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Zwölf Sterne für ein Halleluja!
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Kapitel 16: Alte Feinde und neue Bekannte

Kapitel 16: Alte Feinde und neue Bekannte
 

Die Genii waren zu großen Teilen abgezogen.

Es waren vielleicht noch zwei Dutzend Genii von einst vierhundert da, die die Gefangenen und die Ausgangsbasis aller Operationen der Genii-Separatisten bewachten. Außerdem wartete noch der weggeputschte Staatschef Cowen in der Basis, zusammen mit seiner acht Mann starken Leibwache.

Der Rest war alles auf dem Weg zum Sternentor, um Atlantis anzugreifen und zu erobern – die Stadt gehörte rechtmäßig ihnen, der stärksten menschlichen, indigenen Macht der Pegasus-Galaxie.

Für Myram, die Sanitäterin, war es zwar ein bedauerlicher Verlust an gefallenen Brüdern – aber immer noch an Brüdern. Ihre Kameraden würden an der Verteidigung von Atlantis scheitern, da war sie sich sicher.

Sie wusste aber, was ihr das für Möglichkeiten bot. Sie begleitete die Invasion nicht, was eigentlich mehr Glück als Verstand gewesen war.

Vielleicht aber auch nur, weil sie die einzige weibliche Sanitäterin der ganzen Separatistengruppe war und sie zumindest noch um so etwas wie Anstand verfügten.

Sora war zwar mit der Invasionstruppe unterwegs, aber das tat der Genugtuung, die sie am Ende wahrscheinlich verspüren würde, keinen Abbruch. Sie hatte es sich angewöhnt, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes mit einer Pistole unter dem Kopfkissen schlief – und mit einem Messer in der Hand.

Die Sanitäterin war nicht nur immer noch eine Angehörige ihrer Streitkräfte, sondern sie war auch Spionin – sie wusste, wann sie sich absetzen sollte.

Und für sie war der Zeitpunkt definitiv gekommen.

Groban und Haskeer waren die beiden Zellenwächter, deren Namen wirklich ihrer Persönlichkeit entsprachen. Die beiden standen – oder besser gesagt saßen – in ihrem kleinen Wachzimmer an einem Tisch, direkt die schwere Gittertür mit halben Stift im Auge, und spielten Karten.

Myram mochte die beiden nicht, sie waren weder freundliche Zeitgenossen noch waren sie überhaupt Zeitgenossen, die man in irgendeiner Form mögen konnte. Es hieß, dass die beiden sehr viel und gerne für den verstorbenen Kommandanten Acastus Kolya gearbeitet hatten.

Trotzdem versuchte sie zumindest neutral zu ihnen zu sein. „Guten Abend – ich muss zu den Gefangenen, Verbände wechseln.“

Beide sahen von ihrem Kartenspiel auf und musterten sie von oben bis unten. „Warum?“, fragte Haskeer, der mit dem langen, aristokratischen Gesicht.

Myram tat so, als würde sie kurz überlegen. „Weil sie… gewechselt werden müssen, wenn sie überleben sollen?“

„Warum? Sollen sie denn noch weitere… Befragungen überleben?“, fragte Groban. Das war die längste Aussage, die Myram je von ihm gehört hatte – im Allgemeinen galt der Soldat nicht als sehr gesprächsfreudig – außer man hatte das Pech, ihn als Befrager zu haben.

„Ich würde mal sagen – schließlich werden die wahrscheinlich jede Menge über Atlantis wissen, wovon wir nur träumen können!“ Die Sanitäterin lächelte siegessicher.

Beide Soldaten jedoch sahen sich an und meinte einstimmig: „Nein.“

Wenn Myram ehrlich war, hatte sie damit schon gerechnet, nur sie hatte es nicht gehofft.

„Gut, dann eben anders.“ Beide Soldaten ließen den Blick zu ihr schnellen und sahen zwei Wurfmesser, griffen nach ihren eigenen Schusswaffen, waren aber nicht schnell genug. Jedes der Messer durchbohrte den Schädel und trat auf der anderen Seite wieder aus. „Idioten.“

Schnell tastete die Spionin in inoffizieller Funktion nach den Schlüsseln, griff sie sich und nahm noch die beiden Handfeuerwaffen der beiden Soldaten. Danach schaute sie verstohlen aus dem Wachstübchen und sah niemanden.

Sie huschte zu den Zellen und sah sich vier Frauen gegenüber, die sie neugierig musterten. „Was denn, heute ohne Köfferchen und Begleiter?“, fragte die, die offenbar ihre Anführerin war, belustigt, während die Genii das Schloss ihrer Zelle öffnete.

„Ja, heute sind Flügelhusaren unterwegs!“, antwortete die junge Frau und lächelte, als sie bemerkte, wie die vier sie verwundert ansahen. „Wir sollten uns beeilen! Sind sie kampffähig?“

„Soweit ja.“ Die Frauen in der Zelle erhoben sich, wobei die am hintersten Ende des Raumes, die, die es am schlimmsten erwischt hatte, stöhnte und ächzte. „Wer sind sie überhaupt?“

„Myram, Vierte Genii-Geheimdienstabteilung. Und ihr?“ Die Genii reichte den Atlantis-Frauen die beiden Waffen von Groban und Haskeer. Mit geübten Griffen überprüften sie sie und kamen anscheinend zu dem Schluss, dass sie in Ordnung waren.

„Clarke, Kunze, Grant und Krukov.“ Die Anführerin hatte auf jede ihrer Kameradinnen gezeigt und bei sich begonnen. Sie selbst trug jetzt eine Waffe. „Wann geht es los?“

„Am besten sofort!“

„Wir sollten vielleicht unsere eigene Ausrüstung noch einsammeln – wir brauchen zum Beispiel das GDO.“ Die Anführerin sah sich kurz unter ihren Gefährtinnen um und erntete nur nicken. „Mit wie vielen Feinden haben wir zu rechnen?“

„Mit etwas Glück weniger zwei Dutzend. Zwei sind auf jeden Fall schon mal tot.“

„Na, dann…“, begann Krukov und sah sie an. „Jemand einen guten Schlachtruf auf Lager?“ Nur Kopfschütteln erntete sie und sie antwortete mit einem Schulterzucken und einem auf Russisch gemurmelten „Für Mutter Heimat!“

„Auf geht’s!“, meinte Clarke und führte mit vorsichtigen Schritten die Gruppe raus.

Die Sanitäterin sicherte mit nach vorne, Grant sicherte nach hinten, der Rest der Gruppe hatte die Fäuste zum Nahkampf geballt – gegen Feuerwaffen würde das wahrscheinlich nicht viel ausrichten, aber es gab ein Gefühl der Sicherheit und vertrieb das der Machtlosigkeit.

Der gesamte Gebäudekomplex war vor allem drei Dinge: primitiv, weil gemauert aus zwar massiven doch weder verputzten noch gut geschichteten Backsteinen, groß, weil die fünf Frauen lange unterwegs waren, und leer, weil sie niemanden trafen.

Es war wie ausgestorben – die meisten sollten sich in dem Geländeobservatorium, einem kleinen Hochstand mit modernster Überwachungstechnologie, und oder der Funkzentrale befinden. Doch beide waren wie ausgestorben.

Erst vor dem Ausrüstungslager, in dem alles an Schießeisen, Funkgeräten, Sanitätsausrüstung und sonstiger Ausrüstung lag, stand die obligatorische Wache mit der Maschinenpistole. Die Wache war an die Wand gelehnt und hatte sich die Mütze tief ins Gesicht gezogen.

Entweder schlief er oder er tat nur so – in beiden Fällen musste er weg.

Die Sanitäterin fackelte nicht lange und schritt auf den Soldaten zu, die Waffe hinter dem Rücken verborgen. Sie erwartete, dass er jede Sekunde reagieren würde und nach dem Protokoll die Waffe hebend sie fragen würde, was sie am Ausrüstungslager zu suchen hatte. Er reagierte jedoch nicht, nicht, als sie auf ihn zuschritt, nicht, als sie ihn ansprach, und nicht, als sie seine Mütze anhob.

Ihr wurde klar, warum der junge Soldat – eigentlich ein recht netter Mann namens Alfray, den sie sich schon zumindest auf die Liste gesetzt hatte – ihr nicht antwortete: Wären Vögel da gewesen, hätte sie eine logische Erklärung dafür gehabt, warum sie nur von den leeren Augenhöhlen angestarrt wurde und nicht von lebendigen, braunen Augen.

Doch egal warum – Alfray war tot. Sehr tot sogar, und das schon mindestens ein paar Stunden wenn sie sich richtig an den Unterricht in Leichenkunde während ihrer Ausbildung erinnerte. Der junge Mann fiel nach links, von der Tür weg. Die Atlantis-Frauen rückten nach.

„Egal wie sie das so schnell hinbekommen haben – sie müssen mir unbedingt zeigen, wie das geht!“, meinte Clarke und besah die Leiche. „Trophäen sind zwar nicht mein Stil, aber…“ Als sie von der Leiche aufsah und die Sanitäterin fixierte, bemerkte sie, dass sie Tränen in den Augen hatte. „…Hey, was ist denn, Kleines?“

Zwar war das eine sehr freundschaftliche Reaktion, als die Frau aus Atlantis sie in den Arm nahm und sie an sich zog, aber sie dachte, dass sie der Genii etwas schuldete – schließlich hatte sie dafür gesorgt, dass sie überlebten. Die Amerikanerin kam nur ihrer Pflicht als Teamführerin nach und sorgte dafür, dass ihr Team einsatzbereit blieb.

Währenddessen hatte sich der Rest in den Lagerraum begeben und sicherte ihn. In dem Raum standen ziemlich viele Tische und Schränke, die meisten leer – was soweit nicht weiter verwunderlich war, schließlich war ein Angriff im Gange. Ihre eigenen Waffen fanden sie in einem gesonderten Bereich sofort. Sie waren in mehreren Kisten und Schränken, zusammen mit dem ganzen Rest ihrer Ausrüstung, neben einem großen, zylindrischen Objekt, welches nach einem nicht sehr netten Gegenstand aussah.

„Major Clarke!“, rief eine der Frauen nach draußen. „Wir haben alles und noch mehr!“

„Was haben wir denn?“, fragte die Frau, als sie bei ihren Kameradinnen war und sich gerade die Einsatzweste anzog. „Einen Grund, warum der Junge da draußen tot ist?“

„Naja, das nicht gerade!“, gestand Krukov, grinste aber wie ein Honigkuchenpferd, „Dafür aber eine Atombombe!“

Kurz herrschte Schweigen, die drei Frauen von Atlantis sahen von ihrem Major zu Myram und zurück. „Was?!“, fragte Clarke leicht entsetzt – das letzte Mal hatte sie als junger Lieutenant mit Atomwaffen zu tun gehabt, als ihre 101st ein paar Atombomben nach Colorado Springs eskortieren sollte.

Zwar hatte man damals nicht die ganze Division – was auch ein bisschen auffällig gewesen wäre – eingesetzt, aber es waren doch ein paar Teileinheiten eingesetzt worden, unter anderem ihre Kompanie. Sie hatten damals über achtzig Meilen Feldweg Verantwortung für ein halbes Dutzend Atombomben getragen, von denen jede einzelne genug Sprengkraft und Zerstörungsradius hatte, um New York oder Washington in einen Beta- und Gamma-Verstrahlten Bereich verwandeln zu können.

Sie hatten aber ihren Job erfüllt und den LKW mit den ‚Sturmgewehren zur Verschrottung‘ – so lautete die Tarngeschichte – sicher nach zwei Tagen komplett innerhalb des Zeitrahmens ans Ziel gebracht.

Damals war in der Nacht ein Foto von ihr entstanden, was ihr beinahe den Kopf gekostet hätte: Sie saß darauf mit einem Cowboyhut und sonst sehr wenig Stoff am Leib rittlings auf einer der Bomben. Ihr damaliger Colonel hatte es mit Humor genommen und eine Werbekampagne vorgeschlagen, mit dem Bild und ein paar kleinen Montagen – zum Beispiel einem großen US-Army-Schriftzug und ein paar Veränderungen an ihrem Äußeren – sowie der Bildunterschrift „Fühle die Macht zwischen den Beinen!“ in den Hauptrollen. Nach dessen Plan sollte es vor allem Frauen anlocken.

Clarke hatte damals nicht eingewandt, dass die wenigsten Frauen darauf eingehen würden, doch sie hatte Colonel Crittendon seinen sexistischen Quotenscherz machen lassen – vielleicht auch weil das Damoklesschwert kein Schwert mehr war sondern eine ausgewachsene Streitaxt.

Schon in den frühen neunziger Jahren waren die Atomwaffen aber schon weit kleiner gewesen als das Genii-Ding vor ihnen – schließlich war sie damals nicht auf der Bombe selbst sondern auf der Sicherheitshülle gesessen.

Laut Clarkes Schätzung brachte man maximal fünf von den Dingern ohne irgendwas an Bord eines LKWs. Bei ihrer kleinen Eskorte waren ein halbes Dutzend Atombomben und beinahe dreißig Kisten mit alten M16A1-Sturmgewehren auf der Ladefläche gelegen und sie hatten immer noch Platz gehabt.

„Leute, in mir reift gerade ein richtig perverser, kleiner Plan!“, meinte die Kreischende Adlerin und besah sich die Massenvernichtungswaffe von allen Seiten. „Wie machen wir das Ding mit Zeitzünder scharf?“

„Kommt drauf an!“, antwortete Myram und trat zu ihr, während die anderen den Raum abriegelten. Jeder, der versuchen würde, in den Raum zu kommen, würde blei bekommen, und zwar jede Menge davon.

„Worauf?“

„Wie schnell die Zeit um sein soll. Ich weiß nur, wie man einen Countdown von vier Stunden einstellt!“ Die junge Frau besah sich die Vorrichtung. „Oder natürlich eine Funkzündung, was ich vielleicht bevorzugen würde.“

„Gehört das zum Spionagehandwerk bei euch?“, meinte Clarke und schnaubte, „Wie mache ich eine Atombombe scharf?“

„Nicht ganz.“ Kurz verschwand die Sanitäterin mit Händen und dem Kopf in der Bombe, die versuchte ein Genii-Funkgerät mit dem Zünder zu verbinden. „Jede Genii-Bombe, ob konventionell, atomar, chemisch oder biologisch, hat genau den gleichen Zünder. Das erleichtert die Einarbeitung.“

„Kann ich mir vorstellen.“, kam es von Krukov, die mit einem halben Ohr mitgehört hatte. „Aber ist das nicht gefährlich – was zum Beispiel, wenn ein Feind eine eurer Atombomben entschärfen kann?“

„Die meisten Völker würden es nicht können – sie kennen nicht die Prinzipien der Kernspaltung. Aber es gibt schon das ein oder andere, welches vielleicht in der Lage wäre.“, gestand die junge Frau und zog ihren Kopf aus der Bombe und schnappte sich ein weiteres Funkgerät. „Fertig. Wenn wir ein Genii-Funkgerät auf einer bestimmten Frequenz betätigen wird die Bombe sofort gezündet.“

„Ich hoffe, dass das nicht die Frequenz von ihrem Lieblingsradio ist!“, meinte Clarke und lächelte. Die anderen machten sich psychisch abmarschbereit.

„Radio?“

„Okay, lange Geschichte!“ Clarke schulterte ihre vertraute und geliebte P90 und rief: „Abmarsch!“

Wie Geister huschten sie durch die verlassenen Gänge, deckten sich gegenseitig, ließen keinen Moment in ihrer Aufmerksamkeit nach, sahen sich aber immer noch sehr genau um. Sie wussten nicht wieso, aber vielleicht konnten sie noch den ein oder anderen nützlichen Gegenstand bergen – man wusste nie.

Sie trafen auf niemanden, nicht mal Leichen fanden sie noch. Alles war still, so als wäre die Welt während ihres kleinen Intermezzos in dem Genii-Komplex gestorben. Es konnte aber auch ebenso gut eine Falle sein, die im ersten Moment der Unachtsamkeit zuschnappte.

Alles das wollten sie nicht riskieren, nicht, wenn sie schon so nah an ihrem Ziel waren: Freiheit.

Nach einiger Zeit hatten sie Tageslicht gesichtet – einen langen, goldenen Streifen abendlichen Lichts, welches durch den Ausgang hereinfiel. Alles deutete darauf hin, dass sie entkommen konnten, als Clarke um die Ecke lugte.

Sie sah den Ausgang, der ihr wie die Pforte in den Himmel erschien – und eine nicht gerade kleine Ansammlung von Tieren.

„Krukov! Das sollten sie sich ansehen!“, meinte Clarke und schaute nach hinten – auch dort hatten sich Lebewesen breit gemacht, die eindeutig keine Menschen waren.

Die Gefährtinnen der Amerikanerin hatten die Waffen gegen die Fremden erhoben. Diese gingen wie Menschen auf zwei Beinen, hatten zwei Arme samt Hände, in denen bei einigen Langbögen, bei anderen primitive Schwerter oder Speere lagen, und sahen auch sonst größtenteils menschlich aus, hatten nur anstatt eines normalen Kopfes den eines Ziegenbocks, teilweise mit sehr langen Bärten.

Die Wesen sahen nicht so aus, als wären sie freundliche Zeitgenossen.

Clarke sah ihre Pflicht als Aushilfsdiplomatin gekommen und hob die Hand.

„Hallo.“, meinte sie und lächelte. Die Wesen reagierten nicht. „Ähm, ich bin Major Anne Clarke, aus Atlantis, dies sind…“

Als sie gerade ansetzen wollte, ihre Begleiter vorzustellen, trat eines der Wesen mit besonders langem Bart vor und begann zu meckern, wie es Ziegen gerne und häufig taten. Nach einigen Sekunden stimmten die anderen mit ein, bis der erste eine sehr forsche Handbewegung nach hinten machte.

Sofort verstummten die anderen. „Major Anne Clarke!“, donnerte er mit dunkler, aber verständlicher Stimme, die im Gang ein unheimliches Echo erzeugte. Den Menschen lief es kalt den Rücken runter und sie wagten es nicht, sich zu rühren. „Dies ist Gebiet der Satyrn!“

Clarke sah, dass sie sich und vor allem ihre Kameradinnen verteidigen musste. Erst später sollte ihr aufgehen, dass sie es genau auf dem falschen Wege getan hatte. „Wir wurden von einem Volk namens Genii gefangen genommen und hierher verschleppt – es tut uns sehr Leid, dass wir euer Gebiet verletzt haben, ehrlich, aber wir tragen keine Schuld!“

Die Satyrn brachen in höhnisches Gelächter aus, was der Vorsprecher sofort wieder unterband. „Wenn ihr Gefangene wart – wieso führt ihr dann einen Feind mit euch?“

„Das ist Myram.“, antwortete Clarke und legte der Genii eine Hand auf die Schulter. „Sie ist nicht mehr unsere Feindin, denn sie hat uns bei der Flucht geholfen.“

„Also gebt ihr euch mit einer Verräterin ab?“, donnerte der Mann – hinter ihm setzte wieder Gelächter ein, welches er diesmal nicht unterband. Er schien es sogar zu begrüßen.

„Ruhig bleiben, Mädels!“, raunte Clarke und sah über die Schulter zu ihrer restlichen Gruppe.

Ihr stockte der Atem, als sie sah, dass sie ihre Waffen auf einen ausgewachsenen Braunbären gerichtet hielten, der einfach nur in ihrem Weg saß. Sie wandte sich wieder an ihren Gesprächspartner: „Ich denke, sie würde ‚Spionin‘ bevorzugen. Und wir alle würden es bevorzugen, einfach gehen zu können, ohne Probleme und ohne, dass irgendjemand verletzt oder gar getötet wird!“

Diesmal gab es kein Gelächter – stattdessen zischte ein Pfeil dicht an Clarkes rechtem Ohr vorbei und landete klappernd weiter hinten in ihrem Rücken. Den Bär hatte es nicht getroffen.

Der Vorsprecher schien zu überlegen. „Menschin, du und deine Gefährtinnen, ihr habt einen Tag Zeit, diese Welt zu verlassen – geht nach Atlantis und verbreitet dort die Kunde, dass Balmorra eine Welt der Satyrn ist!“

Hinter ihm brach Jubel aus, er ließ die Massen feiern, bis er nach etwa einer Minute die Hand hob und laut und deutlich sprach: „Sollte sich jemals ein Mensch hierher oder auf eine unserer anderen Welten begeben, ohne vorher von uns eingeladen worden zu sein, wird dieser gejagt, gefangen und auf dem nächsten Sklavenmarkt verkauft – dies blüht auch euch, solltet ihr bis in einem Tag nicht diese Welt verlassen haben! Und vergesst nicht: Wir stehen mit der Natur im Bunde!“

Clarke konnte nur nicken. Sollten sie es nicht schaffen, würden sie ihre Haut so teuer wie möglich verkaufen, dafür würde sie schon sorgen. Unter dem großen Jubel der restlichen Satyrn bewegte sich der Bär zur Seite, die Wölfe, die unter den Eingangswachen ein regelrechtes Blutbad angerichtet hatten, hatten sich zu einer Art Ehrenspalier aufgestellt.

Langsam gingen die Frauen unter den wachsamen Augen der Satyrn und ihrer restlichen Bewacher nach draußen und sahen sich um. „Und wo liegt jetzt das Tor?“, fragte Clarke niemand bestimmten. Die Satyrn reagierten mit Gelächter.

„Hier lang – und wir sollten uns besser sehr beeilen!“, meinte Myram und führte sie zu einem recht breiten Feldweg, der sich in den Wald schlängelte. Clarke wusste nicht woher, aber sie hatte ein ganz mieses Gefühl.

Ohne jedwede Absprache waren sie sich einig, dass die Genii-Separatisten de facto vernichtet waren. Ob sie es wollten oder nicht, aber die Satyrn hatten etwas damit zu tun – zwar schienen sie nicht sonderlich hoch entwickelt, aber sie hatten eindeutig Ortskenntnis und ein sehr großes Geschick im Umgang mit ihren Waffen.

Clarke würde es nicht aussprechen, aber es konnte wahrscheinlich recht unangenehm mit diesen Zeitgenossen werden, sollten sie mit ihnen bewaffnet aneinander stoßen. Ihr einziger Trost aber war, dass es den Wraith und den Genii wahrscheinlich sehr ähnlich erging.

Auf dem Weg zum Tor passierten sie mehrere Patrouillen, die sie unverhohlen und voller Hass musterten, sie aber sonst in Frieden ziehen ließen. Die meisten waren mir bronzenen und kupfernen Kurzschwertern sowie mit Bögen ausgerüstet, gepanzert waren sie mit Lederwämsern – im Falle falls hätten sie im offenen Feld keine Chance gegen die Feuerwaffen der Erde.

Wahrscheinlich würden die fünf Frauen aber nicht auf offenem Feld oder auch nur einer Lichtung gestellt werden. Clarke musste damit rechnen, dass sie in einem Hinterhalt auf dem Weg geraten würden, mitten im Wald – sie würden keine Chance haben.

Immer wieder trieben sie sich gegenseitig an, marschierten bis tief in die Nacht. Komischerweise marschierten sie eine Zeit lang wirklich im Gleichschritt, die drei Amerikanerinnen in strenger Formation, die Russin hinterdrein in russischer Art – nicht im Stechschritt – und die Genii zwar im Gleichschritt aber weder hinter noch auf gleicher Höhe wie die Amerikanerinnen.

Langsam brach der Morgen an und keine der Frauen dachte an eine Pause oder ein Nachtlager – sie marschierten und wanderten einfach weiter, selbst als sie auf Patrouillen stießen, die sie immer noch nicht angegriffen hatten.

Clarke war kurz davor, ihr Kampfmesser zu ziehen und die Spannung damit zu zerschneiden, aber sie wagte es nicht. Stattdessen verstärkte sie ihren Griff um die P90, wo sie ein leichtes Knacken hörte – sie hörte ihren Großvater, der einmal gesagt hatte „Heute werden einfach keine Waffen mehr für die Ewigkeit gebaut!“ und musste lächeln.

Es war mitten in der Nacht, als es geschah – ein Pfeil schwirrte lautlos heran und traf Krukov in den Bauch – sie brach betäubt zusammen. Als nächste erwischte es Myram. Die drei Amerikanerinnen dachten gar nicht daran, aufzugeben und warfen sich in Deckung, immer auf der Suche nach Zielen.

Nicht ahnend, dass ihr Feind sprichwörtlich auch im Dunkeln sehen konnte, ließen sie ihre Taschenlampen ausgeschaltet. Sekunden später sackten auch Grant und Kunze zusammen.

Clarke stand auf und trat zu ihren Kameradinnen. „Ihr habt versprochen uns bis morgen Abend zu geben!“, rief sie in den Wald. Keine Sekunde später brach auch sie zusammen.



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