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Warten auf Vanya

von

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Chetyre

Obwohl Toris gesagt hatte, er wolle wenigstens für einige Tage bleiben, war er am nächsten Morgen schon wieder verschwunden. Feliks sagte nichts dazu, aber er war sehr wortkarg und wirkte besorgt. Beides passte überhaupt nicht zu dem lauten, ständig aufgedrehten Feliks, den Natalia zuvor gekannt hatte. Diese Veränderung bedeutete nichts Gutes, dachte sie. Nichts Gutes für Feliks. Und das konnte nur etwas Gutes für Yekaterina und sie bedeuten.

„Wenn die Situation so ernst ist, wieso kämpft Feliks dann nicht längst an Toris' Seite?“, fragte Eduard ein paar Tage später, während sie den Abwasch machten.

„Er wird seine Gründe haben“, erwiderte Yekaterina leise. „Er ist gerade nicht in bester Verfassung. Diese ständigen Streitereien um seine Thronfolge...“

„Er war irgendwann einmal ein Krieger, aber das ist lange her“, sagte Natalia geringschätzig. „Er ist fett und gemütlich geworden.“

„Bela!“, keuchte Yekaterina erschrocken. „Wenn er dich hört!“

„Das ist mir doch egal! Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis...“

Die Küchentür ging auf und Natalia verstummte. Um ehrlich zu sein, wollte sie sich nicht mutwillig in Schwierigkeiten bringen. Das wäre dumm gewesen, jetzt, da ihre Befreiung kurz bevor stehen musste.

„Liet ist wieder da.“

Die Szene erinnerte stark an die vor einigen Tagen, mit dem Unterschied, dass Feliks diesmal nicht mehr nur nervös war. Er war blass wie die Wand und zitterte.

„Was ist passiert, Herr?“, fragte Yekaterina erschrocken.

„Kommt schnell. Und bringt Verbandszeug mit. Raivis, du holst Wasser.“

Damit drehte Feliks sich wieder um und hastete die Treppe zu den Schlafzimmern hinauf, zwei Stufen auf einmal nehmend. Eduard sah ihm nach und drehte sich dann mit großen Augen zu den anderen um. „Was...?“, fragte er ungewöhnlich verängstigt.

„Schnell“, sagte Yekaterina und legte Raivis eine Hand auf die Schulter. „Du hast Feliks gehört. Geh frisches Wasser holen.“

Raivis nickte hastig und lief zur Hintertür. „Nimm den Eimer mit!“, rief Eduard ihm nach.

„Und du kommst mit, Bela“, sagte Yekaterina, griff nach ihrem Arm und zog sie hinter sich her aus dem Raum.

„Was glaubst du, was passiert ist?“

„Ich weiß es nicht“, flüsterte Yekaterina, öffnete einen Schrank auf dem Flur und zog eine Kiste heraus, in der mehrere kleine Schatullen und Säckchen lagen. Der Vorrat an Heilkräutern. „Du nimmst das hier.“

„Glaubst du, Toris ist schwer verletzt?“, fragte Natalia mit einem Leuchten in den Augen.

„Ich weiß es nicht, Bela“, seufzte Yekaterina, suchte irgendetwas in dem Schrank und schien es nicht zu finden. „Oh nein... geh du schon einmal vor, ja? Ich muss sehen, wo wir noch saubere Tücher haben.“

„Keine Panik, Katyusha“, sagte Natalia und ging auf die Treppe zu. „Uns geht es doch im Grunde nichts an.“

Yekaterina hob den Kopf und lächelte müde. „Wir sollten uns um Toris kümmern, Bela. Er hat ein gutes Herz.“

Natalia schnaubte. „Das wird man ja sehen.“
 

Oben hatten Eduard und Feliks Toris aus seiner Rüstung geholfen. Auf dem Boden lag ein Haufen dreckiger Kleider mit fast schwarzen Blutflecken. Toris lag auf dem Rücken, die Augen zugekniffen. Er war blass und atmete schwer durch den Mund. Das lange Hemd, das er noch trug, war quer über die Brust aufgerissen und am unteren Saum mit Blut getränkt, das aus einer Wunde an seinem Bein zu kommen schien.

„Alles wird gut, Liet“, murmelte Feliks und drückte seine Hand. „Wird alles gut.“

Eduard raffte die Kleider zusammen und trug sie davon. Im Vorbeigehen warf er Natalia einen hilflosen Blick zu. Sie ignorierte ihn und stellte die Kiste auf dem Boden ab.

„Was ist passiert?“, fragte sie.

Toris sah sie an und versuchte, zu lächeln. „Nichts“, flüsterte er.

„Nun rede keinen Unsinn, Liet“, verlangte Feliks und drückte seine Hand etwas fester. „Es ist was passiert, aber du kommst wieder auf die Beine. Ist überhaupt kein Problem.“

„Ivan wird bald hier sein, Feliks“, flüsterte Toris. Das Lächeln war wieder verschwunden. „Wenn ihm niemand mehr Gegenwehr leistet...“

„Dann werde ich ihm Gegenwehr leisten“, unterbrach Feliks ihn und kniff die Lippen zusammen. „Und wie ich das tun werde. Ich werde dich rächen, Liet, das werde ich. Ich mache das schon.“

„Du...“, flüsterte Toris und hustete im nächsten Moment. Feliks griff nach seinen Schultern und drückte ihn in sein Kissen.

„Ich gehe“, sagte er entschlossen. „Verlass dich auf mich, Liet. Ich werde nicht als Verlierer zurückkommen.“

Nein, dachte Natalia, das wirst du nicht. Wenn du verlierst, kommst du nicht zurück.

Toris sah Feliks mit glasigen Augen an. „Du willst wirklich gehen“, flüsterte er.

Tak. Sag nichts, Liet, du kannst mich sowieso nicht mehr aufhalten. Ich bin nicht so geschwächt, wie du vielleicht meinst. Ich passe auf dich auf. Auf uns alle.“

Feliks nickte ein letztes Mal zur Bestätigung, beugte sich vor und gab Toris einen Kuss auf die Stirn. „Mach dir keine Sorgen, Liet. Ich schaffe das.“

„Danke“, wisperte Toris.

„Ich muss dir danken, Liet, dass du so lange den Kopf hingehalten hast. Jetzt bin ich dran.“

Damit stand Feliks auf, wandte sich ab und ging, ohne sich noch einmal umzusehen. Toris sah ihm mit leicht geöffnetem Mund nach. Ob er ahnte, überlegte Natalia, dass Feliks nicht wiederkommen würde?

Yekaterina betrat den Raum, mehrere Tücher über dem Arm. „Was ist denn los?“, fragte sie ängstlich. „Ist Herr Feliks gegangen?“

„Ja“, sagte Natalia. Yekaterina blinzelte sie kurz überrascht an, fing sich aber schnell wieder und wandte sich Toris zu. „Herr... wie geht es Ihnen?“

Toris verzog das Gesicht. „Es geht“, erwiderte er und deutete auf sein Bein. „Ich habe dort etwas abbekommen.“

Mit großen Augen beugte Yekaterina sich über die Wunde und zupfte vorsichtig den Stoff der Hose beiseite. Toris sog scharf die Luft ein und drückte den Kopf tiefer in sein Kissen.

„Es ist eine tiefe Wunde, Herr, aber ich kann mich darum kümmern. Sobald Raivis mit dem Wasser kommt...“

Wie auf Kommando öffnete sich die Tür erneut und Raivis kam herein. „Feliks ist weg“, berichtete er perplex.

„Komm her, stell das Wasser hier her. Bela, du hilfst mir. Und Raivis, du kannst als seelische Unterstützung bleiben.“

„Seelische Unterstützung?“, wiederholte Raivis und setzte sich an Toris' Kopfende. „Was ist denn los, Toris?“

Natalia hatte Yekaterina selten so entschlossen erlebt. Sie führte das Kommando, und niemand machte es ihr streitig. „Breite das hier aus auf dem Bett aus, Bela“, sagte sie und drückte ihr einige Tücher in die Hand. „Um das Blut aufzufangen. Halten Sie still, Herr, wenn Sie können.“

„Ich werde mein Bestes geben“, brachte Toris zwischen den Zähnen hervor. Raivis sah mit großen Augen zu, wie Yekaterina weiter in der Kiste kramte. Sie wollte Toris wirklich retten, dachte Natalia. Wie seltsam ihre Schwester doch war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-03-03T18:17:18+00:00 03.03.2011 19:17
Yo, wieder ein tolles Kapi ~
(sry, dass meine kommis immer so kurz sind)
mach weiter so!
LG


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