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Wolfserinnerungen - Der Erste Schnee

von

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Auf, nach Hause

Lugh Akhtar wünschte sich nichts mehr, als Stille. Seitdem sie aufgebrochen waren, sprach Schatten ununterbrochen. Und er verstand nicht ein Wort von dem, was sie ihn scheinbar mitzuteilen versuchte. Es war, als sprach sie über eine ganz andere Welt, die er nicht kannte und die er nicht verstand.

»Wir sind gleich da«, murmelte er irgendwann, nur um kurz etwas anderes zu hören, als ihre Stimme.

»Ich weiß«, antwortete sie. Das schien das Ende zu sein, denn es folgte kein neuerlicher Redeschwall, sodass Lugh Akhtar erstaunt zu ihr aufschaute. Sobald sie aufgebrochen waren, hatte sie Menschengestalt angenommen und lief auf zwei Beinen neben ihm her. Jetzt fuhr sie gedankenverloren über das Tuch, das sie mitgenommen hatten, um Kenais Pfote zu verbinden.

»Hab ich… etwas Falsches gesagt? Oder getan?«, fragte er zögernd, nachdem sie ihn eine Weile angeschwiegen hatte.

»Nein, aber ich möchte dich nicht weiter nerven«, meinte sie und wirkte dabei seltsam traurig. Sie lief neben ihm her, als wäre sie in ihren Gedanken weit, weit fort.

Lugh Akhtar beobachtete sie eine Weile, doch er vermochte ihre Gedanken nicht zu erraten. Stattdessen schaute er wieder voran und gewahr Nanook und Kenai. Sein Cousin lag auf dem Boden und schien, als würde er bald das Bewusstsein verlieren, während Nanook einfach nur bei ihm saß und in ihre Richtung schaute. Bewegungslos wie eine Statue. Doch seine Augen leuchteten.

»Ist er nicht wunderbar?«, flüsterte Schatten da und ihre Augen leuchteten wieder.

»Wunderbar?« Der weiße Wolf meinte sich verhört zu haben. Wie konnte sie es wunderbar finden, wenn sein Cousin so leiden musste und keiner wusste, ob er überleben würde? Wie nur konnte sie es wunderbar finden, wenn Nanook immer so leiden musste?

»Für einen Moment ist er nur er selbst. Keine fremde Gedanke, keine Gefühle, die nicht seine sind, nur er selbst. Und deswegen leuchten seine Augen.«

»Du könntest seine Augen immer leuchten lassen«, bemerkte der weiße Wolf. Er wollte einfach nicht begreifen, wieso sie es nicht tat, schien sie doch durchaus die Macht dazu zu haben. Er verstand ihre Argumentation, aber sie schadete doch keinem. Wieso nur tat sie es nicht? Doch Schatten schien es nicht weiter zu interessieren, was er dachte, sie ging nicht darauf ein.

»Nanook, der Eisbär«, lächelte sie, als sie sich vor Lugh Akhtar Bruder zu Boden setzte.

»Chaya, ich habe dich gefunden«, sprach der Wolf und schaute sie aus seinen leuchtenden Augen an. Das Mädchen antwortete mit einem Lächeln. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

»Du bist auch etwas besonderes, denn du bist anders als die anderen«, lächelte sie. »Du bist wie ich, nicht wie sie.«

»Ich bin alle, ich bin ich«, antwortete er und seine Augen wurden wieder braun. Eine tiefgehende Trauer schlich sich in sie.

»Ich würde gerne sagen, dass du und ich eins sind, aber das wäre gelogen. Ich verstehe dich, wie kein anderer, das kannst du mir glauben, aber wir sind nicht dasselbe«, lächelte Schatten.

»Ich weiß. Dafür wird es andere geben«, bestätigte Nanook. Das Mädchen nickte und Lugh Akhtar fragte sich, wovon sie sprachen. Da wandte sich Schatten Kenai zu.

»Der Bär«, lächelte sie und setzte sich im Schneidersitz vor ihm und schaute stolz auf ihn hinab. Kenai jedoch schaute nur aus fiebrigen Augen zu ihr auf.

»Ich bin gerade ungemein froh, dass du kein Bär bist. Eigentlich müsstest du einer sein, immerhin gehörst du mehr oder weniger zum Herbst, aber der Wolfspelz steht dir besser. Wobei es keinen so großen unterschied macht, ein Wolf kann so viel wiegen, wie ein ausgewachsener Mann, entsprechend könnte ich allein dich sowieso niemals tragen«, plapperte sie weiter, während Kenai ihr gar nicht zuhörte.

»Schatten, meinst du nicht, wir sollten erst einmal dafür sorgen, das die Glasscherbe aus seiner Pfote kommt und es vernünftig verbunden wird?«, merkte Lugh Akhtar zaghaft an.

»Ja, du hast recht. Allerdings musst du das machen, ich kann kein Blut sehen. Außer in Filmen und in Videospielen, aber da ist es ja nicht echt, sobald es echt ist, wird mir schlecht«, erklärte sie und rutschte herum, sodass sie Kenais schwarzen Wolfskopf in ihrem Schoß betten konnte.

»Und… wie genau stellst du dir vor, das ich das tue?«, erkundigte sich der weiße Wolf und deutete vielsagend mit seiner Schnauze auf seine Pfoten.

»Verwandle dich doch einfach«, seufzte Schatten.

»Verwandeln…?« Es war absurd, er war noch nicht einmal auf die Idee gekommen. Er hatte automatisch angenommen, das er hier seine Magie nicht nutzen konnte und entsprechend auch nicht in der Lage war, sich zu verwandeln, als er sich jetzt jedoch darauf konzentrierte merkte er schnell, das es sogar leichter war, als gewöhnlich.

»Männer.« Theatralisch verdrehte das Mädchen die Augen. »Auf die nächstliegenden Dinge kommt ihr immer nicht.«

Lugh Akhtar schaute sie einen Moment irritiert an, dann jedoch musste er tatsächlich lächeln. Er wusste nicht, woran es lag, aber Schattens ruhige Zuversicht, ihr sichtbares Wissen, das es nicht schlimmer kommen konnte, wenn sie selbst es nicht wollte, beruhigte ihn ungemein. So setzte er sich im Schneidersitz vor Kenai und ergriff seine Pfote, während Schatten demonstrativ in die andere Richtung blickte, ihre Hände aber um den schwarzen Wolfskopf verkrampften.

Der junge Zauberer ergriff die Scherbe so gut es ging, ohne sich selbst daran zu verletzen, doch so konnte er sie nicht richtig greifen. Er überlegte kurz, was er tun konnte, nahm dann den Gürtel ab und wickelte das Leder um das Glas, dann zog er ihn mit einem starken Ruck heraus.

Kenai jaulte laut auf und fing an zu zappeln, und auch Nanook fing laut an zu jaulen. In seiner Menschengestalt verstand er sie beide nicht, aber er wusste, dass sie vor Schmerz schrieen.

Das Mädchen dagegen beugte sich über Kenais Kopf und sprach leise und beruhigend auf ihn ein. Sie drückte sich fest an ihn und vergrub ihre Finger tief in seinem Fell, schien vor Mitleid regelrecht überwältigt.

Lugh Akhtar indes nahm den Stoff, den sie eigens dafür mitgenommen hatten, und legte einen festen Verband an, in den er zusätzlich auch seine Magie verwob. Er konnte keine Wunden heilen, aber er konnte die Magie dazu bringen, sie schneller heilen zu lassen.

Nach einer Weile beruhigten sich sein Cousin und Nanook wieder und auch Schatten erwachte aus ihrem beruhigenden Summen und schaute nachdenklich zu ihm auf.

»Was… tun wir jetzt?«, wollte der junge Zauberer unsicher von ihr wissen.

»Wir gehen zu Skadi. Wird lustig, der gute Kenai wiegt bestimmt seine siebzig Kilo, wenn nicht mehr. Ich würde ja behaupten, dass er als Mensch leichter ist, aber mit den ganzen Muskeln, die er sich als Söldner antrainiert hat, wäre das eine glatte Lüge. Hast du eine Idee, wie wir ihn leichter tragen können?«, fragte sie.

»Du bist hier die Schöpferin des Universums, ich bin nur dein Geschöpf«, wies der Zauberer alle Verantwortung von sich, doch er hatte begriffen, dass sie nicht die Führung übernehmen würde. Sie war eine Beobachterin, der Anführer war nach wie vor er. »Gut, Nanook und ich müssten ihn gemeinsam eigentlich tragen können, die Frage ist nur, ob Nanook gerade in der Lage ist, überhaupt etwas zu tragen. Wenn dieses vermaledeite Glas nicht wäre, würde ich sogar fast behaupten, das ziehen leichter ist, aber damit schlitzen wir ihn nur komplett auf wie ein Schlachtschwein.«

»Somit sind wir uns einig, Glas war eine grauenhaft schlechte Idee. Aber versuchen wir es«, fand Schatten und deutete ihm, das er auch Nanook verwandeln sollte. Das tat er, doch sein Bruder wirkte so verstört und weltfremd, dass er sich schon keine Hoffnungen mehr machte, dass sie diesen Ort allzu bald verlassen konnten. Doch er irrte sich.

»Nanook, mein kleiner Eisbär, kannst du Lugh Akhtar helfen, Kenai hinauszutragen? Damit wir bald nach Hause kommen«, bat sie ihn lächelnd und der verstörte junge Mann reagierte. Erst schaute er sie verständnislos an, dann blickte er auf Kenai hinab und nickte schließlich. Er stand auf und nahm den schwarzen Wolf bei der Hüfte, während Lugh Akhtar hinter den Vorderpfoten anpackte.

Sie hoben ihn an und schleppten ihn einige Meter weit, doch Kenai war wirklich nicht leicht, sodass sie ihn bald wieder absetzen mussten.

»Das Problem ist die Haltung, wenn ihr aufrecht laufen könntet, wäre es weniger anstrengend«, bemerkte Schatten.

»Stell dir vor, darauf bin ich auch schon gekommen«, knurrte Lugh Akhtar schlecht gelaunt.

»Oh, entschuldige. Eine schlechte Angewohnheit, wenn ich ein Problem habe, dann fang ich an, laut darüber nachzudenken. Ich spreche das Problem laut aus und geh dann verschiedene Möglichkeiten für eine Lösung durch. Das wird oft missverstanden, die meisten denken, das ich glaube, sie hätten das Problem nicht erkannt, wie du eben auch.« Das Mädchen lächelte entschuldigend.

Lugh Akhtar tat sofort wieder leid, das er sie angefaucht hatte, aber er wollte so schnell wie möglich von hier fort, deswegen verzichtete er auf eine Entschuldigung.

»Hast du den eine Lösung gefunden?«, fragte er stattdessen.

»Nein. Wir brauchen… einen Stock, einen Ast oder so etwas. Und Seile. Haben wir nicht. Oder wir müssen…« Sie stöhnte laut auf und haute sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Manchmal bin ich auch zu dämlich. Verwandle ihn in etwas Kleines. Ein Kaninchen zum Beispiel, oder eine Katze. Dann ist er leichter, dann können wir ihn tragen.«

»Eine zweite Tierart ist schwer«, gab Lugh Akhtar zu bedenken.

»Vertrau mir, es wird funktionieren.«

Der junge Zauberer zögerte, seufzte dann. Jetzt machte es ihn nervös, dass alles, was Schatten voraussagte, auch eintrat. Einerseits hatte es etwas beruhigendes, es schien, als könnte ihnen kein Leid zustoßen, ohne das sie es wollte, zugleich verlieh ihr das aber auch eine unglaubliche Macht, die er ihr nicht zusprechen wollte. Dennoch tat er schließlich, was sie wollte.

Er dachte kurz über die Katze nach, doch als er sich erinnerte, wie sein Cousin zu seiner Narbe gekommen war, lächelte er nur sanft und entschied sich für das Kaninchen. Auch das würde Kenai nicht gefallen, aber besser als die Katze war es allemal. Und es ließ sich leichter tragen.

So lag der ehemalige Söldner bald als Kaninchen auf dem Boden und Schatten hob ihn auf. Behutsam bettete sie ihn auf ihrer Armbeuge und flüsterte ihm leise etwas zu, dann deutete sie den beiden jungen Männer, das es Zeit war zu gehen. Gemeinsam liefen sie los. Zurück durch die Höhlen, zurück durch die Ebene, bis sie wieder beim Wald waren. Kenai indes schlief in Schattens Armen, die ihn mit einem zufriedenen Lächeln streichelte.

Am Waldrand wartete derweil Skadi. Sie spannte sich sichtbar, als sie Schatten erkannte, sie bewegte sich nicht mehr, bis sie bei ihr waren.

»Hallo Skadi«, lachte das Mädchen und hockte sich hin, um das schwarze Wolfsfell zu streicheln.

»Chaya«, flüsterte die Wölfin und neigte ehrerbietend den Kopf.

»Danke, dass du ihnen bisher geholfen hast. Am Besten gehst du jetzt zu Llew zurück, du solltest ihn nicht zu lange alleine lassen. Er wird noch gebraucht«, lächelte das Mädchen und zwinkerte der Wölfin zu. Die nickte fasziniert, stand auf und trabte in den Wald, zurück zu ihrem Lager.

»Was tun wir jetzt?«, wollte Lugh Akhtar wissen. Er wäre gerne mit Skadi gegangen und hätte in ihrer Höhle gelebt, bis es Kenai wieder besser ging, aber er wagte nicht zu widersprechen.

»Jetzt triffst du Sedna. Oder doch Kenai…« Das Mädchen wirkte unschlüssig.

»Sedna? Und… Kenai?«

»Dein Onkel, der Wind. Ja, ich denke, das geht schneller. Sedna ist die Schöpferin der Meeressäuger, sie könnte uns auf einem Wal oder so etwas nach Hause bringen, aber der Wind geht schneller«, erklärte sie lächelnd. Bevor Lugh Akhtar darauf noch etwas sagen konnte, wandte sie sich. »Hugin! Munin!«

»Wenn ich der Winter bin, muss ich sie alle kennen?«, fragte der Zauberer leise.

»Ja. Aber du wirst sie alle nach und nach kennen lernen, ich werde sie dir vorstellen. Glaub mir, die Meisten wirst du mögen, mit anderen allerdings, wie den beiden Raben, solltest du dich nie zu sehr einlassen«, erklärte sie.

»Warum?«

»Weil sie auf ihrer eigenen Seite stehe. Immer. Sie sind niemanden treu, außer sich selbst«, erklärte Nanook. Daraufhin war der Zauberer ihn einen irritierten Blick zu. Er vergaß nur allzuschnell, dass der junge Mann bei ihnen war. Er war einfach zu still.

»Ganz genau«, bestätigte Schatten und schaute Lugh Akhtar ernst an. »Sie haben Brand die Sinne vernebelt.«

»Sie sind für Hopes Sturz verantwortlich?«, rief er aus.

»Ja. Deswegen gib immer acht, wenn du mit ihnen zu tun hast«, sagte sie eindringlich. In dem Moment flatterten zwei Raben zu ihnen hinab, einer in weiß, einer in schwarz.

»Chaya, du bist wieder zurück?«, fragte der Schwarze.

»Ja. Ich habe einen Auftrag für euch«, erklärte sie kalt.

»Auftrag?«

»Ja. Fliegt zum Herbst und bittet ihn darum, uns den Wind zu schicken, wir brauchen ihn hier. Er muss uns in die neue Welt bringen«, erklärte sie. Sogleich flatterten die beiden Vögel wortlos los.

»Und jetzt?«

»Jetzt warten wir«, lächelte das Mädchen. »Wir könnten uns ja ein bisschen unterhalten.«

»Natürlich… gern«, nickte der junge Zauberer mit einem künstlichen Lächeln.

»Dann erzähl mir, was ist dein größter Wunsch?«

Erstaunt zögerte der weiße Wolf. Er hatte erwartet, dass sie ihn jetzt wieder in Worten ertränken würde, doch stattdessen setzte sie sich auf den Boden und schaute ihn aufmerksam an. Er und Nanook setzten sich ebenfalls. Dann begann er zu erzählen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Seelentraeumerin
2011-05-03T18:10:13+00:00 03.05.2011 20:10
Ich stimm erstmal Blue zu einfach herrlich^.^
und kenai als kaninchen einfach knuffig jetzt mag cih den kleinen auf jedenfall*.*
Morgen les cihw eiter jetzt wirds super*.*
Von: abgemeldet
2011-04-30T13:42:10+00:00 30.04.2011 15:42
wie süß, nanook mit seiner Namensbedeutung aufzuziehen xD
aber es passt ^^ ich mag schatten einfach *.* und nanook auch xD und die vortsellung wie schatten mit einem verwandelten kaninchen durch die gegen rennt xD knuffig :3 ich mag das ganze Kapitel und freue mich schon auf das nächste :D


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