesen war. Das Unangenehmste von allem, denn Shisui lag nicht dort, man hatte seine Asche zurück aufs Land überführt, und Itachi hatte sich zwischen den fremden Gräbern unwohl gefühlt. Als er nach Stunden ins Taxi zurückkehrte, hätte er fast gegrinst, weil das ganze Szenario so geheuchelt war.

Es glich einer Theatervorstellung, und keiner von der guten Sorte. Und wie sich herausstellte, war sie vergebens gewesen.

Itachi ließ wieder los, und weiße Fingerspitzen glitten in seinen Kragen. Es kribbelte leicht, und er protestierte nicht. Es kam ihm nicht in den Sinn – sie bewegten sich so sicher, dass man glauben konnte, sie hätten alles Recht dazu. Geschickt zogen sie die angewärmte Kette unter Itachis Hemd hervor und hielten sie hoch. Der Taxifahrer begutachtete sie, das Lächeln war immer noch da. Eine Andeutung weißer Zähne blitzte dort auf, als er eines der silbrigen Kettenglieder durch seine Fingerspitzen gleiten ließ.

„Ich sagte doch, hübsch“, meinte er leichthin und zog dann unvermittelt an der Kette. Sie umspannte Itachis Hals nicht so eng wie ein Halsband, aber lang war sie dennoch nicht, sodass er durch den Ruck mitgezogen wurde. Der Verschluss biss ihm leicht in den Nacken, und er packte das Handgelenk des Fahrers, um ihn aufzuhalten. Sein Herz machte einen kurzen Satz.

„Was soll das“, knurrte Itachi, es klang nicht wie eine Frage. Es war nicht das Verhalten eines Lebensmüden, aber er bezweifelte stark, dass dieser Ausländer den Unterschied erkannte. Wenn er später eine Andeutung fallen ließ, genügte das.

„Einer von uns muss die Ampel im Auge behalten.“

Die weiß behandschuhte Hand arbeitete sich an den Kettengliedern entlang und verschwand in Itachis Nacken, und das mit der Präzision einer Schlange. Itachi blickte zum Gesicht des Fahrers und versuchte, sich einen Reim darauf zu machen, doch im Dunkel des Wagens konnte er kaum etwas lesen. Nur die blauen Augen stachen eigentümlich aus dem überschatteten Antlitz heraus und betrachteten Itachi wie vorhin die Tunneldecke: ohne ein Anzeichen von Faszination oder Langeweile, lediglich mit voller Aufmerksamkeit.

„Die Ampel“, erinnerte der Fahrer amüsiert, seine Hand wanderte über die Wirbel zwischen den Ansätzen von Itachis Schultern. Scheinbar willkürlich drückten sie auf die Haut, nie besonders stark. Es fühlte sich angenehm an, eine viel zu intime Berührung für einen Fremden. Sie ließ ein leises Stechen unter Itachis Haut aufkommen, und einen Moment erlaubte er sich, in die Rolle des verzweifelten Streifenpolizisten zu verfallen, der hoffnungslos eine wunderschöne Schauspielerin anhimmelte und sich trösten ließ.

Zumindest ging er davon aus, dass es deshalb so einfach war.

Leicht benommen studierte er die Einzelheiten des Gesichts. Es war neu, so konzentriert angesehen zu werden. Itachi war ein durchschnittlich attraktiver Mann, kräftig und kein bisschen puppenhaft, obwohl seine Art, langsam zu blinzeln und die Augen wenig zu bewegen, daran erinnerten. Er war ordentlich, etwas Stechendes in seinem Blick warnte jeden, nicht zu nahe zu kommen.

Der stechende Blick war erblich. Itachis Bruder hatte ihn auch, und ihre Mutter entsann sich belustigt, dass auch ihr Gatte ihn hatte, weshalb ihre erste Verabredung furchtbar steif und holprig verlaufen war. Shisui hatte ihn auch gehabt, aber sein Grinsen hatte den Eindruck ständig ruiniert.

Der Fahrer schien davon nichts zu spüren – vielleicht war es zu dunkel dafür. Die behandschuhten Finger ließen die Kette keinen Moment los, wichen aber wissentlich aus. Es knisterte ganz leise, als sie über den Haaransatz fuhren, der sich unter Itachis schlichtem Zopf verbarg.

Es war schwer, richtig zu atmen. Itachi strengte sich an, genug Luft in seine Lungen zu bekommen, sein Hals fühlte sich grundlos eng an. Es konnte sein, dass er nun doch Angst vor dem bekam, was ihm bevorstand, aber einen Moment lang konnte er sich nicht mal erinnern, was das war. Es war herbstlich kalt draußen, dennoch kam es ihm hier warm und stickig vor.

„Es ist grün.“

Hinter ihnen hupte jemand ärgerlich. Der Taxifahrer lachte – ein erstaunlich tiefes, plätscherndes Lachen, fast professionell und zog seine Hand aus Itachis Nacken, ließ sie zwischen ihnen schweben und zeigte dem Fahrer hinter ihnen den Mittelfinger, bevor er anfuhr.

Itachi erinnerte sich daran, dass er zu sorglos gewirkt hatte. Hätte er die Fahrt über geschwiegen, wie er es vorgehabt hatte, wäre vermutlich ein ausreichend fatalistischer Eindruck entstanden, doch jetzt musste er das Schmierentheater fortführen, damit sein Fahrer die richtige Aussage aufgab. Er hatte beinahe Angst, dass er wieder das Verlangen haben würde zu grinsen, weil alles geheuchelt war.

Aber der Gedanke an Shisuis blutleeres Gesicht und sein eingedrücktes schwarzes Kraushaar, das nass an seinem Gesicht klebte, als man den Körper aus dem Yodo geborgen hatte, war ernüchternd genug. Weniger das Gefühl von Schmerz suchte Itachi heim, viel mehr die Gewissheit, dass etwas fehlte, dass etwas weg war, das er nicht freigegeben hatte. Das war quälender.

Als der Fahrer die Hand ans Lenkrad zurücklegte, hatte er offenbar erneut das Radio eingeschaltet. Zumindest glaubte Itachi das zuerst, bevor ihm bewusst wurde, dass das Lied, das er vorhin unterbrochen hatte, einfach weiterging. Verwirrt starrte Itachi es an, ein Gefühl von Déjà-vu machte sich breit. Einen Moment glaubte er tatsächlich, es sei gar keine Zeit vergangen, anstatt den viel offensichtlicheren Schluss zu ziehen.

„Ist das eine Aufnahme?“

Der Fahrer sah wieder nach oben. Mittlerweile fuhren sie durch eine ruhige Straße, wo sich Gebäude kleiner Firmen aneinanderreihten. Nachts war es hier wie ausgestorben, die Straßenlaternen waren abgeschaltet.

„Ist das neuerdings verboten?“ Der Fahrer sah Itachi aus den Augenwinkeln an, seine blaue Iris wanderte dabei zur Seite, scharf wie die eines Raubtiers. Die Pupille war groß und dunkel, beinahe verschluckte sie das Blau.

„Warum sollte es.“ Für gewöhnlich hätte Itachi darauf nicht geantwortet, das Gezänk war ihm zu mühselig, doch das Theater war noch nicht vorbei.

„Kasernenhofton – Polizist?“

Diesmal ging Itachi über das flüchtige Flattern in seiner Brust hinweg. Mochte sein, dass er einen harschen Tonfall hatte, das gewöhnte man sich im Beruf an. Taxifahrer mochten das unterscheiden können.

„Ja.“

Der Fahrer ließ nicht erkennen, ob er zuhörte, er schaute wieder in den Himmel und nicht auf die Straße. Auf der Aufnahme kamen nun Nachrichten. Itachi hatte ein gutes Gedächtnis für Chronologie, er schätzte die Sendung auf mehrere Monate alt. Der Wetterbericht klang winterlich, die Politik war bereits längst veraltet. Warum jemand das aufnahm, verstand Itachi nicht.

Das Taxi holperte über eine weitere Baustelle und wurde langsamer. Vor ihnen spannte sich ein großer Bauzaun, hinter dem sich ein monströses Baugerüst erhob – Itachi erinnerte es an einen Wachhund mit einem viel zu winzigen Gartenzaun. Ein paar Plastikplanen flatterten auf dem verlassenen Gerüst, Verbotsschilder warnten vor dem Betreten. Zerlaufene Sandhügel und rostige Betonmischer ließen ahnen, dass die Baustelle nicht allzu aktiv bearbeitet wurde, hier außerhalb hatten die Dinge keine große Eile.

Das war der Ort, den Itachi für sein Sterben erwählt hatte. Der Fluss war ganz nah, nah genug zum vermeintlichen Sprung.

Er rührte sich nicht gleich. Die Zahlen des Taxameters glommen schwach, doch Itachi sah nicht hin. Er hatte keine Angst, nach draußen zu gehen, stellte er fest, aber auch keine Lust dazu. Was angesichts seiner Situation ziemlich profan war…

Das Radio war wieder zu Musik übergegangen. Itachi holte seine Brieftasche heraus und zählte den Betrag ab. Es hätte schwierig sein müssen, das im Dunkeln zu tun, doch Itachi hatte das Geld bereits, da er die Strecke kannte. Es war sogar etwas zu viel, da er nicht damit gerechnet hatte, dass der Fahrer über die Baustelle fahren würde.

Der blonde Mann hatte auf der planierten Fläche gehalten, die mal ein Parkplatz werden würde. Der Motor lief noch und somit auch der Taxameter. Der Fahrer hatte die Arme verschränkt, und Itachi erwartete halb, dass er wieder nach oben starrte, doch er sah ihn an.

Dann löste er eine Hand und stellte die Scheinwerfer ab.

Augenblicklich wurde es dunkel im Wagen. Der Taxameter war noch zu erkennen, ebenso wie die Bordanzeigen, alles Andere war kaum auszumachen. Itachi blinzelte; er hörte das sanfte Rascheln von Stoff und hielt dem Mann das Geld hin, oder wo er vermutete, dass jener es nehmen würde.

Die Sendung ging weiter. Der Sprecher pries fröhlich die sternenklare Nacht an, in der laut der Astronomie so viele Sternschnuppen zu sehen sein würden wie seit Jahren nicht. Das war wohl der Grund, warum der Fahrer ständig nach oben schaute, auch wenn Itachi bisher nichts entdeckt hatte.

Als Shisui gestorben war, hatte es auch diese Sternschnuppen gegeben; sein Körper war recht schnell gefunden worden, weil so viele Menschen am Yodo waren, um das Spektakel dort vor romantischer Kulisse zu genießen. Jetzt, wo Itachi es recht bedachte, hatte es seitdem keine Sternschnuppenschauer mehr gegeben.

Dann war das die Aufnahme der Nacht, in der sein Cousin gestorben war. Itachi schluckte leise. Es knisterte, als der Taxifahrer das Geld annahm.

„Was ist?“, fragte die Stimme aus der Finsternis mit einem Hauch Belustigung, wohl weil Itachi sich nicht bewegte.

Die fatalistische Bemerkung, richtig. Itachi riss sich von diesem hässlichen Zufall los und löste den Anschnallgurt. Nach der Bezahlung war der Taxameter ausgeschaltet worden, weshalb es hier drin noch schwärzer war. Wechselgeld hatte er übrigens keines bekommen.

„Höhenangst“, erwiderte Itachi mechanisch und log damit nicht mal. Die Aussicht, bei Kälte und Wind auf ein wackliges, derzeit nicht betriebenes Baugerüst zu klettern, war tatsächlich beunruhigend und so gar nicht der romantische Selbstmord, der einer hoffnungslosen Liebe anstand. Vielleicht gewann es wieder dadurch, dass er hypothetisch im Fluss landen sollte – bei dem Hochwasser der letzten Tage war es durchaus möglich, dass eine Leiche nicht gefunden wurde, und mithilfe des psychologischen Gutachtens würde man die richtigen Schlüsse ziehen. Je öfter er es wiederholte, desto mehr klang es plausibel. Bei Morgengrauen würde er sich wohl fragen, ob er inzwischen ordnungsgemäß ertrunken war.

„Ach. Soll ich Ihre Hand halten?“

Itachis Hand lag bereits auf dem Türgriff, er drückte ihn herunter, doch das Schloss gab nicht nach, und die Frage hing noch in der Luft. Es lief jetzt wieder Musik.

Itachi sah zurück zu dem Taxifahrer, zu dessen weißen Handschuhen, und ein eiskalter Schauer rann seinen Rücken hinab. Ihm war bislang nicht der Gedanke gekommen, dass es auch die Handschuhe eines routinierten Mörders sein konnten. Itachi war nur Streifenpolizist, doch er kannte Fingerabdrücke und Schmauchspuren. Er war sicherlich nur paranoid wegen dieses Radio-Mitschnitts, wegen Shisui.

Itachi glaubte sich das nicht, sein Instinkt zog sich zusammen, als sich ein kalter Metalllauf in seine Seite bohrte. Er sah die Schemen der ausgestreckten Hand, die andere Hand mit dem auffälligen weißen Handschuh war verschwunden.

Itachi atmete langsam ein, und der Lauf drückte sich beim Ausdehnen seines Brustkorbs umso fester auf. Alles fühlte sich kalt an, wo er mit Itachi in Kontakt kam, richtete sich in seine Wirbelsäule, wo ein Treffer fatal war und die Knochen die Kugel aufhalten würden, bevor sie womöglich austrat und in den Wagen einschlug. Danach zu schließen, wie breit der Lauf sich anfühlte, saß ein Schalldämpfer drauf.

Wäre Itachi jemand gewesen, der sich wirklich den Tod wünschte, wäre er jetzt froh gewesen, dass ihm die ganze Mühe und die Möglichkeit des Überlebens abgenommen wurden. Er hätte den Fahrer sogar noch provozieren sollen, damit dieser schoss. Aber das hier war, im wahrsten Sinne des Wortes, ein anderes Kaliber.

Itachi nahm seine Hand vom Türgriff und legte sie mit dem Handrücken voran in die Ausgestreckte, ohne eine Miene zu verziehen. „Ist Tanaka wirklich beim Erdbeben gestorben?“

„In Tokio“, lautete die diplomatische Antwort, und warme Finger schlossen sich um Itachis, drückten die Hand nach unten auf seinen Oberschenkel. Der Fahrer, der ihn umbringen würde, ging sachlich vor, fast schon zärtlich – niemand, der sich an dieser Situation ergötzte, aber kein sanftmütiger Charakter.

„Warum… ich?“

Beinahe hätte Itachi Shisuis Namen genannt, doch im letzten Moment hielt er es für besser, sich dumm zu stellen. Es machte keinen Sinn, keiner von ihnen bekleidete eine nennenswerte Position in der Polizei. Shisui hatte kurz vor einer Beförderung gestanden, das war alles. Und Itachi war lediglich ein Streifenpolizist, jemand ohne Bedeutung.

Das Radio spielte wieder amerikanisches Vocal, die Musik einer gehobenen Hotelbar. Die Hand des Fahrers, die Itachis herunterdrückte, ließ langsam los und legte sich wieder in seinen Nacken, öffnete geschickt den Verschluss der Kette. Itachi spürte, wie das angewärmte Silber nach vorn in sein Hemd rutschte, gehalten nur von einem Ende, das der Fahrer festhielt.

„Wir können nicht genug Tote haben, Polizist.“ Der Tonfall des Mannes hatte etwas Lauerndes angenommen. „Als ich da gesessen habe, wo du sitzt, habe ich als Erstes geheult.“

„Das ist Programm“, entgegnete Itachi kühl – er war in seinem Beruf mit genug Schauspielern in Kontakt gekommen, um zu wissen, wann er einen vor sich hatte. Und es gab wenigstens die Chance, dass Tränen noch etwas Mitgefühl aufweichten.

Der Revolver bohrte sich tiefer in seine Niere, aber der Fahrer gluckste.

„Die Resultate zählen, Polizist.“

Es schien ihm Spaß zu machen, Itachi ‚Polizist‘ zu nennen, so wie er sein Satzanhängsel dann benutzte, wenn er aus der Ruhe kam. Es war merkwürdig vertraut.

„Warum schießt du nicht?“ Itachi sah keinen Sinn darin, jemanden zu siezen, der ihn zu töten beabsichtigte. Und der ihn auch nicht mehr siezte. Er war schon immer pedantisch gewesen.

„Muss dich vorher fragen, ob ich’s soll.“

„Nein.“

„Ah, zweite Frage.“

Der Lauf verschwand von Itachis Seite, diesmal drückte er sich gegen seine Schläfe. Ein tödlicher Schuss, sollte er abgefeuert werden, nicht länger eine ökonomisch angebrachte Bedrohung.

„Lust, dein Vaterland, deine Prinzipien und deine Moral zu verraten, um einer Gruppe Terroristen zu helfen?“ Die Stimme des blonden Mannes zitterte – er war kurz davor, zu lachen. Das irritierte Itachi mehr als der einstudierte Wortlaut. Vielleicht war es dieselbe Heiterkeit, die er verspürt hatte, als er sein Sterben vorbereitet hatte. Es erschien wahrscheinlich.

Der Revolver an seiner Schläfe zitterte freilich nicht.

„Wofür?“

Der blonde Fahrer zog die Kette aus Itachis Nacken, sie baumelte zwischen seinen Fingern und reflektierte das wenige Licht. Es war eine schlichte, kurze Kette mit silbernen, dünnen Ringen, sie hatte keine spezielle Bewandtnis, noch war sie auffällig teuer gewesen. Man konnte sagen, dass Itachi sie an seinem Hals vergessen hatte, weil sie so wenig störte.

Sie bedeutete Itachi nicht mehr als jedes andere Stück Kleidung, das er trug, aber nun, wo sie da pendelte, wollte er sie zurückhaben. Der Gedanke war so vordringlich, dass er nicht über die Enthüllungen nachdachte, über die vertrackte Situation, über sein Sterben – er wollte seine Kette, jetzt.

„Dein Leben. Du hast ja Nerven.“ Ein Grinsen schwang in der Stimme des Fahrers mit, als er dem Radio mit der Seite des Revolvers einen groben Klaps verpasste und es zum Schweigen brachte, nahezu gleichzeitig schaltete er das Licht ein.

Itachi blinzelte, seine Augen hefteten sich an den Revolver. Es war ein kleines Modell mit einem kurzen Lauf, in der Trommel befanden sich sechs Patronen. Der Hahn war nicht gespannt. Der verdammte Hahn war gar nicht gespannt.

Itachi war ein Mensch von großer Festigkeit, aber das war etwas Anderes, als sich in einem dunklen Taxi mit einer Waffe bedrohen zu lassen und dabei ganz ruhig zu wirken.

Itachi wollte einfach seine Halskette zurück, und man mochte den Eindruck gewinnen, dass er tatsächlich Nerven wie Stahlseile hatte.

Der Taxifahrer behielt ihn im Auge – natürlich tat er das. Er wartete auf augenfällige Erleichterung, ein Zusammenbrechen der Gelassenheit wegen des nicht gespannten Hahns, und dieses kleine Versäumnis war schlichtweg Absicht gewesen.

Die Beifahrertür wurde geöffnet, kalte Nachtluft strömte herein. Itachi fröstelte. Er wusste, dass draußen jemand war, seine Nackenhärchen stellten sich auf. Das Baugerüst quietschte leidend, als wollte es die bedrohliche Atmosphäre untermauern.

Er meinte, das Zischen einer Klinge über seinem Nacken zu spüren, in einem Moment, in dem er grundlos glücklich gewesen war. Zweifellos spielten seine Nerven ihm einen Streich, um sich an ihm zu rächen. Er hatte diese Situation nie erlebt, auch nicht in einem Alptraum. Selbst wenn das nicht hieß, dass sie nicht existierte.

„Gib mir die Kette zurück.“

Itachi streckte die Hand aus, und der Fahrer starrte ihn verständnislos an. Die hereinblasende Kälte verlieh seiner Haut einen hübschen, rosigen Unterton und etwas Lausbubenhaftes, als sei das in seiner Hand ein Stock und kein geladener Revolver. Die Waffe lag locker, wurde vor allem von dem Abzugsfinger gehalten. Sie war nicht länger auf Itachi gerichtet, woraus dieser folgerte, dass draußen jemand auf ihn anlegte. In dem erleuchteten Innenraum bot er sicher ein leichtes Ziel. Dass es so still war – das war unheimlich.

„Sonst keine Probleme?“ Der Fahrer nahm seine Mütze ab und schüttelte den Kopf. Das eigenwillige Blau seiner Augen war wieder besser zu sehen, nachdem die Pupillen sich zusammengezogen hatten. „Willst du sterben?“

Das wollte Itachi nicht. Er wollte auch nicht gegen das Gesetz verstoßen und sich mit Terroristen verbünden, die ihn danach entsorgen würden. Sein Fahrer hatte einen hohen Wiedererkennungswert, und Itachi konnte schwer sagen, wie wichtig er für diese Gruppe war. Wohl ebenso austauschbar wie der Wagen, wenn er nicht noch eine andere Funktion hatte.

Das Zuschnappen eines Laufs ließ kalten Schweiß zwischen seinen Schulterblättern entlanglaufen. Es war ein sehr deutliches ‚Genug‘ von draußen. Unmittelbar danach knirschten Schritte auf dem Schotter, und die Fahrertür wurde geöffnet. Itachi sah absichtlich nicht hin, auch wenn die Versuchung enorm war. Er starrte stur geradeaus, aus den Augenwinkeln erhaschte er etwas, was ein grauer Kapuzenpullover oder etwas Ähnliches sein konnte. Er wollte nicht mehr wissen, als er sollte. Er wollte das hier überleben.

„Schluss mit Flirten für heute“, verkündete eine leicht raue Stimme, männlich, sie hatte den Hauch von Heiserkeit, den man sich unweigerlich einfing, wenn man bei diesem Wetter nur mit einem Pullover bekleidet draußen war.

„Hast du deine Dienstmarke dabei?“, fuhr die erkältete Stimme fort und richtete sich offenbar an Itachi.

„Nein.“

Wenn jemand zu sterben beabsichtigte, nahm er nicht seine Dienstmarke mit. Itachi hatte keinerlei Papiere bei sich, er würde nicht unter seinem Namen weiterleben können – wenn sich das mit dem Leben nicht eh schon erledigt hätte.

Die Stimme schnaufte missbilligend und hustete. „Was machen wir?“

„Kurzen Prozess.“ Die zweite Stimme, ebenfalls männlich, gehörte demjenigen, den Itachi bereits auf seiner Seite des Wagens im Dunkeln vermutet hatte. Sie war scharf und fest wie Eisen, nicht die Art, die Hoffnung auf Skrupel weckte. Die erkältete Stimme klang wenigstens müßig, wie jemand, der das alles nicht ernst nahm.

Der Fahrer ließ die Halskette pendeln. Eine gewisse Anspannung ging von ihm aus, und Itachi musste daran denken, was er über sein eigenes Verhalten in dieser Situation gesagt hatte.

Nun, heute würde das wohl kaum weiterhelfen.

Hatte Shisui seine Dienstmarke bei sich gehabt, als man ihn geborgen hatte? Itachi versuchte, dieses nichtige Detail in seinem Gedächtnis zu finden, doch es wollte ihm nicht gelingen. Es war nicht gesagt, dass diese Männer ihn getötet hatten, aber es war nicht von der Hand zu weisen, dass es möglich war.

„Sieht etwas heller aus als der Letzte“, kommentierte die heisere Stimme. Ob das ‚heller‘ bedeutete als der letzte Fahrgast oder der Letzte, der auf diese Weise verschwunden war, vermochte Itachi nicht zu sagen.

„Aussteigen“, knurrte die Stimme des Schützen, ohne sich für die Bemerkung zu interessieren. Itachi gab es auf, seine Kette zurückbekommen zu wollen, sein Sterben konnte er vergessen. Diesmal war es der Tod. Und er war überhaupt nicht ruhig oder entspannt; er hatte Angst. Zu viel Angst zum Weglaufen. Seine Augen waren trocken – er hatte zu viel Angst, um Theater zu spielen.

Itachi stieg aus dem Wagen und machte einen Schritt, als ihm ein schmaler Lauf in die Magengrube gerammt wurde und ihn damit unmissverständlich anhielt. Ein Jagdgewehr wahrscheinlich, wie unwahrscheinlich passend. Jemand ging kein Risiko ein.

„Pack mal mit an, Iz.“

„Mitten auf der Straße?!“, zischte die erkältete Stimme, doch Schritte näherten sich. Wer immer das Gewehr hatte, war offenbar nicht kräftig genug, um einen Körper zu tragen.

Der Fahrer war auch ausgestiegen. Er lehnte an dem offenen Taxi, das Licht illuminierte sein gelbes Haar auf eine leblose, hässliche Weise. Itachi blickte zu ihm, weil er das als unverfänglicher einschätzte. Der Blonde ließ die kleinen Ringe aus Silber durch seine Finger gleiten wie Gebetsperlen. Er war ein Zuschauer, aus irgendeinem Grund. Als er Itachis Blick auffing, lächelte er zu dessen Überraschung.

„Dieses Mal, hm?“, murmelte er, und Itachi wusste nicht, ob es das Satzanhängsel war oder wirklich der Anklang zu einer Frage.

Das Jagdgewehr bohrte sich in Itachis Rücken, jemand hinter ihm zog die Nase hoch und spuckte dann aus.

Eiskalte Finger legten sich auf seinen Kiefer und drückten unbarmherzig zu. Itachi gehorchte der stummen Aufforderung und öffnete den Mund ein Stück; kurz darauf fühlte er eine scharfe Klinge, die zwischen seine Lippen drang.

Was für eine altbackene Art zu sterben, mit einem Messer in der Kehle. Itachis Mund war staubtrocken, und er wagte nicht zu atmen. Wenn Menschen sich in den Mund schossen, war das ein scheußlicher Anblick. Ein Messer im Gaumen würde kaum weniger scheußlich sein.

„Brauchst du Licht?“, spottete die Stimme hinter ihm, und das Messer zuckte gefährlich, hielt kurz inne. „Halt’s Maul.“

Itachi wartete auf den Schmerz, und der Schmerz kam, füllte seinen Mund mit Blut. Allerdings viel langsamer, als er geglaubt hatte, und es strahlte lediglich von seiner Wange aus. Das Messer war fort.

Der Mann hatte ein Stück Haut aus seiner Wangeninnenseite geschnitten. Wenig später hörte Itachi das Klicken einer Plastikdöschens, wahrscheinlich mit Alkohol, um die Zellen zu konservieren.

Eine Taschenlampe leuchtete auf, und Itachi blickte in schwarze, mitleidlose Augen. Sie lächelten, auch wenn nicht eben freundlich. „Ich bringe dich jetzt um“, erklärte der Mann mit dem blutigen Messer bedächtig und wandte sich ab. Es war unschwer zu erkennen, was er meinte, wenn er Genmaterial von jemandem genommen hatte, dennoch zog Itachis Herz sich zusammen. Er fühlte sich unsicher auf den Beinen, und der salzige Geschmack von Blut füllte noch immer seinen Mund.

Der Fahrer griff nach seinem Arm und zerrte ihn mit sich, schubste ihn zurück auf den Beifahrersitz. Der Mann im braunen Kapuzenshirt drückte ihm einen Plastikbecher in die Hand, in den er den blutigen Speichel spucken sollte, bevor er sich abwandte und dem anderen nachlief. Itachi wollte nicht wissen, was sie tun würden. Oder was er ihnen erlaubt hatte, zu tun.

Vielmehr, wovon er sie nicht abgehalten hatte.

Der Fahrer beobachtete ihn mit einer eigenartigen Mischung aus Belustigung und Zärtlichkeit, wie einen alten Geliebten, dessen Fehler er zur Genüge kannte, die er ihm jedoch irgendwann nicht mehr verübeln konnte, so sehr sie auch lästig waren.

Itachi spie zähen, rötlichen Speichel aus und biss die Zähne zusammen. Eine jähe Welle von Übelkeit erfasste ihn, ganz wie zuvor, und er beugte sich vor, als sein Sichtfeld an den Rändern schwarz wurde.

Kaltes Silber legte sich wieder um seinen Hals, der Verschluss wurde mit einem nahezu unhörbaren Klicken eingehakt.

„Was soll das“, krächzte Itachi und meinte mehr sich selbst als den anderen. Er konnte nicht fassen, was er in Kauf nahm, um am Leben zu bleiben.

Er brauchte den beiden Männern nur nachzulaufen, um das zu beenden. Aber er rührte sich nicht. Er war zu feige, um das zu verhindern. Für seine Familie würde er ohnehin tot sein, doch nicht tot wie Shisui.

„Ich musste ja sicher gehen, dass du diesmal anders handelst“, erwiderte der Taxifahrer leichthin und zog seine Handschuhe aus. Die Hände darunter waren schmal und kräftig, rau an Knöcheln und mit kurzen, sauberen Fingernägeln. Weiße Fasern der Handschuhe klebten an seiner Haut, an dem Schweiß, und sie bestätigten, dass er keinesfalls so ruhig gewesen war. Das war aber auch alles, was ihn verriet.

Itachi starrte ihn ungläubig an, während der Blonde lediglich seinen Sitz zurückstellte. „Das wird etwas dauern“, brummte er und schloss knallend seine Tür. Als Itachi nicht dasselbe tat, beugte er sich mit einem gereizten Seufzen zur Seite und zog sie zu, dann packte er wieder die Kette und versetzte ihr einen scharfen Ruck, bis ihre Nasen sich fast berührten. Blaue Augen funkelten Itachi unnachgiebig an, die Weichheit von vorhin war nicht mehr zu entdecken, als habe es sie nie gegeben. Womöglich war sie ja Einbildung gewesen.

„Diesmal meldest du dich vorher bei mir ab, bevor du abkratzt, Arsch.“

Er ließ los und warf sich in den Sitz, vorwitzige Haarsträhnen befreiten sich bereits aus seinem Kragen, wo er sie hingestopft hatte. Der Fahrer drehte die Heizung höher und schaltete das Radio an, diesmal das ganz normale, öde Nachtprogramm. Itachi sah ihm dabei zu und fuhr schweigend mit den Fingern über seine Kette.

Der Taxifahrer musterte ihn bohrend und verschränkte die Arme.

„Mein Name ist Deidara. Auf gute Zusammenarbeit, Polizist… hm.“
 

fin
 

Ich mag es nicht besonders, wenn ein Autor schreibt, dass er nicht weiß, ob er weitermachen soll und sich da mal auf Feedback verlässt – das ist zwar nicht immer eine Aufforderung an Leser, ihn doch bitte mal anzuflehen, klingt aber ständig wie eine. Aber das Schreiben hieran hat Spaß gemacht. Ich bin also mit jeglicher Reaktion einverstanden, Kritik wie immer eingeschlossen.

Was die Murakami-Referenz angeht, das sollte kein Angeben sein; aber eins der Bücher beginnt auch in einem Taxi unter etwas ähnlichen Umständen. Allerdings steigt die Erzählerin im Roman auf der Straße aus.

Folie à deux

How should we like it were stars to burn

With a passion for us we could not return?

If equal affection cannot be,

Let the more loving one be me.

(W.H. Auden, “The More Loving One”)
 

Man gewöhnte sich an alles – auch an Langeweile.

Itachi war jetzt seit drei Wochen tot, und Osaka hatte ihn längst vergessen, trotzdem mied er sämtliche Medien, verhielt sich still. Drei Wochen, und es kam ihm vor, als sei er tatsächlich unter der Erde.

Die Akte Itachi Uchiha war schon geschlossen, dafür war gesorgt worden. Genauer gesagt gab es eine Leiche mit seinen DNA-Spuren, eine Sterbeurkunde mit seinem Namen und ein Begräbnis. Die Zeit, die jetzt noch verstrich, war lediglich dazu da, ihn zu überwachen, seine Reaktionen zu testen. Ihn mürbe zu machen, weil er drei Wochen, einundzwanzig Tage in dieser Wohnung ausgeharrt hatte, ohne die Nerven zu verlieren.

Erst kamen Schuldgefühle, dann sinnloser Aktionismus und schließlich Langeweile. Itachi hatte festgestellt, dass er nach dem Duschen das Wasser ausgedreht hatte, sich auf den Rand des schmalen Beckens gesetzt und einfach gewartet hatte, bis er trocken war, ohne dass er hätte sagen können, warum er das tat und woran er gedacht hatte. Er war jedes Mal verwirrt, wenn er das Türschloss klicken hörte.

Deidara war dazu da, ihn zu bewachen. Er stand dieser Aufgabe eher gleichgültig gegenüber – den halben Tag war er überhaupt nicht da, und ihre Gespräche erreichten nie eine persönliche Ebene. Was vermutlich daran lag, dass man diese Dinge am besten vergaß.

Itachi kannte nicht mal Deidaras Geburtsnamen, geschweige denn seine Nationalität oder seinen sozialen Hintergrund. Das galt für alle anderen auch – er hatte nicht mal eine konkrete Ahnung, wie viel alle anderen waren. Sie schienen einfach aus ihrem Leben gefallen zu sein, wie ein Foto, das unter der Glasscheibe des Bilderrahmens hervorrutschte.

Itachi hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, möglichst nüchtern über seine Familie zu denken, wie zur Übung. Deidara hatte seines Wissens noch eine jüngere Schwester, Madara war sogar verheiratet. Ob diese Menschen hatten Leichen identifizieren müssen, vermeintlich die sterblichen Überreste von Angehörigen? Oder hatten sie sich einfach zurückgezogen und den Kontakt abgebrochen?

Itachi erinnerte sich, dass jemand seine Leiche identifiziert hatte. Bei Selbstmord zog man ungern Eltern oder Partner heran, und Itachi war sich trotzdem absolut sicher gewesen, dass alles auffliegen würde. So groß der Schock auch war, und so normal Itachis Gesichtszüge waren, das reichte nicht als Täuschung. Ganz egal, was ein DNA-Abgleich sagte.

Madara hatte ihn dafür eher zynisch angesehen. Was glaubst du, wie viele Mütter bei allem, was ihnen heilig ist, schwören, dass ‚das da‘ nicht ihr Kind sein kann? Es war brutal, aber es leuchtete ein. Itachi wollte es nicht genauer wissen.

Er blickte nicht auf, als er das Türschloss hörte, und las weiter. Er wusste nicht, ob Deidara ihn einfach damit ärgern wollte, wenn die einzigen Bücher, die er mitbrachte, Horrorromane waren, oder ob der andere wirklich glaubte, dass es ihn amüsierte. Diese ganze Wohnung war steril und unpersönlich, eingerichtet mit dem Primärziel, keinen Aufschluss über die Bewohner zu geben.

Seltsamerweise gab Itachi das umso mehr das Gefühl, in einen Folie à deux verfallen zu sein. Alle Ereignisse, die ihn mit der Außenwelt verbanden, lagen drei Wochen zurück, Zeit genug, um sich in eine Psychose hineinzusteigern. Wenn er diesen Ort verließ, würde er wieder auf Streife gehen und sich mit desorientierten Jugendlichen herumschlagen, die auf Ampeln herumkletterten und Wände beschmierten. Bis dahin war all das eine Einbildung, ein Wahnsinn, den er mit jemandem teilte.

Plastik raschelte und senkte sich wie eine Abrissbirne vor seinem Gesicht. Itachi unterbrach den menschenfressenden Ghoul, der sich aus dem Schrank schälte, und blickte auf.

Deidara schien ihn als eine Art Haustier zu betrachten – eine Katze, mit der er sich beschäftigen konnte und die allein zurechtkam, wenn er sie allein ließ. Itachi mied Konfrontationen. Es war verstörend genug, dass diese Bücher ihm Albträume bescherten, deren Schrecken manchmal vor allem im Aufwachen lag.

„Was ist das?“

Itachi spielte das Spiel mit, obwohl es ihn nicht interessierte, was in der Plastiktüte war. Das aufgedruckte Logo verriet ihm, dass es aus einem Convenience Shop stammte. Das hieß, dass es keine neuen Bücher waren, mehr nicht. Vielleicht war es ein Spielzeug. Vor ein paar Tagen (oder Wochen, Itachi unterschied sie nicht) hatte Deidara ihm ein Tamagotchi mitgebracht, weniger zu Itachis Unterhaltung als vielmehr zu seiner eigenen. Itachi hasste diese Geräte in ihrer ganzen Funktionsweise, und die Batterien schienen einfach nicht den Geist aufgeben zu wollen. Jemand mit weniger strikter Höflichkeitserziehung hätte das Tamagotchi schon in der Toilette heruntergespült. Itachi sorgte dafür, dass es wenigstens in einem anderen Raum war als er.

Deidara grinste und ließ die Tüte los, sodass sie auf das Buch prallte und in Itachis Schoß rutschte. Dann ließ er ihn wieder allein, seine Schritte waren gut zu hören. Deidara zog seine Schuhe nicht nach japanischer Sitte neben der Tür aus, was mit seiner Abstammung zu erklären war, doch Itachi wurde das Gefühl nicht los, dass es das nicht war. Es hatte mehr von ständiger Bereitschaft.

Itachi starrte die Plastiktüte teilnahmslos an. Er begriff Deidaras Verhalten nicht, so wie alles Andere auch. In den vergangenen Wochen hatte er angestrengt überlegt, warum sein Leben und Sterben für irgendjemanden von Wichtigkeit war. So wichtig, dass sein Tod aufwändig konstruiert wurde, mit einer falschen Leiche, einem Begräbnis und wahrscheinlich einem Kondolenzschreiben an seine Eltern. Itachi war nicht mal überragend qualifiziert für gefährliche Aufgaben. Seine Intelligenz war überdurchschnittlich, und er war ein geschickter Schütze, doch sein Mangel an Ehrgeiz erschwerte eine Karriere. Er hatte keine nennenswerten Feinde, niemand in seiner Familie arbeitete in einem riskanten Milieu.

Shisui war anders gewesen, zielstrebiger und mit einem messerscharfen Verstand ausgestattet, den er jeden Moment nutzte. Sein Vater arbeitete für die Einwanderungsbehörde und befasste sich intensiv mit Fällen von Drogenschmuggel, sein Stiefbruder war in der Kadena Air Base bei Nara stationiert. Und Shisui hatte sich mit denen angelegt, die ihm Probleme machten. Und mit denen, die Itachi Probleme machten.

Hatten diejenigen Shisui getötet? Wenn ja, warum? Noch war er nicht befördert gewesen, und er hatte Itachi nichts anvertraut, was Grund zur Annahme geben könnte, er sei in etwas verstrickt.

Es war müßig, darüber nachzudenken, doch Itachi konnte nicht aufhören. Er wollte wissen, wer Shisui getötet hatte, einen Selbstmord hielt er nicht mehr für möglich. Und er wollte wissen, warum. Es war ironisch, dass seine ganze Familie für ihn nicht mehr existierte – nur sein toter Cousin blieb.

Und wenn er erfuhr, dass dieser fingierte Selbstmord das Tun derselben Menschen war, die Itachi hatten verschwinden lassen… Seine Überlegungen stockten jedes Mal bei diesem Punkt.

Ihm wurde bewusst, dass er beobachtet wurde. Widerwillig löste Itachi sich aus seinen Gedanken. Er sah Deidara auch aus den Augenwinkeln, wie dieser im Türrahmen lehnte und der Wasserkocher in der Küche leise zu zischen anfing. Schicksalsergeben spähte Itachi in die Plastiktüte.

Struppiges Grün kam ihm entgegen. Als er die Hand in die Tüte schob und einen schwarzen, rechteckigen Keramiktopf von der Größe seiner Handfläche herauszog, rieselten bereits kleine Blätter herab, und ein paar sternförmige Blüten in schmutzigem Weiß hingen schlaff und bekümmert herunter. Es war in Bonsai – ein billiges Exemplar aus dem Supermarkt, das anscheinend in der Nähe der Türen gestanden und die herbstliche Kälte zu spüren bekommen hatte.

Itachi fragte sich, was er damit sollte. Er kannte sich mit Bonsais nicht aus, und dieses war ein hässliches Exemplar, bei dem die abgeschnittenen Aststümpfe auffielen wie abgehackte Finger. Was nicht von allein starb, würde die trockene Heizungsluft für das Bäumchen erledigen.

„Danke.“

Wenigstens piepste der Bonsai nicht so nervtötend wie das Tamagotchi. Mit etwas gutem Willen war er so lang wie Itachis ausgestreckte Hand und ließ sich somit leicht ignorieren. Er erinnerte Itachi an eins der Bücher, das er gelesen hatte, in dem ein Puppenspieler Miniaturen von Frauen aus uralten Bonsais angefertigt hatte – Frauen, die wenig überraschend daraufhin gestorben waren. Aus diesem Stämmchen konnte man nicht mal einen Zahnstocher bauen.

Kurzum, er hätte diese kränkelnde Vegetation nicht viel ablehnender aufnehmen können.

Der Wasserkocher pfiff, und Itachi wandte erst den Kopf, als er sicher war, dass der Türrahmen leer war. Vielleicht war es ein Beweis für seine vortreffliche Eignung als stumpfes Instrument, dass er sich bislang nicht gewehrt hatte, keinen Hungerstreik angetreten hatte, diese drei Wochen hatte er kein einziges Mal in den Lauf des Revolvers geblickt. Man könnte meinen, er habe sich damit abgefunden.

Itachi rieb sich die Augen, als er begriff, dass er kurz davor gewesen war, einzunicken. Er schlief nicht gern ein, seine Träume waren unruhig.

Heute Morgen hatte er geträumt, dass er in einem Garten saß, umgeben von anderen Männern verschiedenen Alters. Es war schwül und windstill, und Itachi erinnerte sich, dass es unglaublich schwer war, den einzelnen Stimmen zu lauschen, die tanka vortrugen, fünfzeilige Gedichte ohne Reim. Die Gedichte waren schlecht – viele der Zuhörer schliefen, manchmal gab es Getöse und in jedem Fall eine Menge Wein. Itachi nahm nur das Gefühl wahr, dass diese Veranstaltung ihn endlos langweilte und er zu gern geschlafen hätte.

Es war ein harmloser Traum im Vergleich zu anderen, aber Itachi hätte ihn am liebsten vergessen. Es war real, dennoch war das nicht der Grund, warum der Traum so sonderbar war. Itachi war kein Poet, Lyrik im Allgemeinen mochte er nur in kleinen Dosen, und die tanka, die er gehört hatte, mochten nicht gut sein, doch sie entsprachen dem strengen Schema. Er konnte nicht glauben, dass seine Fantasie sich in einer einzigen Nacht verselbstständigte und Dinge vollbrachte, die er schon in der Schule nicht gekonnt hatte. Das war nicht von ihm.

Itachi stand auf und nahm den Bonsai aus der Plastiktüte, um einen angemessenen Platz für ihn zu suchen. Er hatte ein paar rudimentäre Kenntnisse über diese Bäume, doch wenn er sich dieses Geschenkes zu sehr annahm, sagte das vermutlich einige hässliche Dinge über ihn aus.

Shisui hätte das nicht getan. Er hätte Deidara im Schlaf erstickt (Itachi hörte nie, dass er sein Zimmer nachts abschloss), den Revolver gefunden, geladen und sich gerächt. Und er hätte sich ganz sicher nicht für diesen abscheulichen Bonsai bedankt und ihn in die Küche getragen, wie Itachi es tat.

Im Grunde war die Küche, genau wie das Bad, winzig. Sie bot Platz für einen Kühlschrank, eine Spüle mit einem Fach darunter, und einen Gasherd. Ein Schränkchen mit Geschirr zwängte sich mit äußerster Mühe noch neben die Tür. Es gab einen halbrunden Tisch und einen Hocker, den man darunter schieben konnte. Dann blieb gerade noch genug Platz zum Navigieren.

Itachi stellte den Bonsai auf das Schränkchen, zögerte jedoch. Jeder Windstoß der Tür würde mehr Blätter abreißen, und es konnte nur Stunden dauern, bis der Topf beim Verlassen oder Betreten heruntergeworfen wurde.

Deidara sah ihm unbeteiligt zu. Als Itachi die Küche durchquerte, um zur Fensterbank zu gelangen, sprang der Toaster mit einem metallischen Krachen um, und Deidara erhob sich von dem Hocker. Itachi wich automatisch zurück, um ihm Platz zu machen, und drückte sich gegen die Anrichte. Anstatt sich zu bewegen, streckte Deidara allerdings die Hand aus und schob sie an Itachi vorbei, um die Toastscheiben geschickt zwischen seine Finger zu klemmen und herauszuziehen. Er tat es mit der Beiläufigkeit, mit der man es tolerierte, dass eine Katze einem um die Beine strich. Sein Arm streifte Itachis Seite, und kurz blickten die blauen Augen zu ihm auf.

Es versetzte Itachi zurück in seinen Traum, von dem er morgens aufgewacht war. Weniger ein Traum als eine obszöne Fantasie, in der er den glitschigen, nassen Untergrund einer Gasse unter seinen Füßen spürte, während sich Regenwasser von einer verstopften Regenrinne direkt neben ihm plätschernd und spritzend ergoss. In seinem Traum kümmerten diese Widrigkeiten ihn nicht, als sein durchnässter Körper sich an einen anderen drängte. Er konnte das Gesicht seines Gegenübers nicht erkennen, wusste aber wohl, dass dieser ihn ansah. Sie küssten sich mit atemloser, sogar gieriger Leidenschaft, vor der Gasse trabten schnaufend Pferde vorbei, jemand schlug langsam eine Trommel. Itachis geschärfte Wahrnehmung registrierte das, ohne den Vorgängen außerhalb Beachtung zu schenken. Wasser lief in seinen Kragen, brennende Hitze erfüllte seine Glieder, und er konnte an nichts Anderes denken als an den Mann, ihm war völlig klar, dass es einer war. Der schlichte Baumwollkimono war durchweicht vor Nässe, leistete keinen Widerstand…

„Willst du?“, raunte eine Stimme, die vor Begierde selbst heiser war.

Es knallte, ein unangenehm scharfer Laut von Ton auf Stein. Itachi stellte den Bonsai auf die Fensterbank der Küche. Er wollte diesen Traum nicht. Es hatte ihn erregt, nicht nur die Lebhaftigkeit des Ganzen, und so war er auch erwacht. Die Situation war ihm peinlich, er konnte nichts damit anfangen, dass diese Fantasien plötzlich auftauchten. Und dass sie Deidara zum Akteur machten, den er kaum kannte.

Irgendwo war ihm bewusst, dass er schon vor drei Wochen gestorben wäre, hätte Deidara es nicht für nötig befunden, zu seinen Gunsten einzuschreiten. Itachi hielt es für krank, deshalb Sehnsüchte auf ihn zu projizieren, der zu keinem Zeitpunkt daran interessiert gewesen war, was Itachi selbst wollte.

„Willst du?“

Er zuckte unmerklich zusammen, als er die Frage hörte. Freilich war der Tonfall diesmal nicht im Mindesten sinnlich. Itachi sah über die Schulter; Deidara bot ihm eine der Toastscheiben an. Die Seiten waren nur leicht gebräunt, den anderen Toast hatte Deidara für sich beansprucht. Itachi schüttelte den Kopf und sammelte die herabgefallenen Bonsaiblätter auf, wobei er tief ein und aus atmete.

Wenn es nach seinen Gewohnheiten ging, war Deidara anscheinend Amerikaner. Er mochte Toast, diese Vorliebe erinnerte Itachi trotzdem an ein Kind, das einen Nachmittag lang allein ist und den Herd nicht benutzen darf, weshalb es sich mit dem behilft, was es zubereiten kann. Kochen interessierte ihn nicht, und wenn er den Fernseher laufen ließ, schaute er nicht zu. Der erdige Geruch, den Itachi bei ihrer ersten Begegnung an ihm bemerkt hatte, stammte von hellgrauem Kunstton, mit dem er sich in seinem Zimmer beschäftigte. Was genau er damit anstellte, wusste Itachi nicht. Er sah ihn zwar, weil die Tür offen stand, doch da Deidara mit dem Rücken zur Tür saß und sein Tun verdeckte, überschritt Itachi diese Schwelle zur Privatsphäre nicht.

Wahrscheinlich hatte Deidara durchaus mehr Beschäftigungen, nur lebte er sie nicht hier aus. Hier existierte er nicht mal unter einem echten Namen, sondern unter einem Kunstwort, einer Onomatopöie. Das war wohl kaum sein Geburtsname, und Itachi fragte sich, ob er seinen Namen auch würde ändern müssen. Allerdings nannte Deidara ihn jetzt schon Polizist, und es schien ganz so, als werde sich das einbürgern.

Itachi füllte Wasser aus der Leitung in den kleinsten Becher, den er fand, und goss vorsichtig etwas auf die Erde des Bonsais. Kaum etwas versickerte, das Wasser quoll über, als hätte der Topf es ausgespuckt wie ein krankes Kind den Tee. Itachi nahm einen Lappen und wischte es weg. Dabei wunderte er sich, wie er es jedes Mal schaffte, seine Aktivitäten, sein Denken auf etwas Unwichtiges zu verlegen, wenn er in der Klemme steckte. Vor drei Wochen war es seine Kette gewesen. Jetzt der Bonsai.

„Wie lange soll ich hier noch bleiben?“

Es klang kein bisschen aggressiv, eher so, als erkundigte Itachi sich, wie lange der Tee noch ziehen sollte. Hätte er tun sollen, denn Deidara vergaß in den allermeisten Fällen, wann er ihn aufgegossen hatte. Er hatte das, was man im Englischen „kitten’s tongue“ nannte, eine an Übertreibung grenzende Vorsicht dabei, heiße Dinge zu konsumieren. Da war es nur recht und billig, den Tee so lange stehen zu lassen, bis der es sich abgewöhnt hatte, heiß zu sein.

Itachi war ein überaus aufmerksamer Beobachter. Dennoch war ihm, wie er nun feststellte, völlig entgangen, dass Deidara ihn die ganze Zeit ansah, während er Stücke von der Toastscheibe abriss und aß. Er biss nie sofort ab.

„Paar Wochen. Maximal zwei Monate.“ Er klang, als sei ihm das völlig egal.

In zwei Monaten würde er seinen gesunden Menschenverstand endgültig verloren haben. Wenn nicht vor lauter Stumpfsinn, dann wegen dieser Träume.

Itachi wusste einiges über Deidaras Gewohnheiten, aber nicht, wie man sich gegen ihn durchsetzte. Die blauen Augen waren hart und glatt wie Bergkristall, und das Desinteresse in seiner Stimme war abweisender als eine verbale Ablehnung.

„Ich kann so lange nicht warten.“

Die Art, wie Deidara Krümel von seiner Hose klopfte, besagte überdeutlich: ‚Und seit wann ist das mein Problem?‘ Und Shisui warf die Arme in die Luft: ‚Das war nicht alles, oder?!‘

Er fing an, Stimmen zu hören. Er wurde verrückt.

„Du gehst es falsch an.“

Deidara stand auf, fast wäre Itachi aus Gewohnheit wieder zurückgewichen, um ihm Platz zu machen. Ein Schauer überlief ihn, einerseits, weil er gegen das instinktive Unbehagen ankämpfte, einen Fremden so nah zu haben, dass in etwa eine Handspanne Platz zwischen ihnen blieb. Andererseits, weil er für eine irrwitzige Sekunde glaubte, Deidara werde in seinen Augen sehen, was für Fantasien ihn nachts heimsuchten.

Deidara war kleiner als er, sodass Itachi auf ihn herabschaute. Er wusste, dass die Gelenke des anderen so dehnbar waren, dass er die Finger auf dem Rücken verschränken konnte, wenn er einen Arm dabei ans Ohr legte. Seine Zehen waren schmal und nach unten gerichtet. Eine feine Schicht goldenen Haars bedeckte die Haut unterhalb seines Nabels und endete vor dem Schoß, hell und weich, kitzelnd unter den Fingern…

Itachi hatte den anderen weder nackt gesehen, noch ihn berührt, noch ihn dabei beobachtet, wie er Gymnastik machte. Trotzdem besaß er eine schlafwandlerische Sicherheit, die ihn beunruhigte.

Deidara schob sich an ihm vorbei, er fühlte sich kühl statt warm an. Noch in der Bewegung hob er den Arm, ohne sich umzudrehen, und winkte Itachi mit einem einmaligen Wippen seines Zeigefingers.

Itachi warf dem schicksalsergeben vor sich hindampfenden Teekessel einen Blick zu, bevor er folgte.
 

Das Wohnzimmer war ein kahler Raum ohne Dekoration. Die Größe, die in der Küche fühlte, schien hier umso bedrückender zu wirken, obwohl ‚Größe‘ sehr relativ war. Es gab eine blaue Couch, davor einen Fernseher und eine Garderobe, da die Wohnung keinen Flur besaß. Im Grunde erfüllte das Wohnzimmer diesen Zweck.

Itachi vermied es, hier etwas hinzulegen, und sei es ein Buch oder ein Kissen, das er aus seinem Bett genommen hatte. Manchmal sah er eine Weile aus dem Doppelfenster, das gegenüber von der Eingangstür lag, und ließ sich dabei von dem kleinen Heizkörper die Beine wärmen, doch das war alles. Mittlerweile war es November, und manchmal kroch Frost über das Glas.

Deidara hatte sich auf das äußere Polster gesetzt, direkt an die Armlehne, die Beine überkreuzt. Der Fernseher blieb ausgeschaltet, und Itachi ließ sich zögernd auf die Couch sinken, diesmal in respektablem Abstand.

„Umdrehen“, wies Deidara ihn schlicht an, sein Tonfall ließ keinen Raum zur Diskussion. Alles in Itachi sträubte sich dagegen, der Anweisung zu folgen und dem anderen somit den Rücken zuzukehren. In einer Fantasie, die diesmal sicherlich seiner Unruhe entsprang, fühlte er den kalten Lauf des Revolvers ein zweites Mal, diesmal direkt an seinem Hinterkopf.

Wenn Deidara ihn allerdings töten wollte, hatte er zahllose Gelegenheiten. Widerwillig zog Itachi die Beine auf das Polster, winkelte sie an, da die Couch nicht lang genug war, um sie auszustrecken. Das Verlangen, sich wenigstens aus den Augenwinkeln umzusehen, war stark.

Deidaras Hand landete auf seiner Schulter. Itachi gab sich Mühe, sich nicht zu verkrampfen, als hätte er es mit einem gefährlichen Tier zu tun. Er wusste nicht mal, was er erwarten-

Deidara zog ihn mit einem Ruck nach hinten, sodass Itachi den Halt verlor. Sein Genick prallte auf den Oberschenkel des anderen, ein kurzer Schmerz zuckte durch die plötzlich eingeklemmten Muskeln. Der Gleichgewichtsapparat wurde ausgeschaltet, als Itachi unfreiwillig den Kopf in den Nacken legte. Mit geweiteten Augen blickte er auf und schluckte hörbar, die unnatürliche Körperhaltung versetzte ihn in Anspannung.

War das eine eindeutige sexuelle Aufforderung? Kaum, Deidara hatte es absichtlich so arrangiert, dass Itachis Gesicht nicht in seinen Schoß gedrückt wurde. Vielleicht genoss er es, dass Itachi nun zu ihm aufblicken musste, trotzdem war es eine verwirrend intime Geste. Natürlich nur, wenn man darüber hinwegsah, wie ruppig Deidara sie zuwege gebracht hatte.

Seine Mundwinkel hoben sich leicht, was der Anfang eines Lächelns sein mochte, auch wenn es zu kurz war, um es genau zu sagen. Itachi räusperte sich leise und rückte sich zurecht. Wärme drang durch den Stoff der Hose und an seine Haut, sein Haar. Ich mag dein warmes Haar.

Itachi konnte sich nicht erinnern, ob es seine erste Freundin zu ihm gesagt oder der Mann seiner Traumfantasien. Es wurde höchste Zeit.

Deidara sagte eine Weile nichts. Er blickte auch nicht mehr auf Itachi herab, sondern über den dunklen Bildschirm des Fernsehers hinweg. In den ersten Minuten konnte Itachi nicht vergessen, dass der Revolver sich auch jetzt an Deidaras Becken schmiegte, gesichert und geladen. Trotzdem sanken seine Lider herab. Er spürte den ruhigen Puls der Oberschenkelschlagader, Arteria femoralis. Sie war ihm so vertraut wie der Rest, wie der leise Gong, das Gemurmel von Stimmen, die muffige Luft. Wie spät ist es?

„Wirst du mich nicht endlich fragen?“

Deidaras Stimme, vage amüsiert, durchdrang Itachis Dösen. Er blinzelte und schüttelte die Bilder ab. Das war nicht die Frage, die er stellen sollte.

„Lässt du mich raus?“

„Nein.“

Deidara antwortete prompt, und der leere Raum schien Itachi in sich zu ziehen. Wochen. Monate. Er würde den Verstand verlieren. Schon glaubte er, Shisuis Stimme zu hören, diesmal behaftet mit der unterschwelligen Angst, die geistige Müdigkeit häufig mit sich brachte. Warum nicht in der Badewanne? Du wirst sehen, Ertrinken ist nicht schlimm. Du kannst das Wasser ja warm machen, den Luxus hatte ich nicht.

Madaras unpersönlichen, ablehnenden Tonfall. Hättest du mich ihn abknallen lassen, das hätte mir den Aufwand gespart.

Und seine eigene, ruhige Stimme. Ich hatte keine Zeit… deiner überdrüssig zu werden.

Das Polster der Couch zitterte leicht, als Deidara sich gegen die Rückenlehne fallen ließ. Dass er Körperspannung ablegte, war selten.

„Aber ich kann dich mitnehmen, hm.“
 

Itachi lächelte, als er sich auf den Beifahrersitz sinken ließ.

Er hatte erwartet, dass es nötig sein würde, sein Gesicht zu verhüllen, ihn unkenntlich zu machen, doch das einzig Auffällige an ihm waren seine Augen. Es regnete, und er hatte sich die Kapuze seines Mantels übergezogen. Das war alles, und niemand beachtete sie.

Es war nass und kalt draußen, der Himmel von einem schmutzigen Grau. Das Taxi, das Itachi kannte, hatte sich kaum verändert. Das Schild auf dem Dach und der Taxameter waren verschwunden, das Nummernschild war vermutlich ausgetauscht. Dieses Kennzeichen war aus Osaka, und Itachi merkte es sich aus Gewohnheit. Sein früherer Beruf hatte das verlangt.

Er hatte keinen Grund zum Lächeln, das wusste er, die Lage war unverändert mies. Dennoch verband er kein Unbehagen mit dem Wagen, und es war angenehm, aus dem Regen herauszukommen. Itachi hatte dieses kleine Privileg noch nie so sehr geschätzt.

Deidara hatte nicht weiter mit ihm gesprochen, doch Itachi achtete nicht darauf. Sein Verstand hatte die Stumpfheit abgeschüttelt und arbeitete klar und schnell. Der andere hatte seine Erlaubnis nicht zurückgenommen, und er würde sich nicht wiederholen – er erwartete, dass man nicht vergaß, was er sagte.

Itachi drängte die Frage zurück, die wieder an die Oberfläche stieg. Bin ich wirklich tot?

„Ihr seid tatsächlich Terroristen.“

Deidara blinzelte unbeteiligt. „Soweit man von einem einheitlichen Wir sprechen kann.“

Itachi wusste, dass er damit die Frage nach ihren Zielen geschickt verzögerte, weil er die Einleitung aufgriff. Trotzdem ging er darauf ein. „So viele?“

Meistens traten Splittergruppen erst dann auf, wenn eine Organisation groß genug geworden war. Menschen waren Herdentiere, nicht viele besaßen die Stärke, sich sofort in Opposition zu begeben, wenn sie ihre Ideen mangelhaft umgesetzt sahen.

„Keine Ahnung“, erwiderte Deidara lapidar und reihte sich in den Verkehr ein. Die Scheibenwischer quietschten anfangs leise und wurden dann lautlos. „Glaub’s oder nicht, ich bin nur die ausführende Gewalt.“

Itachi hatte in der Tat Mühe, sich das vorzustellen. Deidara hatte anklingen lassen, dass er rekrutiert worden war (wenn man es beschönigend ausdrücken wollte), aber nichts zwang ihn dazu, die Wahrheit zu sagen. Er war vertrauenswürdig genug, um Itachi zu bewachen, ohne dass er selbst dabei kontrolliert wurde. Möglich, dass es Kameras in der Wohnung gab, doch Technik wies häufig Schwächen auf.

Deidara war überhaupt kein Mensch, der sich als willfähriges Werkzeug benutzen ließ. Gleichzeitig würde er nicht sterben wollen.

„Also weißt du nichts.“

„Ist das eine Frage?“ Der lauernde Tonfall wies darauf hin, dass Itachi kurz davor war, sein Zugeständnis zu verspielen. Er atmete leise. „Wohin fahren wir?“

Deidara ignorierte die Frage. Anscheinend war er nicht befugt, darüber Auskunft zu geben, oder er wollte es einfach nicht, als Strafe für die Feststellung.

„Hast du Angst?“

Es kam Itachi eher so vor, als hätte er fragen wollen: ‚Habe ich Angst?‘ Er hatte keine. Er fragte sich, ob der Bonsai Dünger brauchte.

„Hältst du mich für einen Idioten?“, entgegnete Deidara. Eine Frage, von der Itachi wusste, dass man nicht darauf antwortete, auch nicht mit Nein.

„Das ein oder andere weiß ich. Es war immerhin mein Beruf.“ Der Ansatz eines schalkhaften Lächelns blitzte auf. Itachi wandte überrascht den Kopf.

„Du warst Polizist?“ Er konnte sich kaum vorstellen, wie jemand weniger zu diesem Beruf passen konnte. Und Deidaras Mundwinkel zuckten, als sei er derselben Meinung.

„Fast.“

Wenn er es so betitelte, war es vermutlich etwas Halbgares wie Privatdetektiv. Itachi konnte sich lebhaft vorstellen, warum sein Vater diesen Berufsstand verabscheute, der sich ständig in Ermittlungen einmischte und auf der Grenze zum Illegalen wandelte, wenn es um die Beschattung von Menschen ging. Die Abneigung lag sozusagen in der Familie. Itachi hielt seine Miene sorgfältig neutral, auch wenn er nicht glaubte, dass Deidaras Zartgefühl davon beeindruckt war.

Wenn er daran dachte, wie sein eigenes Leben ausgelöscht worden war, und annahm, dass Deidara ihn nicht der Solidarität wegen belogen hatte, legte das einen Schluss nahe. „Hast du jemanden gesucht?“

Deidara nickte und nahm eine Hand vom Lenkrad. Er spreizte den kleinen Finger ab, was in Japan im Allgemeinen ein Hinweis auf einen Ehebruch galt, dabei blieb er. Entweder aus Respekt vor seinem früheren Klienten oder, was wahrscheinlicher war, weil er es für besser hielt, nicht davon zu reden.

Itachi begann, sich in dem Auto eingesperrt zu fühlen, nachdem ihn wochenlang Hauswände umgeben hatten. Allerdings würde Deidara nicht das Risiko eingehen, dass er eine Möglichkeit zur Flucht hatte. Er schloss die Augen und ließ sich gegen den Beifahrersitz sinken. „Was wollen sie?“

Dabei wusste Itachi selbst nicht genau, von wem er sprach. Ihm war es vorgekommen, als sei Madara das befehlsgebende Organ, dann wieder erschien Izuna wie derjenige, der wirklich die Fäden zog. Und vielleicht war es keiner von ihnen. Itachi wollte nicht wissen, wer sie waren, er wollt von ihnen weg.

„So viel ich verstehe, ist es eine antiamerikanische Bewegung.“ Deidara sah wieder in den Himmel, während er fuhr. Wenn er ein festgesetztes Ziel hatte, ließ er sich nicht anmerken, dass er daran interessiert war, es zu erreichen. „Besonders auffällig war bisher nichts. In erster Linie machen sie sich die Polizei zum Ziel, sie hat Zutritt zu den meisten Stützpunkten.“ Wie Deidara es sagte, klang es, als wiederholte er einen Agententhriller, den er langweilig gefunden hatte.

„Ein paar Leute sind wohl drin, mit unterschiedlichem Erfolg.“

„Undercover.“

Deidara verzog das Gesicht zu einer Art Grimasse, die Humor erahnen ließ. Itachi stammte aus der Präfektur Osaka, folglich sprach er auch mit dem örtlichen Dialekt, der das englische Wort eher wie ‚Andakawaa‘ klingen ließ.

„Bisher war damit nicht viel los, aber dann kam das Gerücht auf, einer von denen sei ein Doppelagent, der die gesamte Gruppe verraten hat. Was fehlte, war nur ein Terroranschlag – etwas Amtliches, um Festnahmen zu rechtfertigen, ohne dass man womöglich wieder jemanden laufen lassen muss.“

Sie fuhren über eine der Brücken, die den Yodo überspannte. Itachi hatte das unangenehme Gefühl, dass ein Windstoß den Wagen in das grauschwarze Wasser fegen würde.

„Jetzt ist es die Frage, wer den Kerl zuerst erwischt. Die Polizei… oder andere Gruppierungen.“

„Wer ihn zuerst umbringt“, brummte Itachi trocken und riss seinen Blick vom Fluss los.

Deidara sah ihn an. „Jemand, der gegen eine ganze Organisation agieren soll, muss in die Tätigkeiten der Polizei eingeweiht sein“, gab er mit einem geisterhaften Lächeln zu Bedenken. Itachi funkelte ihn eisig an.

„Ich bin kein Agent.“

Aber Shisui? Ein junger, charismatischer Mann mit Aufstiegschancen und einflussreicher Familie? Jemand, bei dem es sofort auffiel, wenn er anfing, auffällig mit seinen Vorgesetzten zu kooperieren. Nicht jedoch, wenn er seinem jüngeren Cousin ein wenig Zeit widmete. Eine lebende Sicherheit, die er zurückließ, für den Fall, dass ihm etwas zustieß, damit seine Familie und vielmehr seine Partner wussten, an wen sie sich zu wenden hatten?

Nur, dass Itachi offiziell nicht mehr lebte.

Gleichzeitig durchforstete Itachi fieberhaft sein Gedächtnis. Seine letzten Gespräche mit Shisui lagen lange zurück, schließlich war der Tod knapp ein Jahr her. Und Shisui war wirklich tot, Itachi hatte seine Leiche in dem offenen Sarg gesehen, selbst Madara hätte das Gesicht nicht so präparieren können. Hatte es versteckte Andeutungen gegeben, die damals keinen Sinn gemacht hatten? Gab es irgendwelche Gegenstände an seinem Nachlass, die von Bedeutung waren?

Itachi wusste, dass es keinen Sinn hatte darüber nachzudenken. Das hier war kein Thriller, die Wahrscheinlichkeit, dass Shisui ihn wirklich in diese Sache reingezogen hatte, verschwindend gering. Schließlich war seitdem viel Zeit vergangen, und niemand war auf die Idee gekommen, dass Itachi etwas damit zu tun hatte. Niemand von den Menschen zumindest, denen Shisui vertraut hatte.

Aber wenn doch?

Itachi grub seine Finger in die Oberschenkel.

„Mir ist schlecht.“

Das war nicht gelogen. Um ihn drehte sich alles, und er verspürte eine plötzliche Angst vor allem. Dass sie Brücke unter ihnen zusammenbrach, dass er sich im Wagen übergeben musste, dass Shisui vielleicht ihre ganze Familie zum Tode verurteilt hatte, dass er allmählich den Verstand verlor. Dass Deidara ihn töten würde.

Das ehemalige Taxi kam knirschend zum Stehen, und Itachi sprang aus dem Wagen. Sie blockierten die Lieferzufahrt eines massigen Betongebäudes, womöglich ein Lagerhaus, und eine schmale, hässliche Promenade führte am Ufer des Yodo entlang. All das war Itachi egal, ebenso wie der kalte Wind und der Nieselregen. Er rannte zu dem Metallgeländer und erwartete, dass er sich darüber beugen würde, um sich zu erbrechen, doch stattdessen schlossen seine Hände sich darum, um den Schwindel abzuwehren.

Sie hatten ihn in jedem Fall im Verdacht, sonst hätten sie ihn nicht aus dem Verkehr gezogen. Er war gewarnt worden. Trotzdem war das nicht das Ende. Wenn er glaubhaft versicherte, dass er keine Ahnung hatte, was da für Informationen weitergegeben worden waren, würde er nicht nur höchstwahrscheinlich beseitigt werden (es sei denn, er war wirklich irgendwie nützlich, und Deidaras Einfluss, wenn er auf den überhaupt zählen konnte, hatte enge Grenzen), es würde weitergehen. Mit seiner restlichen Familie.

Seine Finger wurden taub vor Kälte. Itachi sah auf; außer dem gurgelnden Wasser vor sich gab es keinen Fluchtweg, der nicht gleichzeitig bedeutete, dass er viele Meter gerader Strecke vor sich hatte und ein leichtes Ziel bot. Hier war niemand. Wenn seine Leiche erst jetzt im Fluss landete, war das auch nicht weiter auffällig. Nicht jedenfalls, wenn vorher das Gesicht zerschossen wurde.

Er war fast erleichtert, als er Schritte hinter sich hörte. Deidara zog sich fingerlose Handschuhe über die Hände, ohne genau auf Itachi zu achten. „Besser?“

Itachi klemmte sich Haarsträhnen hinter die Ohren. Seine Haut war feucht vom Regen, auch vom Schweiß.

„Ich weiß nichts davon.“

Es bestand wenigstens die geringe Möglichkeit, dass Deidara sich in seinen Schlussfolgerungen irrte, aber im Grunde machte das keinen Unterschied. Itachi war so oder so tot.

„Kann schon sein.“ Deidara zog ihm mit einer fließenden Bewegung die Kapuze über den Kopf und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Geländer. Winzige Tropfen schimmerten auf seinem blonden Haar, und Itachi sah ihn an. Er hatte weder Spott noch Zweifel in der fein modulierten Stimme gehört – einfach nur einen Mangel an Interesse. Es machte Sinn. Deidara hatte auch nicht die Absicht gehabt, gegen den Terrorismus im Land vorzugehen, er hatte nur die falsche Person gesucht.

„Warum hast du mir das erzählt?“

„Wir wollen dasselbe.“

„Nein.“ Itachis Stimme zitterte zu seiner eigenen Überraschung. Deidara hob seine fein gezogenen Augenbrauen, genauso blond wie sein Haar. Er war überall blond, doch zum ersten Mal brachte Itachi es nicht auf, das peinlich zu finden.

„Ich kann dir helfen.“

„Warum sollte ich dir das glauben?“

Den Tonfall seiner eigenen, sonst monotonen Stimme erkannte Itachi intuitiv, ohne dass er sich bewusst war, wie er klang. Er hatte ihn gehört, als er mit einem Kollegen während der Streife auf ein Mädchen getroffen war, das offensichtlich eine Ausreißerin war. In die Enge getrieben, versuchte sie nicht mehr, vor ihnen wegzulaufen, doch sie weigerte sich, einen Mann auf zwei Meter an sich heranzulassen. Itachi hatte bei ihr bleiben müssen, weil sein Begleiter über den Wagen eine weibliche Beamtin anforderte.

Lehrgänge schrieben vor, mit Jugendlichen zu sprechen, damit sie ihre Scheu verloren. Itachi hatte sich daran gehalten, und das Mädchen hatte ihm geantwortet, sogar ohne ihn über Gebühr zu beleidigen. Aber sie hatte jeden einzelnen Moment mit diesem Ton von absolutem Misstrauen gesprochen, dem Misstrauen eines Menschen, der sich völlig sicher ist, dass die ganze Welt ihm feindlich gesinnt ist.

Tatsächlich schien Deidara viel zu nahe zu stehen, obwohl er einen normalen Abstand hielt. Selbst jetzt, als er bloß die Stirn runzelte, empfand Itachi ihn als Bedrohung.

„Du hast keine Wahl“, brummte er ungeduldig.

Itachi rückte von ihm ab. Ein Teil von ihm war grimmig erleichtert, dass sich endlich ein Unterschied zu dem Mann abzeichnete, den er in seinen Träumen gesehen hatte. Der mit niemandem zusammenarbeitete, der Itachi tolerierte, weil er ihn selbst als harmloses, nicht gegen sich gerichtetes Werkzeug ansah.

„Sei vernünftig, hm“, beharrte Deidara – dass er nicht aufgab, erstaunte Itachi, machte ihn umso argwöhnischer. Wenn er sich befragen ließ und Details preisgab, die entscheidend waren, hatte Deidara davon erheblich mehr Nutzen als er. Und wenn seine Loyalität zu bröckeln anfing… Itachi presste die Lippen zusammen. Er wollte Deidara nicht mal vertrauen. Umso weniger, weil er in den letzten drei Wochen der einzige Mensch in seinem Leben gewesen war. Er konnte keine Dankbarkeit erwarten.

„Warum sollte ich?“

Er war froh gewesen, als er die Ausreißerin losgeworden war, während es für sie wohl keinen Unterschied machte, wer nun die Gespräche mit ihr führte.

Itachi umfasste das Geländer wieder fester und legte seine überkreuzten Arme darauf. Allmählich wurde auch sein Gesicht taub, und er war zufrieden damit, sich zurückzuziehen. Gegen seinen Willen konnte Deidara ihn sowieso nicht bewegen, es sei denn, er benutzte seinen Revolver. Itachi wollte nicht sterben, er konnte sich das nicht leisten.

Er war verwirrt. Am liebsten hätte er sich verkrochen und den Kopf in den Händen geborgen.

Aus den Augenwinkeln registrierte er schwach eine Bewegung, der Rand der Kapuze war ihm im Weg. Deidara bewegte sich mit verblüffender Leichtigkeit, wie jemand ohne Schwerkraft, seine Schuhe knirschten auf dem spröden Beton, als er die Füße gegen die Mauer der Promenade stemmte und sich mit den Händen am Geländer festhielt. Er verlagerte seinen Körperschwerpunkt nach hinten.

Es unterschied ihn kaum etwas von Itachi, wenn man davon absah, dass sie auf unterschiedlichen Seiten des Geländers waren. Unter Deidara floss etwa zwei Meter der Yodo.

Unwillkürlich schaute Itachi auf, als er den anderen plötzlich vor sich hatte. Herbstkälte hatte die hoch geschnittenen Wangen gerötet, und feine Wassertröpfchen klammerten sich an das gelbe Haar. Die blauen Augen blitzten wie Leuchtfeuer.

Er konnte ihn umbringen. Wenn er seine Ellbogen schnell genug auf die Finger schmetterte, würde Deidara loslassen, und es gab keinen weiteren Halt. Der Fluss war eisig kalt, niemand in der Nähe. Die nächste Leiter war weit. Und vielleicht hatte er den Mann vor sich, der Shisui getötet hatte.

Itachi starrte ihn stumm an, als Deidara sich nach vorn lehnte. Er sah es nicht kommen.

Deidaras Lippen waren kalt und rissig, sie drückten so unnachgiebig zu, dass Itachis Oberlippe taub kribbelte, weil sie gegen seine Zähne gepresst wurde. In unregelmäßigen Stößen strich warmer Atem über seine Wange. Es gab nichts Zärtliches dabei.

Aber Deidaras Lippen schmeckten schwach nach Salz, obwohl die Meeresmündung nicht hier war. Sein ganzer Kuss war salzig.

Itachi bedeckte die behandschuhten Hände mit seinen eigenen, er riss sie weder vom Geländer, noch hielt er sie fest. Der Wahnsinn zu zweit nahm eine neue Gestalt an.

Deidara war sehr gründlich. Er löste sich erst, als er atmen musste, und Itachis Lippen kribbelten, als die Kälte zurückkehrte. Adrenalin wurde grundlos ausgeschüttet, noch bevor Itachi richtig begriffen hatte, was geschehen war.

„Du hast niemanden außer mir.“

Itachi schaute auf ihre Hände herab und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er hatte sich eingeredet, dass er viel zu verlieren hatte, doch das war nicht so. Er würde ohnehin verlieren.

„Dann sag mir, was ich tun soll.“

Denn Itachi wusste es beim besten Willen nicht. Nicht, wo er anfangen sollte, nicht, wem er glauben sollte.

Ein seltenes Lächeln erhellte Deidaras verschlüsselte Miene. Es hatte nichts Triumphierendes, das war schon alles, was Itachi bestimmen konnte.

„Küss mich, hm.“
 

~
 

An dieser Stelle ein Dankeschön an diejenigen, die sich wirklich mit Reviews abgemüht haben – sie waren nicht verpflichtend, sondern ermutigend. Es tut mir leid, dass der erste Teil so missverständlich war, ist mittlerweile überarbeitet.

Über die Länge der Fanfiction kann ich wenig sagen. Dieses Kapitel ist allerdings nicht das Letzte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Von:  Uchan382
2011-12-20T15:32:05+00:00 20.12.2011 16:32
Erster Gedanke: Yeyyy, es geht weiter ^.^!!
Dann resignation: Obwohl ich auf Favorit gedrückt habe, bekam ich keine Nachricht auf der PS -.-° Woran das schon wieder liegt... Ich habe es öfters mal, dass mir neue Kapitel nicht angezeigt werden, obwohl ich sie auf emienr Favoritenliste habe.
Daher hier eine ganz große Entschuldigung. Ich hätte schon viel eher ein Kommi geschrieben, wenn ich das gewusst hätte....

So, Nun zur Story:

Ich mag das zweite Kapitel. Ich muss ehrlich sagen, dass dein Schreibstil, so wie er hier aufgebaut ist, sehr an einen dieser Kriminalromane erinnert. Und ich liebe Krimis XD
Es ist eben mal etwas anderes als diese ständigen High- School- Geschichten oder auszüge aus dem Akatsukileben wie es garantiert nie war.
Wobei ich sehr neugierig geworden bin ist der Zusammenhang zu"Die tausend Kirschbäume von Yoshitsune". Obwohl man hierbei wieder den Zusammenhang hat mit den Träumen. Und ich bin immer noch aus irgendeinem Grund heraus davon überzeugt, dass Deidara schon wieder mehr weiß als er zugibt.

Ich bin wirklich sehr gespannt wie es weiter geht.

Lg
Uchan
Von: abgemeldet
2011-12-06T21:36:50+00:00 06.12.2011 22:36
Tja, die Fragen aus dem ersten Teil wären damit wohl beantwortet, dafür hast du wenigstens doppelt so viele Neue in diesem Teil geschaffen- die dann wiederum hoffentlich bald in einer Fortsetzung aufgegriffen werden.
Obwohl ich natürlich angefangen habe, die Geschichte unter dem DeiIta-Aspekt zu lesen, muss ich sagen: Hut ab vor dieser Handlung. Inzwischen kann ich kaum mehr sagen, welcher Aspekt mich mehr fesselt, aber da diese Geschichte einen glücklicherweise nicht vor die Wahl stellt, ist diese Frage glücklicherweise hinfällig.
Was ich jedoch inzwischen konkretisieren kann ist, was mich an deinem Stil so fesselt: Es ist einfach phantastisch, wie du Banales zur Haupthandlung erklärst und die `wichtigen´ Aspekte dann in Nebensätzen, Fieberträumen und Andeutungen verpackst. Die beklemmende Grundatmosphäre, die dadurch entsteht, ist unheimlich dicht- das muss sie ja auch, um Itachi so nahe an den Rand der Verzweiflung zu bringen- und bildet einen tollen Hintergrund für die immer wieder auftauchenden Fragmente aus Normalität und Menschlichkeit.
Der einzige Wehrmutstropfen, den ich erkenne, ist die Zeit, die vergehen wird, bis du den nächsten Teil hochlädst.
Von:  KARIN12
2011-12-06T20:42:59+00:00 06.12.2011 21:42
Ich hab es erst heut geschafft die beiden Kapitel zu lesen und ich muß sagen... die FF gefällt mir. Ich bin absolut kein ItaxDei-Fan, aber das Pair ist mir hier egal, die Story ist sowas von spannend. Eine Antiamerikanische Terrororganisation...
Ich bin auch kein Fan von Polizeikrimis, aber du schreibst es in einer Art und Weise, das man einfach mehr lesen will.
Ich bin schon echt gespannt wie es weiter geht!
Bis dann. KARIN12
Von:  neko_kiara
2011-10-28T13:11:19+00:00 28.10.2011 15:11
Die Geschichte ist klasse *o* Da ist ja richtig Atmosphäre drin, die einen einfach an de Bildschirm fesselt.

Ich frage mich ja was die Typen mit Itachis DNA vorhaben. Da gibt es ja doch mehrere Möglichkeiten. Siekönnten ihm ein Verbrechen anhängen oder ihn klonen oder irgendwas ganz schräges tun.
Es klingt ja so, als würde Deidara Itachi aus einem früheren Leben kennen.
Deinem Kommentar am Ende entnehme ich, dass du prinzipiell bereit wärst diese Geschichte fortzuführen, deshalb sag ich mal, dass ich auf jeden Fall dafür wäre, die Vergangenheit und Zukunft zu dieser Geschichte näher beleuchtet zu sehen.

Und ich möchte mal sagen, dass ich Itachis Wunsch seine Kette wieder zu bekommen vollkommen verstehe. An meinem Schmuck hängen auch weder emotionale noch materielle Werte, aber ich würde ihn mit meiner Handtasche verteidigen. Und wenn ich schon sterben muss, dann wenigstens nicht ohne meine Kette Ò_ó

Die Geschichte mit der deine zusammenhänge soll, kenne ich zwar leider nicht, aber auch so hat mir das Lesen viel Spaß gemacht. *Kekse dalass*

Ich sollte die Geschichte davor wohl mal lesen, dann bekomm ich was zur Vergangenheit, oder?
Von:  Uchan382
2011-10-17T05:58:31+00:00 17.10.2011 07:58
Also auch ich muss sagen, dass ich mich über eine Fortsetzung wirklich freuen würde.
Ich mag deinen Schreibstil und würde mir auch mehr zu diesem Paring wünschen.
Auch bin ich neugierig, warum genau Itachi alles soweit geplant hatte und wieso Deidara soviel durchblicken lassen hat. Es kam mir vor, als wüsste er mehr, als er zugeben wollte.
Noch eine Sache die mich wundert wäre: Warum hat ich die Organisation Itachi ausgesucht, wenn er hier nur ein Streifenpolizist ist? Normalerweise orientieren sich solche Leute doch auf höhere Tiere...
Oder hatte Deidara auch da seine Finger im Spiel?

Ich würde mich ebenfalls sehr über ein Sequel freuen ^-^

lg
Uchan

Von: abgemeldet
2011-09-09T22:07:23+00:00 10.09.2011 00:07
Normalerweise bin ich ja ein Reviewmuffel und du weißt ohnehin, dass ich deinen Schreibstil einfach liebe. Aber wenn du schon explizit fragst, ob eine Fortsetzung erwünscht ist.... Ja!
Ich hatte mich schon unheimlich gefreut, als ich gesehen habe, dass dies als Fortsetzung zu "Die tausend Kirschbäume von Yoshitsune" gedacht ist. Ich fand die Geschichte nämlich phantastisch, bis auf die Tatsache, dass Death-Fics immer ein wenig deprimierend sind.
Wie du den bereits zuvor verarbeiteten Themenkomplex Selbstmord, Schauspielerei und dazu Itachis Pragmatismus noch einmal aufgenommen hast und ihn vom Mittelalter in die Neuzeit gebracht hast, ist wirklich hervorragend. Die Grundstimmung und die Charaktere bleiben erhalten, nur eben sind die Umstände neu.
Andererseits hast du genug neue Aspekte aufgegriffen, um die Geschichte interessant zu machen.
Das Itachi Selbstmord begehen möchte, noch dazu ohne konkreten Anlass, ist angesichts seiner nicht gerade heiteren Persönlichkeit nicht abwegig, aber eben doch nicht naheliegend. Womit ich keinesfalls ausdrücken möchte, dass es OOC ist. Mich amüsiert die Sicht, die Itachi auf das Ganze hat und ich kann seine Gedankengänge gut nachempfinden.
Womit ich gleich zum letzten und wichtigsten Punkt komme- wie vermutlich beabsichtigt sind bei mir noch einige Fragen offengeblieben. Woher und warum weiß Deidara von ihrer gemeinsamen Vergangenheit? Was hat es mit jener ominösen Organisation auf sich und wozu brauchen sie Genmaterial von Itachi? Und warum heißt die Fic "Ein Kuss aus Salz", wenn noch niemand geküsst wurde?
Bitte mehr davon.
Von:  Lelia
2011-08-30T06:02:43+00:00 30.08.2011 08:02
Ich kann nur sagen, mir hats gefallen.

Auch wenn die Idee auf den ersten Blick nicht besonders originell anmutet (Charakter A will sich umbringen, wird dann aber von Charakter B aufgehalten), so finde ich doch dass die Umsetzung gerade in disem Fall sehr gut gelungen ist. Das liegt zum einen daran, dass du deine Charaktere ernst nimmst und zum anderen auch daran, dass du mit deiner Geschichte nicht auf große Effekte aus bist. Zudem ist es hier auch nicht "die große Liebe" die Itachi letztendlich davon abhält Selbstmord zu begehen, sondern sein eigener Unwille zu sterben. (Zumindest wenn ich das richtig gedeutet habe)

Dem kann ich eigentlich auch nur die wirklich passende Atmosphäre der Geschichte anschließen. Sie war... düster, trostlos und wirkte eben wie eine Fahrt in den Tod. Das hat mir gefallen, auch wenn ich normalerweise Selbstmordgeschichten so gar nicht mag.

Zudem gab es hier noch mehrere kleinere Dinge, die mir wirklich sehr gefallen haben. Zum Beispiel, dass Itachi von Beruf einfacher Streifenpolizist ist. Das mag nur ich sein, aber ich habe mir immer vorgestellt, dass wenn Itachi im Manga nicht zu einem Leben als Shinobi gezwunden worden worden wäre, er einen einfachen Beruf für sich ausgewählt hätte trotz all seines Talents. Einfach, weil er den ganzen Ruhm nicht möchte. Noch so eine kleine Sache, die mir gefallen hat, war, dass du Itachi als durchschnittlich attraktiv beschrieben hast. Schönheit ist sicherlich subjektiv und ich kann es keinem verübeln, wenn er Itachi als übermäßig attraktiv eingestuft. Jedoch finde ich es auch mal erfrischend zu sehen, dass er nicht als der Super-Schnönling beschrieben wird.

Eine Sache hat mich an dieser Geschichte aber doch ein wenig gewundert. Itachi ist 32 Jahre alt, weiß seitdem er 17 ist, dass er eines Tages sterben wird/muss und plant seinen Tod einem dreiviertel Jahr. Das bedeutet also, dass er 14 bis bis 15 Jahre lang damit gerechnet hat eines Tages Selbstmord zu begehen oder es vielleicht sogar über all die Jahre schon vorhatte. Das ist eine verdammt lange Zeit und wenn das eines beweist, dann doch wohl, dass er das eigentlich nicht sterben wollte. Ich hätte hier gerne die genaueren Umstände gekannt, auch wenn ich weiß, dass Shisui und Shisuis Tod hier eine Schlüsselrolle spielen. Aber hey, wenn du weiterschreibst, könnte das nicht auch etwas sein auf das du dann näher eingehst?

Alles in allem kann ich auch nur noch sagen, dass es mir sehr gefallen hat und ich mich freuen würde, wenn du weiterschreiben würdest. Du hast ja auch eine Sachen anklingen lassen, auf die du noch näher eingehen könntest. Wie zum Beispiel, die Tatsache, dass diese Taxifahrt auch von anderer Seite schon von langer Hand geplant war. Oder, dass Deidara aus irgendeinem Grund mehr über die damaligen Verhältnisse weiß als Itachi.
Von:  mangacrack
2011-08-23T20:47:02+00:00 23.08.2011 22:47
Endlich komme ich zu diesem Review. Kaum zu glauben, dass man trotz des allpräsenten Internets nicht zum Fanfic lesen und Kommentar schreiben kommen kann.
Vielleicht hätte ich auch noch damit warten sollen, denn irgendwie kann ich mich nicht an das Ende von "Tausend Kirschbäume" erinnern. Ich weiß noch, worum es geht, aber das Ende? Hilfe, auch etwas das ich nachholen muss. Denn zwar dachte ich mir, als ich den ersten Blick auf die Fanfic warf, dass DeidaraItachi nicht allzu glaubwürdig finde, aber da ich von dir nur Geschichten mit hoher Qualität gewöhnt bin, wollte ich zumindest die Mühe, die du dir gemacht hast, unterstützten. Daher gebe ich auch offen zu, dass ich höchst positiv überrascht bin. Einmal von dem nachvollziehbaren DeidaraItachi, der Handlung, dem Setting und dem Schreibstil ... ich könnte noch so einige Dinge auflisten.
Jetzt werde ich mir vornehmen die Prequel hierzu nachzulesen, damit ich die Referenz verstehe. Damals hatte mich, glaube ich auf Grund, dass der Manga eher von dem Gegenteil ausgeht, abgeschreckt, dass Itachi so von Deidara fasziniert war. Daher frage ich mich, die du es trotzdem geschafft hast, eine nachvollziehbare Brücke zwischen den beiden Geschichten und den originalgetreuen Charakteren zu schlagen.
Das Buch, das du erwähnt hast, sagt mir leider nichts. Wie lautet denn der volle Titel? Lese Empfehlungen sind immer schön, auch wenn ich selten dazu komme sie tatsächlich zu verfolgen.

mangacrack


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