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Wolfserinnerungen - Der Erste Schnee

von

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Vivax Animus

»Und du hast dann die Glasscherbe herausgezogen. Weil sie kein Blut sehen kann.« Ungläubig schüttelte Hope den Kopf.

»Ganz genau«, bestätigte Lugh Akhtar.

»Und danach seid ihr mit dem Wind hierher… na ja… geflogen?«

»So in etwa.« Der junge Zauberer nickte und beobachtete einen Vogel, der vor dem Fenster herumhüpfte.

»Und was habt ihr jetzt vor? Also wegen Nanook und wegen… Schatten?« Selbst Hope erschien es abwegig, das sie das mächtigste Wesen dieser Welt sein sollte.

»Ich weiß es nicht. Ich will nach Hause, aber ich kann nicht. Erst muss ich Nanook helfen. Und ich muss… na ja, Schatten irgendwie wieder los werden.« Genervt und frustriert stand er auf und lief ungeduldig auf und ab.

»Wieso? Sie ist doch ganz nett«, fand Hope.

»Wenn sie mal still ist, ja. Und wenn ich verstehen würde, wovon sie eigentlich spricht. Hast du einmal versucht, ihr zuzuhören? Sie wechselt in einem einzigen Satz fünfmal das Thema, sie scheint nicht einmal Luft zu benötigen und sie erzählt von Dingen, die gar keinen Sinn ergeben. Ich… ich verstehe sie einfach nicht«, murrte er schlecht gelaunt.

»Das musst du auch nicht. Meine Schwestern verstehen dich auch nicht immer, wenn du ihnen etwas erzählst. Sie wissen nicht, dass du zwischen zwei Welten lebst, und deswegen Dinge sagst und tust, die für sie keinen Sinn ergeben. Sie sehen nur dein Verhalten, das können sie jedoch nicht immer nachvollziehen. Trotzdem hassen sie dich nicht.«

»Aber ich spreche doch nicht ununterbrochen davon. Und wenn ich die Macht für Veränderungen habe, dann tue ich das auch. Warum nutzt man seine Macht nicht, wenn man sie hat? Um Gutes zu tun. Damit andere nicht mehr grundlos leiden müssen«, fand der junge Zauberer.

»Oft genug, das sie dich für wunderlich halten. Und selbst die Mächtigen müssen sich an Regeln halten. Wir dürfen mit unserer Macht nicht direkt töten zum Beispiel. Ich hätte es getan, hätte ich damals die Möglichkeit gehabt, lieber früher als später. Aber das hat Rex gerettet. Und mich auch, denn einen Mord hätte ich mir selbst nicht verzeihen können«, überlegte der Rotschopf. Lugh Akhtar entging keinesfalls, das er von sich noch immer Sprach, als gehörte er zum Sommer, doch er ging nicht darauf ein.

»Das ist etwas anderes. In dem Fall hätte es jemanden gegeben, den du geschadet hättest, aber wem schadet sie den, wenn sie Nanook hilft? Ihm geht es besser, er muss nicht mehr leiden, aber wer soll davon einen Nachteil ziehen?«

»Vielleicht weiß sie mehr als du. Könnte das nicht sein? Sie könnte Dinge wissen, die du nicht einmal erahnst. Vielleicht wird er zum Mörder, wenn er nicht mehr die Schmerzen seiner Opfer spürt, vielleicht macht es ihm spaß, andere zu Quälen. Kannst du das wissen?«

»Willst du wirklich sagen, das du Nanook einen Mord zutraust?«, wollte der Zauberer mit gerunzelter Stirn wissen und blieb stehen.

»Nein. Nicht er. Aber wenn es um jemand anderen ginge, wäre das doch durchaus eine Option, oder? Wer weiß, was mit Nanook geschehen wird, du kannst es nicht wissen und ich auch nicht. Sie schon. Und deswegen denke ich, dass du keine vorschnellen Schlüsse ziehen solltest. Sie könnte immer mehr wissen als du.«

»Und warum sagt sie es nicht einfach?«

»Vielleicht darf sie es nicht. Manchmal wird einem das Verboten und man kann sich nicht über jedes Verbot hinweg setzen.«

»Und das weißt du alles woher…?«, erkundigte sich der Zauberer ein wenig bissig.

»Ich habe beim Sommer eine Menge gelernt. Dort wurden mir auch Informationen anvertraut, die ich nicht verraten darf, auch jetzt nicht. Vielleicht ist es bei Schatten ähnlich und sie darf es nicht, auch wenn sie es sehr gerne tun würde. Außerdem… ich habe das Gefühl, das es eine Menge Dinge gibt, die sie sagt, ohne es direkt auszusprechen. Vielleicht solltest du einmal auf die Worte lauschen, die sie nicht ausspricht.«

»Das ändert aber dennoch nichts daran, das ich sie nicht mag.« Der Zauberer seufzte und schaute nachdenklich das Fenster an. »Ich denke, ich werde einen Spaziergang durch Altena machen. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Und um herauszufinden, was genau ich jetzt tun soll.«

»Macht das. Und nimm dein Schwesterherz mit, die muss auch mal wieder etwas rauskommen. Seit Lifs Geburt war sie nicht mehr draußen, das tut ihr definitiv nicht gut«, fand der Rotschopf.

»Ihrer Figur?«, erkundigte sich Lugh Akhtar mit zuckenden Lippen.

»Nein, ihrer Laune. Sie geht wegen allem an die Decke und ich habe das Gefühl, das Lani ein bisschen angst vor ihr hat«, seufzte Hope.

»In dem Fall ist es mir eine Ehre, sie mit mir zu ziehen«, meinte der junge Zauberer ernst und verließ mit ausdruckslosem Gesicht den Raum, innerlich allerdings lächelte er. Er stieg die schmale Treppe des kleinen Reihenhauses hinauf, das Cinder und Hope in Altena bewohnten, und fand seine kleine Schwester im Schlafzimmer, wo sie gedankenverloren ihr Neugeborenes betrachtete.

»Cinder, was tust du hier so allein?«, fragte er leise, um sie nicht zu erschrecken.

»Ich denke nach«, antwortete sie seufzend.

»Hör auf zu grübeln, das steht dir nicht«, fand er. »Komm lieber mit mir in die Stadt. Ich möchte nicht alleine gehen, aber Nanook und Schatten ertrage ich im Moment nicht und wo Kenai steckt, weiß ich nicht.«

Einen Augenblick lang zögerte seine Schwester, dann nickte sie und stand auf. Gemeinsam, aber auch schweigend verließen sie das Haus und schlenderten in Richtung Zauberturm.

»Wohin willst du gehen?«, fragte Cinder nach einer Weile.

»Ich weiß nicht, irgendwohin, wo Hektik und Lärm ist.«

»In der alten Welt ist viel passiert, oder?« Cinder schaute auf den Boden während sie lief.

»Ja, auch. Hope hat erzählt, das du seit Lifs Geburt nicht mehr draußen gewesen bist. Wieso?«

»Ich weiß nicht… ich will irgendwie nicht. Ich habe das Gefühl, das etwas Schlimmes passiert, wenn ich Lani und Lif alleine lasse. Ich weiß auch nicht, warum ich jetzt mit dir gehe.«

»Vielleicht, weil du mir vertraust? Vertraust du mir?«

»Natürlich, welche Frage«, schnaubte sie verächtlich.

»So selbstverständlich ist das nicht. Manchmal ist vertrauen schwer, obwohl man kein Grund für Misstrauen hat«, erklärte er nachdenklich.

»Ich glaube eher, dass ich Misstrauen lernen sollte«, fand sie und Lugh Akhtar wusste ganz genau, was sie meinte.

»Nein. Bleib so, wie du bist, das steht dir am besten.«

Cinder lächelte dankbar, dann schwiegen sie wieder, aber es war kein peinliches Schweigen. Es war im gegenseitigen Einvernehmen, einfach, weil sie gerade keine Worte brauchten.

»Ich glaube, Hope ist meiner Leid.«

»Was? Wie kommst du denn darauf?«, überrascht blieb Lugh Akhtar stehen.

»Er hat bestimmt geglaubt, mit mir könnte er Nanami vergessen, aber er hat eingesehen, dass es nicht geht«, sprach sie einfach weiter, schien gar nicht bemerkt zu haben, dass er stehen geblieben war. Mit ein paar schnellen Schritten war er wieder an ihrer Seite und schaute sie aus großen Augen an.

»Hat er das etwa gesagt?«, fragte er entsetzt.

»Nein. Er ist auch nicht anders als sonst, aber ich… habe das Gefühl, das er mich anders ansieht. Er kümmert sich auch nicht mehr so sehr um Lani, als würde sie ihn zu sehr an Chiyo erinnern«, antwortete sie seufzend.

Lugh Akhtar schaute sie im Laufen erstaunt von der Seite her an. Er wusste nicht, ob er laut lachen sollte, oder ob das völlig fehl am Platz war und sie nur verletzen würde.

»Cinder… das er dich anders ansieht, liegt nicht an Nanami«, begann er vorsichtig.

»Hat er eine andere?«, wollte sie sogleich bissig wissen und blitzte ihn gefährlich an.

»Nein!«, versicherte er sogleich.

»Sondern?«

»Das… ist einfach so. Ich denke, es liegt am Vaterstolz. Frisch gebackene Väter sehen ihre Frauen immer irgendwie anders an, als wenn sie plötzlich Dinge in ihnen sehen, die sie vorher nicht wahrgenommen haben.«

Darauf schwieg Cinder eine Weile und schien darüber nachzudenken, bis sie schließlich nickte.

»Gut, okay, von mir aus. Und was ist mit Lani?«

»Er hat jetzt auch einen Sohn, da kann er seine ganze Liebe nicht mehr nur seiner Tochter angedeihen lassen. Auch wenn Lif nicht viel tut als weinen, trinken und schlafen, so ist er dennoch Hopes Sohn und verdient eben genauso viel Aufmerksamkeit, wie Leilani.«

Wieder schwieg Cinder misstrauisch, dann jedoch nickte sie. »Das macht Sinn.«

»Und deine Idee, dass er dich nicht mehr lieben könnte, definitiv nicht.«

»Es wäre möglich gewesen.«

Darauf lächelte der junge Zauberer nur.

»Nun, nächstes Thema. Jetzt erzählst du mir, was dich beschäftigt.

»Nicht viel«, antwortete Lugh Akhtar. »Ich will einfach nur nach Hause, aber vorher muss ich noch ein paar Probleme lösen.«

»Probleme welcher Art?«

»Ich muss Nanooks Seelenstück finden und ich weiß nicht, wo ich suchen soll. Und ich muss den Winter davon überzeugen, dass ich eine ganz schlechte Wahl bin, ich will nämlich nicht.«

Erst schwieg Cinder nachdenklich, dann wollte sie etwas sagen, doch ihre Worte bekam Lugh Akhtar nicht mit, denn er blieb wie vom Donner gerührt stehen und starrte in die Menge.

»Was ist?«, fragte seine Schwester verwundert und neugierig und versuchte auszumachen, was ihn so erschrocken haben könnte, doch sie konnte nichts entdecken.

»Das ist doch…«, murmelte Lugh Akhtar leise, dann wandte er sich abrupt ab und ging mit großen Schritten wieder den Weg zurück. Cinder schaute noch einen Moment verwirrt in die Menge, dann folgte sie ihm.

»Was ist los?«, wollte sie wissen.

»Nichts«, antwortete er barsch.

»Fjodor! Bleib stehen verdammt!«, rief da eine Stimme hinter ihnen. Lugh Akhtar blieb stehen und schloss die Augen, während Cinder immer verwirrter aussah.

Ein junger Mann, so unglaublich auffällig, das sie sich wirklich fragte, wie sie ihn je hatte übersehen können, kam zu ihnen gelaufen. Er riss Lugh Akhtar grob herum und zwang ihn, das Gesicht zu heben, sodass der Fremde es genau betrachten konnte.

»Weiße Haare helfen dir nicht, ich erkenn dich trotzdem«, schnauzte er den jungen Zauberer an.

»Ich weiß, ich dachte auch eher, dass ich in der Menge unentdeckt bleiben könnte«, lächelte der und öffnete die Augen wieder.

»Was hast du gemacht, wie siehst du überhaupt aus? Wie so ein richtig feiner Herr, passt gar nicht zu dir. Und wo verdammt noch mal warst du all die Jahre? Und deine Haare… weiß wie ein alter Mann und deine Augen, wie hast du das nur wieder geschafft?« Der Fremde seufzte theatralisch und ließ ihn los. »Da lässt man dich für zehn Minuten aus den Augen und was passiert? Erst jagst du eine ganze Stadt in die Luft und dann verschwindest du einfach ohne ein Wort zu sagen!«

»Ich bin nicht einfach verschwunden, ich habe meine Lehrzeit beendet und hab…«, begann der Zauberer, doch sein Gegenüber ließ ihn gar nicht erst aussprechen.

»Natürlich, deswegen habe ich auch seit bestimmt fünf Jahren nichts mehr von dir gehört! Du hast Altena verlassen und dann? Den Rest weiß ich nur aus Erzählungen! Und zwar gewiss nicht deine! Hinter der Mauer sollst du gewesen sein! Und eine Schülerin hast du auch, einen ganzen Krieg hast du gestoppt! Wann hast du gedacht, dass du mir das einmal erzählen willst? Oder soll ich jetzt dein komplettes Leben aus dritter Hand erfahren? Was habe ich nur getan, das du mir so das Herz brichst?« In einem neuerlichen Anfall theatralischer Tragik ließ sich der Unbekannte zu Boden sinken, nur um im nächsten Augenblick wieder mit funkelnden Augen zu stehen und Lugh Akhtar anzublitzen. »Es heißt, du hättest Nikolais Platz einnehmen sollen, aber du hast abgelehnt. Und im Schloss von Lanta gehst du ein und aus, wie es dir beliebt. Und Wynter soll auch dein Werk gewesen sein. Oh, und das Kaiserpaar von Navarre soll mit dir befreundet sein. Wer ist sie überhaupt, deine Frau von der erzählt wird?«

Mit einer ausladenden Geste deutete er auf Cinder, die leise kicherte, bei dem ungewöhnlichen Auftritt, der sich ihr hier bot.

»Bin ich dir denn so gleich, dass du mir nichts von alledem selbst erzählen wolltest? Ja, ich verstehe, wenn ich unerwünscht bin, ich sollte gehen.« Sogleich wandte er sich ab und ging, während Lugh Akhtar ebenfalls ernsthaft das Problem zu haben schien, nicht sogleich laut loszulachen.

»Wer ist das…?«, erkundigte sich Cinder gut gelaunt.

»Vivamus, warte!«, rief Lugh Akhtar ihm lachend nach und folgte durch das dichte Gedränge. Er hielt den Arm des Fremden fest und zog ihn zurück. »Du weißt gar nicht, wie sehr ich dich vermisst habe!«

»Was meinst du, warum ich dich schon seit Jahren suche. Aber du warst mir immer zumindest einen Schritt voraus«, antwortete Vivamus und umarmte Lugh Akhtar fest, während Cinder dazu stieß, die immer begeisterter von dem Neuling war. Der Zauberer derweil löste sich sacht von seinem Gegenüber und wandte sich ihr zu.

»Wenn ich euch einmal bekannt machen darf. Das hier, ist meine kleine Schwester Cinder. Sie ist auch meine Schülerin, aber zu allererst einmal ist sie…«

Vivamus schien es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, Lugh Akhtar nicht ausreden lassen zu wollen, denn er unterbrach ihn abermals.

»Hallo Cinder. Ich bin Vivax Animus, Fjodors großer Bruder«, stellte er sich vor und streckte ihr die Hand hin.

»Großer… Bruder?« Die junge Frau schaute mit leuchtenden Augen zu Lugh Akhtar.

»Ja. Der Sohn von Kanoa und Channa, er ist nicht wie wir«, antwortete der lächelnd.

»Wie ihr?«, erkundigte sich Vivamus misstrauisch.

»Ja. Ich erklär es dir, aber nicht jetzt«, antwortete der Zauberer. »Jetzt bin ich erst einmal froh, dass du da bist. Lasst uns zurückgehen, ich glaube, ich muss euch beiden ein bisschen etwas erklären«, lachte Lugh Akhtar.

»Ja, die Idee finde ich gut«, nickte Vivamus. Gemeinsam kehrten sie in Richtung des Hauses, während Lugh Akhtar schon einmal ganz vorne begann. An dem Tag, als er sein Schicksal besiegelte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2011-06-29T19:48:47+00:00 29.06.2011 21:48
Arme Cinder, so lange nicht mehr darußen gewesen :/ Aber Lughs Bemerkung über Cinders Figur war ja mal wieder passend xD Und ich mag den Namen Vivax Animus *__*
*zum nächsten Kapitel husch*
Von:  Seelentraeumerin
2011-06-07T16:51:50+00:00 07.06.2011 18:51
Ich amgs auch^.^
aber kann es seind as sowas ähnliches schonmal waroO
Irgendwie kommt mir das bekannt vor oO

*weiterles*
Von: abgemeldet
2011-05-07T07:45:13+00:00 07.05.2011 09:45
Ich mag die neue Version vom Kapitel lieber :)
Immerhin spielt Cinder eine Rolle *.*


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