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Tal der Nebel

Wendra-Welten
von

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Begegnung

Begegnung
 

Ein letztes mal verneigte er sich vor der Statue, dann verließ er mit dem geschulterten Stab das Gebäude. Der Weg führte ihn rasch zu dem breiten, ringförmigen Wassergraben. Dort entlang gab es keinen Hinweis mehr auf die absolvierten Prüfungen.

Auf der anderen Seite, am natürlich belassenen Ufer, nahm er seinen Fellumhang, den er dort in eine Astgabel gehängt hatte, wieder an sich. Während der langen Wanderung über den Gebirgspass würde er ihn dringend brauchen.

Ohne Schwierigkeiten erreichte er den nahen Sumpfwald, doch ab dort erwies sich das schwere Artefakt als sehr hinderlich. Immerhin hatte es die Abmessungen für einen Wächter und Tosch'ral war gerade halb so groß. Sorgfältig darauf achtend, dass der so mühsam errungene >Stab von Schak'tar< weder schmutzig noch nass wurde, arbeitet sich der Echsenmann bis zum Einbruch der Dunkelheit durch den unwegsamen Sumpf. Die Nacht verbrachte er wie schon auf dem Hinweg in einer mit Laub und Moos gefüllten Grube.

Mühsam kämpfte er sich auch am folgenden Tag Schritt für Schritt vorwärts bis schließlich der Wald lichter wurde und den Blick auf das Gebirge freigab. Die Nacht wollte er aber noch hier verbringen, auch wenn es erst früher Nachmittag war. In einem der vielen Teiche wusch er sich den Schlamm ab, um den Rückweg sauber anzutreten. Der Echsenmann fing noch einige Fische und verspeiste sie rasch. Er war sich nicht sicher, ob er von hier einen kleinen Vorrat mit sich nehmen durfte, denn die Anweisung, unterwegs Nahrung zu suchen, galt nur für den Hinweg. Vier Tage anstrengende Bergwanderung lagen noch vor ihm, also füllte er sich den Bauch mit kleinen, schmackhaften Silberschuppen, saftigem Seegras und würzigen Baumpilzen.
 

Zügig schritt er im ersten Licht der Morgensonne mit dem geschulterten Stab den immer steiniger werdenden Pfad nach oben.

Unterwegs verzehrte er Beeren, Kräuter und Blumen, trank aus klaren Bergquellen oder kleinen Regenwasserbecken im Fels. Doch mit zunehmender Höhe wurde die Vegetation karger und schließlich aß er Felsmoos und Schnee, um die anhaftende Erde aus dem Mund zu bekommen.

Von einer Felsklippe blickte er noch einmal zurück. Das Tal lag wie zuvor verborgen unter Nebelschwaden. Nicht einmal die Türme konnte Tosch'ral heute sehen.

Er dachte an die letzten Tage zurück. Als er das erste mal das >Tal der Nebel< erblickte, war er aufgeregt gewesen. Was ihn dort erwarten würde, lag außerhalb seiner Vorstellung. In Gedanken ging er durch, was letztlich dort alles geprüft wurde, was er anwenden und beweisen musste - Kraft und Ausdauer, Geschicklichkeit und Ruhe, Mut und Überwindung, Geduld und Beobachtung. Die Aufgaben hatten sehr viel von ihm gefordert, er hatte vor allem gegen Erschöpfung und Angst kämpfen müssen.

Zuversichtlich schritt er voran, die wenigen Tage des Rückweges würde er auch noch schaffen, falls er nicht ungeschickt abrutschte.

Gegen Mittag überschritt er den Pass, von da ab würde es wieder wärmer werden. Vielleicht schaffte er es sogar, bis zur Dunkelheit aus dem Schnee herauszukommen, in den er teilweise bis zu den Knien einsank. Der weitere Weg zur Siedlung verlief unterhalb der Geröllfelder über Bergwiesen und an einem kristallklaren See vorbei.

Doch noch stapfte Tosch'ral durch endlose Schneewehen und leider schaffte er die geplante Strecke bis zum Abend nicht. Also suchte er einen windgeschützten Felsspalt und kuschelte sich mit dem Fellumhang hinein.
 

Völlig durchgefroren machte er sich früh am Morgen mit steifen Gliedern wieder auf den Weg. Der Pass lag ja schon längst hinter ihm und die ersten unverwüstlichen Kletterpflanzen eroberten die kalten Höhen, aus denen er nun zügig hinabstieg.

"Nur noch drei Tage", spornt er sich an und schritt kräftig voran. Die nächste Rast würde er wieder am >Blauen Spiegel<, wie man den klaren Bergsee nannte, machen. Dort hatte er sich auf dem Hinweg ein kuscheliges Nest aus Moosen und Laub hergerichtet.

Der Weg dahin führte über ein altes Geröllfeld, dann musste Tosch'ral den kleinen Gebirgsbach überqueren und zuletzt lagen saftige Grashänge vor ihm. In der Ferne wurden die hellen Kuppeldächer der Siedlung sichtbar.

Der Echsenmann gönnte sich bei diesem Anblick eine kleine Rast.
 

Vor acht Generationen hatten die ersten Siedler hier eine neue Heimat gefunden. Das hier in seine Einzelteile zerlegte Raumschiff bildete die technische Grundversorgung, danach wuchs daraus schnell eine Ansiedlung und die neue Gemeinschaft festigte und entwickelte sich auf diesem fernen Planeten.

Die Wendra, die hier lebten, stammten aus den Stämmen des Felslandes, des Waldlandes und aus den heißen Wüstenregionen, dem Sandland. Dementsprechend hatte ihre Haut unterschiedliche Grundfarben und Muster.

Tosch'rals Familie entstammte dem Felsland, sie waren dunkelhäutig mit feinen helleren Linien.

Sein bester Freund Ka'jeno, ein Sandland-Wendra, bildete äußerlich einen starken Kontrast, denn dessen Stamm war hellhäutig mit dunkleren Gliedmaßen.

Ka'jeno...

Er hatte kein Interesse an Kampfspielen. Der hochgewachsenen, schlanke Echsenmann widmete seine Zeit lieber der Malerei. Ab und zu musste Tosch'ral für ihn Modell stehen, denn dessen kräftiger, muskulöser Körper bot ein gutes Motiv. Sie waren eben nicht nur äußerlich recht unterschiedlich.
 

Auf der Wiese sitzend, ließ der Echsenmann den Blick über die Hänge schweifen. Es war Zeit, weiterzugehen, um die Reise abzuschließen.

Plötzlich verspürte er ein leises Grollen ringsum, Vögel schreckten hoch und der Boden vibrierte spürbar. Kleine Erdbeben gab es in dieser alten Vulkangegend mehrfach innerhalb eines Sonnenkreises. Meist richteten sie keine Schäden an. Es gab gute Sensoren, die die Gegend ringsum überwachten.

Tosch'ral sprang auf und sah sich um. Am Steilhang zu sitzen konnte gefährlich sein, weil hier viel loses Geröll herumlag, dass auch ohne Erdstöße leicht ins Rutschen kam.

Mit federnden Schritten eilte er den Hang hinab und gelangte recht schnell bis zum Bergsee. Während dessen spürte er zwei weitere kleine Erschütterungen und einige kleine Felsbrocken rutschten aus dem Geröllfeld und kullerten die Wiese hinab.

Weiter unten fand er einen Rastplatz mit den Spuren einer einzelnen Person vor, die Asche des Lagerfeuers war kalt, aber frisch. Er blickte sich intensiv züngelnd um. Wer trieb sich denn hier allein herum?

Während er nach weitere Spuren Ausschau hielt, hörte er eine leise Stimme, eher ein Fauchen.

"Hallo, wer ist hier?" rief der Echsenmann und wandte sich in die Richtung der Laute.

"Ich bin hier, in der Höhle am Hang!", antworte eine helle, weibliche Stimme. "Ich sitze hier drinnen fest, sowas Dummes aber auch."

Tosch'ral ging in Richtung dieser Stimme und fand auch die Höhle, die hinter einigen Sträuchern verborgen lag. Einige, der ohnehin lose liegenden großen Steine oberhalb hatten sich durch die Erschütterungen vom schrägen Hang gelöst und lagen jetzt vor den Eingang.

"Ist alles in Ordnung mit dir oder hast du dich verletzt?" fragte er in den Hohlraum zwischen den Felsbrocken. Die Person dahinter konnte er aber nicht sehen.

"Mein Schlafnest ist weiter hinten im Gang. Ich habe zum Glück nur etwas Staub geschluckt. " Wie zur Bekräftigung ihrer Worte hustete die Frau laut.

"Was machst du hier, die Siedlung ist doch zwei Tagesmärsche entfernt."

"Ich bin auf der Durchreise, das Blut der Nomaden lässt mich einfach nicht ruhen. - Bekommst du den Eingang frei?"

"Ich mache mich an die Arbeit, du solltest ab jetzt vom Eingang fern bleiben."

Mit seinen kräftigen Krallenhänden schob er Geröll beiseite. Erfahrungen mit Steinen hatte er ja inzwischen reichlich, also wuchtete er den ersten großen Brocken beiseite und ließ ihn kurzerhand den Hang hinabrollen.. Die kleineren scharrte er fort und grub sich so immer weiter in den Eingang hinein.

"Ich bin gleich bei dir", meinte er zuversichtlich, doch einige Zeit später blockierte ein großer Fels das Weiterkommen. Tosch'ral konnte ihn zwar etwas bewegen, aber weder heben noch schieben. Er bemühte sich mit aller Kraft, doch der Stein war einfach zu schwer und die Anstrengungen der letzten Tage hatten seine Kräfte reduziert.

Ein Hebel...

Wenige Schritte von ihm an den Hang gelehnt, stand der >Stab von Schak'tar< und der war sicher geeignet. Aber durfte er dieses wertvolle Artefakt dafür verwenden? Andere brauchbare Gegenstände gab es hier auf den Gebirgswiesen leider nicht.

Hilfe holen?

Das würde etliche Stunden dauern, er wollte die Frau aber hier nicht allein zurücklassen.

"Wo ist dein Com-Armband?" wandte er sich an die noch immer Eingesperrte.

"Habe ich unterwegs verloren", ertönte es von drinnen. "In der nächsten Siedlung lasse ich mir ein neues geben."

Natürlich trugen beide den üblichen winzigen Peilsender, der jedem Wendra schon als Springer unter die Haut implantiert wurde, aber wenn diese Frau auf der Durchreise war, würde vorläufig niemand nach ihr suchen.

"Sie werden nicht nach mir suchen, weil ich auf einer längeren Reise bin", sagte sie leise, als ob sie gerade seine Gedanken gelesen hatte.

"Hier ist ein großer Felsbrocken, den bekomme ich ohne Hilfe nicht weg. Ich muss in die Siedlung gehen, dann schicken sie in zwei Tagen einen Wolkengleiter."

"Hast du etwa auch kein Com-Armband?" fragte sie überrascht.

"Nein, ich habe nicht einmal Kleidung."

Sie antwortete mit einem glucksenden Lachen. "Verrätst du mir deinen Namen, du nacktes Reptil?"

"Ich bin Tosch'ral, von den Bergland-Wendra. Unsere Siedlung ist weiter unten im Tal."

"Mein Name ist Nescha'xa, von den Sandland-Wendra."

'Sie ist eine Tex!', durchfuhr es ihn und er bedauerte zutiefst, ihr nicht helfen zu können. 'Was macht sie hier so allein?'

Noch einmal warf er sich knurrend gegen den Steinbrocken und bewegte ihn ein winziges Stück. Doch der Boden war zu uneben, um diese Last fortschieben zu können.

"Ich muss gehen. Wenn ich mich beeile, dauert es nur etwas über einen Tag." Er straffte sich und wollte loslaufen.

"Halt!" Ihre Stimme ließ ihn innehalten. "Verrätst du mir, warum du nackt durch die Gegend wanderst? Ist das ein altes Ritual?"

Dem Wunsch einer Tex musste er Folge zu leisten. So hatte er es von der Familie gelernt.
 

"Die Tex bilden das Zentrum jedes Familienverbandes, deshalb besitzen sie Privilegien."

Die Älteren hatten es ihm oft genug gesagt und von der alten Zeit erzählt. Eine Tex war nahezu die Garantie für Gesundheit aller Hausbewohner und gute Betreuung des Nachwuchses. Dafür musste sie aber auch entsprechend versorgt werden und brauchten keinerlei Arbeiten in der Siedlung oder auf den Feldern verrichten. Eigentlich wurden die Tex verwöhnt und außerdem bewacht wie in wertvoller Schatz. Jeder war verpflichtet, Gefahr von ihnen abzuwenden, auch wenn sie nicht zum eigenen Haus gehörten.

Die zierlichen kleinen Echsenweibchen, die jeder an ihrer hübschen blauen Färbung erkannte, konnten selber keinen Nachwuchs zur Welt bringen, aber sie besaßen einen ausgeprägten Pflegetrieb. Jedes Haus durfte sich glücklich schätzen, ein oder zwei von ihnen zu beherbergen.

In der Frühzeit hatte es Kriege um sie gegeben, doch mit dem Reifen der Zivilisation änderten sich diese alten Strukturen. Niemand musste mehr auf ihr wertvolles Drüsensekret, das Tex, verzichten.
 

"Ich war im >Tal der Nebel<, um meine Prüfung abzulegen und den >Stab von Schak'tar< zu holen. Er ist ein Artefakt aus der Zeit des großen Kriegers."

"Dann möchtest du also ein Wächter werden?" fragte sie. "Findest du es nicht etwas seltsam, diese alte Prüfung absolvieren zu müssen, während in anderen Siedlungen normale Tauglichkeitstests gemacht werden?"

Der Echsenmann zuckte zusammen. Was fragte sie da? Für ihn war diese Prüfung und der >Steinerne Kreis der Erwählten< eine Ehre und somit etwas sehr Bedeutendes!

"Sag mal... Dieser Stab, wie sieht der eigentlich aus?" fragte sie mitten in seine Überlegungen hinein. "Es wird da so ein Geheimnis draus gemacht, wenn es um Informationen über das >Tal der Nebel< geht."

Tosch'ral war sich nicht sicher, ob er jetzt einfach erzählen durfte. Allerdings könnte jeder, dem er unterwegs begegnen würde, den Stab sehen. Ein Bericht über den >Steinernen Kreis der Erwählten< wäre da schon etwas anderes...

"Dieser Stab ist die Übungswaffe, die der ehrenwerte Krieger Schak'tar der neu gegründeten Schule der Wächter übergab und..."

"Das will ich doch gar nicht wissen", unterbrach sie ihn schroff. "Wie sieht er aus?"

"Er hat die Größe eines ausgewachsenen Wächters, ist aus Hartholz und an den Enden mit Blaumetall beschlagen."

"Na bitte, da haben wir doch die Lösung unseres kleinen Problems", zischte sie scharf. "Oder weißt du überhaupt nicht, wovon ich jetzt rede?"

"Du solltest mich nicht für dumm halten, nur weil ich die alten Traditionen achte!" fauchte der Echsenmann. "Ich weiß, dass ich den Stab als Hebel einsetzen könnte."

"Und warum sitzen wir dann noch hier? Du da draußen und ich hier drinnen?" Ihre Stimme klang gereizt und herausfordernd.

"Weil ich ihn dafür nicht benutzen werde. Der >Stab von Schak'tar< ist ein wertvolles Artefakt und bedeutet uns sehr viel. - Ich sollte jetzt gehen, sonst sitzt du nur unnütz lange hier drin." Er wandte sich zum Gehen.

"Und für einen unbrauchbaren Gegenstand hast du all diese Mühen auf dich genommen und sogar dein Leben riskiert?" rief sie ihm nach. Der Echsenmann hielt inne und dreht sich wieder zur Höhle um.

"Und du sitzt in der Klemme, weil du allein umherziehst, statt zu Hause zu bleiben, wie es eine Tex normalerweise tut!"

"Willst du mir vorschreiben, wie ich zu leben habe? Bist du wirklich solch ein rückständiges Reptil, dass den Wandel der Zeiten nicht mitbekommen hat? - Ach... dann darfst du ja keine Tex beleidigen und musst mir gehorchen, oder? Also mach jetzt gefälligst den Eingang frei!"

Tosch'ral schnaubte verärgert. Ihm war noch keine dermaßen unfreundliche Tex begegnet. Warum griff sie ihn jetzt so an? Er hatte ihr doch überhaupt nichts getan, im Gegenteil, er war ihr ohne Zögern zu Hilfe gekommen.

Vielleicht fiel es ihr einfach nur schwer, dort so hilflos zu hocken und eingesperrt warten zu müssen. Ihm selber wäre das auch unangenehm.

Zögernd griff er den >Stab von Schak'tar< und stocherte damit hinter dem Felsbrocken herum. Er suchte den richtigen Ansatzpunkt für den Hebel, nicht auszudenken, wenn er das Artefakt dabei beschädigen würde...

"Tut mir Leid, was ich eben gesagt habe", meinte Nescha'xa leise. "Aber während deiner Ausbildung wirst du auch andere von uns kennenlernen, nicht alle Blauen leben heutzutage noch in einer Familie. Auf Raumstationen und Schiffen sind Tex ganz normale Ärztinnen und wohnen allein."

"Ich habe das doch auch nicht so gemeint. Aber was wäre, wenn ich nicht zufällig hier vorbeigekommen wäre? Es ist nicht ungefährlich, alleine zu reisen. Außerdem denke ich ja nicht, dass man euch im Wohnhaus einsperren sollte. Ich wurde so erzogen, eine Tex zu beschützen und hoch zu achten."

Tosch'ral hatte einen günstigen Ansatzpunkt für den Hebel gefunden. Er packte den Stab und stemmte sich mit einem Fuß gegen die Felswand, um so den schweren Stein vom Eingang wegzudrücken. Ein richtigen Hebel mit Drehpunkt ließ sich an einer solchen Stelle leider nicht anbringen, also war immer noch viel Muskelkraft notwendig. Knirschend gab der Felsbrocken nach und der Echsenmann verlagerte den Stock nochmals.

"Du schaffst das!" spornte die Tex ihn an.

Allmählich bildete sich eine Lücke zwischen Felswand und Hindernis. Noch ein wenig, dann wäre die Tex frei...

Mit einem lauten Knacken gab der Stab nach und das Hebelende brach. Beinahe hätte Tosch'ral durch den Ruck das Gleichgewicht verloren. Nun starrte er schockiert auf das beschädigte Artefakt. Wie sollte er das den Ratsoberen erklären?!

Der Stab war außerdem zerbrochen, noch bevor der Stein endgültig den Weg freigab. Nur ein Springer könnte durch solch einen kleinen Spalt schlüpfen. All die Mühe für Nichts, und eine Menge Ärger gab es mit Sicherheit, sobald er die Siedlung erreichte.

"Der Boden vor dem Eingang ist kein Fels sondern Erde. Du kannst den Brocken jetzt unterhöhlen, dann rollt er fast von alleine weg", wies die Tex ihn an.

Kurz entschlossen griff Tosch'ral nach dem kurzen abgebrochenen Stück und benutzte es als Grabholz.
 

Es dauerte zwar noch eine ganze Weile, doch letztlich hielt er den Graben vor dem Stein für tief und lang genug. Der Echsenmann hatte sogar zwei Sträucher ausgebuddelt, um sicher zu gehen.

"Nescha'xa, jetzt bist du dran. Du musst mit aller Kraft gegen den Felsen drücken. - Ich ziehe mit einer Hand von außen."

Nescha'xa befolgte seine Anweisung und letztlich kippte das schwere Hindernis wie in Zeitlupe von der Felswand weg, und dann rollte er schwerfällig den Hang hinab.

Tosch'ral fing die Tex auf, als diese hinterher zu stürzen drohte.

"Vorsicht!" stieß er hervor und hielt sie fest, indem er seine Krallen in ihre robuste Kleidung bohrte. Rasch nahm er die zierliche Echsenfrau in den Arm.

"Danke." Erleichtert blickte sie zuerst den Hang hinunter, dann ihrem Retter in die Augen. "Du hast dir eine Belohnung verdient." Sie leckte ihm über die Nase und presste dann ihren Mund auf seinen. Der nächste Atemzug von ihm war mit Tex angereichert.

Diese Substanz brachte ihm rasch etwas Entspannung. Er machte sich ja immer noch Vorwürfe, weil der >Stab von Schak'tar< zerbrochen hatte. Die Ratsoberen würden ihn zur Rechenschaft ziehen.

"Komm, lass uns diese Nacht in der Höhle verbringen, heute schaffst du kaum die halbe Wegstrecke", sagte die Tex mit sanfter Stimme.

Tosch'ral nickte und griff seinen Fellumhang. Schüchtern folgte er Nescha'xa und kuschelte sich in ihr weich gepolstertes Schlafnest.

"Leg dich auf den Rücken", stupste sie ihn an und legte ihren Overall aus graubraunem, weich gefütterten Stoff ab. Dann beugte sie sich über ihn und süßliches Tex träufelte aus ihren langen Röhrenzähnen auf seinen Gaumen. Dieses blau schimmernde Drüsensekret würde schon bald seine Wirkung entfalten, ihn stärken und ihm eine erholsame Nacht spenden.

"Darf ich dir eine private Frage stellen?" wandte er sich an die Echsenfrau und leckte nun ebenfalls über ihre Nase.

"Ja, frag nur." Nescha'xa blickte ihn an und ließ ihre Zunge herauspendeln.

"Hast du mich dazu überredet, den >Stab von Schak'tar< zu benutzen, weil du nicht so lange auf Hilfe warten wolltest - oder weil du Angst in der Höhle hattest?"

"Ich hatte Angst, große Angst sogar." Sie blickte zu Boden. "Ich ertrage das Eingeschlossen sein nicht und Enge ebenso wenig. Vielleicht liegt das an meinen Nomaden-Genen. - Wenn das nicht so wäre, würde ich längst auf einem Raumschiff sein..."

Schläfrig geworden, obwohl noch etwas Tageslicht in die Höhle drang, nahm er die zierliche blaue Echse in seine kräftigen Arme. Es war schon lange her, dass eine Tex die ganze Nacht so nahe bei ihm gelegen hatte. Die beiden im Haus seiner Familie kümmerten sich vorrangig um die Springer und Jungechsen. In den Schlafnestern der Erwachsenen ruhten sie nur zeitweise.

"Hättest du mich auch so schnell befreit, wenn ich keine Tex wäre?" fragte sie nach einer Weile. "Ich war so unfreundlich zu dir, das tut mir Leid."

"Schon gut", murmelte Tosch'ral schon halb im Schlaf. "Ich habe vermutet, dass du Angst hattest."

Jetzt verspürte sie jedenfalls keine Angst mehr, das hätte er gerochen. Sie lag entspannt in seinen Armen und wirkte sehr zufrieden.
 

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