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Kakao

von

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Die Dame auf dem Schachbrett

Guten Tag Ihr Lieben :)!

Hier ist das 4. Kapitel von Kakao und damit ist über die Hälfte der Geschichte schon abgeschlossen. Drei Kapitel kommen noch.

Ich hoffe, Ihr habt Spaß beim Lesen und anschließend ein schönes Wochenende!

Liebe Grüße, Eure Lung

____________________
 

„Oh, entschuldige mich,“ sagte Vukan und erhob sich, „Kundschaft.“

Er warf Tim einen bedeutungsvollen Blick zu und entschwand im Labyrinth. Tim lauschte auf seinen Herzschlag und fand sich sonderbar.

„Hallo! Willkommen in Antiquitäten Hellbing,“ erklang Vukans Stimme gedämpft zu ihm hindurch, „Was kann ich für Sie tun?“
 

Tim hörte eine fremde Stimme antworten und trank ein paar Schlucke Kakao, der jetzt genau die richtige Temperatur hatte. Als er den Becher wieder abstellte, entdeckten seine Augen einen grauen Fellball zu seinen Füßen.
 

„Mann, Amor!“, sagte Tim erschrocken, „Langsam find ich dich echt gruselig. Wie lange sitzt du denn da schon?“

Der Kater schwieg und starrte. Tim wurde den Eindruck nicht los, dass Amor ihn tatsächlich für einen Eindringling hielt und ihn loswerden wollte. Vielleicht…war er eifersüchtig?

„Ich werd ja schon wieder gehen, echt. Nur halt noch nicht jetzt gleich. Und ich…ich nehm ihn dir schon nicht weg…,“
 

Amor schien ihm kein Wort zu glauben. Um dem missbilligenden Blick und seinen eigenen Gedanken zu entkommen, griff Tim wieder nach dem Comic.

Nach einer Weile lenkten ihn neuerliche Schritte abermals ab. Offenbar wirkte der Comic-Zauber zwischen all den Antiquitäten nur bedingt. Tim senkte den Comic und lächelte.

Doch statt Vukan stand eine Frau mit braunen Locken vor ihm. Und lächelte zurück.

„Hallo,“ sagte sie.

„Hallo…,“ antwortete Tim unsicher.
 

„Schöner Sessel.“

„Ja. Stimmt,“ Tim dachte einen Moment nach, „Aber er ist nicht zu verkaufen. Ein Familienerbstück.“

„Schade.“

„Ja.“

Sie grinste ihn an.
 

„Und du? Bist du der Wächter des Sessels?“

„Genau,“ Tim nickte salbungsvoll, „Ich pass auf ihn auf. Und ja, der Wollpullover ist meine Uniform.“

Sie lachte leise.

„Das hab ich mich tatsächlich gefragt. Wirklich sehr hübsch. Besonders in Kombination mit dem Comic.“

„Danke sehr.“
 

Aus dem Urwald trat ein großer Mann mit Lederjacke hervor und gesellte sich an die Seite der Frau. Vom Ladentisch war immer noch Vukans Stimme zu vernehmen. Anscheinend telefonierte er.

„Guten Abend,“ sagte der Mann an Tim gewandt, „Oh, was für ein schöner Sessel.“

„Er ist nicht zu verkaufen,“ erklärte die Frau schmunzelnd und deutete auf Tim, „Er bewacht das Familienerbstück.“
 

„Schade.“

„Allerdings. Und wie sieht’s mit den Esszimmerstühlen aus?“

„Er hat gesagt, er könnte sie uns übermorgen bringen lassen,“ erzählte der Mann und nickte, „Er klärt das nur eben mit dem Inhaber ab.“

„Wunderbar!“

Neue Schritte kündigten Vukans Ankunft an. Tims Magen quittierte diesen Umstand mit einem Salto.
 

„Alles geregelt,“ informierte der Antiquitätenjunge das erfreute Paar, „Mein Vater und ich können Ihnen die Stühle übermorgen Nachmittag bringen.“

„Sehr gut, vielen Dank.“

„Gern geschehen. Kommen Sie mit nach vorne? Dann können wir die Papiere fertig machen.“

„Natürlich.“
 

Vukan warf Tim ein Grinsen zu, bevor er den Weg zurück zum Ladentisch einschlug. Der Mann folgte ihm. Die Frau nahm sich noch die Zeit, Tim zu zuwinken.

„Viel Erfolg noch beim Wachen.“

„Danke. Viel Spaß mit den Stühlen.“

Sie lachte.

„Danke schön. Tschüss.“

„Ciao.“
 

Tim nippte an seinem Becher und lauschte den Stimmen von vorne. Erst nach einiger Zeit bemerkte er, dass es nicht mehr gegen die Scheiben pochte. Alarmiert drehte er den Kopf und starrte an der Sessellehne vorbei aus dem Fenster. Tatsächlich, keine Regentropfen mehr. Die Pfützen lagen still und unbeweglich. Er könnte jetzt nach Hause gehen.
 

Aber…da war noch Kakao in seiner Tasse. Außerdem war sein T-Shirt ganz bestimmt noch nicht trocken. Wenigstens einen Augenblick könnte er also noch bleiben. Bis sein Becher leer und sein T-Shirt wenigstens halbtrocken war.
 

Von vorne kamen Dankbarkeitsbekundungen und Abschiedsworte. Kurz danach läutete das Glöckchen. Tims Herzschlag beschleunigte sich, als näherkommende Schritte zu hören waren. Eine Sekunde später ließ sich Vukan schmunzelnd auf seinen Hocker sinken.

„So, das wär’s.“

„Stühle verkauft?“
 

„Ja. Mein Vater wird sich freuen. Gleich sechs auf einmal. Und – unter uns gesagt – nicht gerade billige. Aber sie passen offenbar perfekt zu ihrem Esstisch.“

„Und dafür seid ihr ja da, oder?“

„Richtig.“

„Also, Tim…,“ begann Vukan und griff nach seiner Kakaotasse, „Wie…lange willst du noch bleiben?“
 

Tim schluckte.

„Soll ich… Soll ich gehen?“

„Nein, nein!“, antwortete Vukan hastig und seine Zunge berührte seine Oberlippe, „Im Gegenteil, ich finde es schön, dass du…dass du da bist.“

„Echt?“

„Ja. Ehrlich.“
 

„Cool, ich…ich find’s nämlich auch schön, dass ich hier bin.“

Tim fragte sich, ob er allmählich den Verstand verlor. Warum sagte er solche Dinge? Und warum kamen sie so rasch und einfach aus seinem Mund gekullert?

„Gut,“ sagte Vukan und lächelte wieder. Tim lächelte automatisch zurück.

„Kannst du Schach spielen?“, wollte Vukan dann wissen.

Tim zog die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf.
 

„Nein.“

„Nein? Wieso nicht?“

„Ich hab noch nie Schach gespielt.“

„Noch nie? Wirklich noch nie?“

„Nee.“

„Das ist ja kaum zu glauben.“

„Ich wette, dir hat dein Großvater Schachspielen beigebracht, oder?“
 

Vukan lachte.

„Genau! Du hast wieder richtig geraten.“

„Ich beneide dich. Meine Großeltern sind leider schon vor langer Zeit gestorben. Und irgendwie hat sich Schachunterricht nie ergeben.“

„Tut mir Leid für dich. Hattest du ein gutes Verhältnis zu deinen Großeltern?“

Tim zuckte die Achseln und legte seinen Comic zurück auf das Mahagonitischchen.

„Ich hab sie nur selten gesehen, weil sie alle weit weg wohnten. Also wohl eher nicht. Was ist mit deinen Großeltern mütterlicherseits? Leben die noch in Serbien?“
 

„Ja, wir fahren sie manchmal in den Ferien besuchen. Damit sie auch was von ihren Enkelkindern haben. Aber zu den Eltern meines Vaters hatte ich immer mehr Kontakt.“

„Kein Wunder. Lebt die Mutter deines Vaters noch?“

„Nein, leider nicht. Sie ist kurz nach meinem Großvater gestorben.“

„Wie schrecklich.“

Vukan nickte und seufzte.

„Für meinen Vater war das ziemlich schlimm. Aber sie wollte ohne meinen Großvater nicht mehr leben. Das hat sie sogar angekündigt. Sie sagte, ohne ihn würde ihr Leben keinen Sinn mehr machen. Zwei Monate später war sie tot, obwohl sie eigentlich noch ganz fit war.“
 

„Wahnsinn…,“ flüsterte Tim gedankenverloren, „Das ist schon krass, oder? Ich meine, eine so große Liebe, dass der Tod des einen auch den Tod des anderen bedeutet…,“

Vukan nickte abermals und betrachtete Tim so geistesabwesend und eindringlich, dass dem tatsächlich ein wenig wärmer wurde.

„Ja, das haben wir alle gesagt. Ich glaube, das hat meinen Vater auch etwas getröstet. Also der Gedanke, dass seine Eltern einfach wieder zusammen sein wollten.“
 

Tim nickte ebenfalls. Aber ihm fiel keine gute Antwort ein. Vukans ernster Blick machte ihn stumm. Eigentlich glaubte er nicht an die große, wahre Liebe. Liebe war vergänglich. Das hatte er an seinen Eltern und an seinen eigenen kurzlebigen Beziehungen gesehen. Trotzdem war der Gedanke irgendwie tröstlich, dass es auch anders sein konnte.

„Wie auch immer,“ sagte Vukan plötzlich und schreckte Tim aus seinen Gedanken, „Soll ich dir Schachspielen beibringen?“

Tim blinzelte.
 

„Ähm, ja. Wieso nicht? Aber du musst geduldig sein, ich bin manchmal etwas schwer von Begriff.“

„Das macht nichts,“ grinste Vukan, „Ich erklär dir alles ganz langsam und auch mehrmals, wenn du willst. So kompliziert ist das Ganze eigentlich auch gar nicht. Sobald du erst mal durch die unterschiedlichen Züge durchgestiegen bist, ist der Rest nur noch Übung.“

„Okay. Meinetwegen,“ lächelte Tim.

„Gut!“, Vukan grinste und sprang auf, „Warte kurz, ich hol eben das Spiel.“
 

„Ist es antik?“, rief Tim ihm nach.

„Na klar!“

„Yes!“

Während Vukan davon lief, kuschelte sich Tim grinsend in den Ohrensessel. Schach. Interessant. Bis er dieses Spiel begriffen hatte, sollte sein T-Shirt trocken sein. Dieser Gedanke füllte ihn irgendwie mit Wehmut.
 

Es dauerte nicht lange, dann stand Vukan mit einem karierten Holzkasten wieder vor ihm. Er schob die beiden Becher und Tims Comic beiseite und stellte ihn auf dem Tischchen ab.

„Okay. Wir bauen erst mal auf. Welche Farbe willst du? Schwarz oder weiß?“

„Äh… Schwarz.“

„Gut,“ Vukan klappte den Kasten auf und entblößte eine Menge hölzerner und sehr hübsch geschnitzter Spielfiguren, „Dann bau mal die schwarzen Figuren auf. Mach es mir einfach nach. Also, das ist der König. Er–,“
 

„Wie? Fangen wir jetzt direkt an?“, unterbrach Tim ihn erschrocken.

„Am besten lernt man beim Spielen, finde ich. Es ist ein Trainingsspiel, ich erklär dir dabei alles. Und keine Sorge. Ich mache auch Fehler.“

Tim grunzte.

„Hoffentlich. Ich will mich vor dir nicht zum Volldepp machen.“

Der Antiquitätenjunge lachte und Tims Mundwinkel zuckten unvermittelt. Irgendwie mochte er es, Vukan zum Lachen zu bringen.
 

„Das wirst du ganz bestimmt nicht! Das kannst du gar nicht.“

„Wollen wir wetten?“

„Um Katzenfutter?“

„Nee, auf keinen Fall! Lieber um noch nen Becher Kakao.“

„Einverstanden.“
 

Sie reichten sich grinsend die Hände über den Tisch.

„Gut,“ sagte Vukan dann, „Bauen wir weiter auf. Und hinterher machst du mir Kakao.“

Du wirst mir Kakao machen. Aber schön, mach weiter.“
 

„Okay. Wie gesagt, das ist der König. Er ist die wichtigste Figur im Schach, obwohl er kaum hilfreich ist. Er kann nur einen Schritt in jede Richtung gehen und ist deshalb ziemlich unbeweglich. Er steht hier in der Mitte, immer auf der jeweils anderen Farbe. In deinem Fall also auf weiß. Und das ist die Dame. Sie ist die flexibelste Figur im ganzen Spiel. Sie kann in jede beliebige Richtung laufen und zwar so viele Schritte wie sie will, auch zurück. Sie ist die Coolste von allen. Sie steht neben dem König, auf ihrer eigenen Farbe.“
 

Tim hörte zu und verfolgte, wie Vukan seine weißen Figürchen aufbaute. Er bemühte sich, nach dieser Anleitung seine eigenen Figuren zu setzen und sich alles über ihre jeweiligen Spielzüge zu merken. Allein das verlangte schon eine ganze Menge Konzentration.

„Wieso stehen die unbewaffneten Bauern denn ganz vorn?“, fragte Tim schließlich, während er die kleinsten Figuren aufstellte, „Ausgerechnet die? In einer Schlacht? Die Arbeiterpartei fände das bestimmt schlimm.“
 

Zu Tims Entzücken lachte Vukan schon wieder.

„Keine Ahnung. Das ist halt so. Tradition, wenn du so willst. Außerdem heißt die Aufstellung nicht, dass die Bauern automatisch zuerst geschlagen werden. Du wirst schon sehen.“

„Na gut.“
 

„Also. Bist du bereit? Weiß zieht immer zuerst. Und beim ersten Zug darf einer der Bauern zwei Schritte nach vorne gehen. Normalerweise dürfen sie immer nur einen Schritt gehen. Und immer nur nach vorne, auch nicht zurück.“

„Nur einen?“, fragte Tim empört und sah Vukan zu, wie er einen seiner weißen Bauern zwei Quadrate nach vorne ziehen ließ, sodass er jetzt bereits in der Mitte des karierten Spielfelds stand, „Und nur nach vorne? Das ist ja voll gemein. Da können sie ja kaum was ausrichten.“
 

„Aber sie können!“, grinste Vukan, „Los, du bist dran. Lass einen deiner Bauern gehen.“

Tim suchte sich einen Bauern ganz am Rand aus, um möglichst viel Abstand zu Vukans Initiator aufzubauen.

„Muss man mit einem Bauern eröffnen?“, erkundigte er sich.
 

„Nein, man kann auch einen Springer nehmen. Aber nur den, weil er halt springen kann. Die anderen können sich nicht bewegen, solange die Bauern noch vor ihnen stehen.“

„Seltsam…,“ brummte Tim.

Vukan warf ihm einen belustigten Blick zu. Dann ergriff er eine der Figuren der hinteren Reihe – die Dame, wie sich Tim erinnerte – und ließ sie in einer Diagonalen über das Feld zischen. Mit einem Klacken fiel sein Bauer um.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Shunya
2011-09-09T23:50:44+00:00 10.09.2011 01:50
Hehe, die Katze find ich stark. Die ist wirklich wie ein Schatten überall und man bemerkt sie immer erst im letzten Augenblick.
Todesfälle in der Familie sind schon schlimm. Mein Großvater ist anfang des Jahres gestorben, allerdings hat meine Großmutter es etwas anders aufgenommen, als die in der Geschichte. Sie lässt sich nicht gehen. Mir scheint, als würde sie erst jetzt anfangen richtig zu leben. Na ja, sie hat auch immer ziemlich eingeschränkt gelebt.
Mit Schach kenne ich mich überhaupt nicht aus. ich bin Go-Spielerin, wenn auch nicht sehr gut. Aber es macht spaß. :)
Ich bin schon gespannt auf das nächste Kapitel. Schade, dass es nur noch drei Kapitel geben wird. >.<
Hast du schon Pläne für die nächste Geschichte?
Von:  RockFee
2011-09-09T18:15:04+00:00 09.09.2011 20:15
Ich mag die Geschichte auch sehr. Die Atmosphäre und die Annäherung der Beiden erinnert mich ein bisschen an "Fishing for you" (übrigens eine meiner Lieblingsgeschichten).
Man hat ein bisschen das Gefühl, die Zeit geht langsamer in diesem Laden. Und ich bekomme jedes Mal Appetit auf eine Tasse Kakao.

lg
Von:  Shuu_san
2011-09-09T12:58:37+00:00 09.09.2011 14:58
die geschichte gefällt mir wirklich gut ^.^ die idee ist irwie total nett.während des lesens kann man sich diesen kleinen gerümpeligen antiquitätenladen richtig gut vorstellen,finde ich.die ganze storry wirkt so....ja heimelig ^_^ ich habe mich quasi in diesem laden richtig wohl gefühlt.du beschreibst allles sehr lebendig,nicht nur die oberflächliche handlung,sondern ich kriege das gefühl,als ob ich mit durch das lädchen laufen würde *der hats mir irwie angetan :D*
deine geschichte wirkt sehr ruhig (nix negertieves)und man merkt, du lässt dier die nötige zeit,umgebung und stimmung auszudrücken.behalte das unbedingt bei ^^
tim und vukan passen irwie sehr gut in das ganze(und amor find ich irwie klasse xD)
hmm ja irwie bin ich immer n mieser kommischreiber T_T
egal.ich freu mich wirklich wenn es weiterget ^_^

lg shuu


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