Reise auf der Morgenstern Teil 1 (überarbeitet)*
4.Kapitel
Auf der Morgenstern
Teil 1
Naminé hatte die Augen geschlossen, während der frische Meerwind durch ihr blondes Haar strich. Sie lächelte. Die Wellen schlugen rauschend gegen den Rumpf des Schiffes und es sank immer wieder in das Meerwasser hinein, um sich nur von den Wellen wieder nach oben treiben zu lassen. Die Sonne schien erbarmungslos hinunter, doch das machte der Waldelbin nichts aus.
Sias lehnte am Mast in der Mitte des Schiffes und sah Naminé an. Die Waldelbin und er waren seit 3 Tagen mit dem Schiff unterwegs. Ihr Ziel sollten sie in etwa einer Woche erreichen. Der Elbenjäger hoffte, dass sie dort Efal, seinen alten Meister, treffen würden. Er lehnte den Kopf gegen den Mast.
Efal … seit fast 4 Jahren hatte er ihn nicht mehr gesehen. Die beiden hatten sich in einem Streit getrennt. Von einem Freund aus Vale hatte er erfahren, dass er sich zurzeit in Nâge aufhielt.
Hoffentlich finde ich dich dort, dachte er und sah kurz noch einmal zu der Waldelbin. Sie stand immer noch unverändert an der Reling. Sias ging auf sie zu und stellte sich neben sie.
„Wir müssen mit deiner Ausbildung beginnen“, sagte er zu ihr und Naminé öffnete nun ihre Augen und sah Sias an.
„Oh … ich dachte wir können dies noch ein wenig aufschieben?“, fragte sie ihn vorsichtig. Sias schüttelte den Kopf. „Natürlich! Wir können solange warten, bis wir den Mörder deines Bruders gefunden haben“, sagte er sarkastisch zu ihr und fasste sich an den Kopf. Naminé sah ihn böse an.
„Das war nicht so gemeint!“.
„Wir werden morgen damit anfangen. Die Grundkenntnisse im Kampf kennst du zwar, aber ich werde sie dir sicherheitshalber noch ein Mal erklären“, sagte er zu ihr und ging. Naminé wollte etwas sagen, doch Sias ging schon zurück zur Treppe, um unter das Deck zu gehen. Sie seufzte.
Wie kann man nur so sein?, dachte sie niedergeschlagen und sah wieder hinaus auf das Meer. „Cyon hätte das bestimmt gefallen“, flüsterte sie leise und riss sich zusammen, um nicht erneut zu weinen.
Nein. Sie wollte nicht mehr weinen, sie wollte endlich stark sein.
„Na, Naminé? Wie geht es euch?“, fragte Charlie und kam auf sie zu. „Oh, ja mir geht es gut und Euch?“, sagte sie fröhlich zu ihm und vergraulte ihre traurigen Gedanken. Charlie nickte. „Wie ich sehe, ist Sias schon nach unten gegangen?“.
„Ja. Wahrscheinlich will er sich ein wenig hinlegen“, vermutete die Waldelbin und betrachtete den Sonnenuntergang. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie schnell die Sonne heute hinter dem Horizont verschwand.
„Er ist noch nie besonderes einfach gewesen“, sagte der Kapitän plötzlich. „Ja. Das habe ich auch schon mitbekommen. Wahrscheinlich sind alle Elbenjäger so“. Charlie sah sie kurz schief an.
„Ich habe eine Frage an euch. Bitte versteht diese nicht falsch, aber: Ihr seid selber eine Waldelbin. Warum reist ihr mit Sias mit?“.
Naminé sah ihn verschreckt an. „Ich? Eine Waldelbin? Wie kommt ihr darauf, ich bin eine Hochelbin!“, sagte sie und versuchte die Frage hinunter zu spielen.
Der Kapitän kniff leicht die Augen zusammen. „So … eine Hochelbin. Dafür seht ihr einer Waldelbin ziemlich ähnlich und ihr trägt die Kleidung dieses Volkes? Ist das auch nur ein Zufall?“, fragte er sie und Naminé fühlte sie plötzlich unbehaglich und wich einige Schritte von ihm zurück.
„I … Ich bin an der Grenze zum Waldelbenreich aufgewachsen, deswegen! Mir gefällt der Stil!“, versuchte sie sich rauszureden, sie musste schwer schlucken. Charlie sagte eine Weile nichts zu ihr.
Sollte er ihr glauben? Er wusste, dass sie log, das war, offensichtlich, doch sollte er es diesem Mädchen verraten oder ihr die Lüge lassen?
Er runzelte die Stirn.
„Wenn das so ist, sind meine Bedenken unbegründet. Ich dachte schon Sias Augen lassen langsam nach“, witzelte er und schlug der Waldelbin auf die Schultern. Sie kratzte sich am Kopf und lächelte. Gerade noch rausgeredet.
Die Crew, Sias und Naminé saßen unter Deck und aßen im Aufenthaltsraum ihr Abendessen. Es war ein karges Mahl: Bohneneintopf mit undefinierbaren Gemüsestückchen, die die Elbin nicht einmal am Geschmack erkennen konnte. Sie aß es stumm, während die Crew sich lautstark unterhielt und lachte.
Sias saß am anderen Ende des Tisches und vollzog sein Mahl ebenfalls schweigend. Keiner der Matrosen beachtete ihn, worüber er froh war. Als er das letzte Mal mit auf der Morgenstern gereist war, hatte er sich schon einen Namen unter der Crew gemacht, dass er in Ruhe gelassen werden wollte, war bekannt.
Von der damaligen Crew waren nur noch 5 Mitglieder hier, die restlichen 10 Mitglieder kannte Sias nicht. Als er zu Ende gegessen hatte, schob er seinen Teller zur Seite und lehnte sich ein wenig zurück.
Er sah sich kurz im Raum um.
Der Aufenthaltsraum war nicht gerade groß, er war gerade groß genug, dass sie alle dort drin platz fanden. Den meisten Platz in den Raum nahmen der Tisch und die Sitzbänke ein. An der Wand hing ein Gemälde, das eine Insel zeigte. Sias erinnerte die Insel vage an die Mondschein-Insel im Westmeer.
Plötzlich lachte Charlie laut und riss Sias aus den Gedanken.
„Du bist und ein bleibst ein Spaßvogel, Bernd!“, sagte dieser und schlug den Matrosen links von ihm gewaltig auf den Rücken. Dieser lächelte gequält und strich sich kurz über seinen Rücken. Charlie fiel Sias Blick auf.
„Und, findest du nicht, Sias?“, sagte er nun zu dem Elbenjäger gewandt. Sias nickte knapp. Er wusste zwar nicht, um, was es ging, doch es war meistens nie verkehrt, einfach zu nicken. Bernd sah flüchtig zu Sias und dann zu Naminé. Die Elbin wirkte abweisend.
„Darf ich ein wenig mit dir an Deck spazieren gehen?“, fragte der Matrose die Waldelbin plötzlich und diese sah auf.
„Meinst du mich?“. Bernd nickte. „Natürlich. Es ist ja sonst niemand so bezauberndes hier auf diesem Schiff“. Naminé wurde leicht rot und stand nickend auf. „Gerne“. Er benahm sich ganz anders als der Matrose in Dunac. Vielleicht waren nicht alle so aufdringlich.
Sias sah Bernd und der Elbin kurz nach. Als sich die Tür zu dem Raum schloss, sagte Charlie zu ihm: „Ich hoffe du hast nichts dagegen, wenn Bernd sich ein wenig um sie kümmert“. Sias legte den Kopf schief. „Wieso sollte ich? Sie ist nicht meine Freundin“, sagte er und klang gleichgültig. „Ach? Wenn ich mit so einer hübschen Frau auf Reisen wäre, würde ich sofort wissen was ich mit ihr Anstellen würde“, sagte einer der Matrosen plötzlich und die anderen Crewmitglieder stimmten in sein Lachen ein.
Sias warf einen genervten Blick in die Runde. Er hatte gewusst, dass diese Diskussion über die Elbin kommen würde. Eine Frau und 17 Männer auf einem Schiff, das konnte einfach nicht gut gehen! „Ich habe keine Verwendung für so etwas“, sagte er kalt. „Ich habe Wichtigeres zu tun“.
Sias stand auf und verließ, ohne ein weiteres Wort, den Raum. Als die Tür ins Schloss fiel, hörte der Elbenjäger die komplette Crew erneut laut lachen. Sein Geduldsfaden riss bald! Er hoffte, dass diese eine Woche endlich vorbei war!
Der Vollmond schien herab, während Naminé und Bernd auf dem Deck umherwanderten, es war eine warme Nacht und die Sterne funkelten am Himmel. Naminé sah ihn schief an. Bernd war ungefähr 22 Jahre alt und sah nicht einmal so schlecht aus. Er hatte kurzes braunes Haar und ungewöhnlich helle Augen. Seine Haut war von der Sonne braun gebrannt. Er trug die typische Matrosenkluft.
„Wie alt bist du, Naminé?“. „Ich bin 69. Das ist in eueren Lebensjahren so ungefähr 19 Jahre“, erklärte sie ihm. Bernd lächelte sie an. „69? Man sieht dir dein Alter gar nicht an“, sagte er zu ihr und strich sich kurz durch sein Haar.
Naminé zwinkerte ihm zu. „Du solltest froh sein, dass dies nicht so ist“. Der Matrose lachte kurz auf. „Dann hätte ich dich auch nicht angesprochen“. „Ach? Gehst du nur auf das Äußere?“. Bernd überlege kurz. „Ja und nein“, sagte er und legte ihr seinen linken Arm um ihre Schultern.
Naminé sah ihn verwirrt an. „Ach? Wirklich?“. „Ähm … also … ich bin mir noch nicht so sicher …“, stammelte sie und Bernd zog sie näher an sich.
Bernd sagte eine Weile nichts, sondern spazierte mit ihr eine Weile auf dem Deck umher. Der Matrose blieb an der Spitze des Rumpfes mit ihr stehen. Naminés Herz schlug ungewöhnlich schnell und sie musste schwer schlucken.
„Hast du einen Freund?“, fragte er sie plötzlich. Die Waldelbin wollte etwas sagen, als sie jemand grob am linken Arm packte und sie von dem Matrosen wegriss.
„Naminé, was soll das?“.
Es war Sias.
Naminé sah ihn verschreckt an. „M … Meister Sias?!“, sagte sie. „Woher kommt ihr?“. „Vom Mond, weißt du“, gab er sarkastisch zurück und sah Bernd an. „Lass uns alleine“, sagte er knapp zu ihm und der Matrose tat es.
Als er außer Hörweite war, sagte Sias zu ihr: „Hatten wir nicht ein Gespräch vor ein paar Tagen deswegen?“. Naminé erinnerte sich daran und sah ihn ein wenig zerknirscht an. „Darf ich mich nicht mehr mit anderen unterhalten?“.
„Unterhalten und Anfassen, das sind zwei verschiedene Dinge“, sagte er schließlich zu ihr, ließ aber ihren Arm nicht los. „Wenn ich dich noch einmal erwische, mach ich meine Drohung war“. Naminé verdrehte die Augen. „Ich bin kein kleines Kind mehr!“.
„Soll ich dir das glauben? Du benimmst dich ziemlich wie eines“, hielt er dagegen und zog die Waldelbin nun mit sich unter Deck, in ihr Zimmer. Auf den Weg dorthin sagte keiner von beiden etwas. Er riss die Tür zu ihrem Zimmer auf und stieß sie dort grob hinein. Doch anstatt draußen zu blieben und Tür schloss, blieb er mit ihr in dem Zimmer.
„Was soll das? Hast du kein eigenes Zimmer?“, fragte sie ihn und Sias ließ sie endlich los. „Ich bleibe hier. Ich traue keinem dieser Matrosen“, erklärte er knapp und setzte sich, im Schneidersitz, auf den Boden.
„Ich brauche keinen Wächter!“, sagte sie wütend und ballte die Hände zu Fäusten. „Ich traue jedem von denen zu, dass er über dich herfallen könnte. Es ist nur zu deiner Sicherheit“. „Ich kann auch die Tür absperren!“.
Sias sah sie verblüfft an. Wie dumm kann man nur sein, dachte er und seufzte niedergeschlagen.
„Glaubst du wirklich, so ein Schloss würde diese Männer aufhalten?“, sagte er zu ihr und schüttelte den Kopf. Naminé setzte sich auf ihre Pritsche.
„Gut! Wenn du meinst, dass das sein muss!“, sagte sie und deckte sich zu. Sie starrte die Schiffswand an. „Kannst du nicht doch zurück in dein Zimmer gehen?“, versuchte sie es erneut, doch Sias schwieg. Er hatte die Augen geschlossen. Naminé kuschelte sich fester in die Decke und schlief bald darauf ein.
Ein Lautes knarren ließ sie aus ihrem Schlaf hochschrecken, gefolgt von einem Schrei und einen gewaltigen Knall.
Naminé saß hellwach in ihrem Bett und sah zu Sias.
Der Elbenjäger hatte seinen Dolch gezogen und hielt ihn einem Matrosen an den Hals. Dieser lag mit dem Bauch auf den Boden. Anscheinend hatte Sias ihn überrascht.
„Hey, Mann! Lass mich los!“, keifte der Matrose wütend und versuchte Sias loszuwerden. Der Elbenjäger hockte halb auf den Matrosen und drückte ihm mit dem linken Knie in sein Kreuz.
„Was willst du hier?!“, fragte Sias ihn wütend und ritzte mit seinem Dolch leicht in seine Haut ein. Ein dünnes Blutrinnsal lief seinen Hals hinab und tropfte auf den Holzboden.
„I … Ich wollte nur nach Naminé sehen“, sagte dieser und Sias erkannte den Matrosen. Es war der gleiche der mit Waldelbin, auf den Deck spazieren gegangen war. „So … nur nach ihr sehen? Ich glaube dir kein Wort!“.
„Sias!“, sagte Naminé und sah Bernd besorgt an.
Der Elbenjäger sah zu ihr auf. „Siehst du? Ich hatte recht!“.
Die Waldelbin erwiderte darauf nichts. Sie stand auf und kniete sich zu Bernd auf dem Boden. „Sias, lass ihn los“.
„Was?! Spinnst du?!“. Naminé sah ihn fest an.
„Sias, bitte!“. Er seufzte niedergeschlagen und tat es.
Bernd stand schnell auf und sah Sias ängstlich an.
„Du wirst jetzt gehen. Das ist niemals passiert, verstanden?!“, zischte der Elbenjäger ihm leise zu. Bernd nickte und rannte aus dem Raum.
Sias sah nun zu Naminé. „Wie wäre es mit einem Danke?“, fragte er sie. Die Waldelbin blinzelte ihn leicht an. „Ich wäre mit ihm auch alleine fertig geworden!“, beharrte sie immer noch darauf. Sias zuckte leicht mit den Mundwinkeln. „Gute Nacht!“, sagte er schließlich und setzte sich wieder auf den Boden.