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Out of life

von

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one

Einen neuen Tatort zu betreten war vergleichbar mit dem Gefühl, unerwartet und von jetzt auf gleich mit dem ganzen Körper in kaltes Wasser zu tauchen.

Mit einem unterdrückten fluch schlüpfte Agent David Gates durch die Absperrung und spürte sogleich den kalten unheimlichen Schauer auf seiner Haut, der es wie kein anderes Gefühl der Welt vermochte die eigenen Sinne um ein hundertfaches zu verstärken. Er hatte viele Leichen gesehen, zu viele um sich die Frage zu stellen, ob es ethisch vertretbar war, zu hoffen, dass der Tote in einem guten Zustand war.

Gut bedeutete in diesem Fall, ungeachtet von der Tatsache, dass ein junges Leben viel zu radikal geendet hatte, lediglich, dass die spätsommerlichen Temperaturen, und das vom Tode angezogene Ungeziefer sich noch zurückgehalten hatten, den leblosen Körper auf ihre eigene, perverse Art zu verändern. Offenbar war der Zustand gut, denn kein Verwesungsgestank lag in der frühmorgendlichen, noch relativ frischen Luft der Parkanlage.

Der Junge konnte also noch nicht lange unterhalb des Busches gelegen haben, zumal eine halbnackte Leiche in einem Tagsüber gut besuchtem Park auch schwer übersehen werden konnte.

Die Agents Sophia Vandelis und Gregory Bennet waren bereits am Tatort und unterhielten sich leise mit einem Officer.

Der uniformierte sah auf, grüßte David mit einem Nicken und verschwand in dem geschäftigen Gewusel aus Beamten und dem Team der Spurensicherung. David unterdrückte ein Seufzen und massierte sich mit der Rechten leicht die Schläfe.

Es war eindeutig zu früh, sich bereits jetzt mit dem Tod auseinanderzusetzen, besonders nachdem man am Abend zuvor eine Flasche Tequilla vernascht hatte.

„Guten Morgen.“ flötete Sophia und warf ihm einen gespielt mitfühlenden Blick zu, während ihre braunen Augen schelmisch funkelten.

„Warum sind wir hier?“ Davids Interesse an Smalltalk hielt sich stark in Grenzen, und auch Gregory, sein direkter Vorgesetzter und Leiter des Teams, dem er seit einem Jahr beiwohnte blickte ernst drein. Er deutete mit einem Kopfnicken auf die Leiche und runzelte die Stirn.

„Sag mir was du siehst, David.“

Der junge Agent streifte sich ein paar Einweghandschuhe über und trat näher an den Jungen heran. Die Spurensicherung hatte bereits ihre Arbeit abgeschlossen und einzig der Gerichtsmediziner Dr. Thomas Williams schenkte dem Neuankömling einen skeptischen Blick.

„Ich kann es nicht leiden wenn man mir über die Schulter schaut David, das solltest du wissen.“

„Reg dich ab Tom.“

Ein spöttisches Grinsen stahl sich auf Davids Lippen.

„Deine Mannschaft hat gestern Abend verloren nicht wahr?“

Die gezischte Antwort war unverständlich, und im Grunde auch mehr als unwichtig.
 

Eines von Davids stärksten Talenten war seine Beobachtungsgabe. Er kam an einen Tatort, machte sich ein Bild und saugte jedes noch so winzige Detail in sich auf. Eine Fähigkeit die sich schon das eine oder andere Mal als sehr nützlich erwiesen hatte.

Der Junge trug lediglich eine ausgefranste Jeans, die offenbar sehr locker an den schmalen Hüften angelegen haben musste, und einblicken ließ, dass man Unterwäsche vergeblich würde suchen müssen. Von Hemd und Schuhen gab es ebenfalls keine Spur, was aber nicht zwangsläufig bedeutete, dass er beides bei seinem Eintreffen im Park noch getragen hatte. Die Haut des Jungen war blass. So weiß, dass sie einen krassen Widerspruch zu dem satten grün des Rasens bildete, auf dem er sein Leben ausgehaucht hatte. Die Augen waren geschlossen, ebenso wie die farblosen und bei einem lebendigen Lächeln vermutlich vollen Lippen. Das halblange dunkle Haar wirkte stumpf und einige Strähnen hingen dem jungen Mann wirr ins Gesicht. David beugte sich ein wenig vor und der säuerliche Geruch von Erbrochenem stieg ihm in die Nase.

Die Todesursache war offensichtlich, selbst wenn man die verblassten Narben und Einstichlöcher auf dem linken Arm übersah, so sprach das Fichserbesteck, dass im feuchten Gras vor sich hinglänzte doch Bände.

„A trip to wonderland...“ murmelte David und beugte sich noch weiter hinab, um die dünne Blutspur zu betrachten, die aus dem Ohr des Jungen gelaufen war und ein paar der ehemals grünen Grashalme rostrot gefärbt hatte. Er hatte viele solcher Leichen gesehen als er noch nichts weiter als ein Cop gewesen war. Damals, auf Streife, wenn man ihn und seine Kollegen gerufen hatte, wenn ein Mann mal wieder im Vollrausch seine Frau verprügelte, oder betrunkene Kerle sich gegenseitig vor ihren Stammkneipen Messer in die Rippen jagten. Ein toter Junkie war nichts ungewöhnliches und bedeutete lediglich ein wenig Schreibarbeit. Fall abgeschlossen, auf in die nächste Hölle. Was zum Geier tat er also hier? Wieso hatte man zu einem solch banalen Fall das FBI angefordert? Und warum gerade sein Team, dass schon genug damit zu tun hatte kranke Serientäter und pädophile Menschenhändler zu jagen?

„Und?“ Greg war unvermittelt neben ihn getreten und musterte den jüngeren Agent mit hochgezogener Augenbraue.

„Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole... Warum sind wir hier?“

„Der Tote ist Steven Atkins, 18 Jahre alt, wegen kleinerer Drogendelikte Polizeibekannt aber im Großen und Ganzen ein winziger Fisch.“

David runzelte die Stirn und wartete darauf dass sein Vorgesetzter auf den Punkt kam.

„Officer Reynold rief uns an, weil er das Handy des Jungen gefunden hat.“

Sophia trat nun ebenfalls neben die beiden Männer und wedelte mit einem durchsichtigen Beweismittelbeutel, in dem sich ein winziges Mobiltelefon befand.

„Die letzte gewählte Nummer ist die unseres Büros. Deine Nummer, David.“
 

David erinnerte sich an dieses Gespräch. Es war kurz vor Dienstschluss und nur noch wenig Schreibarbeit übrig. Das Team hatte einen Fall erfolgreich beendet und die Aussicht darauf pünktlich Feierabend zu machen schlug sich im positiven auf das Gemüt nieder.
 

„Gates.“

„Ist da das FBI, man?“

„Hier ist Agent David Gates, FBI. Mit wem, spreche ich?“

„Scheiße man... ich bin... das ist unwichtig man. Hör zu, ich hab´n Problem, Alter.“

David schwieg. Was auch immer der hastige Kerl am anderen Ende der Leitung wollte, er würde schon mit der Sprache rausrücken, immerhin war er es der ihn angerufen hatte.

„Bist du noch da, Dave?... Hallo?“

„Ich bin noch da. Worum geht es?“

„Die bringen mich um man! Aber ich kann die Scheiße nicht mehr aushalten...!“

„Ganz ruhig, Sir. Wer bringt sie um? Und warum?“

„Dieser Kerl... der Immobilientyp... Phillips... sie sollten mal bei Gelegenheit auf eine seiner Partys gehen, man.... ich meine die meisten Jungs da … Verdammte Scheiße... die bringen mich um!“

„Sir, wenn ich ihnen helfen soll, dann -“

Das Gespräch war beendet. Die Leitung tot.
 

„Dann liegt dort offensichtlich unser anonymer Anrufer.“

Sophia schürzte die Lippen und blickte David direkt an.

„Sieht so aus.“

„Das war es dann mit dem freien Sonntag Kollegen.“ Gregory zog eine Augenbraue hoch und blickte zu Thomas rüber, der sich in dem Moment bereit machte Steven in die Gerichtsmedizin zu bringen.

„Irgendeine erste Einschätzung, Doc?“

„Nunja. Die Leiche weist einige Hämatome an den Extremitäten auf. Ältere, sowie relativ frische. Die Todesursache ist offensichtlich. Aus jetziger Einschätzung trat der Tot vor weniger als 12 Stunden ein. Die meisten der Einstichlöcher sind älter als sechs Monate, bis auf die, die unseren jungen Steve hier, den goldenen Schuss beschert haben.“

David spürte erneut einen dumpfen Druck in seinem Schädel und musterte die Leiche ein letztes mal gründlich. „Wäre es möglich, dass er sich diesen letzten Trip nicht selbst verabreicht hat?“

„Dazu will ich mich noch nicht genau äussern, aber möglich ist fast alles.“

„Worauf willst du hinaus David?“ fragte Greg.

„Mein Gefühl sagt mir, dass es kein Unfall war. Entweder hat er sich selbst, aus voller Absicht ins Himmelreich befördert, oder aber, die Leute von denen er sprach haben herausgefunden, dass er sich mit uns in Verbindung gesetzt hat.“

„Und was macht dich da so sicher?“

David seufzte, und starrte in den blauen Himmel.

„Er hatte Angst. Panische Angst.“

two

Kaum dass die Sonne sich dazu entschlossen hatte, ihrem ewigen Tagesablauf zu folgen, und höher gen Himmel zu steigen, ersetzte die Hitze des noch jungen Tages die angenehme Kühle der vergangenen Nacht, und machte die Luft des Büros im vierten Stock des FBI Gebäudes, zu etwas mit einer unangenehm stickigen Konsistenz.

David lehnte sich in seinem Stuhl zurück, bis die Rückenlehne beinahe einen rechten Winkel zum dezent beigen Teppich bildete.

Sophia prustete sich einige ihrer kräftigen, dunklen Haare aus dem Gesicht und platzierte sich möglichst unauffällig näher am Ventilator. Wenn es um ein wenig Frischluft ging, brauchte man keine Skrupel zu kennen, Temperaturen wie diese erforderten Egoismus.

Fressen oder gefressen werden. Abkühlung oder Schweißflecken.

David registrierte ihre Bemühungen um ein wenig künstlich erzeugte Kälte aus den Augenwinkeln und wand seinen Blick, aus Mangel an Motivation zu einem bissigen Spruch wieder Richtung PC-Monitor.

„Und, Schätzchen? Schon etwas entdeckt?“

„Nein.“

Der Angesprochene brummte und musterte weiter das Bild, dass die Datenbank ihm zum Thema „Phillips, Immobilien“ ausgespuckt hatte.

„Morten Phillips, Geschäftsmann. 46 Jahre alt, geboren in New York. Verwitwet, eine 22 Jährige Tochter, die in Europa lebt. Nicht vorbestraft, aber steht unter Verdacht in Drogengeschäfte verwickelt zu sein. Nachweisen konnte man ihm bisher aber absolut nichts. Kein Wunder, dem Kerl gehört offenbar die halbe Stadt.“

„Und genau deshalb ist äusserste Sensibilität gefragt.“

Greg liess die Tür hinter sich und FBI Director Cohen ins Schloss fallen.

David hatte Mühe mit den Beinen zu rudern, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und eine nähere Kontaktaufnahme mit dem Boden zu erreichen, während Sophia schnell ihren Stuhl wieder in Richtung ihres Schreibtisches rollen ließ.

„Guten Tag Director.“ sie setzte ein zuckersüßes Lächeln auf und strich sich das vom künstlichen Wind zerzauste Haar hinter die Ohren.

„Agent Vandelis, Agent Gates.“ Er nickte den Beiden zu und nahm nun selbst den Platz in Reichweite des Ventilators ein.

Director Cohen war ein großer Mann, nicht fettleibig, aber durchaus ein wenig schwammig. Seine Tage als einer der besten Agents den das Federal Bureau of Investgation in den letzten 20 Jahren hervorgebracht hatte, waren vorüber, und er hatte die Dienstwaffe mit dem übergroßen Mahagonischreibtisch im 6. Stock getauscht.

David hätte ohne mit der Wimper zu zucken gewettet, das sein Büro vollklimatisiert war.

Der Mann mit dem rückgängigen Haaransatz wandte sich an Greg, der in etwa das gleiche Alter hatte, aber durchaus besser in Form war, als der Hüne in dem Dreiteiligen Anzug.

„Haben sie schon das Ergebnis der Obduktion?“

„Nein, Sir.“

„Solange wir nichts genaueres wissen, bitte ich sie ernsthaft, vorsichtig an die Sache heranzugehen.

Wie sie sicherlich mittlerweile wissen sollten, steht Mr. Phillips im Verdacht, Beziehungen zur Drogenmafia zu haben. Aus diesem Grund haben wir einen jungen Agent in sein Unternehmen eingeschleust.“

David zog eine Augenbraue hoch.

„Raus aus Quantico, und direkt ins Haifischbecken, hmm?“

Cohen überhörte den Zwischenkommentar, doch Greg machte durch eine eindeutige Geste deutlich, dass Zwischenrufe dieser Art alles andere als hilfreich waren.

„Wie auch immer...“ fuhr der Director unbeirrt fort, und hielt die Nase noch ein wenig weiter gen Ventilator, „Sie verstehen, dass, solange ihre Ermittlungen noch auf Spekulationen beruhen, allerhöchste Vorsicht geboten ist. Ich werde für sie ein Treffen mit Agent James vereinbaren. Er wird alles weiter mit ihnen besprechen. Die Priorität liegt darin, seinen Einsatz nicht zu gefährden.“

„Danke Director.“ Greg nickte und schüttelte dem Ranghöheren die Hand, ehe dieser ohne ein weiteres Wort aus dem Büro verschwand. Wahrscheinlich hatte er erkannt, dass ein Ventilator es nunmal nicht mit einer vollautomatischen Klimaanlage aufnehmen konnte.

David liess einen leisen Pfiff verlauten und nahm wieder die kippelnde Haltung in seinem Stuhl ein.

„Welch hoher Besuch in unseren heiligen Hallen.“

Sophia kicherte leise und Greg seufzte theatralisch.

„Das Bureau ist schon eine ganze Weile hinter diesem Kerl her, kein Wunder also dass man ein Auge auf uns wirft. Immerhin haben gar nichts in der Hand. Nada.“

„Als würden wir dort mit Granatwerfern reinmarschieren und alles über den Haufen schiessen.“

„David, ich kann verstehen, dass dieser Fall dich bewegt, aber glaub mir, du hättest nichts tun können um den Jungen zu retten.“

Der Angesprochene schnaubte und wand sich wieder seinem Monitor zu.

Natürlich machte er sich Vorwürfe. Wie sollte Greg das aber nachvollziehen könne, immerhin war nicht er es gewesen, der das Gespräch angenommen hatte, und sich mit Steve Atkins völliger Verzweiflung auseinander setzen musste. David war noch nie der typ Mann gewesen, der Emotionen zeigte, und sich in einen Fall allzu sehr hinein fühlte. Das war auch wichtig, eine gewisse Distanz zu wahren war quasi lebensnotwendig, denn sonst würde man die Bilder niemals vergessen. Und es waren grausame Bilder, die seine jungen blauen Augen bereits gesehen hatten.

„Ah. Es tut sich was.“

Sophia beugte sich vor, zu eitel um ihre Brille aufzusetzen und starrte nun auf ihren eigenen Monitor.

„Die Daten des Mobilfunkbetreibers besagen, dass unser Opfer sich zurzeit des Anrufes, genauer gesagt um 19.47 Uhr in der Gegend um die City aufgehalten haben muss. Von dort führt das Signal direkt in Richtung des Parks, in dem der Officer auf Streife ihn heute morgen entdeckt hat.“

David runzelte die Stirn.

„Wenn wir annehmen dass Tom recht hat, und der Todeszeitpunkt in etwa bei 21.00 Uhr liegt, wie soll er es in dieser zeit ans andere Ende der Stadt geschafft haben?“

Das schrillen des Telefons unterbrach die nachdenkliche Stille und Greg räusperte sich leicht, ehe er abhob.

„Bennet? Ja. Alles klar. Danke Tom.“

Er wand sich zu seinen Beiden Kollegen um.

„Die Obduktion ist beendet. Schauen wir mal, was Tom uns über den Jungen sagen kann.“
 

Toms Bericht war im Großen und Ganzen das, was einen bei jeder Obduktion erwartete. Alter und Geschlecht des Toten, Gesundheitlicher zustand, Äussere Merkmale.

„Unser Junge hatte kurz vor seinem Ableben Analverkehr, und das auf scheinbar nicht gerade zimperliche Weise.“

„Er ist vergewaltigt worden?“

„Die Hämatome an den Beinen würden diese Theorie stützen, doch es war nicht das erste Mal, ich schätze, dass er schon seit einer Weile regelmässig gleichgeschlechtlichen Verkehr hatte.“

Sophia nagte an ihrer Unterlippe.

„Es wäre kein Einzelfall, dass ein Drogensüchtiger seinen Körper verkauft um an seinen Stoff zu kommen.“

Greg schüttelte den kopf.

„Da die meisten Einstichlöcher, wie Tom mittlerweile bestätigt hat, älter als sechs Monate sind, spricht doch einiges gegen diese Theorie. Zumindest wäre er dem Job nicht nachgegangen um sich von der Knete Drogen zu besorgen.“

„Das bringt uns aber immernoch nicht weiter, in der Frage, ob es Mord war, oder ob der Junge sich selbst das Leben genommen hat.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher, David.“

Tom setzte sein „Ich-weiß-da-noch-was-ganz-interessantes-Gesicht“ auf und schob sich die Rahmenlose Brille weiter auf die Nase.

„Erstens habe ich Beruhigungsmittel im Blut des Jungen ausmachen können. Die genaue Untersuchung erfolgt natürlich noch, aber ich gehe stark davon aus, dass es sich um Phenobarbital handelt.“

David sah auf, und gönnte dem älteren Gerichtsmediziner Kommentarlos seinen triumphalen Moment.

„Warum sollte man sich erst runterfahren, wenn man vorhat, sich mit Koks das Hirn zu zerbröseln?“

„Richtig. Und das führt mich zu zweitens: Die Tödliche Dosis wurde nicht mit einem Stich verabreicht. Man sieht deutlich, dass zweimal angesetzt wurde. Jemand wollte ganz sicher gehen. Anhand der Blutgerinnung kann ich aber zweifelsfrei sagen, dass der zweite Stich Postmortem gesetzt wurde. Zu dem Zeitpunkt hat unser tragischer Held schon nicht mehr unter den Lebenden geweilt. Ich vermute, das Koks und das Phenobarbital haben einen Schock ausgelöst, der augenblicklich zum Herzstillstand geführt hat.“

Das Team warf sich vielsagende Blicke zu, und Gregory zückte sein Handy aus der Innentasche seines dunklen Jacketts.

„Ich schätze, es ist Zeit sich mit diesem Agent James in Verbindung zu setzen.“

three

Vorsichtig und mit schlimmsten Befürchtungen pirschte David sich an den Spiegel des Toilettenraums, und betrachtete abschätzend sein Gesicht. Dafür, dass er letzte Nacht gesumpft hatte, und der Tag in seiner eigenen Ausdrucksweise ziemlich beschissen angefangen hatte, war der junge Agent eigentlich ganz zufrieden mit dem Kerl, der ihm aus dem Glas entgegen blickte.

David Gates hatte dunkles, relativ kurzes Haar, blaue Augen, männliche aber feine Gesichtszüge, einen leicht dunklen Teint, der von dem Latinoanteil in seiner Familie nicht unwesentlich beeinflusst worden war, und einen Körper der sich durchaus sehen lassen konnte.

Es kam nicht selten vor, dass sein Äusseres in Verbindung mit Dienstwaffe- und Ausweis, eine schier magnetische Auswirkung auf das andere Geschlecht zu haben schien.

Natürlich brachte dies auch viele Neider auf den Plan, und David galt ungerechterweise unter seinen Kollegen als Frauenverschlinger. Entgegen aller Gerüchte jedoch hatte er niemals auch nur eine einzige Frau, die im entferntesten etwas mit einem Fall zu tun hatte, abgeschleppt.

Tatsächlich lag das aber nicht an seinem Ehrgefühl, oder daran, dass er keine Lust auf sinnliche Nähe hatte, sondern daran, dass David Gates sich ausschließlich für Männer interessierte.

Eine Tatsache, die nur Sophia dank einer gemeinsam durchzechten Nacht wusste, und die sein direkter Vorgesetzter Greg zu ahnen schien, auch wenn er niemals ein Wort darüber verlieren würde. David schätzte ihn sehr dafür, dass er keine Fragen stellte und sich stets freundlich und diskret gab. Attribute, die er selbst nur ganz selten verdiente. So hatte er während seiner gesamten Laufbahn immer wieder Ärger mit Vorgesetzten und Autoritätspersonen gehabt.

Dennoch kratzte das ständige Ermahnen um Vorsicht in ihrem neuesten Fall kräftig an seinem Ego.

Sie alle hatten leicht Reden, immerhin waren nicht sie es gewesen, die sich jetzt mit dem Gewissen herumplagen mussten, dass der Junge eventuell noch leben würde, wenn sie am Telefon sensibler reagiert hätten.

Mit einem resignierten Seufzen spritzte David sich ein wenig Wasser ins Gesicht und verließ den Waschraum ihrer Etage. Die sonst so regsame Betriebsamkeit war anlässlich des viel zu heissen Sonntages einer demotivierten Ödnis gewichen. Die Anzahl der armen Schweine, die nicht das Glück hatten einen freien Nachmittag mit der Familie am Pool verbringen zu dürfen, war ungerecht niedrig, doch immerhin hielt das den sonst üblichen Lärmpegel auf einem Minimum.

Kaum dass David die Tür des Büros geöffnet hatte, stieg ihm auch schon der dezente Duft eines offenbar sehr teuren Rasierwassers in die Nase, und auch der fremde junge Mann, der da so dreist seinen halben Hintern auf Davids Schreibtisch platziert hatte, war nicht Teil der üblichen Büroausstattung. Skeptischen Blickes ließ David ein leichtes Räuspern vernehmen und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wenn du irgendwelche Schweißflecken dort hinterlässt, wo ich eventuell mein Frühstück abstellen könnte, bring ich dich um, Freundchen. Verstanden?“

Wenn der unbekannte Blondschopf schon die Frechheit besaß, sich einfach auf seinem Platz niederzulassen, dann würde er spätestens jetzt wissen, dass er es mit jemandem zu tun hatte, der sich nicht alles gefallen ließ. Wenn jemand ein solch respektloses Verhalten ungestraft an den Tag legen durfte, dann war es immerhin nur er selbst.

Doch scheinbar verfehlte die kühle, flosskelnlose Begrüßung ihr Ziel um Meilen, denn es war weder Beeindruckung noch Nervosität auf dem Gesicht des Jüngeren zu erkennen, der lediglich ein spöttisches Grinsen zur Schau stellte und die Hand ausstreckte.

„Ihrer Fahne nach zu urteilen bevorzugen sie ohnehin flüssige Stoffe, denen eine desinfizierende Wirkung zugesprochen wird als Nahrung, Agent Gates.“

Als der Jüngere feststellte, dass die dagebotene Hand nicht zu einem Begrüßungsritual genutzt wurde, setzte er ein süffisantes Lächeln auf und schlug die Beine übereinander. Scheinbar stand ihm ganz und gar nicht der Sinn danach, diesen Platz, der nun um einiges an Interessantheit zugelegt hatte aufzugeben. David legte die Stirn in Falten und liess sich auf seinem Schreibtischstuhl nieder, sodass der Fremde sich zumindest umdrehen musste, um wieder Blickkontakt aufzunehmen.

„Nanu? Sie streiten es nicht einmal ab, Agent Gates? Nehmen sie es mir nicht zu übel, ich wollte sie nur ein wenig foppen.“

Mit hochgezogener Augenbraue lehnte sich David nun in seinem Stuhl zurück und schlug ebenfalls die Beine übereinander.

„So? Ich wette das war Agent Bennets Idee, nicht wahr?“

Nun war doch ein winziger Anflug von Verlegenheit auf dem zugegebenermaßen hübschen Gesicht des Jüngeren zu erkennen, und er strich sich mit einem leichtes Räuspern, das offenbar dazu diente, die peinliche Stille zu überbrücken, das blonde Haar aus der Stirn.

„Ich bin übrigens Dean James, der Agent, der in der Phillips-Sache undercover ermittelt.“

David brach in schallendes Gelächter aus und hatte Mühe bei einem seiner typischen Kippelstunts nicht vom Stuhl zu fallen.

„Deine Eltern haben dich Dean James genannt? Nicht im Ernst, oder?“

Noch ehe der Andere eine Chance hatte, auf diesen Vorstoß zu reagieren, beugte sich David nach vorne und blickte ernst in die tiefgrünen Augen des jüngeren Agents.

„Also. Lassen wir die Höflichkeiten und unterhalten wir uns über wichtigere Dinge. Was kannst du mir über diesen Morten Phillips erzählen?“

Der schlanke junge Mann, der kaum älter als anfang Zwanzig sein konnte seuftze leicht, machte nun doch den Schreibtisch frei und trat ans Fenster.

„Wo soll ich da anfangen? Morten ist eines der größten Tiere im Dschungel, klar dass sich seit Jahren hartnäckig Gerüchte darüber halten, wie er zu so viel Einfluss gekommen ist. Es gibt eine Menge ziemlich wichtige Leute, die ihm immer wieder den Rücken stärken, und wir wissen Beide, dass in diesen Kreisen nicht aus reiner Nächstenliebe Finanzspritzen verteilt werden.“

David nickte nachdenklich und musterte Dean nun mit unverhohlener Neugier. Der Anzug den er selbst trug war zwar auch nicht von der Stange, aber Deans Outfit war mit Sicherheit doppelt so teuer gewesen, wenn man bedachte wie perfekt der feine Zwirn sich an dessen Körper zu schmiegen schien.

Agent James spürte den neugierigen Blick auf sich und setzte ein spitzbübisches Grinsen auf.

„Über das Gehalt bei Phillips-Immobilien lässt sich wirklich nicht meckern, und Morten legt großen Wert darauf, dass seine Mitarbeiter stets Tadellos gekleidet sind.“

David erhob sich nun ebenfalls und trat neben Dean an das Fenster, um hinaus in den strahlend blauen Himmel zu sehen.

„Ahja. Und wieso schicken sie einen Frischling wie dich direkt in die Höhle des Löwen? Bist du nicht noch ein wenig zu klein um bei den Großen mitmischen zu können, ohne unter die Räder zu kommen? Und komm mir bloß nicht mit deinen hervorragenden Leistungen im Ausbildungscamp. Wie alt bist du? 20?“

Er stand nun so dicht neben Dean, dass sie sich an der Schulter berührten und musterte den ein wenig kleineren und zierlicheren Agenten mit unverholenem Interesse.

Selbst wenn dieser die plötzliche Nähe als unangenehm empfand, so ließ er sich keinesfalls etwas anmerken, und erwiderte den forschenden Blick ebenso ohne auch nur im Ansatz mit der Wimper zu zucken.

„Ich bin 24. Und der Grund warum man mich ausgewählt hat ist relativ banal und hat nur wenig mit meinen tatsächlich ausgezeichneten Leistungen in Quantico zu tun. Wir haben aus verlässlichen Quellen erfahren, dass Phillips sich gerne mit attraktiven jungen Männern umgibt, falls sie verstehen, was ich meine. Nunja und offenbar erfülle ich genau diese Anforderungen. Die freie Stelle als Assistent zu besetzen war eine große Chance für das Bureau, und offensichtlich ist der gute Mr. Phillips bereitwillig in genau diese Falle getappt.“ Dean, der nun wieder ein wenig Selbstbewusster wirkte, setzte ein schiefes Grinsen auf.

„Zum Glück bin ich ihm zwar Symphatisch, aber wenn man so hört was für Publikum sich auf seinen Privatpartys herum treiben soll, doch tatsächlich ein wenig zu alt.“

David horchte auf und runzelte die Stirn.

„Privatpartys?“

„Ja. Angeblich gibt es für erlesene Gäste immer wieder kleine Feiern mit hübschen Jungs und Drinks and Drugs for free. Leider habe ich es trotz meiner charmanten Art nicht weiter gebracht, als hin und wieder ein Klaps auf den Hintern, oder eindeutige Blickkontakte im Meeting. Eine Einladung zu so einer Party wäre die Krönung meines Auftrags, und ich bin sicher dass wir ihn dann auf jeden Fall hoch nehmen können.“

Wenn das ganze so stimmte, wie Dean es gerade geschildert hatte, dann wäre das durchaus eine mögliche Verbindung zu Steven Atkins.

„Es wäre dir also lieber, wenn er dich vögeln wollen würde? Wir haben es hier auf den ersten Blick mit einem gefährlichen, einflussreichen Mann zu tun, der, falls unser Verdacht sich bestätigt, nicht einmal vor Mord zurückschreckt, und du wünschst dir mit deinen süßen 24 nichts sehnlicher, als dich so schnell wie möglich dem Löwen persönlich zu stellen?“

„Das ist der Job, oder?“

Dean grinste und warf einen Blick auf die nicht minder teure Uhr an seinem Handgelenk.

„Apropos. Ich muss jetzt gehen, Agent Gates. Morten Phillips ist kein Chef, den man warten lässt. Und entgegen ihrer Vorstellung wackel ich nicht nur den ganzen Tag mit meinem Hintern.“

Der blonde zwinkerte seinem Kollegen verschwörerisch zu und wand sich zum gehen.

„Schade, du hast nämlich einen ziemlich ansehnlichen Hintern, Dean James.“

David blickte dem jungen Agent hinterher und ließ sich wieder auf seinen Schreibtischstuhl sinken.

„Ich weiß.“

Der Angesprochene lachte und blickte noch einmal über die Schulter.

„Wenn sie noch mehr erfahren wollen, treffen wir uns heute Abend um 20 Uhr im 'Clover'“

Die Tür fiel hinter Agent James ins Schloß und David blieb nachdenklich zurück.

Zwar hatte sich das Blatt gewendet, und einen möglicher Zusammenhang zu dem Mordopfer aufgetan, doch im Grunde gab es noch immer nichts weiter, als spekulationen und ein merkwürdiges, flaues Gefühl um Davids Magengegend, so als ob etwas katastrophales sich anbahnte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Inan
2011-06-20T19:56:49+00:00 20.06.2011 21:56
Jaja, die Guten sterben jung. XD
Logisch, dass er schwul war x)
Klingt total interessant :)


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