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Organisation XIII - The Other Truth

Das Leben unter Niemanden
von

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Erwachen

Kapitel 24 - Erwachen
 

Axel

Radiant Garden.

Eigentlich hatte ich mir geschworen, niemals wieder hierher zu kommen. Zu viele Erinnerungen. Zu viele offene Fragen. Zu viele Gefühle, die sich auftaten, wie Wehmut, Reue und auch Sehnsucht. Kein Ort, den ich ohne Grund besuchte also.

Aber nun hatte ich einen Grund. Xeluna. Lunea. Meine Freundin aus Jemand-Tagen und irgendwie auch jetzt meine Freundin. Es war wichtig. Für sie.

Genau deshalb führte ich sie -ich hatte sie tatsächlich absetzten müssen, nachdem sie mir nun doch zu schwer wurde- durch unsere Heimat. Zu ihrem alten Zuhause, zu Isas ehemaligem Heim und zu unserem Lieblingsplatz am Brunnen, wo wir immer gesessen hatten.

Doch nichts schien zu helfen. Deshalb fing ich an zu sprechen, nachdem ich mich neben sie gesetzt, ihr eine Waffel mit Puderzucker in die Hand gedrückt und meine runtergeschlungen hatte.

"Weißt du noch, wie wir uns hier kennengelernt haben?

Du musst damals 10 oder so gewesen sein und gerade neu in der Stadt. Du hattest immer diesen lächerlichen Hut auf... Sorry nochmal, dass ich ihn aus Versehen abgefackelt habe. Du hast ewig darauf rumgeritten, obwohl ich dir sogar einen neuen gekauft habe. Aber der hatte ja nicht 'die perfekte Kopfpassform', wie du es genannt hast. Bestimmt hast du das Teil von mir weggeschmissen, wie ich dich kenne. Oder irgendeinem Hund als Kauknochen geschenkt."

Ich lachte leise bei dieser Erinnerung auf.

Mit diesem kleinen Unfall meinerseits hatte unsere ewige Streiterei begonnen. Auch wenn sogar Isa mir verraten hatte, dass sie ohne den Hut besser dran war. Und wenn er sich auf solch oberflächliche Bemerkungen hinabließ, musste es schon was heißen.

"Aber trotzdem sind wir echt schnell Freunde gewesen. Ich mochte dich... Ok, das war gelogen. Du gingst mir wahnsinnig auf die Nerven und wäre Isa nicht gewesen, hätte ich mich niemals auf dich kleines Mädchen eingelassen. Dafür habe ich ihm nie gedankt. Dass er mich dazu brachte, dir eine Chance zu geben. Dadurch sind wir das Trio geworden, das Radiant Garden so unsicher gemacht hat."

Ja, das waren wir damals. Das unzertrennliche Trio. Isa, kühl und mit trockenem Humor, Lunea mit ihren bissigen Bemerkungen und ihrem Hang, jedem gegenüber unverschämt zu sein und ich.
 

Xeluna

Dieser Ort kam mir bekannt vor. Ich war einige Male hier gewesen, nach erledigten Missionen und immer allein. Doch keine der Sachen, die Axel sagte, ergab Sinn.

"Wir waren noch nie zusammen hier", sagte ich tonlos.

Ich hielt die Waffel in der Hand, ohne sie anzurühren. Ich hatte keinen Hunger, wieso sollte ich dann essen? Auch blickte ich mich nicht um, hielt den Kopf ständig gesenkt. Es wurde nicht besser mit mir. Im Gegenteil. Ich driftete minütlich weiter ab.
 

Axel

Andere hätten sich durch diese Aussage entmutigen lassen, doch nicht ich. Für mich war das eine Kampfansage! Für solche Aufgaben war ich geboren... Oder gestorben. Was auch immer. Xeluna wollte die totale Nervensäge mit peinlichen Geschichten? Konnte sie haben.

Doch zuvor schielte ich auf ihre Waffel. "Also wenn du sie nicht isst...", und schnappte mir ein großes Stück. So mies es auch war: Eine Xeluna, die ihre Waffel unbewacht ließ? Das musste genutzt werden!

"Wir waren noch nie zusammen hier?

Mhm, das ist aber komisch, denn ich erinnere mich noch ganz genau, wie du ungefähr zwei Jahre lang unserem Isa Blicke zugeworfen hast und wie ein kleines Mädchen gedrückst hast, wenn er dir zu nahe kam. Mein Gott, ich will mir gar nicht ausmalen, wie deine Hormone damals getanzt haben müssen. Bestimmt hattest du auch unartige Gedanken."

Ich grinste leicht und zog die Augenbrauen vielsagend hoch.

"Und dann der eine Samstag-Abend, als wir zum ersten Mal uns richtig feierlich betrunken haben. Sogar Isa war vollkommen neben sich. Aber hey, wie alt waren wir damals? Du 15 und wir 18? Irgendwas um den Dreh. Eigentlich reichlich spät für uns Jungs, aber in Radiant Garten musste man ja erst Connections aufbauen, um irgendwas zu bekommen.

Du hast doch da oben", ich zeigte auf den weiten Bogen der Brücke und sah das Bild genau vor mir, "getanzt. Und bist glorreich runtergefallen. Direkt in Romeos Arme. Leider der falschen Romeo. Aber sei froh, dass ich deinen Dickschädel damals vor dem Sturz bewahrt habe. Auch wenn du mich als Dank nur später auf dem Heimweg angekotzt hast... Man, du kannst echt froh sein, dass Isa das nicht gesehen hat. Selbst ich fand den Anblick nicht schön."

Oh ja, das war ein selten intimer Moment gewesen. Lunea mit hängendem Kopf über irgendwelchen Geranien. Und ich, der eigentlich vorgehabt hatte, irgendein süßes Mädchen mit nach Hause zu nehmen und stattdessen mit der kotzenden Kleinen da gestanden hatte. Keine sehr erbauende Erinnerung. Aber verdammt lustig im Nachhinein.

"Damals hast du mir auch endlich verraten, dass du Isa mehr als nur magst. Natürlich war das schon vorher für mich klar, aber es war nett von dir, es zuzugeben.", bemerkte ich hochtrabend und zog Xeluna auf die Füße.

"Komm, wir gehen zu deinem und Isas Liebestreff. Und keine Beschwerden, dass ich davon weiß! Isa war immerhin mein bester Freund und ich verdammt hartnäckig."
 

Xiomara

Hilfesuchend blickte ich auf. Ich hatte Angst. Ich durfte Angst haben. Angst war kein Gefühl, sondern ein Instinkt.

"Du kannst das, Xiomara. Vertrau mir.", hatte er zuvor gesagt. Xemnas. Ich vertraute ihm. Ich konnte das. Alles war gut.

Wir waren im Versammlungsraum.

Mit Xigbar, Xaldin und Saix. Der innere Kreis der Organisation. Versammelt auf ihren Plätzen. Und ich. Das Monster. Auf dem Boden. Kniend.

"Heute werden wir Nr.XI testen, ob sie sich als würdig erweist, eine von uns zu sein. Angehörige des inneren Kreises: Ich, Nr.I, spreche mich hiermit für sie aus. Nr.XI hat sich sowohl mit ihrer Fähigkeit, die Schlüsselschwerter zu führen, als auch ihrer Hingabe zu unserer Sache verdient gemacht, die Probe absolvieren zu dürfen."

Alles lief nach Protokoll. Xemnas hatte es mir vorher erklärt. Der Moment, in dem die anderen widersprechen durften kam und ging. Stille.

"Nr.XI wird uns nun ihre Fertigkeiten demonstrieren."

Herzlose um mich herum. Starke Herzlose. Dutzende. Lauernd. Nun kam mein Moment. Ich wartete.

"Vernichte sie, Xiomara." Der Befehl. Ich durfte reagieren.

Und griff an. Schnell und berechnend. Keiner war mir gewachsen. Nicht mit dem Wissen, dass Xemnas da war. Nicht mit meinen neuen Schwertern. Ich war tödlich für jeden. Der letzte Herzlose löste sich auf.

Ich sank wieder auf die Knie. Vollkommen unversehrt. Ruhig schaute ich auf. War er zufrieden?

"Beeindruckend, was aus der Kleinen geworden ist. Aber nicht sehr verwunderlich, wenn man den Vorfall betrachtet. Aber hat sie es endlich unter Kontrolle?" Xigbar. Ihn hätte ich beinahe getötet.

Xemnas nickte mir zu. Zufrieden. Ich atmete aus. Entspannte mich. Ich war gut genug gewesen.

"Ich habe Nr.XIs Eigenschaft unterbunden. Wir werden uns zu einem späteren Zeitpunkt damit befassen. Es wird weitere Forschungen in diesem Bereich benötigen."

"Dennoch... Beeindruckend. Diese Kampftechnik habe ich bisher nur bei Euch gesehen, Xemnas." Xaldin. Ein weiteres Opfer meines Monsters.

Er lächelte. Er war stolz auf mich.

"In der Tat. Xiomara ist die Einzige, die es bisher gemeistert hat."

Stille. Gehorsam verharrte ich kniend. Wartend.

"Saix? Was ist deine Meinung?"

"Ihr scheint ganze Arbeit mit ihr geleistet zu haben, Lord Xemnas." Er sprach zögernd. Schwäche. Zögern war Schwäche.

Xemnas nickte mir abermals zu. Jeder hatte gesprochen. Nun musste ich.

"Ich erbitte die Aufnahme in den innersten Kreis der Organisation XIII. Mit aller Kraft werde ich für das Ziel, Kingdom Hearts zu erschaffen, kämpfen. Beschützen werde ich die meinen und auslöschen jeden, der sich gegen uns stellt. Kingdom Hearts ist die Wahrheit nach der ich strebe. Und Lord Xemnas mein Gebieter in diesem Krieg ohne Rückkehr." Auswendig gelernte Worte. Dennoch mächtig und bindend. Ich durchstach meine Hand ohne Zögern mit meiner Klinge. Mein Blut, das den Boden tränkte. Alles perfekt nach Protokoll.

"Wir werden uns nehmen, was unser ist, mit Blut und Dunkelheit.", die rituellen Abschlussworte.

"Wir werden uns nehmen, was unser ist, mit Blut und Dunkelheit.", stimmten Xaldin und Xigbar zu. Überzeugt.

"Wir werden uns nehmen, was unser ist, mit Blut und Dunkelheit.", wiederholte Saix. Besorgt.

"Wir werden uns nehmen, was unser ist, mit Blut und Dunkelheit.", schloss Xemnas. Stolz und mächtig.

Ich hatte es geschafft. Dennoch war mir schlecht.
 

Seine Hände auf meiner Schulter. Tastend. Es schmerzte. Dennoch brauchte ich diese Berührung. Seine Berührung.

"Die Heilung geht gut voran. Morgen sollte es verheilt sein."

Ich nickte. Es war Teil der Aufnahme, dass ich meine Nummer für immer auf der Haut tragen sollte. Ich war nicht mehr austauschbar. Xemnas wollte es so.

"Ich bin stolz auf dich, Xiomara. Du hast meine Erwartungen übertroffen."

Leichter Druck. Ich fügte mich und sah ihn an. Konnte den Stolz in seinen kalten Augen kaum erahnen. Aber ich glaubte ihm.

"Und jetzt zieh dich wieder an. Deine erste Versammlung beginnt gleich."

Ich spürte seine Lippen auf meiner Stirn. Dann war er verschwunden.
 

Xeluna

Ich ließ mich willig von Axel hochziehen.

„Du musst mich verwechseln. Ich kenne keinen Isa“, versuchte ich das Missverständnis aufzudecken. Der Name kam mir bekannt vor. Ich hatte ihn sogar einige Male selbst ausgesprochen. Meist, wenn ich mit Saix geredet hatte. Doch ich konnte ihm kein Gesicht zuordnen.

Axel verdrehte nur die Augen und zog mich weiter. Zu diesem 'Liebestreff', wie er es genannt hatte. Wir liefen an Häusern, die ich noch nie gesehen hatte, vorbei und erreichten schließlich eine Brücke. Doch bevor wir sie vollständig überquert hatten, erklang eine Stimme hinter uns.

„Axel. Hör damit auf. Es ist genug.“

Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, wem diese Stimme gehörte. Saix, Nr. VII unserer Organisation.
 

Xiomara

Die Versammlung ging schnell. Schnell und effizient, ganz nach Xemnas Wesen:

Statistiken über Herzlose. Der Wachstum von Kingdom Hearts betrug nur noch 3% seit dem Angriff. Davor waren es 12% gewesen. Das war meine Schuld. Doch das sprach keiner aus. Jeder wusste es ohnehin.

Vexen hatte neue Ergebnisse zu Yuki vorzuweisen. Die DNA war entschlüsselt. Seine Eltern waren kompatibel gewesen, erklärte Saix uns kühl und gab den Bericht wieder. Diese Kompatibilität hatte eine Wahrscheinlichkeit von 0,09%. Beinahe unmöglich. Ein Wunderkind nannte Xigbar es. Es gab keine Chance, einen geborenen Niemand künstlich zu erschaffen.

Axel war nicht anwesend. Das sollte er aber sein. Sein Verhalten war kritisch. Ein Unruhestifter. Aber er war unser Attentäter. Er sollte doch die Unruhestifter vernichten. Ironisch nannte Xemnas es. Wahrlich ironisch.

Danach war es vorbei. Saix verschwand sofort. Er schien es eilig zu haben.
 

Xeluna

Auch Axel erkannte die Stimme sofort. Doch im Gegensatz zu mir drehte er sich um. Und im Gegensatz zu mir, reagierte er. „Aufhören womit? Zu versuchen, dein Mädchen zurück zu holen?“

Er hatte den Satz noch nicht vollständig beendet, als Saix schon meine Gedanken aussprach. „Sie ist nicht mein Mädchen.“

Ich war nicht sein Mädchen. Was hieß das überhaupt? Wie konnte man jemandem gehören?

Mir wurde warm. Stieg die Temperatur an? Ich drehte den Kopf zu Axel. Die Hitze ging von ihm aus. Ja, es gab keinen Zweifel.

„Meine Fresse, bin ich hier wirklich der einzige, der nicht alles komplizierter macht?!“ Er trat einen Schritt auf Saix zu. Nun drehte auch ich mich um und blickte von einem zum anderen. Saix sah emotionslos zu Axel, welcher sich vor ihm aufgebaut hatte.

„Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem ihr beiden zusammen gekommen seid“, fuhr er fort, ohne auf Saixs Einspruch („Das waren nicht wir!“) einzugehen. „Es war ein Tag genau wie dieser. Wir drei, allein an diesem Ort. Na ja, fast. 200 Meter weiter westlich, aber das tut nichts zur Sache. Und es hat sich die verdammt gleiche Situation abgespielt wie jetzt!“

Axel sprach lauter als zuvor. Schneller.

„Ihr beide habt genau das gleiche gemacht. Eure Gefühle zueinanander ignoriert.“ Saix öffnete den Mund, doch Axel war schneller. „Klappe, Saix. Dein Gelaber von wegen 'Niemande haben keine Gefühle' kann keiner gebrauchen. Und selbst wenn alles nur Erinnerungen sind, wen kümmert's?“ Trotz dass er nun einen Schritt von mir entfernt war, spürte ich immer noch die Hitze von ihm ausgehen. „Ihr habt euch angestellt wie Kleinkinder. Wie jetzt auch, um genau zu sein. Habt versucht zu leugnen, an dem anderen interessiert zu sein, als ich euch zur Rede gestellt hab. Als ihr es dann nach Ewigkeiten endlich gestanden hat, war plötzlich alles gut und ihr wart ein glückliches Pärchen.“

Er trat einen weiteren Schritt nach vorne und stand nun direkt vor Saix. „Du kannst dich nicht an Lunea erinnern. Ich weiß nicht wieso und es ist mir auch egal. Fakt ist, dass ihr in euren früheren Leben Freunde wart, später sogar ein Paar. Und eure Gefühle haben sich nicht geändert.“

Wenn es jemand anderes gewesen wäre, hätte Axels Plan nicht funktioniert. Jeder andere wäre gescheitert. Doch er war so von sich überzeugt, so sicher und selbstbewusst, dass wir beide es zuließen, dass er ein Tor zur Finsternis öffnete und uns hindurchzog.

"Jetzt fehlt nur noch, dass ihr euch endlich daran erinnert."
 

Xiomara

Wir gingen hinab. Tiefer in das Schloss, als ich jemals gewesen war. Zu Vexen. Wie der König, der er war, schritt Xemnas ein Stück vor mir.

"Vexen wird einige Test mit dir machen. Sowohl was deine Eigenschaft betrifft, als auch zu deiner Psyche. Deine Körperlichen Werte sind schließlich ausgezeichnet seit dem Vorfall.", erklärte er leise, aber deutlich. Ich nickte.

"Du hast genug Lebensenergie für Monate aufgenommen. Besonders von Axel." Ich schluckte schwer. So etwas wie Sehnsucht durchzog mich. Axel. Ich erinnerte mich an unseren Kuss. Unseren einen Tag vor dem Angriff. Wie er meine Hand gehalten hatte. Warm und stark.

"Xiomara.", Xemnas war stehen geblieben und hatte sich zu mir umgedreht. Schaute mir tief in die Augen. Forschend. "Sei stark. Du bist zu gefährlich. Zu wertvoll für so jemanden." Das Gold seiner Augen fixierte mich und starrten mich zurück auf meinen Platz... Ich war zu gefährlich. Xemnas hatte Recht. Er war nun meine Welt. Ich nickte stumm.

"Er soll dir helfen. Dennoch musst du vorsichtig sein. Er gehört nicht zum Kreis.", fuhr Xemnas fort und schritt voran, als wäre nichts passiert. Mein Kopf war wieder klar.
 

"Genug. Komm wieder raus, Nr.XI.", unterbrach Vexens monotone Stimme den Raum.

Ich keuchte. Die Übung war anstrengend. Immer wieder meine Eigenschaft beschwören und dann direkt wieder abzubrechen. Es brachte mich an meine Grenzen. Meine Kontrolle schwankte immer wieder. Xemnas hinter mir, jederzeit bereit einzugreifen.

"Kommen wir nun zum psychologischen Teil. Ich würde euch bitten, uns allein zu lassen, Lord Xemnas." Fragend schaute ich zu Xemnas.

Würde er mich wirklich allein lassen? War ich soweit?

"Natürlich." Xemnas schaute mich noch einmal warnend an und ging. Einfach so.
 

Xeluna

Als wir unser Ziel erreichten, kniff ich die Augen zusammen. Es war hell hier, viel zu hell im Gegensatz zum Korridor der Finsternis. Weiß, alles war weiß. Die Wände, der Boden, die Decke. Waren wir im Schloss? Wenn ja, dann kannte ich diesen Teil nicht. Ich war mir jedoch sicher, jeden Raum mindestens einmal betreten zu haben.

Als sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, blickte ich auf die Tür direkt vor meiner Nase. Ein Schild, natürlich weiß, hing rechts neben ihr. Ich laß die Worte, welche sich mit ihrer hellgrauen Farbe nur leicht von dem Weiß abhoben.

'Raum der Begegnung.'

Natürlich. Wir waren in einem Schloss, doch war es das Andere. Das Schloss des Entfallens. Ich war nicht oft hier gewesen. Zwei Mal in all der Zeit. Ich wusste kaum etwas über all die Geheimnisse die hier lagen, doch wusste ich, dass es Unmengen an Räumen hier gab. Raum der Begegnung war nur einer von ihnen und sie alle trugen ähnliche Namen. Kammer des Erwachens, Halle der Stille, Raum der Wahrheit.

„Was wollen wir hier?“ Saixs Stimme hallte seltsam nach. Nicht wie ein Echo, mehr als ob ich sie aus jeder Richtung gleichzeitig hörte. Hätte ich nicht gewusst, wo er stand, ich hätte es nicht erkennen können.

„Warst du jemals in diesem Raum?“ Auch Axels Stimme prallte von den Wänden ab und kam aus jeder Richtung auf mich zu.

„Nein.“ Auf diese Antwort hatte Axel gewartet. Er öffnete die Tür und schob Saix hindurch. Er protestierte nicht. Wie ich schon sagte, bei jedem anderen wäre dieser Plan schief gelaufen. Saix ließ sich nichts befehlen, außer natürlich von Xemnas. Und er ließ sich vorallem nicht irgendwohin schubsen.

Auch ich protestierte nicht, als Axel mein Handgelenk ergriff und mich hinter sich durch die Tür in den Raum zog. Nur mein Blick blieb einige Sekunden an dem Schild hängen.
 

'Raum der Begegnung.

Raum zeigt Reflektion seines Jemand. Kommunikation nicht möglich.

Höchstens zwei Personen gleichzeitig, da sonst Überlastung.

Bei Jemanden wirkungslos.

Forschungen eingestellt. Kaum Verwendung möglich.'
 

„Dort steht, dass es höchstens zwei Personen gleichzeitig sein sollen. Wir sind drei.“ Ich wusste nicht, wieso ich es überhaupt erwähnte. Eigentlich war es mir egal. Axel wohl auch. Er zuckte nur mit den Schultern und sagte: „Wie auch immer.“

Dann fiel die Tür hinter uns ins Schloss.
 

Xiomara

"Wie heißt du? Als Niemand?"

Vexen saß mir gegenüber. Ein Klemmbrett in der Hand.

"Xiomara, Nr.XI."

Eine flüchtige Bewegung. Er schrieb mit.

"Und als Jemand?"

"Moraia.", der Laut kam schwer über meine Lippen.

"Wie alt bist insgesamt, was ist dein Geburtsdatum und wo bist du geboren?"

"Hast du meine Akte verloren, oder was ist los?", fragte ich beinahe sarkastisch zurück. Ich sah keinen Sinn in den Fragen. Doch stand es mir zu, Xemnas Wünsche in Frage zu stellen? Wahrscheinlich nicht.

Eine beinahe hektische Notiz und ein entnervter Seufzer, der gespielt klang. "Beantworte die Frage."

"18 Jahre. Neunter November. Twilight Town." Knapp und effizient. Wie Xemnas. Besser. Ich hatte mich wieder im Griff.

Ein Stirnrunzeln von Vexen. Etwas missfiel ihm.

"Wie bist du zum Niemand geworden?" Eine heikle Frage. Das war persönlich. Aber ich musste es erzählen. Xemnas wollte, dass ich das hier machte.

Ich zögerte trotzdem. Die Erinnerungen brachen aus, als ich antworten wollte. Der Turm und der peitschende Wind. Erleichterung und das Gefühl von Freiheit. Dann Angst. Die Worte kamen stockend: "Ich habe mich umgebracht."

"Wieso?", kam es sofort hinterher. Vexen blieb kühl. Vielleicht konnte ich deswegen weitersprechen:

"Meine beste Freundin hatte mich verraten. Ich hatte sie vor Herzlosen gerettet und sie... Entschied sich, dass ich nicht mehr gut für sie war.", erklärte ich knapp und verdrängte jede Emotion. Versuchte es zumindest. Daia... Sie hat mich verlassen. Einfach so. Dabei war sie mein Halt gewesen. Meine Schwester im Geiste. Meine Welt. Doch irgendwas hatte ich falsch gemacht. Ich hatte sie verloren.

"Ich hätte alles für sie getan.", fügte ich hinzu.

Vexen nickte nur. Als hätte ich ihm etwas über das Wetter erzählt. Das half mir, die Fassade zu halten, auch wenn es in mir unheilvoll brodelte. Was tat ich hier nur?

"Wann hast du deine Eigenschaft entdeckt?", fuhr er fort, während seine Hand über das Papier zuckte.

"Direkt bei meinem Erwachen als Niemand. Ich tötete die Menschen im Krankenhaus.", gestand ich und schaute zu Boden. Das einzige Mal, dass ich jemanden getötet hatte. Erst im Nachhinein hatte ich begriffen, was ich getan hatte. Die starren Körper ohne irgendeine Wunde. Einfach tot. Doch es waren nur Menschen, die ich nicht kannte. Das machte es nicht weniger schlimm, aber immerhin hatte ich diese Erinnerung tief in mir begraben können, um nicht zu zerbrechen. Zusammen mit Daia und meinem Selbstmord. Doch jetzt wurde ich gezwungen, es wieder auszugraben. Und das brachte Xemnas Reparaturen gefährlich ins Schwanken. Ich fühlte mich falsch.

Nicht mehr kalt und distanziert.
 

Xeluna

Es war so still hier. Nie hatte ich eine erdrückendere Stille wahrgenommen als in diesem Augenblick. Ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen, hörte meinen Atem und das Rascheln meines Mantels, wenn ich mich bewegte. Doch sonst war alles still.

Wir sprachen nicht. Es hätte sich falsch angefühlt, Geräusche in diesen Raum zu bringen. Er verkörperte die totale Leere, keine Fenster, keine Möbel, selbst die Tür war nur durch einen weißen Knauf zu erkennen. Woher das Licht kam, konnte ich nicht erkennen. Es gab keine Lampe, weder an der Wand, noch an der Decke.

Die rechte Wand war ein einziger Spiegel und ließ den Raum doppelt so groß erscheinen. Unsere Spiegelbilder standen reglos nebeneinander.

Saix und Axel, ich in der Mitte. Viel zu lange starrte ich mir in die Augen und fragte mich, was Axel hiermit bezwecken wollte. Wieso waren wir hier? Wir hatten genügend Spiegel bei uns im Schloss. Was war an diesem hier anders? Und dann begriff ich es.

Die blauen Augen meines Spiegelbildes weiteten sich, genau wie meine lilafarbenen.

Die Person, die mir im Spiegel gegenüber stand, war nicht ich.

Es war ein Mädchen, einige Jahre jünger als ich, mit Unschuld im Blick, mit reinem Herzen und erfüllt von Freude. Sie war mein Jemand. Lunea.

Doch erst als ich meinen Blick auf Axels Spiegelbild warf (mit noch wilderen Haaren als ohnehin schon, ohne Tattoos, doch dafür mit einem breiten Grinsen im Gesicht) und ihn schließlich zu Saix schweifen ließ, trafen mich Erinnerungsfetzen wie Hagelkörner in einem Schneesturm. Schmerzhaft, hart, aus allen Richtungen und unaufhörlich.

Zu Beginn hatte ich die Unterschiede nicht wahr genommen. Hatte nur die blauen beziehungsweise roten Haare der beiden gesehen und sie als genaue Abbilder von sich abgestempelt. Doch die Wirklichkeit sah anders aus. Es war nichts Saixs Spiegelbild, es war Isas. Seine Haare waren kürzer, etwas heller und anders gestylt. Die Narbe in seinem Gesicht fehlte und er lächelte.

Ich begann mich zu erinnern.

Ich sah uns am Strand stehen, auf das rote, vom Sonnenuntergang beleuchtete Meer blickend.

Ich sah Lea, wie er ein Floß baute.

Ich sah uns auf eben diesem Floß aufs Meer segeln und nach nur wenigen Metern kentern.

Ich sah Lunea einen Fisch fangen und ihn schreiend, weil er noch zappelte, in die Luft werfen.

Ich sah Lea vor Lachen auf dem Boden liegen, nachdem der Fisch in Isas Gesicht gelandet war.

Ich sah uns auf einer Decke am Strand sitzen, ein großer Picknick-Korb neben uns.

Ich sah Isa, wie er Lunea die Hand entgegen streckte und ihr über die wackelige Brücke half.

Ich sah uns Marshmellows über einem Lagerfeuer rösten.

Die drei Personen im Spiegel lächelten mir zu. Lea legte einen Arm um Lunea und ich spürte Axels Arm an meiner Schulter.

Wir sprachen nicht. Blickten nur unsere Spiegelbilder an. Schließlich riss ich mich von dem Anblick los und wandte mich Axel zu. „Danke.“

Er lächelte. „Nichts zu danken, Kleine. Schön, dass du wieder da bist.“

Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter, die mich sanft umdrehte. Saix blickte auf mich herab.

„Was hältst du von einem Neuanfang? Du als Xeluna, ich als Saix und er als Axel?“

Bevor ich überhaupt meinen Mund hätte öffnen können, schoß Axels Antwort schon hervor:

„Lassen wir die 'Radiant Drei' wieder auferleben!“

„Hast du dir den Namen gerade ausgedacht?“ Ich schmunzelte. Das sah Axel ähnlich.

Er zuckte mit den Schultern.

„Ja. Da hätte ich schon viel eher drauf kommen sollen. Auf uns?“

Schon wieder wurde mir keine Zeit zum Antworten gegeben. Ein lauter Knall ließ uns zusammen zucken. Es blitzte hell auf und wurde stockdunkel.
 

Xiomara

"Erinnere dich zurück. Wie warst du als Jemand?" Vexens neutrale Stimme riss mich aus meinen Zweifeln für dieses Gespräch.

Wie war ich als Jemand gewesen... Ich schloss die Augen und der eine Tag, der so normal begonnen hatte und dann alles verändert hatte, kam mir willkürlich in den Sinn.
 

Der Tag begann mit einem strahlenden Sonnenschein, der nun durch die Fenster des kleinen Cafés am Kirchplatz fiel. Langsam nippte ich an meinem Glas und betrachtete gleichzeitig mein Spiegelbild im Fenster. Erfreut registrierte ich den Glanz in meinem hellroten Haar und dass auch meine blassgrünen Augen wirklich gut zur Geltung kamen, während die Sonne auf mich schien. Ich sah perfekt aus. Anmutig und strahlend. Mit einem leichten Lächeln strich ich mir eine Strähne hinter das Ohr, damit meine Ohrringe ebenfalls funkelten.

Doch meine Inspektion wurde unterbrochen, als die Türglocke klingelte und ich Daia am Eingang entdeckte. Ich unterdrückte den Impuls, ihr zuzuwinken -das wäre gar nicht passend zu meiner strahlenden Schönheit gewesen! Ruhig und gelassen war die Devise- und wartete einfach, bis sie mich in dem überfüllten Café bemerkte und auf mich zusteuerte. Ihre dunkelbraunen Haare hatte sie in einen hohen Dutt frisiert und auch sonst war ihr Outfit markellos. Der schräge Liedstrich betonte ihre Augen perfekt. Beinahe konnte sie mir Konkurrenz machen. Aber nur beinahe.

"Hey Moraia!", schwungvoll setzte sie sich auf den Platz mir gegenüber und sprach direkt weiter:

"Du glaubst gar nicht, was das für eine Massenversammlung in der Innenstadt ist. Ich habe bestimmt 20 Minuten durch gebraucht, nur weil jede Familie heute Ausflug spielen muss." Einstimmig verzogen wir das Gesicht.

Gekonnt lässig strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht und rührte in den Resten meines Latte Macchiato. Beinahe gelangweilt kommentierte ich mit einem "Tja, die Sonne lockt jeden Loser auf die Straße." und warf einen vielsagenden Blick auf einen solchen Loser, der rechts von uns saß.

"Nun zu den wichtigen Themen: Hast du einen Plan, wie du heute Abend von Zuhause loskommst, ohne dass es Theater gibt?" Wie immer war es ihr Problem, Abends von ihren Eltern rausgelassen zu werden. Selbstgefällig erinnerte ich mich daran, dass ich dieses Problem noch nie gehabt hatte. Meine Eltern hatten schon lange aufgegeben und konzentrierten sich mittlerweile nur noch vollkommen auf meine 6jährige Schwester Nine. Bei ihr hatten sie noch Hoffnung.

Daia verzog etwas zweifelnd das Gesicht. Es machte ihr immer noch was aus, sich ihren Eltern zu widersetzen. Das würde sich schon noch ändern.

"Ich werde wohl sagen, dass ich mit dir ein Projekt für die Schule machen muss und fragen, ob ich bei dir schlafen kann... Aber das heißt, sie werden mich auch am nächsten Morgen nicht zu spät erwarten. Kater ausschlafen wird dann wohl nichts werden." Besser als nichts. Hauptsache sie kam mit.

"Dann komm. Zeit ist Geld. Du musste deine Eltern anrufen und dann steht uns noch das Styling bevor. Ich will unbedingt diesen neuen Rock vom LemonStore anziehen!", mit dieser Erklärung zog ich Daia auf die Beine, schnappte mir meine Lederjacke und schritt zur Tür.
 

Über 12 Stunden später waren wir ziemlich betrunken auf dem Heimweg. Die Sonne ging bereits wieder auf und der Glockenturm verkündete die stolze Uhrzeit von 5Uhr morgens. Es hatte lange gedauert, bis Daia mich von diesem Kerl wegziehen konnte, mit dem ich heftig rumgeknutscht hatte. Aber sie hatte irgendwie Recht gehabt... Mein erstes Mal wollte ich sicher nicht betrunken auf einer Party erleben. Erst Recht nicht mit dem Kerl, auf den Daia gestanden hatte, bevor ich es ihr ausgeredet hatte. Dennoch sah ich auch ohne Sex ziemlich postkoital aus mit verstrubbelten Haaren, die sich vor einigen Stunden noch seidig über meinen Rücken ergoßen hatten und nicht mehr ganz so perfektem Make-Up, das mich fast eine Stunde gekostet hatte. Zumindest der kurze, schwarze Rock, das dunkelgrüne Glitzertop und die Highheels sahen noch so aus wie zu Beginn. Auch Daia sah ziemlich durch aus, aber im Gegensatz zu mir fror sie sich in ihrer weinroten Jeans wenigstens nicht den Arsch ab. Anders als sie hatte ich aus optischen Gründen auf eine Jacke verzichtet. Und genau diese Jacke reichte sie mir jetzt mit einem wissenden Lächeln. Meine Daia...

Gerade noch kicherten wir, wie es nur Betrunkene können, als die Temperatur plötzlich dramatisch sank. Von einer Sekunde auf die andere hatte sich die milde Kühle in eine Winternacht verwandelt. Doch das hätten wir einfach ausblenden können, hätten die Straßenlaternen nicht plötzlich geflackert und wären schließlich ausgegangen. Die Atmosphäre erinnerte stark an einen Horrorfilm, während ich und Daia einen fragenden Blick tauschten. Ich sah Angst in ihren Augen aufkommen... Dieser Angsthase konnte sich wirklich keine 5 Minuten zusammenreißen. Und genau deshalb mimte ich die Coole und zuckte nur mit den Achseln.

"Die Stadt hat wohl die Stromrechnung nicht bezahlt.", versuchte ich einen Witz, was Daia jedoch nur ein Stirnrunzeln hervorlockte. Ihr war nicht zum Scherzen zumute, typisch Daia. Doch auch mir fror das lässige Lächeln ein, als ich eine Bewegung in der Dunkelheit wahrnahm. Große, dunkle Gestalten lösten sich aus der Finsternis und richteten ihre riesigen, gelben Augen auf uns. Ihre Gestalt wirkte beinahe menschlich, doch lange gezackte Antennen zuckten auf ihrem Kopf. Ein Schauder durchfuhr mich bei diesem Anblick. Was war das?! Doch gerade als ich die Beine in die Hand nehmen wollte, kroch eine weitere, andere Gestalt aus der Dunkelheit. Ich hörte Daia entsetzt nach Luft schnappen. Dieses Monster bestand aus einem riesigen Mantel, der zum Ende hin langsam weiß wurde. Dort, wo der Mantel sich teilte und man seinen Bauch erwartet hätte, saß eine dunkelrot leuchtende Kugel, deren Farben ineinander kreisten uns sich immer wieder änderten. Hatte ich die anderen Monster schon als groß empfunden, war dieses hier riesig. Er sah aus wie der leibhaftige Tod als Sensenmann.

Von riesiger Panik erfüllt wich ich einige Schritte zurück. Doch das war ein Fehler gewesen. Sofort stürzten sich diese Ungeheuer auf Daia, die nun näher als ich stand. Ich war vollkommen erstarrt und musste mit großen Augen zusehen, wie sie durch die Luft geschleudert wurde. Etwas knackte unheilverkündend. Ihre Hand. Der Impuls, zu rennen und das so schnell ich konnte, zehrte immer heftiger an mir. Das Flight-or-Fight-Gefühl, schoss es mir durch den Kopf. Kämpfe oder fliehe... Noch hatte ich die Wahl und ich tendierte eher zum gesunden Menschenverstand, also mich zu retten. Doch als die Gestalten sich der einfacheren Beute, sprich Daia, zuwandten, fing diese meinen Blick auf.

"Moraia...", kam es leise von ihr. Ihre Augen flehend, ihr Körper geschunden und schlaf auf dem Boden.

Und genau da besann ich mich darauf, wer ich war. Ich war Moraia! Immer diejenige, die kämpfte. Diejenige, die Daia verteidigte und bestimmte, welchen Weg wir gingen. Die Aktive von uns beiden. Ich konnte sie jetzt nicht hängen lassen. Daia verließ sich darauf, dass ich sie retten würde. Das war mein Part. Ich war stärker als sie und genau deshalb musste ich sie beschützen.

Mit einem Kampfschrei stürzte ich aus genau diesem Grund auf diese Kreaturen zu und versuchte, sie von Daia abzulenken. Augenblicklich wandten sich die gelben Augen und der Kopf der anderen Gestalt mir zu, worauf ich meinen Edelmut sofort bereute. "Scheiße...", entrutschte es mir, als mir klar wurde, dass ich vollkommen hilflos war und keine Ahnung hatte, wie man kämpfte. Doch dieser Fakt interessierte die Monster nicht, als sie nun den Abstand zwischen uns überwanden und mich genauso wie Daia durch die Luft schleudern wollten. In letzter Sekunde schaffte ich einen Hechtsprung außer Reichweite, der in einem schmerzhaften Sturz auf dem Boden endete. Meine Hände und Knie brannten, als ich so schnell es ging wieder auf die Beine kam und dabei meine Highheels wegkickte. Beinahe wünschte ich mir ein praktischeres Outfit wie Daias Hose und Stiefel herbei. Doch noch mehr wünschte ich mir eine Möglichkeit, meine und Daias Haut zu retten. Irgendjemand, der uns half. Meinetwegen auch irgendwas, damit ich uns selbst verteidigen könnte. Ich wollte nicht sterben... Nicht so. Und noch weniger wollte ich Daias Tod. Meine süße, unschuldige Daia. Sie brauchte mich doch und ich sie. Diese Kreaturen durften ihr nichts tun!

Die Wut über den Gedanken, dass diese Monster Daia verletzen würden, verdrängte jede Angst um mein eigenes Leben. Und genau diese Wut schrie ich den Monstern entgegen, hilflos. Plötzlich ertrahlte ein helles Licht um meine Hände. Irritiert blinzelte ich gegen die Helligkeit und vergaß für eine Sekunde diese Monster vor mir, als sich zwei Schwerter, die wie riesige Schlüssel aussahen, aus dem Nichts materalisierten. Hell glänzend das eine, bedrohlich dunkel das andere. Was zum...? Ungläubig schaute ich auf meine Hände, rieß diese komischen Dinger jedoch sofort zur Verteidigung hoch, als das erste Monster mich erreichte mit dem Vorhaben, mich mit dieser Klaue zu durchbohren.

Wie auf Autopilot tänzelt ich zur Seite und schlug mit vollem Schwung auf den Kopf des Monsters. Zu meiner unbändigen Erleichterung löste es sich in schwarzen Nebel auf und verschwand. Ich fühlte mich wie eine Heldin und grinste irrsinnig. Ich war die heiße Version von Xenia, Baby! Doch meine Freude währte nicht lange, da die anderen Monster mich wohl nun als Bedrohung empfanden und sich sofort in einem riesigen Knäul auf mich stürzten. Zu erschrocken, um zu reagieren, wurde ich niedergerissen und von schwarzen Körpern bedeckt, die mir die Luft zum Atmen nahmen. Die Schwerter flogen mir aus der Hand und die Klaue des Sensenmannes umschloss meinen Hals und drückte. Drückte viel zu fest. Es würde mich ersticken, schoss es mir panisch durch den Kopf, während er mich in die Luft riss. Meine Beine baumelten einige Meter über dem Boden, als ich verzweifelt versuchte, mit meinen Händen den Griff zu lockern. Doch es half alles nichts. Er war zu stark und langsam wurde alles um mich herum schwarz und schwammig, als mir die Luft ausging. Doch immer noch weigerte ich mich, den Gedanken zu akzeptieren, Daia allein zurückzulassen. Mit diesen Monstern. Hatte ich schon keine Chance, hatte sie die noch weniger. Dennoch betete ich, dass sie mir helfen würde. Irgendwie musste sie dieses Monster von mir ablenken. Ich brauchte einen Side-Kick, verdammt!

"Hilf mir.", krächzte ich deswegen verzweifelt, während die Klaue immer fester zudrückte und die anderen Gestalten um mich schlichen. Wohl angelockt und fasziniert von diesem Spektakel. "Beweg verdammt nochmal deinen fetten Hintern, Daia!", setzte ich nach, auch wenn mir mein herrischer Ton in dieser misslichen Lage misslang.

Es wurde immer schwärzer und meine Sicht beschränkte sich nun auf das verhüllte Gesicht des Sensenmannes. Erschrocken hörte ich hektische Schritte, die sich von uns entfernten und hoffte, dass ich mir das nur einbildete. An die Interpretation dieses Geräusches durfte ich mich jetzt nicht befassen. Wenn ich doch nur an diese Wunderschwerter kommen würde... Und als hätten diese meinen Gedanken vernommen, erschienen sie wieder in meiner Hand. Dieses Mal ohne das helle Aufleuchten. Kaum fühlte ich den Griff an meiner Handfläche, spürte ich neuen Mut. Mit letzter Kraft führte ich meine linke Hand mit der dunklen Klinge an den Armen des Monsters vorbei, genau auf die Kugel in seiner nicht vorhandenen Bauchhöhle und durchstach diese. Ein leises Klirren und ein Strahlen in allen Farben war das Letzte, was ich vernahm. Ich war bewusstlos, bevor ich auf dem Boden aufschlug.
 

Wieder in der Gegenwart öffnete ich die Augen und blinzelte die überflüssige Feuchtigkeit weg.

"Ich war einsam. Und hasste es."

Dann stand ich einfach auf und ging hinaus. Wiedersetzte mich Xemnas' Wunsch, um zu dem Menschen zu gehen, den ich jetzt brauchte... Moraia wäre stolz auf mich gewesen.
 

Xeluna

„Axel.“

Manche Personen können nur mit ihrer Tonlage und einem einzigen Wort mehr aussagen, als andere in zehn Sätzen ausdrücken könnten. Saix war eine dieser Personen.

Es war zu dunkel um sein Gesicht zu sehen, doch ich wusste genau, welchen Blick er aufgesetzt hatte. Auch Axel wusste es. Ich spürte, wie er leicht zusammen zuckte, fühlte ihn schließlich von mir wegtreten und hörte ihn sich verlegen räuspern.

Axel. Dieses eine Wort aus Saixs Mund bedeutete in etwa so viel wie:

„Das ist alles nur deine Schuld! Weißt du eigentlich, wie wertvoll die Räume in diesem Schloss sind?? Selbst wenn wir momentan keinen Nutzen dafür haben, könnten sie eine wichtige Rolle in der Zukunft spielen. Und dann kommt ein verdammter Idiot wie du daher, spielt den Retter in der Not und legt einfach mal einen, nebenbei erwähnt äußerst wertvollen, Raum lahm! Wieso musst du es immer übertreiben?! Da ist selbst ein Dämmerling besser! Die können sich wenigstens an Regeln halten und Befehlen folgen. Dieser Raum war eine, wenn auch nur oberflächliche Verbindung zu unseren Jemanden. Und diese Verbindung kann unfassbar hilfreich für das Erlangen eines Herzens sein! Man ignoriert nicht einfach die Warnung 'Nur zwei Personen gleichzeitig.' Und wag es ja nicht auch nur ein Wort zu sagen. Wag es nicht dich zu rechtfertigen, zu sagen 'Aber wir haben Xeluna zurück', die Situation herunter zu spielen oder dich zu entschuldigen. Wag es ja nicht zu sagen, dass wir die Warnung ebenfalls ignoriert haben. DU hast uns dazu gebracht ihn zu betreten. Wag es also ja nicht! Denn es bringt uns rein gar nichts. Du bist nichts weiter als ein Taugenichts, ein hirnloser, minderbemittelter, nichtsnütziger Narr!“

Oder in Kurzfassung: „Ich werde dich töten.“

Natürlich sprach Saix all das nicht aus. Musste er auch nicht, wir verstanden ihn auch so.

Zumindest hatte Axel die Grundbotschaft verstanden. Nur das 'Wag es ja nicht etwas zu sagen' hatte er wohl nicht mit interpretiert, denn er begann zu sprechen: „Jaja, war blöd von mir. Wir können das gerne später diskutieren. Vor allem, dass es nicht nur meine Schuld ist. Aber jetzt würde ich sagen wir verlassen den Raum, pfeifen unschuldig, laufen langsam um die Ecke und rennen dann davon.“

Das hörte sich nach einem Plan an.
 

Wenige Minuten später standen wir vor unserem Schloss.

„Wirst du zu Xemnas rennen und mich in einen Dämmerling verwandeln?“, fragte Axel mit einem Gesichtsausdruck, welcher dem frechen Grinsen eines Zehnjährigen gleich kam.

„Manchmal denke ich, dass das die einzige Möglichkeit ist, dich von dem ständigen Blödsinn abzuhalten“, sagte Saix mit regloser Miene.

Was dann passierte, würde ich für immer in meinem Gedächtnis behalten. Saixs Mundwinkel bewegten sich kaum merklich nach oben und er senkte respektvoll den Kopf. „Doch wieso wollte ich dich von deinen blöden Ideen abhalten wollen? Schließlich sind sie viel zu oft die letzte Rettung.“
 

Xiomara

Wir standen uns gegenüber auf dem Glockenturm. Der Kirchplatz war mittlerweile verdunkelt und die Laternen warteten darauf, den Platz zu erleuchten. Doch es blieben noch einige Minuten im Licht der untergehenden Sonne.

Genau hier hatten wir uns verabschiedet. Genau hier hatte ich mich umgebracht. Damals. Es war Jahre her, fühlte sich jedoch mehr wie Jahrtausende an.

"Es ist wahr. Ich bin Moraia. Oder war Moraia. Kommt wohl auf den Standpunkt an.", erklärte ich zum wiederholten Male.

Daia zog zweifelnd die Augenbrauen hoch. Es war zu viel für sie.

"Aber... Das kann nicht sein. Moraia ist gestorben. Und auch wenn du ihr echt ähnlich siehst... Das kann nicht sein.", ihre Stimme schwankte. Sie hatte Angst. Verständlich. Ich unterdrückte Xemnas Stimme in meinem Ohr, der mir zuflüsterte, dass dieses Wesen vor mir schwach war. Minderwertig.

"Ich bin nicht gekommen, um dich zu belasten."

"Und Moraia hat nie so geredet! Total strebermäßig!", kam es nun scharf. Anscheinend hatte sie sich meine alte Devise 'Angriff ist die beste Verteidigung' endlich angeeignet.

"Ich weiß. Ich bin auch nicht mehr die, die du mal kanntest.", Moraia wäre schon vor Langem ausgerastet, aber Xiomara nicht. Xiomara war ruhig und gelassen. ICH war ruhig und gelassen.

"Und was willst du dann von mir? Wenn du wirklich Moraia sein solltest, solltest du in der Hölle schmorren als der widernatürliche Bastard, der sie war.", fuhr sie dazwischen.

Ein Seufzer entfuhr mir. Beinahe wünschte ich mir die stumpfe Existenz als Xemnas Wesen zurück. Es war einfacher, nicht zu denken.

"Ich will mich bedanken, Daia." Das ließ sie verstummen. Gut so.

"Ich will dir danken, dass du mich im Stich gelassen hast. Dass du davongelaufen bist und mich zum Sterben zurückgelassen hast. Dass du mich danach aus deinem Leben verbannt hast und mir gesagt hast, ich sei nicht gut für dich. Ich möchte dir danken, dass ich mich deinetwegen umgebracht habe. Dass ich mich so gottverlassen gefühlt habe."

Ich trat einen Schritt auf sie zu, langsam um sie nicht zu erschrecken. Dann noch einen. Bewegungslos beobachtete sie mich und ich sah die Angst in ihren Augen, als sie realisiert, was ich wollte.

"Ich danke dir, dass ich nun zu mir selbst gefunden habe. Ich danke dir, dass ich eine Familie gefunden habe, eine beste Freundin, die für mich sterben würde, wenn es sein müsste. Einen Mann, der mich mehr liebt als sich selbst und den ich mehr liebe als mich selbst. Eine Kraft, die wie ich ist und mir die Macht gibt, über mich selbst hinauszuwachsen, sobald ich sie beherrsche. Einen Sinn. All das verdanke ich dir."

Uns trennten nur noch wenige Zentimeter und ich konnte ihr Parfüm riechen.

"Lass mich diesen Gefallen erwidern."

Und stieß sie hinab in ein Tor zur Finsternis.
 

Xeluna

"Genug mit der Gefühlsduselei, ich möchte ein Eis!", mischte ich mich ein.

"Es gibt keine Zweifel mehr, Xeluna ist tatsächlich aus ihrem Zombie-Zustand erwacht." Axel stieß mich freundschaftlich an und wich einem sanften Schlag meinerseits aus.

Oh ja, ich war zurück. Mein Appetit ebenfalls. Tage -oder waren es sogar Wochen?- hatte ich mich nur von trockenem Brot ernährt und das rächte sich nun. Mein Körper schrie nach Abwechslung, nach etwas Geschmackvollen.

"Dann auf nach Twillight Town?" In einer schnellen Bewegung, die in jedem Organisationsmitglied fest verankert ist, öffnete Axel ein Tor zur Finsternis. "Saix zahlt."

Wie sollte es auch anders sein, versuchte sich der Blauhaarige rauszureden. „Ich habe Missionen zu bearbeiten.“

Zeitgleich verdrehten Axel und ich die Augen. Wir waren wirklich Meister darin. Wenn man etwas in der Organisation lernte, dann war es das.

„Keine Ausreden!“, ereiferte sich Axel. „Du wolltest einen Neuanfang. Dann beschwer dich nicht.“

Es war typisch Saix. So zu tun als würde er jegliche freundschaftliche Situationen verabscheuen war ganz sein Ding. Doch im Endeffekt ließ er sich willig durch das Tor befördern, bezahlte tatsächlich für unser Eis und folgte uns zum Uhrenturm.
 

Xiomara

Nachdenklich setzte ich mich auf die Stelle und schaute zu der Stelle hinab, wo das Tor Daia verschlungen hatte. Ihr Gesicht war entsetzt gewesen, vollkommen fassungslos. Es tat so unendlich gut, sich an diesen Ausdruck zu erinnern. Ich würde ihn fest in mein Gedächtnis brennen. Seit meiner Geburt als Niemand hatte ich mich von meinen Dämonen verfolgen lassen, hatte Angst vor Verrat und Enttäuschung gehabt. Misstrauen war mein zweiter Name. Und genau den Ursprung hatte ich nun getötet.

Nun... Ob Daia tatsächlich tot war, würde nie jemand erfahren. Vielleicht war sie eine Prinzessin der Herzen und gegen die Dunkelheit immun... Oder ein Niemand geworden - was ich jedoch noch mehr bezweifelte als die erste Option. Wie auch immer. Es war nun egal. Ich war frei. Frei von den Schatten der Vergangenheit. Ich hatte Moraia gerächt.

Doch trotz dieser Zufriedenheit, die Ketten aus Xemnas Kontrolle für den Moment gesprengt zu haben und Daia los zu sein, war noch lange nicht alles gelöst. Xeluna war mein Zustand egal gewesen und Axel hatte ich auch nicht mehr gesehen seit ich ihn angegriffen hatte, wenn man von dem Gruppentreffen absah... Ich hatte zwar große Reden geschwungen, bevor ich Daia gestoßen hatte, doch eigentlich sah die Realität nicht so rosig aus:

Meine beste Freundin hatte sich einen Scheiß darum gekümmert, dass Xemnas mich zum Sklaven machen wollte.

Mein...Freund? - Anderes Thema, wie ich ihn nun nennen sollte!- war wegen mir im Sterben gelegen und ich hatte zugelassen, dass wir uns danach für über einen Monat nicht gesehen hatten, indem ich mich bei dem Mann aufhielt, den er am meisten zu hassen schien. Wow. Tolle Bilanz, was?
 

"Nein Saix, böser Saix! Das Eis gehört in den Mund, nicht in meine Haare!"

Nein! Das konnte doch nicht wahr sein, oder? Dennoch, mein Gehör würde mich nie täuschen, wenn es um Axels Stimme ging. Überall hätte ich ihn erkannt.

Blitzschnell stand ich auf den Beinen und wie eine Statur auf Halbachtstellung, als ich sie erblickte. Saix, Xeluna und Axel. Mein Herz begann zu pochen und mir wurde schlecht. Nein... Axel und Xeluna... -Saix blendete ich praktisch aus- Die beiden am Eingang des Kirchplatzes, ich oben auf dem Turm. Das reinste Deja-Vu und dennoch war alles anders.

Wie in Zeitlupe hob Xeluna den Kopf, knapp gefolgt von Axel und Saix. Alle drei erstarrten wie ich einige Sekunden zuvor.

Mein Blick surrte zwischen Xeluna und Axel hin und her. Versuchte, ihre Emotionen zu erkennen. Ein Zeichen der Freude, irgendetwas. Ich sehnte mich so verzweifelt nach ihnen. Doch entweder brauchte ich dringend eine Brille oder beide hatten ihre Pokerfaces aufgesetzt. Xelunas Mund bewegte sich, als würde sie meinen Namen aussprechen, doch aus dieser Entfernung war das unmöglich zu hören.

Und dann trat er endlich vor und öffnete sie Arme. Lud mich zu sich ein. Vergab mir alles mit dieser einfachen Geste. "Komm endlich her, du verrücktes Miststück!"

Sekunden später war ich unten angekommen und lag tränenüberströmt in Axels Armen, während meine andere Hand Xelunas suchte und sie ergriff.

"Du bist wieder da." Ja, ich war wieder ich. Mit all meinen Fehlern und Schrecknissen.
 

Xeluna

Ich hielt Xiomaras Hand. Ich hielt sie fest und ich hielt sie lange. Keine Sekunde ließ ich sie los, nicht als Axel sie zu den Treppenstufen trug, nicht als er sich setzte, nicht als er sie auf seinen Schoß zog. Ich ließ sie nicht los, als die untergehende Sonne die Wolken in die Farbe unserer nicht vorhandenen Herzen tränkte. Ich ließ sich nicht los, als mein Eis längst geschmolzen war. Ich ließ sie nicht los, als ihre Tränen versiegten. Es war ein magischer Moment. Niemand von uns brauchte ein Wort zu sagen, wir verstanden uns auch so. Nicht einmal Saix ließ einen abfälligen Kommentar fallen, sondern saß still neben uns.

So saßen wir da, auf der unteren Treppenstufe des Bahnhofgebäudes, Axel mit Xiomara in den Armen, ich neben ihr, ihre Fingen mit meinen verschlungen, Saix neben mit, mein Kopf auf seiner Schulter.

Es war der schönste Sonnenuntergang, den ich jemals gesehen habe. Das Farbspektrum der Wolken reichte von Gelb, über Rot, bis hin zu Tieflila, während der sanfte Lavendelton des Himmels an einigen Stellen durchschien. Erst als die Farben dunkler und dunkler wurden, das Gelb komplett verschwunden war und nur noch ein dunkellila Himmel mit beinah schwarzen Wolken über uns lag, brach ich die Stille.

„Es tut mir Leid, Xiomara. Es tut mir so Leid, dass ich nicht für dich da sein konnte, als du mich am meisten brauchtest. Es tut mir Leid, dass ich dir nicht helfen konnte. Es tut mir Leid, dass ich keine bessere Freundin war.“

Ich blickte zu Saix.

„Es tut mir Leid, dass ich nur Isa in dir gesehen habe, ohne dein wahres Ich zu sehen. Es tut mir Leid, dass ich so lange gebraucht habe, um einzusehen, dass Luneas Erinnerungen nur schöne Gedanken sind. Es tut mir Leid, dass diese Gedanken im Weg waren, um in diesem Leben neue Erinnerungen zu schaffen.“

Nun wandte ich mich zu Axel. Ja, selbst ihm hatte ich zu sagen, was mir Leid tat.

„Und Axel... Es tut mir Leid, nie gesehen zu haben, was für ein guter Freund du wirklich bist. Es tut mir wirklich Leid.“
 

Xiomara

Xelunas Hand lag warm in meiner und ich drückte sie nachdrücklich. Wollte ihr meine Gefühle vermitteln. Nichts konnte das hier kaputt machen. Niemals.

"Und mir tut es leid, dass ich nicht zu dir gekommen bin. Ich habe mich schrecklich wegen meiner Eigenschaft gefühlt... Dennoch bist du meine Freundin und ich hätte dir mehr vertrauen sollen. Du hättest meine Anlaufstelle sein sollen. Du wärst für mich da gewesen, wenn ich dir die Gelegenheit gegeben hätte. Wir müssen füreinander da sein."

Ihre Augen glitzerten verdächtig und ich musste schlucken, um weiterzusprechen. Dieses Mal an Saix gewandt:

"Es tut mir leid, dass ich dich niemals so respektiert habe, wie du es verdienst hast. Ich weiß, dass wir beide Differenzen haben, aber allein um Xelunas Willen hätte ich dir eine Chance geben sollen. Du warst auch der Einzige aus dem Inneren Kreis, der so etwas wie Kritik an Xemnas Methode hervorgebracht hat. Irgendwie zumindest...", schwache Worte, aber sind wir ehrlich: Saix und ich würden nie Freunde werden.

Ich spürte seine Hitze durchgehend, Axel so nah bei mir. Es war alles, was ich jemals wollte. Einfach diese wunderbare Hitze.

"Axel...", setzte ich also an, wurde jedoch von seinen Fingern auf meinen Lippen unterbrochen.

"Still, Weib. Es gibt nichts zu entschuldigen. Wage es also ja nicht. Ich bin der, der sich entschuldigen sollte."

Bei diesen Worten stiegen mir abermals Tränen in die Augen. Ich war heute verdammt nahe am Wasser gebaut wie es aussah. Peinliche Sache, aber was sollte man machen?

Wie um das ganze hinter sich zu bringen, begann plötzlich Saix zu sprechen.

"Auch wenn ich eure ganze Auffassung, wir hätten Herzen, ablehne, entschuldige ich mich auch. Bei Axel für meine fehlende Weitsicht im Hinblick auf vieles und bei dir Xiomara für dasselbe. Ich hätte manchmal durchaus anders reagieren können." Genauso schwache Worte wie meine, aber aus Saix Mund klangen sie beinahe mühselig. Das musste wohl was bedeuten.

"Und bei dir... Xeluna.", sprach er so leise, dass ich ihn beinahe nicht verstanden hätte und plötzlich lagen seine Lippen auf ihren! Verdammt, SAIX küsste Xeluna!

Entgeistert starrte ich die beiden an, bevor ich mich besann, und diskret wegsah.

"Er ist nicht so gut mit Worten über Gefühlszeug.", murmelte mir Axel ins Ohr, während die beiden ineinander versanken und uns anscheinend vollkommen vergaßen.
 

Xeluna

Es gibt Momente, die man niemals vergisst. Dieser war einer davon. Und ja, vielleicht sollte ich den vorherigen Satz nicht so oft verwenden. Ich sage wohl zu oft, dass ich 'diesen Moment nie vergessen werde'. Doch es ist wahr.

Hach ja, es gab keinen besseren Tag in meinem Leben. Xiomara war wieder zurück, ich war wieder zurück, Axel hatte sich als wahrer Freund herausgestellt und Saix... küsste mich. Es war unbeschreiblich. Ich hatte mir unseren ersten Kuss oft vorgestellt. Hatte mir jedes Szenario ausgemahlt und selbst die absurdesten Situationen erfunden. Doch eine Sache unterschied diese Vorstellungen von der Realität. In ihnen hatte ich immer mit dem Kuss gerechnet. Hatte ihn sofort erwidert.

In Wirklichkeit befand ich mich die ersten Sekunden in einer Schockstarre. Jeder kennt das Gefühl der absoluten Überraschung, wenn etwas passiert, womit man nicht gerechnet hätte. Und hiermit hätte ich wirklich NIE gerechnet. Mein Gehirn setzte aus und ich war weder in der Lage zu handeln, noch zu denken. Ich glaube, den wirklich Impakt dieser Szene verstand ich erst später. Für den Moment ließ ich mein Denken ausgeschaltet, erwiderte den Kuss, nachdem ich meine fünf-sekündige Schockstarre überwunden hatte und vergaß alles um mich herum. Vergaß alles was passierte, je passiert war und noch passieren würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Gilgamesch09
2015-04-26T14:24:45+00:00 26.04.2015 16:24
so hebe ich endlich auf mal das momentane ende erreicht.
zuerst muss ich dich mal loben du hast einen guten schreib still der sich gut Lessen lest.
ich bin sehr gespannt was jetzt als nächstes folgt. Xemnas ist bestimmt weniger gut gelaunt da seine Gehirnwäsche jetzt unbrauchbar ist. deine Geschichte ist angeblich erst halb fertig und bin gespannt was noch gros passieren soll.
ich bin sehr gespant was du noch alles im petto hasst und Hofe auf noch so einige Überraschungen.

ab jetzt wird von mir jedes kapitel ein Kommentar voll gen also schreib fleißig weiter.

Ps. ein bisschen schade finde ich es das mein Lieblings Character nicht vorkommt. un nein es ist nicht Sosa (den kannst du gerne in der gülle erticken lassen das fände ich voll toll) es handelt sich um Xion. nur so am rande mal meine Meinung zugeben.
Antwort von:  RinaUchiha
26.04.2015 17:23
Danke, danke, danke <3 Nachdem wir solange pausiert haben, bin ich echt happy, wenn es noch Leute gibt, die es lesen.
Na ja, da die FF von mir (als Xiomara) und einer Freundin (Xeluna) geschrieben wird, gibt es da noch ganz viele Ideen :D!

PS: Wir haben Xion& Laexus rausgenommen (und Marluxia vor Beginn sterben lassen xD), damit wir auf 13 Mitglieder kommen. Wir fanden dieses Organisation XIII, aber dann 14 Mitglieder haben, ein wenig doof ;)
Und Sora wird noch vorkommen!


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