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Zwölf Sterne für ein Halleluja!
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Kapitel 6: Bericht

Kapitel 6: Bericht
 

Die halbe Stunde war fristgerecht vergangen, Hochstätter, Schulz und Shalev standen vor dem Konferenzraum gegenüber dem Kontrollraum. Zwei von Feldjägern geführte Hunde schnupperten an ihnen.

Laut den beiden Männern, die die Leinen hielten, war der eine, ein etwas kleineres Weibchen namens Laika, darauf abgerichtet, Drogen zu erschnüffeln, der andere, ein Rüde mit dem treffenden Namen Rex, darauf, Sprengstoffe aufzuspüren. Die beiden trugen immer noch den großen Dienstanzug, bestehend aus dem langen, dunkelblauem Mantel, den Kampfstiefeln und der dunklen Hose.

Sie waren aber nicht alleine – zwei weitere Militärpolizisten mit Maschinenpistolen H&K MP5 standen vor der Tür zum Konferenzraum Schmiere, zwei weitere warteten an den Flanken der großen Treppe, die zum Kontrollraum hinauf führte, Frau Oberstabsfeldwebel Maraike Hammerau hielt sich im Kontrollraum selbst auf um das dortige Personal zu überwachen.

Gerade unterhielt sich Schulz angestrengt mit einem der Feldwebel über die Bundesliga, während Hochstätter Shalev, die Frau, die die Hand unter der Decke umklammert gehalten hatte, ein wenig zur Seite zog.

Sie war kreidebleich, blickte mit abwesenden, trüben Augen in die Landschaft hinaus – ihr Feuer war weg. Das Feuer, welches sie zu einer so außergewöhnlichen Frau machte, ein Feuer, geschürt von dem Willen, ihre Freiheit, Religion, ihre Lebensweise und ihr Land zu bewahren. Hochstätter musste sich vor Augen führen, dass sie und die Tote, Doktor Yael Kishon, zwei von vier Israelis in ganz Atlantis waren – einer davon, David, war Psychologe in Doktor Heightmeyers Stab, der andere, Mike, war Physiker unter Doktor Zelenka.

„Elisheba...“, sprach er sie mit ihrem Vornamen an und legte freundschaftlich einen Arm um sie, sie blickte schwach auf. Hochstätter stach es tief und schmerzhaft ins Herz, sie so zu sehen. „Wenn du dich zurückziehen willst, Schulz und ich kriegen das schon hin.“

Es dauerte anscheinend ein paar Sekunden, bis der Input in ihr Hirn kam, so fertig schien sie. „Sicher?“, fragte sie schwach, kaum hörbar.

„Absolut. Ich kenne Kupferstecher noch aus Hammelburg, er ist ein guter Mann. Und für den Rest werden sie schon nicht die größten Hurensöhne der Welt zusammengetrommelt haben.“ Normalerweise war es sie, die mit solchen kleinen Kommentaren ihre private Umwelt auf Atlantis erfreute, nicht der ernste Hochstätter. Und wenn er es doch versuchte, so erntete er zumindest ein kleines Lächeln. Doch diesmal war da nichts, nicht mal ihre Augen blitzten.

„Ja... das werden sie garantiert nicht haben...“, gab sie schwach zurück. „Danke.“, meinte sie und befreite sich aus seinen Armen, der Deutsche ließ sie gewähren.

Vor noch vier Stunden hatte sie einen stolzen, hohen Gang besessen, federnd und weniger wie eine Soldatin der israelischen Fallschirmjäger – doch jetzt... sie zog ab wie eine geschlagene, wie, als hätte sie die wichtigste Schlacht ihres Lebens verloren.

Und obendrein noch ihre einzige Freundin 3,3 Millionen Lichtjahre von ihrer Heimat, dem umkämpften Gelobten Land, entfernt. Der Anblick hatte definitiv etwas sehr trauriges an sich.

„Herr Hauptmann.“, meinte neben ihm eine Stimme auf Deutsch. Die Stimme war hart, männlich und gehörte einem der Feldjäger. „Sie können rein.“

Es gab auf ganz Atlantis insgesamt zweiundzwanzig Deutsche, die nicht zum Ausschuss gehörten, zwei Gebirgsjäger, vier Pioniere, ein ziviler Informatiker, zwei Psychologen, drei ziemlich hübsche Sanitäterinnen, Anne aus der Küche, ein Panzergrenadier und drei Kampfkarpfen der Marine – und von denen hatte keiner oder keine eine so raue und harte Stimme wie der Militärpolizist, der wegen seiner Statur definitiv nach dem Motto „Ärger mich und du bekommst volles Pfund aufs Maul.“ arbeitete.

Hochstätter und Schulz traten zueinander, der Hauptmann leicht nach vorne versetzt. Er warf noch einen letzten Blick hoch und nach hinten zu seinem Kameraden. „Wie sagen die Grenadiere so schön? Ran, rauf, rüber, oder?“

„Jawohl, Herr Hauptmann.“, anscheinend wusste der Bayer, dass es mit dieser Sache verflucht ernst war und dass er sein bestes Hochdeutsch auspacken sollte. „Ran, rauf, rüber!“

„Vorwärts, Marsch!“, befahl Hochstätter murmelnd, und gleichzeitig setzten sich beide in Bewegung. Koordiniert wie das Drillteam des Wachbataillons marschierten die beiden Deutschen in den Raum.

Gegenüber der Tür, die in den Raum führte, standen drei Tische so zusammengerückt, dass sie die Hälfte eines Sechsecks bildeten. An den Seiten links und rechts saßen jeweils zwei Generäle, in der Mitte saß der Zivilist. Hinter den Sitzen der Stabsoffiziere waren Bänke aufgestellt, auf denen deren Helfer saßen, Papier und Stift in Anschlag. Neben der Tür standen zusätzlich nochmal zwei Feldjäger, die Maschinenpistolen ruhten in der Armbeuge.

Zusätzlich dazu stand an der Seite Colonel O`Neil immer noch in Parade-Uniform der USAF, sein wachsamer und strenger Blick ruhte auf den beiden Deutschen, die in den Uniformen des Atlantis-Personals in den Raum schritten.

Hochstätter erkannte Kupferstecher sofort – er saß zwischen dem Russen und dem Zivilisten. Auch sein Blick war wachsam, aber es lag noch etwas anderes drin. Neugier.

Mit einem kleinen Anflug von Wut bemerkte der Hauptmann diesen Ausdruck in jedem der Gesichter, die ihn anblickten, bis auf dem des USAF-Amerikaners.

Der Hauptmann wandte sich nach links zu dem Kommandanten der Achtzehnten Panzerdivision. „Herr Generalleutnant, Hauptmann Hochstätter und Leutnant Schulz melden sich in einer dienstlichen Angelegenheit wie befohlen.“, brüllte erstgenannter auf Deutsch. Er und Schulz salutierten zackig und fixierten einen Punkt ein Stück über dem Kopf des Adjutanten Kupferstechers. In ihnen regte sich kein Muskel.

Der Generalleutnant sah den Hauptmann nur kurz an und erwiderte schließlich: „Rühren, Hochstätter. Sie wissen nicht zufällig, wo sich Frau Hauptmann Shalev befindet?“ Seine Stimme ließ nur den Schluss zu, dass er genau wusste, was los war und es seinem Untergebenen übel nahm – sehr sogar. Er hatte die komplette Gruppe unter Hauptmann Hochstätter herbefohlen – er bekam von drei Lebenden zwei.

„Seren Shalev zog sich auf meine Anweisung hin in ihr Quartier zurück, Herr Generalleutnant.“ Allen beteiligten fiel besonders ein Wort auf: 'Seren', die hebräische Form des Hauptmanns. Es schien fast eine gewisse Distanz zu erzeugen, zumindest nach dem Willen Hochstätters – dass sein Team keine militärisch professionelle Einheit war, sondern ihr Zusammenhalt auf Freundschaft beruhte, sollte nicht unbedingt jeder erfahren.

„Und warum, wenn man fragen darf?“ Auch das war Rhetorik – der eigentliche Wortlaut in Verbindung mit Gestik und Mimik wäre gewesen: „Und warum, Dreckssack?! Wenn du keinen verdammt guten Grund hast, reiß ich dir den Hintern soweit auf, dass du bei der Körperwelten-Ausstellung mitmachen kannst!“

„Verarbeitung des Todes unserer Teamkameradin Doktor Yael Kishon am heutigen Tage.“, antwortete der Offizier ohne zu zögern und ohne zu zucken.

„Aha. Und deswegen sind sie auch hier – berichten sie, was vorgefallen ist!“, forderte der USMC-General von der anderen Seite auf. Der Deutsche reagierte jedoch nicht.

Erst auf das Nicken des Kommandanten der Achtzehnten Panzerdivision fing er an zu berichten: „Vor etwa vier Stunden wurde mein Team, bestehend aus Leutnant Sebastian Schulz, ursprünglich Gebirgsjägerbataillon 233, Seren Elisheba Shalev, ursprünglich Hativat HaTzanhanim, israelische Fallschirmjägerbrigade, Doktor Yael Kishon, Zivilistin und Architekturwissenschaftlerin, und mir, Hauptmann Wolfgang Hochstätter, ursprünglich Gebirgsjägerbataillon 231, zusammengetrommelt. Als unser Auftrag wurde festgelegt, dass wir P33-336 besuchen sollten.

Dort war es unsere Aufgabe uns im Zuge der Festsetzung von Pegasus Reconnaissance Group 12 unter Major Anne Clarke, ursprünglich 101st United States Airborne Division, mit einem Kontaktmann der Genii in Verbindung zu setzen. Dieser sollte uns schließlich den Genii-Staatschef Ladon Radim herbestellen. Aus diesem Grund wurde zusätzlich die ehemalige Stadtleiterin Doktor Elisabeth Weir in mein Team berufen.

Auf dem Weg zu dem Dorf, in dem der Kontakt lebte, wurden wir angegriffen. Leutnant Schulz bildete die Spitze, danach folgten die Doktoren Weir und Kishon. Den Schluss bildeten Seren Shalev und ich. Wir waren ein Stück zurückgefallen.

Die Straße, über die wir ins Dorf zu gelangen hatten, war an dieser Stelle von beiden Seiten von bewaldeten Hügeln umgeben und bot somit perfekten Raum für einen Hinterhalt.

Die Spitze wurde unter Feuer genommen, Leutnant Schulz verteidigte Doktor Weir und Doktor Kishon mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen.

Seren Shalev und ich flankierten die insgesamt vier Soldaten, die die Gruppe um Schulz unter Feuer genommen hatte erfolgreich, alle vier sind tot.

Im Zuge des Feuerkampfes wurde Doktor Kishon tödlich getroffen, die von Leutnant Schulz eingeleiteten Lebenserhaltungsmaßnahmen wirkten nicht. Doktor Weir machte sich alleine auf, um im Dorf den Kontakt zu treffen.

Der Rest der Gruppe kehrte nach Atlantis zurück.“

Der Hauptmann hielt inne und fixierte kurz seinen Landsmann vor ihm. „Wenn sie wünschen, erhalten sie einen kompletten Bericht von Leutnant Schulz und mir.“

Es herrschte Schweigen. Die Feldjäger an der Tür zuckten nicht, Colonel O`Neil hielt sich ruhig, ebenso wie die Generäle und ihre Helfer. Wäre in diesem Moment eine Stecknadel gefallen hätte man sie so laut gehört, wie als würde neben einem ein Passagierflugzeug starten.

Die Stille wurde schließlich von einem einzigen Wort unterbrochen, ausgesprochen von Kupferstecher: „Schulz?“

„Jawohl, Herr Generalleutnant?“

„Können sie Hauptmann Hochstätters Aussage zustimmen?“

„Jawohl, Herr Generalleutnant!“

Der alte Deutsche nickte abwesennd. Ein Seitenblick des russischen Generals ruhte auf ihm, die Blicke des Rests des Ausschusses waren auf das dynamisch-undynamische Duo in der Mitte ihrer Sitzordnung gerichtet. Deren Blick war auf den Kommandanten der Achtzehnten Panzerdivision gerichtet.

„Und aufgrund dieser Ereignisse schickten sie Hauptmann Shalev in ihr Quartier?“, fragte der General. Es war offensichtlich, dass es mehr Rhetorik als sonst etwas war. Sie alle wussten, dass es so war.

Trotzdem antwortete Hochstätter bejahend.

„Warum genau? Gibt es irgendetwas, was für diesen Fall interessant wäre und nicht in irgendeiner Akte steht?“, fragte der Russe mit starkem Akzent. Er erhob zum ersten Mal die Stimme seit er in Atlantis war. Es war sofort klar, dass man es mit einem erfahrenen Befrager zu tun hatte.

Kurz zögerte der Gebirgsjäger. „Doktor Kishon und Seren Shalev waren sehr eng miteinander befreundet.“, gestand er schließlich.

„Eng im Sinne von...?“, fragte der Marine-Corps-General und machte eine unbestimmte Handgeste, die andeuten sollte, dass der Deutsche fortfahren sollte.

Dieser drehte sich um und antwortete: „Was auch immer sie damit sagen wollte – sie waren Freunde und Kameraden, General, Sir.“ Der Hauptmann spuckte die letzten Worte geradezu aus, voller Hohn und Verachtung. Das letzte was er wollte, war, dass irgendein dahergelaufener Yankee eine Freundin von ihm durch den Dreck zog – und wenn auch nur durch irgendwelche Andeutungen, die wahrscheinlich nicht so gemeint waren.

„Hüten sie ihre Zunge, Captain.“, antwortete der General. Seine Stimme hatte etwas kaltes an sich, wie als wollte er dem Hauptmann den Kopf abreißen. Sein Gesicht jedoch blieb ausdruckslos.

„Wie auch immer.“, unterbrach sie Kupferstecher wieder. „Herr Hauptmann, sie haben gegen ihre Befehle gehandelt. Ich habe das komplette Team verlangt, und sie haben meiner Anweisung nicht Folge geleistet – der Grund ist mir schleierhaft.“

Das war der Punkt an dem Hochstätter den General unterbrach: „Entschuldigen sie, Herr Generalleutnant, allerdings denke ich, dass die starke Freundschaft zwischen Seren Shalev und Doktor Kishon dargestellt wurde!“

„Nein, haben sie nicht – und selbst wenn, ist das kein Grund, dass sie von dieser Befragung fernbleibt.“ Er schien kurz nachzudenken. „Hauptmann Jansen, finden sie bitte heraus, wo sich Hauptmann Shalev befindet und bringen sie sie her.“

„Jawohl, Herr Generalleutnant.“, antwortete der junge Mann und warf einen entschuldigenden Blick zu seinem alten Kameraden aus Hammelburg Hochstätter, bevor er aufstand und auf die Tür zuging.

Er wäre fast in Schulz rein gelaufen, der sich vor ihm aufgebaut hatte und zu ihm auf Bayrisch sagte: „Du bloabst hier, du klaoner Saupreiß!“

„Herr Leutnant, würden sie bitte den Weg freimachen?“, fragte Jansen unbekümmert unter den entsetzten Blicken Hochstätters und Kupferstechers – der Rest der Anwesenden war nur leicht verblüfft.

Früher war Schulz nur durch vorbildhaftes Verhalten aufgefallen, es schien fast als hätte er nie einer Fliege was zu Leide tun können – aber offensichtlich steckten in zwei Metern und etwas mehr als hundertzehn Kilo mehr als man vermutete. Er blieb stehen wo er war.

Er und Jansen lieferten sich ein stummes Blickduell, der Leutnant, der den Weg nicht freimachen wollte, und der Hauptmann, der durch wollte. Keiner von beiden gab auch nur einen Millimeter preis, von seinem Standpunkt ganz zu schweigen.

Plötzlich wurden zwei Maschinenpistolen MP5 mit ihrem unverkennbaren Geräusch durchgeladen, die beiden Schützen, beides Feldjäger, legten auf einen ihrer eigenen Männer an. Es war kein Wunder, schließlich waren beide mindestens einen Kopf kleiner und bei weitem nicht so massig wie der Bajuware. „Zurücktreten, Herr Leutnant!“, forderte einer der beiden ihn auf.

Schulz trat keinen Schritt zurück, immer noch Jansen fixierend. Deutsche Soldaten weichen nicht..., schoss es ihm durch den Kopf, …nicht vor einem Feind – und erstrecht nicht, wenn ein Freund sich auf einen verlässt!

„Sepperl...“ Die Stimme des Hauptmanns klang traurig, resignierend und müde – es war ein offenes Geheimnis, dass der Offizier hin und wieder einfach zusammen sackte, wenn er scheiterte, dass dann alle Energie aus ihm wich wie aus einem Ballon. Trotzdem fiel dem Bajuwaren sofort eines auf: Er war mit der netten Form seines Vornamens angesprochen worden. „Es ist genug...“, schloss er.

Langsam wendete der Bayer den Blick zu seinem Disziplinarvorgesetzten – er sah ihn an und schüttelte langsam den Kopf. „Für heute ist genug Blut der Erde vergossen worden...“

Es war mehr als deutlich zu sehen, wie der Leutnant ins wanken geriet und zurücktrat, den Hauptmann vor ihm durchlassend. Der Gesichtsausdruck war eher anklagend als enttäuscht.

„I hoff, sie wissen, woas sie duan...“, meinte der Gebirgsjäger.

„Glaub mir... ich auch...“

Zehn Minuten später kam eine junge, entschlossene Frau hereinmarschiert – und sie war nicht Seren Shalev. Blond, mittellanges Haar zu einem strengen Knoten gebunden, schlank und mit einer Figur, die nur auf eines schließen ließ: entweder war die Frau Olympiateilnehmerin oder Soldatin – vielleicht sogar beides.

Sie war Soldatin und trat schnellen Schrittes vor Mister Winters, der, der den Ausschuss eigentlich leitete, aber bisher von allen rundweg ignoriert worden war.

„Sir, Lieutenant Laura Cadman, Atlantis-Sicherheit. Sie haben gebeten, dass Seren Shalev ihnen vorgeführt wird. Wir haben sie zu ihrer Sicherheit in Gewahrsam genommen, sie ist momentan auf ihrem Quartier. Captain Jansen“ - sie sprach den fremden Namen mit einem niedlichen Akzent aus, wie alle anwesenden Deutsch sprechenden bemerkten - „befindet sich mit einer mehrfach gebrochenen Nase auf der Krankenstation.“

Kurz herrschte Stille – Input war zu verarbeiten Output, zu formulieren.

Der erste, der soweit war, war Hochstätter: „Sagten sie gerade 'mehrfach gebrochene Nase'?“ Die junge Frau vor ihm nickte, die Feldjäger ließen ihre Maschinenpistolen und Kinnladen sinken. „Ist der arme Kerl unter ne Stahlpresse gekommen?!“

„Nein, Captain. Aber Seren Shalev kann sehr wütend werden.“, antwortete sie leicht belustigt, obwohl nichts lustiges dran war. „Wir haben sie mit einem Stunner betäubt nachdem sie den armen Mann durch eine halbe Sektion prügelte.“

„Tja... so kann es gehen.“, meinte Hochstätter. Er konnte sich ein kleines, triumphierendes Grinsen nicht verkneifen, es war einfach unmöglich. „Herr Generalleutnant, mit ihrer Erlaubnis werden sich Schulz und ich empfehlen.“

„Nein.“, antwortete dieser. Es war kein wütendes Nein, auch kein verärgertes – es war geradezu erschreckend kalt. Der Generalleutnant hob den Blick, fixierte Hochstätter eindeutig wütend und meinte absolut ruhig: „Sie haben trotz allem einen Befehl missachtet.“

Langsam erhob sich der ältere Panzerfahrer, stützte sich auf den Tisch und beugte sich vor, sodass sich die Nasen Hochstätters und Kupferstechers beinahe berührten. „Gehorsamsverweigerung.“

Er schnippste einmal kurz mit den Fingern, die Feldjäger hoben ihre Maschinenpistolen gegen einen der ihren – wiedereinmal. Der alte Mann lehnte sich zurück. „Es gab eine Zeit, da stand dieses Vergehen unter Todesstrafe!“

„Herr Generalleutnant, ich mache sie darauf aufmerksam, dass diese Zeiten seit über sechzig Jahren vorbei sind.“, antwortete Hochstätter bemerkenswert ruhig.

Der ranghohe deutsche Offizier beugte sich so weit vor, dass sich fast die Nasen des alten Panzerfahrers und des jungen Gebirgsjägers berührten und meinte absolut kühl: „Dessen bin ich mir durchaus bewusst, Herr Hauptmann...“ – er spie die Rangbezeichnung auf Deutsch fast aus – „... und sie haben trotzdem noch auf die Anweisungen eines Generals zu hören.“

„Ein Major an der Infanterieschule in Hammelburg brachte mir bei, dass selbst wenn der Generalinspekteur persönlich vor einem steht, das Wohl der eigenen Untergebenen Vorrang vor blindem Gehorsam hat.“ Der junge Mann stockte kurz, kniff die Augen zusammen und fuhr leise auf Deutsch fort: „Schon merkwürdig was ein bisschen Gold ausmachen kann.“

Wer vom Generalleutnant erwartet hatte, dass er erschrocken zurückfahren würde oder anfangen würde, zu brüllen, hatte sich geschnitten. Er antwortete schlicht, den Kopf gesenkt und resignierend: „Ja... Gold verändert einen Menschen... Verantwortung verändert einen Menschen... Sie können wegtreten.“

„Herr Generalleutnant!“ Hochstätter und Schulz salutierten zackig, schlugen die Hacken zusammen und schickten sich an, den Raum zu verlassen. Hochstätter konnte es sich bisher mit Mühe verkneifen, triumphierend den Feldjägern ins Gesicht zu grinsen.

„Einen Moment noch – diese Shalev will ich trotzdem sprechen, nicht hier, keine Sorge. Ist das für sie als ihr Disziplinarvorgesetzter vertretbar, Herr Hauptmann?“, rief der Russe. Es wirkte nicht wie die Forderung eines Generals an, es war mehr wie eine Bitte formuliert, was es dem Hauptmann der Gebirgsjäger sofort sympathischer machte – obwohl es weit davon entfernt war.

„Lieutenant General, ich würde gerne mit einer Einschätzung erstmal warten.“, antwortete der deutsche Jägersmann um Diplomatie bemüht.

„Gut.“ Der ehemalige Sowjetgeneral nickte und entließ die beiden Jäger damit endgültig.

Ruhig und besonnen verließen die beiden deutschen Soldaten den Raum, ihrem Ruf gerecht werdend. Als sich die Türen hinter ihnen schlossen und sie mehrere Meter von dem Konferenzraum entfernt waren, riss der Hauptmann seine Faust hoch und grinste unverholen. Von der anderen Seite des Raumes wurde er von Oberstabsfeldwebel Hammerau angesehen wie Auto, nur nicht so schnell.

Nach diesem kurzen Ausbruch wandte er sich an Schulz und streckte ihm die Hand hin. „Sepperl, das war ein Husarenstück!“, meinte er fast lachend.

„Darauf kenns ona lasse!“, antwortete der Bayer und schlug ein.

In genau dem Moment, in dem sich ihre Handflächen trafen, begannen die Sirenen ihren fernen, klagenden Gesang zu beginnen – und die Hölle an scheinbarer Desorganisation und Chaos brach los.



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