Zum Inhalt der Seite

Delusive Society

Dritter Teil der DS-Reihe
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Antisoziale Persönlichkeit

Na, hat irgendwer die Fachkapitel vermisst? Hier ein kleines, das ich sehr einfach gehalten habe. Ich hoffe, es interessiert euch. Viel Spaß beim Lesen!
 

________________________________________________________________________________________________
 

„Wie sie das machen ...“ Yami seufzte und schwieg einen Moment. „War das eine rhetorische Frage oder willst du eine Antwort?“

„Ich will eine Antwort“, bestimmte Katsuya. Wenn Yami so etwas beantworten konnte, dann wollte er es auch wissen. Wenigstens, um zu wissen, wie er vermeiden konnte, je so zu werden.

„Das ist die zweithöchste Form von Dissoziationen. Setos Persönlichkeitsspaltungen sind ganz klar die höchste Form, aber direkt dahinter steht die Fähigkeit, alle Gefühle vollkommen wegzuschalten. Auch wenn bei vielen, die diese Fähigkeit haben, die Gefühle einfach bereits vollkommen dissoziiert sind. Sie können gar nicht mehr fühlen, selbst wenn sie es wollten und sie erinnern sich auch nicht mehr daran, wie es war, fühlen zu können.“

Katsuyas Lider weiteten sich. Gar nicht fühlen? Gar nichts? Weder Wut noch Freude?

Das Letzte musste er wohl ausgesprochen haben, da Yami ihm antwortete: „Ja, gar nichts. Es gibt viele Menschen, die Probleme mit ihren Gefühlen haben. Viele, die gern weniger fühlen würden und einige, die gern mehr fühlen würden. Aber es gibt halt auch diese kleine Gruppe von Menschen, die nicht fühlen können und das auch meistens nicht vermissen. Einfach, weil sie es gar nicht anders kennen. Unterbewusst suchen sie oft nach etwas, was sie fühlen lässt und diese Suche führt sie dann oft in gefährliche und wenig legale Angelegenheiten. Solche Leute haben eine hohe Wahrscheinlichkeit, Straftaten zu begehen. Auch weil ihre dissoziierten Gefühle dazu neigen, bisweilen explosiv auszubrechen.“

„So wie bei Bakura, der bei kleinster Gelegenheit in die Luft geht?“ Oder Setos Angstpersönlichkeit … nun ja, diese Definition traf wahrscheinlich nicht auf gespaltene Persönlichkeiten zu, schließlich waren die einzelnen Teile ja eben genau das: Teile.

„Bakura hat sicherlich eine Störung mit seinen Emotionen, aber für eine antisoziale Persönlichkeitsstörung hat er zu viel Mitgefühl. Er hat eine ganz klar erkennbare Schwäche für Kinder, ich habe jetzt schon mehrmals gehört, dass er sich entschuldigt hat und ich habe auch das Gefühl, dass er sein Verhalten sehr kontrolliert einsetzt, um sich unangreifbar zu machen. Ich glaube, er handelt aus Angst, nicht aus emotionaler Unfähigkeit. Wenn andere keine Erwartungen an ihn setzen, kann er sie auch nicht enttäuschen. Antisoziale Persönlichkeiten hingegen zeigen meist auch keine Reue für ihre oft doch schlimmen Taten. Über ihre Emotionsausbrüche sagen sie, dass sie gesteuert wurden, dass das gar nicht sie waren. Prinzipiell sind eigentlich immer die anderen Schuld. Sie erinnern ein bisschen an Zweijährige in der Trotzphase, nur sind sie dabei meist muskelbepackte Riesen, die andere mit ihrer Art einschüchtern. Da sie kaum oder gar keine Emotionen haben, haben sie meistens auch keinen Gesichtsausdruck. In einem Buch wurden sie Reptiliengesichter genannt.“

„Das erinnert mich schon ein bisschen an Bakura. Der schüchtert die meisten einfach nur mit einem Blick ein“, warf Katsuya dagegen.

„Ja, aber dabei zeigt er Wut. Er jagt einem Angst ein, weil er das Gefühl vermittelt, einen jederzeit wie ein tollwütiger Hund anzuspringen. Ein Reptiliengesicht jagt einem Angst ein, weil man absolut gar nichts aus ihrem Gesicht deuten kann. Man hat keine Ahnung, woran man bei ihnen ist und das verunsichert sehr.“

„Und das nennt man dann antisoziale Persönlichkeit? Aber … Pegasus zum Beispiel. Der hat mir echt Angst eingejagt. Aber der hat oft gelacht und meist auch gelächelt. Der hat so etwas dann nicht, oder? Aber er konnte ja anscheinend seine Emotionen problemlos wegschalten.“
 

„Pegasus ist dieser weißhaarige Mafiaboss, oder?“ Ikar, der sich auf Katsuyas Schoß zusammen gerollt hatte und bequem in dessen Armen lag, sah zu ihm hoch. „Der meist in diesem roten Anzug 'rum rennt … ich erinnere mich an den. Wächter hat mit ihm Geschäfte gemacht. Ich fand ihn auch etwas unheimlich.“

„Ich habe ihn ja nur zweimal kurz gesehen“ Yami zog seine Beine in einen Schneidersitz. „Aber ja, der kam mir wie eine antisoziale Persönlichkeit vor. Man muss zu so etwas nur immer noch andere Faktoren rechnen – Intelligenz zum Beispiel. Auch wenn man keine Emotionen hat, kann man sozial angemessene Reaktionen erlernen. Oder zumindest, was für Ausdrücke welche Reaktion auslösen. Die meisten echten Reptiliengesichter sieht man nur bei den etwas weniger Intelligenten, die halt keine sozialen Reaktionen erlernen. Oder wenn man eine antisoziale Persönlichkeit in einem entspannten Moment entdeckt. Andererseits hat die Diagnose der antisozialen Persönlichkeit mehrere Voraussetzungen. Die eine ist die Unfähigkeit, Gefühle zu empfinden. Die andere ist der Ausbruch dieser Gefühle in nicht akzeptablen Bedingungen“ Yami legte die Arme um sich. „Ich habe einen Wutanfall bei ihm gesehen, wo er wirklich Zeter und Mordio geschrien hat, aber das war bei seiner Verhaftung. Ich glaube, da würden viele nicht gerade gefasst reagieren.“

„Wir schon“, warf Ikar ein, „solange niemand Angst anstupst.“

„Ihr seid ein Sonderfall“ Katsuya tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die Lippen. „Als er Ted tötete … da war er nicht unbedingt wütend. Er war völlig kalt. Aber trotzdem … ich fand die Ermordung übertrieben. Natürlich hatte Ted dem Befehl, mich nicht anzurühren, nicht gehorcht, aber … also, ich will ihn nicht verteidigen, aber ...“

„Mord ist trotzdem etwas viel“ Yami nickte. „Antisoziale Persönlichkeiten neigen ebenso wie Borderline-Persönlichkeiten zu impulsivem, wenig durchdachtem Verhalten, sobald ihre Emotionen durchbrechen. Sie zählen auch beide in denselben Krankheitsbereich und sind beide mögliche Folgen frühkindlicher Misshandlung. Da bestimmt die Genetik, ob man anfällig für eine dieser Störungen ist.“

„Das heißt, Isamu hat die Veranlagung ein feiges, rückhaltloses Arschloch wie sein Vater zu werden?“ Katsuyas Lider verengten sich.

„Ich traue Noah genug Kompetenz zu, dass er ihn zu etwas Besserem als das erzieht. Bei Shizuka und dir sind auch eine feige, rückhaltlose Mutter und ein impulsives, möglicherweise antisoziales Arschloch zusammen gekommen und ihr seid trotzdem beide sehr angenehme Menschen.“

Katsuya wandte den Blick ab.

„Kein Vater, der nicht sehr gestört ist, geht mit seinem Kind um so wie dein Vater mit dir“ Yami schien den Punkt nicht ruhen lassen zu wollen. „Er hatte keinerlei Mitgefühl mit dir, er hat sich völlig unkontrolliert an dir ausgelassen und das kann man nicht nur auf Alkohol schieben. Alkohol nimmt einem die Hemmung, es macht nicht künstlich aggressiv.“

„Warum hat meine Mutter so einen Kerl geheiratet?“, flüsterte Katsuya leise.

„Weil Frauen mit einer Borderline-Störung dazu neigen, sich an Männer mit einer antisozialen Störung zu hängen. Und natürlich in allem anderen Geschlechtskonstellationen, auch wenn das die häufigste ist“ Yami seufzte. „Borderliner brauchen jemanden, der ihre heftigen Emotionsausbrüche stoisch ertragen kann und Antisoziale brauchen jemanden, der viele Emotionen hat. Schließlich haben sie selbst keine.“

Hilfe, was war diese Welt traurig … seine Eltern hatten ihm wahrscheinlich wirklich nicht die besten Anlagen mitgegeben. Aber Yami meinte, er sei okay so, wie er war … wenn er nicht gerade Leute zusammen schlug.
 

„Unsere Mutter war kein sehr emotionaler Mensch. Sie war verzweifelt“ Ikar drückte Katsuya gegen die Sofalehne, damit er es auf dessen Brust bequemer hatte. „Sie hat geweint, lag tagelang im Bett und hat sich nicht bewegt oder schlich wie ein Geist durch die Gegend. Und hat mich halt sonst wo hin gesperrt, damit ich ihr nicht auf die Nerven ging. Ihr war das alles immer zu viel … wahrscheinlich hat sie sich deswegen umgebracht.“

„Was hat sie?“ Katsuya schreckte auf und zog Ikar an sich. „Sie hat sich umgebracht?“

„Ja. Nach Mokubas Geburt. Sie hat sich in unserem Kinderzimmer erhängt“ In Ikars Stimme lag wenig Mitgefühl. Nicht, dass Katsuya welches erwartet hätte. Seine Kindheit war schließlich schlimm genug, dass er sie mittlerweile auf sechs Personen verteilt hatte. „Ich weiß noch, dass ich sie gefunden habe. Ich kann mich noch an das Bild ihrer baumelnden Füße erinnern. Aber dann … nichts mehr. Dann ist alles schwarz.“

Yami schloss betroffen die Lider. Katsuya ebenso. Dabei legte er eine Hand in das braune Haar, zog den Kopf zurück an seine Schulter und strich darüber. Er wusste nicht, ob der Gedanke gut oder schlecht war, aber in diesem Moment dankte er allen Göttern dafür, dass nicht Klein-Seto seine Mutter damals gefunden hatte. Und ihn fürchtete der Moment, an dem Klein-Seto mit diesen Erinnerungen konfrontiert werden würde. Kein Kind sollte je seine tote Mutter finden. Weder Seto noch Ryou.

„Möchtet ihr etwas trinken?“, fragte Yami nach sicherlich zwei Minuten des Schweigens.

„Wasser“, flüsterte Katsuya. Sein Hals fühlte sich an, als hätte man ihn Staub schlucken lassen.

„Hätte ich das nicht erzählen sollen?“, fragte Ikar leise.

„Nein, das ist gut so“ Katsuya richtete sich etwas auf und küsste das braune Haar. „Ich weiß nur nicht, was ich sagen soll. Ich wünschte, du hättest es leichter gehabt.“

Dass Ikar ihm darauf danke gesagt hatte, hätte Einbildung sein können, so leise war es, aber er ging gern davon aus, dass er es wirklich gesagt hatte. Yami kam wieder mit zwei Gläsern Wasser und reichte jedem von ihnen eins, sodass sie sich etwas voneinander lösten, um zu trinken.

„Ist morgen eigentlich immer noch Kaffee trinken geplant?“, fragte Yami nach.

„Seto will nicht“, meinte Ikar.

„Er will nicht?“ Katsuya sah überrascht auf.

„Er ist grad' in so einer Depri-Schlechtfühl-Phase, deswegen bin ich ja auch draußen. Er hat gerade Lust auf gar nichts. Irgendwie ist er der einzige von uns, der Schuldgefühle hat, was er Katsuya mit uns aufbürdet“ Er lehnte sich seitlich gegen den Genannten und grinste zu ihm hoch. „Aber er hat auch genug Schuldgefühle für uns alle.“

„Und du hast gar keine, was?“ Trotz der neckend gehobenen Augenbraue ratterte es in Katsuyas Kopf. Seto hatte Schuldgefühle? Warum gerade jetzt? War deswegen vorhin Klein-Seto raus gekommen?

„Wieso sollte ich? Du hast uns doch lieb, oder?“ Katsuya nickte. „Dann sag ich selbst schuld und genieße es“ Er rieb seinen Kopf an dessen Schulter, als wäre er eine Katze. Ein etwas verstörendes Bild für Seto Kaibas Äußeres, aber wie alle Sonderheiten nahm Katsuya es mit einem Seufzen hin.
 

Im Endeffekt fuhr Ikar sie beide zurück, nachdem er hoch und heilig versprochen hatte, dass er ordentlich fahren und keinerlei waghalsigen Manöver hinlegen würde. Er hatte nicht ganz Setos ruhigen Fahrstil, er nahm die Kurven allgemein etwas schneller, aber im Großen und Ganzen war es wohl in Ordnung.

Weniger in Ordnung war der Versuch, Katsuya im Bett zu Sex zu überreden, aber diesen Abend gab er Ikar zum ersten Mal eine Abfuhr. Der Tag war lang und anstrengend genug gewesen und Sex war für ihn derzeit eher nervenaufreibend als entspannend. Ikar schmollte für volle fünf Sekunden, bevor er sich lächelnd an Katsuya kuschelte und wenige Momente später einschlief. Einen Moment lang beneidete er Ikar um seine sorglose Jugend, bevor ihm einfiel, dass sein Freund in Wirklichkeit neunundzwanzig und sehr wenig sorglos war.

Tja … wie sollte das in Zukunft weitergehen? Seto würde vielleicht irgendwann eine Therapie machen, aber derzeit schien das eher weit entfernt. Also würde er wohl erstmal so bleiben, wie er war. Mit Seto, Klein-Seto und Ikar lief das eigentlich ganz okay.

Es waren die unbekannten Faktoren, die ihm Angst machten.

Allen voran Wächter. Er war kalt genug, dass er andere umbringen konnte. Das hieß, dass er seine Gefühle entweder wegschließen konnte oder diese Persönlichkeit gar nicht mit Gefühlen ausgestattet war. Alle Entscheidungen von Wächter bisher schienen sehr rational, aber er konnte ja anscheinend Gefühle anderer verstehen. Also war er entweder wirklich ein in sich dissoziativer Charakter oder er war antisozial. Nein, dafür müsste er Gefühlsausbrüche haben. Die hatte er nicht. Also nicht antisozial. Er konnte Gefühle dissoziieren oder hatte keine, das waren die zwei Möglichkeiten. Aber er hatte emotionales Verständnis. Kein Wunder, dass er der Planer der Gruppe war.

Wenn er allerdings wirklich keine emotionalen Ausbrüche hatte, dann brauchte man ihn auch nicht fürchten. Dann beging er Straftaten aus Berechnung. Er schlug nicht impulsiv wie Angst um sich. So lange also die negativen Folgen der Konsequenzen die positiven der Straftat überstiegen, würde der Wächter auch nichts Verbotenes tun.

Wie einen Attentäter anzuheuern, der die Entführer seines Geliebten umbringen sollte.

Katsuya atmete langsam aus. Er wusste zwar immer noch nicht, was genau Yami und Seto für Pegasus ausgeheckt hatten, aber bestimmt hatte der Wächter da mitgemischt. Allein, dass die Polizei ihn wirklich verhaftet hatte und immer noch halten konnten, zeigte, wie erfolgreich sie gewesen waren.

Im Endeffekt schien er also keine Angst vor dem Wächter haben zu müssen. Er war zwar ein Mörder, aber er war es nur, weil er extrem rational war. Weil er es konnte, nicht weil er das Verlangen danach hatte. Genau genommen waren die wirtschaftlichen Morde als schlimmer als der Mord an Gozaburo anzusehen. Dieser war eine Notwendigkeit gewesen – die danach reiner Profit.

Vielleicht sollte er – ähnlich wie Ryou – den Wächter mal treffen und ihm ein Versprechen abringen, in Zukunft nur bei absoluter Notwendigkeit Straftaten zu begehen. Vielleicht würde er sich nicht komplett daran halten, aber vielleicht könnte wenigstens Katsuya mit der Illusion leben, dass er es täte.

So, wie Ryou glaubte, dass sein Bruder nicht mehr tötete.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Lunata79
2013-07-15T14:42:43+00:00 15.07.2013 16:42
Puh, das war jetzt wirklich schwer zu kapieren. Der Anfang dieses Kappi´s zumindest, aber ich glaube, ich bin im Bilde. Die ganzen Psychen sind für mich total verzwickte Lagen. Und da soll noch jemand durchblicken.
Die Vorstellung einen 29jährigen Seto Kaiba wie eine Katze schmusen zu sehen, ist wirklich witzig. XD
Die Sache mit dem Wächter ist allerdings auch so ne Sache. Ich glaube nämlich kaum, dass sich der Wächter etwas sagen lassen wird. Zumindest nicht, wenn er wirklich ein Teil Seto´s ist. Man kennt ja seine Sturheit. *g*
Freu mich aufs nächste Kapitel.

Lg
Lunata79

PS: Ich wäre ja wirklich für ein Finalkapitel, wo Seto bereits gesundet ist. Ob man einen Unterschied zwischen gesund und krank feststellen kann. XD
Von:  Lady_Ocean
2013-07-15T12:51:17+00:00 15.07.2013 14:51
Ich finde diese Kapitel mit den psychologischen Hintergründen immer wieder spannend. Eine antisoziale Persönlichkeit... Wenn man Yamis Erklärungen so folgt, ist das echt gruselig. Kommt es oft vor, dass solche Leute dann tatsächlich auch morden, oder wird das bei vielen durch deren Intelligenz wenigstens soweit reguliert, dass sie die negativen Konsequenzen als schwerwiegender einstufen als den positiven Wert des Mordes? Aber dann kommt es sicher auch wieder darauf an, was diese Leute als wie wichtig empfinden. Wer von vornherein am Existenzminimum lebt und Aussicht auf einen jahrzehntelangen Gefängnisaufenthalt oder einen Klinikaufenthalt hat, wird das wahrscheinlich nicht als die schlimmste Konsequenz empfinden. Da hat man wahrscheinlich nicht mehr viel zu verlieren... Dass Yami eingangs gesagt hat, dass diese Form der Dissoziation die zweithöchste ist, nach Setos Persönlichkeitsspaltung, führt einem wieder vor Augen, wie gut sich Seto für seine Umstände eigentlich unter Kontrolle hat. Wenn es nicht ganz offensichtlich gegen Katsuyas Wunsch wäre, hätte er Pegasus für dessen Tat ja mit Sicherheit auch umgebracht.

Ich bin gespannt, welchen Anlass es plötzlich gab, dass Seto plötzlich von seinen Schuldgefühlen überrollt wurde und sich dann so zurückgezogen hat. Beim Einrichten von Yamis neuer Wohnung lief ja eigentlich alles gut und alle - er eingeschlossen - haben sich wirklich nützlich gemacht. Es ist auch das erste Mal, dass er freiwillig die anderen nach vorn gelassen hat, um sich selbst in sein Inneres zurückzuziehen. Ich habe das Gefühl, dass zeigt auch, wie selbstständig er eigentlich ist, auch wenn er ursprünglich als Projektionsfläche der anderen erschaffen worden war. Im Grunde hat er doch jetzt genauso gehandelt wie die anderen, als ihnen die Realität zu viel geworden ist: Er hat sich zurückgezogen.

Ikars Erwähnung in ihrem Gespräch bei Yami, dass der Wächter auch Geschäfte mit Pegasus abgewickelt hat, legt die Vermutung nah, dass es wirklich der Wächter war, der nach Gozaburos Tod auch die wirtschaftlichen Morde begangen hat, bevor er sich schließlich zurückgezogen hat. Aber ich frage mich, warum das dem Wächter damals als notwendig erschienen hat. Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass er an wirtschaftlichem Wohlstand oder Einfluss oder sonstigem interessiert ist. Wenn er das wäre, hätte er seine Machenschaften doch weiter betrieben und nicht plötzlich damit aufgehört.
Katsuyas Thesen bezüglich seiner Gefühlswelt sind auch sehr interessant. Gut möglich, dass der Wächter wirklich von Anfang an keine Gefühle abbekommen hat, als sich dieser Teil der Seele abgespalten hat, oder?
Generell ist es irgendwie faszinierend, Setos einzelne Gefühle in so reiner Form zu sehen. Ikars Vertrauen in Katsuya scheint mir so rein wie das eines kleinen Kindes. Er zweifelt echt nicht einen Funken daran, dass dieser ihn liebt, während Seto sich vor Schuldgefühlen windet. Und selbst dass Katsuya diesmal die Bitte um Sex ausgeschlagen hat, hat ihn nicht weiter verunsichert. Aber ich denke, auch wenn das für Katsuya sicher streckenweise recht angenehm ist, dieses Vertrauen zu spüren, wäre es dennoch nicht gut, wenn das dauerhaft allein existieren würde. Ohne ein passendes Maß an Schuldgefühlen geht einem doch der Antrieb verloren, etwas ernsthaft zu bereuen, wenn man sich schlecht verhalten hat, und den Vorsatz, andere in Zukunft nicht mehr auf diese Art zu verletzen. Generell sind Zweifel ja auch wichtige Vorboten, um das Ausmaß einer Handlung einschätzen zu können. Wer immer mit so einer "unsere Liebe hält ewig und nichts kann uns trennen"-Einstellung durchs Leben geht, wird wahrscheinlich gar nicht merken, wie sich der Partner immer stärker verletzt und missverstanden fühlt und sich so von einem entfernt.

Dass Setos Mutter Selbstmord begangen hat, wusste der erwachsene Seto bisher doch auch nicht, oder? Ich denke, ihn wird es wahrscheinlich weniger schockieren. Über seine Mutter hat er ja mehr oder weniger nur Informationen, weniger eine emotionale Bindung. Und diese Informationen scheinen durchgehend negativ zu sein. Aber auf Klein-Seto wird da echt noch eine Menge zukommen. Ich glaube, bis er diese Information vertragen und verarbeiten kann, wird es noch sehr lange dauern.


Zurück