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Unsterblich

My Immortal ~ Eternal Chronicles
von

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Kleine Diebe

Leana schaffte es in dieser Nacht nicht, einzuschlafen. Nach allem, was am Tag geschehen war und was sie erfahren hatte, wollten ihre Gedanken partout nicht zur Ruhe kommen, hielten sie wach und machten sie derart unruhig, dass sie den Versuch schließlich aufgab und aufstand, um noch etwas umherzulaufen. Rasch ließ sie die Lichtung mit den Schlafenden und den noch glühenden Kohlen hinter sich und tauchte geradezu ins Unterholz ein.

In der Nacht wirkte das Rot der Bäume noch dunkler und bedrohlicher als am Tag, so als wäre wirklich Blut auf sie getropft und wäre nun dabei zu trocknen, weil niemand sich die Mühe machte, es wegzuwischen. Das einfallende fahle Mondlicht half auch nicht, um etwas von der Szenerie harmloser erscheinen zu lassen.

Aber immerhin spürte sie keinerlei Bedrohung. Außer ihnen schien sich niemand in diesem Wald aufzuhalten, jedenfalls niemand mit feindlichen Absichten. Aber sie war sich sicher, dass Hyperion noch in der Nähe war und sie beobachtete, auch wenn sie nicht wusste, weswegen. Wenn er sie auf Geheiß einer Person, möglicherweise sogar dieser Eos selbst, beobachtete, warum war das dann so?

Was wollte diese Person von ihr?

Sicher, am Einfachsten wäre es gewesen, selbst zu ihr zu gehen und sie zu fragen, aber ohne Shinken empfand Leana das als zu unsicher, solange sie nicht mehr über diese andere Person wusste.

Auf einer anderen Lichtung angekommen, setzte sie sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm. Den Kopf in den Nacken gelegt, blickte sie in die Äste des Baumes. Blätter und vereinzelt durchfallendes Mondlicht war zu sehen, aber das war genug für sie, mehr wollte sie auch gar nicht sehen, sie wollte nur weiter ihren Gedanken nachhängen.

Zetsu, ihr Zetsu, war zersplittert, sie wusste nicht, in wie viele Teile, sie hatte nicht danach gefragt, weil es unerheblich war. Die Splitter waren nun eigenständige Menschen,, handelnde Individuen, die man nicht einfach wieder aus ihrem Leben reißen konnte, nicht einmal, wenn es dafür war, Zetsu wieder zusammenzusetzen. Sie wollte nicht einmal daran denken, dass Ayumu oder Hyperion oder möglicherweise noch ein anderer Splitter, für diesen Zweck sterben müsste.

Und auch Tokimis schonende Methode behagte ihr nicht im Mindesten. Sie konnte nicht anders als Wut auf die Chaos-Eternal zu verspüren, dafür, dass sie sich anscheinend nicht sonderlich viel aus Menschenleben machte, dass sie diese manipulierte, wie es ihr passte.

War das die Vorstellung der Eternal der guten Seite, wie man Welten beschützte?

Leana war im Moment mehr als nur erleichtert, dass weder sie noch Zetsu sich je darüber Gedanken gemacht hatten, ob sie sich dieser Fraktion anschließen sollten. Wie er dazu gestanden hatte, wusste sie nicht genau, aber sie war nie daran interessiert gewesen, ihr war nur danach gewesen, die Ewigkeit mit ihm zu verbringen. Und da er es ebenfalls nie zur Sprache gebracht hatte, war es ihm wohl genauso mit ihr ergangen.

Und nun war sie allein, nur von seinen Splittern umgeben.

Was sollte sie nur tun?“

„Alles okay?“

Sie wandte den Blick von der Baumkrone ab und blickte zu Ayumu hinüber, der neben ihr stand. Er hatte sich gegen den Baum direkt neben ihren gelehnt, die Arme vor dem Körper verschränkt, er sah sie nicht einmal an, sondern blickte selbst nach oben.

„Was willst du?“, erwiderte sie unfreundlich, statt auf seine Frage zu antworten.

Er ließ sich davon allerdings nicht beirren. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“

„Das wäre nicht nötig gewesen. Ich wollte nur ein wenig allein sein.“

Sonderlich überzeugt schien er davon nicht. Er neigte den Kopf ein wenig. „Du bist aber traurig – und meine Erfahrung zeigt mir, dass man jemanden, der traurig ist, nicht einfach sich selbst überlassen sollte.“

„Spar dir das.“ Sie schüttelte entschieden mit dem Kopf. „Ich bin nicht wie andere Menschen.“

„Vielleicht, aber es kann trotzdem nicht schaden, wenn jemand bei einem ist.“

Sie widerstand dem Drang, ihn fortzuschicken, sondern beschloss, ihn einfach zu ignorieren, aber das gefiel ihm offenbar nicht sonderlich, denn er meldete sich sofort wieder zu Wort: „Was du heute erfahren hast, muss echt schlimm für dich sein.“

„Für dich denn nicht?“

Immerhin hatte er gleichzeitig gelernt, dass er eigentlich nur Teil eines Ganzen und nicht vollständig war. Leana konnte sich nicht vorstellen, dass man das einfach so wegsteckte. Doch er zuckte mit den Schultern. „Ich denke, im Grunde habe ich es immer irgendwie geahnt.“

„Was meinst du damit?“

Er schwieg für einen Moment, begann aber sacht zu lächeln. „Schon als ich jung war, hatte ich immer diese seltsamen Träume, von anderen Welten, einer wunderschönen, silbernen Klinge... und einer jungen Frau, die von Rosen umgeben war. Und ich wusste immer, dass es mehr als nur Träume sind.“

Leana erwiderte nichts darauf, auch wenn sie wusste, was diese Träume zu bedeuten hatten, auch wenn dies nun der allerletzte Beweis für sie war, dass er wirklich einer der Splitter war und es sich bei ihrem Treffen nicht nur um einen reinen Zufall handelte.

Er machte sich anscheinend nichts daraus, dass sie nichts sagte, dafür griff er an die Schwertscheide, die an seinem Gürtel befestigt war. „Und dieses Schwert hier, 'Hakumei', ist auch ein Indiz dafür. Es erschien wenige Tage nach meiner Geburt neben mir.“

Leana blickte auf das Schwert. Bislang hatte sie diesem keine weitere Beachtung geschenkt, aber sie fand es doch ungewöhnlich, dass er ein Katana mit sich trug. Sie hatte immer geglaubt, jene wären zu lang und zu schwer für einen Ninja und würden diesen nur aufhalten, aber er blickte fast schon liebevoll darauf hinunter – so ähnlich wie Zetsu manchmal 'Gyouten' betrachtet hatte.

„Warum hast du es so genannt?“, fragte sie leise.

Sie wusste, dass dieses Wort Dämmerung oder Zwielicht bedeutete, aber sie verstand nicht, warum dieses Schwert so hieß. Wenn er und das Schwert Splitter von Zetsu und 'Gyouten' waren, warum trug es dann einen Namen, der das genaue Gegenstück bedeutete?

Allerdings... Wenn sie so darüber nachdachte, war auch Ayumus Aussehen das genaue Gegenteil von Zetsu. Sie verstand nicht, was das alles bedeuten sollte und einmal mehr wünschte sie sich wieder Zetsu an ihre Seite. Nicht unbedingt, weil er es verstanden und ihr hätte erklären können, sondern weil allein seine bloße Anwesenheit sie beruhigte, um sie wegen so vieler ungeklärter Fragen nicht wahnsinnig werden zu lassen.

Er schüttelte mit dem Kopf. „Ich habe es nicht so genannt. Es sagte mir, dass es so heißt.“

Das sprach eindeutig dafür, dass es ein Shinken – oder zumindest ein Teil davon – war.

Warum machte sie diese inneren Feststellungen noch? Sie brauchte doch keine Beweise mehr dafür, dass sie beide Splitter waren.

„Ich verstehe.“

Da sie schwieg, fühlte er sich wieder berufen, etwas zu sagen: „Was wirst du jetzt tun?“

Sie war sich ziemlich sicher, dass er erwartete, dass sie darüber nachdachte, wie sie Zetsu wieder zusammensetzen könnte – aber alles, worum sich ihre Gedanken drehten, war die Tatsache, dass sie ihn möglicherweise nie wiedersehen würde.

„Ich weiß es nicht“, murmelte sie leise. „Ich weiß es einfach nicht.“

Sie zog die Beine an, schlang die Arme darum und vergrub ihr Gesicht an ihre Knien. Zu ihrem Glück schwieg Ayumu daraufhin und spendete ihr damit einen stillen Trost, den sie in diesem Moment gut gebrauchen konnte.
 

Keiner aus der Gruppe ahnte auch nur im Mindesten, dass sich, gar nicht weit von ihnen, wieder Unheil zusammenbraute – und ausnahmsweise hatte es nicht mit Eos oder Hyperion zu tun. Stattdessen waren zwei Mädchen im Wald unterwegs, die besonders durch ihr langes rosa Haar auffielen. Aber abgesehen davon hatten beide noch je eine ganz außergewöhnliche Sache, die sie einzigartig machte. Die eine erinnerte von ihrer kleinen Größe her an eine zum Leben erwachte Puppe – und die andere reimte gerne, wenngleich auch ziemlich grottig.

„Heute Nacht, da wird gewacht, denn dann ist Schicht im Schacht“, gab sie im fröhlichen Singsang von sich, worauf das kleine Mädchen, das einer Puppe gleichkam, das Gesicht verzog. „Marly, lass das endlich oder lern zumindest reimen.“

Seit Jahren schon war sie diesen schlechten Reimen ausgeliefert und nicht zum ersten Mal stellte sie diese Anforderung an Marly, aber stets wurde das ignoriert, was sie sehr frustrierend fand.

Plötzlich blieb Marly stehen und hob belehrend den Zeigefinger. „Heute werden wir suchen die Sue, dann sind wir Fuu bald los im Nu.“

Das kleine Mädchen, das Mey hieß, neigte den Kopf ein wenig. „Wer ist denn jetzt Sue?“

Marly seufzte schwer und setzte ihren Weg fort, worauf Mey ihr wieder folgte, nicht zuletzt weil sie neugierig war, was sie vorhatte – und ob es wirklich funktionieren würde, um den Magier, der ihr schon immer ein Dorn im Auge gewesen war, los zu werden. Bislang hatte er es immer geschafft, sich aus allem herauszuwinden, er war mit mehr Glück als Verstand gesegnet, wie Mey fand. Aber in seinem speziellen Fall war das wohl auch recht einfach, immerhin war er nicht gerade der Schlauste.

Als die Lichtung, auf der Tokimi, Ylva und Fuu schliefen, in Sicht kam, blieb Marly wieder stehen. Neugierig lugte sie durch die Äste eines Busches, um nicht gesehen zu werden, falls einer der Schlafenden zufällig wach werden sollte. Mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck, deutete Marly auf den Fächer in Tokimis Händen. „Das ist unser Trumpf, um loszuwerden den Schlumpf!“

Mey blickte skeptisch auf das papierne Werkzeug, das aussah wie jeder andere Fächer, den sie bislang in ihrem Leben gesehen hatte. Gut, die Eternal hielt ihn selbst im Schlaf fest, aber möglicherweise auch einfach nur, weil er ein Andenken war, das bedeutete nicht, dass er über irgendwelche Kräfte verfügte. Aber wenn Marly davon überzeugt war...

Da sie kleiner und ein wenig geschickter war als Marly, betrat Mey die Lichtung und näherte sich vorsichtig Tokimi. Die Eternal schlief friedlich und völlig arglos, das Gesicht absolut entspannt, sie lächelte sogar ein wenig als ob sie etwas Schönes träumen würde. Aber Mey machte sich keine weiteren Gedanken mehr darum, sondern griff nach dem Fächer. Es war überraschend einfach, ihn aus Tokimis Händen zu lösen und ihn sich selbst an die Brust zu pressen, ehe sie sich leise auf den Rückweg machte.

Die Eternal schien den Verlust nicht einmal zu bemerken, sondern murmelte nur leise etwas, in dem lediglich das Wort Onigiri deutlich zu verstehen war.

Wieder bei Marly angekommen, hob Mey triumphierend den Fächer hoch. „Ich hab ihn!“

Ihr Gegenüber schien ihr gerade Beifall klatschen zu wollen, als plötzlich eine Stimme neben ihnen erklang: „Was macht ihr da?“

Beide zuckten zusammen und wandten der fragenden Person den Blick zu, nur um sofort gleichzeitig ihre Gesichter zu verziehen. „Ieh, Fuu!“

Er lächelte leicht und beachtete die Ablehnung der beiden wie üblich nicht. „Wie schön, euch zu sehen. Aber es ist dennoch nicht richtig von euch, Tokimi-sans Fächer zu stehlen. Ihr solltet ihn ihr lieber zurückgeben, bevor sie aufwacht, das ist immerhin kein Spielzeug.“

Marly schnaubte wütend und riss Mey den Fächer aus der Hand. Sie faltete ihn auf und richtete ihn dann auf Fuu. „Jetzt geht’s dir an den Kragen, denn du liegst mir schwer im Magen!“

Nun doch ein wenig über den Ungehorsam verärgert, griff der Magier nach dem Fächer, um ihn wieder an sich zu nehmen – als plötzlich ein helles Licht alle drei blendete und Mey einen erschrockenen Schrei ausstieß.
 

Leana stand sofort auf, als sie den Schrei hörte. „Was war das?“

„Es kam von unserem Lager.“ Ayumu wartete erst gar nicht auf Leanas mögliche Erwiderung, sondern lief sofort los, um zu den anderen zurückzukehren.

Die Eternal folgte ihm. In Gedanken ging sie alle möglichen Dinge durch, die sich ereignet haben könnten. Hyperion könnte angegriffen haben, Kobayashi war noch einmal zurückgekehrt oder wilde Tiere könnten leichte Beute gewittert haben. All diese Gedanken ließen ihr Herz schwer werden, nicht wegen Fuu oder Tokimi, sondern wegen Ylva, das Mädchen war noch viel zu jung zum Sterben.

Doch auf der Lichtung angekommen, atmete sie erleichtert auf, als sie feststellte, dass sie von keinem Massaker erwartet wurde. Ylva gähnte gerade herzhaft und rieb sich den Schlaf aus den Augen, ehe sie leise murmelnd fragte, ob sie wirklich schon aufstehen müsste; Tokimi hatte sich selbst eben erst aufgesetzt wie es aussah und tastete hektisch auf dem Waldboden nach etwas, zumindest schien sie aber nicht verletzt zu sein.

Eine Person fehlte allerdings.

Wo ist dieser verdammte Magier?

Sie war ein wenig verärgert über seine Abwesenheit, da sie glaubte, er wolle sich wieder nur aus der Affäre stehlen, nachdem er festgestellt hatte, dass die ganze Sache doch ein wenig komplizierter war als anfangs gedacht. Doch ehe sie sich lange mit diesem Gedanken beschäftigen konnte, hörte sie, wie Ayumu ihren Namen rief. „Leana, komm, das musst du dir ansehen!“

Sie fragte sich, was denn so wichtig sein könnte und begab sich ein wenig unwillig zu ihm hinüber. Er stand einige Schritte von der Lichtung entfernt im Unterholz und blickte auf etwas hinab, was sie im ersten Moment und in der Dunkelheit nicht erkennen konnte, so dass sie sich hinkniete, um es besser zu sehen. Ein Strahl Mondlicht fiel durch das Geäst der Bäume direkt auf den Boden vor ihr. Als ihr endlich bewusst wurde, was sie da betrachtete, sog sie überrascht die Luft ein. „Was zum...?“



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