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Adolescent Hellsing

von

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Tag 03 :: Part II - Furioso

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DISCLAIMER

Hellsing gehört tatsächlich IMMER noch nicht mir! Ein Skandal, das!
 

AUTHOR' S NOTES

Was lange währt, wird endlich... äh, gut? Ich will es zumindest hoffen... mit 17 Seiten in Word ist dieser Teil auf jeden Fall der längste von allen.

Ich habe keine Ahnung, wie der Buckingham Palace oder ein Brückenpfeiler der Tower Bridge von innen aussieht. Ich weiß auch nicht wirklich, wie eine Ritterschlagung normalerweise abläuft, und auch nicht, worin die Verbindung zwischen Alucard und der Queen besteht, die im Manga angedeutet wird. Der Chara der Queen, der in dieser FF auftritt, hat natürlich nichts mit der realen Königin von England zu tun, leider kann man der Manga- Queen auch keine besonderen Charakterzüge entnehmen... was soll's. So wichtig ist sie ja nicht... Im Manga ist Sir Penwood übrigens nicht Chef des Geheimdienstes, sondern Lieutnant der englischen Flotte. Pech für ihn - hier bleibt er Geheimdienstchef...
 

Den Charakter Leviathan, seinen Plan, seine Vorgeschichte und Motive habe ich im Laufe der Geschichte vollkommen umgeschmissen, ich hoffe, das bemerkt man nicht allzu stark... und ich hoffe, dass ich alles ihn betreffende einigermaßen logisch darstellen konnte. Wenn nicht, meckert! ^^
 

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Integra schloss die Tür zu ihrem Zimmer hinter sich und holte den nachtschwarzen Anzug, den der Schneider ihr gestern gebracht hatte, aus ihrem Schrank. Während sie sich umzog, wanderten ihre Gedanken wieder zu dem, was Alucard ihr erzählt hatte. Warum hatte Iscariot Leviathan so lange gefangen gehalten? Was war an ihm so wichtig, dass man einen Konflikt mit Hellsing riskierte, um ihn zu liquidieren? Und auf was wartete dieser mysteriöse Vampir, wenn er sich mit Alucard anlegen wollte?
 

"Hermes sollen wieder Flügel wachsen? Was soll das heißen?", murmelte Integra halblaut vor sich hin. Alucard warf nicht wahllos mit Phrasen um sich, er hatte ihr sicherlich etwas damit sagen wollen. Doch sie konnte sich einfach keinen Reim darauf machen.
 

Integra warf einen prüfenden Blick in den Spiegel, rückte noch einmal die schwarze Schleife an ihrem Hals zurecht und befestigte ganz automatisch das goldene Kreuz daran. Sie hatte nie beschlossen, es von nun an immer zu tragen, es fühlte sich einfach richtig an.
 

Im selben Moment rüttelte jemand an ihrer verschlossenen Zimmertür. Integra runzelte die Stirn. Das war Walter, aber warum machte er einen derartigen...

"Integra- sama, seid Ihr da? Wir haben einen Vampiralarm!"

Das Mädchen schrak zusammen, eilte zur Tür und hatte den Schlüssel halb herumgedreht, als sie plötzlich das intensive Gefühl verspürte, beobachtet zu werden. Wie elektrisiert fuhr sie herum, ihr ganzer Körper angespannt.
 

"Alucard? Bist du das?"
 

"... ist alles in Ordnung, Integra- sama?", fragte Walter draußen besorgt. Integra achtete nicht darauf. Das Gefühl einer fremden Präsenz verstärkte sich. Ihre Hand wanderte zu ihrem Jackett und dem darunter liegenden Waffengurt.

"Integra- sama!" Walter klang jetzt eindeutig alarmiert, aber sie wagte es nicht, sich zur Tür umzudrehen, so körperlich spürte sie plötzlich die Bedrohung.
 

"Alucard, das ist nicht witzig!" Mit zitternder Stimme zog sie die Waffe und entsicherte sie mit einem leisen Klicken.
 

Und im selben Moment, in dem hinter ihr die Tür krachend zersplitterte und Walter hereingestürmt kam, verschwand die Empfindung. Der Shinigami fand sie mit gezogener Waffe mitten im Zimmer stehen, die Augen leicht verwirrt auf die Zimmerdecke gerichtet.

"Was ist passiert? War jemand hier?" Schützend stellte sich Walter vor sie und warf argwöhnische Blicke in jede Ecke des Raumes.

"Alles in Ordnung." Hastig und fast verlegen steckte Integra die Pistole wieder ein. "Ich fange wohl an, paranoid zu werden."
 

Doch Walter sah überhaupt nicht beruhigt aus, im Gegenteil. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, brachte er die Neuigkeiten zur Sprache.

"Schlechte Nachrichten, Integra- sama. Unser Freund Leviathan hat offenbar mit einer ganzen Gruppe Vampire die Tower Bridge überfallen. Es gibt mehrere Opfer, die ersten Ghoule sind schon in der Umgebung gesichtet worden. Und überall bei den Getöteten, die nicht zu Ghoulen geworden sind, wurden diese Nachrichten gefunden."
 

Integra warf einen schnellen Blick auf die schaurigen Fotos, die von ihrem Informanten offenbar per Digitalkamera aufgenommen und von Walter in aller Eile ausgedruckt worden waren. Wie schon die Fotos, die ihr heute Mittag von den anderen Sirs gezeigt worden waren, zeigten diese ebenfalls Nachrichten an Alucard, geschrieben mit Menschenblut - doch diesmal lauteten sie schlicht und einfach "Die Zeit ist da.".
 

"An der Tower Bridge? Jetzt?", stieß Integra hervor. Ein Angriff an so einem berühmten und vielbesuchten Ort... es würde schwer sein, die Spuren zu verwischen. Zudem - eine große Gruppe? Seit wann traten Vampire in Gruppen auf? Und warum geschah das alles ausgerechnet JETZT, wo sie längst auf dem Weg zur Queen sein sollte?
 

"Walter, ruf im Palast an, die Einsegnung muss abgesagt werden!" Schon stürmte Integra aus ihrem Zimmer. "Alle verfügbaren Truppen sollen sich sofort zur Tower Bridge begeben!"

"Wir können die Zeremonie nicht einfach wegen einem Angriff verschieben!", hielt Walter dagegen, hinter ihr herhastend. "Die Lage ist prekär, aber nicht dramatisch. Ich habe bereits alle Einheiten auf den Weg geschickt, aber Ihr müsst zum Buckingham Palace. Glaubt mir, Ferguson hat die Angelegenheit unter Kontrolle."
 

Integra hielt inne. Für gewöhnlich konnte man Walters Urteil trauen... und sie wollte ungern nach außen hin den Eindruck erwecken, dass ein einzelner Angriff genügte, um bei der Hellsing- Organisation den Notstand auszulösen.
 

"Also gut. Wo ist Alucard?"

"Ihr habt gerufen, Integra?" Sofort erschien der Vampir aus dem Fußboden neben ihr - offensichtlich hatte er nur darauf gewartet, dass sie ihn rief. Kurz erwog Integra, Alucard nach dem seltsamen Zwischenfall in ihrem Zimmer zu fragen, entschied sich dann aber dagegen. Sie hatten jetzt andere Probleme.

"Geh zur Tower Bridge und mach diesen verdammten Leviathan und seine Vampire ein für alle mal unschädlich. Die Truppen sollen die Ghoule aufhalten und Schadensbegrenzung betreiben."
 

Alucards Augen leuchteten begeistert auf, als er diesen Befehl hörte, doch Walter sah nicht sonderlich erfreut aus - er hätte es lieber gesehen, wenn Alucard Integra und ihn als unsichtbarer Leibwächter begleitet hätte. Angesichts der Lage sah er ein, dass dies das einzig Vernünftige war; als Integra aber an ihnen vorbeihastete und außer Hörweite war, wendete er sich leise an den Vampir.
 

"Beeilt Euch, Alucard- sama, und kommt dann zum Palast. Ich fühle mich nicht wohl bei der Sache."

"Der Shinigami fürchtet sich?" Der No Life King lachte dunkel. "Der einzige ernstzunehmende Gegner für dich oder mich ist in ganz London momentan nur Leviathan, und der hat mich soeben zu einem Rendezvous an der Tower Bridge eingeladen." Spöttisch deutete Alucard mit einem Kopfnicken auf die Fotos, die Walter noch in der Hand hielt und wandte sich zum Gehen. "Und ich spanne ihn ungern noch länger auf die Folter..."

Damit verschwand er, doch seine Stimme hallte in Walters Kopf nach.
 

"... zumindest nicht auf diese."
 

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Viertel vor acht.

Enrico Maxwell saß in der wohlbeheizten schwarzen Limousine und spähte durch die leicht beschlagenen, regennassen Fensterscheiben hinüber zum Eingangstor des Buckingham Palace.
 

Irgendwo auf dem Dach dieses Gebäudes befand sich Leviathan. Und überall auf den Dächern der Gebäude rund um den Palast hatten sich die Kampfeinheiten Iscariots postiert und es dem Vampir unmöglich gemacht, sich ungesehen zu entfernen.

Der letzte Sichtkontakt lag bereits etwa zwei Stunden zurück und von hier unten hatte Maxwell am allerwenigsten eine Chance, sich persönlich von der Anwesenheit des Vampirs zu überzeugen. So blieb ihm nichts anderes übrig als die Garde des Palastes zu beobachten, die, trotz des schlechten Wetters, am Eingangstor auf und ab patrouillierte - nicht ahnend, was über ihren Köpfen und um sie herum geschah. Maxwell lachte humorlos. Kein Wunder, dass dieses Land vor die Hunde ging, bei solchen Sicherheitsvorkehrungen.
 

Es war trotzdem eine delikate Operation, die er hier dirigierte - delikat deswegen, weil die Queen sicher wenig amüsiert wäre, wenn sie erfahren würde, dass Iscariot auf ihrem Dach Vampire jagte. Und wie sehr er auch dieses protestantische Land und seine Regierung verachtete, bevor sie Leviathan nicht unschädlich gemacht hatten, konnte er sich keine Querelen mit irgendjemandem hier leisten - nicht einmal mit Hellsing, die ja bereits ein Ausweisungsverfahren gegen ihn und die übrigen anwesenden Iscariots angestrengt hatten, wie er sich leicht säuerlich erinnerte.
 

Zehn vor acht. Bald musste die zukünftige Sir Hellsing eintreffen, und für Maxwell bestand eigentlich kein Zweifel daran, dass sie es war, auf die es Leviathan abgesehen hatte. Er verstand lediglich nicht, warum. Zwei Jahre lang hatte Iscariot den aus ihren Labors entflohenen Vampir um die halbe Welt gehetzt, und nie waren sie ihm auch nur nahe gekommen. Und nun, urplötzlich, nahm Leviathan Hellsing auf' s Korn, die von seiner Existenz bis dato überhaupt nichts gewusst hatten, und riskierte sein... "Leben", um die amtierende Leiterin zu töten?
 

Nein, Leviathan hatte irgendetwas anderes vor. Vielleicht ging es ja gar nicht um Integra Hellsing, sondern... um der Vampir in ihren Diensten? Ja, das ergab Sinn. Vor schätzungsweise drei Tagen war Alucard reaktiviert worden, vor drei Tagen war Leviathan hier aufgetaucht.

Maxwell verengte die Augen. Das würde bedeuten, Leviathan hatte ganz Iscariot und Hellsing aufgescheucht, nur um sich mit Hellsings Hausvampir anzulegen?

Das konnte auch nicht sein. Er musste noch ein ganz anderes Ziel verfolgen, eins, das sich keiner der Beteiligten träumen ließ. Hatte es etwas mit der immer größer werdenden Meute von anderen Vampiren zu tun, die Leviathan in den letzten zwei Jahren um sich geschart hatte?
 

Maxwell spürte, dass er der Lösung ganz nah war. Meute von Vampiren. Hellsing. Alucard. Hass auf Iscariot... Rache.
 

In diesem Moment gab das Funkgerät, mit dem er sich mit dem Sonderkommando in Verbindung hielt, knackende Geräusche und schließlich die aufgeregte Stimme des Einsatzleiters von sich. Maxwell fluchte, als ihm die Lösung, die er gerade fast gehabt hätte, wieder entglitt. Doch noch lauter sollte er fluchen, als er hörte, was der Einsatzleiter zu sagen hatte.
 

"Pater Maxwell! Eine Meldung von einem unserer Spione! Wir sind hereingelegt worden, Leviathan ist längst nicht mehr hier! Er hat die Tower Bridge angegriffen! Die Hellsing- Truppen sind auf dem Weg dorthin!"

"WAS sagen Sie da?" Maxwell setzte sich kerzengerade auf. Das warf seine Überlegungen von vorhin gehörig über den Haufen.

"Er ist an der Tower Bridge, wir müssen ihn aufhalten! Ich rufe sofort die Truppen zusammen!"

"Moment mal.", mischte sich da Ezechiels Stimme ein, während Maxwells Gedanken noch rasten und nach einer Erklärung für Leviathans Verhalten suchten. "Hat ihn jemand definitiv identifizieren können?"

"Wie groß muss die Horde von Ghoulen und Vampiren sein, um Sie zu überzeugen, Ezechiel? Außerdem hat er den Hellsing- Vampir dorthin zu ihrem... Duell beordert, oder was immer er überhaupt plant!"
 

"Schluss jetzt.", schaltete sich Maxwell wieder ein. "Wir können weder diesen Aufruhr dulden, noch Hellsing diese Angelegenheit überlassen. Alle Truppen sollen sich vom Palast zurückziehen und sich unverzüglich um die Angelegenheit kümmern..." - Maxwell spürte regelrecht, wie Ezechiel zum Protest ansetzte - "... bis auf Pater Ezechiel, der auf seinem Posten bleibt, und mich. Überlassen Sie Hellsing die Ghoule und die verbündeten Vampire und kümmern Sie sich nur um Leviathan. Ihm ist sich nur mit äußerster Vorsicht zu nähern! Versuchen Sie ihn in ein Siegel zu sperren, bevor Sie angreifen."

"Verstanden.", erklang Ezechiels Stimme kurz angebunden, bevor er sich ausklinkte. Doch der Einsatzleiter war noch nicht fertig.

"Was tun wir, wenn wir auf den Hellsing- Vampir treffen?"

Maxwell lächelte dünn.
 

"Was schon. Eliminieren."
 

Entschlossen den Kontakt unterbrechend, lehnte Maxwell sich in seinen Sitz zurück. Ezechiel schien ebenfalls zu ahnen, dass hier etwas nicht in Ordnung war... also war er nicht der einzige, der Leviatans plötzlichen Angriff auf die Tower Bridge eher misstrauisch verfolgte. Und falls er mit seiner Vermutung richtig lag, brauchte er hier zumindest eine verlässliche Kraft.
 

Der Rückzug der Truppen ging bewundernswert schnell und kaum merklich vor sich. Als die unscheinbaren Lieferwagen, in dem sich Iscariots Sonderkommando verbarg, abfuhren, war es erst kurz vor acht Uhr. Und kaum war der letzte Wagen außer Sicht, als eine schwarze Limousine auf der Straße auftauchte und direkt vor das Haupttor vorfuhr. Die Garde öffnete das Gatter.
 

Hellsing.
 

Maxwell richtete sich auf. Es ging los.
 

"Ja, tatsächlich, es geht los, Pater Enrico Maxwell.", erklang da eine leise, rauhe Stimme ganz nah hinter ihm. Kalter Stahl presste sich gegen seinen Nacken. "Und wir wollen doch ungern etwas verpassen, nicht wahr?"
 

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Alucard war begeistert. Wobei dies wohl eine Untertreibung war, denn der Zustand, in dem er die schier zahllosen Vampire erschoss oder anderweitig aus dem Weg räumte, kam eher einem mörderischen, blutigen Verzückung gleich.
 

Um ihn herum war die Hölle los, doch das konnte ihm nur Recht sein. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wurde ihm wieder die Möglichkeit gegeben, sich richtig auszutoben, und seiner Meinung nach hatte er noch mehr als genug Zeit für ein gepflegtes Gemetzel, bevor er diesen Emporkömmling Leviathan in seine Schranken verwies. Schneller als das menschliche Auge es wahrnehmen konnte, jagte er den sich zurückziehenden Vampiren hinterher und erlegte sie, bevor sie das Gebäude - den zweiten Brückenpfeiler der Tower Bridge - auch nur erreicht hatten. Böse grinsend sah Alucard an dem Turm hoch. Dort oben wartete Leviathan, er konnte ihn mehr als deutlich spüren.
 

Die Brücke war mittlerweile weitläufig abgesperrt worden. An beiden Ufern der Themse tummelte sich eine Mischung aus völlig verängstigten Augenzeugen und Schaulustigen, verwirrten Polizisten und den Hellsing- Truppen, die nach Kräften versuchten, die freilaufenden Ghoule zu eliminieren und gleichzeitig versuchten, das Geschehene mit einer öffentlichkeitsfähigen Entschuldigung für das Chaos zu vertuschen. Mit ihrem Armee- Look schufen sie jedoch mehr Angst und wilde Vermutungen, als dass sie Ruhe verbreiteten... und die wilden Schießereien auf und an der Brücke machten es nicht besser.
 

Alucard war dies alles herzlich egal. Er hatte seinen Gegner aufgespürt und wenn bei der Konfrontation ganz London draufgehen sollte... wo gehobelt wird, fallen bekanntlich Späne.
 

"Es wird Zeit, dass du dich zeigst... ,mein Freund'.", bemerkte der No Life King mit seiner charakteristischen Grabesstimme, noch immer am Eingang des Pfeilers wartend - er wusste, dass der andere ihn auch so hören konnte. "Erspare uns beiden die Schande, dass ich heraufkommen und dich holen muss. Ich erwarte mehr von einem deiner Klasse."
 

Keine Antwort, nicht mal eine Regung. Und doch konnte er die Anwesenheit des mächtigen Vampirs dort oben sehr deutlich spüren. Er WAR hier - wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, hätte er Integra und Walter niemals alleine zum Palast fahren lassen. Nicht, nachdem Leviathan angekündigt hatte, ihn von Hellsing zu "befreien", was nur eins bedeuten konnte. Es war ihm zwar selbst etwas eigenartig vorgekommen, dass Leviathan den Zeitpunkt ihrer Konfrontation dermaßen vorgezogen hatte, und das ohne seine Ankündigung wahr zu machen, aber wahrscheinlich brannte ihm durch die Verfolgung durch Iscariot UND Hellsing der Boden unter den Füßen.
 

Allerdings gab es auch eine andere, ganz simple Erklärung...
 

Zum ersten Mal beschlich Alucard die Vermutung, dass er möglicherweise einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Doch diesen Gedanken ließ er noch nicht zu. Gereizt aufgrund seiner eigenen plötzlichen Unruhe betrat er den Pfeiler und war in wenigen Momenten dort, wo die Präsenz des anderen Vampirs am deutlichsten zu spüren war.
 

Der Raum war leer.

Leviathan hatte ihn hereingelegt.
 

Und im selben Moment, in dem ihn diese Tatsache mit der Wucht eines Vorschlaghammers traf, verschwand auch die Präsenz, die ihn hergelockt hatte.
 

Alucard wurde selten wirklich wütend. Dazu waren sowohl seine Gegner als auch seine Verbündeten einfach zu schwach und unwichtig. Dass ihn aber jemand auf diese Weise hinter' s Licht führte, war mehr, als Alucards Stolz zuließ. Leviathan war offensichtlich in der Lage, seine Präsenz auf Wunsch vollkommen auszulöschen und an beliebigen Orten vorzutäuschen, während er tatsächlich ganz woanders war... etwas, das er, Alucard, nicht konnte. Und für gewöhnlich zog er es nicht in Betracht, dass irgendwer ihm in irgendetwas überlegen sein könnte.
 

Die logische Konsequenz daraus war, dass Integra sich in Lebensgefahr befand.
 

Alucard grollte. Jetzt war er WIRKLICH sauer. Seine Casull nachladend stürmte er auf den Ausgang zu - und prallte hart zurück, als er gegen eine unsichtbare Wand zu laufen schien.
 

"XIII. Division des Vatikans, Iscariot! Deine Flucht ist vorbei, Leviathan! Überantworte dich dem Gericht des HERRN!"
 

Ungläubig starrte Alucard die unsichtbaren Wände des Gefängnisses an, das die Iscariot- Priester mit ihren geweihten Schriften um den gesamten Pfeiler errichtet hatten. Leviathan hatte all das geplant! Iscariot hielten *ihn* für Leviathan! Und jetzt saß er in dem für ihn bestimmten Gefängnis... während Leviathan alle Zeit der Welt hatte, den Palast anzugreifen.
 

Alucards Mundwinkel verzogen sich zu einem humorlosen Lachen.
 

"Mein ,Freund'... jetzt hast du mich wirklich, wirklich böse gemacht."
 

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Das Foyer des Buckingham Palace sah nach Integras Meinung gar nicht so anders aus als das von Hellsing Manor - natürlich war alles sehr viel größer, heller und insgesamt königlicher, aber die Grundstruktur war ähnlich. Eine breite, elegant geschwungene Treppe gegenüber der Eingangstür führte auf eine Galerie, die durch den ganzen Raum verlief; geradeaus weiter lief sie auf eine große, reich verzierte Flügeltür zu. Dahinter lag ein weitläufiger, nach rechts und links verlaufender Flur.

Es war lange her, dass Integra zuletzt hier gewesen war, und sie kannte nicht mehr als das Foyer. Damals war dieses von wichtig aussehenden Leute und Stimmengewirr erfüllt gewesen, doch nun war der Palast bis auf einige Bedienstete und die allgegenwärtigen Gardisten nahezu ausgestorben - Hellsing *war* eine Geheimorganisation, und nichts, was sie betraf, wurde an die große Glocke gehängt.
 

Integra fühlte, wie ihre Angst und Sorgen wieder an ihr heraufkrochen, während sie den Flur nach links entlanggeführt wurden und zielstrebig die Flügeltür ganz an seinem Ende anstrebten. Liebend gerne hätte sie wie früher Walters Hand ergriffen (früher? Vor einer knappen Woche!), doch sie riss sich zusammen. Vor ihnen öffnete sich nun wie von selbst die Tür und gab den Blick auf eine lange Tischreihe in C- Form frei, die Öffnung ihr zugewandt. An den Seiten saßen die ihr nun bekannten Sirs sowie etwa noch einmal so viele Leute, die sie nie zuvor gesehen hatte, sowie mehrere bewaffnete Bodyguards unauffällig im Hintergrund. Und in der Mitte, etwas erhöht, die Queen.
 

Integra straffte sich und machte einen entschiedenen Schritt in den Raum. Acht Uhr. Irgendwo auf dem Gang ertönte der Gongschlag einer Uhr, und von draußen war gedämpftes Glockenläuten zu vernehmen.
 

Die Queen sah auf. "Willkommen, Integra Wingates Hellsing. Komm herein."
 

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Acht Uhr. Irgendwo in der Nähe läutete eine der zahllosen Londoner Kirchen die Glocken.
 

Ezechiel kniff die Augen zusammen und wischte den Tropfenschleier aus seinen Wimpern, während er angestrengt das Tor beobachtete. Mittwoch, 10. November, acht Uhr, kalter Nieselregen. Selbst vor dem Londoner Buckingham Palace war unter diesen Umständen kaum etwas los; bis auf die unermüdlich patrouillierende Garde war niemand zu sehen.
 

Niemand außer der Garde... und der schwarzen Schemen, die plötzlich an der erleuchteten Wand des Palastes herabkrochen und systematisch und blitzschnell damit begangen, einzelne Gardisten anzufallen und ihnen nahezu lautlos das Genick zu brechen.
 

Ezechiel sprang auf.

"Pater Maxwell, bitte melden! Der Palast wird angegriffen!"
 

Keine Antwort, nur Rauschen erklang aus dem kleinen Funkgerät. Ezechiel warf einen hastigen Blick auf die Limousine unten in der menschenleeren Straße. Nichts rührte sich. Die vampirischen Angreifer hatten bereits die gesamte Garde am vorderen Tor erledigt und schleiften sie nun außer Sicht eines jeden möglichen Beobachters. Ezechiel konnte nicht anders, als ihre Präzision zu bewundern. Das war kein wahlloses Gemetzel, wie es sonst für Vampire üblich war. Niemand war gebissen worden, also auch kein Ghoul, der außer Kontrolle geriet. Diese Vampire arbeiteten wie ein Team von Profikillern mit übersinnlichen Kräften - oder wie willenlose, tödliche Puppen, hinter denen ein berechnender Fadenzieher stand.
 

Das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut. Wenn ein Angriff auf die Queen durch einen Vampir erfolgte, den man nachweislich bis zu Iscariot zurückverfolgen konnte... der Priester hob die MP auf, die ihm der Einsatzleiter vor ihrem Rückzug dagelassen hatte, löste die Sicherung und wendete sich im Laufschritt zum Treppenhauseingang. Dabei rief er noch eine Nachricht in das Funkgerät.
 

"Ezechiel an alle Einheiten, bitte melden! Wir brauchen sofort Verstärkung am Palast!"
 

Doch der Priester kam nicht einmal bis zum Treppenhaus. Um ihn herum wurden die Schatten lebendig.
 

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Bis jetzt, so fand Integra, hatte sie sich das Ganze schlimmer vorgestellt als es sich jetzt darstellte. Nachdem zwei Sirs einige kurze Worte über die bisherige Arbeit so wie abermals ihr Bedauern über Arthurs Tod verlauten lassen hatten (zu ihrem eigenen leisem Erschrecken fühlte Integra kaum noch etwas bei der Erwähnung ihres Vaters - zu viel war in dieser kurzen Zeit geschehen), hatte die Queen das Wort an sie gerichtet - freundlich und rücksichtsvoll, gleichzeitig aber auch ernst und durchaus kritisch, sodass Integra nie das Gefühl hatte, dass die Queen sie innerlich nicht als gleichwertigen Gesprächspartner ansehen könnte.
 

"Wie ich höre, gibt es gerade in diesem Augenblick einen Angriff von Vampiren an der Tower Bridge.", bemerkte die Queen nun. Eine kaum merkliche Unruhe machte sich unter den Anwesenden breit, einige zuckten erstaunt zusammen, einige nickten wissend, einige tuschelten aufgeregt miteinander.

"Das ist richtig, Majestät." Integra senkte kurz den Kopf und biss sich auf die Lippen. Dass dieser verfluchte Leviathan ausgerechnet *jetzt* Terror machen musste! "Es handelt sich um einen etwas komplizierteren Fall, da der Drahtzieher offenbar eine ganze Gruppe von anderen Vampiren kontrolliert. Die Situation ist aber weitestgehend unter Kontrolle."

Das war völlig aus der Luft gegriffen - sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie die Lage an der Tower Bridge aussah. Doch die Queen schien sich gar nicht so sehr für die Details oder die Drahtzieher des Aufruhrs zu interessieren.

"Daraus schließe ich, dass sich die Trumpfkarte Hellsings zur Zeit ebenfalls dort befindet. Wie schade, ich hatte gehofft, ihn vielleicht heute Abend wiederzutreffen."
 

Überrascht hob Integra den Kopf wieder und versuchte ihr Erstaunen zu unterdrücken. Sie hatte nie gewusst, wie die Queen eigentlich zum Thema Alucard stand, doch dass die sie ihn persönlich zu kennen schien, hätte sie im Leben nicht erwartet.

"Verzeiht, Hoheit.", antwortete sie leicht verwirrt. "Ich kann ihn gerne ein andermal herschicken..." Herrje, wie idiotisch das klang!

Doch die Queen winkte nur leicht lächelnd ab, das Thema damit abhakend. Dann stand sie unvermittelt auf. Ein Diener mit einem prachtvollen Schwert in der Hand trat neben sie. "Also dann. Tritt näher."
 

Mit klopfendem Herz kniete Integra vor dem thronähnlichen Stuhl der Queen nieder und fühlte, wie die Schwertspitze leicht zuerst ihre rechte, dann die linke Schulter und schließlich ihren Kopf berührte.
 

"Steht auf, Sir Hellsing."
 

Integra tat wie ihr geheißen, und die Queen befestigte ein Abzeichen - das hellsing- Wappen - über der linken Brusttasche ihres Anzuges. Integra wollte schon zurücktreten und sich verbeugen, da strich die Queen schnell und kaum merklich über ihre Wange.
 

"Sei vorsichtig, junger Sir.", sagte sie so leise, dass nur Integra es hören konnte, und lächelte warm. Integra antwortete ebenfalls mit einem Lächeln, wenn auch etwas verlegen.
 

Nur Sekundenbruchteile später peitschte ein Schuss durch den Raum, der Integras Kopf lediglich verfehlte, weil sie nun doch leicht verbeugt hatte. Sie konnte spüren, wie die Kugel millimeterweit über ihren Kopf hinweg- und an der Queen vorbeifauchte. Ihr gegenüber zersplitterte ein Fenster.
 

Das Tohuwabohu, das ausbrach, war kaum in Worte zu fassen. Alle sprangen von ihren Sitzen auf, die Bodyguards zerrten die Queen unsanft in ihre Mitte und wichen langsam zu der Tür im hinteren Teil des Raumes zurück, während sie das Feuer auf die Angreifer eröffneten. Walter war in Gedankenschnelle bei Integra, zerrte sie auf die Füße und ging hinter der riesigen Lehne des Stuhles in Deckung, auf dem die Queen vorhin gesessen hatte.
 

"Integra- sama!", rief er panisch und beherrschte sich gerade noch, die geschockt ins Leere starrende Integra zu schütteln. "Seid Ihr verletzt?"

"Nein... nein." Das Leben schien in Integras Augen zurückzukehren. Sich aus Walters Griff lösend und ihre Waffe ziehend spähte sie hinter dem massiven Stuhl hervor.
 

Was sie sah, ließ sie abermals erstarren. Die Tür zum Flur stand sperrangelweit offen, und an der gesamten Wand, in der sich die Tür befand, kauerten Vampire an den Wänden, jeglichen Gesetzen der Schwerkraft trotzend und auf alles feuernd, was sich im Raum bewegte.
 

Und es bewegte sich nicht mehr allzu viel, wie Integra feststellen musste. Die Queen war sofort von den Sicherheitskräften evakuiert worden, doch die mehreren toten Bodyguards auf dem Boden verrieten, zu welchem Preis. Sie zählte außerdem drei weitere Männer, die es nicht bis zur Tür geschafft hatten, sowie zwei, die in ihrer Panik den Blutsaugern direkt in die Arme gelaufen waren.
 

Walter stieß einen Fluch aus. Die Sicherheitskräfte hatten die Tür verriegelt, durch die sie geflohen waren, und vor der anderen lagerte die Horde der Vampire. Sie saßen in der Falle, und die Tatsache, dass keiner der Angreifer Anstalten machte, die Flüchtigen zu verfolgen, zeigte deutlich, dass diese ohnehin nur ihnen allein gegolten hatte.
 

Der Shinigami kalkulierte blitzschnell ihre Chancen. Wären ihre Gegner Ghoule gewesen, so hätte er sich relativ wenig Sorgen gemacht. Doch dies waren bewaffnete Vampire, eine ganze Horde, von denen einige sicher uneinschätzbare Fähigkeiten besaßen... und Walter hatte noch nie gegen so viele auf einmal gekämpft. Er brannte darauf zu erfahren, wie Leviathan es geschafft hatte, so viele seiner Artgenossen für sich zu gewinnen.
 

Zunächst allerdings galt es zu überleben. Noch wagte sich keiner der Horde nahe genug an sie heran, als dass Walter sie mit seinen todbringenden Drahtfäden hätte erreichen können. Doch die Untoten krochen nun an beiden Wänden und sogar an der Decke weiter in den Raum hinein, langsam den Kreis um sie schließend. Es mussten um die dreißig von ihnen sein.

Integra beobachte die Vampire mit aschfahlem, wutverzerrten Gesicht und umklammerte ihre Waffe so fest, dass ihre Knöchel weiß hervorstachen.

"Ihr gottverfluchten Biester!", fauchte sie, die Waffe auf einen Vampir direkt über ihr anlegend. Sie hätte geschossen, wenn Walter sie nicht zurückgehalten hätte.
 

"Wartet, Integra- sama!" Mit einem Kopfnicken deutete Walter zur Tür, wo in diesem Moment ein weiterer Vampir erschien. Ohne dass er irgendetwas sagen musste, wussten beide sofort, dass dies Leviathan war.
 

Integra starrte ihn schweigend an, während sie seine Präsenz beiläufig als dieselbe erkannte, die sie vor kaum einer Stunde in ihrem Zimmer gespürt hatte. Zum ersten Mal zeigte sich der Rädelsführer des Ganzen also, und er bot einen schrecklichen Anblick.
 

Leviathan war kein obskures, außerirdisches anmutendes Monster, ebenso wenig wie ein halbverwestes, ghoulisches Ungeheuer. Tatsächlich sah er, so wie Alucard, fast menschlich aus - doch sein ganzes Gesicht war von einem grausigen Narbengeschwulst entstellt. Auch seine Hände wiesen Spuren von alten Wunden auf, einige Finger fehlen gar oder schienen gebrochen und wieder falsch angewachsen zu sein. Leviathans Gesicht war hager und ausgezehrt, und in seinen roten Augen flackerte ein unheimliches, schwefelgelbes Glimmen. Sein schulterlanges, graues Haar fiel wirr und strähnig auf den schwarzen Kapuzenumhang, unter dem sich eine verschlissene schwarze Kutte verbarg, die trotz seiner beachtlichen Körpergröße bis über seine Füße fiel.
 

Außerdem - und dies lenkte Integra sofort von einer weiteren Betrachtung ihres Feindes ab - hielt er den reglosen Körper Enrico Maxwells in den Armen. Blutüberströmt und mit leerem Blick hing das Oberhaupt Iscariots in Leviathans Fängen - doch seine zusammengebissenen Zähne, die verkrampften Hände und ein kaum wahrnehmbares Stöhnen verrieten, dass noch Leben in ihm war.
 

"Monster!", fluchte Integra heiser, sprang auf und feuerte auf Leviathan. Ohne ersichtliche Mühe wich ihr Gegner der Kugel aus und tauchte über ihr an der Decke stehend wieder auf.
 

"Nicht so hitzig, junges Fräulein. Du bist noch früh genug an der Reihe."
 

Damit ließ er den Iscariot einfach fallen. Hart schlug Maxwell vor ihnen auf dem Boden auf und krümmte sich, abermals stöhnend. Integras Wut loderte wieder auf. Sie hasste Maxwell, aber Vampire hasste sie noch viel mehr. Während Walter sich zur Verteidigung aufrichtete, kroch sie zu dem benommenen Maxwell herüber und suchte seinen Hals nach einer Bisswunde ab - wenn er sich jetzt auch noch in einen Ghoul verwandeln sollte...
 

"Fass... mich nicht an!" Ihre Vorsichtsmaßnahmen missverstehend schlug Maxwell ihre Hand beiseite und richtete sich schwerfällig auf.

"Oh, Pater Maxwell, noch immer so überheblich?", meldete sich Leviathan wieder zu Wort. "Und hier dachte ich, du hättest deine Lektion gelernt."
 

"Was willst du überhaupt, Leviathan?", rief Integra erbost. "Alucard ist nicht hier!" - ,...und es wäre verdammt gut, wenn sich das bald ändert', fügte sie in Gedanken leicht panisch hinzu - "Warum greifst du uns an? Und was macht ER hier?" Anklagend zeigte sie auf den Iscariot. Walter nickte ihr unmerklich zu - Zeit schinden, bis Alucard bemerkte, was hier im Gange war; so lautete die Devise jetzt.
 

Oder war es möglich... - Integra erstarrte bei dem Gedanken - ... dass Leviathan Alucard längst unschädlich gemacht hatte?
 

"Natürlich ist Alucard nicht hier, ich habe ihn schließlich selbst weggelockt. Ich hatte allerdings angenommen, dein Schoßhündchen hätte dir längst alles über mich erzählt, *Sir* Hellsing.", spottete Leviathan von oben. "Über mich und meinen lieben Freund Maxwell. Du musst wissen..." - von einem Augenblick zum anderen stand er wieder vor ihnen auf dem Fußboden - "... der gute Maxwell sucht verzweifelt nach einem neuen, möglichst effektiven Mittel, Vampire zu töten. Und da dachte er sich, warum fangen wir uns nicht einfach einen und testen ein wenig an ihm herum? Wir können ja mal rausfinden, wie lange man an einem Vampir herumschneiden und -schnippeln kann; wie stark seine Regenerationskräfte wirklich sind, nicht wahr? Oh ja! Das Ergebnis steht vor euch!"
 

Integra ließ ihren Blick über Leviathans vernarbten, verstümmelten Körper gleiten. Darum also hasste Leviathan Maxwell dermaßen... beinahe hatte sie Verständnis für ihn.
 

"Sag schon, Maxwell.", setzte Leviathan dazu. "Dieses Projekt, das ihr in euren Labors plant... das Projekt "Regenerator"... wie viele Erkenntnisse dafür habt ihr aus den Experimenten an mir gewonnen? Und, gibt es schon Erfolge? Wenn ja, würde ich die Person gerne einmal treffen!"
 

Integras Gedanken rasten. Maxwell forschte an einem Mittel, um Menschen dieselbe Regenerationsfähigkeit wie die von Vampiren zu verleihen? Was plante Iscariot da alles, von dem sie nichts wussten?
 

"Aber das ist immer noch nicht alles, nicht wahr?" Leviathan war in Gedankenschnelle bei ihnen, riss Maxwell hoch und schleuderte ihn gegen die Wand. "Ich war euch noch zu viel mehr nützlich. Der liebe Pater hier warf nämlich neidische Blicke auf diese Organisation in England, und wie einfach sie die Blutsaugerplage mit ihrem eigenen Vampir eliminieren konnten. Und so hat er damit begonnen, das Cromwell- Siegel zu erforschen... und an mir zu testen. Mit mäßigem Erfolg, möchte ich hinzufügen."
 

"Das ist nicht wahr.", keuchte Maxwell. "Wir haben das Cromwell- Siegel erforscht, um herauszufinden, welche Kräfte Alucard an Hellsing binden, und nicht, um es selbst anzuwenden."
 

Kalt sah Leviathan ihn an. "Leugne, wenn dir das deinen Seelenfrieden bewahrt. Ich muss dir trotzdem danken. Was ihr an mir getestet habt, habe ich, kaum dass ich frei war, perfektionieren und erfolgreich anwenden können... Oder wie erklärst du dir, dass mir so viele durchaus mächtige Vampire folgen? Ja, schaut nicht so ungläubig. Auch ein Vampir kann so etwas tun." Er deutete auf die Blutsauger an den Wänden und an der Decke. "Sie hassen mich, oh, ihr wollt gar nicht wissen, wie sehr. Aber sie müssen mir gehorchen. Ist das nicht witzig?"
 

Sein Gelächter wurde abrupt unterbrochen, als ein peitschender Schuss ertönte und eine Kugel in seinen Brustkorb eindrang. Mit einem ungläubigem Husten verschwand Leviathan und entkam so den anderen beiden Schüssen, die Integra auf ihn abfeuerte.
 

"Halt dich geschlossen und friss Staub, Abschaum.", stieß Integra zwischen den Zähnen hervor. "Das sind keine normalen Kugeln. Sie bestehen aus dem Silber des gesegneten Kreuzes aus der Lancaster- Kathedrale."
 

Leviathan, nun wieder unter der Decke stehend, starrte sie fast verwundert an und lachte dann wieder auf. "Aber Kindchen! Kindchen, Kindchen! Was denkst du, haben *mir* die Jahre in Iscariots Folterkammern wohl gebracht?"
 

Alle fuhren zusammen, als Leviathan unvermittelt mitten unter ihnen auftauchte, Integra die Waffe entriss und fortwarf. Entsetzt stolperte sie zurück.
 

"Resistenz gegen Firlefanz wie diesen." Wieder verschwand der Vampir, als Walter eine schnelle Bewegung machte und sich hauchdünne, tödliche Drahtseile um ihn legten. "Geheiligte Silberkugeln? Ein Witz! Ich musste noch ganz andere Dinge durchstehen... und auch mit deinem Nähgarn kannst du mich nicht verletzen, Shinigami. Iscariot hat mich bestens für diesen Kampf ausgerüstet! Noch einmal... vielen Dank, Maxwell."
 

Gedankenverloren, fast träumerisch schwieg er einen Moment.
 

"Aber nun wird es Zeit, dass wir dieses nette Meeting hier beschließen, bevor das Hellsing- Hündchen sich befreit." Gemächlich zog Leviathan seine eigene Waffe.
 

Alucard lebt also!, schoss es Integra durch den Kopf. Noch bestand Hoffnung.

"Aber was willst du denn eigentlich, verdammt noch mal!?", schrie sie ihn wütend an. Zeit, Zeit, sie brauchten mehr Zeit!
 

Leviathan hielt erstaunt inne.

"Bist du immer noch nicht darauf gekommen, nach allem, was ich euch gerade erzählt habe? Rache natürlich, zum einen..."

Blitzschnell richtete er die Waffe auf Maxwell und drückte ab. Der Iscariot, ins linke Bein getroffen, brach mit einem Schrei zusammen.
 

Maxwells Gesichtsfeld begann vor Schmerz und Erschöpfung zu verschwimmen. Hier sollte er sterben, in Englands Königspalast? Einer Ohnmacht nahe sah er zu der Tür zum Flur herüber, die die Vampire noch immer bewachten.

Doch was er dort außer ihnen dort noch sah, ließ ihn hoffen.
 

"... und zum anderen, dein nettes kleines Schoßhündchen mit einem Cromwell- Siegel Marke Leviathan zu belegen.", fuhr der Vampir unterdessen fort. "Natürlich erst, sobald seine jetzige Herrin tot ist. Ihr scheint alle noch nicht begriffen zu haben, was für eine mächtige Waffe Alucard ist. Wenn ich erst genügend Vampire seiner Klasse beisammenhabe, werde ich meinen ganz privaten Kreuzzug starten... gegen den Rest von Iscariot und den gesamten Vatikan."
 

Damit richtete er die Waffe endgültig auf die Hellsing- Erbin, und alles geschah gleichzeitig.
 

Walter stand plötzlich schützend vor Integra, seine Drahtseile zu einem wirren, tödlichen Netz verwickelnd und auf Leviathan schleudernd.

Maxwell raffte sich mit einem Wutschrei auf, das Schwert umklammernd, mit dem die Queen Integra zum Ritter geschlagen hatte, und rammte es dem überraschten Vampir bis zum Heft in die Seite.

Und vorne an der Tür zum Flur begann Ezechiels MP zu peitschen, deren erste Salve fast ein Dutzend der überraschten Vampire hinwegraffte.
 

"Los!", brüllte Walter, Integra packend und auf den Ausgang zustürzend, unterwegs zu Maxwell aufschließend, der ebenfalls mehr schlecht als recht dorthin stolperte.

"Beeilen Sie sich!", rief Ezechiel, noch immer ohne Pause auf die Vampire feuernd, die inzwischen den Angreifer bemerkt hatten und gemäß ihrer Fähigkeiten zurückschlugen.
 

Und, um es noch einmal zu erwähnen, es handelte sich um Vampire, nicht um Ghoule. Die vier ungewollten Verbündeten sahen sich nun von allen Seiten mit ungleich mächtigeren Gegnern konfrontiert, die unvermittelt aus dem Boden und den Wänden auftauchten und sich auf sie stürzten.
 

"Schießt, Integra- sama!", brüllte Walter über den Lärm der MP hinweg. "Gegen die hier hilft Eure Waffe!"

Ezechiel zerrte den taumelnden Maxwell hoch, drückte ihm mit einem "Entschuldigt, Pater, etwas besseres gibt es nicht mehr." einen kleinen Revolver in die Hand und versuchte hastig das Magazin der MP zu wechseln. Integra verschoss ihre verbliebenen Kugeln, bis sie entsetzt bemerkte, dass sie keinerlei Ersatzmunition dabeihatte und ihr nichts anderes übrig blieb, als hinter Walter in Deckung zu gehen, der wie der Leibhaftige unter den Vampiren wütete.
 

Trotzdem sah die Lage eher schlecht für sie aus. Hinter ihnen erklang Leviathans Gelächter, der sich von Walters Draht und dem einfachen Schwert natürlich nicht sonderlich beeindruckt gezeigt hatte.

"Rennt nur! Wenn meine Kinder mit euch fertig sind, komme ich und schaue nach, was noch von euch übrig ist!"
 

"Wir können es schaffen!", rief Ezechiel. "Die restlichen Truppen sind unterwegs hierher, und der Palast ist voll von Spezialeinheiten der Polizei!"

,Das hilft uns nicht.', schoss es Integra entmutigt durch den Kopf. ,Gegen Vampire ist auch die stärkste Polizeieinheit Kanonenfutter.'

"Weiter, Integra- sama!", stieß Walter hervor. Entsetzt sah sie, dass der alte Mann verwundet war. Und unglücklicherweise suchte sich Maxwell im selben Moment den ungünstigsten Zeitpunkt aus, um vor Schwäche in Ohnmacht zu fallen.

"Nimm du ihn! Ich brauche beide Hände!" Ohne Umschweife schob Ezechiel Maxwell auf Integra ab, die unter seinem Gewicht fast zusammengebrochen wäre. Trotzdem entwand sie dem Iscariot- Oberhaupt die kleine Pistole und machte sich ebenfalls kampfbereit.
 

Doch vorerst war das gar nicht mehr nötig. Die Vampire, die mit Leviathan im Zimmer gewesen waren, waren tot - was nicht bedeutete, dass nicht noch mehr im Palast sein konnten. Trotzdem erreichte der kleine Trupp relativ unbehelligt den nächsten Raum am anderen Ende des Flures.

Es war eine große Galerie, ähnlich aufgebaut wie die im Foyer, allerdings war diese mehrstöckig und reichte bis unter die Decke des Palastes. Über ihren Köpfen wölbte sich eine große Glaskuppel.
 

"Wohn jetzt?", fragte Walter angespannt. Zurück zum Haupteingang konnten sie nicht, wenn sie Leviathan nicht in die Arme laufen wollten, und sehr viel weiter kannte auch der Shinigami sich nicht in diesem Gebäude aus.
 

Doch die Antwort wurde den anderen abgenommen, als von draußen das wohlbekannte Dröhnen eines Hubschraubers erklang und das gleißende Licht eines Suchscheinwerfers über den Mosaikboden huschte. Da Integra wusste, dass Hellsing keine Helikopter startbereit gemacht hatte, musste dieser zu Iscariot gehören, und die Vermutung bewahrheitete sich, als Ezechiel sein Funkgerät zückte.
 

"Ezechiel an F-2, wir sind genau unter euch!", rief er, und nach einem kurzen Schweigen an die anderen gewandt: "Alle in Deckung!"

Die vier hatten kaum unter der Galerie Schutz gesucht, als eine Salve das Glas der Kuppel zerschmetterte und eine Strickleiter durch die Öffnung zwischen dem Stahlgestell hereinfiel. Ezechiel nahm Integra die Aufgabe ab, Maxwell weiterhin zu stützen, und hastete auf die Strickleiter zu, gefolgt von Walter und Integra.
 

Doch Ezechiel hatte kaum Hand an die Strickleiter gelegt, als Walter plötzlich eine Warnung rief. Überall auf den Rundläufen der Galerie waren plötzlich Ghoule erschienen, ehemalige Bedienstete, Gardisten oder Polizisten - die Opfer der Vampire in diesem Gebäude. Vom Blutrausch ergriffen, stürzten sich diejenigen, die nicht bewaffnet waren, einfach aus egal welcher Höhe auf sie hinab - die Ghoule aus höheren Etagen zerschellten förmlich auf dem Mosaikboden, doch die aus dem ersten und zweiten Stock landeten unbeschadet und gingen sofort zum Angriff über.
 

Grob schubste sie Walter zur Mitte des Raumes hin, während er abermals seine tödlichen Drahtnetze wüten ließ. "Zur Leiter, Integra- sama!"

"Geht nicht!", antwortete sie schrill. Der Helikopter hatte längst damit begonnen, Ezechiel und dem immer noch bewusstlosen Maxwell hochzuziehen, während Ezechiel wie wild auf die bewaffneten Ghoule feuerte, die ringsum auf den Rundläufen standen. Wie erstarrt sah Integra dabei zu, wie die beiden Iscariots durch die Kuppel in Sicherheit gezogen wurden... und hörte dabei zu, wie das Dröhnen des Helikopters leiser wurde.
 

Was das bedeutete, wurde ihr erst einige Sekunden später klar. Heiße Wut kochte in ihr auf. Sie hatten sich gemeinsam bis hierher durchgekämpft... und jetzt ließen sie Walter und sie im Stich?

"IHR MIESEN VERRÄTER!", brüllte sie den Iscariots machtlos hinterher. "KOMMT ZURÜCK!"

"Bleibt ruhig, Integra- sama!" Wieder einmal bewahrte sie der Shinigami vor dem sicheren Tod, als die Ghoule auf den Rundläufen erneut auf ihre Opfer anlegten. Walter schulterte sie einfach wie einen Sack Kartoffeln und trat den ungeordneten Rückzug an, indem er auf eine der Türen zurannte, die in die Galerie führten... selbst in dieser Situation nicht seine unerschütterliche Höflichkeit vergessend. "Verzeiht die grobe Behandlung. Wir suchen uns einen anderen Weg!"
 

"RUHIG?", zeterte Integra noch immer, vor Wut zitternd. "Diese verdammten Schweine sind einfach..."
 

Die Worte blieben ihr im Halse stecken. Da sie mit dem Gesicht nach hinten getragen wurde, sah sie den Angriff kommen... und konnte doch nichts tun. Keine zehn Meter hinter ihr materialisierte Leviathan mit gezogener Waffe - und feuerte einen einzigen Schuss ab.
 

Integra konnte den Ruck spüren, der durch Walters Körper lief, als die Kugel ihn voll traf. Sein überraschtes Keuchen ging in ihrem gellenden Schrei unter, als sie beide, kurz vor dem Ausgang aus der Galerie, zu Boden gingen. Hart schlug Integra mit dem Kopf auf; warmes Blut floss über ihre Stirn. Benommen kroch sie zu dem alten Mann hin.
 

"Oh nein...", flüsterte sie atemlos. "Oh nein... Walter... WALTER!"
 

Der Shinigami starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an und wollte etwas sagen, doch Blut quoll aus seinem Mund und erstickte jeden Laut.
 

"Oops!" Leviathan zog die Augenbrauen hoch. "Nicht getroffen... der galt eigentlich dir, kleines Fräulein."
 

Hinter ihm gruppierte sich der Rest seiner Vampirbande auf den Rundläufen, den Rest der tobenden Ghoule beiläufig eliminierend - sie hatten ausgedient. Die Regenwolken hatten sich verzogen, fahles Mondlicht fiel durch die zerstörte Kuppel auf Leviathan, der nun langsam auf sie zukam. Integra kauerte außerhalb des silbrigen Lichtkegels neben dem reglosen Walter, das unwirkliche Bild, das sich ihr präsentierte, wie in Trance betrachtend. Es war vorbei. Die einzige Waffe, die sie noch hatte - Ezechiels kleine Pistole - hätte ihr nicht einmal etwas genützt, wenn sie noch Munition gehabt hätte. Und Walter... noch lebte er zwar, aber hier bestand keine Hoffnung für ihn.
 

"Zeit zu sterben, Sir Hellsing.", Leviathan hob seine Waffe, und gegen ihren Willen musste Integra lächeln. Die Situation war nahezu dieselbe wie vor drei Tagen, als sie von ihrem Onkel vor der Tür zu Alucards Verlies gefunden worden war. Drei Tage Aufschub von dem Unausweichlichen.
 

"Lass dir eins noch gesagt sein." Immer leicht lächelnd sah Integra auf. "Wenn du tatsächlich vorhast, *Alucard* unter deine Kontrolle zu zwingen, wirst du dir deine hübschen Zähne ausbeißen... Abschaum."
 

War es das Blut, das von ihrer Stirn in ihre Augen gelaufen war, oder fiel tatsächlich rotes statt weißes Mondlicht durch die Kuppel in den Raum?
 

Leviathan lachte schallend, doch Integra nahm es nur seltsam gedämpft war. "Alucard? Der dumm genug war, auf einen derart simplen Trick hereinzufallen und immer noch im Iscariot- Bannkreis an der Tower Bridge festsitzt? Ich mache mir langsam doch Sorgen um ihn... hoffentlich haben ihm diese bösen, bösen Iscariots nicht zu sehr wehgetan."
 

Kein Zweifel. Das Mondlicht war jetzt glutrot. Integra seufzte erleichtert.
 

*Das wurde aber auch langsam Zeit.*

*Verzeiht, my Master. Ich wurde aufgehalten.*
 

"Der einzige, um den ich mich an deiner Stelle sorgen würde, bist du selbst, Leviathan.", antwortete Integra nur und zog Walters Oberkörper vorsichtig auf ihren Schoß, mit ihrer Anzugjacke versuchend, die Blutung zu stillen.
 

Endlich bemerkte auch Leviathan, dass sich etwas entscheidendes geändert hatte. Er fuhr herum. Hinter ihm zeichnete sich ein riesiger, unnatürlich dunkler Schatten auf dem Mosaikboden ab, und ein Blick hinauf zur Kuppel bewahrheitete seine Befürchtung.
 

"Leviathan, Leviathan, Leviathan.", dröhnte Alucards Stimme zu ihm herab. "Ich schätze es überhaupt nicht, wenn jemand getroffene Verabredungen nicht einhält."

Ohne einen weiteren Kommentar ließ er sich fallen und kam vor Integra und Walter auf die Füße. Den feindlichen Vampir mit Missachtung strafend, wendete er sich seiner Schutzbefohlenen zu.

"Ist alles in Ordnung, Integra?"

"Mit mir ja, aber Walter... er brauch dringend einen Arzt. Beeil dich also mit dieser Sache."

"Ganz wie Ihr wünscht. Dann bitte ich Euch um die Erlaubnis, sämtliche Kontrollsiegel lösen zu dürfen."

"Genehmigt."
 

"HEY!", mischte sich Leviathan wütend ein, der sich von seiner Überraschung erholt hatte, und feuerte einen Schuss in Richtung der beiden ab. "Bist du langsam fertig?"

Alucard fuhr abrupt zu ihm herum, seine Augen glühten in einem noch tieferen Rot als sonst.

"SCHWEIG! Um dich kümmere ich mich, wenn du an der Reihe bist!"

Leviathan verengte die Augen. "Für was hältst du mich, Alucard? Deine Einschüchterungsversuche ziehen vielleicht bei Menschen oder streunenden Katzen, aber nicht bei mir!" Er feuerte abermals auf Alucard, diesmal gezielt und direkt dorthin, wo sich bei einem Menschen das Herz befand.
 

"Für was ich dich halte, Leviathan, mein ,Freund'?" In Alucards Stimme war jetzt ein Unterton, der wie das drohende Knurren eines Raubtieres klang und Integra eiskalte Schauer über den Rücken jagte. Den Schuss nahm er überhaupt nicht wahr. "Du spielst dich tagelang auf wie ein großer Vampir und provozierst mich so lange, bis ich unserem Zusammentreffen *entgegenfiebere*... und dann kneifst du den Schwanz ein und sorgst dafür, dass dein eigentlicher Gegner eingesperrt ist, während du hier Unbeteiligte abschlachtest und dich dabei auch noch für besonders stark hältst? Da willst du wirklich noch wissen, was ICH von DIR HALTE?"
 

Mit jedem Wort war Alucard näher gekommen, bis Leviathan und er nur noch eine Armlänge voneinander entfernt standen. Der Hahn der Casull klickte unheilvoll, als Alucard die Mündung direkt an Leviathans Stirn setzte.
 

"Gut, ich sage es dir: Du hast kein Recht, dich einen Vampir zu nennen. Und deine Idee, MICH für deinen armseligen Rachefeldzug gegen den Vatikan zu benutzen, ist das Lächerlichste, was ich in den letzten Jahrhunderten gehört habe."
 

Und damit drückte er ab. Die Wucht des Schusses schleuderte Leviathan wie eine Strohpuppe quer durch den Raum, doch abgesehen davon zeigte auch Alucards Silberkugel kaum Wirkung auf den vernarbten Vampir.
 

"Wie ich deinen Freunden schon mitgeteilt habe - ich bin immun gegen all diese Weihwasser- und Silberkugelscheiße! Das ist eins der Dinge, die dich und mich unterscheiden..." Leviathan richtete sich schwerfällig auf. "... und durchaus nicht das einzige. Du sagst, ich habe kein Recht, mich einen Vampir zu nennen? Wie kannst ausgerechnet DU es wagen, über andere zu richten? Du bist nichts als ein jämmerlicher Sklave! Nichts als ein verstaubtes ein Erbstück einer menschlichen Adelsfamilie! Kommst du dir nicht selber jämmerlich vor, Alucard?" Er schnaubte verächtlich. "Du widerst mich an mit deiner Selbstgerechtheit."
 

"Was mich an Hellsing bindet, geht dich gar nichts an.", entgegnete Alucard dunkel. "Glaube nicht, das ich eine willenlose Puppe bin wie deine Vampirsammlung da vorne, nur weil ich auch durch ein Cromwell- Siegel gebunden bin... Ich bin ganz, ganz anders."
 

Und mit diesen Worten brach etwas Riesiges, Pechschwarzes mit eindeutig zu vielen Augen und Zähnen aus Alucards Schulter und stürzte sich auf Leviathan. Integra versuchte, ihren erschrockenen Aufschrei zu unterdrücken, doch Alucard hatte ihr Entsetzen natürlich trotzdem bemerkt. Mit einem durch und durch bösem Grinsen drehte er sich zu ihr um.
 

"Sieh genau hin, Miss Hellsing. Das ist das Monster, das dein Vater dir vermacht hat."
 

Mit einem schauerlichen Laut stieß das Ungeheuer auf Leviathan herab, doch auch dieser schien etwas hervorzubeschwören. Im letzten Moment wurde Alucards Höllenhund - mittlerweile erkannte Integra die ursprüngliche Absicht hinter dieser albtraumhaften Abstraktion - von einem ebenfalls pechschwarzen Etwas aufgehalten, dass sich hinter Leviathan aufbäumte. Es war ein riesiges, dreiköpfiges Echsenungeheuer... ein nahezu bis zur Unkenntlichkeit verzerrter Drache.
 

"Oh!", machte Alucard beeindruckt. "Das gefällt mir."

"Mal sehen, wie lange du noch so überheblich sein kannst!", entgegnete Leviathan, und damit verbissen sich die dunklen Albtraumgeschöpfe ineinander. Verzweifelt versuchte Integra, Walter aus der Gefahrenzone zu ziehen, ohne seine Wunde zu verschlimmern. Der ganze Palast schien bis in seine Grundfesten zu erzittern, als diese Urgewalten aufeinander prallten. Alucard hat offenbar völlig vergessen, dass sie hier waren!
 

"Dem reiß ich den Kopf ab, wenn das vorbei ist!", knurrte sie, gar keinen Gedanken an die Eventualität verschwendend, dass Alucard vielleicht unterliegen könnte - für sie existierte diese Möglichkeit einfach nicht.
 

Der Kampf hatte nun die Dimension verlassen, in der lediglich die Schattenbiester für ihre Meister kämpften - nun gingen die Vampire zusätzlich selbst aufeinander los. Integra erbleichte angesichts dessen, was sie sah. Sie konnte nichts anders tun als sich neben Walter auf den Boden zu kauern und einfach nur zuzuschauen.
 

Und zum ersten Mal verstand sie wirklich, warum ihr Vater Alucard zwanzig Jahre lang weggesperrt hatte.
 

Alucard tobte. Das war kein überlegtes Kämpfen mehr, es war ein wildes, gnadenloses Gemetzel. Die Vampire waren zeitweilig kaum noch als solche zu erkennen, es gab nur noch zwei formlose, pechschwarze Dämonen, die gegenseitig Fetzen aus dem Leib rissen und dabei unmenschliche Laute von sich gaben.

Trotzdem konnte sie erkennen, dass Alucard sich durchsetzte... und sie erkannte auch, warum. Es war nicht Kraft, die dieser Vampir Leviathan voraushatte, jedenfalls nicht nur - es war die Fähigkeit, den blanken Horror in seinem Opfer hervorzurufen. Wer dieses Monster im Blutrausch wüten sah, war von diesem Anblick wie gelähmt vor Angst. Alucard war ein solches Ungeheuer, dass selbst andere, ihm ebenbürtige Vampire, in Todesangst die Waffen streckten.
 

"Gott steh uns bei.", flüsterte Integra, die Augen noch immer nicht von dem Schauspiel abwenden könnend. Etwas hatte sich geändert, die Vampire, die Leviathans Befehl unterstanden und dem Spektakel bisher teilnahmslos beigewohnt hatten, gerieten in Bewegung; es war, als ob sie um die Kontrolle über ihren eigenen Willen kämpfen würden. Schwächte der Kampf mit Alucard Leviathans Kontrolle über die Siegel? Oder versuchte Alucard gezielt, sie zu brechen?
 

Dann, urplötzlich lösten sich die Vampire voneinander. Leviathan taumelte zurück, sein narbiges Gesicht zerfurcht von Unglauben und nackter Angst. Alucard stand einfach nur da, das Gesicht unter einem wirren Wust schwarzer Haare verborgen, und gab ein schreckliches, hechelndes Atmen von sich, nur viel langsamer und durchdringender.
 

"Tötet ihn!", brüllte Leviathan mit sich überschlagender Stimme. "Zerreißt ihn, zerfetzt ihn, aber tötet ihn!"

Alucard hob lediglich seine Casull und schoss zwei-, drei-, viermal auf Leviathan, so dass er zurücktaumelte - direkt in die Fänge der verbliebenen Vampire, die entgültig ihre Kontrolle zurückerlangt hatten. Geschwächt und halb wahnsinnig vor Horror hatte Leviathan ihnen nichts entgegenzusetzen.
 

"Den Rest überlasse ich deinen... ,Kindern'." Abfällig wendete Alucard sich ab, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
 

Das entsetzliche Bild, das Leviathans Vampire boten, als sie ihren ehemaligen Herrn und Meister zerrissen und verschlangen, und die Geräusche, die sie dabei von sich gaben, brannten sich tief in Integras Seele ein. Unfähig, auch nur einen Muskel zu rühren, saß sie noch immer da, auf der einen Seite der bewusstlose Walter und auf der anderen Seite der teilnahmslose Alucard, und konnte einfach nicht wegsehen.
 

Nicht einer der Vampire überlebte. Selbst nachdem Leviathan längst tot war, hielt ihre Raserei an - in ihrem Verlauf zerrissen sich die wenigen Überlebenden gegenseitig, nachdem Leviathan tot war. Und endlich - es kam Integra vor, als seien Stunden vergangen - senkte sich eine tödliche Ruhe über das Schlachtfeld.
 

"...Monster...", flüsterte Integra und drehte langsam den Kopf in Alucards Richtung. Er schenkte ihr ein dunkles Lächeln.

"Exakt. Es ist wichtig, dass Ihr das begreift... my Master. Ihr müsst begreifen, was sie sind. Und was ich bin."
 

Integra starrte wieder auf den blutdurchtränkten Fußboden, aber nicht mehr mit dem leeren Gesichtsausdruck, mit dem sie das Gemetzel verfolgt hatte. In ihr arbeitete es sichtlich.
 

Alucard beobachtete sie aufmerksam. Dies war der Moment der Wahrheit. Konnte sie mit dem klarkommen, was ihre Aufgabe mit sich brachte - ein ,Master of Monster' zu sein? War sie stark genug, um die Zügel für eine solche Macht in den Händen zu halten?
 

Schließlich ging ein Ruck durch das Mädchen. Entschlossen stand sie auf und begegnete dem Blick *ihres* Vampirs... und noch immer konnte Alucard die gleiche stählerne Entschlossenheit in ihrem Blick sehen wie vor drei Tagen.
 

Ja, sie konnte es. Und sie würde es.
 

"Bring uns hier raus."
 

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++ to be continued

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  BlackCrow
2004-01-16T17:39:31+00:00 16.01.2004 18:39
Wow, wirklich klasse. Die Kampfszenen sind wirklich super und mitreißend beschrieben. Eigentlich wollte ich ja an meinem Bild weiterarbeiten, aber man konnte irgendwie gar nich aufhören zu lesen. ^^


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