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Rubina

Piraten unter sich.
von

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Ich werfe einen Teil der Kleider achtlos in meine fest verschraubte Schiffstruhe die an Bord bleiben wird und räume danach weiter meine Habseligkeiten in die Truhe aus Paris, die John damals erbeutete.

Ich wusste nicht, dass es so viel Arbeit macht ein fast ganzes Leben zu verpacken.

Es ist genau andersherum als früher: Damals nahm ich nur genug mit, um ein, zwei Jahre auf dem Trockenen zu überstehen; diesmal bleibt nur an Bord was ich wirklich brauche, wenn ich mich mal über ein, zwei Monate hier aufhalten sollte.

Es zerreisst mir das Herz...

Aber, der kleine Tritt gegen meinen daraufhin rebellierenden Magen, beweist mir das es das wert ist.

„Jamie...“ ginge auch als irischer Mädchenname, „Mama wird auf dich aufpassen...“ und dein Vater wird auf unser Schiff, deine Heimat, aufpassen.

Ich weiss das mein Silver versuchen wird erst mal auf Escondida zu bleiben, wiedermal ein sesshaftes Leben beginnen; und nach spätestens einem Jahr wird seine Unruhe unerträglich sein und ich werde ihn nicht davon abhalten, diesem Drängen, dieser unstillbaren Sehnsucht, die jeder Seemann verspürt nachzugeben.

Ich brauche meinen besten Kapitän hier draussen.

An Bord der Rubina und auf der Jagd nach Rum und Gold.

Unser Lebensunterhalt.
 

„Noch zwei Wochen...“ Silver legt sein Kinn auf meiner Schulter ab, blickt gen Sonnenuntergang, eine seiner grossen Hände liegt warm auf meinem mittlerweile kugelrunden Bauch, „... bis wir Escondida erreichen.“

Ich lehne mich nach hinten an seine Brust und schmiege meine Wange gegen seine: „Und geschätzte drei bis Jamie kommt...“

Silver nickt sachte und drückt mir einen Kuss auf die Wange: „Ich liebe dich.“

Mein Herz macht einen kleinen Salto und unser Kind boxt so heftig gegen meine Bauchdecke und seine Hand, dass Silver grinst: „Junge, tu deiner Mama nich weh...“
 

Langsam fühle ich mich wie ein Wal... Und ich watschle. Zumindest hat mein liebster Kapitan das gestern Nacht befunden als wir in unserer Kajüte waren und die Kursberechnungen auf den neusten Stand brachten.

Na ja, dass er dabei sein liebevollstes Lächeln spazieren trug und mir dicht gefolgt von einem besonders süssen Kuss, „Ich liebe dich mein Entchen“ ins Ohr raunte, ersparte ihm ein Donnerwetter.

„Waaal da bläst er!“ Pips Stimme lässt mich nach oben zum Krähennest blicken und an Irina gewandt knurren: „Ob der je kapiert, dass er nicht mehr auf einem Walfänger ist?“

Wie zur Bekräftigung erklingt Silvers volltönende Stimme von achtern: „Pip! Du sollst Schiffe, Land und Riffe ausrufen, keine Wale!!“

„Wale! Wale!“ Flint der auf meiner Schulter sitzt, flattert empört mit den Flügeln und über die Hälfte der Mannschaft lacht lauthals los als Pip noch mal nach unten blickt und brüllt: „'Tschuldigung, Kapitan!“

Ich grinse und denke für mich, dass es mir ja egal sein kann so lange Pip nich mich ausruft...

Mein Blick ruht nun auf den grossen Tieren, Buckelwale, eine ganze Schule, und sie sind binnen Minuten rund um die Rubina.

„Schöne Tiere...“

Ich nicke, winke spielerisch einem Wal zu der mir mit seiner Fluke das Wasser zum schäumen und unser Schiff zum schaukeln bringt.
 

„Wie bist du zum Piraten geworden?“

Jim Hawkins Stimme reisst mich aus meiner Konzentration und ich schiebe die Seekarte vor mir ein wenig zur Seite: „Hmm?“

Er hebt die Schultern: „Wenn ich fragen darf...“

Ich nicke und deute auf die Seekarte vor mir: „Genau hier,“ mein Finger tippt auf ein kleines Kreuz mitten im karibischen Meer, unweit von Escondida*, „... hat der grosse, gefürchtete Hai der Karibik, das Schiff auf dem ich und meine leiblichen Eltern unterwegs waren aufgebracht...“

Jims Augen weiten sich erstaunt: „Und du hast überlebt?“

Ich grinse: „Nun, ich hab ihn gebissen und er hat offensichtlich einen Narren an mir gefressen...“ ich lache leise und füge an: „Er hat mich am Kragen gepackt und hochgehoben wie ein kleines Kätzchen, mich gemustert und dann geknurrt:“

Jim und ich zucken zusammen als Silvers Stimme in seiner besten Imitation meines Vaters knurrt: „Du gefällst mir Kitten, dich behalt ich!“

Ich nicke: „Nun, er behielt mich und übergab mich Irinas Mutter die an Bord lebte...“ ich lache, „aber brav war anders.“

Wieder wirft Silver ein: „Sie war der geborene Pirat. Ihr erstes Schiff die „Wild Horse“ hat sie sich mit fünfzehn geklaut und mich hat sie ein Dreivierteljahr danach das erste mal angeheuert...“

„Ja,“ nicke ich, „fünf Minuten nachdem ich mein Herz an ihn verloren habe...“

Jim starrt uns beide entgeistert an: „Du hattest mit fünfzehn dein eigenes Schiff?!“

Ich nicke: „Und den besten Vize den man haben kann noch dazu!“

Silver hebt die Schultern: „Irina wollte ja nie...“ er legt mir kurz die Hand auf die Schulter, „... ich bin mal eben unten.“

Ich nicke: „Aye Kapitan!“ und ich lächle als Flint sich auf meiner Schulter niederlässt.
 

Kaum ist Silver weg wendet sich Jim wieder an mich: „Und du hattest keine Angst?“

Ich zögere, denke wirklich nach und erkläre dann: „Jeder hat vor irgendwas angst, aber bei mir war es nie Vater. Um der Ehrlichkeit genüge zu tun: Ich hatte vor ihm weniger Angst, als vor meinem leiblichen Vater...“

So, und jetzt ist es an mir ein paar Fragen zu stellen: „Bist,“ ich mustere den Mann vor mir ernst, „du dir im klaren, Hawkins, dass du auch töten musst, wenn du hier an Bord bist?“

Ich wünschte manchmal, es wäre nicht so; aber wir sind nun mal kein Frachtschiff
 

Die Nacht ist warm und lau, alle Fenster die sich öffnen lassen sind weit aufgerissen und ich lausche andächtig auf das leise Plätschern der Wellen, schmiege mich dichter an John.

„Kannst du nicht schlafen, Kitten?“

Einmal äusserst umständlich umdrehen, einen Kuss auf seine Nase setzen und endlich gestehe ich ihm ein, was er schon lange weiss: „Ich werde auf Escondida bleiben John.“

„Ich weiss, Mira...“ er lächelt, das kann ich im Mondlicht erkennen, „Ich werde auch bleiben.“

Ich schüttle den Kopf: „Du wirst eine Weile bleiben...“ mein Finger landet auf seinen Lippen, „Pscht, du wirst so lange bleiben bis die Rubina generalüberholt ist und dann wirst du in See stechen. Der Ozean ist deine Heimat...“ ich lächle, „... und immer wenn du nach Hause kommst, wartet deine Familie auf dich.“

Einen Augenblick tut er rein gar nichts...

Weiche, warme Lippen und ein sanfter Kuss, einige geraunte Worte und ich schwebe wieder irgendwo zwischen den Wolken.
 

„Land in Sicht!!“ Pips Stimme schallt zu uns herunter und ich zücke mein Fernrohr.

Tatsächlich!

Und zeitgleich mit Pip rufe ich: „Escondida voraus!“ und ich mache das ich auf die Brücke und ans Ruder. Dies wird das letzte Mal für lange Zeit sein, dass ich hier stehe und mein Schiff durch die Wellen führe, hinein in den natürlichen Hafen unserer „Familien-Insel“.

Elli wird Augen machen, wenn sie mich nach so langer Zeit wieder sieht, aber sie wird zweifellos froh sein, das wieder jemand in dem grossen Herrenhaus meines Vaters wohnt.

Und ich glaube, sie wird sehr froh über die jetzige Wahl meines Gatten sein...
 

Ich sitze an dem grossen Schreibtisch meines Vaters, prüfe die Bücher und höre Ellis Sermon, dass ich mich schonen und im Bett liegen sollte nur mit halben Ohr zu.

Doch als Silver, der die Reparaturen und Ausbesserungen an der Rubina überwacht, kommt und mich regelrecht ins Herrenschlafzimmer bugsiert, bin ich dennoch froh.

Ich will einfach jede einzelnen Augenblick mit ihm geniessen...
 


 


 

*Escondida bedeutet: Die Heimliche und ist Miras Familienstüzpunkt. Eine kleine, geheime Insel.

Und ja, bei Corto Maltese, gibt es eine Insel mit dem selben Namen, wobei es sich mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht um die selben handelt.



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