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Eiskalte Liebe

von

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Neue Schule - neues Glück? Wohl eher nicht!

Keuchend stand sie in der Tür. Die braunen Locken, welche ihr bis zur Hüfte reichten standen wild in alle Richtungen. Sie hatte verzweifelt versucht dieses Haardesaster mit ein paar Spangen zu bezwingen doch irgendwie war ihr das nicht gelungen. Das Schleifenband, das zu ihrer neuen Schuluniform gehörte, hatte sie nur lose um den Hals gelegt, sie nicht ordnungsgemäß zusammengebunden. Ihre blauen Augen schweiften durch den Raum bis ihr Blick schließlich am Lehrer hängen blieb.

„Ehm, tut mir leid. Der Bus hatte Verspätung.“ entschuldigte sie sich. Sie wusste selbst, dass es sich wie eine faule Ausrede anhörte, was es ja eigentlich auch war, aber was hätte sie sagen sollen?

'Entschuldigung ich hatte keine Lust aufzustehen und hab mich auf dem Weg hierher auch noch verlaufen!?'

Der Lehrer funkelte sie böse an. Oh oh, das war nicht gut. Gut, dass sie eine der Neuen an dieser Schule war, sonst hätte sie wohl sofort nachsitzen dürfen. Das bekam sie natürlich auch direkt zu hören.

„Das wird nicht mehr vorkommen, haben sie verstanden? Nur, weil sie von der Domino South hierher gekommen sind, heißt es nicht, dass sie sich hier solche Dinge auch erlauben können!“

Immer diese Vorurteile...

Sie nickte stumm.

„Ich hoffe sie haben das verinnerlicht. Es wäre schön, wenn sie sich kurz vorstellen könnten und sich dann endlich setzen würden damit ich mit dem Unterricht fortfahren kann.“ dabei wies der kleine, rundliche Mann auf den einzig freien Platz im gesamten Raum.

„Also, ich bin Jelana Ito, 18 Jahre alt.“ sagte sie. Kurz knapp und bündig. Damit konnte man doch eigentlich nichts falsch machen. Oder doch? Ihr Blick blieb an einem Jungen hängen, der genau in ihrem Blickfeld saß.

/So wie der guckt hab ich irgendwas falsches gesagt/, dachte sie etwas nervös. Seine eisblauen Augen schienen sie zu durchbohren. Schnell wandte sie den Blick ab nickte kurz unentschlossen in die Runde und machte sich eilig auf den Weg zu ihrem neuen Platz. Sie saß in der hintersten Reihe, das war schon mal beruhigend. Auf dem Weg dorthin hörte sie hier und da Geflüster. Oh, wie sie den Kerl verfluchte, der ihre alte Schule in Brand gesetzt hatte. Womit hatte sie das verdient?

Schon immer waren die Schüler der Domino High und die der Domino South auf Kriegsfuß miteinander. Wieso wusste niemand, aber anscheinend wurde dieser Hass vererbt oder so.

Gut, dass aus ihrer alten Klasse noch zwei Mädchen hier waren. Sie hatte nie viel mit ihnen zu tun gehabt und auch keinen Wert darauf gelegt, aber in der Not musste man doch zusammenhalten, oder?

Jelana setzte sich zaghaft an ihren neuen Platz. Sie musste viel Mut aufbringen, doch sie fand es nur gerecht ihre Sitznachbarin zu begrüßen. „Hi“ murmelte sie schüchtern.

Das blonde Mädchen neben ihr gab ein verächtliches Geräusch von sich und zog eine Augenbraue hoch. Dann wandte sie sich von ihr ab.

Na super. Konnte sie nicht einmal Glück haben und auf dieser schrecklichen Schule wenigstens neben jemandem sitzen der ihr den Unterricht versüßte? Nein! Natürlich nicht!

Sie seufzte und beschloss lieber dem Unterricht zu folgen, sie wollte nicht noch mehr Stress mit dem Lehrer. Was für ein Fach war das eigentlich? Sie sah an die Tafel. Oh, Englisch. Das war total ihr Fach. Na wenigstens etwas. Wahrscheinlich wäre sie aus dem Fenster gesprungen wenn sie jetzt auch noch Mathe oder Physik gehabt hätte.
 

Bald schon war die erste Stunde geschafft und sie hatten zehn Minuten Pause. Da sie danach noch eine Stunde Englisch hatten, beschloss Jelana auf ihrem Platz zu bleiben. Ihre beste Freundin, die in einer der Parallelklassen untergebracht war, würde sie in einer der großen Pausen suchen.

Das Mädchen neben ihr war nach dem Klingeln der Schulglocke sofort aufgesprungen, also saß sie nun allein am Tisch. Sie kritzelte gedankenverloren auf ihrem Block herum, das war besser als die bohrenden Blicke der anderen zu sehen.

Erschrocken ließ sie den Stift fallen, als sich plötzlich jemand neben sie setzte. Fragend wanderte ihr Blick vom am Boden liegenden Stift zu der Person, die sich offenbar mit viel Schwung auf dem Platz neben ihr niedergelassen hatte. Zu ihrer Überraschung schaute sie in das Gesicht eines braunhaarigen Jungens. „Hey.“ sagte er nur und grinste sie breit an. Etwas perplex lächelte sie zurück. Was wollte er? Verspottete er sie?

„Ach. Entschuldige. Mein Name ist Tristan.“ sagte er verlegen. Er hatte wohl ihren skeptischen Blick gesehen. Erst jetzt bemerkte sie, dass hinter ihm noch ein paar andere Schüler standen.

Sie wusste nicht recht was sie sagen sollte. Noch nie war sie talentiert darin gewesen Freundschaften zu schließen oder andere Leute kennenzulernen. Das dauerte bei ihr einfach immer etwas länger als bei anderen.

„Das sind Yugi, Tea und Joey.“ meinte der Junge nun und es schien, als wollte er das peinliche Schweigen brechen, welches entstanden war.

„Hi“ fing Jelana langsam an, während sie jeden Einzelnen von ihnen musterte. „Ihr seid aber nicht hier um mich zu verspotten oder?“ fragte sie nun einfach mal vorsichtig. Ihre Gedanken schwebten dabei zu dem Mädchen, welches sie gerade noch verächtlich angeschaut hatte.

Die komplette Gruppe die vor ihr stand sah sie verdattert an. War das so eine dumme Frage?

„Du meinst wegen der Streitsache?“ fragte schließlich der blonde Junge, der hinter Tristan stand. Wenn sie sich recht erinnerte musste das Joey sein. Er grinste breit. „So ein Schwachsinn. Wir sind froh, dass ihr hier seid. Dann ist hier wenigstens mal was los.“ winkte er ab.

Jelana nickte.

„Gut, ich dachte schon ihr wärt alle wie meine Sitznachbarin...“, sie dachte kurz nach, „oder der Typ der da vorn sitzt. Woah, die haben Blicke drauf.“ fügte sie hinzu.

„Die solltest du vielleicht einfach ignorieren“ sagte das Mädchen, was Tea sein musste. „Das da vorn ist Kaiba. Das sollte dir eigentlich was sagen. Er ist etwas...arrogant.“ sagte sie.

Kaiba.. Jelana dachte angestrengt nach. „Ja, irgendwas sagt mir das. Aber was?“ fragte sie mehr sich selbst als die anderen. Ihr fiel gerade ein woher sie den Namen kannte, als es auch schon zur Stunde schellte und der Lehrer zurück kam. Schnell floh die Gruppe wieder zu ihren Plätzen und der Unterricht ging weiter.

Sie sah noch einmal zu Tea, die ihr ein Lächeln zuwarf als sie ihren Blick sah. Vielleicht war das hier alles gar nicht so schlimm wie sie anfangs gedacht hatte.

Immerhin waren hier doch schon vier Leute die wirklich nett zu sein schienen und auf die anderen konnte sie getrost verzichten. Außerdem hatte sie ja immer noch Sayu, ihre beste Freundin.
 

Die zweite Englischstunde schien schneller vorbei zu gehen als die erste und als Jelana ihre Tasche packte standen ihre vier neuen Mitschüler wieder um sie herum. „Also wenn du möchtest kannst du mit uns kommen. Wir wollten in die Mensa.“ sagte einer der Jungs. Er war ziemlich klein dafür, dass er in ihrem Alter war. Verdammt, aber wie hieß er nochmal?

„Die haben da echt leckere Brötchen!“ hörte sie nun eine andere Stimme. Joey. Soviel konnte sie sich merken. Dieser war anscheinend ziemlich hungrig, denn er tippelte von einen auf den anderen Fuß und strahlte über beide Ohren, als er das Wort Brötchen in den Mund nahm.

„Ja, gern. Macht euch das was aus wenn ich noch eine Freundin mitnehme? Sie wurde in der Parallelklasse untergebracht.“

Alle waren einverstanden, so wollten sie gerade auf den Gang hinaustreten, als plötzlich eine Stimme hinter ihnen erklang. Jelana zuckte leicht zusammen. Eine sehr bestimmende Stimme, aber irgendwie gefiel sie ihr. Als sie sich jedoch umdrehte und sah zu wem die Stimme gehörte, fand sie sie gar nicht mehr so toll.

„Aus dem Weg“ hatte er kühl gesagt und Joey und Tea einfach zur Seite geschoben um selbst durch die Tür zu gehen.

Jelana zog eine Augenbraue hoch. Was war das denn? Für was hielt er sich? Normalerweise wäre Jelana ihn angegangen, doch dafür war es noch zu früh. Sie hatte eine richtig große Klappe, aber wenn sie sich noch nicht richtig eingelebt hatte war sie regelrecht schüchtern.

Selbst wenn sie gewollt hätte – sie wäre sowieso nicht zu Wort gekommen, denn der Blondschopf, der bei der Aktion gegen den Türrahmen geknallt war, war in den Gang gestürmt und machte ein riesiges Theater. Das erinnerte sie beinahe an sich selbst.

„Du hast ja wohl nen' Vogel! Ich glaub du spinnst...:“ er schien gar nicht mehr aufhören zu wollen, da tauchte glücklicherweise Sayu auf. Da sie aus der Richtung kam in die Kaiba gerade gegangen war, lenkte sie die Aufmerksam auf sich und Joey kam wieder etwas runter.

Jelana und Sayu begrüßten sich kurz mit einer Umarmung und man sah förmlich wie Jelanas Selbstbewusstsein um drei Stufen stieg.
 

Als sie endlich Joey in die Mensa bekommen hatten, der, als sie noch einmal Kaiba begegnet waren, erneut auf ihn zugestürmt war, setzten sie sich mit ihrem Essen an einen großen Tisch.

„Man du regst dich genauso auf wie Jelana. Nur ist sie sturer. Da wäre es nicht so leicht gewesen sie mitzuschleifen.“ sagte Sayu zu Joey. Der war jedoch gerade damit beschäftigt sein eigenes Brötchen in sich hineinzuschieben so, dass er nicht gleich antworten konnte.

„Na danke!“ sagte stattdessen Jelana. „Aber er hatte recht. Dieser Kaiba ist echt ein aufgeblasenes...“ sie hielt inne als sie den Blick ihrer Freundin sah. „...Schaf?!“ sagte sie schnell.

Sayu musste lachen. Die Schimpfwörter wollte sie Jelana schon lange abgewöhnen. Mittlerweile genügte ein Blick um sie davon abzuhalten welche zu benutzen, aber da Jelana nicht einfach mitten im Satz abbrechen wollte, entstanden solche Sätze und aus einem Arschloch wurde schnell ein Schaf.

Doch plötzlich runzelte Sayu die Stirn. „Moment mal. Kaiba? DER Kaiba?“ fragte sie ihre Freundin, die sich gerade ihr Brötchen in den Mund schob und nur mit den Schultern zuckte.

„Wenn du den Blödmann meinst, der die Kaiba Corporation leitet und damit angibt wie ich weiß nicht was – ja das ist er!“ hörte man Joey rufen. Sein Brötchen hatte er offenbar schon aufgegessen.

Sayus Blick schweifte durch die Kantine – es schien als suche sie jemanden oder etwas. Plötzlich deutete sie auf zwei Jungs, die am Fenster saßen und gerade mit dem Salat, der eigentlich auf die Brötchen gehörte, herumwarfen.

„Die haben gesagt, dass er am Wochenende ein Turnier veranstaltet. Ein Duel Monsters Turnier.“ erinnerte sie sich. Der kleine Junge, der sich später als Yugi herausstellte, nickte.

„Ja, das stimmt. Joey und ich sind auch dabei. Es ist diesmal nur was kleines. Normalerweise sind seine Turniere immer sehr aufwändig und gehen über ein paar Wochen.“ sagte er.

So so, Duel Monsters also. Jelana schluckte den letzten Bissen ihres Brötchens hinunter.

„Ich hab noch nie ein ganzes Duell gesehen.“ sagte sie etwas in Gedanken, „Das wäre sicherlich mal interessant.“

Sie hatte nicht bemerkt, dass die zwei Jungs, auf die ihre Freundin gerade gedeutet hatte, hinter ihnen standen.

„Euch lassen die doch gar nicht da rein! Domino South Schüler sind da ungern gesehen!“ sagte einer der Beiden gehässig.

Jelana reichte es mittlerweile. Sie war wütend und ihre anfängliche Schüchternheit verflog für sie untypisch schnell. Wieso wurden sie immer sofort nach ihrer Schule beurteilt?

„Man halt die Klappe“ murrte sie.

„Weißt du.. die Karten sind sowieso schon ausverkauft. Aber auch so würde das nichts geben.“

Jelana wurde immer wütender.

Sayu wusste genau, dass Jelana meist Dinge sagte, die sie später bereute, wenn sie einmal in Fahrt war – so wahrscheinlich auch jetzt, doch sie war nicht schnell genug um sie davon abzuhalten.

Jelana war schon aufgesprungen und hatte sich vor dem Jungen aufgebaut. Das sah nicht sehr gefährlich aus, denn sie war mit ihren 1,57 sehr viel kleiner als der Koloss der dort vor ihr stand.

„Jetzt halt mal die Luft an! Ich wette mit dir, dass wir zwei da rein kommen auch wenn die Karten angeblich schon ausverkauft sind!“

Der Junge lachte hämisch, während Sayu leise versuchte sie zu bändigen. Joey und Tristan fanden das ganze recht amüsant und Tea und Yugi sahen dem Schauspiel gespannt zu – wie auch alle anderen Schüler die an den Tischen um sie herum saßen.

„Wenn wir das schaffen“, fing Jelana wieder an, „dann müsst ihr versprechen, dass ihr uns nicht mehr auf unsere Schule reduziert, sondern erstmal guckt wie wir wirklich drauf sind!“.

Der Junge nahm die Hand, die das braunhaarige Mädchen ausgestreckt hatte. „Gut! Wenn ihr es nicht schafft macht ihr für uns den Flurdienst, den wir eigentlich nächste Woche machen müssen UND wir dürfen auf euch rumhacken wie wir wollen!“ sagte er. Mit dem Handschlag war dann die Sache abgemacht und die beiden Jungen gingen an ihr vorbei.

„Ach ja, wir werden natürlich auch da sein und wir werden das überprüfen, also glaub nicht, dass du schummeln kannst!“ sagte er noch breit grinsend, dann verließ er die Mensa.

„Blödmann! Wer gut ist braucht nicht zu schummeln!“ rief sie ihm hinterher.

Sayu hatte sie derweilen wieder auf die Bank gezogen.

„Was war das denn für ne Aktion?“ fragte sie.

Jelana registrierte wohl erst jetzt, was für eine Vereinbarung sie eingegangen war.

„Ehm.. Kurzschlussreaktion.“ sagte sie heiser.

Sie heimste sich fragende Blicke ein. Anscheinend wussten nur Joey und Sayu was sie meinte.

„Na, wenn ich so in Rage bin dann denk ich nicht nach. Es ist, als wäre mein Gehirn einfach ausgeschaltet und ich würde nur noch handeln. Kennt ihr das nicht?“ fragte sie etwas unsicher.

Sofort wanderten alle Blicke zu Joey. „Doch kennen wir!“ sagten Tristan, Tea und Yugi gleichzeitig.

Joey fand das garnicht lustig: „Was soll das denn heißen?!“

Sayu und Jelana mussten lachen. Da hatten sie sich ja eine schöne Gruppe ausgesucht. Das schien echt zu passen.

Doch das Problem mit der Wette war noch immer nicht geklärt. Aber so schwer konnte es doch nicht sein da rein zu kommen. Wenn sie sich nicht irrte, hatte Jelana gleich Religion. Da musste man sowieso nicht viel aufpassen. Da konnte sie auch gleich diesen Kaiba mal ansprechen. Vielleicht war er gar nicht so schlimm wie sie ihn erlebt hatte. Von Joey und den anderen hatte sie ja auch erst etwas schlechtes Gedacht. So schrecklich wie sie ihn darstellten konnte er doch gar nicht sein oder?...
 

… doch konnte er!

Jelana hatte sich in seine Nähe setzen müssen. Der Religionsunterricht fand nicht in ihren Klassenraum statt und nur schräg neben ihm war noch ein Platz frei gewesen. Ihre Lehrerin erzählte gerade etwas von Wiedergeburt oder so. Jelana hörte nicht zu. Wozu auch? Alles Schwachsinn!

Da sie also eh nicht zuhörte und auch dieser Kaiba – wie war eigentlich sein Vorname?- nicht wirklich interessiert aussah, beugte sie sich zu ihm herüber.

„Entschuldige. Hi, ich bin Jelana, aber.. das weißt du ja. Ich hab von deinem Turnier gehört.“ sagte sie leise und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln – auch wenn es nur gespielt war.

Träge drehte er seinen Kopf in ihre Richtung und funkelte sie aus seinen blauen Augen böse an. Sofort war sie eingeschüchtert von seinen wunderschönen und doch gleichzeitig sehr angsteinflössenden Augen.

SIE war eingeschüchtert?! Sowas gab es selten.

„Und? Das dürfte sich jawohl mittlerweile herumgesprochen haben. Du schaltest nicht sehr schnell!“

Autsch.

„Naja, ich bin in diesem Stadtteil sonst nicht so oft und da... naja ist ja auch egal. Ich wollte nur fragen, ob du nicht noch zwei Karten hättest für meine Freundin und mich. Ich hätte das Geld sogar dabei. Ich mein wir könnten auch stehen. Brauchen keine Sitzplätze.“ Jelana hatte sich sehr weit in den Gang gebeugt und sprach gerade so laut, dass er sie verstehen konnte.

Er grinste, doch es war definitiv keine nette Geste. Sie sah ihn erwartungsvoll an.

„Vergiss es. Wer zu spät kommt hat Pech gehabt!“ sagte er in einem Ton, der ihr eine unangenehme Gänsehaut über den Rücken jagte.

Sie wollte ihn gerade weiter bearbeiten, als sein Grinsen beinahe unmerklich breiter und auch fieser wurde. Lachte er sie etwa aus? Er sah sie nicht mal an, sondern blickte stur an die Tafel. Der Quatsch hatte ihn doch verdammt nochmal vorher auch nicht interessiert.

Als sie gerade den Mund öffnete um weiter zu betteln tippte ihr jemand auf die Schulter. Das war zu viel. Sie hatte nur noch auf der Kante ihres Stuhls gesessen und da sie sich so erschrocken hatte, dass plötzlich der Lehrer neben ihr stand und sie antippte, purzelte sie auch prompt zu Boden.

Lautes Gelächter war zu hören.

Dieser Mistkerl. Deswegen hatte er so mies gegrinst. Das war ihr nun klar.

„Fräulein Ito. Ich weiß ja nicht wie ihre alten Lehrer das gehalten haben, aber hier wird im Unterricht nicht gequatscht. Verlegen sie das gefälligst in die Pausen und stehen sie unverzüglich auf!“

Genau das hatte Jelana vor gehabt. Einfach setzen und so tun als sein nichts geschehen. Mit hochrotem Kopf saß sie schließlich wieder an ihrem Platz.

Wo war nur das Loch in dem man verschwinden konnte, wenn man es brauchte?

Das laute Lachen und Getratsche im Hintergrund störte die Lehrerin offenbar nicht.

Sie warf Kaiba noch ein paar wütende Blicke zu, doch er beachtete sie gar nicht. Arroganter Sack!

Für den Rest des Tages war sie das Gesprächsthema Nummer eins...

Ein Tag ohne Peinlichkeiten? Unmöglich!

Jelana hatte sehnlichst gehofft, dass Gras über die peinliche Sache im Religionsunterricht gewachsen war, doch irgendwie hatte sie das Glück verlassen.

Den Rest des gestrigen Tages durfte sie sich anhören wie trampelig sie doch sei und, dass sowas ja nur von einer von der Domino South kommen kann.

Und so ging es an ihrem zweiten Schultag da weiter wo es am ersten aufgehört hatte.

„Einfach ignorieren!“ versuchte Tea sie immer wieder zu beruhigen und schon bald gab sich Jelana ihrem Schicksal geschlagen.

„Denk lieber darüber nach, wie wir ins Stadion kommen – den lieben Herrn Kaiba werden wir wohl sicherlich nicht nochmal fragen.“

Wir. Hatte Sayu 'wir' gesagt?

„Naja, ICH werde ihn sicherlich nicht mehr fragen, aber du könntest doch...“ Jelana hielt inne. Mal wieder sagten Sayus Blicke mehr als tausend Worte.

„Ok ok. Ich habs verstanden... ich lass mir was einfallen.“ seufzte sie.

Als sie in der großen Pause auf dem Weg zur Mensa war dachte sie noch immer angestrengt nach, als sie plötzlich einen dumpfen Schmerz am Kopf spürte – sie war gegen jemanden gelaufen.

Als sie sich gerade entschuldigen wollte sah sie, dass es Joey war und ihn das offenbar gar nicht interessierte. Irgendwas an der Pinnwand vor ihm war anscheinend viel interessanter. Sie schnappte sich seinen rechten Arm und zog ihn ein bisschen zur Seite um auch was zu sehen. Vorsichtig schob er sie vor sich, als er sie bemerkte.

„Die Nachmittagskurse“ sagte er knapp.

Sie hatte davon gehört. An ihrer alten Schule hatte es sowas nicht gegeben, aber die Domino High bot Kurse an, die am Nachmittag stattfanden – jeder Schüler musste wenigstens einen Kurs besuchen und wie sie dem gelblichen Zettel an der Wand entnehmen konnte, mussten sie sich bald entscheiden.

Schnell überflog sie die Zettel. Es war alles dabei: alle möglichen Ballsportarten, Näh- und Bastelkurse und sogar Kanufahren.

„Weißt du schon welchen du nimmst?“ fragte sie Joey nach einer Weile. Er schüttelte langsam den Kopf.

„Ich hab nicht die leiseste Ahnung.“ murmelte er. „Und du?“

Jelana war hellauf begeistert, das bemerkte er erst jetzt.

„Naja, also ich hab gleich zwei die mich reizen... einer ist Dienstags und der andere Donnerstags!“ sagte sie aufgeregt. „Ich war früher in einem Schauspielkurs, aber der hat sich leider aufgelöst – hier kann ich weitermachen. Verkleiden, Schminken, jemand anders sein – einfach toll.“ schwärmte sie, holte kurz Luft und redete sofort weiter, „Naja, und natürlich die Schülerzeitung. Weißt du, ich möchte nämlich später mal Journalistin werden!“

Sie strahlte über das ganze Gesicht.

„Zwei Kurse? Den Stress tust du dir an?“ fragte irgendjemand. Sie wusste nicht wer, war ihr aber auch egal. Sie nickte eifrig und trug sofort ihren Namen ein. Zur Not konnte sie immer noch einen der Kurse verlassen, wenn es ihr zu viel wurde.

„Was für nen Kurs belegst du denn Joey?“, fragte Jelana gerade interessiert, als plötzlich eine Stimme ertönte. Eine Stimme, die Jelana mittlerweile gut genug kannte um sie einordnen zu können.

„Boah, nicht der schon wieder!“ rutschte es ihr heraus. Natürlich überging 'Mister Cool' das gekonnt. Als Jelana sich genervt zu ihm umdrehte bemerkte sie, dass sämtliche Mädchen um sie herum sich geradezu nach ihm verzehrten. Waren die denn blöd? Was fanden sie an diesem Schnösel?

Sie spürte, wie sich Joey neben ihr wütend verkrampfte. Er sah so aus, als würde er Kaiba gleich an den Hals springen. Doch der ging nach einigen unfreundlichen Worten einfach ihnen vorbei.

„Du solltest dich nicht immer so aufregen! Das gibt Falten.“ sagte Jelana und dann grinste sie den verkrampften Blondschopf neben ihr breit an. Dieser sah sie erst wütend an, musste dann jedoch ebenfalls grinsen.

Na, also. Es gibt doch noch Leute, die einen nicht sofort anfielen. Offenbar hatte er nur ein Problem mit Kaiba und war nicht von Grund auf aggressiv oder so.

Zusammen machte sich die Gruppe nun auf den Weg zum Unterricht – Biologie stand auf dem Stundenplan.

Eigentlich hatte sie Biologie immer gemocht, aber auch das änderte sich schlagartig. Sie sollten Frösche sezieren. War so eine Grausamkeit überhaupt erlaubt?

Schon allein der Gedanke ließ Jelana erschaudern. In den hintersten Reihen hörte man Dinge wie: „Boah, das ist ja genial. Den schlitze ich auf – wie bei Saw.“

Sie schüttelte nur den Kopf. Das war ja widerlich. Als sie sich umdrehte erkannte sie, dass das zwei Jungen von ihrer alten Schule waren – na super... die repräsentierten ihre Schule ja wunderbar.

Sie saß neben Joey und als sich ihre Blicke zufällig trafen rümpfte sie die Nase.

„Ich will das nicht machen.“ murmelte sie.

Bevor ihr Sitznachbar etwas antworten konnte hörte man ein lautes Platschen, was, wie sich hinterher herausstellte, von dem Frosch kam, der von ihrem Biologielehrer gerade mit voller Wucht auf ihren Tisch geknallt wurde. Erschrocken war sie zusammengezuckt – war der Kerl lebensmüde?

„In meinem Unterricht erwarte ich absolute Disziplin. Das heißt – es wird nicht geredet solange ich es nicht erlaube und vor allem wird die Arbeit verrichtet die ICH ihnen auftrage! Da sie diese Aufgabe aber offenbar nicht verrichten wollen können sie direkt den Anfang machen und dem Kurs zeigen wie es funktioniert. Im Lehrbuch auf Seite 53 steht wie genau sie das anstellen!“ wurde Jelana niedergemacht.

Oh man. Wieso hatte sie keiner gewarnt bevor man so einen auf sie los ließ?

Sie war ziemlich perplex und erst als Joey ihr zögerlich das Skalpell unter die Nase hielt reagierte sie.

Jelana wäre der Aufforderung des Lehrers gerne nachgekommen, aber sie konnte es beim besten Willen nicht.

„So eine sind wir also. Arbeitsverweigerung. Das wird ihren Klassenlehrer sicherlich brennend interessieren!“

„Man jetzt hören sie doch mal auf sie kann das nun mal..“ Joey, welcher zu Jelanas Verwunderung versuchte sie zu verteidigen, erntete neben einer gehörigen Standpauke auch noch Blicke, die wohl auch einen Mr. Cool Kaiba in die Knie gezwungen hätten – obwohl sie war sich da nicht so sicher.

Da Jelana noch immer, blass und ohne jegliche Reaktion, an demselben Fleck stand, riss der Lehrer ihr das Skalpell aus der Hand und begann an dem Frosch herum zuschneiden.

Jeder der darauf geachtet hätte hätte wohl bemerkt, dass Jelana noch blasser geworden war.

Sie spürte, dass ihr verdammt schlecht wurde. Dieses Geräusch. Dieses matschende Geräusch, als der Lehrer die Klinge aus dem Tier zog.

„Oh mein Gott“ murmelte sie und ehe sie sich versah hatte sie sich auch schon den Papierkorb geschnappt und sich erbrochen.

Irgendetwas sagte der Lehrer, als sie fertig war und sich mit einem Taschentuch den Mund abwischte, doch sie blendete es aus. Es war peinlich genug was gerade passiert war, sie wollte nicht auch noch darüber reden.

„Entschuldigung.“ murmelte sie. Ihr Kopf war hochrot und die Situation war ihr so peinlich, dass sie nur noch aus dem Raum stürmte.

Nachdem sie die restliche Biostunde auf dem Mädchenklo verbracht hatte und am liebsten im Erdboden versunken wäre, traute sie sich nach dem Schellen noch immer nicht hinaus.

Wenigstens war Bio die letzte Stunde gewesen. Sie konnte also noch ein wenig warten, dann waren wohl alle aus ihrem Biologiekurs verschwunden und auch sie konnte sich auf den Weg nach Haus machen ohne noch irgendwelche Bemerkungen über sich ergehen lassen zu müssen.

Natürlich wollte das Schicksal es mal wieder anders.

Eine Viertelstunde nach dem Schellen verließ sie das Mädchenklo und ging über den Schulhof – wie sie diese Schule hasste.

Wütend trat sie gegen einen Stein, der ziemlich weit flog. Ihre Augen folgten dem Stein und noch bevor sie etwas sagen konnte, traf der Stein jemanden am Schienenbein.

„Entschuldigung“ rief sie wieder. Oh man wie oft hatte sie sich schon entschuldigt, seid sie auf dieser Schule war?

Der Getroffene, welcher sich gerade zu einem kleinen Jungen gebückt hatte baute sich vor ihr auf. „Na, dass das von dir kommen musste war ja klar.“ wurde sie angeranzt. Konnte denn hier niemand mal vernünftig mit ihr reden?

Als sie erkannte wer dort vor ihr stand, verschwand die Verwunderung. Natürlich konnte ein Mr. Kaiba das nicht.

„Tja, das war meine Rache für dein hämisches Grinsen gestern im Religionsunterricht.“ gab sie nur zurück.

Diesmal hatte sie nicht den Fehler gemacht und ihm in die Augen geschaut und ging nun ohne ein weiteres Wort an ihm vorbei.

„Deine Rache? Da musst du dich aber noch ein bisschen anstrengen..“ fing er an doch Jelana blendete ihn aus.

Er war so eine Person von der sie sich lieber fern halten sollte. Besser war es. Er machte sie wütend. Wenn sie wütend war tat sie Dinge, die sie später bereute. Also kein guter Umgang dieser Kerl!

Sie sollte ihm wirklich aus dem Weg gehen.

Die Wette

Die nächsten Tage verliefen ausnahmsweise mal relativ ruhig. Ab und zu half Jelana den anderen dabei Joey zu beruhigen, der sich sonst den lieben langen Tag über Kaiba aufgeregt hätte, wobei sie fand, dass dieser Kaiba wirklich mal eine Abreibung verdient hatte.

Doch von Kaiba war nicht viel zu sehen. Meist verkrümelte er sich in den Pausen sofort. Wer wusste schon wo er sich aufhielt? Ihr war es egal.

Die zwei Jungen, die mit Jelana und Sayu gewettet hatten und wie sich später herausstellte Kamu und Seki hießen, ließen sich ab und zu mal blicken um zu sehen, ob Jelana etwas eingefallen war.

Erst am Freitag kam ihr eine Idee. Grinsend saß sie also am Tag vor besagtem Turnier in der Mensa. Außer Sayu wusste niemand was sie vorhatte und selbst Joey, mit dem sie in den letzten Tagen in der Schule recht viel zu tun gehabt hatte, verriet sie nichts.

So saß die Truppe nach der Schule noch auf den Bänken, welche am Rand des Schulhofes angebracht waren und Tea, Yugi, Tristan und Joey versuchten verzweifelt zu erraten wie sie denn nun in das Stadion kommen wollten.

Jelana gab zu, dass sie nicht glaubte, dass der Plan klappen würde, aber ein Versuch war es wert – besser als einfach aufzugeben!

„Ihr hängt euch an nen' Heißluftballon und schwebt von oben in das Stadion.“ sagte Joey gerade voller Enthusiasmus.

Jelana lachte. „Fast. Aber das wirst du ja morgen sehen – wir werden jetzt Vorbereitungen treffen und wenn es morgen so läuft wie es soll, dann geb' ich ne Runde Eis aus.“ versprach sie, während sie Sayu am Arm packte und mitschleppte.
 

Der Samstag war schneller gekommen, als sie erwartet hatten und Joey war in heller Aufregung. Ob Jelana wirklich einen Plan hatte? Wieso hatte sie es ihnen denn nicht verraten?

So wie er durch die Reihen des schon überfüllten Stadions tippelte, erinnerte er an einen Chihuahua, der mal ganz dringend wo hin musste. Dafür hatte er von Tristan schon einen leeren Getränkebecher an den Kopf geworfen bekommen und so waren Yugi und Tea gezwungen sich zwischen die Beiden zu setzen um weitere Raufereien zu vermeiden.

Sie hatten Glück gehabt und saßen in der ersten Reihe der Tribüne. Von dort aus konnte man am besten sehen, was auf der riesigen Bühne in der Mitte des Stadions geschah. Momentan fand dort ein Duell statt, bei dem zwei kleine Mädchen sich mit Feen und Märchenfiguren bekämpften. Hier und da war ein „Das hat sie super gemacht.“ oder ein „Oh, man sind die niedlich.“ zu hören.
 

Jelana und Sayu standen derweilen vor dem Stadion.

„Wow, nicht schlecht! Immerhin Geschmack scheint der Gute zu haben.“ murmelte Jelana, als sie die riesigen Drachenstatuen vor dem großen Gebäude erblickte. Sie hatte ein Grinsen auf den Lippen, was ihre Vorfreude kennzeichnete. Wieso sie sich so freute wusste sie nicht. Der Plan war so bescheuert, dass er eh nur in die Hose gehen konnte und scharf darauf Kaiba zu sehen – und das dann wahrscheinlich auch nur, weil er sie gerade aus dem Stadion schmiss – war sie auch nicht gerade.

Sayu schien nicht so begeistert. Sie trug einen bodenlangen weißen Kittel und hatte die blonden Haare zu einem strengen Pferdeschwanz zurückgebunden.

Außerdem schob sie einen Rollstuhl – in dem Jelana saß.

Diese trug einen Rock, dessen Farbe stark an Erbrochenes erinnerte und eine weiße Bluse, auf der bunte Blümchen gestickt waren. Dazu gehörte noch eine graue Kurzhaarperücke und ein wenig Schminke.

Sayu steuerte auf einen der Eingänge zu. Gut, dass sie Beide vor der in der nächsten Woche beginnenden Theater AG, schon mal Schauspielunterricht hatten denn der war ihnen nun sehr von Nutzen. Außerdem hatte ihnen so ein befreundeter Maskenbildner helfen können Jelana in eine nette alte Dame zu verwandeln.

Natürlich hatten sie vorher die Eingänge abgecheckt und sich für den entschieden an dem der Wachmann stand, der am nettesten aussah.

Soweit man sagen konnte, dass Kaibas Wachmänner nett aussahen...

Sayu blieb jedenfalls direkt vor dem großen Mann mit Sonnenbrille stehen.

„Ich bräuchte bitte Ihre Karten!“ sagte er forsch.

„Karten? Aber wir sind vom Altenheim – uns wurde gesagt, dass wir auf eine Gästeliste gesetzt wurden.“ sagte Sayu. Wow, sie war echt überzeugend.

„Gästeliste? Davon weiß ich nichts! Da muss ich mich erstmal erkundigen“

War da Skepsis in seiner Stimme?

Sayu wurde leicht nervös, das merkte Jelana daran, dass sie mit dem Fuß auf dem Boden herumtippte und sie damit an den Rande eines Nervenzusammenbruchs brachte.

Ein schweres Seufzen kam über Sayus Lippen:

„Aber Frau Sakamoto hatte sich so gefreut. Ihr Enkel hat doch gleich ein Duell und wir sind schon jetzt so spät dran. Karten gibt es auch nicht mehr, habe ich gehört.“

Der Wachmann schien zu überlegen. Bei Sayus und Jelanas Anblick wurde er plötzlich ziemlich unsicher.

„Kommen sie mal mit. Ich muss das abklären.“ sagte er und ließ sie durch das Tor.

Bingo!

Nachdem sie ihm durch ein paar Gänge gefolgt waren befanden sie sich schon fast in der Haupthalle des Stadions. Dort sollten sie warten, während der Kerl mit irgendwem sprach.

Jelana hoffte, dass es nicht Kaiba war mit dem er sprach – der würde auch arme, alte, wehrlose Omas in einem Rollstuhl einen Hügel runterschubsen wenn sie ihm nicht passten.

Nach ein paar Minuten kam der Wachmann wieder und blieb neben den Beiden stehen.

„Hach, junger Mann. Ich hoffe sie konnten was erreichen. Mein Enkel hatte sich so gefreut, als ich ihm angeboten habe zu kommen.“ krächzte Jelana um es authentischer Wirken zu lassen.

„Normalerweise machen wir sowas nicht, Seto Kaiba ist nicht der Typ für Ausnahmen, aber der eigentliche Zuständige dieses Eingangs ist im Moment eh nicht da. Es wird also niemand merken.“

Wow, er sah gar nicht so aus, aber offenbar hatte er ein Herz oder er war einfach saumäßig dämlich.

Wenn das mal nicht seine Kündigung bedeutete – der Arme.

„Oh, das ist aber lieb von ihnen. Dass es in diesen Zeiten noch so nette Burschen gibt hätte ich nicht gedacht. Lassen sie sich drücken.“ rief Jelana und sie spielte dabei ihre Rolle wirklich gut. Tatsächlich ließ der Wachmann sich von ihr in den Arm nehmen und wurde sogar leicht rot.

„Huch, die haben ja Hologramme. Jaja, zu meinen Zeiten war das noch alles anders.“ plapperte sie munter weiter, während Sayu sie außer Sichtweite schob. Sie vergewisserten sich nochmal, dass der Wachmann weg war. Es hatte tatsächlich geklappt. Der musste ja wirklich hohl sein.

Jelana und Sayu sahen sich an und bekamen einen schrecklichen Lachanfall.

„Lassen sie sich drücken....zu meinen Zeiten....“ äffte Jelana sich selbst nach. Sie zog sich die Perücke vom Kopf und stieg aus dem Rollstuhl aus, den sie sich aus dem Krankenhaus geliehen hatten. Gut, dass Sayus Mutter Krankenschwester und zudem noch für jeden Spaß zu haben war.

Jelana lachte munter weiter, als Sayu plötzlich blass wurde und auf irgendwas zeigte. Noch immer breit grinsend drehte sich Jelana um und erblickte erschrocken das, was auch ihre Freundin zuvor entdeckt hatte: Die Leinwand.

In den Pausen zwischen den Duellen schwenkte eine Kamera durch den Innenraum des Stadions und filmte die Zuschauer. Eigentlich sollte das dazu dienen die Zuschauer zu befragen, wie sie sich hier fühlten und was verbessert werden könnte, aus diesem Grund war auch ein Mikrofon montiert - die neueste Technik eben. War ja von Kaiba auch nicht anders zu erwarten.

Das bemerkten die beiden Mädchen, die nun riesengroß auf der Leinwand zu sehen waren erst, als Jelana ein erschrockenes „Hups“ von sich gab.

„Tu was!“ raunte Sayu ihrer Freundin zu. Es war ihr ja so schrecklich peinlich.

„Ehm. Joa, ich gehe sicherlich recht in der Annahme, dass wir gleich von Kaibas Bodygards oder vom Chef höchstpersönlich hier mit einem Tritt in den Allerwertesten hinausbefördert werden, ABER wir sind im Stadion – also haben wir die Wette gewonnen. Wo auch immer ihr zwei Idioten sitzt – viel Spaß beim Flurdienst.“ plapperte Jelana munter drauf los. Da sie später einmal Journalistin werden wollte musste sie sowas können. Klappte doch recht gut.

Die meisten Leute im Stadion lachten – immerhin war ja der größte Teil ihrer neuen Schule dort und wusste also über die Wette Bescheid. Jaja schlimmer als in einem Dorf. Sowas sprach sich in der Schule eben herum.

Jelana war verwundert – noch immer ließ sich keiner blicken um sie rauszuwerfen, also zog sie Sayu an der Hand in die Richtung in der sie gerade Joey und die anderen entdeckt hatte. Den Rollstuhl ließ sie einfach am Rand stehen – da würde der schon niemanden stören.

Auf der Bühne erklang derweilen eine Stimme.

/Ach, deshalb kommt er nicht persönlich und macht uns fertig./ dachte Jelana, als sie Kaiba mit einem Mikrofon erblickte.

Sie setzten sich auf den Boden vor ihren neuen Freunden, die begeistert waren. Joey fummelte in Jelenas Gesicht herum.

„Woah. Wahnsinn du siehst echt aus wie ne Oma.“ rief er begeistert.

Sayu kicherte. „Tja, man muss nur die richtigen Leute kennen.“

Jelana hingegen achtete nicht auf die Finger an ihrem Kinn und das Gespräch ihrer Freunde. Sie wollte wissen was Kaiba sagen würde.

„Eine nette Vorstellung...“ fing er an. Wow. Sarkasmus hatte er voll drauf.

„Wie gut, dass ihr unsere Zuschauer damit nicht weiter belästigt und wo immer ihr jetzt auch verschwunden seid: Ihr könnt froh sein, dass ich euch nicht von der Polizei abholen lasse! Jedenfalls wünsche ich allen anderen jetzt viel Spaß beim weiteren Verlauf des Turniers.“ sagte er im gewohnt kühlen Ton und verließ die Bühne.

Er wünschte den Leuten Spaß? Irgendwie nahm Jelana ihm das nicht ab. Wusste er überhaupt was Spaß war? Seine Gesichtsmuskeln schienen ziemlich eingerostet.

Jelana hatte die ganze Zeit auf den Bildschirm gestarrt. Sein Gesicht auf so einer großen Leinwand zu sehen war beeindruckend. Ach, was dachte sie da?! Ein paar blaue Augen auf einem großen Bildschirm und sie schenkte diesem aufgeblasenen Blödmann schon wieder Aufmerksamkeit.

Sie griff an ihr Kinn, an dem mittlerweile auch niemand mehr herumfummelte und wischte sich mit dem Ärmel die Schminke aus dem Gesicht.

„Sag mal Joey – wollten Yugi und du euch nicht auch duellieren?“ fragte Jelana einfach mal.

Es herrschte Schweigen. Was war jetzt wieder passiert?

Als sie sich umdrehte sah sie, dass die Beiden gar nicht mehr da waren.

„Die haben sich doch gerade verabschiedet und sitzen da vorne – hast du nicht zugehört?“ fragte Tea mehr belustigt als alles andere.

Was? Hatte sie so gebannt diesem Schnösel zugehört? Das gibt es ja nicht.

Schnaufend setzte sie sich einfach auf Joeys Platz. Sie würde ihm und Yugis kleinem Freundschaftsduell nun all ihre Aufmerksamkeit schenken keinen einzigen Gedanken an diesen Kaiba-Schnösel verschenken!
 

Tja, an sich eine gute Idee – nur wohl nicht so leicht umzusetzen.

Die zwei waren gerade mitten im Duell und für Joey sah es nicht sehr gut aus, als plötzlich ein Koloss von einem Mann vor Jelana auftauchte. Sie wollte ihn gerade niedermachen. Wieso stellte er sich so blöd vor sie? Sie wollte das Duell sehen.

Doch ihr stockte der Atem als sie sah wer da vor ihr stand und mehr als ein winziges:

„Oh Oh...“ kam ihr nicht über die Lippen.

Es war Mister Ich-arbeite-bei-Kaiba-aber-habe-doch-ein-Herz! Das roch nach Ärger.

Er stand wohl nicht so drauf von zwei Gören verarscht zu werden.

Ehe sich Jelana versah wurde sie unsanft am Arm hochgezogen.

„Aua, was soll das?“ schnauzte sie ihn nun doch an. Egal was sie getan hatte – sowas musste sie sich jawohl nicht gefallen lassen.

Tea und Tristan wollten ihr helfen, doch obwohl er auch Sayu am Arm hielt, hielt er die zwei davon ab. Wie machte er das? Vor allem: Wo war sein Herz geblieben.

„Ihr Gören könnt euch auf was gefasst machen!“ knurrte er. Hatte er gerade auch schon so wütend ausgesehen?

Er zog die beiden Mädchen hinter sich her. Die Treppen hinunter in Richtung Ausgang.

„Ich kann sie ja verstehen wenn sie uns rauswerfen wollen, aber lassen sie uns doch los sie tun mir weh!“ meckerte Jelana weiter. Sayu war im Gegensatz zu ihr sehr still geworden.

Beide mussten sehr darauf achten, dass sie bei dem schnellen Schritttempo, welches der Kerl mit den viel zu langen Beinen zustande brachte, nicht stolperten.

Jelana spürte wie sich der Griff um ihren Oberarm festigte und als er wutendbrannt um eine Ecke ging wurde sie einfach mitgeschleudert.

Das blieb nicht unbemerkt, denn sie knallte mit voller Wucht gegen eine der Wände.

Gerade wollte sie wieder voll loslegen, als erneut diese Stimme ertönte. In diesem Moment fand sie diese Stimme wundervoll.

„Was treibst du da?“ fragte sie. Jelana stellte sie wieder so gerade wie es ging hin und genoss die kurze Zeit in der sich der Griff des Gorillas neben ihr lockerte.

Doch als dieser Kaiba erblickte griff er prompt wieder fester zu. Jelana konnte sich ein leises stöhnen nicht verkneifen. Man hatte der Hände. Nein. Pranken.

„Ich schaffe diese Störenfriede raus. So wie es mein Job ist.“ entgegnete er.

War das sein Ernst? Vorher hatte er seinen Job doch auch nicht so ernst genommen.

„Hättest du deinen Job vernünftig gemacht hätten wir den Schlamassel gar nicht erst!“

Wow. Man glaubt es kaum, aber seine Stimme konnte wirklich noch kühler werden.

„Ich denke es ist das Beste wenn ich mich darum kümmere.“ sagte er und kam nun auf die Drei zu.

Für einen Moment blieb Jelana das Herz stehen. Sie musste zugeben, dass der Auftritt schon cool war.

„Achja. Bevor ich es vergesse. Du bist gefeuert!“

Uff. Das war der Eiszapfen ins Herz, dass sah man in den Augen des Gorillas.

„Was? Das! Das können Sie nicht...“

„Oh, doch wie du siehst kann ich und ich rate Dir dich schleunigst zu verziehen.“

Der Blick des Mannes sprach Bände. Mit einem Ruck ließ er Sayu und Jelana los und unweigerlich musste sie sich an den schmerzenden Arm fassen.

„Glaub mir Kaiba. Das wirst du büßen.“ rief der Kerl und drehte sich um. Doch bevor er sich endgültig vom Acker machte fügte er noch etwas hinzu, was Jelana eiskalt den Rücken hinunter lief.

„Ihr zwei Auch. Macht euch auf was gefasst!“

Sayu und Jelana blickten sich an. Nun war ihnen gar nicht mehr zu lachen zu mute.

Eigentlich wollte Jelana sich bedanken. Er war zwar ein Mistkerl, aber das hier rechnete sie ihm hoch an, auch wenn er es wahrscheinlich weniger für sie sondern mehr für die Sicherheit in seinen Gebäuden getan hatte.

Natürlich machte ihr das Leben mal wieder einen Strich durch die Rechnung.

Bevor sie den Mund aufmachen konnte drängten sich Tea und Tristan an Kaiba vorbei und stürmten auf sie zu, dicht gefolgt von Joey und Yugi die offenbar fertig mit ihrem Duell waren.

Sofort wurden sie mit Fragen bombadiert die sie gar nicht alle beantworten konnten.

Sollte Sayu das doch erledigen. Jetzt wollte sie sich einfach mal bedanken. Irgendjemand musste ja den Anfang machen, sonst würden sie sich bis zum Abschluss bekriegen.

Doch als sie an Joey vorbei schritt, war Kaiba schon verschwunden …...

Familienglück ? - Eher eine Katastrophe!

Mit einem lauten Knall stieß er seine Bürotüre zu.

Er war froh, dass er den Stress des Turnieres hinter sich hatte, doch irgendwie konnte er das Geschehene nicht aus seinen Gedanken verbannen.

Zwar war Sonntag, doch er hatte noch genug zu tun. So saß er in seinem großen ledernen Sessel und starrte auf den Bildschirm seines PCs.

Doch so sehr er auch versuchte sich zu konzentrieren, diese Göre ging ihm einfach nicht aus dem Kopf.

Sie kam ihm so bekannt vor.

Er wusste nicht wieso ihm das nicht vorher aufgefallen war, aber dieses Gesicht hatte er schon einmal gesehen.

Mehr als einmal hatte er versucht sich einzureden, dass sie ihm wohl mal irgendwo über den Weg gelaufen war – völlig nebensächlich doch irgendetwas in ihm sprach dagegen.

Stundenlang saß er dort in seinem Büro und tippte ab und zu etwas auf der Tastatur herum, löschte es wieder und fing erneut an.

Und dann fiel ihm plötzlich alles wieder ein …..
 


 

Jelana stellte fünf Teller auf den Tisch und mit jedem Schritt schien ihr Seufzen lauter zu werden.

„Das geht jetzt schon seit Stunden so!“ beschwerte sich Joey, der schon am Tisch saß und ungeduldig aufs Essen wartete.

„Was seufzt du hier so herum? Sag mir nicht, dass dich die Sache von Gestern immer noch so beschäftigt?!“

Jelana war völlig in Gedanken gewesen und zuckte deswegen leicht zusammen, als Joey sie ansprach.

„Ehm. Ach die Sache von gestern... Ich mach mir einfach Sorgen, was wenn der Kerl sich wirklich rächt?“ sagte sie zwar, dachte aber etwas ganz anderes.

Sie glaubte nicht, dass Kaibas Ex Mitarbeiter sich wirklich rächen würde.

Was sie viel mehr beschäftigte war, dass sie sich nicht bei Kaiba hatte bedanken können. Gleichzeitig ärgerte sie sich darüber, dass dieser eingebildete Firmenchef ihr die ganze Zeit im Kopf herum spukte. Ein Teufelskreis.

Sie konnte sich doch noch immer am Montag bedanken. Was war schon dabei gewesen?

Schließlich war es sein Turnier und es war seine Aufgabe darauf zu achten, wie seine Mitarbeiter mit den Gästen umgingen, auch wenn sie genaugenommen ja kein Gast, sondern eher ein Eindringling gewesen war.

„Ach Quatsch. Wenn dann wird der sich eh erstmal Kaiba vorknöpfen und um den ist es ja nicht schade!“ drängte sich Joey breit grinsend in ihre Gedanken.

Jelana wollte gerade etwas antworten, als sie von einem kleinen rundlichen Jungen beinahe umgerannt wurde. „Man, Aki pass doch auf.“ fuhr sie ihn an ohne darüber nachzudenken.

Ihr kleiner Bruder sah sie mit großen Augen an – sie war doch sonst nicht so gereizt. Selbst wenn sie schlechte Laune hatte ging sie nicht so mit anderen um.

Sie schloss für einen Augenblick die Augen, wollte wieder runter kommen.

„T..Tut mir leid.“

Es war nicht mehr als ein Murmeln gewesen und dann war sie einfach in der Küche verschwunden. Wieso musste sie auch immer in solche Situationen rennen? Sie schnappte sich einen Topf mit Kartoffeln und machte sich zurück auf den Weg ins Wohnzimmer, in dem ihre Familie und neuerdings auch Joey, saßen.

Sie blieb kurz im Türrahmen stehen, atmete einmal tief durch und setzte ein Lächeln auf. Darin hatte sie ja genug Übung. Dieses Lächeln, das all ihre negativen Gefühle überspielte, hatte ihr schon oft nervige Fragen erspart. Es war wie eine Mauer die sie schützte. Auf ihr Lächeln war immer verlass.

Also stellte sie mit fröhlicher Miene die Kartoffeln auf den Tisch und setzte sich zwischen ihre Mutter und Joey. Ihr Blick fiel jedoch auf den fünften Teller und verfinsterte sich erneut.

„Wo ist Takumi?“ fragte sie. Ihr Bruder, welcher ein Jahr älter als sie war, saß nicht an seinem Platz – schon wieder.

Der besorgte Blick ihrer Mutter sprach Bände. „Ich weiß nicht. Treibt sich wieder irgendwo herum.“ sagte sie, kurz und knapp. Es sollte wohl gleichgültig klingen, doch sie kannte ihre Mutter gut genug um zu wissen, dass es ihr natürlich nicht egal war wo ihr Sohn sich herumtrieb.

Frau Ito wechselte schnell das Thema.

„Schlag ordentlich zu, Joey, damit aus dir mal was wird.“ sagte sie lächelnd.

Jelana blendete den Rest des Gespräches aus. Es war ihr egal.

Viel wichtiger war ihre neue Sorge, die aber wenigstens Kaiba aus ihrem Kopf verdrängte oder ihn wenigstens ein wenig nach hinten schob.

Wo trieb sich ihr Bruder nur wieder herum?

Es war nicht das erste Mal, dass er einfach nicht nach Haus kam und niemand wusste wo er war.

In letzter Zeit machte er sowieso viel zu viel ärger. Er war zwar schon immer das Sorgenkind in dieser Familie gewesen, doch seid dem Tod ihres Vaters hatte er schon so einiges angestellt, was nicht mehr als böser Jugendstreich durchgehen konnte.

Schlägereien, Vandalismus und ab und an wurde er betrunken von der Polizei nach Hause gebracht.

Jelana hatte nicht wirklich etwas hinunter bekommen, woraufhin Joey auch noch ihre Portion verdrückte. Dabei versuchte er sie aufzumuntern, aber da er ständig etwas im Mund hatte, verstand sie nicht wirklich was er sagte. Da sie ihm jedoch sowieso nicht wirklich zuhörte, war das nicht weiter schlimm.

Sie beschloss ihn nach dem Essen ein Stück nach Haus zu begleiten und anschließend nach ihrem Bruder zu suchen. Das würde ihrer Mutter wohl nicht gefallen, aber das war ihr Momentan egal. Ihr würde es sicherlich noch viel weniger gefallen, wenn er mal wieder mit der Polizei nach Haus kam.

„Danke, Frau Ito. Das Essen war wirklich lecker.“ bedankte sich Joey, als die Beiden im Hausflur standen.

„Kein Problem. Immer wieder gern.“

Jelana wurde ungeduldig und das ging für andere selten gut aus.

„Ja ja. Wie ich sehe versteht ihr euch super und so. Ich bring Joey beim nächsten Mal wieder mit, wenn er mal wieder vergessen hat sich was zu Essen zu kaufen und dann am Sonntag dumm vorm Kühlschrank steht.... also jeden Sonntag.“ fing sie eilig an, „aber wir müssen jetzt los.“ beendete sie ihren etwas zu lang geratenen Satz und zog einfach die Haustür hinter sich zu, nachdem sie Joey unsanft aus der Tür geschoben hatte.

„Man, was hast du es denn so eilig?“ fragte dieser sie verwirrt. Wollte sie ihn so schnell loswerden?

„Ach, ich will noch kurz in der Kneipe vorbeischauen, in der mein Bruder immer rumhängt. Ich glaub er macht wieder eine Dummheit.“

Ihm konnte sie es ja sagen.

„Ok, ich komm mit.“

Jelana machte große Augen.

„Eh. Was? Aber du kennst meinen Bruder nicht mal.“

„Na und? Glaubst du ich lass dich allein im Dunkeln in so ne Kneipe gehen? Es laufen Abends viele komische Gestalten auf den Straßen herum. Außerdem wird es ja mal Zeit, dass ich deinen großen Bruder kennenlerne, wenn ich mich schon bei euch durchfutter.“

Wieder setzte er sein breites Grinsen auf. Er war wohl unermüdlich.

Nachdem er sie ein paar Minuten bearbeitete stimmte sie schließlich zu. Eigentlich hatte er recht. Es war viel zu gefährlich in diesem Viertel Dominos. Andererseits war sie hier groß geworden und kannte das schon...

Sie waren einige Zeit lang schweigend nebeneinander her gegangen und kamen schließlich an der Kneipe an.

Auf dem Bordstein saßen mehrere betrunkene Männer und Frauen.

Wieso trieb ausgerechnet ihr Bruder sich in solchen Gegenden herum?

Jelana ging einen Schritt schneller, schnurstracks auf die Eingangstür zu, als Joey sie plötzlich am Arm festhielt.

„Ich geh vor. Bleib hinter mir.“ sagte er. Diesmal grinste er nicht und seine ernste Miene erschrak sie im ersten Augenblick ein wenig – sie hätte nicht gedacht, dass er solche Blicke drauf hatte.

Sie tat wie ihr befohlen und lief hinter ihm her. Es war sehr eng in der Kneipe, so hielt sie sich hinten an seiner Jacke fest um nicht verloren zu gehen.

Ihre Augen wanderten über das Chaos in diesem Schuppen: Zerbrochene Bierkrüge, kampflustige Männer und freizügige Frauen. Doch was war das?

„Da! Das ist er.“ rief sie aufgebracht.

Da saß ihr Bruder. Im hintersten Teil der Kneipe, auf seinem Schoß eine Frau mit schwarzer Wuschelmähne, die ihrer Meinung nach viel zu alt für ihn war. Sie war ihm sehr nahe und schien ihm ein kleines Tütchen zuzustecken.

Jelana trat aus Joeys Schutz hervor und stürmte an ihm vorbei zu ihrem Bruder.

„Was machst du hier? Bist du bescheuert?“ sie war so aufgebracht, dass sie ihn anschrie.

Joey war mittlerweile wieder hinter sie getreten und versuchte sie zu beruhigen, was gar nicht so leicht war.

„Was war das, was sie dir gerade gegeben hat?“ bohrte sie weiter.

Takumi jedoch machte keine Anstalten ihr eine Antwort zu geben. Er zwinkerte der Frau auf seinem Schoß zu und bedeutete ihr, dass es besser sei wenn sie nun gehen würde.

Sie stand sofort auf und trat an Jelana vorbei, natürlich versäumte sie nicht sie angewidert von oben bis unten zu mustern.

Jelana platzte fast die Hutschnur. Fing er jetzt auch noch an Drogen zu nehmen?

Sie befreite sich aus Joeys Griff und stürzte auf Takumi zu, den sie sofort am Arm packte.

Er stand langsam auf und sah auf sie herab, schließlich war er ein ganzes Stück größer als sie. Seine kurzen schwarzen Haare standen wild in alle Richtungen, was ihn wirklich rowdyhaft aussehen ließ.

„Mein Gott. Was willst du hier? Das ist ja peinlich. Glaubst du echt, ich lass mir von meiner kleinen Schwester nen Vortrag halten?“

Der gelangweilte und gleichgültige Unterton, der in seiner Stimme mitschwang brachte sie fast zum Nervenzusammenbruch.

„Dafür, dass ich die jüngere von uns Beiden bin verhalte ich mich bei weitem Erwachsener als du.“ fauchte sie ihn an.

Doch sie merkte, dass sie damit nicht weiterkam.

Joey, der neben ihr stand um im Notfall eingreifen zu können, sah die Verzweiflung in ihrem Blick, die sich langsam bemerkbar machte.

„Hey, alter. Tu euch Beiden einen Gefallen und komm mit. Das könnt ihr alles zu Hause regeln.“, sagte er ruhig.

Jelana hatte geahnt, dass das ein Fehler war. So baute sich Takumi bedrohlich vor Joey auf und dann donnerte er los:

„Was willst du denn? Wer bist du überhaupt?“

„Das ist ein Freund von mir jetzt komm mit.“ beeilte Jelana sich zu sagen. Sie wollte unter keinen Umständen, dass das hier eskalierte.

Tatsächlich setzte Takuma sich in Bewegung. Nun war er es, der seine kleine Schwester am Arm hielt. Jedoch offenbar nicht um sie zu beschützen, wie Joey es zuvor getan hatte.

Er zog sie unsanft aus der Kneipe, hinter sich einen tobenden Blondschopf, der versuchte ihn von Jelana abzubringen.

Draußen angekommen drückte Takumi Jelana unsanft gegen eine der steinernen Wände.

„Halt dich endlich aus meinem Leben raus. Du hast einfach keine Ahnung.“ knurrte er sie an und drückte sie noch etwas fester gegen die Wand.

Da er ziemlich muskulös war hatte er einen sehr starken Griff und den bekam sie zu spüren.

Er stand ihr direkt gegenüber, erst jetzt bemerkte sie, dass er ganz schön viel Alkohol intus haben musste.

„Du machst uns nur Sorgen. Außerdem...“ er ließ sie nicht zu Ende sprechen und ehe sie sich versah hatte er ihr eine Ohrfeige gegeben.

Jelana war perplex und starrte ihn nur erschrocken an. Wie konnte er? So war er nicht. Er war niemals handgreiflich geworden wenn es um seine Familie ging.

Langsam bildeten sich ein paar Tränen in ihren Augen, als ihr Bruder plötzlich zu Boden gerissen wurde.

Sie fing sich schnell wieder und sah nur, dass Joey auf ihm saß und auf ihn einschlug.

Das war der Moment in dem sie es mit der Panik zu tun bekam – sie wusste, dass Joey verlieren würde. Es würde für ihn sicherlich ziemlich schlecht ausgehen. Sie ignorierte ihre Wange, die noch immer schmerzte und auch das Blut, dass aus ihrer Unterlippe lief und rannte zu den Beiden am Boden liegenden. Verzweifelt versuchte sie die Beiden voneinander loszureißen. Joey war schon ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden, doch auch ihr Bruder hatte eine blutende Nase.

Sie war einfach zu schwach um die Beiden von einander abzubringen. Hier und da bekam sie einen Tritt mit, doch sie ignorierte es. Ihr Bruder und Joey waren im Moment einfach wichtiger.

Nach ein paar Minuten stand sie ratlos und völlig verzweifelt neben den Beiden. Wieso half denn niemand? Es waren genug Leute da und alles was sie taten war einen Kreis um sie zu bilden und die Jungs anzufeuern. Wie sie dieses Viertel hasste, wie sie diese Leute verabscheute.

„Hört endlich auf“ schrie sie, obwohl sie wusste, dass keiner von beiden auf sie achten würde.

Doch ganz plötzlich schien das Blatt sich zu wenden.

Da war sie wieder.

Diese Stimme.

Die Stimme die ihr in der Schule so auf die Nerven gegangen war.

Die Stimme die eigentlich wirklich gut klang.

Die Stimme von der sie niemals gedacht hätte, dass sie sich freuen würde sie zu hören.

Seto Kaibas Stimme.

„Aus dem Weg!“ war das Einzige was er gesagt hatte, doch es klang wie Musik in ihren Ohren. Er würde ihr helfen. Da war sie sich sicher. Sie wusste es einfach.

Jelana drehte sich um und ihre Augen suchten nach ihm und da kam er aus der Menge.

„Was ist hier los?“ fragte er kühl, als er neben ihr stehen blieb. Er sah sie nicht an und ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken.

Im Normalfall hätte sie ihn wohl angeschrien, man sah doch wohl was hier passierte. Doch sie war so unglaublich froh ihn zu sehen, dass ihr schon wieder die Tränen in den Augen standen.

„Sie hören einfach nicht auf mich..“ , erklärte sie verzweifelt und am Ende des Satzes versagte ihre Stimme.

Das schien ihr Gegenüber, dass sie noch immer nicht angesehen hatte nicht zu interessieren.

Mit festen Schritten ging er auf die Beiden, sich prügelnden Jungen zu und mischte sich ein. Mit einem starken Ruck zog er Joey von Takumi weg und hielt diesen am Kragen fest, obwohl er sich mit aller Kraft dagegen sträubte.

Joey war für ihn wohl noch das kleinere Übel. Langsam schien er sogar aufzugeben und diese Chance nutzte Jelana. Sie eilte zu ihn und zog ihn weg.

„Man. Bist du irre?“ ihre Stimme raste drastisch in die Höhe so aufgebracht war sie.

Zu guter Letzt wusste sie natürlich, dass ihr Freund es nur gut gemeint hatte und sie war froh, dass es ihm der Situation entsprechend gut ging. So nahm sie ihn kurzerhand einfach in den Arm und raunte ihm ein „Danke“ ins Ohr.

So schnell wie sie ihn in die Arme geschlossen hatte, ließ sie ihn auch wieder los. Die Menge, die sich seit Seto aufgetaucht war etwas beruhigt hatte tobte wieder.

Erschrocken drehte Jelana sich wieder um. Was war passiert?

Sie sah gerade noch wie ihr Bruder einfach davonrannte. Kaiba machte keine Anstalten ihm hinterher zu laufen, er blieb einfach stehen. Ob mit ihm alles okay war?

Jelana warf Joey noch einen kurzen prüfenden Blick zu, um zu sehen ob auch alles in Ordnung war.

Er hatte einige Blessuren, Kratzer, ein Blaues Auge, aber es schien nichts ernstes zu sein, so konnte sie ihn also für kurze Zeit allein lassen.

Es war schon das zweite Mal gewesen, dass Kaiba sie gerettet hatte und somit war es an der Zeit sich endlich zu bedanken.

Sie stellte sich neben ihren großen dunkelhaarigen Klassenkameraden und fasste ihn vorsichtig am Arm an. Erstmal wollte sie wissen ob alles mit ihm in Ordnung war, doch er zog seinen Arm energisch weg. Sie wollte etwas sagen, doch wurde von ihm unterbrochen. Er war offenbar sehr wütend. Aber wieso?
 

„Denkst du eigentlich niemals nach? Was treibst du dich an solchen Orten herum?“ schnauzte er sie an.

Seine Stimme war noch kühler als sonst, auch wenn man meinen könnte, dass das gar nicht mehr ging, und es war das erste Mal, dass er sie direkt ansah.

Sein Blick wanderte über ihre noch immer leicht blutende Lippe und blieb für einen ganz kurzen Moment an ihren Augen hängen.

„Du solltest dir einen anderen Umgang suchen!“ sagte er, während er einfach an ihr vorbei rauschte und sie stehen ließ.

Erst jetzt bemerkte sie, dass sie die Luft angehalten hatte und schnappte nach Luft.

Was sollte das? Nun hatte sie sich wieder nicht bedanken können und wieso hielt er ihr einen Vortrag?

Sie wurde aus diesem Kerl einfach nicht schlau....

Schicksalsschlag! - oder einfach vom Leben verraten?

Jelana lag auf ihrem Bett und starrte an die Decke. Die Kopfhörer aufgesetzt, jagte sie sich lautstarken Rock durch die Ohren.

Sie hatte keine Lust über das Geschehene nachzudenken und normalerweise half ihr Musik sich abzulenken, doch diesmal schien das nicht zu funktionieren.

Also lief es doch darauf hinaus, dass sie den Tag Revue passieren ließ.

Nachdem Seto einfach verschwunden war hatte Jelana sich wieder Joey zugewandt.

Am liebsten hätte sie ihn ins Krankenhaus gebracht, doch er hatte sich geweigert.

Die paar Kratzer würden ihn schon nicht umbringen, hatte er gesagt.

Sie wollte darauf bestehen ihn wenigstens nach Haus zu begleiten und ihn zu verarzten, doch er wollte nicht.

Jetzt im Nachhinein fiel ihr auf, dass er leicht panisch geworden war. Wollte er sie nicht bei sich haben? Verheimlichte er etwas?

Schon wieder so viele Fragen.

Sie rollte sich auf die Seite und ein lautes Seufzen kam über ihre Lippen.

Ihr Blick war an die Wand gerichtet so bekam sie nicht mit, dass jemand ihr Zimmer betrat, welches tiefschwarz war.

Ihre Gedanken flogen gerade mal wieder zu demjenigen, der ihr schon zum zweiten Mal geholfen hatte, als jemand sie an der Schulter berührte.

Erschrocken fuhr sie hoch und zog sich noch im selben Moment die Kopfhörer vom Kopf.

Ihre Ohren dröhnten. Die Musik war wohl doch etwas laut gewesen.

„Ich bin es nur.“ hörte sie eine klägliche Stimme. Sie brauchte etwas bis sie sie zuordnen konnte.

„Aki?! Was ist los?“ fragte sie etwas verwirrt in die Dunkelheit.

Ihr Blick wanderte zu ihrer Uhr, welche auf dem Nachttisch direkt neben ihrem Bett stand und zwei Uhr Nachts anzeigte.

„Ich kann nicht schlafen“ murmelte ihr kleiner, etwas rundlicher Bruder. „Darf ich hierbleiben?“

Jelana seufzte.

Sie wusste, dass das Verhalten ihres großen Bruders, Aki sehr zu schaffen machte.

Mit einem Ruck schlug sie die Bettdecke zurück und klopfte neben sich auf das Bett. Gut, dass es recht groß war.

Ein Windzug kroch ihr über die Beine und sie war froh, als ihr Bruder sich neben sie ins Bett legte und die Decke über sich warf. Er rutschte nah an sie heran und sie strich ihm sanft über den Kopf.

„Meinst du er kommt heute Nacht noch nach Hause?“ fragte er in die Stille.

Jelana überlegte einen Moment was sie antworten sollte.

„Bestimmt, aber du solltest jetzt lieber schlafen. Du musst schließlich morgen wieder in die Schule“

Sie glaubte nicht daran, dass Takumi noch nach Hause kommen würde, doch sie wollte ihren kleinen Bruder nicht beunruhigen. Es reichte doch wohl, dass sie sich vor Sorge verrückt machte.

Wie es wohl Seto ging? Was hatte er mit ihrem Bruder gemacht? Oder hatte Takumi ihm etwas angetan? Sie konnte sich nicht erinnern ob er verletzt war, zu schnell hatte er sie mit seinen wütenden Blicken durchbohrt und ihr ihre Unfähigkeit an den Kopf geworfen.

Während ihre Gedanken wieder zu kreisen begannen hörte sie wie die Atmung ihres Bruders ruhiger wurde.

Dann war er eingeschlafen.

Sie selbst lag noch stundenlang wach und dachte darüber nach was geschehen war und darüber ob und wie sie sich bei Seto bedanken konnte.

Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte – sie machte sich Sorgen und wollte wissen was mit ihm geschehen war.

Eine Stunde bevor sie aufstehen musste, fiel auch sie schließlich in einen unruhigen Schlaf....
 

Mit dem Schellen der Schulglocke erreichte sie keuchend den Schulhof. Schon wieder zu spät – das gab sicherlich ärger. Aber sie war zu müde um sich darüber Gedanken zu machen.

Eine Stunde Schlaf waren einfach viel zu wenig.

Sie nahm drei Stufen auf einmal als sie die Treppen hinauf rannte, die sie zum Klassenraum führten. Zögerlich klopfte sie an die Tür und öffnete diese einen Spalt.

„Entschuldigung“ murmelte sie. Zu ihrer Überraschung nickte der Lehrer ihr nur kurz zu und bedeutete ihr, dass sie sich schnell setzen sollte.

Was war denn mit dem los? Keine Standpauke? Wow!

Eilig setzte sie sich neben Joey, der ihr zu liebe mit ihrer unfreundlichen Sitznachbarin den Platz getauscht hatte. Offenbar hatte er sich doch verarzten lassen. Vielleicht von seiner Mutter?

An seiner linken Wange klebte ein Pflaster und um den rechten Arm hatte er einen Verband gewickelt.

„Geht's dir gut?“ fragte sie unsicher, da er schon wieder so ein erstes Gesicht machte. Erst jetzt, als er sie direkt ansah, fiel ihr auf, dass er auch ein blaues Auge hatte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass er es gestern auch schon hatte.

Wie auf Knopfdruck erschien in seinem Gesicht ein breites Grinsen. „Joa, alles klar. Und bei Dir? Ist dein Bruder aufgetaucht?“

Jelana runzelte kurz die Stirn. Weil sie sich nicht sicher war ob mit Joey wirklich alles in Ordnung war, schüttelte dann aber langsam den Kopf.

„Ne. Keine Ahnung wo er sich schon wieder rumtreibt.“ raunte sie ihm zu um nicht vom Lehrer erwischt zu werden.

„Ach, der taucht schon wieder auf. Muss sich sicherlich erstmal von der Abreibung erholen.“ sagte er und sein Grinsen reichte fast bis an seine Ohren.

Er schaffte es immer wieder : Obwohl ihr bis vor kurzem noch überhaupt nicht danach zu mute war, musste auch Jelana grinsen.

//Armer Irrer// dachte sie. Sie hatte sich gestern wirklich um ihn gesorgt. Wie konnte er einfach so auf ihren Bruder losgehen? Klar, er wollte sie beschützen, aber ihm hätte sonst was passieren können.

Jelana hatte es die ganze Zeit vermieden nach Seto zu sehen, doch sie konnte einfach nicht mehr anders. Ihr Sitznachbar war gerade sowieso in eine Matheaufgabe vertieft, was sie sehr wunderte – sonst war ihm das Fach doch auch egal!

Ihr Blick wanderte zu seinem Platz. Da saß er. Cool wie immer. Die Aufgaben hatte er sicherlich schon fertig. Sowas machte er doch mit Links. Deswegen saß er sicherlich auch mit verschränkten Armen dort und starrte aus dem Fenster. So konnte sie sein Gesicht nicht sehen, was sie ärgerte. Sie wollte doch wissen, ob er verletzt war. Am Rest seines Körpers waren keinerlei Blessuren zu sehen. Sie schluckte. Das konnte sie durch die Schuluniform natürlich auch gar nicht sehen, aber dafür fiel ihr auf was für einen Körper er doch hatte.

Um Gottes Willen ! Was dachte sie da?

Schnell richtete sie den Blick auf ihr Aufgabenblatt und versuchte die Aufgaben zu lösen.

Letztlich lief es jedoch darauf hinaus, dass sie die Lösungen bei Joey abschrieb. Bei den Gedanken die sie hatte konnte sie sich beim besten Willen nicht auf Mathe konzentrieren, wo sie dieses Fach doch sowieso zur Weißglut brachte.
 

Der Rest des Schultages verging rasend schnell. Das konnte daran liegen, dass wegen irgendeiner Konferenz einige Stunden ausfielen und sie schon früh wieder gehen konnten. Dadurch hatten sie allerdings auch keine sonderlich langen Pausen, was die Chance Seto zu erwischen drastisch verringerte.

Im Unterricht hatte er den Blick immer abgewandt und sie hatte ihn einfach nicht dazu bekommen sie anzusehen und seine Aufmerksamkeit auf sie zu richten.

Niedergeschlagen schleifte sie also ihre Schultasche hinter sich über den Boden, bis Joey ihr die Tasche abnahm. Er war wohl genervt von dem schlurfenden Geräusch, das sie verursacht hatte.

Jelana war das gerade herzlich egal. Genau wie die Blicke ihrer anderen Freunde.

Der Blondschopf hatte ihnen mit ihrer Einwilligung von dem Geschehen des letzten Abends erzählt. Oh, ja und wie! Das war ja seine Chance gewesen zu prahlen wie sehr er sich eingesetzt hatte und ihren Bruder „zu Brei verarbeitet hatte“.

Dass Seto derjenige war der ihm wohl letztlich den Hintern gerettet hatte, kehrte er schön unter den Teppich und kommentierte sein Auftreten nur mit einem „Boah, und dann ist dieser Schnösel aufgetaucht. Der ging mir auf die Nerven. Wäre der nicht gewesen dann hätte Takumi locker aufgegeben.“

Er kannte ihren Bruder schlecht....

Wieder kam ihr ein Seufzen über die Lippen. „Man, zieh doch nicht so ne Schnute!“ knurrte Joey neben ihr und boxte ihr freundschaftlich gegen die Schulter. Irgendwie nervte es ihn wohl, dass sie so eine schlechte Laune hatte.

Schlechte Laune war bei ihr immer sehr heikel. Sein Glück, dass er das noch nicht zu spüren bekommen hatte. Die anderen waren da wohl feinfühliger und kapierten, dass sie sie lieber in Ruhe lassen sollten. Genau das wollte sie auch gerade Joey verklickern, als sich von hinten zwei Arme um sie schlangen und sie ein Stück zurück zogen. Sie kannte das schon, das konnte nur Sayu sein.

Langsam drehte sie sich um, mit einem Blick der wohl jedes kleine Kind zu Tode erschreckt hätte. Der Blick war Sayu bekannt. „Oh, du hast schlechte Laune. Hab ich mir gedacht. Ich hab schon von dem gehört was gestern passiert ist. Es tut mir so leid.“ plapperte sie drauf los.

Jelana dachte schon sie würde gar nicht mehr aufhören zu reden, das war ja grausig! Als Sayu endlich fertig war, rümpfte Jelana die Nase.

„Hm“ machte sie nur. Was sollte sie auch sagen? Sie hatte keine Lust alles tausendmal zu wiederholen.

„Ich geh nach Hause.“ sagte sie noch schnell, damit Sayu gar nicht erst auf die Idee kam weiter zu reden. Mit einem Ruck riss sie Joey ihre Tasche aus der Hand und machte sich stampfend vom Acker.

Erst nach einigen Schritten bemerkte sie, dass sie ja jetzt allein war und sie wusste genau, dass ihre Gedanken wieder verrückt spielen würden.

Sie wollte jetzt verdammt nochmal gerne wissen was mit Seto war. Wütend trat sie gegen eine Mülltonne, die mit einem lauten Rums umkippte, als etwas in ihrem Blickfeld auftauchte.

Es war groß und weiß und hatte Räder – eine Limousine. Na das war ja super. Sie fasste neuen Enthusiasmus und nachdem sie ordnungsgemäß die Mülltonne wieder aufgehoben hatte, eilte sie zu der Limousine. Ihre Freunde waren zum Glück noch auf den Schulhof und der Wagen stand etwas abseits – so würde sicherlich niemand dazwischen funken. Jetzt musste nur noch Seto kommen.

Nachdem sie ein paar Minuten gewartet hatte ging sie nervös vor dem Ungetüm an Auto auf und ab, was anstrengender war als gedacht, da das Ding ja seine Länge hatte. Als sie schließlich den Blick hob um zu sehen ob er seinen Astralhintern mal endlich herbewegte, erblickte sie einen kleinen Jungen. Er durfte in etwa so alt sein wie Aki, war jedoch ein bisschen kleiner. Seine schwarzen Haare standen wild in alle Richtungen und er stand direkt vor ihr und Musterte sie mit kritischem Blick.

Was wollte der kleine?

„Ehm. Kann ich dir weiterhelfen???“ fragte sie unfreundlich, als der Junge keine Anstalten machte etwas zu sagen.

„Ja, kannst du. Ich würde gerne einsteigen!“ sagte er und deutete verlegen auf die Tür der Limousine, die sie versperrte.

Jelana sah erst zur Tür und dann zurück zu dem Jungen, als sie plötzlich einen Lachkrampf bekam.

„Du weißt schon wessen Limo das ist oder, kleiner? Wenn du da einsteigst reißt der Kerl dir sicherlich jedes Haar einzeln raus.“ sagte sie.

Das traute sie Seto tatsächlich zu. Da machte er sicherlich kurzen Prozess.

„Ehm, ja ich weiß wem die Limousine gehört und wieso sollte er mir ...“ er stockte.

„Hey Bruder“ rief er und ein breites Grinsen erhellte sein Gesicht.

Bruder? Stand sie am falschen Auto?

Nein... tat sie nicht.

Als sie dem Blick des kleinen folgte fiel ihr die Kinnlade fast bis auf ihre Füße.

„D...Das ist dein Bruder????“ fragte sie fassungslos.

Seto stand derweil schon neben dem Jungen der behauptete sein kleiner Bruder zu sein.

„Das ist'n Scherz oder? So Kinder verspeist du doch zum Frühstück!“ rutschte es ihr heraus.

Der Blick den er ihr zuwarf war so kühl, dass sie schon kalte Füße bekam.

„Was willst du?“ knurrte er. Er ging auf ihren Spruch gar nicht ein. Sie wusste nicht ob das nun gut oder schlecht war.

Ja, was wollte sie eigentlich? Jelana brauchte einen Augenblick bis sie sich gefangen hatte. Bevor sie jedoch etwas sagte musterte sie ihn von oben bis unten.

„Ich.. ähm. Dir geht es gut oder?“ fragte sie, obwohl das irgendwie total offensichtlich war.

„Blendend! Abgesehen von dem Furunkel, dass vor meinem Auto steht und mir den Weg versperrt kann ich mich nicht beklagen!“

Wow. Da machte man sich Sorgen und bekam sowas um die Ohren geschlagen.

„Ich wollte doch nur wissen ob alles ok ist. Ich hab nicht mitbekommen, was gestern passiert ist. Ob mein Bruder dir was getan hat....“ sagte sie. Schnell fiel ihr auf, wie kläglich das klang. „...oder ob du ihm was getan hast.“ fügte sie deswegen schnell hinzu.

„Keine Sorge wir leben Beide noch. War es das jetzt?“

Der Kerl war ja mal wieder super gelaunt. Sie hielt kurz inne und sah ihn dann an. Schnell senkte sie den Blick jedoch wieder. Sie konnte ihm einfach nicht in die Augen sehen. Dabei waren sie eigentlich wunderschön. Was dachte sie da schon wieder? Einen Eiswürfel fand sie doch auch nicht schön oder??? Aber der war auch nicht so blau....

„Weißt du wo er ist?“ Diese Frage kam nur leise über ihre Lippen und sie hoffte, dass er eine Antwort darauf hatte, doch woher sollte ausgerechnet er das wissen?

„Nein. Wieso sollte ich? Sie mal selbst zu, wie du deine komischen Freunde und deine Familienmitglieder zusammenhältst.“

Eigentlich wollte sie schlagfertig antworten, doch ihr fiel einfach nichts ein, zu groß war die Enttäuschung.

Da sie unschlüssig dastand, schob Seto sie schließlich einfach zu Seite. Sein kleiner Bruder stieg ein und sah das ihm fremde Mädchen etwas verwirrt an. Offensichtlich wusste er nicht was geschehen war.

Gerade wollte Seto ins Auto steigen, als Jelana nach seinem Mantel Griff. Das war nun mal eben das erstbeste gewesen, was sie greifen konnte. Er drehte sich langsam um und durchbohrte sie mit seinem Blick. Bevor er sie jedoch niedermachen konnte sagte sie das, was ihr schon so lange auf der Seele brannte : „Danke“.

Er schien einen klitzekleinen Augenblick inne zu halten. Dann stieg er ohne ein Wort in den Wagen, der beinahe sofort losfuhr.

So stand sie also ganz allein auf dem Bürgersteig und sah ihm nach. Sie schüttelte den Kopf. Jetzt hatte sie das also endlich hinter sich gebracht. Ein Danke musste reiche. Er hatte ja schon alles. Viel mehr konnte sie ihm nicht anbieten. Aber ein Danke war jawohl schon mal ein guter Anfang!

Mit viel Schwung schlug ihr jemand auf den Rücken und sie konnte ein Japsen nicht unterdrücken.

Langsam drehte sie sich um und blickte in zwei schokobraune Augen.

„I.d.i.o.t“ sagte sie ganz langsam.

Joey grinste. „Die anderen sind schon gegangen. Ich dachte ich bin mal so nett und warte auf dich, auch wenn du heute echt schräg drauf bist.“ er zeigte ihr einen Vogel.

Normalerweise hätte sie wohl gegrinst oder ihm Kontra gegeben, aber ihr war nicht danach zu mute. Wieder fiel ihr Blick auf sein blaues Auge.

„Sag mal – wo hast du das denn her?“ fragte sie unsicher, während sie auf sein Auge zeigte.

Sie sah, dass sein breites Grinsen ins Schwanken geriet. Nu ein wenig, doch genug um zu wissen, dass etwas nicht stimmte.

„Tja, das hab ich wohl deinem Bruder zu verdanken.“

Sie dachte nochmal nach. Konnte das sein? Ein blauer Fleck brauchte etwas bis er sichtbar wurde, aber sie war sich sicher, dass er log. Theoretisch wäre es möglich gewesen, aber sie konnte sich nicht helfen, sie kaufte ihm das einfach nicht ab.

„Du kannst alles tun. Wirklich alles. Aber tu mir den Gefallen und lüg mich nicht an!“ sagte sie ruhig, doch man sah ihr an wie ernst sie es meinte. Es gab für sie nichts schlimmeres als angelogen zu werden. Sie selbst hasste Lügen, sie machten doch immer alles kaputt.

„Du bist mein Freund. Ich bin wirklich froh dich zu haben und schimpfe dich wenn du nicht da bist sogar meinen besten Freund.“ , gab sie zu, „Ich merke, dass was nicht stimmt. Wieso sagst du nicht die Wahrheit?“

Schweigen.

Aha, sie hatte also voll ins Schwarze getroffen.

„Ach ist doch egal“ tat der Blondschopf die Sache ab. Er wollte sie doch echt einfach hier stehen lassen.

Jelana machte ihm aber einen Strich durch die Rechnung und lief ihm vor die Füße.

„Man bleib doch mal stehen. Wenn du nicht drüber reden willst kann ich auch nix machen, aber dann lüg wenigstens nicht, ok? Ich will einfach, dass du weißt, dass du mit deinen Problemen zu mir kommen kannst.“ bot sie ihm nochmal an.

Seine Miene, die sich kurz vorher noch verfinstert hatte, erhellte sich wieder ein bisschen.

„Du bist ne Nervensäge!“ sagte er und grinste schief. „Lass uns was Essen gehen, ja?“

Na was auch sonst?!

„Fresssack! Haste wieder vergessen einzukaufen?“

Für ihn war die Sache hier wohl erstmal erledigt. Sie wollte ihn nicht dazu drängen zu erzählen was los war. Er würde schon von allein darüber reden wenn ihm danach war, da war sie sich sicher.

Kichernd, lachend und spielerisch kämpfend machten die Beiden sich also auf den Weg in eine Pizzeria, die ihrem Taschengeld gerecht wurden.
 

Mit vollem Bauch lag Jelana auf der Couch. Es war lustig gewesen mit Joey. Sie hatten wie immer viel gelacht. Jelana hatte versucht ihn mit der hübschen Kellnerin zu verkuppeln, was ihm sichtlich peinlich gewesen war. Die gemeinsamen Stunden hatten Beiden gut getan. Sie war froh, dass sie ihn nun auch in der Öffentlichkeit ihren besten Freund nennen konnte. Er schien nichts dagegen zu haben.

Sie zappte durch das Fernsehprogramm. Kam den Nachmittags nichts Gescheites im Fernsehen? Wenn es nicht um Familienkrisen ging, so ging es um Mord und Totschlag. Da konnte man ja nur verblöden.

Als ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde, schaltete sie also sofort den Fernseher aus und sprang auf. Sie war enttäuscht, dass es Aki war der zu Tür herein kam und nicht Takumi, doch das zeigte sie ihm natürlich nicht.

Lächelnd nahm sie ihn in den Arm.

„Na? Wie war es in der Schule?“ fragte sie ihren kleinen Bruder, sie wollte keine unangenehmen Fragen über Takumi beantworten müssen.

„Voll super“ Der Kleine strahlte. „Ich hab jemand neues kennengelernt. Der ist vooooooll nett. Ich mochte den vorher gar nicht. Ich dachte immer der wäre doof. Aber der ist voll cool.“ sagte er voller Freude. Er war ja richtig begeistert.

„Oh, das ist schön. Wie heißt er denn?“

„Mokuba und Mama hat gesagt, dass er heute zum spielen kommen darf!“ antwortete er, während er wippend vor ihr im Flur stand. Sein Blick fiel auf die Uhr, die über der Küchentür hing.

„Hehe, der muss jeden Moment kommen!“

Er rannte an ihr vorbei in sein Zimmer. So wie es sich anhörte richtete er nochmal alles her für seinen Besucher. Der erste Eindruck ist ja immer sehr bedeutend.

Es klingelte.

Kopfschüttelnd und mit einem Lächeln auf den Lippen ging sie zu Tür.

„Ich mach schon auf. Du hast genau zwei Minuten um alles in Topform zu bringen!“ sagte sie kichernd.

Dann öffnete sie die Tür und als sie sah, wer da die Stufen hinauf stiefelte, traf sie fast der Schlag.

„ICH FASS ES NICHT“

Wie im schlechten Film

So, hier mal ein paar weitere Kapitel. Ich hab ja ein bisschen vorgearbeitet, also werden auch die nächsten recht schnell kommen.

Danke an die Review Schreiber =). Eure Kommentare sind sehr ermutigend :).

Aber genug geredet: Viel Spaß beim lesen :)
 

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„ICH FASS ES NICHT“

Das waren die Worte, die sie Seto Kaiba entgegenschmetterte, als er vor ihrer Wohnungstür stand.

Viel mehr hätte sie wohl auch nicht sagen müssen um ihre momentanen Gedanken und Gefühle auszudrücken.

„Sag mal, machst du das extra?“ fuhr sie ihn an und im selben Augenblick fragte sie sich, ob er wohl vorher gewusst hatte wem er seinen kleinen Bruder anvertraute.

Seine Miene jedenfalls verriet nichts. Gar nichts. Keine Überraschung, keine Aufregung, einfach nichts.

Kühl wie immer musterten seine Augen das Mädchen, welches noch immer kreidebleich und fassungslos in der Tür stand.

„Na, eine nette Begrüßung stelle ich mir anders vor, aber was habe ich auch von DIR erwartet.“ murmelte er und sie hörte deutlich die Belustigung in seiner Stimme.

Jelanas Augen formten sich zu kleinen Schlitzen. Was nahm er sich da heraus?

Sie setzte ein Lächeln auf, dass ungefähr dem unechten und übertrieben Lächeln einer Verkäuferin glich, die ein Parfüm verkaufen sollte, was ihren Würgereiz stark strapazierte.

„Komm doch rein Mokuba. Aki ist in seinem Zimmer, zweite Türe rechts!“

Mokuba nickte, verabschiedete sich kurz von seinem Bruder und verschwand hinter ihr in der Wohnung.

Ein paar Sekundenlang standen Seto und Jelana sich gegenüber ohne etwas zu tun oder zu sagen, dann ging er jedoch plötzlich einen Schritt auf sie zu.

Sie dachte ihr Herz würde stehenbleiben. Was hatte er vor?

Bevor sie in Versuchung kam ihm eine deftige Ohrfeige zu geben verstand sie, dass er in die Wohnung gehen wollte.

In IHRE Wohnung.

Sie schaltete blitzschnell und ehe er sich versah hatte sie die Wohnungstüre so geschlossen, dass nur noch sein Fuß, der zwischen Tür und Rahmen stand diese offen hielt.

„Und wann holst du deinen Bruder wieder ab? Ich meine nur, damit ich mich seelisch darauf vorbereiten kann, dass du hier wieder antanzt.“ knurrte sie.

Strike!

Oder doch nicht?

Seto ließ das alles unbeeindruckt und die Belustigung war noch immer nicht aus seinem Gesicht verschwunden. Was zur Hölle wollte er denn?

Was auch immer er wollte – er bekam es.

Mit einem Handgriff hatte er die Tür wieder geöffnet, die Jelana krampfhaft versucht hatte zuzuhalten, und ehe sie sich versah stand er neben ihr im Flur.

Schnaubend knallte sie die Türe zu. „Ok was willst du hier? Den Babysitter spielen? Glaub mir, dass kann ich schon ganz gut allein!“ fing sie an. Dass er sie offenbar gar nicht beachtete machte sie rasend vor Wut.

Sein Blick flog durch die kleine Wohnung in der sie normalerweise zu viert lebten. Ein Glück, dass ihre Mutter und Jelana am gestrigen Tag noch fleißig geputzt und aufgeräumt hatten, sonst wäre sicherlich ein dummer Spruch gekommen.

Aber was bildete sie sich ein? Irgendeine abwertende Bemerkung würde sowieso fallen, denn er, Mister-Ich-Hab-Alles-Du-Hast-Nichts, war definitiv höheren Lebensstandard gewohnt.

„Seit wann lebst du hier?“ fragte er sie plötzlich. Seine Stimme klang ernst und die Belustigung war komplett verschwunden. Sie runzelte die Stirn.

Noch immer war sie davon überzeugt, dass er sie fertig machen würde.

„Schon immer, wieso?“ fragte sie deswegen unfreundlich.

Er antwortete nicht. Verdammt! Wieso antwortete er nicht? Was war nur mit dem Kerl los? War er nun völlig übergeschnappt?

Sie wollte gerade weiter fragen, als er etwas murmelte. Ganz leise.

„Du erinnerst dich also nicht!“

Das war was sie verstanden hatte. Es ergab aber für sie keinen Sinn. Sicherlich hatte sie sich verhört.

„Was? Was hast du gesagt?“

Als sie ihn eindringlich mustern wollte fiel ihr auf, dass er an ihr vorbei gegangen war und auf die Tür zusteuerte.

„Hey, warte.“ rief sie. Er konnte sie doch jetzt nicht einfach stehen lassen. Wieso stellte er so seltsame Fragen?

Mit den Worten „Ich bin um sieben zurück um Mokuba abzuholen“ verließ er die Wohnung und schloss die Tür hinter sich.

Jelana blieb allein und völlig perplex im Flur zurück.

„Was war das denn für ne Aktion?“ fragte sie sich leise. Jetzt verstand sie wirklich nichts mehr.

Ihre Ratlosigkeit machte sie wütend.

Ihr fiel auf, dass sie in letzter Zeit wirklich oft wütend war. Irgendwann würde sie noch einen Herzinfarkt kriegen wenn das so weiter ging.

Angenervt trat sie gegen den Türrahmen und wollte sich gerade mit viel Schwung auf die Couch werfen, als es erneut klingelte. Hatte er etwas vergessen? Wollte er sie doch aufklären?

Etwas unbeholfen stolperte sie zur Haustüre und öffnete diese. In Gedanken hatte sie sich schon ein paar Sprüche warmgehalten, diesmal wollte sie schlagfertiger sein.

Als sie jedoch sah, dass nicht Seto vor ihr stand stockte ihr der Atem. Vor der Türe stand ihr großer Bruder, rechts von ihm befand sich ein Polizist.

Sie wusste nicht was sie sagen sollte, zu verwirrt war sie. Neben dem Schock, der sie übermannte, spürte sie tiefe Erleichterung, denn nun wusste sie, dass es ihrem großen Bruder gut ging.

„Ist Deine Mutter zu sprechen?“ fragte der Polizist, ein großer Mann mit breiten Schultern.

„Ehm, nein sie ist arbeiten.“ stammelte sie.

„Ich habe ihn unter einer Brücke aufgegabelt und ich dachte es sei besser ihn hier vorbei zu bringen.“

Jelana war verwirrt. Ihr Bruder war 19 und weil er unter einer Brücke herumstreunerte brachte ein Polizist ihn nach Hause? Hatte er vielleicht noch was verbrochen?

Erst jetzt sah sie auf und musterte den Polizisten genauer. Jetzt verstand sie.

„Herr Yamada“ rief sie erleichtert. „Entschuldigen Sie, ich habe sie nicht gleich erkannt. Ich danke Ihnen, dass sie ihn vorbei bringen...Hat... hat er sonst irgendwas angestellt?“

Natürlich, wieso hatte sie ihn nicht sofort erkannt? Vor ihr stand ihr ehemaliger Nachbar. Ihre Mutter und er hatten sich früher oft zum Kaffee trinken getroffen und waren somit eng befreundet.

„Mh. Mit Sicherheit hat er noch was angestellt.“ fing Herr Yamada an, lächelte jedoch dabei.

„Aber da ich ihn dabei nicht erwischt habe, können wir ihm nichts anhaben. Da hat er wohl mal wieder Glück gehabt. Ich hielt es trotzdem für besser ihn nach Hause zu bringen.“

Jelana war den Tränen nahe.

„Dankeschön“ murmelte sie.

Takumi ging wortlos an ihr vorbei, verabschiedete sich nicht von dem Polizisten.

„Glaubst du du kommst mit ihm allein klar?“ fragte der fürsorgliche Bekannte noch einmal und als Jelana das nickend bestätigte verabschiedete er sich.

Sie schloss die Tür und drehte sich langsam um. Zwar war ihr großer Bruder an ihr vorbei gegangen, doch er stand noch im Flur und sah sie nun an. Sie konnte seinen Blick nicht deuten. War das Wut die sich da widerspiegelte? Ihr war als spürte sie den Schlag erneut, den er ihr vor der Kneipe versetzt hatte und sie bekam es ein wenig mit der Angst zu tun. Ob er betrunken war? Er sah besser aus als damals, aber was wenn sie sich täuschte und er irgendwelche Drogen genommen hatte oder so? Sie hatte doch keine Chance gegen ihn. Na super und sowas auch noch, wo ausgerechnet Seto Kaibas Bruder zu Besuch war. Wer wollte sie denn da mal wieder ärgern? Ihr Leben hielt sich wohl für unglaublich witzig.

Mit Schrecken wurde ihr klar, was sie da gerade dachte. Solche Gedanken hatte sie noch nie gehabt, nie haben müssen. Sie versuchte sich zu beruhigen.

„Wo warst du die ganze Zeit?“ fragte sie vorsichtig.

Man hörte ein Klacken und ehe er antworten konnte war Aki in seine Arme gerannt.

„Großer Bruder du bist wieder da“ rief er strahlend. Unmerklich verkrampfte Jelana.

„Werd vernünftig!“, dachte sie, „das ist noch immer dein Bruder. Er wird dir und den Kleinen nichts tun!“

„Bleibst du diesmal? Du gehst nicht mehr weg, oder?“ Aki war außer sich, während Mokuba sich offenbar für ihn freute, denn lächelnd stand er neben ihm.

„Ja, diesmal bleibe ich.“ versicherte er, dabei sah er Jelana in die Augen.

Lügner.

„Komm Aki. Geh mit deinem Freund spielen. Wir spielen später was zusammen, ok?“

Aki nickte, sah sich nochmal um, um sich zu versichern, dass sein großer Bruder wirklich blieb wo er war und ging dann zu seinem Freund.

„Ehm, wollt ihr nicht etwas draußen spielen?“ fragte Jelana schnell. So konnte sie Takumi in Ruhe zur Rede stellen, ohne sich um die Beiden zu sorgen.

„Au, ja“ rief Aki. „Komm Moki, obwohl Herbst ist ist das Wetter ganz gut, das müssen wir ausnutzen!“

Schnell waren die Beiden in ihre Jacken geschlüpft und rannten laut stampfend durch den Flur nach draußen.

Jelana und Takumi blieben schweigend zurück.

„Hast du Angst, dass ich den Beiden was antue oder wieso haste die raus geschickt? Kommst doch sonst nicht auf solche Ideen.“

Sein breites Grinsen jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

„Ehm, quatsch. Wie kommst du denn darauf. Wie Aki schon sagte, er sollte das Wetter aus..“

„Laber keinen Scheiß!“

Jelana zuckte zusammen. Das war nicht ihr Bruder. Ihr Bruder hätte nie so mit ihr geredet. Was war nur los mit ihm?

„Wieso bist du so?“ fragte sie leise, ihre Stimme versagte beinahe.

„Geht dich nix an. Du würdest es sowieso sofort verdrängen, wie du es doch immer so gerne tust, nicht wahr 'Schwesterchen'?“ Sie hörte deutlich den Sarkasmus in seiner Stimme.

„Was?“

„Vergiss es!“ er verschwand in seinem Zimmer und verschloss die Tür.

Wieder stand Jelana verwirrt und allein in dem dunklen Flur. Was war nur heute los?

Sie hätte ihren Bruder gerne weiter gelöchert, doch sie traute sich nicht. Würde er noch mehr solcher Dinge sagen und sie verwirren, würde sie durchdrehen.

Seufzend ließ sie sich auf der Couch nieder. Sie wurde heute einfach nicht aus den Aussagen der Anderen schlau. Ob das an ihr lag?

Ihr Schädel brummte. Bekam sie etwa schon wieder Migräne? Etwas genervt stand sie wieder auf und ging an den Badezimmerschrank in dem sich die Kopfschmerztabletten befanden.

Sie hatte gerade eine geschluckt und wollte das Glas in die Spülmaschine stellen, als das Telefon klingelte.

Wer wollte denn jetzt schon wieder was?

„Hallo?“ brummte sie genervt in den Hörer.

„Ohoh, das hört sich aber nicht gut an.“ ertönte eine ihr bekannte Stimme.

Wer verflucht war das? Sie brauchte etwas bis sie verstand, dass Tea in der Leitung war.

„Oh, hi Tea.“

Jelana überlegte woher Tea ihre Nummer haben konnte. Zwar hatte sie sich gut mit Joey angefreundet, aber zu Tea hatte sie noch keine nähere Bindung aufbauen können. Für sie war es einfach schwer sich mit diesem Mädchen zu unterhalten, obwohl sie sie wirklich mochte.

„Eigentlich wollte ich dich nur fragen, was wir in Mathe aufhaben. Joey hat meinen Zettel verbummelt auf dem die Hausaufgaben standen.“, fing sie an und ohne Jelana eine Gelegenheit zu geben zu antworten fuhr sie fort, „Aber du scheinst echt nicht die beste Laune zu haben. Hast du was dagegen wenn ich vorbeikomme? Dann kann ich mir die Hausaufgaben eben abschreiben und dich vielleicht etwas aufmuntern!“

Jelana dachte einen Augenblick nach. Eigentlich würde sie Tea gerne besser kennenlernen, aber nicht unbedingt jetzt. Was sollte sie denken wenn sie ihrem schlechtgelaunten Bruder über den Weg lief? Ihr war nicht wohl bei der Sache.

„Tea...ich..“

„Ok, bin gleich bei dir. Bis dann!“

Tuuuut

Nein. Das hatte sie jetzt nicht getan?! Das gab eindeutig Minuspunkte!!!!

Jelana war nun endgültig mit den Nerven am Ende. Am liebsten hätte sie sich unter ihrer Decke vergraben oder sich in ihren düsteren Schrank gesetzt. Sie wollte doch nur ein bisschen Ruhe. War das denn so schwer?

Nach etwa zehn minütigem innerlichen Kochen schellte es. Wow sie war schnell. Offenbar wohnte sie in ihrer Nähe.

Jelana öffnete die Tür und schon stand eine strahlende Tea vor ihr.

Am liebsten hätte sie ihr die Hausaufgaben gegeben und sie wieder verscheucht, aber irgendwie konnte sie das nicht, so lief es darauf hinaus, dass Tea sich neben ihr auf dem Sofa niederließ.

Den Zettel mit den Hausaufgaben hatte sie schon in ihre Tasche gesteckt, aus der sie nun ein paar seltsame Sachen holte.

„Ehm, was willst du denn damit?“ fragte Jelana etwas skeptisch, als sie ein paar Cremedosen sah.

„Ich war gerade bei einer Bekannten, die arbeitet in so einem Kosmetikladen und hat mir die gegeben. Sie sagte ich solle das mal dringend ausprobieren. Lass uns das machen, ja?“

Jelana sah sie perplex an. Gesichtsmasken? Für sowas war sie gar nicht zu haben. Das letzte was sie jetzt wollte war eine Schlammpackung in ihrem Gesicht. Das Beautyprogramm konnte sie sich sparen. Aber es schien als würde Tea ein „Nein“ nicht akzeptieren und ehe sich Jelana versah lag sie auf der Couch, während Tea ihr eine grüne Masse auf das Gesicht klatschte.

Jelana versuchte den Geruch dieses Zeugs zu analysieren, doch er war undefinierbar. Was zum Teufel war das? Wieso konnte sie sich nicht durchsetzen? Das hatte doch früher immer ganz gut geklappt?

Tea kicherte.

„Naja, sieht sehr seltsam aus, aber es soll eine total reine Haut machen und entspannend wirken und so wie du aussiehst hast du eine Entspannung dringend nötig!“

Da hatte sie recht. Aber unter Entspannung verstand sie etwas anderes. Entspannt war sie wenn sie auf ihrem Bett lag und sich in voller Lautstärke Musik in die Ohren jagte.

„Machst du das denn wenigstens auch oder bin ich die Einzige die sich hier zum Volldeppen macht?“ fragte Jelana nach einigen Minuten.

Sie hatte die Augen geschlossen aus Angst davor etwas von dem Zeug in diese zu bekommen.

„Naja, so eine kleine Entspannung kann mir auch nicht schaden, aber eigentlich muss ich gleich schon wieder los – ich muss um halb acht zu Hause sein. Beim nächsten mal machen wir es dann aber gemeinsam, ok?“

Jelana wollte gerade antworten, dass es kein nächstes Mal geben würde, weil sie so ein Zeug niemals wieder in ihr Gesicht ließ, als ihr etwas auffiel.

„Ehm. Du warst gerade in zehn Minuten hier. Wieso musst du JETZT schon los wenn du um halb acht zu Hause sein möchtest?“

„Ich bin gerade nicht von zu Haus gekommen, sondern war direkt vorher bei dieser Bekannten in diesem Laden und der ist hier in der Nähe. Ich brauche schon so ne halbe Stunde bis ich zu Hause bin.“

Stumm rechnete Jelana. Und nochmal, nur um ganz sicher zu gehen.

„Du... also … es ist schon so spät???“ fragte sie nun etwas panisch.

„Ehm, fünf vor sieben, wieso?“ Tea war etwas verwundert über ihren Ausbruch.

Jelana dagegen war schon auf den Beinen und ohne zu antworten rannte sie in Richtung Bad.

„Bitte komm zu spät. Bitte komm zu spät. Bitte bitte bitte!!!“ murmelte sie, während sie verzweifelt ein Handtuch suchte. Dabei fiel ihr Blick in den Spiegel und beinahe hätte sie geschrien. Sie sah ja furchtbar aus. Wenn Seto das sah, würde sie niemals mehr in ihrem Leben Ruhe vor ihm haben.

Mist wo waren denn die Handtücher?

„Alle in der Wäsche. MIST!“ rief sie und rannte wieder aus dem Bad um ein sauberes Küchentuch als Notlösung zu holen.

Sie wollte gerade zurück in das sichere Bad stürmen, als es schellte und ehe sie etwas sagen konnte wurde die Türe geöffnet.

War sowas nicht unheimlich unhöflich? Wieso tat Tea sowas?

Mit Schrecken sah sie, dass nicht Tea sondern ihr Bruder die Tür geöffnet hatte.

Na klasse. Kam jetzt noch was?

Gleich stand wahrscheinlich Gozilla in der Tür und half Seto dabei ihren Bruder zu verhauen.

So gemein der Gedanke klingen mochte, aber ihr wäre es lieber gewesen wenn ihr Bruder in seinem Zimmer geblieben wäre.

Sie dachte noch über so einiges nach, als sie bemerkte, dass es schon zu spät war.

Mist.

Da stand er. Mister Gefrierschrank.

„Ach, wie ich sehe ist eure kleine Familie wieder zusammen. Na, was für ein Glück.“ meinte er Sarkastisch, während er in die Wohnung trat.

Er hatte sie noch nicht entdeckt. Jelana nutzte die Chance und hielt sich einfach das Küchentuch vors Gesicht.

Kurz wunderte sie sich, dass ihr Bruder nichts sagte. Offenbar war er grummelnd zurück in sein Zimmer gegangen.

„Hey, Mumie. Ich wäre dir sehr verbunden wenn du mir sagen würdest wo mein Bruder steckt, damit ich schnell wieder gehen kann.“

„Draußen.“ nuschelte sie ins Küchentuch.

„Ich verstehe dich nicht!“ Oh, man. Er wurde ungeduldig.

Wo war Tea wenn man sie brauchte?

Wenn man vom Teufel sprach.

„Eh, oh äh. Seto?!“ kam es nur von ihr. Na klasse nun durfte sie ihr das auch noch erklären.

„Naja, viel Spaß euch noch ich muss jetzt echt los.“

„Was? Nein du kannst mich doch jetzt nicht allein ...“ es gab einen lauten Knall.

Jelana hatte Tea am Pullover zurückziehen wollen, war jedoch gegen den Türrahmen gerannt, schließlich sah sie durch das Küchentuch ja nichts.

Zu allem Überfluss war ihr auch noch das Küchentuch aus der Hand gerutscht.

Sie versuchte sich zu trösten: Wenigstens sah man nicht, dass sie knallrot anlief.

Er schmunzelte. Das hörte sie, sie wagte es aber nicht ihn anzusehen.

„Wehe! Ich sag dir – sagst du ein Wort schneide ich dir höchstpersönlich die Zunge ab!“ knurrte sie. Tea war schon verschwunden. Kameradenschwein!

„Schon gut. Ich habe keine Zeit für deine Alienspielchen. Also, wo ist mein Bruder?“ noch immer hörte sie die Belustigung in seiner Stimme. Gott wie sie das hasste.

„Die spielen draußen! Wenn du ums Haus gehst dann solltest du sie schon sehen. Dann kannste meinen Bruder direkt hoch schicken!“

Er wollte sich gerade wortlos umdrehen, als ihr das vergangene Gespräch einfiel.

„Ehm. Warte mal!“

Tatsächlich blieb er stehen und sah sie fragend an.

Also entweder hatte der Typ eine wirklich gute Selbstbeherrschung oder keinen Sinn für Humor – oder Beides.

Jedenfalls zeigte sein Gesicht keinerlei Regung, obwohl sie noch immer wie ein kleines grünes Monster vor ihm stand.

Beim sprechen bröckelte etwas von diesem ekligen Zeug aus ihrem Gesicht. Na toll!

„Wieso hast du heute Mittag gefragt wie lange ich hier schon lebe und was hast du danach genuschelt?“ fragte sie eilig. Sie wolle dieser peinlichen Situation entgehen und zwar schnell.

Er zögerte etwas. Irgendwie passte das gar nicht zu ihm.

„Höflichkeit. Ich wollte ein Gespräch aufbauen, das ist alles.“ sagte er schließlich und dann ließ er sie erneut einfach stehen.

Langsam kam sie sich vor wie in einem schlechten Film.

Sie verweilte noch etwas im Flur, bevor sie ins Badezimmer ging und sich endlich das grüne Zeug abwusch.

Entspannung was? Davon war keine Spur. Sie konnte nicht entspannt sein, wenn Seto Kaiba in der Nähe war. Das ging einfach nicht. Konnte das überhaupt jemand?

Warum war denn erst Montag? Morgen musste sie in die Schule, ob sie wollte oder nicht und da würde sie sicherlich einiges von ihm zu hören bekommen.

Oh, ja und Tea würde etwas von IHR zu hören bekommen.

Das klang wirklich nach einem vielversprechendem Dienstag....

Freundschaftsdienste - selbstverständlich oder?

Der Wecker klingelte. Genervt warf Jelana ihn gegen die Wand und er verstummte sofort. Noch beinahe im Halbschlaf drehte sie sich auf die andere Seite.

Sie hatte lange gebraucht um überhaupt einzuschlafen, zu sehr hatten sie die gestrigen Ereignisse beschäftigt.

Ihre Mutter war hellauf begeistert gewesen als sie nach Hause kam und Takumi erblickte. Dessen Stimmung war jedoch mehr als auf dem Nullpunkt nachdem Seto aufgekreuzt war – und sie mit grüner, schleimigen Masse im Gesicht erwischt hatte.

Wieso musste auch immer IHR sowas passieren?

Mit einem schweren Seufzer schwang sie sich letztendlich doch aus dem Bett und schlurfte ins Bad um sich fertig zu machen. Am liebsten wäre sie zwar zu Haus geblieben, aber sie hatte ja noch ein Hühnchen mit Tea zu rupfen.

Das war alles ihre Schuld!
 

Als sie sich endlich in ihre Schuluniform bequemt hatte und einen Blick aus dem Fenster warf verschlechterte das ihre Laune rapide: Es regnete. Nein. Es goss aus Kübeln, schüttete aus Eimern....

Ihre Mutter war natürlich schon weg. Na klasse.

Sie durfte also durch den strömenden Regen laufen. Fluchend stand sie noch im Flur. Wo waren nur diese verdammten Regenschirme hin?

Sie spürte einen leichten Schlag auf den Hinterkopf. Verwundert drehte sie sich um.

„Versuchs mal mit dem!“

Takumi drückte ihr mit einem matten Grinsen einen Regenschirm in die Hand und verschwand verschlafen in der Küche.

Wow. Was war in der Nacht passiert? Waren die Mainzelmännchen gekommen und hatten ihren Bruder zurückgebracht und gegen diesen komischen Kerl von gestern ausgetauscht?

Sie stand noch etwas perplex im Flur, bemerkte dann jedoch, dass es schon ziemlich spät war.

„Danke“ rief sie in die Küche und eilte durch den Regen in Richtung Schule.

„Na klasse ich komme sicherlich wieder zu spät!“ murmelte sie und malte sich schon aus, was ihr Lehrer ihr für eine Strafe aufbrummen würde. Er war in letzter Zeit recht nett gewesen, sicherlich hatte er eine Strichliste oder sowas geführt und würde ihr jetzt allerhand verbrochenes unter die Nase reiben – nicht zuletzt die Sache im Biounterricht. Die arme Putzfrau, die den Eimer leeren musste.

Sie dachte gerade über die Tatsache nach, dass sie von Glück reden konnte, dass sie einen Regenschirm hatte, als ein Auto mit vollspeed an ihr vorbeifuhr und durch eine Pfütze fuhr.

Wie hätte es anders sein sollen? Sie bekam natürlich die volle Ladung ab. Dass sie erkannte zu wem dieses Auto gehörte machte ihren Gemütszustand nicht gerade besser.

Der konnte was erleben!

Pitschnass bis auf die Unterwäsche und ganze zehn Minuten zu spät stürmte sie ins Klassenzimmer und zwar ohne zu klopfen.

„Entschuldigung“ grummelte sie in die Richtung des Lehrers, war aber mit den Gedanken schon bei ganz anderen Sachen.

„Tja, ich denke das wird diesmal nicht ohne Konsequenzen an ihnen vorüber gehen, Frau Ito! Morgen nach der sechsten Stunde. Sie werden in der Bibliothek aushelfen.“

Jelana verharrte in ihrer Bewegung.

Nicht aufregen! Sie versuchte sich verzweifelt zu beruhigen. Als hätte der Tag noch nicht beschissen genug angefangen. Mittwoch war doch der einzige Tag an dem sie relativ früh aus der Schule kam. Verdammt!

„Bibliothek?!“ knurrte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Sie musste es wohl so hinnehmen. Die würden schon noch merken was sie davon hatten.

Jelana + Bibliothek = heilloses Chaos. Aber war es je anders?

Wütend stapfte sie zu ihrem Platz. Was? Joey war nicht da? Na klasse. Das würde der schlimmste und langweiligste Tag werden den sie je erlebt hatte. Wieso hatte er nicht Bescheid gesagt?

Darum musste sie sich später kümmern. Jetzt musste sie erstmal darüber nachdenken wen sie zu erst zur Sau machte: Tea oder Seto?

Sie entschied sich für Seto. An dem konnte man sicherlich besser Aggressionen loswerden, ohne dass er anfing zu heulen oder so. Er hatte es verdient. Er war ihr erstes Opfer.

Das hätte er schon im Unterricht zu spüren bekommen, doch er sah sie ja nicht an.

Ihre mit Gift und Galle geladenen Blicke trafen also nur auf seinen Rücken und lösten sich danach in Luft auf.

Erst als es zur Pause schellte bemerkte Jelana, dass sie die ganze Zeit ihren Bleistift in den Tisch gebohrt hatte und dort nun ein Loch zu sehen war.

Mist. Blöde Billigtische! Schnell schob sie ihren Block über den Schaden. Hoffentlich sah das keiner.

„Jetzt begeht der begossene Pudel also auch noch Vandalismus! Einer krimineller als der Andere!“

„Duuuuuu“ knurrte Jelana und ehe er sich versah stand sie schon gefährlich nahe vor ihm.

„Du solltest mal deinen vorlauten Mund halten! Bring deinem Chauffeur erstmal anständiges Fahren bei bevor du an anderen herum erziehst!“ maulte sie ihn an.

Wäre sie tatsächlich ein Pudel gewesen, wäre sie ihn wohl angesprungen und hätte ihn zerfleischt.

„Man, deine Laune ist ja schon wieder so mies“ ertönte eine andere Stimme hinter ihr und die dazugehörige Person packte sie am Arm.

„Verschwende deine Energie doch nicht an ihn!“

Noch immer geladen bis obenhin drehte Jelana sich auf dem Absatz herum.

„Du hast recht. Sonst bleibt für Dich ja nichts mehr übrig!“

Mittlerweile hatten sich schon ein paar Schüler um sie versammelt. Sie sprach wohl lauter als sie es wollte, aber wenn sie einmal wütend war konnte sie an der Lautstärke ihrer Stimme nicht viel ändern.

„Was fällt dir ein mich einfach mit diesem Idioten allein zu lassen? Mit diesem komischen Zeugs im Gesicht, was nicht mal hält was es verspricht. Weißt du wie peinlich das war?“

Ihr fiel auf, dass das was sie hier abzog wahrscheinlich nicht weniger peinlich war.

Einen garstigen Blick bekam Seto noch entgegengeschleudert und bevor er endlich einen dummen Spruch ablassen konnte, war sie schon davon gestapft.

Den Rest des Tages redete sie mit niemandem.

Nicht mit Yugi, der sich in der Mensa besorgt neben sie gesetzt hatte, nicht mit Tea, die sich tausendmal entschuldigte und erst recht nicht mit Seto Kaiba, der ihr hier und da über den Tag verteilt ein paar fiese Sprüche an den Kopf warf.

Sie war froh, als der Unterricht endlich vorbei war und langsam schwand ihre Wut. Als sie schließlich auf dem Weg zum Schauspielkurs war, hatte sie beinahe gute Laune.

Sie hatte Sayu schon längere Zeit nicht mehr gesehen. Mittlerweile hatte diese nämlich einen anderen Freundeskreis neben dem ihrem. Ab und zu schaute sie zwar nochmal vorbei, aber dann begab sie sich wieder zu den anderen. Irgendwie fand Jelana es schade, aber sie war sich sicher, dass das ihrer Freundschaft nicht schaden würde.

Umso mehr freute sie sich natürlich, dass sie ihre Freundin gleich wiedersehen würde denn schließlich hatte diese ja denselben Kurs belegt.

Als sie die Türe zum Silentium jedoch aufstieß sah sie, dass Sayu gar nicht da war.

Etwas enttäuscht ließ sie sich neben einem recht nett wirkendem Mädchen nieder. Vielleicht kam sie ja etwas später.

Nein. Tat sie nicht. Genau wie Joey blieb sie verschollen. Hatten die sich abgesprochen?

Ohne Sayu machte das Schauspielen nur halb so viel Spaß vor allem, weil Jelana erfahren durfte, dass das Mädchen was anfangs neben ihr gesessen hatte gar nicht so nett war wie es schien.

Überhaupt waren hier mehr eingebildete Zicken, die vom großen Auftritt in ihrer Lieblingsseifenoper träumten, als Leute denen wirklich etwas am Schauspielen lag.

Doch nicht nur das war es was Jelana störte. Irgendwas schienen die anderen Mädels gegen sie persönlich zu haben, dabei kannte sie sie doch gar nicht.

Bald schon durfte sie jedoch auch erfahren was es war, was die anderen so störte...
 

„Du bist ein dummes Miststück! Das ist unser Problem“ bekam sie zu hören, als sie nach dem Kurs zu einem der Mädchen ging und fragte, was ihr Problem sei.

Sie kam gar nicht dazu zu fragen, was sie denn verbrochen hatte, zu schnell hatte sich eine Gruppe von Mädchen um sie herum gestellt und ehe sie sich versah war sie ins Mädchenklo gezogen worden.

„Ok! Raus mit der Sprache was läuft da mit Seto Kaiba?“ fragte ein großes Mädchen. Sie war wirklich hübsch, hatte große blonde Locken, die ihr bis zur Hüfte reichten und tiefblaue Augen.

Doch trotz dieses Anblicks brach Jelana in lautes Gelächter aus.

„Was?“ brauchte sie nur heraus. „Was soll da laufen? Er ist ein Idiot!“

„Und deswegen besucht er dich bei dir zu Hause?“

Wow. Hatte die nichts besseres zu tun als Leuten hinterher zu stalken?

„Sein Bruder und mein Bruder sind befreundet das ist alles.“ erklärte sie sachlich.

Offenbar waren alle anderen jedoch nicht erpicht darauf sachlich zu bleiben.

Mit einem lauten Platschen entleerte eine ihrer Mitschülerinnen einen Eimer mit Putzwasser über ihrem Kopf.

Jelana schnappte nach Luft. Das war ja die Höhe.

„Meine Fresse was geht denn mit euch????“ rief sie aufgebracht.

„Du solltest einfach deine Finger von ihm lassen, sonst kannst du was erleben!“

„Sag mal du Schnepfe hast du mir nicht zugehört oder fällst du ins Klischee des dummen Blondchens?* Da läuft nix und da wird auch nichts laufen denn er ist ein Idiot. I-D-I-O-T!“

Wahrscheinlich hätte sie in einer solchen Lage nicht eine so dicke Lippe riskieren sollen – immerhin standen um die acht Mädchen um sie herum, alle größer als sie und offenbar von ihren Trieben und Gelüsten getrieben.

Offenbar hatten alle gerade vor auf sie einzuschlagen, jedenfalls sah es danach aus, als eine ihr bekannte Stimme ertönte.

„Dann macht es dir ja sicherlich nichts aus, wenn ich ihn mir schnappe?!“

Jelana blickte in das Gesicht ihrer Freundin.

„Sayu? Wo warst du? Kommst du nicht zum Theaterunterricht?“

Irgendwie kam ihr der Blick ihrer Freundin ziemlich verändert vor. Nein. Halt!

Es war nicht nur ihr Blick. Ihr ganzes Äußeres war verändert. Seid wann schminkte sie sich so krass? Das passte alles gar nicht zu ihr.

„Weißt du eigentlich war ich immer nur wegen dir im Theaterunterricht. Ich hab darauf keine Lust mehr. Ich bin jetzt im Nähkurs. Deine Zeit verbringst du ja offenbar sowieso lieber mit diesem Looser, Wheeler! Ich habe mittlerweile einfach andere Interessen – eine davon ist Seto Kaiba!“

Jelana sah sie verwirrt an. Irgendwie ergaben diese Worte keinen Sinn.

„Ich rate dir also genau wie die anderen Mädels lieber die Finger von ihm zu lassen. Wer weiß zu was sie so im Stande sind.“

Bei diesem Satz lief es Jelana eiskalt den Rücken hinab.

Sie sagte jedoch nichts, ließ ihre Freundin einfach gehen, gefolgt von den anderen Mädchen, welche ihr noch ein paar verächtliche Blicke zuwarfen.

Offenbar hatte Jelana die Veränderung ihrer Freundin nicht wahrgenommen. Innerhalb von ein paar Tagen hatte sie sich um hundertachtzig Grad gedreht, war offenbar ziemlich beliebt geworden und das obwohl sie von der Domino South kam.

Jelana wusste nicht was sie davon halten sollte. Immerhin hatte sie ihren besten Freund beschimpft. Ob sie wohl eifersüchtig war?

Ihre Gedanken flossen zu Seto – mal wieder.

Ob sie es sich eingestehen wollte oder nicht – sie wusste wieso alle so auf ihn abfuhren. Sie konnte es nachvollziehen, aber übertrieben diese Mädchen nicht etwas?

Jelana versuchte sich gedanklich zu ordnen. Sie würde jetzt Joey besuchen gehen um zu sehen was mit ihm war und dann würde sie nach Hause gehen. So wie sie es vorgehabt hatte. Sayu würde sich sicherlich wieder einkriegen. Sie hatte sich sicherlich nur so verhalten, weil ihre neuen Freundinnen in der Nähe waren. Sicherlich würde sie sich später dafür entschuldigen. Ganz bestimmt.

Jelana stieß die Toilettentüre auf und weil sie das mit so viel Schwung machte, rannte sie direkt in die Arme von irgendwem. Hoffentlich nicht eines von den Mädchen, das konnte sie jetzt gar nicht vertragen.

Sie hob, wiedereinmal total genervt, den Blick und wusste nicht ob sie nun froh war in diese wunderschönen eisblauen Augen zu sehen oder eher nicht.

„Das kannst du meinem Chauffeur jetzt aber nicht in die Schuhe schieben.“ hörte sie seine Stimme belustigt sagen und irgendwie störte es sie gerade gar nicht ganz so sehr wie zuvor.

Wahrscheinlich war sie einfach froh, dass sie jemandem begegnete, der sie nur beschimpfte und sie nicht gleich mit einem Eimer Wasser übergoss oder ihr drohte.

Sie runzelte die Stirn, wusste ausnahmsweise mal nicht was sie sagen sollte. Irgendwie wollte sie nochmal überprüfen was die Mädchen so toll an ihm fanden, es verstehen. So wanderte ihr Blick über seinen Körper und blieb letztendlich erneut an seinen Augen hängen, was ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte.

„I..ich geh jetzt“ nuschelte sie eilig, wandte den Blick aber erst einige Sekunden danach ab und verschwand schließlich.

Was war nur in letzter Zeit los? Es schien als wäre sie Opfer eines tollwütigen Autors geworden, der seinen Frust an ihr ausließ.**

Zu allem Überfluss fiel ihr auf, dass sie nicht wusste wo ihr bester Freund wohnte. Ja, wo gab es denn sowas?

Genervt zog sie ihr Handy aus der Tasche und tat das, was sie eigentlich vermeiden wollte: Sie rief Tea an.

Bevor sie fragte wo Joey wohnte, entschuldigte sie sich jedoch und kam sich dabei ziemlich gedemütigt vor.

„Egal – für Joey!“ redete sie sich gut zu und bald war auch dieses Gespräch vorüber. Tea hatte ihr verziehen, sich selbst ebenfalls entschuldigt und ihr die Adresse gegeben.

Na, vielleicht ging doch nicht alles schief was sie anfing.

Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen. Wobei das auch nichts gemacht hätte – sie war ja sowieso schon klitschnass.

Sie verstand, dass Joey nach der Schule immer so nörgelte, dass er keine Lust hatte nach Hause zu laufen. Er hatte schon ein ziemlich weites Stück zu meistern.

Aber der Schulweg war wohl nicht das Einzige was ihn quengeln ließ. Jelana dachte schon, dass sie in einem schlimmen Viertel lebte, aber das hier war nicht zu toppen.

Es sah schon von außen aus, wie ein Nest in dem Kleinkriminelle ihren Ursprung fanden. Das passte ihrer Meinung nach gar nicht zu Joey.

Naja, vielleicht sah es in seiner Wohnung ja ganz anders aus.

Das Haus an sich passte genau zu den übrigen und es dauerte etwas bis sie schellen konnte, denn der Knopf hing etwas seltsam aus der Wand und verhakte sich ein paar Mal.

Schließlich hatte sie aber auch diese Hürde überwunden.

Sie wartete etwas und schließlich öffnete sich die Tür. Im Hausflur roch es ziemlich streng, was sie die Nase rümpfen ließ.

Wenn sie sich nicht täuschte müsste sich Joeys Wohnung ganz oben befinden. Als sie jedoch den Mann erblickte, der ihr die Tür geöffnet hatte, glaubte sie falsch zu sein. Das konnte doch nicht sein.

Er hatte eine Bierdose in der Hand, war nicht rasiert und auf seinem Unterhemd waren unzählige Flecken zu sehen. Ein strenger Geruch kam Jelana entgegen – er musste wirklich viel getrunken haben.

„Eh. Ich weiß nicht, ob ich hier so richtig bin. Ich wollte zu Joey. Joey Wheeler.“ murmelte sie.

„Was willste denn von dem?“ lallte der Mann vor ihr, während er sich am Bauch kratze.

„Ehm. Wir gehen in eine Klasse ich wollte ihm...die Hausaufgaben bringen!“

Sie hoffte noch immer, dass er sagen würde, dass sie hier falsch war.

Tat er nicht.

„Ach Hausaufgaben. Der Bengel hat was besseres zu tun!“ er rülpste laut und fuhr dann fort „Aber wenne meist dann schwing' dich mal hier rein.“

Vorsichtig trat sie in die Wohnung und war überrascht, dass es recht gemütlich und wohnlich hier aussah, mal abgesehen von den unzähligen Bierdosen, die auf dem Wohnzimmertisch standen.

Eine Tür wurde aufgerissen und ehe sie sich versah hatte der Kerl sie in ein Zimmer geschoben und mit einem „Viel Spaß und seid bloß leise“ die Tür wieder geschlossen.

Etwas verdattert sah Jelana auf das Bett vor ihr. Unter der Decke lag jemand und erst als dieser jemand sich etwas bewegte und ein blonder Schopf hinausragte, machte sich wenigstens etwas Erleichterung in ihr breit.

Leise stellte sie sich neben das Bett und piekte vorsichtig in die Decke. Ein Grummeln war zu hören.

Nochmal piekte sie und endlich wurde die Decke zu Seite geschoben.

Vor ihr saß Joey, nur in einer Boxershort und es dauerte etwas bis er begriff. Die ganze Sache war Jelana wohl peinlicher als ihm, aber trotzdem zog er schnell wieder die Decke zu sich.

„Was machst du denn hier?“ fragte er leicht panisch.

Das interessierte Jelana gerade aber weniger. Neben seinem schlaksigen und vor allem halbnackten Körper hatte sie noch etwas anderes entdeckt:

Sein Körper war übersät mit blauen Flecken.

„Was hat er mit dir gemacht?“

„Nichts Ich...“

„Jetzt ist mir klar woher du das blaue Auge hattest“ unterbrach sie ihn.

Also hatte sie doch Recht gehabt.

„Wieso hast du mir nicht davon erzählt?“

„Wozu? Was willst du denn daran ändern?“

Jelana dachte einen Augenblick nach. Irgendetwas wäre ihr sicherlich eingefallen.

„Du hättest bei uns wohnen können so lange – also ich mein das kannst du immer noch!“ schlug sie vor. Ihre Mutter mochte Joey, was sollte sie dagegen haben?

Langsam ließ sie sich neben ihm auf das Bett nieder. Sie saß jetzt direkt neben ihm und nach kurzem Zögern legte sie ihm einfach tröstend einen Arm um die Schultern.

„Ihr habt schon genug Stress und Platz habt ihr auch nicht. Was wenn Takumi wieder auftaucht?“

„Oh, ehm der ist schon wieder da. Aber der wird dir schon nicht an die Gurgel gehen. Du hast ihn nur auf dem Falschen Fuß erwischt. Platz schaffen wir. Das ist kein Thema und wenn ich auf einem Klappbett oder auf dem Boden schlafen muss!“

Er grinste. Na endlich.

„Du bist bescheuert.“ murmelte er. „Das geht doch nicht. Ich bin damit aufgewachsen. Ich kann damit umgehen...“

„Das sehe ich!“ fiel ihm Jelana wieder ins Wort und deutete dabei auf einen blauen Fleck auf seiner Brust, von der die Decke gerutscht war.

Offenbar wusste er nicht was er darauf antworten sollte.

„Weißt du wenn das mit meinen Noten so weiter geht dann kann ich nen guten Job knicken und es wird dauern bis ich endlich ausziehen kann.“

Achso! Deswegen hatte er sich in der letzten Mathestunde so sehr bemüht.

„Weißt du was? Wir ziehen einfach zusammen!“ Jelana konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.

„Geteilte Miete ist doch viel angenehmer!“

Joey sah sie etwas perplex an. „Ohne guten Job kann ich auch nicht nur die Hälfte bezahlen.“

„Sei doch nicht so pessimistisch! In Mathe hast du doch schon angefangen dich zu bessern. Mach das in den anderen Fächern auch, dann packst du das. Du bist ja nicht blöd oder so.“

Sie tat als würde sie angestrengt nachdenken. „Obwoooohhhl“

Mit einem Grinsen im Gesicht gab er ihr einen leichten Schlag auf den Hinterkopf.

„Autsch. Naja, was ist jetzt? Nimmst du das Angebot an?“

Sie hielt ihm die Hand hin, doch bevor er einschlagen konnte zog sie sie noch einmal weg.

„Das Angebot hat nen Komplettpreis. Inbegriffen ist nicht nur das spätere zusammenziehen, sondern auch das jetzige und sofortige mitkommen um sich bei mir häuslich niederzulassen!“

Joey sah sie etwas zweifelnd an, doch nach einigem Überlegen schlug er endlich ein.

„Na also. Geht doch. Ich helfe dir beim Packen!“

Sie hatte die Worte nicht ganz ausgesprochen da war sie schon aufgesprungen und gemeinsam packten sie seine Tasche.

Die Tasche, die ihn seiner Zukunft ein kleines Stückchen näher brachte.
 

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* Nicht, dass das falsch rüberkommt oder so! Ich habe keine Vorurteile und Jelana auch nicht xD. Das passte gerade nur einfach so schön. Denkt dran ich spreche von einem KLISCHEE ;).
 

** Ach Quaaaaark wie kommt sie denn auf sowas? :D :D :D

Extraschicht

Langsam schlug sie die Augen auf. Ihr Schädel brummte und als sie sich aufsetzte gab sie einen Schmerzenslaut von sich.

Sie hatte beinahe zwei Stunden versucht Joey zu überreden in ihrem Bett zu schlafen um es ihm in der ersten Nacht etwas gemütlich zu machen, doch zu Anfang war er hartnäckig geblieben.

Letztendlich hatte sie das Gefecht doch gewonnen. Gut, dass sie so ein Sturkopf war!

So hatte sie also diese Nacht auf der Couch verbracht und herausgefunden, dass diese ungemütlicher war als sie aussah.

Entnervt sah sie auf die Uhr, welche über dem Türrahmen hing. Viel zu früh um aufzustehen.

Na super.

Schlafen konnte sie aber jetzt auch nicht mehr, also begab sie sich in die Küche und begann schon mal das Frühstück und die Mahlzeiten für die Pausen vorzubereiten.

Joey hatte nie etwas mit in die Schule gebracht und sich entweder durchgefressen, gehungert oder sich mit biegen und brechen etwas gekauft.

Das sollte sich jetzt ändern. Er würde das leckerste und schönste Bento bekommen, was er je gesehen hatte.

Genug Zeit hatte sie ja und schließlich war sogar noch genug Zeit um eine lange gemütliche Dusche zu nehmen und sich etwas zu schminken, was sie sonst eigentlich weniger tat.

Als sie all das erledigt hatte stand auch endlich mal der Blondschopf auf – von ganz allein.

„Wow. Ich hab schon darüber nachgedacht wie ich dich wecken soll und habe abgewogen was wirksamer ist: einen Eimer Wasser über den Kopf schütten oder dich an den Füßen kitzeln.“

Durch den Badezimmerspiegel grinste sie ihn frech an.

„Wie hast du geschlafen?“

„Hm“ machte er nur.

Gespielt böse sah sie ihn an. „Hey ICH hab auf der unbequemen Couch gepennt! Beschwere dich bloß nicht!“

„Jaja“

Wow. Er war ja ein richtiger Morgenmuffel. Noch schlimmer als sie es war.

„Naja. Ich geh mal. Hast das Bad für dich. Da hast du ein Handtuch und äh beeil dich dann kannst du noch was frühstücken!“

Noch immer grinsend verließ sie das Badezimmer.

Während er sich fertig machte setzte sie sich an den Frühstückstisch und trank eine Tasse Cappuccino um wach zu werden.

Noch immer war sie verwundert, dass Joeys Vater nicht hier auf der Matte stand. Als sie aus der Wohnung gegangen waren hatte er im Wohnzimmersessel gesessen und tief und fest geschlafen.

Musste er sich nicht wundern wo sein Sohn sich herumtrieb? Jelana verwarf den Gedanken schnell wieder, als sie sich den Mann in Erinnerung rief. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken.

Armer Joey.

Wie aufs Stichwort kam er in die kleine Küche. Er sah schon viel wacher aus und grinste sogar etwas.

„Kaffee? Cappuccino? Tee? O-Saft?“ fragte Jelana direkt drauf los.

„Mh. O-Saft klingt super.“

Er hatte es noch nicht ganz ausgesprochen da stand schon ein Glas mit Orangensaft vor seiner Nase.

„War die Couch echt so unbequem?“ fragte er als sie schweigend ihr Frühstück beendet hatten.

Es schien als hätte er ein schlechtes Gewissen.

„Ach was. War nicht so schlimm. Aber für diese Nacht sollten wir uns was anderes ausdenken. Ich glaube wir haben noch ein Gästebett im Keller. Das ist echt bequem. Dann würde ich allerdings mit dir in einem Zimmer schlafen, weil das nicht ins Wohnzimmer passt. Ich hoffe das ist ok?“

Er sah sie ungläubig an. Hups? Hatte sie etwas falsches gesagt?

„Solange ich nicht wieder zurück muss passt mir alles und wenn ich in eurem Keller oder in eurer Badewanne schlafen muss! Ich bin dir echt dankbar, dass du mich da weg geholt hast. Aber mache ich wirklich keine Umstände?“

„Ach was. Das war selbstverständlich. Machen das Freunde nicht füreinander?! Der einzige Umstand hier ist Takumi und selbst der hat sich benommen als er sah, dass du hier einziehst. Offenbar hat er sich damals so besoffen, dass er dich gar nicht wiedererkannt hat.“

Sie kicherte. Dann fiel ihr Blick auf die Uhr.

„Oh, wir sollten langsam mal los.“

Eilig hatten sie ihre Sachen gepackt und im Eifer des Gefechts waren sie so schnell an der Schule, dass sie noch ein wenig Zeit hatten.

„Wow. Der Lehrer wird stolz sein wenn er erfährt, dass ich mal ausnahmsweise pünktlich komme. Du hast offenbar einen guten Einfluss auf mich.“, freute Jelana sich als die zwei es sich auf der Schulmauer gemütlich machten um auf die Anderen zu warten.

„Tja, aber vor dem Dienst in der Bibliothek rettet dich das auch nicht.“

„Woah. Erinnere mich doch nicht daran!“

Ihr wurde plötzlich heiß und wieder kalt, als sie sah, dass Sayu das Schulgelände betrat. Allein.

Schnell sah sie sich um und sah, dass offenbar noch keine ihrer Freundinnen da waren.

„Warte mal eben“ raunte sie Joey zu und sprang mit einem Satz von der Mauer.

Es dauerte nicht lange und sie stand direkt vor Sayu.

„Guten Morgen.“ grüßte sie sie wie immer. Sie schien unbeschwert doch innerlich tobte die Angst, dass Sayu sich wirklich so sehr verändert hatte.

Offenbar hatte sie allen Grund dazu diese Angst zu verspüren.

„Was willst du? Hat dir das gestern nicht gereicht? Verdammt das war mein Ernst.“ knurrte sie.

Jelana ließ ihr keine Chance weiterzusprechen.

„Was ist nur los mit dir? Du willst Seto haben? Bitte dann nimm ihn dir. Das sollte unserer Freundschaft nicht im Weg stehen!“

Es entstand eine kurze Pause, dann entstand ein Lächeln auf Sayus Lippen.

„Glaubst du echt es geht darum? Wenn es um ihn geht bist du wirklich keine Konkurrenz. Er steht mehr auf reifere Frauen, das weiß doch jeder und du gehörst ja eindeutig nicht dazu.

Zudem ist er ein echter Schwerenöter. Glaubst du es würde beim Händchenhalten bleiben? Er hatte schon so viele Frauen. Soweit ich weiß hat sich an deiner 'Keuschheit' ja noch nichts geändert. An DIR hat er sicherlich keine Interesse.

Du hast also recht. Daran scheitert unsere Freundschaft nicht.“ sie verschränkte die Arme vor der Brust und ihr anfänglich recht nettes Lächeln verwandelte sich in ein fieses Grinsen.

„Im Gegensatz zu dir bin ich endlich erwachsen geworden. Weißt du ob du es glaubst oder nicht. Dein Bruder war derjenige der mir die Augen geöffnet hat!“

„Takumi? Was hat der denn damit zu tun?“

Jelana sah sich um. Hoffentlich bekam niemand dieses Gespräch mit. Das war ja total peinlich!

„Hmpf. Klär das mit ihm selbst. Letztendlich hat er nur ausgesprochen was ich all die Jahre gedacht und vor allem Gefühlt habe.“

Mit diesem Worten ging sie einfach an Jelana vorbei. Diese blieb einfach mitten im Weg stehen und fühlte sich nun so wie Seto sie gestern genannt hatte: Wie ein begossener Pudel.

Allein zurückgelassen. Versetzt. Nein. Ersetzt. Ausgetauscht und einfach weggeschmissen.

Mit hängendem Kopf machte sie sich zurück auf den Weg zu Joey, der mittlerweile nicht mehr allein auf der Mauer saß und offenbar Tea, Yugi und Tristan die Neuigkeiten über seine Wohnlage berichtete.

Wie sie es immer tat um die anderen nicht zu beunruhigen setzte sie ein Lächeln auf.

„So, da bin ich wieder. Na, Leute? Alles gut bei euch?“

„Oh, auf dich hab ich gewartet.“ kam es von Tea und schon war sie auf sie zugestürmt.

Offenbar ließ man Jelana nicht viel Zeit über den Verlust ihrer Freundin zu trauern.

„Weißt du schon was du auf der Halloweenparty anziehst?“

Jelana sah Tea verwirrt an. Wovon sprach sie?

„Was für eine Party?“

„Achja, du kannst es ja nicht wissen. Die Lehrer werden das wohl wieder erst in der letzten Minute bekanntgeben. Hier auf unserer Schule gibt es jedes Jahr eine riesige Halloweenparty!“

Jelana dachte einen Augenblick nach.

„Ach, wirklich?“, war jedoch das Einzige was sie sagte. Irgendwie interessierte sie eine Party jetzt mal so gar nicht.

Teas Begeisterung ließ allmählich nach.

„Du wirst doch mit uns hingehen oder? Wir gehen schließlich alle hin. Ich werde dir auch bei deinem Kostüm helfen!“

Jelana wollte Tea gerade klarmachen, dass sie von ihr gar keine Hilfe haben wollte, weil sie ja beim letzten Mal gesehen hatte was dabei raus kam, doch dann sah sie in die bittenden Gesichter ihrer anderen Freunde.

Mit einem tiefen und genervten Seufzen stimmte sie zu.
 

Der Unterricht verging am heutigen Tag glücklicherweise recht schnell, was daran liegen konnte, dass er einfach an ihr vorbeizog. Sie hatte im Moment wirklich wichtigere Gedanken als physikalische Formeln oder englische Grammatik.

Nach der letzten Stunde blieb Joey zögerlich neben ihr stehen. Er wollte offenbar gerade vorschlagen ihr zu helfen, als schon ihr Klassenlehrer antrat.

„Vergessen sie es Wheeler. Sie gehen jetzt bitte. Das wird sie gerade noch alleine schaffen.“

Jelana zuckte mit den Achseln und während ihr Lehrer sie mit in die Richtung der Bibliothek zog, bedeutete sie ihm schon mal nach Hause zu gehen.

Doch das bereute sie schnell wieder.

Es gab mehr zu tun als sie es sich je vorgestellt hätte. Was definitiv daran liegen konnte, dass sie noch nie in dieser Bibliothek war.

Um genau zu sein: Sie war riesig.

„Ok. Deine Aufgaben s...“

„AufgabeN?“ unterbrach Jelana ihn sofort empört. Also hatte er doch Strichliste geführt. Mistkerl.

„Ja, Aufgaben! Ich wäre ihnen jetzt sehr verbunden wenn sie mir zuhören würden und vor allem etwas leiser sprechen würden. Wissen sie, ich weiß ja nicht wie ihre Lehrer das an der alten Schule hielten, aber hier haben die Schüler in er Bibliothek ruhig zu sein!“

Oh man. Der Typ war doch echt die Pest.

„Sie werden den Boden kehren und putzen. Dann gehen sie bitte zum Regal 6B und sortieren die Bücher dort. Da herrscht ein heilloses Chaos!“

Jelana rastete fast aus als er ihr die Putzutensilien in die Hand drückte und dann einfach ging.

Mit der Wut die sie im Bauch hatte hätte sie wohl alle acht Mädchen die gestern um sie herum standen mit einem Schlag fertiggemacht.

Grummelnd und mit den Kopfhörern ihres MP3 – Players in den Ohren fing sie an zu fegen und schließlich zu putzen.

Das allein nahm schon zwei Stunden in Anspruch. Sie wollte gar nicht erst das Regal sehen.

Sicherlich hatte der Kerl das allerschlimmste rausgesucht!

Oh, ja! Hatte er.

Angenervt machte sie sich an die Arbeit. Aber wie sollte sie etwas Sortieren von dem sie keinerlei Ahnung hatte?

Sie wusste ja nicht einmal genau von was die Bücher handelten. Das war eindeutig zu hoch für sie. Gerade hatte sie alle Bücher aus dem Regal geräumt an die sie herangekommen war und ein paar so Sortiert wie sie es namentlich für richtig hielt, als sie einen leichten Schlag auf den Hinterkopf spürte. Es tat nicht weh, es fühlte sich eher an wie ein liebevoller Stupser, wie sie ihn ab und zu von Joey oder Takumi bekam.

Vielleicht war ihr neuer Mitbewohner ja zurückgekommen um ihr doch zu helfen.

Langsam drehte Jelana sich um, doch es waren nicht die erwarteten schokobraunen Augen die sie da ansahen. Im Gegenteil. Blau waren sie und wunderschön.

Eilig versuchte sie wieder zurück in die Realität zu finden, doch mit dem Lied, dass sie gerade hörte war das beinahe unmöglich.
 

[…] No one knows what its like

To be the bad man, to be the sad man

Behind blue eyes [...]
 

Was sich wohl hinter seinen blauen Augen versteckte? Ob er so fühlte wie der Sänger dieses Liedes?

Schnell schaltete sie den MP3-Player aus.

„Was machst du hier?“ fragte sie schnell.

„Dich davor bewahren den ganzen Mist nochmal machen zu müssen!“ sagte er mit seiner gewohnt kühlen Stimme.

Obwohl nein. Irgendwie war sie anders. War sie etwas weicher? Vielleicht war es, weil er beinahe flüsterte. Na klar das war es bestimmt. Er wusste ja immerhin wie man sich in einer Bibliothek verhielt. So als Firmenchef kannte man sich da aus. Oder?

Egal. Egal was anders an seiner Stimme war – es ließ ihr Herz schmelzen wie Speiseeis.

„Du kannst das doch nicht nebeneinander stellen. Das Eine hat mit dem Anderen rein gar nichts zu tun!“ verbesserte er sie, während er ein paar der Bücher umstellte.

„Ich hab dich durchschaut. Du verarscht mich, richtig?“ sagte Jelana, doch es hörte sich noch lange nicht so cool an wie es eigentlich sollte.

„Du verzapfst da jetzt irgendeinen Mist und ich hab hinterher den Salat.“

Er fuhr unbeirrt fort und machte erst nach einigen Sekunden eine kurze Pause.

„Ok. Wenn du das lieber allein machen willst. Mir fallen tausend bessere Dinge ein als einem kleinen Gör dabei zu helfen ein Regal mit Dingen einzuräumen, von dem es keine Ahnung hat.“

Er tat als wollte er gehen. Wahrscheinlich tat er nicht nur so, sondern wollte wirklich gehen.

„Nicht. Warte.“ rief Jelana jedoch bevor er ganz weg war. Ihr gefiel es nicht, dass sie ihn um Hilfe bitten musste. Vor allem nicht nach der Sache mit der Gesichtsmaske!

„Ich komm da oben gar nicht ran.“ nuschelte sie. Es war ihr peinlich, aber mit ihren knappen 1,58 Metern hatte sie keine Chance an das oberste Regalbrett zu kommen. Genaugenommen schaffte sie es bis zum dritten – das Regal hatte sechs.

Ohne ein weiteres Wort stellte er sich zurück an den Platz an dem er vorher stand und fing erneut ein die Bücher zu sortieren und in die obersten Regalreihen zu stellen.

Etwas unbeholfen stand sie neben ihm und bemerkte wie sie ihn gebannt beobachtete. Wieder drängte sich Sayus Gesicht in ihre Gedanken und auch was sie gesagt hatte.

Ob er wirklich so war? Ein Schwerenöter? Irgendwie konnte sie sich das nicht so ganz vorstellen, aber vielleicht wollte sie das auch gar nicht.

Als er ihr zwischendurch ein paar Blicke zuwarf, denen sie immer schnell auswich, fing sie an sich unwohl zu fühlen. Sie wollte nicht, dass sie hinterher von ihm was zu hören bekam, weil er ihre Arbeit machte und sie nur dumm herum saß.

Sie ließ sich auf dem Boden nieder und suchte ein paar Bücher heraus mit deren Titel sogar sie etwas anfangen konnte.

Dann fing sie an sie in die unteren Regale einzusortieren. Dabei tat sie was sie in letzter Zeit viel zu oft tat – in Gedanken schwelgen.

So erschrak sie umso mehr, als ein dickes Buch mit einem lauten Knall neben ihr auf den Boden fiel.

Im Normalfall hätte sie ihm irgendwas an den Kopf geschmissen wie:

„Hast du nen Knall?“ oder „Willst du mich umbringen?“, doch sie riss sich zusammen, immerhin hätte sie ohne seine Hilfe noch viel länger in der Schule hocken müssen.

So schluckte sie den Argwohn hinunter und griff nach dem Buch um es ihm zu geben.

Doch sie war zu langsam.

Auch er griff im selben Moment nach dem Buch und so berührten sich ihre Hände. Es kam ihr so vor, als würden sie Beide einen Moment so verweilen, doch sicherlich war das nur Einbildung.

Schnell nahm sie die Hand wieder weg und strich sich verlegen eine Haarsträhne hinter das Ohr nur um mit ihrer Arbeit fortzufahren.

Wie konnte jemand mit so kalten Augen nur so warme Hände haben? Gedanken wie dieser schossen ihr in den Kopf.

Was sollte das? Was war los mit ihr? Wieso dachte sie sowas?

Diese Fragen konnte sie sich nicht mal beantworten, als das Regal endlich voll war.

Sie hatten ca. eine Stunde gebraucht. Wow. Sie wollte nicht darüber nachdenken wie lange sie wohl alleine gebraucht hatte.

„Danke.“ nuschelte sie verlegen. Sie hasste es sich bei ihm zu bedanken.

„Hm.“ machte er nur und dann ging er einfach.

Jelana war etwas verwirrt. Kein dummer Spruch?

Wahrscheinlich war er einfach zu müde oder so.

Wie immer schoss ihr der Gedanke in den Kopf, dass man aus diesem Kerl wohl einfach nicht schlau werden konnte.

Sie brachte das Putzzeug weg, schnappte sich ihre Schultasche und machte sich schließlich auf den Heimweg.

Den ganzen Weg über zerbrach sie sich den Kopf. Wieso hatte er ihr geholfen? Sicherlich war er gar nicht so kühl wie er sich gab. Niemand konnte so sein.

Ein Mechanismus. Ja! Ein Schutzmechanismus, das musste es sein. Seine kühle Art und dieses Talent niemanden an sich heranzulassen. Das war sicherlich genauso ein Schutzmechanismus wie das Lächeln, welches Jelana immer aufsetzte um nicht ihre Trauer, Wut oder Besorgnis erklären zu müssen.

Ihre Mauer war aus dickem massiven Stein. Seine eben aus undurchdringbarem Eis.

Halloween – das Fest des Grauens

„So willst du doch wohl nicht zur Party gehen?!“

Jelana sah Tea verwirrt an. Was war falsch an ihrem Kostüm?

Sie trug ein schwarzes Kleid, welches ihr bis über die Knie reichte und unten etwas zerfranst war.

Auf ihren Haaren, welche sie toupiert und mit rotem Haarspray eingesprüht hatte, thronte ein Hexenhut.

„Was ist so falsch daran?“

„Normalerweise nichts. Aber so kannst du nicht zu der Party gehen. Weißt du.

Es ist zwar eine schulische Veranstaltung, aber es ist unter anderem auch Alkohol erlaubt!“

Was zum Teufel wollte Tea ihr damit sagen?

Offenbar bemerkte sie, dass Jelana nicht verstand.

„Na, die Lehrer sind total locker und man kann anziehen was man will. Ich meine ALLES anziehen was man will. Jeder wird total schick kommen. Du wirst auffallen wie ein bunter Hund wenn du damit kommst. Das ist einfach zu...“, sie suchte nach den passenden Worten.

„zu Halloweenmäßig?!“ kam es nun spöttisch von Jelana.

„Jap. Genau das. Aber sei froh, dass wir noch genug Zeit haben und auch, dass ich vorgesorgt habe!“

Jelana ahnte schreckliches.

„Hier. Das hab ich dir mitgebracht. So kannst du auch als Hexe gehen!“

Sie zog etwas aus ihrer Tasche. Jelana legte den Kopf schief und versuchte den Fetzen zu identifizieren.

Erst als Tea ihn ausbreitete, sah sie, dass es ein Kleid war.

Nein.

Allerhöchstens ein Kleidchen.

„Äh. Das soll ich anziehen?“

„Ja.“

Gut, was hatte sie schon zu verlieren? Hier sah sie darin ja niemand.

Takumi war nicht da und Joey wagte es nicht das Zimmer zu betreten, da er wusste, dass die Mädchen Anprobe hatten.

Also schlüpfte sie in das schwarze Kleid.

„Man, das ist echt buchstäblich 'das kleine Schwarze'.“ bemerkte sie, als sie in den Spiegel sah.

Das Kleid saß hauteng und war ziemlich kurz. Ein Minikleid eben.

„Tea ich weiß nicht. Es ist wirklich sehr kurz.“, sprach sie ihre Bedenken aus.

„Ach was. Du hast die Figur dazu. Du kannst sowas tragen.“

Jelana mustere sich im Spiegel.

Tea hatte recht. Obwohl Jelana nicht ganz so dünn war wie Tea, stand ihr das Kleid wunderbar.

Aber sollte sie sowas wirklich anziehen? Sie war bestimmt nicht prüde, aber mit kurzen Röcken oder Kleidern war sie noch nie zu begeistern gewesen.

„Dazu ziehst du dann die hier an!“

Tea hielt ihr eine knallrote Strumpfhose unter die Nase.

Zu Anfang freute sich Jelana, weil diese ja sicherlich einiges bedecken würde, aber als sie sie aus der Verpackung nahm sah sie, dass sie gar nicht mal ganz so sichtundurchlässig war wie sie anfangs schien.

„Dazu dann noch schwarze Pumps und... ach, ja! Deine Haare werden nicht toupiert. Deine Locken sind viel zu schön und wenn du deine Haare dazu auch noch toupierst siehst du aus wie ein Pudel.“

Pudel. Wieso sprachen alle immer von diesen haarigen Dingern?

Jelana rümpfte die Nase. Sie beschloss Tea einfach zuzustimmen und am nächsten Tag einfach ihr eigenes Kostüm anzuziehen.

Tea würde sie an diesem Samstag erst in der Schule sehen, so hatte sie genug Zeit sich eine Ausrede einfallen zu lassen.

Gesagt getan.
 

Glücklicherweise ging die Party erst um acht Uhr abends los, sodass Jelana noch genug Zeit hatte alles vorzubereiten.

Als sie am Morgen von Joey erfuhr, dass er sich nicht verkleiden wollte, leistete sie ganze Arbeit und überredete ihn schließlich sich von ihr wenigstens ein paar Vampirzähne aufmalen zu lassen.

Sie seufzte. Hach, hatte er es gut in seinem schwarzen Anzug.

Ihm kam keiner mit viel zu kurzen Kleidern.

Schon eine Stunde bevor sie los mussten hatte Jelana ihr Kleid angezogen. Den Rat mit ihren Haaren nahm sie jedoch an: Sie würde sie nicht toupieren.

Sie eilte gerade ins Bad, als es passierte. Mit viel Schwung stolperte sie um die Ecke. Leider bemerkte sie erst, dass sie mit dem Kleid an der Türklinke hängen geblieben war, als es ein lautes Geräusch gab.

„Nein, nein, nein. Nein, bitte nicht!“ fluchte sie.

Das durfte nicht wahr sein. Ihr Kleid war zerrissen und ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie schon reichlich spät dran war.

Es schellte. Das war sicherlich Tristan, der mit den Beiden laufen wollte.

Joey öffnete die Türe, während Jelana in ihr Zimmer stürmte. Offenbar hatte sie keine Wahl – nun MUSSTE sie Teas Kleid anziehen.

Flüche vor sich her grummelnd stieg sie in die rote Strumpfhose und das Kleid. In einer alten Schublade hatte sie noch hängende Ohrringe in Form von Spinnenweben gefunden, die sie sich schnell in die Ohren hängte.

Ihre Lippen hatte sie schon vorher mit rotem Lippenstift verziert und ihre Augen waren rabenschwarz umrandet, was ihre blauen Augen betonte.

Im Großen und Ganzen gefiel ihr schon, was sie im Spiegel sah. Jedoch nicht in Verbindung mit einer Halloweenparty, die in ihrer Schule stattfand.

Indem sie einmal tief einatmete fasste sie etwas Mut und trat schließlich hinaus in den Flur.

Joey und Tristan hatten sich bis gerade noch angeregt unterhalten, doch als sie sie erblickten verstummten Beide.

War das jetzt gut oder schlecht? Etwas fragend sah sie die Beiden an.

„Wow.“ kam es von Joey.

„Du siehst klasse aus.“ murmelte Tristan.

Ok, offenbar gut. Allerdings verfluchte sie schon jetzt die Schuhe, die sie trug.

Sie war echt kein Typ für Absätze, aber sie war verdammt Stolz mal etwas größer zu sein.

Matt lächelnd hakte sie sich bei den Beiden Jungs ein und zusammen machten sie sich auf den Weg zur Schule.

Dort angekommen fand Jelana das Outfit gar nicht mehr so schlimm. Es gab Mädchen, die wesentlich freizügiger herumliefen. Sayu und ihr Gefolge beispielsweise, die ihr auf dem Schulhof kurz über den Weg liefen und sie einfach ignorierten.

Die Party fand in der Aula statt und zum ersten Mal fiel Jelana auf, wie groß sie doch war.

Als sie langsam und sehr graziös die Treppen hinabstieg schweifte ihr Blick umher. Ob Seto auch da war? Sie schüttelte den Kopf. Was sollte denn er auf so einer Veranstaltung?

Es sei denn...

„Sag mal Joey. Ist es eigentlich Pflicht hierher zu kommen?“

„Ja. Also wenn du nicht gewollt hättest hättest du dir sowieso eine gute Ausrede einfallen lassen müssen! Die Lehrer wollen, genau wie an Weihnachten so tun als würden sie sich um das Sozialverhalten ihrer Schüler kümmern. Aber ich wette nach spätestens einer Stunde ist die Hälfte der Lehrer betrunken und die andere Hälfte schon zu Hause.“

„Wow“ Jelana war verstört.

„Aber lästern über die Lehrer meiner Schule. Also ich mein meiner alten Schule!“

Verständnislos schüttelte sie den Kopf, als ihr plötzlich Seto ins Bild lief.

„Tja, mein Lieber. Vor Pflichtveranstaltungen kannst selbst du dich nicht drücken!“ , dachte sie.

Zu ihrer Überraschung bemerkte sie, dass sie irgendwie froh war, dass er auch aufgetaucht war.

Was war nur los mit ihr?

Er hatte sie noch nicht bemerkt, zu viele Mädchen standen um ihn herum, baten ihn wahrscheinlich um einen Tanz.

Mitten im Getümmel stand Sayu, das konnte Jelana von weitem erkennen.

Offensichtlich war Joey ihrem Blick gefolgt.

„Oh, da ist ja Sayu. Sollen wir sie begrüßen?“ fragte er und wartete eigentlich gar keine Antwort ab, sondern zog sie schon ein paar Schritte in ihre Richtung.

„Nein!“

Der Blondschopf sah sie verwirrt an. „Habt ihr Stress?“

Jelana dachte einen Augenblick nach. „Mh. Sagen wir mal, wir kommen momentan nicht so miteinander aus. Menschen leben sich eben auseinander.“

Als wäre es ihr egal zuckte sie mit den Schultern. Sie wollte jetzt nicht darüber reden.

„Lass uns was trinken gehen.“ , lenkte sie schnell vom Thema ab schon bald standen die Beiden am Buffet, welches Gott sei Dank schon eröffnet war. Joey fing natürlich sofort an zu futtern.

Jelana hatte zwar den ganzen Tag über nichts gegessen, aber sie verspürte keinen Hunger, so ließ sie das aus und beschloss einen Schluck Bowle zu trinken.

Eigentlich ja nicht ratsam auf leeren Magen, aber das war ihr einfach egal.

Sie hatte schon länger keinen Alkohol mehr getrunken und sie hatte allen Grund sich zu betrinken.

Dabei hatte sie doch so über Alkohol geflucht, seid ihr Bruder ständig damit in Berührung kam und auch Joeys Vater hatte er nicht gerade gut getan.

Aber das interessierte Joey wohl genauso wenig wie sie, denn auch er nahm sich ein Glas mit Bowle.

Zu allem Überfluss schmeckte sie auch noch fantastisch, was zu einem zweiten und dritten Glas führte.

Irgendwann hörte Jelana auf zu zählen. Sie hatte gute Laune, das war für den Moment das Einzige was zählte.

Seto hatte sie noch immer nicht bemerkt und das störte sie.

Sie wusste nicht, ob das am Alkohol lag, aber auch das war ihr egal. Überhaupt war alles egal.

Ihre Schamgrenze sank und so zog sie Joey hinter sich her auf die kleine Bühne, auf der ein Karaokegerät stand.

Es hatten schon ein paar mutige angefangen zu singen und Jelana wollte da weiter machen, wo sie aufgehört hatten.

So würde Seto sie sicherlich bemerken und endlich von Sayu ablassen, die ihn die ganze Zeit für sich in Anspruch nahm.

Von der Bühne aus sah Jelana, dass Seto wohl wenig Interesse an dem hatte was Sayu ihm so erzählte. Wahrscheinlich wollte er einfach nur nach Hause.

Vielleicht redete sie sich das aber auch nur ein ?!

Dass Joey neben ihr fluchte und panisch versuchte sich zu wehren ignorierte Jelana gekonnt.

Irgendjemand suchte ein Lied aus und Jelana trällerte, zwar etwas schräg, aber immerhin putzmunter los.
 

„Don't touch me please

I cannot stand the way you tease

I love you though you hurt me so

Now I'm going to pack my things and go

Touch me baby, tainted love

Touch me baby, tainted love

Touch me baby, tainted love

Touch me baby, tainted love

Tainted Love

Tainted Love“
 

Tainted love von Marilyn Manson. Ihr kam das Lied erschlagend düster vor.

Aber irgendwie passte es – schließlich war sie ja hier auf einer Halloweenparty.

Mittlerweile brummte auch Joey ab und zu etwas ins Mikro, wenn sie es ihm unter die Nase hielt. Mit einem kurzen Blick ins Publikum bemerkte sie, dass nun auch Seto sie bemerkt hatte.

Irgendwie gab ihr das den Kick. Sie sang kräftiger, wollte ihn beeindrucken, doch als ihr Blick das nächste Mal in seine Richtung kam, war er verschwunden und auch Sayu war nirgends zu sehen.
 

Das Lied fand, zur Enttäuschung des begeisterten Publikums, ein Ende und Jelana tapste kichernd und zugleich tief betrübt die Treppen der Bühne hinunter. Was machte Seto wohl? Bestimmt war Sayu bei ihm.

„Schwerenöter!“ , drängte sich das Wort, welches Sayu so siegessicher ausgesprochen hatte in ihre Gedanken.

Sicherlich hatten die Beiden ihren Spaß.

„Keuschheit“ Pah, der würde sie noch zeigen wer hier keusch war! Was bildete sich Sayu eigentlich ein?

Mittlerweile war ihr ziemlich schwindelig, so war es gar nicht mal so leicht auf den hohen Schuhen die Treppenstufen zu erwischen.

Tatsächlich trat sie daneben und konnte von Glück reden, dass Joey vor ihr gegangen war und sie nun kichernd auffing.

Lachend lag sie halb in seinen Armen und auch der ebenfalls angeheiterte Blondschopf kicherte. Als Jelana sich wieder hinstellen wollte, trafen sich ihre Blicke und irgendwie passierte etwas, was sie in keinster Weise wollte.

Sie drückte einfach ihre Lippen auf seine und entlockte ihm einen, für zwei Betrunkene, sehr leidenschaftlichen Kuss.

Kichernd ließ sie von ihm ab und torkelte ein paar Schritte nach hinten. „Huch“ machte sie, drehte sich etwas verwirrt um und rannte direkt in die nächste Person.

„Tschuldigung“ lallte sie und als sie aufsah, sah sie mal wieder in eiskalte blaue Augen.

Eiskalt war wohl wirklich das Wort, was sie am besten beschrieb, denn es schien als wollte er sie mit seinem eisigen Blick töten. Etwas erschrocken sah sie ihn an. Sein Blick huschte kurz zu Joey, zurück zu ihr und dann ging er. Ohne etwas zu sagen.

Eigentlich wollte Jelana ihm hinterher gehen. Jetzt wo sie betrunken war, hätte sie eine noch größere Klappe gehabt und ihm am liebsten so einiges an den Kopf geworfen. Vielleicht sogar, dass es sie störte wenn er was mit Sayu unternahm.

Wieso störte sie das eigentlich? Sie redete sich ein, dass es daran lag, dass Sayu ihre beste Freundin gewesen war und der Gefrierschrank einer der Gründe dafür war, dass sie es nun nicht mehr war.

Genau! Sie würde ihn zur Rede stellen. Wie konnte er ihrer Freundin den Kopf verdrehen?

Wütend wollte sie ihm hinterher stapfen, als ihr auffiel, dass ihr schrecklich schlecht war.

Sie konnte doch nicht schon wieder in den nächsten Mülleimer göbeln. Eilig machte sie sich auf den Weg zum nächsten Klo und als sie sich entleert und den Saal wieder betreten hatte, scharrten sich ihre Freunde besorgt um sie. Nur Joey, der mit ihr der Einzige war, der aus ihrer Gruppe betrunken war, lachte sie aus.

„Wir bringen euch besser nach Hause!“ beschloss Tea.

Das war doch mal eine gute Idee von ihr. Sie bekam wieder ein paar Pluspunkte. Das machte dann....50 Minus 25 Plus 5 das waren...

Jelana beschloss erstmal ins Bett zu gehen und dann auszurechnen wie hoch Teas Status nun war.
 

Nach einer geschlagenen Stunde hatten Tea, Yugi und Tristan die Beiden endlich nach Hause geschafft. Dabei hatten sie doch gar nicht so einen langen Weg. Von dem Kuss hatten sie nichts mitbekommen, aber wenigstens Jelana war wohl sicherlich nicht mal mehr im Stande allein aufs Klo zu gehen, weswegen sie überlegten ob sie die Beiden wohl allein lassen konnten.

Beruhigt stellten sie dann aber fest, dass Jelanas Mutter auch da war. Sie wurde durch den Lärm den ihre Tochter veranstaltete nämlich wach und stand nun im Schlafanzug vor den fünf Freunden.

Was dann geschah bekam Jelana nicht mehr mit. Denn nachdem irgendjemand ihr geholfen hatte in ihr Bett zu kommen, schlief sie sofort ein. Vorher zwang sie sich jedoch noch dazu sich zu merken, dass die Kombination Alkohol, Halloween und Seto Kaiba einfach nicht ratsam war!

Verwirrung! Etwas Neues? - Eigentlich nicht!

Sooo, vielen Lieben Dank an meine fleissige Kommischreiberin Yurita :D.

Hier die nächsten Kapitel =3. Viel Spaß beim Lesen ;).
 


 

Kapitel 10 – Verwirrung! Etwas Neues? - Eigentlich nicht!
 

Es war dunkel im Zimmer, lediglich ein dünner Lichtstrahl bahnte sich seinen Weg durch eine kleine Ritze der Jalousie.

Stöhnend wälzte Jelana sich auf die andere Seite um auf den schon leicht demolierten Wecker zu sehen.

Erschrocken stellte sie fest, dass er schon 15 Uhr anzeigte. So lange hatte sie ja noch nie geschlafen.

Schnell wollte sie aufstehen, sie konnte den Sonntag doch nicht einfach verschlafen, doch da spürte sie den dumpfen Kopfschmerz.

Es fühlte sich an als hätte ihr jemand einen Baseballschläger über den Kopf gezogen.

„Autsch“ murmelte sie.

Sie blieb einen Augenblick still sitzen und dachte angestrengt nach.

Gestern waren sie auf der Halloweenparty gewesen. Hatte sie so viel Alkohol getrunken, dass sie nun einen Kater hatte?

Kopfschmerzen hatte sie ja in letzter Zeit des Öfteren, doch diesmal waren sie irgendwie anders.

Erst jetzt bemerkte sie den widerwärtigen Geschmack, der auf ihren Lippen lag.

Nochmal versuchte sie sich daran zu erinnern wie viel sie gestern von der Bowle getrunken hatte, doch nach dem dritten Glas verschwamm ihre Erinnerung.

Sie beschloss die anderen zu fragen, wenn sie wenigstens das richtig in Erinnerung hatte, so war Joey die ganze Zeit bei ihr gewesen.

Apropos Joey.

Ihre Hand wanderte langsam durch die Dunkelheit und als sie ihr Ziel erreicht hatte, fuhr sie langsam über den weichen Untergrund.

Joey war wohl schon aufgestanden, denn die Matratze war leer.

Langsam stand sie auf. Die Schmerzen in ihrem Kopf waren beinahe unerträglich, so stöhnte sie genervt auf.

Leise tapste sie durch die Dunkelheit und als sie die Türe einen Spalt öffnete fiel ihr das strahlende Sonnenlicht ins Gesicht.

Für diese Jahreszeit eigentlich ein schöner Anblick, aber in Anbetracht ihrer Situation war es einfach nur grausam.

Sie kniff die Augen zusammen und stolperte etwas unbeholfen ins Wohnzimmer. Es war nicht zu überhören, dass Joey sich im Wohnzimmer befand.

Sie öffnete die Augen einen kleinen Spalt. Genug um zu sehen, dass Joey mit Aki auf dem Boden saß und Duel Monsters spielte. Offenbar gewann der Blondschopf, denn er grinste über beide Ohren.

Ihre Mutter saß auf der Couch und las ein Buch.

Joey war plötzlich aufgesprungen und führte, laut jubelnd, etwas auf, was wohl ein Freudentänzchen darstellen sollte.

Jelana fasste sich an den Kopf.

„Oh, Gott Joey...bitte nicht so laut.“ grummelte sie.

Erst jetzt war sie den anderen dreien aufgefallen. Zu ihrer Verwunderung kam von Joey überhaupt keine Reaktion.

„Tja, selber Schuld. Das ist die Strafe!“

Das war ihre Mutter. Eigentlich hatte sie genau sowas von Joey erwartet, doch der stand irgendwie seltsam still noch immer mitten im Wohnzimmer.

Sie wollte ihn gerade fragen was denn los war, als ihre Mutter aufstand und neben ihr stehen blieb.

Oh oh, das gab sicherlich ärger.

Wie konnte sie auch so dumm sein und sich so betrinken?

„Ich hätte von Dir wirklich was anderes erwartet! Als hätte dein Bruder mit diesem Teufelszeug nicht schon genug kaputt gemacht!“

Böse funkelte ihre Mutter sie an, dann verschwand sie in der Küche. Ein paar Geräusche waren zu hören, die ihrer Meinung viel zu laut waren.

Dann stand ihre Mutter wieder vor ihr und haute ihr unsanft etwas eiskaltes in den Hand.

Jelana musterte den Beutel mit Eiswürfeln um den ein Geschirrtuch gewickelt war etwas kritisch, legte ihn dann aber einfach mal auf ihren Kopf.

Durch das Geschirrtuch war er nicht zu kalt, eher genau richtig. Es war ein wirklich wohltuendes Gefühl.

Doch das schlechte Gewissen würde im Gegensatz zu ihren Kopfschmerzen wohl nicht verschwinden.

„Es tut mir leid, Mama.“ nuschelte sie. „Ich weiß gar nicht wie das passieren konnte. Sonst bin ich nicht so, das weißt du. Und nach den Kopfschmerzen bin ich mir sicher, dass ich nie wieder Alkohol trinken werde!“

Ein grummelndes Geräusch kam von ihrer Mutter. Offenbar hieß das so viel wie „Wir werden sehen...“ .

Jelana wusste, dass es keinen Sinn machte weiter darauf einzugehen. Also würde sie sich jetzt um Joey kümmern, der die ganze Zeit über ihren Blicken ausgewichen war.

„Joey? Komm mal bitte mit.“ sagte sie bestimmend.

Wie ein kleiner Schoßhund sprang er auf und dackelte sofort an. Bei der Vorstellung, dass er mit dem nicht vorhandenen Schwanz wedelte, musste sie grinsen.

Zusammen gingen sie in die Küche, wo Jelana sich erstmal eine Kopfschmerztablette einwarf.

Dann drehte sie sich zu ihm um, lehnte sich dabei gegen die Spüle.

„Ok, was ist los?“

Er sah sie etwas verlegen an. „Was soll sein?“

„DA! Du hast es schon wieder gemacht!!! Du weichst meinen Blicken aus!“

„Ach quatsch!“

„Doch man!“

Jelana blieb beharrlich. Sie würde ihn nicht gehen lassen bevor er ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte.

„Habe ich gestern etwa irgendwas angestellt? Oh, Gott ich hab mich doch nicht ausgezogen? Ich mein es gab ja nicht viel, was ich hätte ausziehen können, aber...“

Joey unterbrach sie mit einem kurzen Kopfschütteln.

„Naja, ausgezogen hast du dich nicht, aber..“ fing er an, während er sich verlegen am Hinterkopf kratzte.

„Aber...?“

„Ehm. Du kannst dich echt nicht erinnern?“

„Würde ich sonst hier stehen und dir alles aus der Nase ziehen?“

Langsam war Jelana genervt. Konnte er nicht einfach sagen was los war?

Sie wollte ihm gerade eine Standpauke halten, dass er nun endlich mit der Sprache raus rücken sollte, als es klingelte. Natürlich nutzte Joey die Situation aus und eilte mit einem kurzen „Ich geh schon!“ zur Türe.

Na klasse. Seufzend stellte Jelana das benutzte Glas in die Spülmaschine und schlurfte anschließend durch den Flur um zu sehen, wer der eingetroffene Besuch war.

Es waren Tea und Yugi, die sie etwas mitleidig musterten, als sie sie sahen.

„Tach'“ murmelte Jelana, als niemand Anstalten machte etwas zu sagen.

Von hinten sah sie, dass Joey irgendeine Geste machte, die offenbar nur für Tea und Yugi bestimmt war. Jelana zog eine Augenbraue hoch.

Was sollte das? Seit wann hatte er Geheimnisse vor ihr? War sie am gestrigen Tag so schlimm gewesen?

Sie konnte gar nicht damit anfangen sich die schlimmsten Dinge auszumalen, als Tea sie schon am Arm fasste und in ihr Zimmer zog. Die Türe verschloss sie hinter sich.

„Ich wusste, dass Joey das nicht auf die Kette kriegt!“ ärgerte sie sich.

Jelana runzelte die Stirn und ließ sich auf das provisorisch errichtete Gästebett sinken.

„Also wirst du mich jetzt gleich darüber aufklären was ich gestern angestellt habe? Liege ich da richtig?“

Tea nickte.

„Ich sag es kurz und knapp: Du hast Joey geküsst und nun hat er Angst, dass du in ihn verliebt bist, weil er dir dann das Herz brechen müsste...“

Es entstand eine kurze Phase des Schweigens.

Dann brach Jelana in schallendes Gelächter aus.

„Haha, der war gut. Nein im Ernst was ist gestern passiert?“

Sie wischte sich ein paar Tränen aus den Augen und kicherte noch immer.

„Das war mein Ernst!“

Urplötzlich erstarb Jelanas Lachen. „Was?!“

Sie schluckte. „Ach...du...meine....Güte!“ Man sah ihr deutlich an, dass sie nachdachte und es ihr aufgrund der Kopfschmerzen ziemlich schwer fiel einen klaren Gedanken zu fassen.

„Das ist ja mies gelaufen....Aber er muss sich definitiv keine Sorgen machen.“ erklärte sie.

„Ich hab ihn wirklich gern, aber eher so wie einen Bruder. Ich könnte mir beim besten Willen niemals etwas mit ihm vorstellen!“

Man hörte, dass sie es ernst meinte. Aber irgendwie ärgerte sie es, dass Joey nicht mit ihr darüber gesprochen hatte.

„Na, da wird er beruhigt sein!“ sagte Tea und auch sie schien erleichtert zu sein.

„Aber mal unter uns Mädels. Ist da jemand anders im Spiel?“

Sofort schoss Jelana ein Bild in den Kopf.

Ein Bild von einem verdammt gutaussehenden Firmenchef, mit Augen so kühl wie die Antarktis.

„NEIN“ Jelana schrie fast.

„Ehm. Nein. Da ist niemand anders!“ sagte sie schnell.

Sie log nicht. Das glaubte sie zumindest. Sie war doch nicht an einem solchen Schnösel interessiert. Er konnte ihr gleich vierfach den Buckel runter rutschen. Reiner Zufall, dass sie gerade jetzt an ihn denken musste!

„Das klang aber nicht sehr überzeugend.“

Wieso konnte Tea nicht die Klappe halten?!

„Hm. Mal unter uns Mädchen – bist du in Yugi verknallt?“ konterte Jelana. Es war ihr gleich aufgefallen, aber sie hatte einfach keine Lust mit Tea darüber zu sprechen, so gut war sie nun auch noch nicht mit ihr befreundet.

Es hatte sich als sehr klug erwiesen bis dato den Mund zu halten und dieses kleine Detail gegen sie zu verwenden.

Sofort veränderte sich Teas Gesichtsfarbe und ein sattes Rot bedeckte ihre Wangen.

„Ach was. Nein. Wie kommst du darauf?! So ein Quatsch... Komm wir gehen zu den Jungs.“

Blitzschnell war sie aus der Tür getreten und raste zu ihrer Überraschung direkt in den Blondschopf, der direkt im Türrahmen stand und wohl gelauscht hatte.

Mit großen Augen sahen die Beiden sich an und Jelana musste sich ein Lachen verkneifen. Es sah einfach zu komisch aus.

„Naja, ich persönlich habe mir so viele Erklärungen gespart – von mir musst du dir nichts anhören. Aber ich glaube Tea hat jetzt ein Huhn mit dir zu rupfen!“

„Wenn du ihm auch nur einen Ton verrätst dann schwöre ich dir, bei allen Monsterkarten in deinem Deck, dass ich dich fertig machen werde!“ knurrte Tea.

Wow. Diese Seite an Tea war völlig neu für Jelana, aber irgendwie war sie recht amüsant.

Joey kam nicht dazu zu antworten, denn Yugi kam gerade aus dem Bad und gesellte sich zu ihnen.

Ein betretenes Schweigen entstand. Jelana hasste das. Selbst mit rasenden Kopfschmerzen konnte sie sowas nicht ertragen.

„Mh. Ich hab eine neue DVD – sollen wir sie zusammen ansehen? Zu mehr bin ich heute leider nicht fähig!“ murmelte sie deswegen.

Alle waren einverstanden und letztendlich wurde es doch ein recht lustiger und zugleich entspannter Sonntag, vor allem, weil Jelana und Joey ihr kleines Missverständnis aus dem Weg geräumt hatten.

Allerdings war die vergangene Situation Beiden noch immer ein wenig peinlich.
 

Am nächsten Morgen war aber auch diese Peinlichkeit überwunden und alles war beim Alten. Jelana war sehr froh darüber, denn Joey war ihr wirklich wichtig geworden und sie wollte nicht, dass ihre freundschaftliche Beziehung wegen so einer Sache litt.

Die Beiden mussten sich ein wenig beeilen, schafften es jedoch genau mit dem Klingeln der Schulglocke in die Klasse zu stürmen.

Sie setzten sich und erst als Jelana ihre Sachen aus dem Rucksack geholt hatte, die sie für diese Stunde brauchen würde, wanderte ihr Blick langsam zu dem Platz an dem Seto saß.

Wie immer sah er verbohrt zur Tafel und schrieb alles mit, was der Lehrer erzählte. Komisch.

Sie war sich sicher, dass er das sowieso alles konnte, wozu strengte er sich so an?

Wahrscheinlich würde er sich sonst zu Tode langweilen...

Die ersten Stunden vergingen nur schleppend. Jelana hatte am heutigen Tag überhaupt keine Lust auf den Unterricht der sie noch erwarten würde und sie spielte mit dem Gedanken sich krank zu stellen und einfach zu verschwinden.

Joey machte ihr aber einen Strich durch die Rechnung und wies sie darauf hin, dass ihre Mutter schon wütend genug war und wenn sie herausfinden würde, dass Jelana nun auch noch schwänzte, dann wäre ihr Vertrauen komplett missbraucht.

Sie wusste, dass Joey recht hatte, also blieb sie. So saß sie mit langem Gesicht in der Stundenpause mit ihm und den anderen in der Mensa.

Genervt stocherte sie in ihrem Essen herum. Spinat! Welche Schulkantine kam denn bitte auf die bescheuerte Idee ihren Schülern so einen Fraß vorzusetzen?

Wie sie dieses grüne Zeug hasste. Joey schien es da nicht anders zu gehen, doch trotz vielsagender Miene verdrückte er seine und anschließend auch noch ihre Portion.

„Ich hab gegessen du musst wegräumen“ rief er, als er aufgegessen hatte.

Jelana warf ihm giftige Blicke zu. „Du kannst froh sein, dass ich aufs Klo muss, sonst würdest du jetzt auf den Sachen sitzen bleiben und Ärger mit der Putzfrau kriegen. Die ist auf sowas gar nicht gut zu sprechen.“

Während sie ihm die Zunge herausstreckte stellte sie die Tabletts und Teller aufeinander. Sie beschloss die Überbleibsel ihrer anderen Freunde sofort mitzunehmen.

So lief sie ziemlich beladen durch die Mensa, ohne wirklich zu sehen wohin sie trat, da der riesige Stapel auf ihren Armen ihr die Sicht versperrte.

Und natürlich kam es mal wieder so wie es kommen musste.

Sie hatte fasst die Tablettablage erreicht, als sie auf einen Widerstand stieß.

Die obersten Teller kippten nach vorn und beinahe wären ihr alle Tabletts aus den Händen gefallen.

Derjenige, in den sie hinein gerannt war, hatte nun einen großen, grünen Flecken auf seinem weißen T-Shirt.

„Das tut mir so leid“ entschuldigte sie sich sofort und fragte sich mal wieder wie oft sie diesen Satz schon gesagt hatte. Sie sollte eine Strichliste führen.

„Kannst du nicht aufpassen?“ kam es nur eiskalt zurück.

Sie kannte diese Stimme. Natürlich kannte sie diese Stimme, wie sollte es auch anders sein.

Nein, sie rannte nicht irgenwen um. Sie rannte Seto Kaiba um.

„Naja, ICH habe nichts gesehen, aber du hättest locker sehen können, dass ich komme!“

„Du solltest einfach aufhören das Dienstmädchen für deine kleinen Freunde zu spielen, dann belästigst du auch niemanden.“

„Wem ich die Sachen hinterher trage und wem nicht ist meine Sache und wenn DU ein Problem mit Flecken auf dem T-Shirt hast ist dir echt nicht mehr zu helfen. Du solltest der allerletzte sein, der sich über sowas aufregt denn du hast sicherlich ne Haushälterin, die das für dich wäscht. Oder du schmeißt es einfach weg und kaufst ein neues – das wird dir ja wohl kaum weh tun!“

Langsam wurde Jelana richtig wütend. Wieso machte er sie so wütend? Sie konnte einfach nicht in ihn verliebt sein. Das musste sie nicht leugnen, wie sie es doch am gestrigen Tag noch getan hatte. Es war doch so offensichtlich, dass sie ihn nicht leiden konnte.

Wenn da nur nicht diese blauen Augen wären.....

Zu ihrer Überraschen starrten genau diese sie unverblümt an. Er sagte nichts.

Verdammt wieso knallte er ihr nicht irgendwas gemeines an den Kopf?

„Über die Dinge nachzudenken die ich tue und lasse ist wohl für dich ein wenig zu hoch.“

Na also. Geht doch. Jelana wollte gerade etwas erwidern, doch er war noch nicht fertig.

„Du solltest dich zurück auf den Weg zu deinem Schoßhund machen. Er wartet sicherlich darauf, dass du wieder in aller Öffentlichkeit über ihn herfällst!“

In seinem Blick war nun eindeutig zu lesen, dass er verdammt wütend war.

Jelana war ziemlich verdutzt. Sie stand dort, vollgepackt mit Tabletts, ohne sich zu regen.

Was war das für ein Klang in seiner Stimme? Wie sollte sie ihn deuten? War es ein Vorwurf gewesen?

Genauso verwirrt wie sie war sah sie ihn auch an, doch es dauerte nicht lang, da hatte sie sich wieder gefangen.

„Was geht dich das an über wen ich wo und wann herfalle? Meine Sache. Kann dir egal sein.“ sagte sie schnippisch.

Es schien als wollte er etwas sagen, doch er hielt stattdessen inne. Nach kurzem Überlegen rauschte er einfach an ihr vorbei.

Wütend knallte Jelana die Last auf ihren Armen in die Tablettablage.

Was für ein Idiot! Was sollten immer diese dämlichen Aktionen und Anspielungen?!

Wenn das so weiterging würde sie ihm wehtun, das schwor sie. Beim nächsten Mal würde es nicht bei einem Fleck Spinat auf seinem T-Shirt bleiben!

Sie beschloss nicht zu ihren Freunden zurückzukehren. Nicht in diesem Zustand. Das konnte nur Streit geben.

Also setzte sie sich für den Rest der Stunde vor den Raum in dem sie als nächstes Unterricht haben würde und schaffte es nach und nach sich abzureagieren.

Schon längst war ihr aufgefallen, dass niemand sie so schnell auf die Palme brachte wie dieser eine Kerl. Letztendlich wusste sie aber auch, dass er ihr den Rest des Tages im Kopf herumspuken würde und das auch wenn ihr Ärger schon längst verflogen war.

Sie seufzte und legte ihren Kopf auf die Knie, die sie fest an den Körper gezogen hatte. Was war nur los? Er sollte sie einfach in Ruhe lassen.

Sie hatte schon genug Probleme, da brauchte sie nicht noch ein Furunkel im Kopf, dass sie verrückt machte!

Die ganze Zeit über quälten sie solche Gedanken und so war sie heilfroh, als sich nach und nach ihre Mitschüler um sie versammelten und sie, nachdem sie sich bei ihren Freunden dafür entschuldigt hatte nicht zurück gekommen zu sein, endlich vom Unterricht abgelenkt werden würde.

Doch erstens kam es anders und zweitens als sie dachte!

Als ihr Blick – wieder mal – zu seinem Platz wanderte und sie sah, dass er nicht da war, wurde ihr ganz komisch und die Konzentration, die sie eigentlich komplett auf den Unterricht richten wollte schwand dahin.

Stattdessen kreisten ihre Gedanken nur um eine Person.

Wo war er? Wieso war er nicht mehr da?

Am liebsten hätte sie sich selbst geohrfeigt. Was ging sie das an? Das sollte ihr genauso egal sein, wie es ihm egal sein sollte mit wem sie rumknutschte und mit wem nicht!

Wütend rammte sie die Spitze ihres Stiftes in den schon ziemlich demolierten Kunsttisch.

Ob das jemals ein Ende nehmen würde?

Ein Hausbesuch und die Erinnerung

Kapitel 11 – Ein Hausbesuch und die Erinnerung
 

Jelana saß auf der Mauer, die das Schulgelände umrundete und von der Straße trennte. Sie riss den Deckel eines Joghurtbechers ab und schob sich einige Sekunden danach missmutig einen Löffel des Inhalts in den Mund.

Obwohl Stracciatellajoghurt zu ihren absoluten Lieblingsdesserts gehörte, erhellte sich ihre Miene nicht. Natürlich blieb das von ihren Freunden, die um sie herum saßen, nicht unbemerkt.

„Was ziehst du denn für ein Gesicht? Ist irgendwas passiert? Du guckst wie sieben Tage Regenwetter, dabei scheint die Sonne und das im Herbst!“

Jelanas Blick wanderte langsam zu dem Blondschopf, der das gesagt hatte. Wieder einmal setzte sie ein mildes Lächeln auf, obwohl ihr überhaupt nicht danach zu mute war.

„Nix ist los. Alles gut!“

Ihre Freunde beließen es dabei. Mittlerweile wussten sie, dass sie sie besser in Ruhe lassen sollten wenn sie schlechte Laune hatte und obwohl sie es nicht zugab, hatte sie die definitiv.

Den ganzen Tag über schon blies sie Trübsal und ließ niemanden an sich heran.

Nur sie wusste wer der Grund dafür war: Seto Kaiba!

Vier Tage war er schon nicht mehr in der Schule aufgetaucht. Und nun, Freitag, fühlte sie sich, als hätte sie ihn schon Monatelang nicht mehr gesehen.

Das gefiel ihr nicht. Wieso interessierte es sie, dass er nicht da war? Sie hatte doch ihre Ruhe vor ihm gewollt. Nun hatte sie sie!

Langsam aber sicher begann sie damit sich einzugestehen, dass sie den Kerl mehr mochte, als sie es wollte. Aber was wusste sie eigentlich von ihm?

Er war etwas älter als sie und obwohl er eine sehr erfolgreiche Firma leitete, besuchte er noch die Schule. Sie wusste nicht mal wieso. Jeder normale Mensch hätte mit Kusshand die Schule geschmissen.

Es sei denn natürlich man wollte nicht, dass der Kontakt zu anderen Menschen abbrach. Aber er hatte nichts mit den Leuten seiner Schule zu tun. Im Gegenteil, er distanzierte sich und in den Pausen war er wie vom Erdboden verschluckt.

Soweit sie wusste hatte er keine Freunde, legte keinen Wert darauf. Ein Einzelkämpfer eben.

Sie konnte es komischerweise nachvollziehen. Auch sie hatte sich einige Zeit lang von anderen Menschen ferngehalten. Aber konnte man ein ganzes Leben so verbringen?

Sie musste an ihr Treffen in der Bibliothek denken. Er war damals so anders gewesen.

Wieso war er nicht immer so? So konnte man doch mit ihm auskommen.

Er war einfach ein Mensch voller Rätsel und es schien ihr unmöglich auch nur eines von ihnen zu lösen.

Wie so oft in letzter Zeit schwirrten ihr die Worte ihrer ehemaligen besten Freundin in den Ohren herum... War er wirklich jemand, der Mädchen benutzte um seine eigenen Gelüste zu stillen?

Sie wollte sich es nicht vorstellen, aber mittlerweile traute sie ihm alles zu.

Schön. Selbst wenn es so war. Vielleicht war er einfach nur jemand, der zutiefst missverstanden war.

Jelana selbst wusste rein gar nichts aus seiner Vergangenheit, wusste nicht was er erlebt, was sein Leben geprägt hatte. Vielleicht würde sie verstehen wieso er so war, wenn sie nur ein wenig mehr über ihn wusste...

Als sie schließlich, mit den Gedanken bei Seto, im Englischunterricht saß, kam ihr eine Idee.

So tapste sie nach der Stunde, die ihre letzte war, zu ihrem Lehrer, der zufällig auch ihr Klassenlehrer war.

„Entschuldigung. Könnten sie mir vielleicht alle Blätter die wir heute bekommen haben nochmal geben? Ich würde sie gerne Seto vorbei bringen.“ sagte sie.

Ihre Freunde hatte sie unter einem Vorwand schon nach Hause geschickt.

Sie hatte schon damit gerechnet, dass ihr Lehrer sie fertig machen würde, schließlich konnte er sie noch immer nicht leiden, aber zu ihrer Überraschung überreichte er ihr die Blätter mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.

„Viel Glück.“ sagte er kopfschüttelnd und musterte sie dabei, als wüsste er, dass sie keinerlei Chancen hatte auch nur in die Nähe seines Grundstückes zu kommen.

Mistkerl. Am liebsten hätte Jelana ihn angespuckt, aber sie war ja kein Unmensch.

Also ging sie einfach. Sie hatte vergessen ihn zu fragen wo der Eisklotz denn eigentlich wohnte, aber das war jetzt auch egal. Einen berühmten Firmenchef konnte man sicherlich googeln.

Zu Hause angekommen packte sie also ihren Laptop aus und suchte seine Adresse. Das ging noch leichter als gedacht zudem war es ein Glück, dass Joey nicht herein kam und sie störte.

Als sie das Zimmer verließ sah sie, dass er auf der Wohnzimmercouch saß und mit ihrem Bruder Aki Duel Monsters spielte – na was auch sonst?

„Hey ihr zwei. Ich geh nochmal kurz. Hab was zu erledigen. Mum müsste so gegen sechs kommen und Takumi ist auch gleich zurück. Ich werde aber wahrscheinlich wieder da sein bevor Mama da ist.“ sagte sie eilig und bevor Joey fragen konnte wo sie hin wollte, war sie schon aus der Tür gestürmt.

Sie hoffte, dass sie ihn mit Takumi allein lassen konnte. Glücklicherweise hatten sie ihn überreden können eine Therapie zu machen und seid dem hatte er sich verändert. Im guten Sinne.

Joey und er rasselten jedoch trotzdem ständig aneinander.

Sie verdrängte diese Gedanken. Die zwei würden sich schon nicht an die Gurgel gehen und das schon gar nicht während Aki in der Nähe war.

Elegant schwang sie sich auf ihr Fahrrad. Seto wohnte nicht weit entfernt, was sie irgendwie wunderte. Sie dachte er würde am anderen Ende der Stadt im Villenviertel wohnen, umringt von vielen anderen riesigen, für sie unerreichbaren Häusern und Villen.

Was sie stattdessen erwartete, ließ sie staunen.

Plötzlich kam sie sich winzig klein vor, als sie dort vor dem riesigen Tor stand.

Dahinter war ein riesiger Vorgarten zu sehen und dann erschlug sie der Anblick einer wunderschönen Villa. rundherum um das Gebäude war

Langsam kamen ihr Zweifel. Wahrscheinlich würde er sie gar nicht hereinlassen. Zwar stand das Tor zum Grundstück auf, aber sie musste ja auch in die Villa kommen.

Etwas unentschlossen lehnte sie das Fahrrad an die Seite und betrat zögerlich das Grundstück.

Der Weg bis zu dem riesigen Haus, welches sich langsam vor ihr erstreckte kam ihr vor wie eine halbe Ewigkeit.

Obwohl es recht schlicht war mit der weißen Farbe und nur ein paar Verzierungen es schmückten, war es wunderschön.

Als sie die Türe erreicht hatte, holte sie einmal tief Luft. Sollte sie es wirklich wagen?

Was hatte sie zu verlieren?

So nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und drückte die Schelle. Es dauerte nicht lang, als sich die Tür öffnete. Zu ihrer Überraschung stand kein Hausmädchen vor der Tür, sondern Mokuba.

Er schien etwas verwirrt.

„Hallo. Was machst du denn hier?“

„Ehm. Ich..äh. Ist Seto da? Ich wollte ihm die Hausaufgaben bringen.“

„Du hast Glück. Er ist gerade von einer Geschäftsreise zurückgekommen! Aber du kannst mir die Sachen geben, ich reiche sie weiter.“, sagte der kleine schwarzhaarige Junge und streckte schon erwartend die Hand aus.

Soso. Auf einer Geschäftsreise war er also gewesen. Und sie hatte schon gedacht, dass er sterbenskrank im Bett lag...

„Das ist lieb von dir, aber ich gebe ihm die Sachen lieber selbst wenn das möglich ist. Ich muss ihm dazu noch ein paar Dinge erklären.“

Beinahe hätte sie sich selbst ausgelacht. Als ob er Erklärungen von IHR brauchte. Er war Klassenbester und das in allen Fächern. Andersherum ergab das schon mehr Sinn.

Trotz der lächerlichen Ausrede ließ Mokuba sie hinein. Mit einer kurzen Handbewegung bedeutete er ihr ihm zu folgen und schon stürmte er die Marmortreppen hinauf, auf die man sofort zulief, wenn man das Haus betrat.

Jelana brauchte viel länger als er, zu viele Eindrücke musste sie einfangen. Es war einfach Gigantisch und übertraf all ihre Vorstellungen.

Erstaunt sah sie sich um und merkte so auch nicht, das Mokuba stehen geblieben war und rannte blindlings in ihn hinein.

„'Tschuldige!“

„Kein Thema. Kann passieren.“ Grinsend sah er sie an, bevor er an die Tür klopfte vor der er stehen geblieben war.

Sein großer Bruder hätte ihr nach so einer Aktion sicherlich den Kopf abgerissen. Gut, dass nicht alle Familienmitglieder so waren wie der Eisklotz...

Mokuba öffnete gerade die Tür, als von irgendwoher ein Geräusch kam, was nach einem Telefon vermuten ließ.

„Oh. Geh einfach rein – ich muss weg.“ rief er aufgeregt und da war er auch schon verschwunden.

Jelana war nicht wohl bei der Sache einfach in das Zimmer zu gehen, aber Mokuba hatte es so gesagt und die Tür war eh schon einen Spalt breit offen.

So nahm sie all ihren Mut zusammen und trat ein.

„Entschuldige, dass ich....“ sie hielt inne. Es wäre wohl besser gewesen, wenn sie doch vorher geklopft hätte.

Da stand er. Mister Eiskalt. In diesem Moment war jedoch Mister-Ich-Bin-Heiß-Wie-Feuer treffender.

Er trug nur eine Hose, sein Oberteil wollte er wohl gerade wechseln. Oft schon hatte sie sich vorgestellt, was unter seinen Hemden steckte, doch in echt war es noch viel besser.

Sie konnte einen etwas zu langen Blick nicht verhindern und sofort schoss ihr eine milde Röte ins Gesicht.

„Entschuldigung“ murmelte sie.

Unentschlossen tapste sie von einem Fuß auf den anderen. Sollte sie wieder raus gehen?

Es war schon zu spät. Jetzt trug er sein T-Shirt, es gab also keinen Grund für sie das Zimmer zu verlassen.

„Jetzt habe ich nicht einmal mehr hier meine Ruhe?!“

Wie immer klang der Eisklotz genervt, doch Jelana beschloss das einfach mal zu übergehen.

„Ich habe dir die Aufgaben mitgebracht, die du verpasst hast.“ erklärte sie kurz, während sie einen Stapel Blätter aus ihrem Rucksack kramte.

Seto hatte sich derweilen auf seinen Schreibtischstuhl gesetzt – offenbar befand sie sich hier nicht in seinem privaten Zimmer, sondern in seinem Büro.

Die Wände waren schlicht weiß und die Möblierung ließ ihrer Meinung zu wünschen übrig. Es war ein einfaches langweiliges und schnödes Büro mit einem Schreibtisch, einem Stuhl der wohl für Besucher bestimmt war, ein paar Aktenschränken und einem relativ großen Ledersofa, welches er von seinem Platz hinter dem Schreibtisch wunderbar mustern konnte.

Etwas unschlüssig stand sie nun vor seinem Schreibtisch und legte ihm die mitgebrachten Blätter vor die Nase.

Er sah sie nicht an, sondern tippte auf der Tastatur seines Computers herum.

„Du musst mir ja nicht gleich um den Hals fallen, aber ein kleines 'Danke' wäre schon nicht schlecht.“, entfloh es ihr trotzig, als er keine Anstalten machte etwas zu sagen.

Eigentlich hatte sie sich vorgenommen sich nicht mehr so leicht auf die Palme bringen zu lassen, doch irgendwie gelang ihr das nicht.

Sie spürte, wie der eiskalte Blick des Firmenchefs langsam hoch wanderte und an ihren Augen hängen blieb.

Ihr Herz wäre ihr beinahe in die Hose gerutscht – das hätte sie in diesem Moment geschwört.

Sie konnte nicht anders als den Blick zu senken.

„Ich habe dich nicht darum gebeten! Gehe jetzt bitte. Ich habe zu tun!“

Ein schweres Seufzen kam ihr über die Lippen. Wie konnte sie nur einen solchen Idioten mögen?!

Jelana wollte gerade wütend das Zimmer verlassen, doch da fiel ihr etwas ein.

„Und wenn nicht? Holst du dann deine Bodyguards?“

Wieder musterte er sie mit seinem üblich kühlen Blick, doch diesmal schien ein wenig Belustigung in seinen Augen zu funkeln.

„Bitte. Mit dir werde ich noch allein fertig!“

Trotzig wie ein kleines Kind ließ sich Jelana auf das Sofa nieder und nun war sie es die ihn musterte. Eigentlich war sie davon ausgegangen, dass er sich wieder seiner Arbeit zugewandt hatte, doch er sah sie noch immer an, so trafen sich ihre Blicke.

Wer würde das Spielchen wohl gewinnen?

Natürlich gewann Mister Kaiba haushoch. Sie hielt seinen Blicken einfach nicht lange stand.

„Hm. Ich glaube nicht, dass du mich so schnell hier heraus bekommst. Ich finde du bist mir erstmal ein paar Erklärungen schuldig!“

Er funkelte sie böse an. Sie musste ihn nicht ansehen um das zu wissen.

„Ich bin dir keinerlei Rechenschaft schuldig!“

Jelana malte mit ihrem Zeigefinger unsichtbare Zeichen auf das Sofa und überkreuzte ihre Beine. Sollte er ruhig sehen, dass er sie so schnell nicht mehr los wurde.

„Was meintest du damals? Ich meine damals als du deinen Bruder bei uns abgeliefert hast. Du hast mir die Frage gestellt wie lange ich schon dort lebe und... dann hast du noch etwas gemurmelt. Ich bin mir sicher, dass es etwas war wie... 'Du erinnerst dich also nicht'!“

Ihre blauen Augen bildeten schmale Schlitze. Sie würde ihre Antwort bekommen und wenn sie dafür schwerere Geschütze auffahren musste.

Zu ihrer Überraschung war Seto plötzlich aufgestanden und kam nun direkt auf sie zu. Sicherlich würde er versuchen sie einfach an den Schultern hinauszuschieben, doch da würde sie ihm einen Strich durch die Rechnung machen.

Dachte sie.

Ehe sie sich versah hatte er eine Hand in ihre Kniekehlen gelegt und den anderen Arm um ihre Hüfte geschlungen. Ohne jegliche Mühe hob er sie einfach hoch.

„Bist du bescheuert? Lass mich runter!!!“

Er dachte nicht daran und steuerte geradezu auf die Tür zu.

„Nein, ich gehe nicht ehe ich eine Antwort habe, das kannst du voll knicken!!!“, rief sie, während sie wild strampelte.

Sie sah ein, dass das wenig Sinn machte, so schlang sie kurzerhand ihre Arme um seinen Hals.

Zu ihrer Überraschung sagte er nichts, versuchte nicht einmal sie loszuwerden.

So beschloss sie einfach so zu verweilen, bis sie an der Haustüre angekommen waren. Dann konnte sie noch immer ein Theater abziehen und sich wehren...

Außerdem war es doch gerade so bequem. Sie hatte die Arme so fest um ihn geschlungen, dass sie unweigerlich über seine Schulter hinweg gucken musste. So sah er auch nicht, dass sie die Augen schloss.

Ihr wurde bewusst, dass sie ihm niemals so nah war und wahrscheinlich auch nie wieder so nah sein würde. Ein angenehmer Geruch strömte ihr in die Nase. Sie wusste nicht ob es sein After Shave oder sein Körpergeruch war, der sie so verrückt machte, aber ihr war klar, dass sie ihn so schnell nicht loslassen würde!

Als sie die Augen wieder öffnete sah sie, dass er sie keineswegs in die Richtung der Wohnungstür getragen hatte.

„Was wird das denn jetzt?“, fragte sie und in ihrer Stimme schwang etwas Hysterie mit. Nein eigentlich war sie wirklich sehr hysterisch.

Sie war irgendwo in dieser riesigen Villa, aus der sie sicherlich nicht allein herausfinden würde und er trug sie.

Als er die Tür zu einem Zimmer öffnete und sie das riesige Bett darin erblickte ließ ihre Panik sie keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Wiedereinmal schossen ihr Sayus Worte in den Kopf. Was zum Teufel hatte er vor? Das konnte er doch nicht einfach machen?! Sprang er immer so mit den Mädchen um?

Sie war doch noch Jungfrau....

„Was machst du... lass das..“

Jelana war wirklich kurz davor auf ihn einzuschlagen, als er sie einfach auf das Bett setzte.

Trotz der misslichen Lage, ließ sie ihre Arme wo sie waren, was es ihm unmöglich machte einfach zu gehen.

Seine Hände wanderten zu den ihren, offenbar wollte er ihre Umklammerung loswerden.

„Nein! Ich will erst Antworten!“, maulte sie, ohne den Griff zu lockern.

Ein genervtes Stöhnen kam über seine Lippen, wurde zufällig in ihr Ohr gehaucht. Sie schluckte und augenblicklich löste sie die Umarmung.

Eilig stellte er sich senkrecht vor ihr auf und musterte sie von oben herab. Ihr Herz schlug etwas schneller.

„Du hast keine Ahnung oder?“

Wieso stellte er ihr jedes Mal solche Fragen?

„Natürlich nicht! Sonst würde ich dich ja nicht fragen!“

„Was geschah bevor du zu deiner Familie kamst?“

Sie sah ihn verwirrt an. „Ehm. Was?? Muss ich dir die Sache mit den Bienchen und Blümchen wirklich erklären?“

Mister Cool schien die Geduld zu verlieren. Er griff hinter sich und hielt ihr ein Bild vor die Nase.

Noch immer ziemlich verwirrt musterte sie das Bild.

Darauf waren zwei kleine Jungen zu sehen, offenbar Seto und Mokuba in jungen Jahren. Sie standen vor einem Haus und bei genauerem Hinsehen sah sie, dass es ein Waisenhaus war.

Gerade wollte sie ihn zu Rede stellen und ihn fragen, was das solle, doch dann passierte etwas.

Es schien, als würden langsam Erinnerungen zurück in ihren Kopf strömen. Lang vergessene, vielleicht verdrängte Erinnerungen.

Sie schnappte nach Luft, konnte es einfach nicht glauben. Ihr Blick wanderte von dem Foto zu Seto und eilig wieder zurück.

Langsam stand sie auf, wie in Trance. Einige Sekunden blieb sie dort einfach stehen, bevor sie an ihm vorbei stürmte.

„Ich muss jetzt gehen!“ murmelte sie.

Sie hatten einen dicken Kloß im Hals. Das war nicht gut. Sie wollte keine Schwächen zeigen. Das tat sie nie und schon gar nicht in seiner Nähe.

Ohne darauf zu achten ob er ihr folgte oder nicht, eilte sie durch die riesige Villa und zu ihrer Überraschung fand sie relativ schnell den Ausgang.

Fluchtartig rannte sie durch den langen Vorgarten geradezu auf das Tor zu, an dem ihr Fahrrad lehnte.

Oder eher lehnen sollte. Es war weg!

Sie fluchte, trat gegen die Mauer, hopste ein paar Mal auf der Stelle, aufgrund des stechenden Schmerzes in ihrem Fuß und ließ sich letztendlich einfach auf dem Matschigen Boden nieder.

Nun hielt sie die Tränen nicht mehr zurück. Es war niemand da, der sie sehen würde und der Regen, der erbarmungslos auf sie nieder prasselte, würde sich mit ihren Tränen vermischen, so dass diese unbemerkt blieben.

Es dauerte nicht lang und ein Paar Füße traten vor sie. Langsam hob sie den Blick. Er war ihr gefolgt? Was sollte das?

„M..mein Fahrrad ist weg.“ sagte sie mit zittriger Stimme, als sei das der Weltuntergang.

Unverblümt sah er sie an und reichte ihr plötzlich die Hand.

Zögernd ergriff sie diese und ließ sich hochziehen.

„Lass uns in ruhe darüber sprechen!“ Meinte sie das nur oder klang seine Stimme nicht mehr so Kalt wie vorher?

Oder lag es daran, dass er ein alter Freund war? Ein Freund aus Kindertagen. Jemand den sie aus ihrem Leben verdrängt hatte, ohne es wirklich zu wollen.

Nicht er war der Grund für ihr Vergessen gewesen, im Gegenteil.

Verwirrt folgte sie ihm zurück in die Villa, ließ seine Hand nicht los und als sie die große Eingangshalle betraten fühlte sie sich mehr zu Hause denn je....

Vergangenheit

Vergangenheit
 

Schweigend saß sie erneut auf dem Ledersofa vor seinem Schreibtisch. Ihre Tränen waren getrocknet und sie spürte, wie er sie von seinem Schreibtischstuhl aus musterte.

Nochmal rief sie sich die letzten Minuten ins Gedächtnis. Er hatte es die ganze Zeit über gewusst.

Er hatte gewusst, dass sie sich eigentlich kannten und sie hatte einfach alles vergessen.

Leider kam mit ihrer Erinnerung an ihn und ihre kurze gemeinsame Zeit auch die Erinnerung an die Dinge zurück, die sie erfolgreich verdrängt hatte.

Obwohl sie so viel hätte sagen können, schwieg sie. Er hatte sie in den letzten Minuten schon ein paar Mal darauf angesprochen, wie es passieren konnte, dass sie alles vergessen hatte, doch sie hatte nicht geantwortet. Sie wollte nicht darüber sprechen, auch wenn sie ihn jetzt in einem völlig anderen Licht sah.

Doch obwohl sie sich nun neben ihrer, auch an seine Vorgeschichte erinnerte und ihn ein wenig besser verstand, war er noch immer ein großes Rätsel für sie.

Die peinliche Stille, für die sie verantwortlich war, schien sie langsam zu erdrücken. Sie wusste, dass sie früher oder später etwas sagen musste. Deswegen sprach sie endlich die Frage aus, die ihr die ganze Zeit auf der Seele brannte.

„Wieso hast du nicht früher was gesagt?“

Seto schien ein wenig erstaunt darüber, dass sie jetzt doch etwas sagte. „Ich dachte früher oder später würdest du dich erinnern!“

Da Jelana nicht wusste, was sie darauf antworten sollte entstand wieder ein Moment des Schweigens, der durch Setos erneute Frage, wieso sie ihre Vergangenheit verdrängt hatte, beendet wurde.

Ihr war klar, dass sie ihm irgendeine Antwort geben musste.

„Du hast nicht mitbekommen wie es im Kinderheim abging als ihr Zwei nicht mehr da ward. Hast du nicht bemerkt, dass die anderen riesigen Respekt vor dir hatten? Als du nicht mehr da warst haben sie auf mir rumgehackt, als sei ich der letzte Dreck. Ein halbes Jahr ging das so. Dann wurden mir ein Mann und seine Frau vorgestellt, die mich adoptierten...“ sie hielt inne und schluckte schwer. Sie wollte ihm einfach nicht alles erzählen, nicht jetzt.

„Sagen wir einfach ich hatte nicht so ein Glück mit meiner Adoptivfamilie, wie du es offensichtlich hattest.“

Noch immer sah sie ihn nicht an, spürte aber seinen Blick auf sich ruhen. Genau wie sie hielt er es wohl für das Beste sie nicht auszufragen.

Sie sah auf ihre Armbanduhr. Es war schon zehn Uhr und eigentlich sollte sie schon längst Zuhause sein. Sicherlich machte ihre Mutter sich Sorgen.

Jelana verspürte einen kurzen Stich in der Brust, als ihr einfiel, dass die Frau bei der sie lebte ja eigentlich gar nicht ihre Mutter war. Ob sie normal mit den Leuten umgehen konnte, die seit Jahren ihre Familie ersetzten?

Ihr kam es vor, als drohe ihr Kopf zu platzen. So viele Erinnerungen und Fragen schwirrten in ihm herum.

Sie bewunderte das menschliche Gehirn, dass so gut darin war etwas zu verdrängen, dass man sich für jemand völlig andern hielt und seine Vergangenheit ganz anders in Erinnerung hatte. Ein Seufzen kam ihr über die Lippen. Sie hatte schon mal sowas gelesen. Amnesie. Deswegen hatte sie sicherlich auch immer so schreckliche Kopfschmerzen gehabt.

Sie beschloss, dass sie keine Wahl hatte: Irgendwann musste sie nach Hause. Also stand sie langsam auf. „Ich muss nach Hause.“ sagte sie und es war das erste Mal, dass sie ihn ansah.

„Ich fahre dich.“

In ihrem Gesicht spiegelte sich Überraschung wieder.

„Ja, oder willst du lieber laufen?“, fügte er hinzu, als er ihren Blick sah.

Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass ja ihr Fahrrad geklaut wurde und da sie wirklich nicht wusste, wie sie sonst nach Hause kommen sollte, stimmte sie ihm zu.
 

Hatte er nicht gesagt, dass ER sie nach Hause fahren wolle? Es endete damit, dass Roland, sie fuhr und Seto mit ihr auf der mit Leder überzogenen Rückbank der riesigen Limousine saß.

Sie fand, dass Roland ein ziemlich sympathischer Mann war und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass er nur ein einfacher Bediensteter war. Man konnte gar nicht anders als sich mit ihm anzufreunden.

Je näher sie ihrem Zuhause kamen, desto nervöser wurde sie. Schon am Anfang der Fahrt hatte sie beschlossen, dass sie ihrer Familie nichts davon erzählen würde, dass sie ihre Erinnerungen zurück erlangt hatte. Ihre Mutter hatte schon genug Sorgen mit Takumi, da sollte sie sich nicht noch unnötigerweise um Jelana sorgen müssen.

Sie spürte Setos Blick auf ihr ruhen und wagte einen schüchternen Blick. Da er keine Anstalten machte etwas zu sagen und sie es peinlich fand den Blick abzuwenden, ohne etwas geäußert zu haben, bedankte sie sich schnell bei ihm, dass er sie nach Hause hatte fahren lassen.

Ein einfaches Nicken war seine Antwort.

Zwar hatte sich ihre Beziehung nun ein wenig geändert, da sie sich schon lange Zeit kannten, doch konnte Jelana seinem kühlen Blick noch immer nicht standhalten. Wahrscheinlich würde sie das auch nie.

Die Limousine hielt und zu ihrer Überraschung war Seto aufgestanden um ihr die Tür zu öffnen. „Danke“ murmelte sie, als sie den Wagen verließ. Ohne ein Wort stieg Seto zurück in die Limousine, die sofort darauf in der Dunkelheit verschwand.

Jelana seufzte tief. Am liebsten hätte sie ihn mit nach oben genommen, auch wenn sie wusste, dass das eine Katastrophe geworden wäre. Sie musste unweigerlich grinsen, als sie sich vorstellte wie Takumi und auch Joey wie zwei losgelassene Hunde auf Seto stürzten um ihm die Meinung zu geigen.

Als sie die Wohnung betrat stürmte ihr sofort ihre besorgte Mutter entgegen um sie in die Arme zu schließen. „Wo warst du? Wir haben uns Sorgen gemacht!“

Jelanas Blick fiel auf Joey, der im Flur aufgetaucht war und sie schluckte. Er wäre sicherlich nicht begeistert wenn sie ihm von ihrem Besuch bei Kaiba erzählen würde, aber sie konnte ihn auf keinen Fall anlügen.

„Ich habe einem kranken Klassenkameraden die Hausaufgaben vorbeigebracht. Mein Fahrrad wurde geklaut.“ erklärte sie. „Er hat mich dann nach Hause gefahren, aber es ist halt.. etwas später geworden.“

Ihre Mutter seufzte erleichtert. „Sag doch beim nächsten Mal wenigstens Bescheid!“, tadelte sie.

Jelana musterte die Frau, die kaum größer als sie selbst war und spürte plötzlich, wie sich ein dicker Kloß in ihrem Hals bildete.

„Ok, mach ich.“, murmelte sie und ehe sie sich versah war sie in Tränen ausgebrochen und ihrer Mutter um den Hals gefallen.

Diese war ziemlich verdutzt und wusste nicht recht was sie sagen sollte, während sie Jelana beruhigend über den Rücken streichelte.

„Mach doch jetzt kein Drama daraus. Wir haben uns nur Sorgen gemacht. Es ist doch alles in Ordnung.“

Sie hatte ziemlich mit den Tränen zu kämpfen, die unaufhörlich ihre Wangen hinab kullerten, doch schon einige Sekunden später schaffte sie es sie unter Kontrolle zu bekommen.

„'Tschuldigung. Ich bin einfach übermüdet.“, sagte sie und vermied dabei jeglichen Blickkontakt mit Joey. Sie wusste, dass er ihr Fragen stellen würde. Er wusste, dass etwas nicht stimmte und eigentlich war er doch der Erste, der es erfahren sollte. Dennoch wollte sie momentan einfach nicht über all das Reden.

„Ich geh dann jetzt am besten Schlafen!“

Noch bevor Joey oder ihre Mutter etwas sagen konnten war sie im Bad verschwunden um sich bettfertig zu machen.
 

Nachdem sie sich ungefähr eine Viertelstunde im Bett herum gewälzt hatte, war Joey leise ins Zimmer gekommen. Bevor er sich ebenfalls hinlegte flüsterte er leise ihren Namen, doch obwohl sie noch wach war antwortete sie ihm nicht. So gab er schließlich auf und legte sich schlafen.

Und sie lag noch immer wach. Zu viele Gedanken schwirrten ihr im Kopf herum.

Sie fühlte sich in die Zeit zurückversetzt, in der sie Seto das erste Mal in ihrem Leben getroffen hatte...
 

Mit tränennassem Gesicht saß sie auf der quietschenden Schaukel. Sie hatte Sand auf ihrem Kleid und im Gesicht, der zuvor von einigen Kindern auf sie geschmissen wurde. Keiner konnte sie wirklich leiden. Wieso wusste sie nicht, aber es machte diesen Ort beinahe unerträglich. Schon oft hatte sie versucht zu fliehen, doch die Pflegerinnen im Waisenhaus waren sehr wachsam.

Seit ihrem achten Lebensjahr war sie hier. Inzwischen waren schon vier Jahre vergangen und nichts hatte sich geändert.

Tag für Tag hoffte sie, dass ihre Eltern auftauchen und sie wieder mit nach Hause nehmen würden, doch gleichzeitig wusste sie, dass dieser Gedanke lächerlich war. Tote kamen nicht um ihre Kinder zu holen. Tote konnten sie nicht retten.

Doch dann kam der Tag, der ein wenig Licht ins Dunkel brachte.

Sie lag am Boden, auf ihr hockte ein Junge, der mindestens zwei Köpfe größer war als sie, und schlug auf sie ein. Schon früh hatte sie verstanden, dass sie sich mit allen Mitteln wehren musste, auch wenn sie jedes Mal eine deftige Strafe aufgebrummt bekommen hatte.

So versuchte sie auch diesmal sich zu wehren, doch der Junge, aufgestachelt durch die anfeuernden Rufe vieler anderen Kinder, die um sie herum standen, war einfach zu stark.

Als er gerade ausholte und ihr einen deftigen Schlaf auf die Nase gab, die sofort zu bluten anfing, ertönte eine Stimme. Sie war so ernst und kühl, dass jedes Kind sich ein wenig erschrocken umdrehte. So auch der Junge. Diese Chance nutzte Jelana und schubste ihn von ihrem Schoß um sich schnell aufzurappeln.

Als ihr Angreifer sah, dass diese Stimme keineswegs zu einem Erwachsenen gehörte, sondern zu einem Jungen, der etwa seine Größe hatte, wollte er sich erneut auf sie stürzen, doch er wurde aufgehalten.

Ja, schon damals hatte Seto Kaiba sie gerettet. Die anderen Kinder hatten Respekt vor ihm und niemand wagte es Jelana auch nur anzusprechen.

So verbrachte sie ihre Zeit mit Seto und seinem kleinen Bruder und ob man es glaubt oder nicht: sie wurden recht gute Freunde.

Dennoch war klar, dass Jelana abhängiger von Seto war, als er von ihr und als schließlich der Tag seiner und Mokubas Adoption kam, war sie am Boden zerstört. Die Angriffe der Anderen fingen wieder an und sie waren noch schlimmer als zuvor, da jeder sie für ihr gutes Verhältnis zu den Kaiba-Brüdern hasste. Doch das war für sie nicht so schlimm wie dieses riesige Loch, das in ihrem Herzen entstanden war. Sie hatte sich geschworen ihn wieder zu finden, sobald auch sie adoptiert wurde.

Es war ein sonniger Samstag, als sie zum Leiter des Waisenhauses gerufen wurde. Sie wurde einem großen, gut gebauten Mann und einer Frau vorgestellt, die aussah, als könnte sie als Modell arbeiten. Beide erschienen ihr sehr nett und so sah es wohl auch die Leiterin des Waisenhauses. Endlich wurde Jelana adoptiert. Sie war unendlich froh darüber. Sie hatte eine Familie und sie würde Seto wiedersehen. Jetzt würde alles gut werden, das wusste sie.

Doch wie immer in ihrem Leben, kam es anders als sie dachte. Ein paar Monate lebte sie glücklich mit ihrer neuen Familie zusammen, zu der auch ein Sohn gehörte, der zwei Jahre älter war als sie. Sie gingen zusammen in den Zoo und ins Kino und es schien, als hätte es sie nicht besser treffen können.

Eines Nachts wurde sie eines Besseren belehrt. Als sie laute Schreie hörte, von denen sie geweckt wurde, tapste sie leise durch den Flur. Am Absatz der Treppe, die in die untere Etage führte blieb sie stehen und spähte durch die Gitterstäbe. Die Schreie verstarben und damit auch das Gefühl endlich am richtigen Ort zu sein. Was sie sah würde sie nie wieder vergessen, es würde sie nie wieder schlafen lassen, da war sie sich sicher:

Die Frau, die sie ein halbes Jahr lang „Mutter“ gerufen hatte, lag am Boden. In ihrer Brust steckte ein Messer und ihre Augen waren weit aufgerissen. Neben ihr lag ihr Sohn. Ebenfalls blutüberströmt, gab er kein Lebenszeichen mehr von sich. Vor den Leichen stand ihr Adoptivvater, die Hände voller Blut und ein irres Grinsen auf den Lippen.

Jelana bekam Panik. Was sollte sie tun? Um zu fliehen musste sie an ihrem Adoptivvater vorbei, an einem Mörder. Sie wusste, dass er ihr wehtun würde. Er würde sie töten.

Dabei hatte sie Seto noch nicht wiedergefunden. Sie durfte noch nicht sterben. Nicht jetzt!

Langsam und mit zittrigen Knien stand sie auf. Leise eilte sie in das Schlafzimmer ihrer Adoptiveltern und griff nach dem Telefonhörer, der neben dem Bett lag.

Die Nummer der Polizei war schnell gewählt, doch ehe sie das gesehene schildern konnte, wurde die Türe gewaltsam aufgestoßen.

„Da bist du ja.“, lachte er hämisch. Er hielt etwas hinter seinem Rücken versteckt. Er musste es ihr nicht zeigen, sie wusste, dass es das Messer war. Das Messer mit dem er seine Frau und seinen eigenen Sohn getötet hatte. Das Messer, mit dem er auch sie töten würde.

Als er das Telefon an ihrem Ohr sah, stürmte er auf sie zu und mit einem lauten Schrei gelang es ihr gerade über das Bett auszuweichen.

Mit schnellen Schritten floh sie aus dem Zimmer, die Treppe hinunter. Es war nicht mehr weit und sie würde die Haustüre erreichen. Nur noch ein paar Meter und sie hatte eine Chance. Die Polizei würde jeden Augenblick eintreffen und sie retten. Da war sie sich sicher.

Doch als sie endlich die so ersehnte Tür erreicht hatte, stellte sie mit Schrecken fest, dass sie verschlossen war. Er hatte vorgesorgt. Hatte es kommen sehen.

Panisch versuchte sie zu überlegen, doch er ließ ihr nicht viel Zeit. Als sie ihn am Absatz der Treppe sah, konnte sie vor Angst keinen klaren Gedanken mehr fassen.

So rannte sie einfach in die Küche, wo ihr die rettende Idee kam. Sie hatte die große Glaswand in der Küche immer gehasst. Man musste aufpassen, dass man nicht versehentlich im Handtuch durch die Küche tapste, da die Gefahr bestand, dass die gesamte Nachbarschaft einen Blick auf einen warf. Doch in diesem Moment liebte sie diese Glaswand.

Jetzt brauchte sie nur noch etwas womit sie das dicke Glas einschlagen konnte und das schnell. Sie hörte schon seine Schritte auf dem knarrenden Laminat und sie kamen immer näher.

Schließlich griff sie sich den Messerblock aus Metall, den ihre Adoptivmutter erst vor ein paar Tagen gekauft und stolz präsentiert hatte.

Panisch schlug sie auf das Glas ein. Er war da. Er stand im Türrahmen und sie hatte gerade einmal ein kleines Loch in das Glas geschlagen, zu klein um durch zu klettern. Ihre Gedanken setzten aus und ihr Überlebensinstinkt wurde wach.

So nahm sie Anlauf und rannte einfach auf das Loch in der Glaswand zu. Tatsächlich gab es nach und mit einem lauten Klirren landete sie auf dem Rasen des Vorgartens. Sie schnappte nach Luft. Den stechenden Schmerz von tausenden Splittern, die in ihrem Körper steckten bemerkte sie noch nicht. Sie rannte einfach los.

Und da hörte sie sie. Die Sirenen. Zum Glück konnte die Polizei einen Anruf orten. Erst als sie einem Polizisten in die Arme lief und dieser seine Waffe zog sah sie, dass er dicht hinter ihr gewesen und sie um ein Haar erwischt hätte...
 

Schweißgebadet und schwer atmend wachte sie auf. Sie saß aufrecht im Bett und zitterte am ganzen Körper. //Beruhige dich//, dachte sie, //Er ist im Gefängnis...//

Sie spürte, dass jemand sie in den Arm nahm und ein erschrockener Schrei entfloh ihr. Joey brauchte etwas bis er sie beruhigt hatte. So saß sie auf dem Bett, zitterte am ganzen Körper und lag in Joeys Armen, der nicht das geringste Verstand.

Auch ihre Mutter hatte den Schrei gehört und war ins Zimmer geeilt. Jelana hörte, dass sie Joey fragte, was mit ihr sei und spürte, dass er mit den Schultern zuckte.

Sie atmete ein paar Mal tief ein. Das hatte damals auch geholfen.

„Alles gut. Ich habe nur schlecht geträumt.“

Sie löste sich aus Joeys Umarmung und setzte sich gerade aufs Bett. Wie immer setzte sie ein, sehr gut gespieltes, Lächeln auf. „Der Traum war so real, sag ich euch. Puh, schlimmer als Saw 1-6... o..oder wie viele Teile gibt es mittlerweile?“, plapperte sie munter drauf los.

Sie bemerkte den verstohlenen Blick, den ihre Mutter Joey zuwarf, beschloss jedoch ihn zu ignorieren.

„Gibt es schon Frühstück? Ich hab riesigen Hunger!“

Ihre Mutter nickte. „Ich schmeiße die Brötchen in den Backofen. Ihr könnt so in zehn Minuten kommen.“

Als sie das Zimmer verlassen hatte, wollte Jelana aufstehen um sich fertig zu machen, doch Joey hielt sie am Arm zurück so, dass sie wieder aufs Bett plumpste.

Fragend sah sie ihn an.

„Lügnerin!“

„Ehm, was?“

„Der Einzige Klassenkamerad, der gestern nicht in der Schule war, war Seto Kaiba!“

Ihr wurde plötzlich heiß und kalt. Und das zur selben Zeit!

„Du kannst mir nicht erzählen, dass du dem Eisklotz freiwillig die Hausaufgaben vorbeigebracht hast!“

Sie dachte angestrengt darüber nach, was sie wohl am Besten sagen konnte, aber ihr viel beim besten Willen nichts anderes ein als die Wahrheit.

„Naja, doch wieso nicht?“

Er musterte sie mit einem Blick, der mehr sagen konnte als tausend Worte.

„Er ist gar nicht so schlimm“, fügte sie deshalb schnell hinzu.

Er gab ein verächtliches Geräusch von sich.

„Trotzdem glaube ich, dass du irgendwas verschweigst. Du kommst von diesem.. diesem...“, er schien nach einem passendem Wort zu suchen, fand aber offensichtlich keines, dass seine Wut über Kaiba ausdrückte.

„Diesem Blödmann nach Hause und fängst einfach so an zu heulen...“

„Ich hab doch schon gesagt, dass ich übermüdet war. Dass mein Fahrrad auch noch gestohlen wurde hat das jetzt nicht gerade besser gemacht. Wenn ich so müde bin heul' ich dann halt schon mal für den kleinsten Mist. Es ist wirklich alles ok!“, versicherte sie ihm.

Sie wusste, dass er ihr nicht glaubte, das konnte sie an seinem Gesicht sehen, aber offensichtlich wollte er es erst einmal dabei belassen.

Sie war heilfroh darüber, denn das letzte was sie jetzt gebrauchen konnte, war jemand, der mit allen Mitteln aus ihr herausquetschen wollte, was mit ihr los war.

„Aber eins sag ich dir! Wenn ich herausfinde, dass du wegen diesem Idiot geweint hast, mach ich ihn fertig!“, knurrte Joey zwischen zusammengebissenen Zähnen, als sie auf dem Weg in die Küche waren.

Jelana beschloss zu schweigen. Sie würde den Dingen einfach ihren Lauf lassen. Mehr konnte sie jetzt sowieso nicht tun.

Verwirrte Gefühle

So, meine Lieben. Hier die letzten zwei Kapitel die ich noch auf dem PC habe =). Ab dann bin ich hier top aktuell :D. Viel Spaß beim Lesen. Konstruktive Kritik nehme ich gerne an ;)
 

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Verwirrte Gefühle
 

Auch in der letzten Nacht litt Jelana unter schrecklichen Albträumen. Dreimal wachte sie schreiend auf und irgendwann war es Joey genug geworden, sodass er sich mit zu ihr ins Bett legte um sie besser beruhigen zu können.

Jelana genoss seine Nähe und die Wärme, die er ausstrahlte, doch noch lieber hätte sie jemand Anders an ihrer Seite gehabt. Eine ganz bestimmte Person...

So beschloss sie mitten in der Nacht, dass sie am nächsten Tag Seto besuchen würde. Gut, dass dann erst Sonntag war, denn einen Schultag hätte sie so ganz ohne Schlaf sicherlich nicht ausgehalten.

Irgendwann im Morgengrauen schaffte sie es schließlich einzuschlafen und als sie aufstand hatte sie ganze drei Stunden geschlafen, ohne von einem ihrer schrecklichen Albträume geweckt zu werden.

Verschlafen saß sie auf der Couch und schob sich ein Brötchen mit Nutella in den Mund, welches sie mit einem Glas Orangensaft hinunter spülte. Die besorgten Blicke von Joey und ihrer Mutter blieben ihr nicht verborgen und sie grübelte im Stillen darüber, wie sie die Beiden wohl beruhigen könnte. Sicherlich würde Joey den Anderen davon erzählen und schon konnte sie sich auf eine Therapiestunde bei Tea einstellen.

Nein danke! Darauf hatte sie beim besten Willen keine Lust.

Es dauerte nicht lange und sie stand fix und fertig mitten im Wohnzimmer. Eigentlich legte sie sich nicht so ins Zeug, aber irgendwie war ihr danach sich ein wenig herauszuputzen. So trug sie ein schwarzes Strickkleid und darunter eine dicke Strumpfhose in dunkelrot. Die Haare hatte sie geöffnet gelassen, so fielen ihre langen Locken seicht über ihre Schultern. Obwohl sie ja ziemlich klein war, ließen die schwarzen Stiefelletten ihre Beine recht lang wirken.

„Ich gehe jetzt. Ich weiß noch nicht wann ich wieder da bin – es kann etwas später werden!“, erklärte sie, während sie sich in ihre Jacke zwängte.

„Aber wo willst du denn hin?“, fragte ihre Mutter sie stirnrunzelnd und auch Joey schien dies brennend zu interessieren.

Jelana überlegte einen kleinen Augenblick, doch da sie keine Lust auf eine Diskussion hatte verschwand sie mit den Worten „Ich besuche einen Freund“ aus der Wohnung.

Sie hatte Glück, dass es ausnahmsweise mal nicht Regnete. Vielleicht fand sie den Herbst doch nicht so schlimm.

Da ihr Fahrrad ja geklaut worden war, musste sie mit dem Bus zur Villa der Kaibas fahren, was sich gar nicht als so einfach erwies. Doch nach dreimaligem Umsteigen war sie immerhin in die Nähe der Villa gelangt und musste nun nur noch ein Stückchen laufen.

Wenn sie so viel Geld hätte würde sie sich auch eine Villa bauen und auch dort, wo man sie nicht so leicht erreichen konnte.

Obwohl sie nun schon zum zweiten Mal das riesige Eisentor sah, dass zur Villa führte, war sie noch immer erstaunt.

Als sie schließlich vor der großen Eingangstür stand, bekam sie weiche Knie. Ob er sie überhaupt sehen wollte? Vielleicht war er gar nicht davon begeistert, dass sie ihn einfach ohne Vorwarnung besuchen kam.

Dennoch nahm sie all ihren Mut zusammen und schellte. Roland öffnete die Tür und bat sie auch sofort hinein, was sie etwas verwunderlich fand.

So stand sie mitten in der riesigen Eingangshalle und während sie auf weitere Anweisungen wartete fing sie viele neue Eindrücke auf. Der Boden und die Treppe bestanden aus Marmor und in den Nischen, die ab und an in der Wand zu finden waren, standen verschnörkelte Vasen. Sicherlich waren diese teurer als ein Auto...

Als sie gerade fragen wollte, ob Seto da ist, erblickte sie diesen schon auf dem Absatz der Treppe. Er schien ein wenig überrascht, als seine eisblauen Augen sie erblickten.

„Was machst du denn hier?“, bekam sie in seiner gewohnt kühlen Stimmlage zu hören.

'Ich habe dich vermisst. Ich wollte dich sehen!', hätte sie am liebsten gesagt, aber das war ihr einfach zu peinlich.

„Ich wollte mich nochmal dafür bedanken, dass du mich gestern nach Hause gebracht hast.“, sagte sie deshalb. Sie wusste, dass das schwachsinnig war. Dafür hätte sie nicht herkommen brauchen – ein einfacher Anruf hätte genügt.

„Das hast du doch schon gestern getan. Aber gut, dann bist du ja jetzt fertig. Bis morgen in der Schule.“

Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand wieder in seinem Arbeitszimmer.

Jelana stand mit offenem Mund vor der Treppe und brauchte einige Minuten um zu fassen, was da gerade passiert war. Hatte der Kerl nen Zwillingsbruder oder wer war das gestern gewesen?

Roland öffnete die Türe, wollte sie offenbar hinausbegleiten, doch so einfach gab Jelana sich nicht zu schlagen. Das hätte er wohl gern!

„Ich bin hier noch nicht fertig!“, sagte sie zu Roland, dem ein kurzes Grinsen entwich. Er schloss die Tür wieder und deutete in die Richtung der Treppe.

Hah! Wenigstens war wohl er auf ihrer Seite. Sie wusste sofort, dass sie diesen Kerl mochte!

Wütend stampfte sie die Marmortreppen hinauf und ohne anzuklopfen betrat sie sein Büro. Die Türe knallte sie geräuschvoll zu.

Seto saß, wie erwartet, auf seinem Bürostuhl und musterte sie argwöhnisch.

„Was willst du noch?“

Jelana schnaubte verächtlich. „Was ich noch will? Du hast sie ja nicht mehr alle!“

Langsam lehnte er sich zurück. Erst jetzt sah sie, dass sein Computer nicht an war und es definitiv nicht danach aussah, als ob er gearbeitet hätte.

„Wieso springst du so mit mir um? Ich dachte echt durch den gestrigen Tag hätte sich ein bisschen was zwischen uns geändert!“, grummelte sie.

Er schwieg und starrte sie nur mit seinen kühlen Augen an. Wie immer verlor sie das Duell und wandte den Blick verärgert ab.

„Brauchst du immer so lange um eine Antwort für dein eigenes Verhalten zu finden?“

Zu ihrer Verwunderung war er aufgestanden.

„Wie ich sehe geht es dir bei weitem besser als gestern“

War da etwa Belustigung in seiner Stimme? Als sie ihn musterte fiel ihr auf, dass auch in seinem Blick etwas neckisches zu finden war.

„Du findest das wohl unglaublich Lustig?!“

„Ein wenig“, murmelte er. Sie wusste gar nicht, dass seine Stimme so sexy klingen konnte. Überrascht von dieser Tatsache schnappte sie einen Moment nach Luft.

Eigentlich war sie stinksauer, doch als er plötzlich ein paar Schritte näher kam rutschte ihr das Herz in die Hose.

Sie wollte nicht ausweichen, denn somit würde er sich noch toller fühlen, da war sie sich sicher, also blieb sie einfach stehen. Und das obwohl er immer näher kam.

Jelana wusste nicht recht wie ihr geschah, als er sie plötzlich bis zu der Kante seines Schreibtisches drängte und seine Hände rechts und links neben ihr auf die Tischplatte abstützte.

Niemals hätte sie gedacht, dass sie ihm noch mal so nah sein würde wie sie es vor zwei Tagen gewesen war, doch offensichtlich hatte sie sich getäuscht.

Er senkte den Kopf und strich ihr sanft ein paar Strähnen hinter das Ohr. Eigentlich hätte sie ihn weg stoßen müssen, doch das kribbeln in ihrem Bauch untersagte ihr jegliche Bewegung.

„Glaubst du nicht, es ist an der Zeit mir alles zu erzählen, was damals geschehen ist?“, hauchte er leise in ihr Ohr. Sein Atem streifte dabei leicht ihren Hals und sofort bekam sie eine Gänsehaut.

Wenn er so weiter machte würde sie ihm nicht nur das erzählen, sondern einfach alles, ihre tiefsten Ängste und ihre geheimsten Geheimnisse.

Sie rief sich wieder das in den Kopf, was Sayu gesagt hatte. Dass er die Mädchen nur ausnutzte.

Konnte es sein, dass er es mit ihr genauso tat? Aber was hatte er davon wenn er von ihrer Vergangenheit wusste? Deswegen würde er sie sicherlich nicht schneller rum bekommen. Nein. Dazu reichten seine Augen und sein Atem, sein unwiderstehliches Grinsen und sein Geruch, da war sie sich sicher.

Jelana schluckte schwer, es war gar nicht leicht die Fassung zu bewahren.

Ihr Atem ging schon ein kleines bisschen schneller.

„Ich glaub ich muss gehen.“, nuschelte sie und schließlich schaffte sie es sich von ihm zu lösen.

Sie stand nun vor ihm und es war offensichtlich, dass sie völlig durch den Wind war.

Seto gefiel das offenbar, denn auf seinen Lippen hatte sich ein Lächeln gebildet. Jelana war sich sicher, dass es das erste Mal war, dass sie ihn so sah und sie wusste, dass es sie total verrückt machte.

Wie konnte man nur so gut aussehen?

„Ich dachte du wolltest mir noch ein wenig Gesellschaft leisten, sonst wärst du doch gerade schon verschwunden!“

Jelana kämpfte mit den Gedanken ihm einfach um den Hals zu fallen und ihn zu küssen oder ihm vors Schienbein zu treten. Doch sie kam zu dem Entschluss, dass keines von beidem unbedingt eine gute Idee war.

„Naja, du hast sicherlich noch eine Menge zu tun.“

„Eigentlich habe ich gerade überhaupt nichts zu tun. Lass dir also Zeit.“

Mistkerl.

Grummelnd ließ sie sich auf das Ledersofa fallen und wieder war sie nicht minder überrascht, als er sich einfach neben sie setzte. Anscheinend interessierte es ihn wirklich brennend, was ihr damals zugestoßen war.

Als sie den Blick hob und ihre Augen auf seine trafen war ihr Wille gebrochen und sie erzählte alles. Sie ließ nichts aus, bis auf die Tatsache, dass sie ihn in all den Jahren in denen sie ihr Gedächtnis noch nicht verloren hatte, unglaublich vermisst hatte.

Zu ihrer Überraschung fiel ihr das alles gar nicht so schwer wie sie gedacht hatte und sie musste nicht mal weinen. Er hörte ihr gebannt zu und wagte nicht sie zu unterbrechen.

Dennoch traute sie sich nicht ihm in die Augen zu gucken, so spielte sie nervös an dem Schal herum, den sie trug und sah dabei auf ihren Schoß.

Als sie fertig war ergriff er plötzlich ihre Hand, die sie am Schal hatte. Er hielt sie einfach fest und ab und zu strich er sanft über ihren Handrücken.

„Ich wusste nicht, dass es dir so schlecht ging.“, sagte er.

Na, das hatte sie auch vorher gewusst. Sicherlich hatte er sie sowieso schon vergessen und konnte sich nur wieder an sie erinnern, weil sie zufällig in seine Klasse gekommen war.

Wieder setzte Jelana ihr gespieltes Lächeln auf. „Naja, aber jetzt ist ja alles wieder gut.“

Als sie ihn breit anlächelte, lief ihr ein Schauer über den Rücken, denn ihm war offensichtlich überhaupt nicht zum Lächeln zumute. Wütend funkelte er sie an.

Was hatte sie jetzt wieder verbrochen?

„Hör auf zu Lügen!“ Sie sah ihn verwirrt an und zuckte unweigerlich zusammen, als er sie plötzlich gegen die Armlehne des Sofas drückte und ihr sehr nah kam.

Sie kam gar nicht dazu ihn zu fragen, was eigentlich sein Problem war.

„Nichts ist wieder gut. Wieso setzt du ständig dieses schreckliche Lächeln auf, obwohl dir überhaupt nicht danach ist?“

Oh, man war der sauer. Seine Stimmungsschwankungen machten sie noch ganz kirre.

„Gegenfrage: Wieso bist du zu so nem Eisklotz geworden und lässt keinen an dich ran? Und erzähl mir jetzt bloß nicht, dass das was anderes ist!“, knurrte sie, als sie sich wieder gefasst hatte.

Was wollte er eigentlich? Er war doch überhaupt nicht anders. Auch er spielte seiner Umwelt den harten Kerl vor, obwohl in ihm doch noch so viel mehr schlummerte.

Zumindest hatte es dort geschlummert. Wenn das was Sayu gesagt hatte stimmte, dann war der Seto den sie damals kennengelernt hatte vielleicht verschwunden...

Einen Augenblick funkelten die Beiden sich böse an. Sie hatte es wohl geschafft ihn sprachlos zu machen.

Plötzlich und ganz unerwartet beugte er sich noch weiter zu ihr vor und presste seine Lippen auf ihre. Sie war zu erschrocken um in irgendeiner Weise zu handeln, doch er ließ ihr sowieso keine andere Wahl als auf seinen leidenschaftlichen Kuss einzugehen.

Als er nach einigen Sekunden wieder von ihr abließ, sah sie ihn mit großen Augen an.

Sie wollte ihn gerade fragen, was das solle, als es an der Tür klopfte. Seto setzte sich gemütlich neben sie, so wie er schon zuvor neben ihr gesessen hatte und es schien als sei nie etwas geschehen. Auch Jelana setzte sich schnell wieder normal hin. Was sollte denn derjenige denken, der jeden Moment den Raum betreten würde? Wahrscheinlich sah man an ihrem roten Gesicht und ihrem perplexen Gesichtsausdruck sowieso, dass etwas geschehen war.

„Herein“, sagte Seto mit seiner gewohnten kühlen Stimme.

Mokuba steckte vorsichtig seinen Kopf ins Zimmer und runzelte die Stirn.

„Ehm, da ist Besuch. Ich weiß nicht recht. Er sagt er ist für dich hier Seto, aber.. naja sieh selbst.“, sagte er und ehe Seto sich erheben konnte drang schon eine bekannte Stimme an Jelanas Ohr.

Sie kniff die Augen zusammen und fragte sich verzweifelt, wo das Loch war, in dem sie einfach verschwinden konnte. War Joey ihr tatsächlich gefolgt?

Selbst hier oben konnte man hören, dass er in der Haupthalle ein riesiges Theater veranstaltete und nach Seto verlangte, den er direkt als „törichten und idiotischen Blödmann“ beschimpfte.

Der blauäugige schien genervt und würdigte Jelana keines Blickes, als er aufstand und gemächlich in den Flur trat. In diesem Moment war sie nur allzu froh darüber.

„Was machst du denn hier? Das Tierheim liegt in der Innenstadt, wir nehmen keine Köter auf!“

„Ach, man halt die Klappe Kaiba. Mit dir hab' ich eh noch ein Huhn zu rupfen.“

Jelana war sich nicht sicher, ob sie aufstehen und versuchen sollte ihn zu beruhigen. Sicherlich wäre der Tag dann gelaufen und sie musste gehen. Aber bei dem Aufstand den er machte, würde er sicherlich sowieso von Seto rausgeschmissen werden... und sie vielleicht direkt mit ihm.

Also stand sie doch langsam auf und zwängte sich an Seto vorbei, der auf der Treppe stand. Schnell eilte sie zu Joey.

„Was machst du denn hier???“, fragte sie aufgebracht, achtete jedoch darauf, dass sie ihre Stimme nicht zu sehr erhob.

„Dich vor diesem Kerl beschützen.“

Konnte er nicht wenigstens leise sprechen?

„Du musst mich hier vor überhaupt niemandem beschützen“, grummelte sie. Langsam reichte es ihr. Sie wusste, dass er es nur gut meinte, aber irgendwo war einfach eine Grenze und er war gerade dabei diese zu überschreiten.

„Du hast geweint und ich wette es war wegen ihm. Ich versteh auch gar nicht, wieso du hier freiwillig wieder abhängst!“

„Lass das mal meine Sorge sein. Es ist alles in Ordnung und nein ich habe nicht wegen ihm geweint, das hab ich dir aber gestern schon gesagt, verdammt nochmal!“

Sie war ziemlich in Rage, so bemerkte sie auch nicht, dass Seto neben ihr stand.

„Ich bin alt genug um selbst zu bestimmen mit wem ich abhänge und mit wem nicht und ich brauche ganz sicherlich keinen Aufpasser. Hat meine Mutter dich etwa her geschickt?“

„Nein, stell dir vor auch ICH mache mir Sorgen um dich!“, knurrte Joey Jelana an und dann wanderte sein Blick zu Kaiba, der seiner Meinung nach viel zu süffisant lächelte.

„Und du guck nicht so blöd, sonst mach ich dich fertig.“

„Reg dich nicht zu sehr auf, das steigert den Blutdruck und ich habe keine Lust dich ins Krankenhaus zu fahren oder meine persönlichen Krankenschwestern dafür zu bezahlen, dass sie dich verpflegen!“, sagte Kaiba. Er war völlig ruhig und ließ sich keinerlei Verärgerung anmerken, was Jelana sehr erstaunte. Aber eigentlich kannte man es ja nicht anders von ihm.

Joey hingegen kochte vor Wut und hätte ihn wohl am liebsten erschlagen.

„Ich würde deine unterbezahlten Krankenschwestern auch gar nicht an mich ran lassen!“

Er war einen Schritt auf Seto losgegangen und für einen kurzen Moment glaubte Jelana, dass die Sache hier wirklich in eine Schlägerei ausarten würde, sodass sie sich reflexartig ein wenig zwischen die Beiden stellte.

„Nimmst du den Kerl jetzt auch noch in Schutz oder wie? Hast du Angst, dass ich ihm was tu? Er hätte es verdient.“, fuhr ihr bester Freund sie nun an.

„Ich glaube ihr solltet euer kleines Theater nach draußen verlegen. Wir zwei waren sowieso gerade fertig.“

Jelana drehte sich langsam zu Seto um, der diesen Satz gerade gesagt hatte. Sie wusste nicht recht wie sie das Gesagte deuten sollte, da seine Stimme unverändert kühl war. Für einen kleinen Augenblick blieben seine Augen an ihren hängen, dann wandte er sich ab.

Joey wollte ihm hinterher, doch Jelana hielt ihn am Arm fest und zog ihn schließlich an einem verdutzten Roland hinaus und vom Gelände der Kaibas.

Dort stellte sie ihn schließlich zur Rede.

„Du Vollidiot. Kümmer dich doch einfach um deine Sachen!“, brüllte sie ihn nun an. Sie spürte wie sich erneut ein Kloß in ihrem Hals bildete, aber auf keinen Fall würde sie ihm zeigen wie fertig sie die Situation machte.

„Man, kapierst du nicht, dass ich dir helfen will?“

„Helfen indem du mir nachspionierst und Leute fertig machst, die überhaupt nichts getan haben?“

Sie war wütend. Nein, eigentlich war sie stinksauer. Die ganze Nacht über hatte sie sich danach gesehnt in Setos Nähe zu sein und als sie ihm näher war, als sie es sich je hätte träumen lassen tauchte doch tatsächlich ihr bester Freund auf und machte alles kaputt.

Schweigend standen sich die Beiden gegenüber und warfen sich die bösesten Blicke entgegen.

Joeys Blicke veränderten sich jedoch bald und man sah deutlich die Reue die er verspürte. Irgendwann hielt er es einfach nicht mehr aus.

„Ja, ok vielleicht hab ich ein bisschen überreagiert, aber du erzählst mir ja nix!“, grummelte er schließlich.

Wieso konnte sie diesem Kerl bloß nicht lange böse sein? Wahrscheinlich lag es an dem Dackelblick den er drauf hatte. Nannte Seto ihn deshalb immer Hund?

„Es ist lieb, dass du dir Sorgen machst, aber ich weiß was ich tu und wenn ich glaube, dass es an der Zeit ist, dann erzähle ich dir alles, ok?“

Joey schien ein wenig überfordert. „Du erzählst mir alles? Also war doch was.“

Jelana seufzte. „Komm Sherlock Holmes, ich lad' dich zu nem Eis ein!“
 

So saßen sie wenig später in einer Eisdiele in der Innenstadt und aßen ein riesiges Eis. Früher oder später musste sie ihm einfach alles erzählen, aber irgendwie fand sie, dass es nicht an der Zeit war. Sie hatte es irgendwie hinbekommen, dass das Thema erstmal gegessen war, doch es gab noch etwas anderes als ihre Vergangenheit, dass ihr auf der Seele brannte.

„Sag mal Joey. Würdest du jemanden für verrückt erklären, wenn er dir sagen würde, dass er Seto Kaiba mag?“, fragte sie nach einiger Zeit.

Ihr Gegenüber verschluckte sich prompt an seinem Eis und ließ vor Schreck seinen Löffel fallen.

„Verrückt? Durchgeknallt? Zeit zum Einweisen!“

Jelana seufzte. „Du glaubst niemand könnte ihn mögen oder? Aber meinst du nicht auch einen Eisklotz könnte man...naja...lieben?“

Sie wusste, dass ihm jegliche Gesichtszüge entwichen waren, doch sie traute sich nicht in anzusehen. Er dachte angestrengt nach, sie konnte die Zahnräder förmlich arbeiten hören.

„Ne, tut mir leid. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Es sind zwar viele Weiber hinter ihm her, aber die sind eh alle nur auf sein Geld scharf! Aber wieso fragst du? Kennst du etwa jemanden, der sich in ihn verliebt hat? Vermittelst du für Sayu? Die schien letztens so angetan von ihm. Deswegen warst du bestimmt bei ihm?! Aber ich dachte ihr hättet im Moment nicht so viel miteinander zu tun...“

Jelana unterbrach seinen Gedankengang, bevor er sich noch eine Gehirnzelle brach.

„Ehm. Sayu hat damit gar nichts zu tun. Wir reden momentan nicht mal miteinander, das ist eine ganz andere Geschichte.“, erklärte sie.

Offensichtlich hatte er den Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstanden, aber sie konnte beim besten Willen nicht sagen wie es war.

Zwar hatte sie sich eingestanden, dass sie Seto nicht nur mochte, sondern noch viel schlimmer – sie war in ihn verliebt, da war sie sich mittlerweile sicher, doch konnte sie es einfach nicht aussprechen.

Sie seufzte tief und beschloss lieber das Thema zu wechseln.

„Ich weiß gar nicht, ob ich weiter zur Theater AG gehen soll. Sayu war beim letzten Mal sowieso nicht da und die anderen Mädchen... nun die sind auch nicht gerade gut auf mich zu sprechen.“

Joey schien noch immer über die Sache mit Kaiba nachzudenken. Er sah sie seltsam geschockt an.

„Ehm, Joey. Alles ok? Hast du mir zugehört?“

„Du! Du bist in ihn verliebt!“

Nun war es an Jelana ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu bringen. Für einen Moment wusste sie nicht ob sie ihm einfach zustimmen oder alles abstreiten sollte.

„Ich...Quatsch! Wie kommst du denn darauf? Das ist total absurd!“

Verdammt er war doch sonst immer so schwer von Begriff, wieso verstand er ihre Andeutungen ausgerechnet jetzt?

„Pah, deswegen hast du ihn besucht! Und weil er ein Arsch ist hast du geweint, denn Seto Kaiba liebt niemand anderen außer sich selbst und seine Firma!“

Jelana war ein wenig geschockt. Noch nie hatte sie Joey so in Rage gesehen.

Sie kam gar nicht dazu zu antworten.

„Wieso hast du das nicht sofort gesagt? Verdammt wieso sagst du mir sowas nicht?!“

Aufgebracht stand er auf, man sah ihm deutlich an, dass er sich zusammenreißen musste, doch er schaffte es tatsächlich ruhiger zu werden.

„Du hast mir mal gesagt: 'Wenn du nicht drüber reden willst kann ich auch nix machen, aber dann lüg wenigstens nicht, ok? Ich will einfach, dass du weißt, dass du mit deinen Problemen zu mir kommen kannst.'. Eigentlich solltest du wissen, dass das gleiche auch für dich gilt. Aber ich habe das Gefühl, dass du nicht nur in den Kerl verknallt bist, sondern ihm mehr erzählst als mir. Dabei kenne ich dich doch viel besser. Ich dachte ich wäre dein bester Freund.“

Er war verletzt. Zutiefst verletzt. Das sah sie in seinen Augen. Und das verletzte sie.

Sie wollte ihren besten Freund nicht enttäuschen. Er hatte recht. Sie hatte damals gesagt, dass sie Lügen hasste und nun hatte sie selbst versucht ihn zu belügen. Sofort hätte sie zugeben sollen, dass sie Seto mochte.

„Joey, es tut mir leid.“, nuschelte sie, „Aber da ist noch so viel mehr. Wenn ich dir alles erzählt habe, dann verstehst du, wieso ich mit ihm und nicht mit dir gesprochen habe.“

„Wenn du mir alles erzählt hast? Na, das kann ja noch dauern. Du frisst ja schließlich alles in dich hinein oder rennst zu diesem Angeber!“

Er kratze sich verlegen am Hinterkopf, nahm seine Jacke und mit einem letzten Blick voller Enttäuschung verließ er das Café.

Autofahrt ins Unglück – oder doch ins Glück?

Der Rest des Wochenendes und auch der Montag waren quälend langsam an Jelana vorbeigezogen. Obwohl er im selben Zimmer wohnte, sprach Joey kaum mit ihr und ihr Verhältnis blieb angespannt.

Irgendwann hielt Jelana es einfach nicht mehr aus und sie wollte ihn zur Rede stellen und ihm endlich alles erzählen, doch entweder tänzelte Takumi um sie herum oder Aki war in der Nähe und den Beiden wollte sie nun beim besten Willen nicht unter die Nase reiben, dass sie eigentlich gar nicht ihre richtige Schwester war.

Also musste sie den richtigen Augenblick erwischen.

Doch vorher stand Schule auf dem Plan und da mittlerweile Dienstag war, musste sie danach auch noch zur Theater AG. Schließlich hatte sie sich noch nicht abgemeldet.

Da Joey im Unterricht jedoch nicht mit ihr quatschte, wie er es sonst immer getan hatte, hatte sie genug Zeit sich Gedanklich auf die Mädchen der AG vorzubereiten.

Eigentlich...

Aber da waren ja auch noch diese blauen Augen, dessen Blick sie verzweifelt suchte. Ob er genau so oft an den Kuss dachte wie sie es tat?

Ihr entfloh ein tiefes Seufzen. Das war sicherlich nur aus einer Laune heraus passiert und ihm war es einfach egal.

Am liebsten hätte sie ihn gefragt, aber das wäre mitten im Unterricht wohl mehr als unangebracht gewesen. Außerdem war sie dazu viel zu feige.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte sie auch die letzte Stunde hinter sich gebracht und bevor Joey aufstehen und gehen konnte hielt sie ihn am Arm fest.

„Joey, ich hab keine Lust mehr, dass wir so herum zicken. Das ist ja fast wie im Kindergarten.“, fing sie an.

Zu ihrer Überraschung sah er sie mehr erleichtert als wütend an. Sicherlich hatte er darauf gewartet, dass sie den Anfang machte. Er war eben nicht der Typ der sich gern Entschuldigte oder wenigstens sowas ähnliches.

„Ich muss noch zur Theater AG. Lass uns danach doch irgendwo hin gehen wo wir reden können, ok?“

Joey nickte. „Ich hol dich nach der Theater AG ab.“

Jelana war erleichtert, dass auf seinem Gesicht ein leichtes Lächeln zu sehen gewesen war. Ihm viel die ganze Sache wohl genauso schwer wie ihr.

„Na endlich! Ich dachte schon unsere Pausen würden immer so angespannt bleiben.“, seufzte Tea hinter ihr, schlug ihr Freundschaftlich auf den Oberarm und ging mit breitem Grinsen und den Jungs im Schlepptau aus dem Klassenzimmer.

Auch Jelana konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, während sie ihre Tasche packte.

Doch es war klar, dass dieses bald vergehen würde...
 

Als sie in dem großen Raum ankam in dem sie probten, durchfuhr sie ein kalter Schauer.

Auch Sayu war da. Jelana kramte in ihrem Gedächtnis. Hatte sie nicht gesagt, dass sie sich mehr für den Nähkurs und Seto Kaiba interessierte, statt für Schauspielerei?

Jelana fiel auf, dass sie keine Schulkleidung trug. Nein, stattdessen trug sie einen extrem kurzen Minirock und ein enganliegendes Top, aus dem oben ein Stück ihres BH's herausschaute.

Wie sie dem Gespräch zwischen ihr und einem anderen Mädchen des Kurses entnehmen konnte, war der Nähkurs wohl ausgefallen und sie war bloß zu Besuch hier.

Eine ziemlich unangenehme Situation für Jelana. Nicht nur, dass ihre ehemals beste Freundin ihr verächtliche Blicke zuwarf. Sie lästerte und tuschelte ausgiebig mit den anderen Mädchen, die sie offenbar alle gegen sie aufgehetzt hatte.

Jelana wusste schon während des Unterrichts, dass sie aus der Sache diesmal nicht so glimpflich herauskommen würde wie beim letzten Mal. Sie hatte es einfach so im Gefühl...

Und sie behielt Recht.
 

Als sie den Klassenraum verlassen hatte um sich auf den Weg zum Schultor zu machen, stellten sich Sayu ihr in den Weg. Etwas genervt hob Jelana den Kopf.

„Na, wo willst du denn hin?“

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“

„Aber ich dachte ich sei deine beste Freundin!“, erwiderte Sayu auf dieses Wortgefecht. Ein süffisantes Grinsen zierte ihr hübsches Gesicht.

„So wie du dich momentan aufführst bist du nicht mal mein Fußabtreter! Werd' wieder normal, dann reden wir weiter!“

Jelana war gar nicht wohl dabei, aber sie wollte einfach nicht zeigen wie sehr sie die Veränderungen ihrer Freundin verletzten.

Sayu sah sich um und Jelana folgte ihrem Blick. Ein fataler Fehler wie sie schon bald merken sollte.

Mit einem schweren Keuchen sackte sie zu Boden. Sayu hatte ihr Knie angezogen und ihr mit voller Wucht in den Magen gerammt.

Jelana schnappte nach Luft und noch ehe sie sich von diesem Schlag erholt hatte, kniete Sayu schon neben ihr. Sie griff nach ihrem Haar und zog nicht gerade sanft daran.

Jelanas Herz blieb einen Moment lang stehen, als sie sah, dass Sayu eine Schere in der Hand hielt. Sie hatte irgendwie das Gefühl, dass diese nicht nur an ihrem Haar eingesetzt werden würde.

„Wieso machst du das? Bist du verrückt geworden?“, knurrte Jelana mit zusammengebissenen Zähnen. Sie hatte keine Chance zu entkommen denn eine von Sayus Freundinnen, die offenbar hinter ihr gestanden hatte, hatte sie plötzlich von hinten an den Schultern gepackt und festgehalten.

Langsam näherte sich die Schere ihrem Gesicht.

„Was glaubst du? Hast du nicht bemerkt, dass es immer nur um dich ging? Damals als wir uns kennengelernt haben hat sich der Junge den ich mochte in DICH verliebt. Gut nur, dass du ihn nicht wolltest sonst hätte ich schon vorher gesehen was für eine hinterhältige Kuh du bist!“, zickte Sayu sie an.

Jelana verstand die Welt nicht mehr, doch Sayu fuhr unbeirrt fort.

„Auf der alten Schule warst du in unserer Clique total beliebt und wie ich bald feststellen durfte war ich lediglich toleriert!“

„Das stimmt doch gar nicht“, unterbrach Jelana sie wütend. Jeder hatte Sayu gemocht.

„Halt den Mund! Du weißt rein gar nichts! Als du krank im Bett lagst haben sie mich kaum beachtet! Die Stimmung war im Keller und alle haben nur darüber gesprochen wie sie dir die Krankheit erleichtern konnten. Erzähl mir nicht, dass das jemals jemand für mich getan hätte! Kaum wechseln wir die Schule geht der Mist von vorn los. Oder willst du mir etwa sagen, dass dein Joey und die anderen mich genauso gern haben wie dich? Aber eins sage ich dir. Wenn du mir schon alles vor der Nase wegschnappst, nach dem ich mich sehne – Seto kriegst du nicht. Und wenn ich dir dafür dein hübsches Gesicht zerkratzen muss!“

Jelana stockte der Atem. Sie hatte nicht gewusst, dass ihre Freundin so fühlte. Es war ihr schlichtweg nie aufgefallen.

Ehe sie auf Sayus Standpauke reagieren konnte sah sie schon, dass ein paar ihrer hüftlangen Haare zu Boden fielen.

„Du hast sie ja nicht alle!“, hörte sie eine vertraute Stimme.

Sie sah von ihren abgeschnittenen Haaren auf und spürte, wie sich der Griff um ihre Schultern lockerte.

Joey stand hinter Sayu. Offenbar hatte er ihr die Schere aus der Hand gerissen und nun stand er dort mit einem Blick, der sogar ihr einen Schauer über den Rücken jagte.

Sayu stand langsam auf und erwiderte anscheinend seinen Blick, was Jelana aus ihrer Position am Boden jedoch nicht sehen konnte.

Dann drehte sie sich um, schenkte Jelana ein breites Grinsen und während sie an ihr vorbei ging murmelte sie: „Glaub mir, das war erst der Anfang!“

Jelana saß noch immer am Boden. Sie war geschockt. Was zum Teufel war da gerade passiert?

Sie merkte, dass sich Joey neben sie kniete. „Ich glaub du musst zum Friseur.“, murmelte er.

„Ist sonst alles ok?“

Jelana nickte. „Ich bin froh, dass du hier bist. Wer weiß was sonst noch passiert wäre.“

„Ich fand es einfach seltsam, dass du mich so lange hast warten lassen und dann bin ich ungeduldig geworden und her gekommen. Du hast mir gar nicht erzählt, dass euer Verhältnis so schlimm ist!“

Jelana sah ihn an. Sie hatte sich weitgehend wieder gefasst und setzte wie immer ihr „es-ist-alles-ok-Lächeln“ auf.

„Es gibt einiges, das ich dir noch nicht erzählt habe. Aber das hole ich jetzt nach. Wo gehen wir hin?“

Joey half ihr auf und nachdem sie ihm ein Haargummi gegeben hatte, band er ihre Haare so zusammen, dass man das ziemlich auffällig abgeschnittene Stück nicht mehr sah.

„Hm, ab in den Park?“

„Ja, Park klingt gut.“, stimmte Jelana ihm zu.
 

Als sie im Park angekommen waren setzten sie sich auf eine der vielen Parkbänke. Der Herbst zeigte mal wieder, wie unangenehm er sein konnte und Jelana fröstelte ein wenig.

Dann fing sie an zu erzählen. Sie erzählte ihrem besten Freund einfach alles und er schien sie nun besser zu verstehen denn je.

„Na toll und ich hab mich benommen wie ein Idiot.“, murmelte er, als sie fertig war und er sie ein paar Mal tröstend in den Arm genommen hatte.

„Tut mir leid“

„Das macht nichts. Ich hätte es dir einfach früher sagen sollen. Aber jetzt ist alles gut.“

Sie dachte unweigerlich an den Moment zurück, als sie genau diesen Satz zu Seto sagte. „Jetzt ist alles gut“...

Wie wütend er plötzlich geworden war.

Sie seufzte. Kurz darauf hatte er sie geküsst. Auch das hatte sie Joey erzählt.

Verzweifelt kramte sie in ihrem Gedächtnis. Sie wollte das Thema wechseln.

„Du Jelana. Ist wirklich alles ok?“

Jelana sah ihn etwas verwirrt an. Es klang als hätte er es plötzlich sehr eilig.

„Hast du ein Date?“, fragte sie breit grinsend. „Oder wieso bist du so hibbelig? Willst du noch weg?“

Als er nicht antwortete und sie sein verlegenes Gesicht sah fiel ihr fast alles aus dem Gesicht.

„Wer ist die Glückliche?“

„Naja, du kennst sie noch nicht. Aber du wirst sie sicherlich bald kennenlernen. Übrigens ist das kein Date sondern eher sowas wie.. eine Versöhnung. Eine Aussprache.“

„Wow, zwei Versöhnungen an einem Tag. Das muss dir erstmal einer nach machen.“

Sie grinste.

„Nun geh schon. Und viel Glück.“ Mit einem kleinen Schubser hatte sie ihn von der Bank bugsiert.

Er schien noch etwas zu zögern. Wie Jelana ihn kannte machte er sich Sorgen nach der Sache mit Sayu.

„Du kannst nicht immer auf mich aufpassen! Ich schaff das schon. Für heute wird sie es gut sein lassen.“ sagte sie deshalb.

Nach einer gefühlten Stunde hatte sie ihn endlich überredet zu gehen und nun saß sie allein auf der Bank.

Seufzend öffnete sie ihren Zopf und zog ihre Haare nach vorn. Es fiel sofort auf, dass ein Stück fehlte. Na super. Sie musste sich also die Haare nun abschneiden.

Ein Blick ins Portemonnaie verriet ihr, dass sie sich das gerade eben noch leisten konnte...
 

„Na, klasse. Damit bin ich pleite für diesen Monat. Ich brauche dringend einen Nebenjob.“, bemerkte sie, als sie den Friseursalon verließ.

Ihre Haare reichten ihr nun gerade noch bis kurz unter die Brust und der Friseur hatte darauf bestanden ihr einen frechen Stufenschnitt zu schneiden. Das Ergebnis war wirklich sehenswert.

Nun stand sie dort mitten auf der Straße und wusste nicht, was sie mit dem restlichen Tag noch anfangen sollte. Doch die Tatsache, dass ihr Geldbeutel nun komplett leer war, brachte sie auf die Idee sich sofort einen Nebenjob zu suchen.

Sie war doch einmal in der Stadt, wieso also nicht?

Angestrengt dachte sie nach.

Da der Winter im Vormarsch war, konnte sie die Eisdielen knicken, aber soweit sie wusste hab es in der Nähe ein kleines Café. Fragen kostete ja nichts.

Also betrat sie ein paar Minuten später das gemütliche Geschäft und fragte nach dem Chef.

Dieser ließ sich recht schnell ausfindig machen und so stand schon wenige Minuten später ein Mann Mitte dreißig, mit blondem Wuschelkopf und charmantem Grinsen vor ihr.

Als sie ihm von ihrem Anliegen berichtete schien er hellauf begeistert.

„Ich weiß nicht ob du das Schild gesehen hast, aber eine Aushilfe haben wir dringend nötig. Gerader wenn der Winter kommt ist hier die Hölle los. Die Leute wärmen sich gerne bei Kakao und Kaffee auf und da ist das hier natürlich der richtige Ort.“, erklärte er.

Jelana freute sich darüber, doch wurde ihre Freude getrübt, als sie die knappen Uniformen der Mitarbeiterinnen sah. Das war auch der Grund weshalb sie zögerte.

Wenn ihr Bruder oder ihre Mutter etwas davon erfuhren, dann war die Hölle los.

Andererseits stand bald ein Klassenausflug an, der noch finanziert werden musste. Wenn sie ihrer Mutter dabei unter die Arme griff würde sie das sicherlich positiv stimmen und sie wäre nicht ganz so wütend, wenn sie es irgendwann herausbekam.

So wurde Jelana nach einem kurzen Probedurchlauf auch gleich eingestellt. Lächelnd und bester Laune verließ sie das Café....und rannte direkt in eine Person.

„Oh, das tut mir leid.“, murmelte sie den Satz, den sie langsam nicht mehr hören konnte.

„Man vor dir hat man ja nie seine Ruhe!“, ertönte eine kalte Stimme. Sie hob den blick und sah in zwei eisblaue Augen.

„Oh, Seto. Äh. Hi.“

Sie folgte seinem Blick auf das Schild hinter ihr, der langsam zu den Mädchen in den knappen Uniformen wanderte. Er zog eine Augenbraue hoch. Diesen Blick hatte sie noch nie bei ihm gesehen und sie musste sich eingestehen, dass er sie fast verrückt machte.

„Was hattest du denn da zu suchen?“

Jelana schluckte. Hatte sie nicht mal gesagt, dass sie Lügen hasste? Aber er würde das ganze in einem ihrer Streitmoment, die ja nicht gerade selten waren, sicherlich sofort ihrer Mutter erzählen und dann hatte sich die Sache erstmal.

„Öhm. Ich hab nen Kakao getrunken. Ist ja gar nicht mehr so warm draußen.“, sagte sie deshalb verlegen.

Eine kurze Pause des Schweigens entstand, als sie plötzlich seine Hand an ihrer Wange spürte. Er hatte nach ihrem Haar gegriffen.

„Du hast eine neue Frisur!“, stellte er sachlich fest.

Sie spürte wie nervös sie wurde. Wie schaffte der Kerl das? Bei Joey machte ihr das auch nichts aus.

„Ja, ich hatte es bitter nötig!“

Na wenigstens war das nicht gelogen.

Sie sah auf ihre Armbanduhr. „Du hör zu ich... ich muss los!“

Beinahe fluchtartig hatte sie sich umgedreht und wollte auch schon durchstarten, als sie jemand am Handgelenk festhielt. Etwas verwundert sah sie Seto an.

„Ich fahr dich nach Hause.“

Nun war sie es, die eine Augenbraue nach oben zog. Sie war sich sicher, dass es bei ihr nicht halb so gut aussah wie bei ihm.

„Wieso?“

„Es wird schon dunkel und ich hab keine Lust dafür verantwortlich gemacht zu werden, dass dir was passiert. Schließlich haben mindestens ein paar aus der Schule gesehen, dass wir uns unterhalten haben!“

Sie war hin und her gerissen. Auf der einen Seite war sie unglaublich gern mit ihm zusammen, doch nach dem Kuss war ihr die Sache mehr als peinlich. Außerdem hatte er sich nach Joeys Auftreten nicht gerade nett verhalten.

Aber sie hatte sowieso keine Wahl, dass sah sie in seinen Augen, die keinen Widerstand zuließen.

„Ok.“, gab sie sich schließlich geschlagen.
 

So waren sie schon bald in sein Auto eingestiegen und Jelana war nicht gerade wenig verwundert darüber, dass er nicht mit der Limousine gekommen war. Er stieg auf der Fahrerseite ein und öffnete die Beifahrertür von innen.

„Was ist? Brauchst du eine Extraeinladung?“, rief er ihr kühl zu, als sie noch immer etwas perplex vor dem schwarzen Wagen stand.

Eilig stieg sie ein und schon drückte er aufs Gaspedal.

„Wow, ich wusste gar nicht, dass du Autofahren kannst. Ich dachte wenn man immer herumkutschiert wird verlernt man sowas.“, stichelte sie ein bisschen um die, ihrer Meinung nach angespannte Stimmung zu lockern. Jedoch erhielt sie keine Antwort.

Dass sie bemerkte, dass er in die völlig falsche Richtung fuhr gab ihr jedoch erneuten Gesprächsstoff.

„Eh, wenn man selbst fährt sollte man sich auch die Wege merken. Ich wohne...“

Weiter kam sie nicht, denn er unterbrach sie.

„Hätte ich dir vielleicht vorher sagen sollen, dass ich noch was zu erledigen habe?“

Dieser Sarkasmus in der Stimme machte sie fertig. Ihre Mutter würde ihr den Hals umdrehen, wenn sie schon wieder so spät nach Hause kam und er war daran Schuld!

Wütend verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Na super. Das kriegst du wieder!“, grummelte sie.

Nach ein paar Minuten hielten sie an einem imposanten Gebäude. Erst als er mit den Worten „warte hier“ausstieg, fiel ihr auf, dass sie an diesem Ort noch nie gewesen war. Sie wusste aber, dass er noch zu Domino gehörte, auch wenn er viel ländlicher aussah. Sie waren einen Berg hochgefahren, so hatte sie nun einen Blick auf einen Teil der Stadt. Es war ein totaler Gegensatz.

Die Stadt dort unten war quasi eine Miniaturausführung Tokios und hier oben herrschte die reinste Idylle. Sie rief sich gerade die vielen Felder und Waldstücke in Erinnerung an denen sie vorbeigefahren waren, als jemand die Fahrertüre öffnete.

Seto setzte sich und er schien sichtlich schlecht gelaunt, weswegen sie es vorzog ihn gar nicht erst anzusprechen.

Schweigend waren sie also auf dem Rückweg, als plötzlich ein Wagen vor ihnen auftauchte, der gefährlich nah an ihre Spur geriet.

Fluchend musste Seto das Lenkrad herumreißen um nicht mit dem anderen Wagen zu kollidieren, da der Fahrer des anderen Autos jedoch nicht die Absicht hatte etwas dagegen zu tun, endete es damit, dass sie von der Straße abkamen.

Jelana war zu geschockt um irgendwas zu sagen und als sie, nach einer wackeligen Abfahrt, endlich zum Stehen kamen musste sie erstmal nach Luft schnappen.

Sie waren auf einer Wiese gelandet. Buchstäblich in einem Loch. Es war unmöglich den Wagen zurück auf die Straße zu schieben, da es bis dorthin steil bergauf ging.

Der Fahrer des anderen Autos war einfach davon gefahren...

Unerwartete Ereignisse

Sodelle, neues Kapitel da =). Viel Spaß beim lesen ^^
 

Kapitel 15 - Unerwartete Ereignisse
 

Nach einigen Sekunden fand Jelana ihre Stimme wieder. „Tja, damit nehme ich es zurück. Offensichtlich kannst du doch nicht so gut Autofahren.“

Sie war angenervt. Das passte ihr jetzt gerade gar nicht in den Kram. Ihre Mutter würde ihr den Hals umdrehen. Die Strecke zurück zu laufen war beinahe unmöglich, zu lang war der zurückgelegte Weg gewesen und da sie in etwa die Hälfte des Weges hinter sich gebracht hatten, war auch nicht daran zu denken zu dem Anwesen zurück zu laufen.

Seine Blicke sagten mehr als tausend Worte, das sah sie sogar im dunklen Wagen.

„Wie es dir geht muss ich dich ja offensichtlich nicht fragen, denn bei diesen unbrauchbaren Sprüchen ist mir klar, dass es dir nicht so schlecht gehen kann. Erkläre den Mist lieber dem Idioten in dem anderen Auto!“

Auch Seto war sauer, das hörte sie aus seiner Stimme heraus.

„Na super meine Mutter bringt mich um!!!“

„Hör auf zu meckern und ruf sie halt an, wir haben ganz andere Probleme!“

„Ohne Handy geht das leider nicht, mein Lieber. Das liegt zu Hause!“

Genervt rieb er sich die Schläfen mit den Zeigefingern.

„Dann nimm mein Handy, damit du endlich aufhörst zu nerven. Danach rufe ich Roland an, der soll uns hier raus holen!“, knurrte er nach einigen Minuten in denen er offenbar nachgedacht hatte.

Erleichtert tippte sie die Nummer ein, nachdem er ihr das Handy in den Schoß geschmissen hatte.

Jelana hatte ihrer Mutter gerade erklärt, dass sie in Sicherheit war und sie sich nicht Sorgen musste und, dass sie erst spät nach Hause kommen konnte, weil sie festsaß, als ein Piepen ertönte.

Die Verbindung brach ab und als sie auf das Display des Handys sah, war dieses ausgeschaltet.

Sie wusste, dass er ihr den Hals umdrehen würde.

„Ehm, Seto. Der...der Akku ist leer.“

Wutentbrannt riss er ihr das Handy aus der Hand, als würde er ihr nicht glauben.

„Na klasse. Ich wünsche dir eine gute Nacht. Die dürfen wir deinetwegen nämlich jetzt hier verbringen!“, knurrte er, nachdem er das Handy ausgiebig gemustert und schließlich in die nächstbeste Ecke geworfen hatte.

„Wieso bin ich das jetzt Schuld? Ich bin nicht in den Graben gefahren!“

„Hättest du nicht deine Mutter angerufen wäre der Akku jetzt nicht leer.“

„Ne, aber ich ne tote Frau sobald ich nach Hause komme!“

Da Beiden nichts mehr einfiel schwiegen sie einige Augenblicke.

„Kletter nach hinten, da ist mehr Platz.“, grummelte Seto jedoch nach einer Weile.

Seiner Stimmung nach zu urteilen war es wohl besser, wenn sie ihm nicht widersprach, so krabbelte sie auf die Rückbank. Gut, dass jemand mit viel Geld auch große Autos mit relativ großen Rückbänken fuhr.

Kurze Zeit, nachdem sie sich etwas gemütlich hingesetzt hatte, kam auch Seto nach hinten.

Jelana hatte den Kopf an die kühle Scheibe gelegt und sich gemütlich in die Ecke des Sitzes gelehnt. Seto saß auf der anderen Seite der Rückbank und starrte finster aus dem Fenster.

Eigentlich war Jelana hundemüde, doch sie konnte diese Stille nicht ertragen und da war sowieso noch eine Frage, die sie ihm stellen wollte.

„Wolltest du mich loswerden? Ich meine am Sonntag. Als Joey aufgetaucht ist.“

Er schwieg. Wütend holte sie aus und trat ihm gegen sein Knie. Empört sah er sie an.

„Spinnst du?“

„Antworte endlich mal wenn ich dich was frage!“

Er seufzte genervt und ihr lief ein Schauer den Rücken hinab. Das klang fast als hätte er sie am liebsten gemeuchelt.

„Vielleicht.“, war seine Antwort.

Jelana konnte es nicht fassen. „Du bist ein riesiges Arschloch geworden!“

Das waren die letzten Worte die sie sagte und sie lagen schwer im Raum.

Es war ihr egal.

Erst küsste er sie und dann ließ er sie völlig im Dunkeln tappen wenn sie ihm eine Frage stellte.

Ihr reichte es für heute. Der Tag war schon beschissen genug gewesen.

Sie setzte sich wieder in ihre vorherige Position und schloss die Augen. Doch an Schlafen war beim besten Willen nicht zu denken.

Mit der Zeit wurde es eisig kalt und als sie nach einer Weile die Augen öffnete sah sie, dass sich weiße Schneelocken auf dem Boden verteilt hatten.

Na super. Schlimmer konnte es ja gar nicht kommen.

Sie fröstelte. Für so einen plötzlichen Wintereinbruch war sie definitiv zu dünn angezogen.

Als sie gerade darüber nachdachte, ob Seto wohl auch fror, spürte sie, wie zwei Hände nach ihren Schultern griffen und sie zurück zogen.

Sie lag jetzt unweigerlich in seinen Armen und er rutschte so nah es ging an sie heran.

„Was machst du da?“ murmelte sie. Eigentlich sollte es noch wütend klingen, doch die Umarmung, seine Wärme und sein Atem in ihrem Nacken machten dies unmöglich.

„Dich wärmen und jetzt halt den Mund.“

Was sollte denn das jetzt? Wenn er sie doch loswerden wollte, dann konnte es ihm auch egal sein wenn sie erfror!

Aber eigentlich war ihr das im Moment egal, so kuschelte sie sich in seine Arme.

Seine Hände hatte er mittlerweile vor ihrer Brust verschränkt und irgendwie konnte sie nicht anders, als ihre Hände auf die Seinen zu legen und sanft über sie zu streichen.

Er gab einen tiefen Seufzer von sich, den sie nicht deuten konnte. Aber er klang nicht mehr ärgerlich.

Jelana konnte es nicht leugnen. Sie fühlte sich wohl bei ihm.

„Wieso bist du immer so?“, fragte sie schließlich. Sie war viel zu nervös. Schlafen konnte sie sowieso nicht.

„Hm?“

„Na so.. so kalt und undurchschaubar. In der einen Minute raubst du mir einen Kuss und in der nächsten schickst du mich einfach weg!“

„Gegenfrage: Wieso tust du immer so als sei alles in Ordnung, obwohl es das nicht ist? Wieso bemühst du immer es allen Anderen recht zu machen und nicht dir selbst, doch gleichzeitig zickst du herum, weil nichts so läuft wie du es gern hättest. Das hat was Schizophrenes!“ Es schien als wolle er das Wortgefecht weiterführen, was sie vor ihrem Kuss schon geführt hatten. Jelana wusste, dass sie so niemals was aus ihm heraus bekommen würde. Offenbar musste sie einfach mal nachgeben und ihm seine Fragen beantworten.

„Weil sich alle Sorgen machen wenn ich ihnen zeige, dass es mir nicht gut geht. Nicht nur, dass ihnen das viel Kummer bereitet...es nervt auch. Als würde meine Mutter nicht schon genug Theater machen.“, fing sie also an.

„Und ich zicke nicht herum! Ich gebe lediglich meinen Standpunkt bekannt und lasse mir nicht auf der Nase herumtanzen... auch nicht von dir!“

Wieder schwiegen sie. Sie löste sich aus seinem Griff und drehte sich so, dass sie ihn nun ansehen konnte.

„Jetzt bist du dran.“

„Vergiss es.“, murmelte er und seine Stimme war dabei kühl wie immer.

„Ey, ich hab die Gegenfrage beantwortet!“

„Mir egal.“

Jelana saß dort und funkelte ihn in der Dunkelheit wütend an, was er natürlich nicht sehen konnte. Was bildete er sich ein?!.

„Ich erzähl dir nie wieder was. Nicht wenn du nicht vorher meine Fragen beantwortet hast!“, zickte sie nach einer Weile.

Er stöhnte auf und erst aufgrund dieses Geräusches bemerkte sie, dass er ihr näher gekommen war, was sie in der Dunkelheit ja nicht sehen konnte.

„Kannst du nicht zur Abwechslung einfach mal die Klappe halten?“

Es war mehr ein Hauchen und genau das brachte ihr Herz dazu beinahe aus ihrer Brust zu springen. Was hatte er vor?

Sie würde es gleich erfahren, denn keine paar Sekunden später presste er seine Lippen auf die ihren.

Obwohl sie ziemlich verwirrt war, fiel es ihr nicht schwer den Kuss zu erwidern.

In ihrem Bauch begann es zu kribbeln und sie hoffte, dass sie nicht wieder unterbrochen werden würden.

Aber wer sollte mitten in der Nacht genau an diesem Ort sein und sie stören?

Vorsichtig legte sie ihre Hände in seinen Nacken und als er seine Hand an ihre Hüfte legte, fuhr ihr Magen Achterbahn.

Langsam wanderten seine Hände an ihren Oberschenkeln herab, bis er schließlich an ihren Kniekehlen halt machte um sie auf seinen Schoß zu ziehen.

Jelana half ihm dabei und so saß sie nun auf ihm, die Knie rechts und links von ihm auf den ledernen Sitz gedrückt und sie dachte gar nicht erst daran dabei den Kuss zu unterbrechen.

Seto offenbar auch nicht, denn er intensivierte den Kuss.

Kalt war ihr mittlerweile beim besten Willen nicht mehr, im Gegenteil, sie spürte wie sich eine angenehme Wärme in ihrem Körper verbreitete.

Sie spürte seine Hände, die über ihren Körper wanderten und sie genoss es.

Niemals bisher hatte sie jemand so berührt und sie wollte auch nicht, dass sie jemals ein Anderer so berührte.

Mit einem ratschendem Geräusch öffnete er den Reißverschluss ihrer Jacke, nur um sie dann über ihre Schultern zu streifen.

Kurze Zeit später bahnte er sich langsam seinen Weg unter ihr Oberteil und es dauerte nicht lange, bis er es ihr über den Kopf zog und es auf den Boden fallen ließ.

Er schien etwas verwundert darüber, dass sie nun nur noch im BH vor ihm saß.

„Du bist viel zu dünn angezogen.“, nuschelte er leise, während er ihren Hals mit Küssen versehrte.

Jelana hingegen brachte nichts als ein leises „Mhm“, hervor.

Als er mit einer Hand quälend langsam über ihren Rücken strich, verursachte das bei ihr eine Gänsehaut und sie rutschte automatisch noch ein wenig näher an ihn heran.

Mit der anderen Hand glitt er an ihrem Bein entlang, doch als er an dem Reißverschluss ihrer Jeans angelangt war, durchfuhr sie ein seltsames Gefühl.

Sie war noch nicht so weit. Was war, wenn er es nicht ernst mit ihr meinte? Was wenn Sayu recht hatte mit dem was sie gesagt hatte und er sie einfach nur ausnutzte, wie eines von seinen Betthäschen?

Ihre Zweifel übermannten sie schließlich und so hielt sie seine Hand fest.

Sie spürte wie sein Blick auf ihr ruhte. Eigentlich wollte sie ihm gerade erklären, dass ihr das alles zu schnell ging, wusste jedoch nicht wie sie anfangen sollte.

Sollte sie ihm sagen, dass es für sie das erste Mal war?

Doch er kam ihr zuvor, so dass sie erstmal keinen weiteren Gedanken daran verschwenden musste.

„Schon ok.“, sagte er, küsste sich an ihrem Hals entlang bis zu ihrem Mund und nachdem er ihr einen weiteren zärtlichen Kuss entlockt hatte, hielt er sie einfach nur im Arm.

Nach einiger Zeit zog Jelana sich wieder ihr Oberteil und ihre Jacke an, da die Kälte so freizügig sehr unangenehm wurde.

Zusammen legten sie sich nun quer auf die Rückbank. Keiner von Beiden sagte etwas und nachdem er seinen Arm um sie geschlungen und sie zu sich gezogen hatte, waren Beide schon nach einigen Minuten eingeschlafen...
 

Verschlafen richtete sie sich auf und nachdem sie sich den Schlaf aus den Augen gerieben hatte,sah sie sich um.

Neben ihr lag noch immer der schlafende Seto. Es wunderte sie, da er als Geschäftsmann sonst sicherlich auch früher auf war als sie.

Aber auch ein Firmenchef braucht mal Pause. Ein Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab.

Wie er da so lag. So friedlich, ja schon beinahe wie ein Kind. War das wirklich derselbe, der sie sonst zur Weißglut brachte? Der mit dem kalten Blick und der zerschneidenden Stimme?

Zärtlich strich sie ihm durchs Haar, bevor ihr Blick auf ihre Armbanduhr fiel, die mittlerweile schon neun Uhr anzeigte.

Es war wohl das erste Mal, dass Jelana die Schule schwänzte, aber was sollte sie schon groß tun?

Wie sie wohl von hier weg kommen sollten? Das Handy funktionierte ja nicht....

Sie hatte den Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, als sie eine Bewegung wahrnahm und als jemand extrem laut gegen die Scheibe des Kofferraums klopfte, fuhr sie erschrocken zusammen.

Durch das laute Geräusch wurde Seto geweckt und obwohl es wohl viel wichtiger gewesen wäre zu wissen wer um das Auto herum geisterte, so konnte sie den Gedanken daran, wie gut er so aussah, nicht einfach verwerfen.

„Kennst du den Kerl?“, fragte sie schließlich aber doch, als sie das Gesicht sah, dass sich an die Glasscheibe presste.

Seto musterte sie einen Augenblick, dann wanderte sein Blick zu der Person, die vor dem Auto stand.

„Ja, das ist einer meiner Chauffeure!“, erklärte er und machte sich dann auf den Weg um seinem Bediensteten eine der Autotüren zu öffnen.

„Mister Kaiba. Gut, dass sie wohlauf sind. Wir haben uns Sorgen gemacht. Ihr Bruder rief an, weil sie nicht nach Hause gekommen sind und so machte ich mich sofort auf den Weg um Sie zu suchen.“

Seto war mittlerweile aus dem Auto geklettert und baute sich nun vor dem kleinen rundlichen Mann auf.

„Gut, dann bringen sie uns von hier weg und kümmern sie sich um das Auto. Vielleicht kann man das noch retten!“

Wow. Da war sie wieder diese kühle Stimme. Hätte sie ihn am gestrigen Abend nicht erlebt, so hätte sie niemals geglaubt, dass er auch anders sein konnte.

Sie war noch völlig in Gedanken, als Seto den Kopf ins Auto steckte.

„Was ist? Willst du hier Wurzeln schlagen?“

„Eh, ich komme schon.“, nuschelte sie und eilig war sie aus dem Auto gestiegen, aber nicht ohne sich vorher den Kopf am Türrahmen zu stoßen.

„Autsch“

Noch ehe sie ihre Hand zu der gestoßenen Stelle führen konnte, hatte Seto seine auf ihren Kopf gelegt.

„Tollpatsch.“, sagte er Kopfschüttelnd und obwohl er das im üblich kühlen Ton sagte, ging Jelana das Herz auf.

Da sie nicht wusste was sie sagen sollte, zuckte sie nur kurz grinsend mit den Achseln und folgte ihm zum Auto, in dem schon der Chauffeur etwas entnervt wartete.

Seto und Jelana stiegen in die Limousine, die kurz darauf auch schon in Richtung Innenstadt rauschte.

Jetzt wo sie dort so allein saßen, vom Fahrer ungeachtet und ohne ein Gesprächsthema, so war Jelana die Situation schon etwas peinlich.

Immer wieder tauchten die Bilder des gestrigen Abends vor ihrem inneren Auge auf.

Egal was Sayu gesagt hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er ein Schwerenöter war. Sonst hätte er ihre Abfuhr nicht einfach hingenommen, sondern es weiter versucht... oder?

Ihr Blick wanderte zu ihm, suchten seine blauen Augen, die jedoch stur auf das Fenster gerichtet waren.

Dass er sie durch das Fensterglas beobachtete bemerkte sie nicht....
 

Die Fahrt war weiterhin schweigend von Statten gegangen. Der Chauffeur, der offenbar Friedhelm hieß, weswegen Jelana sich beinahe kaputtgelacht hätte, fuhr sie auf dem direkten Weg nach Hause. Etwas zögerlich stieg sie aus dem Auto und bevor der Wagen wegfuhr, schenkte sie Seto noch ein Lächeln. Diesmal war es nicht aufgesetzt, kein Teil ihrer anscheinend undurchdringbaren Mauer. Es war ein ehrliches Lächeln. Ein Lächeln nur für ihn.
 

Als sie die Tür zu ihrer Wohnung öffnete, wurde sie sofort von ihrer Mutter empfangen.

„Mum? Bist du gar nicht arbeiten?“

„Bist du verrückt? Doch nicht wenn ich weiß, dass meine Tochter irgendwo festhängt und ich nicht sicher bin, ob sie gesund nach Hause kommt!“, beschwerte sie sich.

„Bin ich. Alles gut.“

Ihre Mutter musterte sie eindringlich und als sie bemerkte, dass wirklich alles in Ordnung war, seufzte sie erleichtert.

„Irgendjemand von der Kaiba Corporation hat vor einigen Stunden hier angerufen und mir gesagt, dass sie den Chef vermissen, der mit dir unterwegs war! Was war denn genau los?“

Jelana war etwas verwundert, dass seine Bediensteten davon wussten, dass er mit ihr zusammen unterwegs war. Doch dann fiel ihr ein, dass er ja in diesem riesigen Haus irgendwas zu erledigen hatte. Sicherlich hatten sie es so erfahren.

Also erzählte Jelana ihrer Mutter die Kurzfassung des gestrigen Abend. Die Tatsachen, dass sie nun einen Nebenjob hatte und was genau vor dem Schlafen gehen geschehen war, ließ sie natürlich aus.

„Tja, da hattest du wohl Glück, dass du offenbar in sicheren Händen warst.“, sagte sie erleichtert, doch dann veränderte sich ihr Blick und Jelana wusste, dass irgendwas nicht stimmte.

„Was hast du denn mit deinen Haaren gemacht?“

„Ehm, ich dachte es sei Zeit für einen neuen Haarschnitt. Ich hatte es bitter nötig.“

„Hm. Na wenn du meinst. Aber wehe du heulst mir wieder die Ohren voll, weil dir deine langen Haare fehlen!“

„Ach Quatsch. Ich bin doch kein Kind mehr.“, nörgelte sie.

Ihre Mutter grinste und nach einigen weiteren Minuten in denen sie sich über Gott und die Welt unterhielten, beschloss ihre Mutter nun zur Arbeit zu gehen.

Jelana riet sie zu Hause zu bleiben und den Schlaf nachzuholen, den sie offenbar in der letzten Nacht nicht gehabt hatte.

Na wenn sie wüsste....
 

Der restliche Tag zog ereignislos an Jelana vorbei. Tatsächlich hatte sie viel Schlaf nachgeholt und als sie aufgewacht war, durfte sie die ganze Geschichte nochmal erzählen, weil Joey alle Einzelheiten wissen wollte.

Doch auch ihm verschwieg sie, was beinahe zwischen ihr und Seto passiert wäre. Auch wenn er ihr bester Freund war – über ihr nicht vorhandenes Sexleben musste sie ja nicht unbedingt mit ihm sprechen.

Nach dem Abendessen nötigten Aki und Joey sie schließlich dazu, sich endlich mal mit Duel Monsters auseinander zu setzen. Zu ihrer Überraschung bescherte es ihr viel Spaß, so dass sie die Zeit völlig vergaß und schließlich nur noch müde in ihr Bett sank.
 

Am nächsten Morgen fiel es ihr ausnahmsweise mal nicht schwer aus dem Bett zu kommen. Sie hatte am gestrigen Tag ja auch genug geschlafen.

Joey und ihr gelang es sogar pünktlich zur Schule zu kommen. Na wenn das kein guter Tagesanfang war.

Der Unterricht ging außergewöhnlich schnell an ihr vorbei und, dass Seto es in der Schule mied sie in die Arme zu schließen war ihr schon vorher klar gewesen, so dass es sie nicht weiter störte, dass er sich wie immer verhielt wenn andere dabei waren.

Da Donnerstag war würde sie endlich ihre zweite AG besuchen: Die Schülerzeitung.

Leider war sie am letzten Donnerstag ausgefallen und so konnte sie erst jetzt austesten, ob sie sich dort wohlfühlte. Außerdem konnte Jelana erst dann entscheiden, ob sie aus der Theater AG aussteigen konnte.

So machte sie sich nach dem Unterricht auf den Weg in den Computerraum. Außer ihr waren noch fünf weitere Mädchen und zwei Jungs da, die sie, im Gegensatz zu den Schülern der Theater AG, herzlich aufnahmen.

Was Jelana jedoch am Anfang noch nicht wusste war, dass zwei der Mädchen sie zusammen mit Seto gesehen hatte, als sie in der Stadt gewesen waren.

Als diese Information in den Raum geworfen wurde, war Jelana nicht nur herzlich Willkommen, sondern heiß begehrt.

Die Mädchen der Gruppe umgarnten sie und wollten alles über ihn wissen.

Jelana war das alles ziemlich peinlich und am liebsten wäre sie im Erdboden versunken. Immer wieder versuchte sie ihnen klar zu machen, dass es nur ein Zufall war, dass sie sich in der Stadt getroffen hatten, doch anscheinend wollte ihr niemand so recht glauben.

„Hm. Aber da du ja mit ihm mitgegangen bist, scheint ihr euch ja gar nicht so schlecht zu verstehen!“, fiel einem großen schlanken Mädchen mit Zahnspange auf.

Jelana kam gar nicht dazu zu antworten, da fuhr sie schon fort.

„Wie wäre es denn wenn du ein Interview mit ihm führst? Die Zeitung würde sich unglaublich gut verkaufen!“

Man war die begeistert. Eigentlich wollte Jelana das Angebot ablehnen, doch als auch noch die anderen Mädchen auf sie einredeten, sah sie sich gezwungen aufzugeben.

Na super. Was Seto wohl dazu sagen würde?
 

Als sie zu Hause auf der Couch saß, las sie sich die Fragen durch, die ihre neuen Kolleginnen aufgeschrieben hatten. Man, was die alles von ihm wissen wollten.... er würde ihr sicherlich den Hals umdrehen, wenn sie ihn einfach so fragen würde, wie alt er bei seinem ersten Mal war....

Sie seufzte entnervt, beschloss jedoch trotzdem ihm noch heute einen Besuch abzustatten. Wenn alles gut lief, dann würde sie definitiv in der AG bleiben.

Wenn die Mädchen sie nicht gerade wegen Seto ausfragten waren sie wirklich sehr nett und auch die beiden Jungs der AG waren ok.

Einer von ihnen sah sogar wirklich gut aus, was sie etwas gewundert hatte. Sie hatte viele Gerüchte gehört, dass nur Freaks und seltsame Leute bei der Schülerzeitung waren.

Eigentlich hätte sie von Anfang an wissen sollen, dass sie genau da hin gehörte.

Mit all diesen Gedanken hatte sie sich auf den Weg zu Kaibas Villa gemacht und nun stand sie vor seiner Tür und bereitete sich innerlich darauf vor ihm die unmöglichsten Fragen zu stellen und vor allem ihm nach der vergangenen gemeinsamen Nacht allein unter die Augen zu treten...

Kapitel 16 – Große und kleine Peinlichkeiten

So, hier geht es weiter mit meiner FF.

Ich hatte das Kapitel schon vorgeschrieben, war aber überhaupt nicht zufrieden und hab es mehrmals umgeschrieben. Richtig zufrieden bin ich noch immer nicht, aber es ist annehmbar, finde ich xD.

Danke an alle meine Abonnenten, Mitleser und Kommischreiber =).
 

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Kapitel 16 – Große und kleine Peinlichkeiten
 

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie in die Villa trat. Setos Bedienstete kannten sie nun schon, so brauchte sie keinerlei Überredungskünste um hineingelassen zu werden.

Doch ob Seto sie empfangen würde, würde sie erst in einigen Minuten erfahren. Noch immer etwas zögernd stieg sie die Marmortreppen zu seinem Büro hinauf.

Roland hatte ihr gesagt, dass er sich dort befand, aber sie hatte auch nichts anderes Erwartet.

Vorsichtig klopfte sie an die dunkle Holztür und zu ihrer Überraschung kam von der anderen Seite sofort ein unfreundliches „herein“.

Na super. Er hatte also schlechte Laune. Das war mies. Verdammt mies...

Langsam öffnete sie die Tür und lugte in den Raum. Sofort blieb ihr Blick an dem gutaussehenden Firmenchef hängen, der sich in seinem Bürostuhl nach hinten gelehnt hatte und sie nun musterte.

Für einen kurzen Augenblick glaubte sie Verwunderung in seinem Blick zu erkennen, doch wenn dem so war, so wusste er sie schnell zu überspielen.

„Na, du kannst ja anscheinend nicht genug von mir kriegen.“

Ihr fuhr eine Gänsehaut über den Rücken, als sie sein süffisantes Grinsen sah. Was bildete er sich eigentlich ein?

„Tja, ich muss dich enttäuschen ich bin quasi Beruflich hier... naja also nicht ganz, aber ich brauche dich für ein Projekt!“, erklärte sie sachlich.

Sie wartete eine Antwort ab, doch er schwieg und sah sie nur auffordernd an.

„Für die Schülerzeitung. Ich wollte... dir ein paar Fragen stellen.“, fügte sie also schnell hinzu.

Es dauerte etwas, bis er ihr antwortete.

„Du kannst von Glück reden, dass ich im Moment nichts zu tun habe und mich langweile.“

Er rollte mit dem Bürostuhl etwas von seinem Tisch weg und sah sie erneut auffordernd an.

Eigentlich wollte sie sich auf das Ledersofa setzen, doch auf diesem lagen Stapelweise Akten. Also suchte sie nach einer anderen Sitzmöglichkeit. Da er ihr dabei keinerlei Hilfestellung gab, ließ sie sich schließlich etwas trotzig vor ihm auf seinem Schreibtisch nieder.

„Deine Manieren hast du heute wohl zu Hause gelassen.“

„Pah, wenn du für deine Gäste keinen anderen Sitzplatz hast, dann musst du halt damit leben!“, gab sie zurück, schlug die Beine übereinander, damit er ihr nicht unter den Schulrock gucken konnte, ,und kramte einen Zettel aus ihrer Tasche.

Sie seufzte, als sie sich die erste Frage durchlas.

„Also nur damit das klar ist – ich habe mir die Fragen nicht ausgedacht. Das waren die anderen Mädchen von der Schülerzeitung.“

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie seine Mundwinkel ein winziges Bisschen nach oben zuckten.

Sein Blick war ununterbrochen auf sie gerichtet, was sie so nervös machte, dass sie sich kaum auf die Fragen konzentrieren konnte.

Um diesen Blicken wenigstens für kurze Zeit zu entfliehen, kramte sie in ihrer Tasche herum um einen Stift zu finden.

Als sie fündig wurde, starrte sie erneut auf das Blatt mit den Fragen.

„Ok, erste Frage. Wie kommt es, dass du so jung bist und deine eigene Firma besitzt?“

Sie wagte es nicht ihn anzusehen, da sein Blick noch immer auf ihr ruhte.

Da er aber nicht antwortete, sah sie ihn schließlich doch an und ihre Augen trafen auf die Seinen.

„Also?“, fragte sie nach einigen Sekunden des Schweigens.

„Nunja, die Umstände ließen es eben zu. Irgendjemand musste ja das Kaiba Imperium erben.“

Eilig machte Jelana sich ein paar Notizen. Eigentlich war das unnötig. Wenn sie ehrlich war, so wollte sie doch selbst alles über ihn wissen und sicherlich würde sie jedes Detail behalten und es unter keinen Umständen vergessen. Sie hatte absichtlich diese Frage gewählt.

Sie war eine der harmlosesten, wenn man die anderen betrachtete.

„Hm. Was ist deine Lieblingsfarbe?“

Sie sah, dass er eine Augenbraue hochzog. Offensichtlich fand er solche Fragen mehr als unnötig.

„Blau“, antwortete er deshalb knapp.

„Uuuund, dein Lieblingsessen?“

„Filet in Foie Gras Sauce“

Jelana hielt inne. Was zum Teufel war denn das?

Hätte er nicht Currywurst mit Pommes oder einfach Nudelsalat sagen können?

Sie beschloss so zu tun, als wüsste sie was das sei und es später einfach zu googeln.

Ihr Blick flog über ihr Blatt und sie stellte fest, dass nur noch eine harmlose Frage übrig geblieben war.

„Was sind deine Hobbys?“

Er dachte einen Augenblick nach, bevor er antwortete.

„Leute im Schach oder bei Duel Monsters zu schlagen – wobei das ja mittlerweile keine Herausforderung mehr darstellt, denn wer legt sich schon freiwillig mit jemandem an, der ihn sowieso in den Boden stampfen wird?“

Jelana unterdrückte ein Lachen. Man wie unglaublich eingebildet er sein konnte. Normalerweise hätte sie ihm einen Spruch reingedrückt, doch irgendwie war ihr nicht danach. Sie wollte das Interview so schnell wie möglich hinter sich bringen.

Doch nun kamen die persönlicheren Fragen und sie wusste, dass er sie nicht beantworten würde. Dennoch wollte sie es versuchen.

„Mh. Wann hast du zum ersten Mal ein Mädchen geküsst?“

Nun konnte sie ihn wirklich nicht ansehen, ihr war das Ganze so verdammt peinlich.

„Ich habe mich schon gefragt, wann du mit den eigentlichen Fragen herausrückst. Meine Firma oder mein Lieblingsessen ist deinen kleinen Freundinnen doch egal!“

Sie hörte, wie er mit seinem Bürostuhl etwas näher an den Schreibtisch und somit auch auf sie zu rollte.

„Ich war damals zwölf.“, antwortete er knapp. Sie wusste, dass sie keine näheren Informationen dazu bekommen würde, so fragte sie diesbezüglich nicht weiter nach.

„Ehm, nächste Frage. Mir ist das jetzt wirklich peinlich, aber ich muss die Frage wenigstens gestellt haben. Also natürlich aus redaktionellen Gründen... Wann, wo und mit wem hattest du dein erstes Mal?“

Sie schluckte und wartete darauf, dass er wütend wurde, doch zu ihrer Überraschung blieb er erstaunlich ruhig.

„Ich denke das geht keines dieser Mädchen etwas an.“

Jelana lächelte ihn kurz schüchtern an und sah sofort wieder auf das Papier vor sich. Ihr war das Ganze wirklich sehr peinlich und am liebsten wäre sie im Erdboden versunken.

„Ja, wahrscheinlich hast du recht, aber immerhin kann ich ihnen sagen, dass ich es versucht habe. Also gut, nächste Frage...“

Jelanas Blick flog über ihren Fragebogen und sie war sich sicher, dass er keine der Fragen beantworten würde. Außerdem brannte ihr selbst doch eine völlig andere Frage auf der Seele. Sie stand nicht auf ihrem Blatt, doch sie konnte nicht anders. Sie musste ihn einfach fragen.

„Bist du wirklich so ein Weiberheld, wie es alle behaupten?“

Er rollte ihr noch ein wenig entgegen und bevor sie ihn fragend ansehen konnte, war er aufgestanden.

So stand er nun direkt vor ihr und sah auf sie herab.

„Wieso interessiert dich das?“

Jelana sah ihn verwundert an. Er stemmte seine Hände rechts und links neben sie auf seinen Schreibtisch so, dass sein Gesicht ihrem nun sehr nahe war.

„Mich? Äh. Ich habe doch gesagt, dass die Mädchen sich die Fragen ausgedacht haben...“, stammelte sie. Was tat er da schon wieder?

„Nein. Haben sie nicht. Zumindest nicht diese Frage. Sie steht nicht auf dem Zettel.“

Jelana hielt den Atem an. Woher wusste er das?

Sie war zu nervös um zu verstehen, dass er aufgrund des hellen Lichtes, dass durch das Fenster auf das Blatt schien, die Fragen hatte lesen können.

„Also?“

„Naja, ich bin mir sicher, dass sowas gut ankommt. Ich meine in der Zeitung. Immerhin sind massenweise Mädchen hinter dir her und die wollen sicherlich wissen, ob sie Chancen haben...und wenn es nur für eine Nacht ist.“

Er rutschte noch ein wenig näher und sie spürte seinen Atem an ihrer Wange. Seine Augen waren starr auf sie gerichtet, warteten darauf, dass sie seinen Blick erwiderte.

Irgendwann gab sie es auf seinem eisigen Blick auszuweichen und sah ihn an. Auch wenn es ihr verdammt schwer fiel.

„Und?“; hakte sie nach.

„Hm. Vielleicht.“

Er grinste. Und wie er das tat.

Jelana rutschte, wie so oft, das Herz in die Hose und sie konnte sich selbst nicht erklären was sie dazu trieb, doch sie konnte einfach nicht anders, als ihre Lippen auf die seinen zu drücken.

Im ersten Augenblick schien er etwas perplex.

Er hatte wohl genauso wenig damit gerechnet wie sie selbst.

Doch wie er eben so war, fing er sich schnell wieder, nur um ihren Kuss leidenschaftlich zu erwidern.

Noch immer hatte sie keine vernünftige Antwort auf ihre Frage erhalten und die Antwort die sie erhalten hatte, hätte sie eigentlich stutzig machen müssen, doch stattdessen verfiel sie ihm ein weiteres mal.

Es machte sie verrückt... ER machte sie verrückt.

Sie konnte ihm nicht widerstehen und sie konnte es nicht Leugnen – sie mochte ihn nicht nur. Sie war verknallt.

Vielleicht noch mehr. Vielleicht liebte sie ihn sogar.

Egal was es war, es fesselte sie und ließ sie einfach nicht los. Ihr wurde klar, dass es egal war wie viele Frauen er hatte. Solange sie eine von ihnen war, war bisher alles gut. Auch wenn das verrückt klang. Für diesen Augenblick reichte ihr das.

Die beiden lösten sich voneinander und ihre Blicke blieben aneinander hängen.

Wieder näherten sich ihre Lippen einander, doch bevor sie sich trafen, klopfte jemand an die Tür.

Seto schien genervt, ließ sich zurück in seinen Stuhl fallen und nachdem er ein „Herein“ gebrummt hatte, erschien Roland, der ihm einen Stapel mit Blättern gab und Jelana ein ganz kurzes Grinsen schenkte.

Die Beiden waren es ja schon gewohnt, dass jemand dazwischen funkte, aber so langsam wurde es lästig...

Jelana senkte ihren Blick verlegen auf ihre Uhr und mit schrecken stellte sie fest, dass sie zu spät zu ihrem neuen Arbeitsplatz kommen würde, wenn sie sich nicht langsam auf den Weg machte.

Gerade am ersten Tag sollte sie nicht zu spät kommen, sicherlich würde sie sonst sofort rausgeworfen werden.

Offenbar hatte Seto jetzt sowieso einen Haufen Arbeit bekommen und somit keine Zeit mehr für sie. Die Situation war ihr sowieso etwas peinlich, so empfand sie es nicht als sonderlich schlimm gehen zu müssen.

„Ehm. Ich lass dich dann mal mit deinen chefmäßigen Aufgaben allein.“, sagte sie, während sie von seinem Schreibtisch rutschte und dabei den Mülleimer umstieß, der direkt neben ihr stand.

Eilig räumte sie den Haufen zerknüllter Papiere, der nun am Boden lag, wieder ein und stand dann etwas umständlich auf.

„Danke für das Interview. Ich. Ehm, hab noch was vor. Bis später.“

Sie lächelte ihm noch einmal kurz schüchtern zu und verschwand dann aus dem Zimmer, nur um dann, zwei Stufen gleichzeitig nehmend, die Marmortreppe hinab zu sprinten.

Sie wollte auf keinen Fall zu spät kommen...
 

Keuchend erreichte sie das kleine Café.

Eigentlich hatte sie sich völlig umsonst so beeilt – sie hatte noch gut zehn Minuten.

Jelana verschnaufte noch etwas, bevor sie die Tür öffnete und sich zu dem rot lackierten Tresen auf der linken Seite begab.

„Hallo, ich bin die Neue.“, erklärte sie einem Mädchen, dass gerade Kaffee einschenkte und ihr einen flüchtigen Blick zuwarf.

Ehe dieses jedoch antworten konnte, erschien ihr neuer Chef, der sie freundlich begrüßte und sie sofort mit Informationen überhäufte, die sie sich sowieso nicht merken konnte.

Dennoch nickte sie ab und zu interessiert. Sie wollte wenigstens so aussehen, als hätte sie eine Ahnung was er alles von ihr wollte.

Jelana lächelte dem Mädchen noch einmal freundlich zu und erst jetzt stellte sie mit Schrecken fest, dass es eines von den Mädchen war, die nun zu Sayus Clique gehörten.

Na super. Das war einfach zum Scheitern verurteilt... Waren die denn überall?

Konnte sie nicht einfach ein bisschen Glück haben?

Nur einmal?

Deprimiert machte sie sich auf den Weg zu der Kabine, die ihr Chef, der sich ihr als Kaito vorstellte, ihr gezeigt hatte und in der sie sich umziehen konnte.

Sie schlüpfte in ihre Arbeitsuniform und musste feststellen, dass sie noch kürzer war, als sie sie in Erinnerung hatte. So zog sie den Rock des schwarzen Kleides noch ein wenig tiefer, was letztendlich natürlich nichts brachte.

Im Spiegel musterte sie sich einen Augenblick. Eigentlich war die Arbeitskleidung wirklich niedlich.

Sie bestand aus einem schwarzen Kleid, dessen Rock nicht nur sehr kurz, sondern auch ziemlich eng war. Der relativ tiefe U-Förmige Ausschnitt, die Ärmel und der restliche Saum des Kleides, waren mit weißer Spitze bestickt.

Auch eine Schürze gehörte dazu, die sie sich eilig um die Hüfte band.

Viel Zeit um sich weiter um den kurzen Rock zu sorgen hatte sie nicht, denn das Mädchen vom Tresen steckte schon gleich den Kopf zur Tür herein um sie daran zu erinnern, dass „sie sich mal beeilen solle, da die Gäste ja nicht ewig warten!!!“.

Seufzend stieß sie die Tür auf um sich an die Arbeit zu machen.

Nachdem sie sich eingearbeitet hatte, lief es eigentlich ganz gut.

Auch mit dem Mädchen, das wie sie später erfuhr, Shana hieß, hatte sie bisher keine nennenswerten Probleme, mal abgesehen davon, dass sie ständig herum zickte.
 

Ihren ersten Arbeitstag hatte sie schließlich ohne größere Katastrophen hinter sich gebracht.

Gut, sie hatte zwei Tassen und einen Teller fallen lassen, aber ihr Chef zog ihr das nicht einmal vom Gehalt ab.

Im Allgemeinen schien er ein sehr netter Mann zu sein, doch irgendwie war es Jelana manchmal unangenehm, wenn er in der Nähe war. Sie wurde nervös und so passierte es, dass sie für eine Bestellung länger brauchte als im Normalfall und nur stotternd mit den Gästen kommunizierte.

Ihr war aufgefallen, dass er ihr und Shana offensichtlich gerne bei der Arbeit zusah.

Jelana dachte sich jedoch nichts dabei – er war schließlich der Chef und wenn die beiden etwas falsch machten, so hatte er hinterher die Probleme...

Sicherlich würde sich das geben, wenn er die beiden etwas länger kannte, da war sich Jelana sicher.

Ein Blick auf die Armbanduhr verriet ihr, dass sie recht pünktlich zu Hause ankommen würde, so hatte ihre Mutter glücklicherweise nichts zu meckern.

Der Freitag konnte also kommen. Zwar hatte sie an diesem Tag lange Schule und musste danach sofort zur Arbeit, doch am Abend würde sie sicherlich Zeit finden etwas mit ihren Freunden zu unternehmen – außerdem musste sie Joey ja noch wegen seiner Verabredung ausfragen.

Zu Hause wollte sie solche Gespräche vermeiden. Einer ihrer Brüder war immer in der Nähe und der Stress war somit vorprogrammiert.

Als sie den Schlüssel ins Türschloss steckte, bemerkte sie, wie müde sie war. Zur Verwunderung ihrer Mutter, machte sie sich also sogleich bettfertig und schon um 21 Uhr war sie tief und fest eingeschlafen.
 

Am nächsten Morgen fiel es Jelana sehr schwer aufzustehen. Ihr taten die Glieder weh und wieder einmal plagten sie starke Kopfschmerzen.

Ob sie etwas ausbrütete? Sie konnte doch jetzt nicht krank werden!

Völlig lust- und kraftlos wusch sie sich, putzte sich die Zähne und zog ihre Schuluniform an.

Joey war die ganze Zeit um sie herum getänzelt und erklärte ihr, dass sie sich beeilen müsse, da sie sonst wieder zu spät kamen.

Jelana wunderte das ungemein – Joey war doch früher ständig zu spät gekommen und da war es ihm egal gewesen.

Aber offensichtlich hatte er seine Einstellung geändert, weswegen er sie auch zur Schule hetzte, wie es sonst nur ein gestresster Vater tat.

Natürlich lief mal wieder gar nichts so wie es laufen sollte und schon in den ersten Stunden dieses Tages begriff Jelana, dass dieser nicht so schön werden würde, wie sie es gestern noch vermutet hatte.

Die beiden rasten gerade über den Bürgersteig, als sie ein lautes Motorengeräusch hörten.

Jelana stand schon auf der Straße, die die beiden überqueren wollten und konnte noch im letzten Augenblick zur Seite springen, als ein Auto mit Vollgas auf sie zuraste und erst im letzten Moment stehen blieb.

Sie hatte sich doch umgesehen bevor sie auf die Straße gegangen war und kein Auto war in der Nähe gewesen – musste der Kerl so rasen?

Da Jelanas Laune am heutigen Tag nicht die Beste war, gab es kein Halten und sie ließ ihre ganze Wut an dem Mann aus, der das Fenster ein Stückchen heruntergekurbelt hatte.

„VOLLIDIOT! HAST DU KEINE AUGEN IM KOPF? SONNTAGSFAHRER! IHNEN SOLLTE MAN DEN FÜHRERSCHEIN WEGNEHMEN!“, schrie sie deshalb.

Eigentlich beachtete sie den Mann dabei gar nicht, der offensichtlich was entgegnen wollte, sondern stampfte wutentbrannt weiter in Richtung Schule.

Joey war ihr gefolgt und nachdem er deftige Beschimpfungen über sich ergehen lassen musste, weil er sie mindestens dreimal gefragt hatte, ob es ihr gut ging, erreichten sie die Schule.

Zu ihrer Überraschung waren die Beiden gerade noch pünktlich und stürmten zeitgleich mit dem Schellen der Schulglocke in das Klassenzimmer.

Eigentlich wollten die zwei sich gerade setzen, doch fiel ihnen auf, dass statt ihres Englischlehrers ein fremder Mann vor der Tafel stand, der die beiden belustigt musterte.

„Oh, zwei Spätzünder!“, fing er an zu reden. Jelana fiel sofort auf, dass er eine sehr angenehme Stimme hatte.

Das Grinsen des Mannes wurde breiter.

„Ich habe mich gerade schon vorgestellt, ich bin euer neuer Englischlehrer, Herr Matsumoto.“, er machte eine kleine Pause.

„Es sei denn euch ist 'Vollidiot' oder 'Sonntagsfahrer' lieber.“

Jelana rutschte augenblicklich das Herz in die Hose und die Röte schoss ihr ins Gesicht. Sie hob den Blick. Tatsächlich war das der Mann, der in dem Auto gesessen hatte, das sie beinahe angefahren hätte.

Verzweifelt wartete sie darauf, dass das berühmt berüchtigte Loch erschien, in dem sie einfach verschwinden konnte – das war natürlich reines Wunschdenken.

So grummelte sie etwas unverständliches und warf Joey einen wütenden Blick zu, da er gerade dabei war sich vor Lachen den Bauch zu halten.

„Das wäre nicht nötig gewesen, wenn sie mich nicht beinahe zu Apfelmus verarbeitet hätten!“, erwiderte Jelana nun also.

„Ich nehme dir das nicht krumm. Ich war wirklich etwas schnell unterwegs, aber ich habe ein neues Auto und das musste natürlich sofort voll und ganz ausgetestet werden. Es tut mir aufrichtig leid, dass ich dich beinahe angefahren habe.“

Sie musterte ihn noch immer grummelnd, doch ihre schlechte Stimmung verschwand ein wenig. Dieser Kerl hatte wirklich ein charmantes Grinsen und wenn sie ihn so genau betrachtete, so schien er gar nicht so viel älter als seine Schüler zu sein.

Ein Frischling also.

Joey und Jelana setzten sich und noch bevor der neue Lehrer anfing zu unterrichten, erklärte Joey den anderen die vorgefallene Situation. Natürlich brach auch unter Yugi, Tristan und Tea lautes Gelächter aus, was jedoch zu leisem Kichern wurde, als Herr Matsumoto sie freundlich darauf hinwies, dass er gerne den Unterricht beginnen würde.

Ihr Blick huschte kurz zu Seto, der die Hand an die Lippen gelegt hatte und sie war sich sicher ein kurzes Lächeln darauf zu sehen...
 

Wenigstens der Rest des Schultages verlief ohne Peinlichkeiten. Jelana fand, dass die Sache mit ihrem Lehrer auch mehr als genug für einen Tag war.

Ihre einzige Sorge, nachdem die Glocke zum Schulschluss geläutet hatte, war wie sie ihre Freunde fürs erste los wurde.

Sie wussten noch nichts von ihrem Nebenjob und sie wollte ihnen diese Tatsache auch nicht unbedingt unter die Nase reiben.

Da Joey und Yugi aber sowieso in den Spieleladen von Yugis Großvater wollten und Tea und Tristan sich anboten mitzukommen, hatte sich auch das Problem beinahe wie von selbst gelöst.

Zwar trennten sich jetzt ihre Wege, doch die fünf hatten sich für den Abend zu einem gemütlichen DVD Abend verabredet.

Die Vorfreunde auf den Abend hob ihre Laune wieder ein wenig und sie hoffte, dass der Tag doch noch ein Erfolg wurde.

Doch da wusste sie noch nicht, was an so einem Freitag alles schief gehen konnte...



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Kommentare zu dieser Fanfic (20)
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Von:  CharleyQueens
2011-03-04T12:38:26+00:00 04.03.2011 13:38
So, ich hab's mal wieder geschafft, ein Kapitel zu lesen. Verzeih mir bitte, dass es so lange gedauert hat.
die arme jelana tut mir wirklich leid. sie hat es aber auch schwer.
dass mit dem fröschesezieren ist echt widerlich. aber der lehrer ist auch schrecklich. erinnert mich an meinen alten physiklehrer.
dass jonouchi ihr geholfen hat, war wirklich nett von ihm. (ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich die originalnamen verwende?)
ich hoffe, sie schafft es auf das turnier zu kommen.
LG, Lilim
Von: abgemeldet
2011-02-21T09:01:30+00:00 21.02.2011 10:01
waaaaayy wie geil xDDD
huihuihui :3 ich kann dazu einfach nichts schreiben, es ist einfach nur g e i l!!! XP
deine Yuri <3
bübü gute besserung ;)
Von:  Chikakiima
2011-02-03T14:11:18+00:00 03.02.2011 15:11
Super Story.
Ich habs in einem Zug durchgelesen.
Du hast einen guten Schreibstil und die Storyline ist gut durchdacht.
Ich kanns kaum erwarten weiter zu lesen :)
Mach weiter so :)

Chika-chan ;)
Von: abgemeldet
2011-02-02T21:51:49+00:00 02.02.2011 22:51
yeah, da gehts zur Sache xDD
nein spaß^^
auf jeden fall ein tolles kapitel :D
mach weiter so süße :3
wird immer spannender ;)
*popcorn auf die einkaufsliste schreib*
bis dann :D
Yuriii <3
Von: abgemeldet
2011-01-29T17:40:15+00:00 29.01.2011 18:40
Böse Freundin! -.-
Wenn das einer bei mir gemacht hätte!
Meine schöne lange Haare ~_~
Aber Joey kam ja genau richtig :D
Bestimmt sieht Jelena mit ihrer neuen Frisur viiiell hübscher aus :D
Super Kapii :D
Yuriiii <3
Von: abgemeldet
2011-01-29T17:37:57+00:00 29.01.2011 18:37
T_______T
er hat sie geküsst!!!! AWWWWWWWWWWWWWW *_____*
das kapi war einfach nur klasse :D
mach weiter so!
Von:  little_sunshine
2011-01-20T22:13:26+00:00 20.01.2011 23:13
LoL
"Ich fass es nicht", irgendwie echt typisch für sie...xD

das mit Seto und ihr war eine echt süße Scene, konnte sie direkt vor meinem Auge sehen, wie sie unsicher das erste greift was sie findet und sich dann bedankt, oh meine güte, wie süß^^

Mokuba ist auch der Hammer, schön das er noch vorkommt, hatte schon befürchtung du hättest ihn vergessen, aber anscheind vergisst du nichts ;)

bis jetzt eine Tolle Story, bin schon gespannt was Joey für ein geheimnis hat, auch wenn ich mir schon denken kann was es ist T^T
armes pattpatt ...

freu mich schon auf weiteres ^.^
LG sunny
Von:  little_sunshine
2011-01-20T21:49:25+00:00 20.01.2011 22:49
Oh meine Güte, es wird spannend, was hat Kaiba für ein Geheimnis, was hat Takumi damit zu tun und warum setzt sich Joey so für sie ein, ...uhhhh!?

spannend spannend, ich finds toll das Joey sie noch nicht mal richtig kennt und sich schon bei ihr durchfüttern lässt.
Auch das er sie dafür begleitet und sie beschützt und ihr hilft... (ist joey nicht süß??) xD

freu mich schon wies weiter geht
mach weiter so
LG sunny
Von:  little_sunshine
2011-01-20T21:30:30+00:00 20.01.2011 22:30
och man, Setolein kann ja richtig ... nett?... sein... xD
lol
und das von mir, is auch lustig xD

wieder mal ein tolles Kapitel, ich versteh gar nicht, warum du so wenige Kommentare hast... zur Entschädigung (und weils mir Spaß macht) schreib ich dir jetzt zu jedem Kapitel ein Kommentar *hihi*

Das mit der Jelana Oma war toll, vor allem auch toll geschrieben, wundert mich gar nicht das der Prnakengorilla darauf reingefallen ist, aber hoffentlich passiert nicht noch was schlimmes (obwohl ne vorahnung habe... -.-) ...

Bin schon gespannt wies mit Seto und Jelana weitergeht ^^

^.^
Lg sunny
Von:  little_sunshine
2011-01-20T21:11:14+00:00 20.01.2011 22:11
NEIN, sie sollte ihm definitiv nicht aus dem Weg gehen xD
Arme Jelana (ha, langsam kann ich ihn mir merken xD), das sowas auch grade ihr passiert, aber ich hätte nicht viel anderes reagiert, hätte ich aufbekommen einen Frosch zu zerstückeln, igitt.. igittigitt.

Bin schon gespannt ob sies schafft auf das Tunier zu gehen.
Und vor allem wie Joey sich in der Story noch macht *Joey fan bin*
scheint ja so als entwickelt er sich langsam auch zu nem guten Freund von Jelana ^.^

Lg sunny


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