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Das Leben danach

Worst-Case-Szenario
von

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Arbeitsloser Mafioso, III.

»Der Garten ist mittlerweile ganz schön verwildert.«

»Mhm.«

»Hast du vor, nochmal Gärtner einzustellen?«

»Keine Ahnung. Wahrscheinlich nicht. Würde sie nur umbringen.«

»Das wäre schade, ja.«

»Es wäre unnötiger Ärger.«

»Das auch… Ihr hattet hier früher Pferde, oder?«

»Drei. Ja.«

»Und waren in dem Teich da hinten nicht immer so viele Enten?«

»Horden…«

Dino gluckste. »Ich bin ja schon still«, sagte er, wofür Squalo nur ein ungläubiges Schnauben übrig hatte. Berechtigt. Dino merkte, dass er Squalo auf die Nerven ging, und dass Squalo eindeutig nicht über die alten Zeiten dieses Anwesens sprechen wollte, aber das alles hier war so interessant. Dino war seit Ewigkeiten nicht mehr hier gewesen, und allein der Garten hatte ihn schon beeindruckt. Er war gespannt darauf, was Squalo aus dem Innenleben gemacht hatte.

Das würde er sich aber wohl für nach dem Essen aufsparen müssen. Wenn er Squalo jetzt auch noch darum anbettelte, ihn durchs Haus zu führen und ihm alles, was er neu hatte machen lassen, zu erklären, würde der ihm wahrscheinlich an die Gurgel springen. Also folgte er ihm einfach still ins Wohnzimmer, bewunderte den schönen, großen und bereits gedeckten Tisch, bevor er sich hinsetzte.

»Was gibt’s denn?«, fragte er, als Squalo eher lieblos eine Platte mit duftend zubereitetem Fleisch neben die Salatschüssel stellte und sich ebenfalls setzte.

»Ente.«

Für einen Augenblick hielt Dino inne, um Squalo misstrauisch zu betrachten. Aber der war schon damit beschäftigt, seinen Teller zu füllen, und würde sicherlich nicht auf die Frage antworten wollen, ob das heutige Mittagessen mit dem Verschwinden der Enten im Teich zusammenhing.

»Hast du vor, dir wieder Pferde zu holen?«, fragte Dino also, um sich selbst ein bisschen von dem etwas unheimlichen Enten-Thema abzulenken.

Squalo rümpfte die Nase. »Eins in meinem Wohnzimmer reicht mir schon…«, brummte er und schob sich eine Gabel voll Salat in den Mund, bevor er den Kopf schüttelte. »Keine Lust mehr auf Reiten«, sagte er mit vollem Mund.

»Hm…«, machte Dino und lächelte, leicht gequält, während er sich ebenfalls etwas auf den Teller lud. Squalo besaß die Höflichkeit ja nicht, aber daran hatte er sich schon lang gewöhnt. »Du wirkst, als hättest du auf vieles keine Lust mehr.«

»Bravo, Sherlock.«

Dino wollte seufzen, aß aber stattdessen ein Stück Ente und war plötzlich damit beschäftigt, in völliger Bewunderung erst seinen Teller, dann Squalo anzublicken. »Squalo – hast du das selbst gekocht?«

Mit einem Ausdruck großer Irritation sah Squalo von seinem Teller auf. »Vooi! Natürlich!«

»Das schmeckt unglaublich! Wo hast du das gelernt? … Nicht von Lussuria, oder?«

»Als ob ich mir von der Schwuchtel irgendwas beibringen lassen würde!« Squalo wirkte ausgesprochen angegriffen. Er schnaubte. »Hab das damals von den Angestellten hier gelernt.«

»Wirklich?« Der Blick aus Squalos Augen sagte ihm, dass er darauf besser keine Antwort erwarten sollte. »Tja, das … ist beeindruckend.«

Squalo zuckte die Achseln. Die Zeiten, in denen er jetzt ›Voooi! Ich bin beeindruckend!‹ geantwortet und schief gegrinst hätte, waren scheinbar vorbei. Das war schade. Er wirkte erwachsener, aber auch so viel bitterer.

Das begeisterte Lächeln war wieder aus Dinos Gesicht gewichen. Einige Sekunden lang aßen sie in Schweigen, dann schielte er vorsichtig wieder in seine Richtung. »Ist es nicht…«, begann er, hielt inne und wandte den Blick kurz ab. »Ist es nicht seltsam, wieder hier zu leben? Ich meine … ohne deine Eltern und alle anderen von früher…?«

Squalo legte sein Besteck hin und Dino hatte schon Angst, dass er zu viel gefragt hatte. Aber er stand nicht auf oder beleidigte ihn. Noch kauend lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und drehte den Kopf zur Seite, scheinbar um aus dem Fenster zu sehen. Dann verzog er die Mundwinkel und blickte zurück zu Dino. »Irgendwie nicht«, antwortete er tonlos.

Dino blinzelte etwas überrascht, und Squalo zog fragend die Brauen hoch. »Oh, na ja, ich dachte nur…«, fing Dino an und zuckte fahrig mit den Schultern. »Ich musste nur an Catalena denken, die… die nach dem Tod der anderen das alte Anwesen komplett hat niederbrennen lassen und in ein anderes gezogen ist…«

Squalo wandte sich wieder seinem Teller zu und rammte seine Gabel in die tote Ente. »Hab davon gehört.«

»Danach ist dir nicht, hm?«

»Nein. Vooi! Das hier ist nur ein Haus. Mehr nicht. Hab keinen Grund, es niederzubrennen oder sonst irgendwelche symbolische Scheiße zu machen.«

»Versteh schon…«

Squalo trank einen großen Schluck Wasser und wandte seinen Blick wieder dem Fenster zu. »Habt ihr noch Kontakt?«, fragte er. »Cat und du?«

»Äh, ja«, antwortete Dino und nickte. »Oft. Ihre Familie hat sich mit meiner verbündet.«

»Mh«, machte Squalo nur. Und Dino registrierte, dass er ein heikles Thema angeschnitten hatte. Erneut ließ er einige Augenblicke in Stille vergehen, tröstete sich mit dem furchtbar köstlichen Fleisch und räusperte sich schließlich.

»Spielst du noch Klavier?«, fragte er, bei dem Versuch, so unbeschwert wie möglich zu klingen.

»Hatte in den letzten Jahren nicht wirklich die Gelegenheit dazu«, sagte Squalo und sah endlich wieder vom Fenster weg und zu Dino. »Der Flügel ist auch nicht mehr hier.«

»Könntest dir ja einen neuen anschaffen«, schlug Dino vor.

Die Finger seiner künstlichen linken Hand bewegten sich, als würden sie von allein die Idee abwägen, und Squalo betrachtete sie nachdenklich. »Ich hab darüber nachgedacht«, gab er zu.

»Und?«

»Mal sehen. Kann schon gut sein.«

Dino grinste. »Mach’s doch einfach«, sagte er. »Den Platz hast du ja.«

»Schon«, sagte Squalo. »Ich hab aber auch die Laune, ihn gleich am ersten Tag wieder zu zerstören.«

Das schien Dino zu amüsieren – oder er war einfach froh, dass die Stimmung sich wieder etwas gelockert hatte. Er und Squalo schafften es tatsächlich, das restliche Essen mit einem ganz normalen, zivilisierten Gespräch zu verbringen, und sogar beide hin und wieder zu lachen. Obwohl die Frage auf seiner Zunge brannte, erkundigte Dino sich nicht nach den anderen Varia-Mitgliedern oder sonst irgendetwas, was mit der Vongola zu tun haben könnte, und das schien eine gute Taktik zu sein, denn gegen Nachmittag, als der Tisch bereits abgeräumt war und Dino den beeindruckenden Rest des Anwesens bewundert hatte, schien Squalo tatsächlich so etwas wie gute Laune zu haben.

Sie schlenderten schweigend bis zum Rand des Grundstückes, Dino warf sich seine Jacke über und schielte auf sein Handy. »Okay, mein Fahrer steht schon eine Ecke weiter«, sagte er und sah lächelnd wieder auf. »Danke für das Mittagessen, Squalo, es war –«

Squalo gluckste. »Du kannst immer noch nicht selbst Autofahren?«

»Doch…« Dinos Ohren wurden rot. »Also, na ja. Ich hab einen Führerschein. Aber wenn ich selbst fahre, muss trotzdem einer meiner Leute nebendran sitzen, weil ich sonst… Na ja – du weißt schon.«

»Voooi!« Er lachte, und obwohl Dino wusste, dass er sich damit nur über ihn lustig machte, erleichterte ihn diese Tatsache etwas. »Ja, ich weiß schon.«

»Jedenfalls – was ich sagen wollte – danke, dass ich kommen durfte. Es war sehr … beruhigend.«

»Ja?« Squalo schob die Hände in die Hosentaschen. »Also hast du dich jetzt davon überzeugt, dass ich mich nicht umbringen will?«

Mit einem ertappten Grinsen schielte Dino zur Seite. »Ja… Hab ich. Nimm es mir nicht übel, Squalo.« Er gluckste. »Immerhin hab ich dir das Leben gerettet, da will ich doch nicht, dass du es gleich wieder wegwirfst.«

Squalo verdrehte die Augen, grinste aber ebenfalls schief. »Du reitest immer noch darauf herum, dass du mich aus einem Haimagen gezogen hast?«, sagte er. »Vooi! Dann lass ich mich dich nur daran erinnern, dass du es auch warst, der mich gleich danach an einen Rollstuhl gefesselt und mir eine Knarre an den Kopf gehalten hat.«

»Oh, das…« Dino zuckte die Achseln. »Ich musste meinen kleinen Bruder beschützen. Außerdem hätte ich meinen Leuten nie den Befehl gegeben, wirklich abzudrücken.«

»Klar«, grinste Squalo und nickte die Straße runter. »Nie. Glaub ich dir aufs Wort, Bucking Horse, und jetzt verzieh dich zu deinem Fahrer, du Bonze.«

Dino lachte, winkte und wandte sich ab. »Tschüß«, sagte er und schielte nochmal über die Schulter. »Meld dich, wenn du den Flügel gekauft hast!«

»Natürlich…«

Nur wenige Schritte noch sah Squalo ihm nach, dann wandte er sich ab und stapfte wieder durch das hohe, etwas feuchte Gras seines großen Gartens. Dino kommen zu lassen war eine schlechte Idee gewesen. Vielleicht wäre es in ein paar Tagen oder Wochen besser gewesen. Aber noch nicht jetzt.

Mit den Armen fast bis zu den Ellenbogen in seinen Hosentaschen versenkt blieb er vor der alten Scheune stehen. Hinter ihm lag der Teich, der jetzt herrlich still war, ohne die nervige Ente. Und vor ihm… Ein leeres Holzhaus, noch immer voll mit Heu, stand da und starrte ihn an.

Cat hatte ihr altes Anwesen verbrannt, nachdem man ihre Familie dort ermordet hatte. Squalo wiederum war nach dem Mord an seinen Eltern einfach da geblieben und hatte die Zeit mit den restlichen Angestellten verbracht, bis er Tyr getötet und die Varia übernommen hatte. Er hatte sich nicht groß Gedanken darum gemacht, dass er noch in diesem Haus lebte. Er hatte sich generell nicht groß Gedanken um irgendwas gemacht. Nur noch um den Kampf, das Schwert und die Varia. Rückblickend musste er feststellen, dass er wohl damals damit angefangen hatte, niemanden mehr an sich ranzulassen.

Na ja, war in seiner Position wahrscheinlich besser so. Machte ja nichts.

Und kurz danach hatte Cat ihm gesagt, dass er ein egozentrisches Arschloch war und es verdient hatte, einen Kampf, ein bisschen Stolz und »so einen beschissenen Freund wie Xanxus« zu verlieren, und er hatte sie seitdem nie mehr gesehen.

Squalo betrat die Scheune und fragte sich, ob er die Pferde vermisste. Er wusste es nicht. Statt weiter darüber nachzudenken, ließ er sich in einen großen Haufen Heu fallen und blieb dort einfach für die nächsten Stunden liegen.

Abends stand er auf, machte sich ein kleines Abendessen und legte sich ins Bett. Er konnte nicht einschlafen, schlurfte zurück in die Scheune und übernachtete im Heu. Den ganzen folgenden Tag über betrat er das Haus nur, um sich Kleinigkeiten zu Essen zu machen. Den Rest verbrachte er in der Scheune. Er trainierte dort wieder ein bisschen. Statt zu duschen fuhr er danach zum naheliegenden See und badete im eiskalten Wasser. Abends schlief er wieder im Heu.

Am nächsten Tag hatte er keinen Hunger. Er stand erst nachmittags auf, um zum Friedhof zu fahren. Squalo stand gut eine Viertelstunde vor dem Friedhofstor, ohne einzutreten. Dann drehte er um und fuhr zurück.

Dino hatte die Angewohnheit, Squalo nur durch Reden noch unzufriedener zu machen als er ohnehin schon war.



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