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Blumenmeer

am Ende bleibt nur die Erinnerung
von

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kleiner Bruder

15.Dezember 2010
 

Es war schon wieder dunkel. Die Sonne verschwand gerade hinter dem Horizont und die eisige Kälte verband sich mit der Dunkelheit zu einem unüberwindbaren Wall. Nebel kroch über die Fenster von Lulus Wohnung und versuchte in das warme Innere zu kommen. Toby schloss, dass bis eben noch angekippte Fenster und ging dann zurück an den Herd in der Küche seiner Schwester. Den ganzen Tag über hatten sie in ihrem Bett gelegen, er hatte sie gehalten, mit ihr gesprochen wenn sie es wollte oder geschwiegen wenn ihr nicht nach Reden war.
 

Toby wusste, dass er im Prinzip nicht viel tun konnte, Niemand hatte die Kraft das Herz seiner Schwester zu heilen. Nur Charlie könnte es tun, aber sie würde nicht wieder kommen, sie war tot, unwiederbringlich. Skeptisch sah er in den kleinen Topf in dem gerade eine Dosensuppe vor sich hin köchelte. Er war noch nie ein Ass im kochen gewesen, er verdankte sein Leben wohl mehr oder weniger, den Köchen in seiner Ausbildungsstätte. Immerhin versorgten sie ihn mit wichtigen Vitaminen und Cerealien. Er schmunzelte ein wenig. Ja ohne sie würde er wohl dick wie ein Hefekloß sein, weil er gerne fettig aß. Das würde in seiner Ausbildung eher für Probleme Sorgen. Eine Dosensuppe erwärmen konnte aber selbst er, auch wenn es eine richtige Suppe, sicher besser getan hätte, doch dafür reichte sein Können, dann doch nicht.
 

Toby hoffte, das Luisa ein wenig davon essen würde. Sie sah sehr schlecht aus und er war sich ziemlich sicher, dass sie seit Charlies Tod nicht mehr richtig gegessen hatte. Die Annahme hatte sie bestätigt, als er in den Kühlschrank seiner Schwester gesehen hatte und dann die Tüte mit Lebensmitteln in der Ecke. Elias und Emily hatten sie sicher damit versorgt gehabt. Nachdem die Suppe, seiner Meinung nach fertig war, machte er etwas davon auf zwei Teller und stellte sie auf den Tisch. Vorsorglich verpflegte er auch Elli mit Fressen und gab Lola ein Stück Gurke.
 

Schleichend ging er zur Schlafzimmertür seiner Schwester und öffnete sie. In ihrem Zimmer war es frisch und der Nebel war hinein gekrochen. Leise schloss er das Fenster und drehte die Heizung auf. Wenn sie nicht an gebrochenem Herzen oder Hungertod sterben würde, dann würde sie erfrieren. Kopfschüttelnd ging Toby an ihr Bett und ließ sich auf die Kante sinken. Sie schlief, aber ihr Schmerz, war deutlich auch auf ihrem ruhenden Gesicht ab zu lesen. Auch jetzt noch flossen ab und zu Tränen über ihr gerötetes Gesicht und versanken im Kissen. Es war bereits ganz feucht. Bald müsste Lulu sicher die Bettwäsche wechseln. Zärtlich strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht und ließ seiner Fingerspitzen über ihre Haut wandern. Leider, hatte sie nicht mehr viel mit seiner Einst so starke Schwester gemein. Luisa war im Moment aller höchstens noch eine leblose Hülle ihrers eigentlichen „Ichs“
 

Ihre Augen flatterten und Toby wusste sofort, dass sie schlecht träumt. Er strich ihr über das Gesicht und flüsterte ein paar Mal ihren Namen, bis sie letztlich die Augen aufschlug und sich desorientiert um sah. „Alles ok?“ Lulu sah auf die andere, unberührte Seite des bestes und seufzte tonlos. „Nein.“ Er sah sie sorgenvoll an und Luisa wich seinem Blick aus. Ein kurzer Schmerz durchfuhr ihren Kopf und sie musste sich aufstützen. Vom vielen weinen und schlafen war ihr nicht ganz wohl und sie fühlte eine gewisse Übelkeit in sich auf kommen. Tobys Hände legten sich auf die seiner großen Schwester. „Ich habe etwas zu essen gemacht.“ sagte er vage und strich mit dem Daumen über ihre Handinnenflächen. Allein bei dem Gedanken an etwas essbarem wurde Lulu wieder schlecht, aber sie wusste selbst, dass ihre Kraftlosigkeit auch davon her rührte, dass sie ihrem Körper kaum die benötigte Nahrung gab. Ihrem Bruder und auch ihrem Körper zu Liebe, wollte sie versuchen ein wenig zu Essen. Es könnte ja unmöglich alles noch schlimmer machen, als es im Moment schon war.
 

Mühsam richtete sie sich wieder auf und ließ sich von Toby auf die Beine ziehen. Vor Luisas Augen wurde es etwas schummrig, aber sie konnte dieses Gefühl gut überspielen, zu mindestens glaubte sie das. In der Küche angekommen, ließ sie sich auf den Hocker fallen und sah auf den Teller. Toby musterte sie unauffällig und seine Besorgnis wurde von Moment zu Moment größer. Ihre Augen waren leer und glanzlos, das einzige was er noch sah, waren Tränen, die nur auf einen schwachen Moment ihrer Seits warteten. Luisa war blass und ihre Haut ganz spröde, es hatten sich ein paar rote Stellen gebildet, da wo sie immer rüber wischte. Ihre ganze Haltung an sich wirkte völlig verloren.
 

Sie hatte kaum noch die Kraft aufrecht am Tisch zu sitzen. Er wollte sich nicht einmal vorstellen, wie es in ihrem Inneren aussah. Ihre Hand wanderte zum Löffel und ergriff ihn zögernd. Das langärmliche Schlabbershirt gab ein wenig ihrer Haut frei. Tobys Hand wanderte zu ihrem Arm und schoben den Stoff ein wenig nach oben. Sie hatte sich an einigen Stellen blutig gekratzt. Einige Stellen waren noch sehr frisch, andere hatten schon einen leichten Schorfüberzug. Also war seine Besorgnis, nicht völlig übertrieben gewesen. „Was hat das zu bedeuten?“ fragte er vorsichtig und ergriff Luisas Hand. Sie sah zu ihm auf und dann auf ihren Arm. „Ich weiß nicht.“ Toby wusste, dass Luisa nicht der Typ für sowas war, aber anderer Seits, ihr Verlust und der darauf folgende Schmerz waren sehr schlimm, vielleicht war es wirklich schlimmer, als er gedacht hatte.
 

Toby schob den Löffel mit der Suppe in seinen Mund und musste fest stellen, dass sie tatsächlich besser schmeckte, als er erwartet hätte. „Was hältst du davon, wenn ich dich gleich mitnehme, wenn ich 19.Dezember wieder fahre?“ Kraftlos sank ihr Löffel auf den Tisch und sie sah ihre n Bruder unwissend an. „Wohin?“ Toby runzelte die Stirn und stupste sie an, er wollte sie zum Essen animieren. „Mit nach Hause. Immerhin ist doch bald Weihnachten. Mama und Papa wollen sicher nicht, dass du zu Weihnachten hier allein bist. Ich natürlich auch nicht.“ Somit war Lulus Appetit mit einem Schlag wieder völlig weg. Sie schob den Teller von sich und starrte auf ihre Hände.
 

Sie hatte noch gar nicht an Weihnachten gedacht. Eigentlich wollten Charlie und sie, mit Charlottes Vater feiern. Es hatte alles schon festgestanden, Geschenke waren gekauft worden, das Essen hatten sie geplant ebenso wie den Besuch des Weihnachtsgottesdienstes. Wieder spürte Lulu das Brennen ihrer Augen. Sollte sie nun allein zu Charlies Vater gehen oder mit zu ihrer eigenen Familie. Beide hatten am 2.Weihnachtsfeiertag hinfahren wollen…eigentlich. Toby bedachte sie mit einem unbeschreiblichen Blick und stand auf. Vorsichtig legte er seine Arme um sie und drückte Luisa an sich. „Es ist sicher besser, wenn du dieses Weihnachten mit zu uns kommst.“ Lulu sah ihn hilflos an und schüttelte den Kopf. „Aber was ist mit Charlies Vater?“ Seufzend fuhr er sich durch das braune Haar. „Ich rede später mal mit Elias ok?“ Sie nickte und stand auf. „Ich bin müde, so unendlich müde.“ Flüsterte sie kraftlos und lehnte sich an Tobys Brust. „Ist ok, ich bring dich in dein Bett.“ Sanft hob er ihren zitternden Körper hoch und trug sie ins Bett.
 

Es war immer noch kalt hier drin und selbst Elli zog es vor in ihrem Körbchen zu liegen. „Schlaf gut.“ Toby küsste ihre Stirn und deckte sie zu. Sie brauchte nichts zu sagen, er wusste auch so, dass Luisa wollte, dass er blieb. Lulus Augen wurden schwer und fielen zu. Es schien für sie noch in weiter Ferne zu sein, dass bald das Fest der Liebe war. Sie wollte ganz einfach nicht daran denken. Letztes Jahr hatten sie noch getrennt gefeiert und erst am 2.Weihnachtsfgeiertag getroffen. Es war trotzdem ein schönes Fest gewesen, vor allem da Toby zu gern, die Anekdote von der ersten Begegnung von Charlie mit seiner Familie erzählte. Man könnte jedes Mal den Eindruck gewinnen, dass er Charlies Freund wäre und nicht seine ältere Schwester. Jedes Mal aufs Neue, musste er sich beim erzählen sehr zusammen reißen um nicht lachend vom Stuhl zu fallen
 

So wie der Tag angefangen hatte, konnte er ja bloß in einer Katastrophe enden. Aufgeregt fuhr sich Charlie durch ihr langes, rotes Haar und rückte es sicher schon zum 100. Mal zu Recht. „Charlotte Albert, jetzt reiß dich doch bloß mal zusammen. Meine Eltern sind wirklich sehr nett und weltoffen. Sie werden dich sicher mögen.“ Egal wie oft Lulu das auch noch sagte, Charlie glaubte es deshalb nicht mehr als vorher. Immerhin sah sie sich ja auch gleich 3 Menschen gegenüber, die über sie urteilen würden. Bei Lulu war es damals nur ihr Vater gewesen und der hatte sie postwendend in der Familie begrüßt. „Au.“ Charlie schrie kurz auf und drehte sich dann mit bösem Gesicht zu ihrer Freundin um.
 

„Warum hast du das gemacht?“ Ärgerlich strich sich Charlie über die Stelle und funkelte Lulu an. „Du sollst endlich aufhören, dir so viele Gedanken zu machen. Meine Eltern werden dich lieben, ganz sicher.“ „Mir würde schon reichen, wenn sie mich einfach akzeptieren.“ Luisa stieg aus dem Auto und öffnete einen großen schwarzen Regenschirm. Seit heute früh schon schüttete es wie aus Eimern und es schien noch lange keine Ende in Sicht. »Wie unpassend« Lulu ging zur Beifahrerseite und hielt ihrer Freundin den Schirm über den Kopf, natürlich reichte sie ihr ganz ladylike auch die Hand. „Bereit?“ Charlie sah sie entsetzt an. „Nein, lass uns umdrehen und einander Mal wieder kommen ja?“

Aber es war natürlich zu spät. Vom weiten schon, sah Luisa ihren Bruder breit grinsend unter dem Vordach stehen. Charlie war Lulus erste Freundin seit Jahren, die sie auch ihren Eltern vor stellte. Zuvor hatte sie lange keine ernsthaften Beziehungen mehr gehabt, nichts was sie ihren Eltern zu muten wollte.
 

Aber Charlie wollte sie ihren Eltern schon sehr lange vorstellen, immerhin waren sie schon über ein halbes Jahr zusammen. Bei Charlies Vater waren sie schon oft gewesen, was aber wohl auch an der Nähe zu ihm lag. Charlies Füße bewegten sich irgendwann von ganz allein und sie stand unter dem Vordach. Lulus Bruder umarmte seine Schwester freudig und sie küsste ihn kurz auf die Stirn. Er runzelte eben diese und wischte darüber. „Ich bin 19 und keine 6 mehr.“ Er lächelte aber so gleich wieder. „Wie unhöflich von mir, ich bin Tobias, aber du kannst mich gern Toby nennen.“ Er reichte Charlie seine Hand und diese erwiderte seine Geste. „Sehr süß.“ Er zwinkerte Lulu zu und zog Charlie ins Haus. „Unsere Eltern sind schon sehr gespannt darauf dich kennen zu lernen.“
 

Am liebsten wäre Charlotte wieder umgedreht, aber hinter ihr ging Luisa und die würde sie sicher nicht durch lassen. Aufgeregt, wie ein kleines Kind an Weihnachten zog Toby sie quer durchs ganze Haus und erzählte ihr alles Mögliche. Mit ein bisschen Glück wüsste sie in 2 Stunden vielleicht noch seinen Namen. Sie hörte Geräusche aus der Küche und gingen dort hin. „Mama, ich habe Lulus Freundin dabei.“ Alle hörten ein kurzes Quietschen. „Oliver komm, sie sind da.“ Jetzt hatte Charlie wirklich Angst. Hilfesuchend sah sie sich zu Lulu um, die ihr entschuldigend zu lächelte. Und auf einmal standen sie dann vor ihr. Lulus Eltern. Charlie nicht wüsste, dass das die Eltern ihrer Freundin waren, dann würde sie es nicht glauben.
 

Luisas Vater hatte lange Haare, die strähnig an ihm runter hingen und trug irrtümliche graue Kleidung, die mehr schlecht als recht an ihm hing. Ihre Mutter hatte eben solche Haare und trug ein Kleid, dass aussah, als wäre es aus Grass gemacht. Der Schock musste ihr tief im Gesicht stehen, dessen war sich Charlie sicher. Ehe sie aber etwas sagen konnte, zogen die Beiden sie in einen Gruppenumarmung und begrüßten sie herzlich. „Hallo Herr und Frau Fröhlich.“ brachte sie krächzend hervor und ging hinüber zu Lulu. „Ach was, nenn uns bitte Barbara und Oliver, wir mögen es nicht so förmlich. »Ja das sieht man«
 

Charlie lächelte schwach und griff nach Lulus Hand. Sie hatte jetzt noch mehr das Bedürfnis, hier weg zukommen. Sie hatte nichts gegen einen alternativen Lebensstil, aber das war ihr dann doch ein wenig zu viel. Gott sei Dank aber, befreite Luisa sie erst mal aus dieser Lage und ging mit ihr in ihr ehemaliges Kinderzimmer. „Herzlich Willkommen im Reich des Chaos.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Chikane-chan_
2011-07-03T23:04:14+00:00 04.07.2011 01:04
na wie süß^^

ey mal ehrlich, wer will nicht solche eltern haben xD ur cool^^ ;)

immer wenn man die vergangenheit liest, vergisst man glatt wie tragisch die gegenwart ist :/


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