Zum Inhalt der Seite

Dark Circle

von
Koautor:  Caracola

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

62. Kapitel

Die ganze nicht unbeträchtliche Zeit, in der Tennessey nichts sagte oder tat, sondern einfach nur mit geschlossenen Augen dasaß, wagte Ryon kaum zu atmen. Jede Sekunde wartete er darauf, dass sein Freund auf irgendeine heftige Art und Weise auf das Gesehene reagierte, so wie es bei dem Werwolf der Fall gewesen war. Denn selbst wenn Delila früher einmal ein guter Mensch gewesen war, konnte niemand sagen, was sie inzwischen hatte durchmachen müssen. Oder vielleicht hatte er sich auch einfach nur gewaltig in ihr geirrt.

Kein Wunder, dass Ryon beinahe heftig zusammen fuhr, als sein Freund sich lediglich mit einem schweren Seufzen aufrichtete und sich die Augen nachdenklich rieb. Er hätte schließlich mit allem gerechnet, nur nicht damit.

Die Wölfin schien inzwischen ruhig zu schlafen, obwohl Tennessey die Verbindung mit ihr abgebrochen hatte. Zumindest atmete sie langsam und tief, während ihr Gesicht entspannt wirkte.

Obwohl es ihm auf der Zunge brannte, brachte Ryon ein einfaches ‚Und?‘ nicht über seine Lippen. Stattdessen gab er seinem Freund die Zeit, sich selbst über das Gesehene zu äußern und wieder ganz in die Realität zurück zu kehren. Dieser sagte aber nichts, sondern stand schließlich auf, ging zu seiner Arzttasche hinüber und kramte etwas daraus hervor, ehe er zur Tür ging und diese etwas öffnete, um sich eine Zigarette anzuzünden.

Ryon bekam einen schweren Kloß im Hals. Seit wann rauchte Tennessey?

Nachdem der Doc seine Zigarette bis zur Hälfte in tiefen Zügen geraucht hatte, dabei mit ausdruckslosem Gesicht ins Freie starrte und immer noch kein Wort sagte, hielt Ryon es nicht mehr aus und auch Paiges Unruhe war deutlich spürbar.

„Was ist los, mein Freund?“

Tennessey zuckte zusammen, als hätte man ihn gerade aus einer tiefen Trance gerissen. Zuerst sah er die fast aufgerauchte Zigarette in seiner Hand und dann endlich seine beiden Freunde auf dem Stuhl an, ehe er den Glimmstängel ausdämpfte und wegschippte.

„Sagen wir es einmal so.“ Seine Stimme war rau und klang wie ein verrostetes Gartentor.

„Wenn ich diese Boudicca zwischen die Finger bekäme, würde ich ihr Scheibchenweise das Gehirn herausschneiden und an ihre Untertanen verfüttern.“

Und das von dem gutmütigen Charles Tennessey!

Ryon schwieg betroffen. So hatte er seinen Freund noch nie erlebt. So ruhig und doch mit dieser unheimlichen Wut hinter den sonst so freundlichen Augen. Diese Seite an diesem Mann kannte er noch nicht.

Entschlossen sog Tennessey tief Luft in seine Lungen, ehe er erneut zu Delila hinüber ging. Doch anstatt den Platz wieder am Kopfteil der Pritsche einzunehmen, setzte er sich zusammen mit seiner Allroundtasche neben sie und holte ein Stethoskop hervor, mit dem er ihre Atmung überprüfte.

Er lauschte einen Moment, dann sprach er weiter.

„Im Kopf dieser Frau herrscht ein heilloses Durcheinander, aber nach allem, was ich erfahren habe, wundert mich das überhaupt nicht und glaubt mir, ich habe wirklich sehr viel erfahren können. Boudicca ist zu arrogant und selbstsicher, um ihre Machenschaften gründlicher zu verschleiern. Sie glaubt, sie wäre einzigartig und unbesiegbar. Wie sehr sich dieses verdammte Weib doch irrt.“

Tennessey stopfte das Stethoskop wieder zurück in seine Tasche und holte stattdessen eine Lampe und seine Lesebrille daraus hervor. Nachdem er sich Letzteres auf die Nase gesetzt hatte, begann er gründlich Delilas Arme nach irgendetwas abzusuchen, bis er schließlich an mehreren Stellen inne hielt und mit den Fingern darüber strich, ehe er mit seiner Tätigkeit fortfuhr und weiter sprach.

„Wenigstens wissen wir jetzt mit absoluter Sicherheit, dass Boudiccas spezielle Fähigkeit nicht im Kräutermischen und im Auswendiglernen von Zaubersprüchen liegt.“

„Und worin liegt sie dann?“, verlangte Ryon zu wissen, als sein Freund erneut in Schweigen verfiel und nun eine Stelle an Delilas Hals gründlich musterte.

„Was suchst du eigentlich?“

Tennessey ließ sich gründlich Zeit mit seiner Antwort, ehe er die Lampe weglegte und hoch blickte.

„Diese Hexe hat ungefähr die gleichen geistigen Fähigkeiten wie ich. Im Augenblick kann ich allerdings nicht sagen, wie stark sie sind, das werden wir aber spätestens dann herausfinden, wenn ich versuchen werde, den von ihr angerichteten Schaden in Delilas Gehirn wieder zu beheben. Und ich versuche heraus zu bekommen, wie viele Erinnerungen dieser Frau der Wahrheit entsprechen und wie viele davon nur eine Illusion sind.“

„Moment mal. Du meinst, Boudicca kann wie du in den Geist von anderen Menschen eindringen und könnte demzufolge auch der Reihe nach befehlen … einfach Tod umzufallen?“

Dieser Gedanke entsetzte ihn noch mehr, als es der Anblick des sterbenden Werwolfs getan hatte, der gegen Tennesseys Kräfte völlig wehrlos gewesen war.

„Nein.“ Sein Freund schüttelte den Kopf und so etwas wie Erleichterung wollte sich in Ryon ausbreiten. Aber eben nur sehr zögerlich.

„Sie ist, um es Gelinde auszudrücken, ungeübt. Zumindest habe ich bisher diesen Eindruck gewonnen. Denn normalerweise richte ich bei meiner Arbeit nicht so ein heilloses Chaos im Kopf eines anderen an. Sie arbeitet unsauber und teilweise nur rein instinktiv. Außerdem braucht sie bestimmt Körperkontakt, um jemanden mit ihren Gedanken umbringen zu können. Trotzdem sind ihre Kräfte nicht zu unterschätzen. Nur weil sie sie nicht vollkommen unter Kontrolle hat, heißt das nicht, dass sie trotzdem sehr stark sein können.“

Ryon verstand, was sein Freund damit sagen konnte. Boudicca war sozusagen wie ein Kind, dem man eine Waffe in die Hand gedrückt hatte. Ungeübt, aber dennoch gefährlich, wenn nicht sogar noch gefährlicher, als mit der nötigen Erfahrung.
 

Es lief ihr kalt den Rücken hinunter und ihre Schuppen, die sich dort hervor geschoben hatten, klapperten leise, als Ryon seine Gedanken aussprach. Auch Tennesseys Versicherung, dass Boudicca niemanden einfach so tot umfallen lassen konnte, konnte Paige kaum beruhigen. Was vermochte diese Wahnsinnige dann alles mit ihrer Fähigkeit anzustellen? Offensichtlich war es ihr jedenfalls scheißegal, wen und wie stark sie denjenigen verletzte. Ihre Diener waren wie Puppen für ein unartiges Kind. Paige wurde speiübel.

Sie sah sich die nun ruhigen Züge der Wölfin an, die entspannt schlief, während sich Tennessey um sie kümmerte. Die andere Frau war schön. Auch wenn man das unter ihrem verlebten Image kaum erkennen konnte. Sie mochte etwas älter als Paige selbst sein. Aber wahrscheinlich nur ein paar Jahre. Diese Jahre hatten sie allerdings gezeichnet.

Paige dankte dem Himmel dafür, dass ihr diese schwache, gebrochene Frau leid tun konnte. Obwohl sie Ryon mit einem Stück Schaschlickfleisch verwechselt hatte. Obwohl sie ihn hatte...

Sie seufzte und sank ein wenig in sich zusammen.

„Tennessey? Wie... Wie lange wirst du brauchen, um ihr zu helfen?“

Sie wollte eigentlich fragen, wie lange er brauchen würde, bis Delila ihnen wirklich wichtige Fragen beantworten konnte. Fragen, die ihnen weiter helfen würden und sie näher zu Boudicca brachten. Damit sie dieses Miststück endlich erledigen konnten.
 

Ryon wartete ebenfalls gespannt auf eine Antwort. Konnte er Delila überhaupt helfen?

Tennessey hielt eine Weile in seiner Untersuchung inne und betrachtete einfach nur nachdenklich das Gesicht der Gestaltwandlerin. Man sah ihm an, dass es hinter seiner Stirn heftig arbeitete, darum störte Ryon ihn auch nicht. Manche Dinge brauchten einfach ihre Zeit, egal wie wenig man davon hatte.

„Das kann ich momentan nicht genau sagen. Was ich gesehen habe, war nur die Oberfläche von dem, was Boudicca angerichtet hat. Der Schaden könnte noch viel tiefer sitzen und auch rein körperlich ist sie in keiner guten Verfassung.“

Tennessey kniff seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und sah für einen Moment so aus, als ob er gleich jemanden umbringen würde, doch dann nahmen seine Züge wieder die eines fachkundigen Arztes an, der schon vieles gesehen hatte und vielleicht sogar noch mehr, als Ryon überhaupt ahnte.

„Es steht für mich zumindest fest, dass, wenn ich die ganzen Blockaden, Programmierungen und Befehle, die Boudicca in ihren Kopf gepflanzt hat, auflöse, wir vorerst vermutlich nichts mehr mit ihr anfangen können. Ich befürchte nämlich, dass das Werk dieser Hexe der einzige Grund ist, was Delila noch aufrecht gehen lässt. Sie hat…“

Ryons Freund rang offensichtlich um die richtigen Worte, was ihn kein bisschen beruhigte. Ganz im Gegenteil. Immer mehr wollte sich ein grässliches Gefühl in ihm ausbreiten, dass er noch nicht einmal im Ansatz etwas von dem wusste, was Tennessey heraus gefunden hatte.

„Ihre Arme zum Beispiel“ Tennessey strich über die Stellen, an denen er vorhin schon einmal stehen geblieben war.

„Sie hat sehr helle Haut und ihrer Natur zu Folge sieht man sie kaum noch, aber sie hat hier überall verheilte Narben von Bisswunden. Man kann sie mehr fühlen als sehen, aber aus ihrem Gedächtnis habe ich entnommen, dass sie die nicht einfach nur in einem Kampf erlangt hat. Ich kann nicht genau sagen, wer die beiden Werwölfe sind, die ich gesehen habe, da Delila deren Identität verbissen verteidigt hat, aber wenn ich raten müsste, würde ich vermuten, dass sie ihr nahe stehen. Was bedeuten würde, diese beiden Werwölfe haben sie immer wieder auf Boudiccas Befehl hin angegriffen, verletzt und gequält, während sie sich nicht verteidigen wollte und das dürfte natürlich auch an Stellen Narben hinterlassen haben, die man nicht sehen kann. Versteht ihr?“

Tennessey seufzte zum wiederholten Mal schwer und vergrub einen Moment lang sein Gesicht in seinen Händen, um seine eigenen Gedanken neu zu ordnen.

„Ryon, ich weiß, es ist gegen alles, was wir abgemacht haben. Aber ich würde diese Frau gerne an einen sicheren Ort bringen und mich weiter mit ihr befassen. Ich hatte zwar eigentlich mit etwas ganz anderem gerechnet, als ich deine Nachricht erhielt, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Ich gebe zwar keine hundertprozentige Garantie darauf, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Frau nicht unser Feind ist. Vielmehr ist sie ein Opfer, das zum Werkzeug wurde. Aber das kann ich vermutlich beheben und wenn mir das wirklich gelingt, dann bin ich mir sicher, dass wir so einiges erfahren werden, das wir wirklich brauchen können. Immerhin war sie mitten in der Schlangengrube.“

Ryon war unentschlossen. Besser gesagt, kämpfte er mit dem, was er gehört hatte, dem was er wusste und mit dem wofür er verantwortlich war. Er kannte Delila nicht. Wusste nicht, ob sie einfach nur eine riesen Schwindlerin oder doch nur ein unschuldiges Opfer war. Konnte sie ihnen helfen, oder war das eine viel ausgeklügeltere Falle, als sie ihrer Feindin zutrauten?

Nein, er wollte sie auf keinen Fall einfach so aufgeben und die bestehenden Möglichkeiten von Vornherein ausschließen, aber er konnte sie auch nicht in den Schutz ihres Verstecks bringen. Das war einfach zu gefährlich!

Aber andererseits konnte er es auch nicht verantworten, Tennessey außerhalb der sicheren Grenzen ihres Zuhauses zu lassen. Er war nicht nur ein nützlicher Verbündeter, sondern ein bedeutender Freund und gehörte zur Familie. Gott, was sollten sie nur tun?

Fragend richtete er seinen Blick auf Paige und sah sie ernst an.

„Ich würde gerne deine Meinung hören. Was denkst du? Können wir es riskieren, sie in einem unserer Gästezimmer unter zu bringen, das rund um die Uhr bewacht wird, während sie es nicht verlassen darf, bis Tennessey genau weiß, welche Absichten hinter alledem stecken?“
 

Paige war die ganze Zeit über ruhig geblieben, hatte zugehört und versucht ihre Gefühle nicht nach außen zu lassen. Um Ryon nicht versehentlich in Brand zu stecken. Seinen Schoß zu verlassen war dennoch keine Option. Hätte sie es getan, wäre ihre Selbstbeherrschung sicherlich dahin gewesen.

Auch als Ryons Fragen schon lange verklungen waren, sah sie immer noch die Gestaltwandlerin auf der Pritsche an. Dann wanderte ihr Blick zu Tennessey und anschließend zu Ryon. Seltsamer Weise kam ihr das erste Mal in den Sinn, zu fragen, wie lange sie sich kannten. Und wie gut.

Sie waren offensichtlich verliebt. Zusammen glücklich. Und sie hatten ein gemeinsames Problem. Eines, das sehr viel schwerer wog, als diese Entscheidung. Dennoch wollte sich ein Kloß in Paiges Hals bilden, um sie am Antworten zu hindern. Sie sollte ehrlich zu ihm sein.

Erstaunen spiegelte sich in Ryons goldenen Augen, als er hörte, was sie zu sagen hatte.

„Ich weiß nicht, wie gut du diese Frau kennst. Ihren eigenen Worten nach etwas besser als nur flüchtig... Aber das tut nichts zur Sache.“

Entschuldigung lag in ihrem Blick, als sie offen Tennessey ansah, der noch immer neben seiner Patientin saß.

„Es ist nicht so, dass ich nicht gern glauben möchte, dass sie nur ein Opfer ist. Eine Verbündete mehr oder einfach nur eine Informantin, die auf unserer Seite ist, wäre wünschenswert.

Trotzdem bin ich dagegen sie im Haus unter zu bringen. Bewachung hin oder her. Für Ai und Mia wäre es zu gefährlich.“

Paige stand von Ryons Schoß auf und versuchte nicht verunsichert auszusehen. Sie spürte, dass die beiden Männer sich ihre Ausführungen zu Ende anhören würden. Aber sie waren beide anderer Meinung.

„Es gibt eine andere Möglichkeit. Sally hat angeboten den Schutz um das Grundstück zu erneuern. Sie würde ihre Magie bestimmt auch über diese Hütte hier legen.“

Mit angespannten Schultern wartete Paige auf die Reaktion. An sich war sie überstimmt. Aber wenn es sein musste, würde sie Ai und Mia eben zu einer der Hexen bringen, um sie dort in Sicherheit zu wissen. Und sie würde mit ihnen gehen, um sie zu beschützen.
 

Ryon verstand Paiges Einwand nur zu gut. Was die kleine und große Lady anging, kannte auch er keinen Spaß, wenn es um deren Sicherheit ging. Aber er war nun einmal auch niemand, der einem dem anderen vorzog. Für ihn war Tennessey ebenso wertvoll und wichtig und auch wenn er gerne glauben wollte, dass hinter dem freundlichen Gesicht, auch jemand steckte, der sich durchaus zu verteidigen wusste, es genügte ihm nicht. Denn trotz seiner Fähigkeiten war und blieb Tennessey ein Mensch und würde somit in gewisser Weise immer einem Gestaltwandler unterlegen sein, wenn es auf ein urwüchsiges Kräftemessen ankäme.

Müde rieb Ryon sich über die Augen und versuchte den dumpfen Schmerz in seiner Seite zu ignorieren. Was ihn nur wieder daran erinnerte, dass Größe und Kraft alleine nicht den Sieg ausmachte. Schließlich hatte Delila ihn ganz einfach überwältigen können. Vielleicht sollte er seine Meinung doch noch einmal überdenken.

"Ich bin nicht damit einverstanden, dich hier alleine mit ihr zu lassen. Sie ist trotz allem zur Hälfte auch ein Tier und könnte dir schaden."

Tennessey wollte gerade protestieren, doch Ryon ließ ihn mit einer Handbewegung verstummen.

"Nein, hör mir zu. Wenn wir es wirklich so machen, wie Paige gesagt hat, dann will ich, dass diese Frau permanent gefesselt ist, bis klar ist, auf welcher Seite sie steht. Mir ist egal, wie viele Drogen du ihr zur Beruhigung verabreichen musst, solange du keine Sekunde lang gefährdet bist. Hast du das verstanden?"

Sein Freund wollte erneut protestieren, doch Ryon ließ es gar nicht erst so weit kommen.

"Entweder das, oder du wirst mit meiner ständigen Anwesenheit rechnen müssen."

Was das anging, war Ryon zwar ganz und gar nicht begeistert davon, aber sein entschlossener Gesichtsausdruck machte nur zu deutlich, dass er es tun würde. Auch mit seiner Verletzung.

Was blieb dem Doc anderes übrig, als schließlich nachzugeben. Er war zwar nicht erfreut darüber, aber schließlich nickte er.

"Okay. Wenn du mir versprichst, dich so bald wie möglich hin zu legen. Sonst kannst du dich das nächste Mal selbst zusammen nähen."

Beide Männer starrten sich finster an, bis ihre Mienen wieder weicher wurden. Das war ihre Art zu sagen, dass sie sich gegenseitig umeinander Sorgen machten.

"Einverstanden."

Vorsichtig kramte Ryon sein Handy aus seiner Tasche, um Tyler schon einmal ein paar Vorbereitungen treffen zu lassen, damit Tennessey hier für ein paar Tage versorgt war, ohne ständig weg zu müssen.

Als er das erledigt hatte, legte er auf und sah Paige an.

"Ich weiß es ist spät … oder früh. Aber ich will Tennessey hier keine Minute länger, als nötig ohne Sallys Schutz lassen. Es wird Zeit, dass wir ihre Dienste in Anspruch nehmen, nachdem wir ihr vor diesen Typen die Haut gerettet haben." Auch wenn er sich momentan viel lieber einfach nur mit Paige zusammen ins Bett gelegt und einmal ordentlich ausgeschlafen hätte.
 

Paige nickte etwas verkrampft. Das alles gefiel ihr trotz der Einigung ganz und gar nicht. Diese Frau länger als unbedingt nötig in der Nähe der Familie zu wissen, ging ihr absolut gegen den Strich. Von Ryons Nähe ganz zu schweigen. Ein Bild blitzte in ihrem Hirn auf, das ihre Schuppen für eine Sekunde unter ihrer Haut, die Linie ihres Kinns entlang erscheinen ließ.

Mit einem nichts sagenden Blick, den sie mit starker Willenskraft aufrecht erhielt, blickte Paige noch einmal zu Delila hinüber, bevor sie ihr eigenes Handy aus ihrer Tasche holte und nach Sallys Nummer suchte.

Das Gespräch war kurz. Die Hexe war nach dem Vorfall bei ihrem Haus nur zu gern bereit, jede Macht aufzubringen, die sie hatte, um Boudicca endlich das Handwerk zu legen. Die Frauen einigten sich darauf, dass Paige kommen würde, um sie in der nächsten Stunde abzuholen.

Als sie auflegte, sah sie Ryons Augen glitzern.

„Du solltest mit deiner Verletzung nirgendwo hingehen.“ Aber hier bleiben sollte er auch nicht unbedingt. Etwas in Paige brüllte so laut und protestierend dagegen an, dass er in der Nähe dieser ... Fremden blieb, dass Paige kaum ihre eigenen Gedanken verstehen konnte.

„Andererseits weiß ich nicht, ob du hier sicherer bist.“

Sie war sich nicht sicher, ob er die Zweideutigkeit des Satzes verstehen sollte. Eigentlich lag es Paige fern, einen Streit vom Zaun zu brechen, aber ihre Eifersucht hatte sie noch nie derartig unter Kontrolle gehabt.

Mit einem ebenfalls besorgten Blick in die Richtung des Arztes, steckte sie ihr Mobiltelefon wieder ein und machte sich daran zu gehen.

„Passt bitte auf euch auf. Ich werde mich beeilen.“

Damit drückte sie Ryon einen Kuss auf die Schläfe und streichelte seinen Nacken, bevor sie auch schon durch die Tür war und zum Auto stapfte.

„Verdammt. Hör' auf dich wie eine Furie aufzuführen, Paige. Die Frau hat viel durchgemacht.“

Leichter gesagt, als getan.
 

Paige war so schnell draußen, dass er überrascht war. Normalerweise war er nicht so lahm, aber normalerweise hatte er auch kein Loch im Bauch. Daher erwischte er sie erst, als sie schon die Wagentür geöffnet hatte, um einzusteigen.

"Warte kurz, Paige."

Mit so viel Würde, wie er noch aufbringen konnte, humpelte er zu seiner Gefährtin hinüber, zog sie vom Wagen weg und umarmte sie innig.

"Pass bitte auch auf dich auf, ja?" Er schmiegte seine Wange an ihre, ehe er ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen gab und leise flüsterte. "Ich liebe dich. Komm zu mir zurück, so bald du kannst."

Ein weiterer Kuss, dieses Mal leidenschaftlicher und er ließ sie gegen seinen Willen ziehen. Er konnte nicht immer in ihrer Nähe sein, um gemeinsam mit ihr gegen alle möglichen Gefahren zu kämpfen. Das machte Vertrauen wohl aus, aber momentan nagte er schwer daran. Obwohl er sehr wohl wusste, dass er sich auf ihre Fähigkeiten verlassen konnte. Trotzdem.
 

Zurück bei Tennessey und Delila in der kleinen Hütte, ließ er sich schwer auf den Stuhl sinken. Er brauchte einen Moment, bis er den Blick wieder hob und seinen Freund ernst in die Augen sah.

"Erzähl mir, wie du dir ihre Rehabilitation vorstellst. Zeit genug, haben wir ja." Leider. Er wollte zu seiner Gefährtin!
 

Etwas Bittersüßes erfasste sie, als sie Ryon auf sich zuhumpeln sah. Am liebsten hätte sie sich allein für ihre Eifersucht und ihr dummes Benehmen entschuldigt. Diese Seite an sich selbst hasste sie eigentlich zutiefst. Aber gegen Sorge konnte sie trotzdem kaum etwas machen. Bisher hatte noch jeder Mann in ihrem Leben sie enttäuscht und links liegen lassen. Angefangen bei ihrem Vater.

Und obwohl sie genau wusste, obwohl Paige fühlen konnte, dass Ryon sie nicht einfach fallen lassen würde...

Mit zusammen gepressten Lippen setzte sie sich hinters Steuer und fuhr los in Richtung Stadt, um Sally abzuholen. Nach der Verabschiedung war ihre Sorge wegen Delila zwar kleiner geworden, aber das nagende Gefühl, das Ryons Gesundheitszustand verursachte, blieb. Sie wollte die junge Hexe so schnell wie möglich zu der kleinen Hütte und danach auch gleich zum Haus schaffen. Dann konnte sie Ryon ins Bett stecken und wusste auch alle Anderen in Sicherheit.

Gott, wie sehr sie wünschte, dass diese Sache schon vorbei wäre.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yamasha
2018-09-19T16:36:36+00:00 19.09.2018 18:36
Ich hab in den letzten zwei Wochen oder so nichts anderes gelesen als deine drei Gestaltwandlergeschichten. ^^' Sie sind einfach zu spannend :)
Der wahre Grund aber, wieso ich mich grade melde, ist der, dass ich dieser Schlampe von Hexe grad am liebsten den Hals umdrehen würde!!! Dass sie so was Delilah uns Dean und James antut, ist unter aller Sau!!! Ganz im Ernst!!! Ich hasse sie dafür!!!


Zurück