Zum Inhalt der Seite

Watashi wa Akuma

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das silberne Netz

Ein unterdrückter Zornesfluch prallte gegen die Schlossmauern und ließ alle darin einen kurzen Moment lang erschaudern.

Einige schüttelten ihre Köpfe und taten so, als wäre nichts gewesen. Andere versuchten über ihre mentalen Fühler die Ursache des Zornes zu erfassen, stießen dabei aber nur auf Leere. Und wiederum Andere waren mächtig genug um die beiden Dämonen zu erfassen, die sich da im dunklen Garten stritten.

„Was soll das heißen: Ich bin dir überdrüssig?!“, schrie Claude mit einem knurren in seiner Stimme, die Hände zu Fäusten geballt.

Der junge Dämon vor ihm zuckte nur mit den Schultern, während er seinen Gegenüber abschätzend musterte.

„Das was es heißt. Du bereitest mir keine Freude mehr.“, schloss er eiskalt und lehnte sich in dem schwarzen Holz zurück, die Beine über einander geschlagen.

Claudes Muskeln zuckten als er versuchte seine Wut im Zaun zu halten, bevor er den gesamten toten Garten noch völlig im Nichts verschwinden ließ. Er konnte nicht glauben, was Lloyd ihm da gerade sagte, obwohl er nicht der Erste war. Seit er an dieser Schule war und sich dort zum Zeitvertreib einen süßen Leckerbissen heraus suchte, wurde ihm dieser nach wenigen Wochen streitig gemacht. Es war normal in der Dämonenwelt, dass die Liebschaften und Partnerschaften alle paar Jahrhunderte wechselten, doch wenn dies in einer selbst für einen Menschen kurzen Zeit geschah, gab es immer andere Gründe dafür als sie normal waren. Eiskalte Wut legte sich über den Dämon, während er seinem Gedanken einen Namen gab: Sebastian.

„Hat er dich etwa besser amüsiert?“, fragte Claude und spuckte dabei einmal.

Das breite Lächeln auf Lloyds Lippen und der brennende Ausdruck in seinen Augen waren Antwort genug für den Dämon. Wütend ließ er seine Energie durch die Erde strömen, die daraufhin zu Staub zerfiel, bevor sie sich in heißen, erstickenden Teer verwandelte.

Lloyd fuhr sich mit einer Hand durch die Haare: „Du wirst doch bestimmt bald wieder einen neuen Gespielen finden. Und falls es dich tröstet, dein Erzfeind hat auch seine Schwächen, auch wenn das wohl niemand so recht glauben kann.“

Schwächen? Claude lachte heiser auf. Wer glaubte schon, dass Sebastian Michaelis Schwächen besaß? Er war doch perfekt! Ausgezeichnet in allen Fächern, von den Professoren vergöttert und den Schülern geliebt. Er bekam alles, was er wollte, litt niemals solche Qualen und wurde niemals betrogen, belogen, beraubt.

Lange, silberne Spinnenseide zog sich durch den Teer, webte sich zu einem Netz zusammen, unerkannt, bis es den jungen Dämon in eine süße Falle gelockt hatte.

Claude lächelte.

„Wir werden ja sehen, was das Ende so bereit hält…“, flüsterte er und ging, eine Scharr silberner Spinnen mit sich ziehend. Wenn Sebastian wirklich eine Schwäche besaß, wie sein Gespiele ihm so unfreiwillig verraten hatte, dann würde er sie in Erfahrung bringen.

Das Ende würde erst der Anfang sein.

Intrigen und Lügen

„Sebastian!!“, ging der Ruf quer über den abgedunkelten Flur und der Angesprochene verzog entnervt die Brauen zusammen. Eine Sekunde später war der Quälgeist von einem Inkubus schon neben ihm und umgriff Sebastians Arm mit beiden Händen.

„Sebastian, hast du es schon gesehen? Du hast schon wieder das beste Ergebnis erreicht!“, grinste der Junge ihn an und schmiegte sich gleichzeitig an ihn.

Sebastian fuhr ein Schauer den Rücken hinab.

„Logi, würdest du die Güte besitzen mich loszulassen?“, fragte er eine Spur zu sanft.

Der Dämon schreckte zurück, bis er mit seinem Rücken gegen die Steinmauer stieß. Seine kupfernden Haare ergaben dadurch einen wunderschönen Kontrast zu der dunklen Mauer, aus der nun zwei Aquamarine zu schimmern schienen. Er schluckte, sich der Gefahr bewusst, die von seinem Gegenüber ausging. Niemand hier konnte Sebastian Michaelis das Wasser reichen, noch nicht einmal die Professoren, die ihn nur all zu gerne in die Hölle lobten. Und gerade das machte den Dämon zu dem begehrtesten Objekt der gesamten Schule. Gleichzeitig war er deshalb aber von den mächtigeren Dämonen auch verhasst, weil sie alle in seinem Schatten standen. Doch so war es schon immer auf der Dämonenschule gewesen. Ein Schüler war mächtiger als alle anderen, die ihn dafür hassten und liebten. So war es schon immer und so würde es auch wieder sein, wenn Sebastian eines Tages die Schule verlassen würde. Jeder hier wusste das und trotzdem gab es einige, die diese Tatsache völlig ignorierten.

Logi lächelte schüchtern und wagte sich einen Schritt von der unsicheren Wand weg, auf den noch unsicheren Gang vor, als eine Bewegung von der Seite ihn inne halten ließ. Der Dämon drehte sich zum lichteren Ende des Gemäuers und erbleichte als er den blonden Jungen bemerkte, der leichtfüßig auf sie zu kam.

Ein Lächeln umspielte dessen Lippen.

„Sebastian.“, hauchte der Dämon mehr als das er es sprach. Eine Geste die jedem Inkubus das Wasser in den Mund trieb und sein Blut zum Kochen brachte.

„Lloyd. Du hast schon aus?“, fragte Sebastian und die Schärfe seiner Signatur ließ schlagartig nach. Er ließ den Jungen näher an sich heran treten, ohne ihm gleich den Kopf abzureißen, was Logi nur mit einem verärgerten Schnauben quittierte.

Lloyds Lächeln wurde zu einem Garn der Verführung, wie kein Inkubus es besser hätte spinnen können, nur dass ihm nach etwas anderem lüsterte als dem Sexdämon.

„Gratuliere, du hast das beste Ergebnis seit mehr als Hundert Jahren!“, grinste Lloyd, den Nebenbuhler kurz mit einem verachtenden Blick aus seinen dunklen Augen quittierend, bevor er seine gewallte Aufmerksamkeit seinem Gespielen zuwandte.

Langsam löste er die Knöpfe an seinem Hemd und legte so seinen Hals frei.

„Deine Belohnung.“, meinte er und legte seinen Kopf leicht zur Seite.

Sebastian lächelte, seine Hände fanden die Schultern des Jungen, sodass er ihn festhalten konnte, während er sich zu Lloyd hinab beugte und das Blut annahm, das ihm so freiwillig dargeboten wurde. Es schmeckte viel zu heiß, besaß keine Süße, keine Unschuld, nichts von all dem, was der Ältere so sehr liebte. Trotzdem nahm er es entgegen, weil es immer noch besser war, als die Seelen, die sie ab und an von Menschen nehmen durften, die sich in ihre Welt verirrt hatten. Denn diese Menschen waren verdorben von den Lügen und Intrigen der Oberwelt, dass ihr Geist genauso bitter geworden war wie ihr Blut.

Als Sebastian von seinem Gespielen abließ, leckte er sich über die Lippen, bevor er sich an den Inkubus wandte, der die beiden mit feurigen Augen beobachtete. Welch armes Opfer gleich unter ihm leiden würde wusste nur er selbst.

„Würdest du uns wohl allein lassen?“, fragte er mit einem Lächeln auf den Lippen, dass selbst die Hölle gefrieren ließ.

Logi biss sich auf die Zunge, bis er sein eigenes Blut schmeckte, bevor er in der Lage war der Bitte nach zukommen. Auch wenn ein Inkubus die wohl stärksten sexuellen Reize aller Dämonen besaß, konnte dieser hier sein auserkorenes Opfer nicht beeindrucken. Egal wie gut er es versuchte, der Machtunterschied blieb einfach viel zu groß, als dass Sebastian darauf hätte reagieren können. Doch diese Tatsache war für Logi noch lange kein Grund aufzugeben.

Sobald die Dunkelheit den Inkubus verschluckt hatte, lag Sebastians Blick wieder auf seinem Gespielen.

„Also, was wolltest du mir berichten?“, fragte der Dämon und verschränkte die Arme vor der Brust.

Lloyds Blick nahm eine Unschuld an, die Sebastian innerlich Galle spucken ließ: „Brauche ich einen Grund um bei dir zu sein?“

„Du würdest niemals etwas ohne Hintergedanken tun, Lloyd.“

Die Lippen des Jungen verzogen sich zu einer Grimasse.

„Es sind Neue eingetroffen.“

„Es treffen täglich Neue ein.“

„Diesmal scheinen aber ein paar sehr interessante darunter zu sein.“, lockte der Dämon.

„Willst du das Bett wieder in ein Blutbad verwandeln?“

Lloyds Blick wurde brennend bei dem Gedanken an die letzte Opfernacht. Er leckte sich die Lippen. Nichts liebte dieser Dämon mehr als das Blut ängstlicher, von Lust und Wut durchzogener Menschen und Dämonen in seinem Schlafzimmer.

Sebastian schüttelte den Kopf: „Nun geh schon, bevor die besten weg sind.“

Der Dämon verschwand in der Dunkelheit, seinen Gespielen allein zurück lassend, wobei er sich sicher war, dass dieser ihm gleich folgen würde, sobald er die Spinne los geworden war, die sie schon die ganze Zeit über beobachtet hatte.

„Bist du es nicht leid andere zu belauschen, Claude?“, fragte Sebastian viel zu sanft.

Eisig goldene Augen lugten aus dem Gemäuer, aus dem die silberne Spinne trat. Claudes Blick war kalt und voller Hass.

„Ich habe dir schon einmal gesagt, dass Lloyd zu mir gekommen ist, freiwillig.“

„Du hättest ihn wegschicken können!!“, schrie der Dämon wütend.

„Das hätte nichts geändert. Er wäre nicht zu dir zurück gegangen.“

„Das weißt du nicht!“

„Ach nein?“, Sebastian drehte sich um, sodass er seinem Rivalen in die Augen sehen konnte. Ein Donnern ließ das Gemäuer erbeben, als Claude einen angreifenden Schritt auf seinen Gegenüber zu trat. Beide Dämonen hielten in ihrer Bewegung inne, denn sie beide kannten dieses Geräusch nur all zu gut. Es bedeutete, dass sich die Professoren ihres Kampfes bewusst waren, und dass sie ihnen Einhalt geboten. Sebastian seufzte.

„Du entschuldigst mich, ich habe noch eine Verabredung.“, meine der Dämon und ließ sich in die Dunkelheit fallen, sodass Claude allein zurück blieb.

Er zog seine mentalen Schwingen wieder ein, die sich netzartig über den Boden warben und verharrte wo er war, ein missachtendes Knurren in der Kehle.

„Warum hast du sie nicht abgeschirmt, wenn du uns schon belauschst, Fallyn?“, fragte er in die Finsternis hinein, in der sich die schwarze Witwe versteckt hielt.

Das Kichern einer Frau schien aus allen Wänden zu kommen und zeugte von Verführung und Grausamkeit. Das silbern-weiße Spinnennetz zog sich einmal quer über die Decke, doch hatte es keine mentale Kraft in sich gespeist.

Fallyn ließ sich an einem einzigen Faden hinab gleiten, bis ihr Gesicht auf derselben Höhe war wie Claudes, ihre Lippen zu einer grotesken Maske verzogen. Ihre Augen waren so golden wie seine, ihre Haare silbern-weiß wie ihr Netz und ihre Nägel lang und schwarz. Sie war wunderschön und hässlich zugleich.

Claude lächelte. Sie hätte seine Schwester sein können. Vielleicht war sie das sogar. Denn wer wusste in der Dämonenwelt schon von irgendwelchen Verwandtschaften? Niemand hier kannte seine Eltern oder Geschwister. Niemand hier wusste von wem er stammte. Und das war auch gut so. Verwandtschaft führte nur zu weiteren Intrigen und Lügen, zu Hass und Tod und Qual.

„Was willst du hier, Fallyn?“, wiederholte er die unausgesprochene Frage, die er gerade schon gestellt hatte. Die schwarze Witwe kichert.

„Du spinnst ein übles Netz, mein Süßer.“, säuselte sie, eine Hand auf seine Wange legend.

Claude setzte eine Maske der Missgunst auf, währte sich aber nicht gegen die Berührung, denn unter den langen, schwarzen Nägeln lagen tödliche Gifte verborgen. Tödlich für einen Menschen. Es war unmöglich einen Dämon so leicht zu töten. Doch schaden konnten die Gifte ihm alle male.

„Ich spinne keine Netze…“, spie der Dämon ohne einen Muskel zu rühren.

„Aber natürlich. Ich vergaß. Du webst sie.“

Claudes Blick wurde hart.

„Eine schwarze Witwe ist zu mehr fähig, als nur tödliche Fallen aufzustellen, Claude Faustus, das solltest du niemals vergessen.“

„Was hast du gesehen?“

„Tod, Qual, Leid… Intrigen und Lügen.“

„Das ist nichts Neues.“

„Es wird niemals etwas Neues geben als das alte Lied.“, flüsterte die Witwe und strich mit ihren Fingern langsam Claudes Wange hinab, ein süßliches Lächeln auf ihren Lippen, „Der Klang der Noten scheint sich zu verändern, aber die Melodie bleibt doch immer dieselbe. Und trotzdem ist das Ende noch nicht geschrieben.“

Mit einem zischenden Geräusch verschwand die Dämonin in der Finsternis der Gewölbedecke, Claude im dumpfen Licht der Wandfackeln belassend. Die Warnung ihrer Worte hing über ihm, greifbar nah, doch unerreichbar für denjenigen, der sie nicht verstand. Das Spiel hatte gerade erst begonnen, das Ende war noch ungeschrieben, da hatte die schwarze Witwe recht. Claude lächelte.
 

Freude zu Leid, Tod zu Intrige, Wahrheit zu Lüge.
 

Er würde dem Ende schon den Klang geben, nach dem er sich verzerrte: Dem Untergang von Sebastian Michaelis.

Liebe und Leid

Kapitel 2: Liebe und Leid
 

Vergangenheit
 

Das Lachen der jungen Dämonen hallte über die dunklen Landschaften hinweg und schenkte ihnen ein wenig Licht, welches die Blumen so dringend benötigten. Niemand wusste wie sie in dieser schwarzen Welt eigentlich blühen und in einem so hellen blau erstrahlen konnten, doch es kümmerte auch keinen. Sie waren da.

„Claude!“, rief der dunkelhaarige Junge und winkte mit seinem Arm.

Eher keuchend rannte Claude hinter seinem Freund her, immer weiter über die schönen Wiesen, die sie irgendwann in die Menschenwelt bringen würden. Es war ihm schon immer schwer gefallen mit Sebastian Michaelis mit zu halten, aber trotzdem gab er nicht auf. Und den anderen Dämon schien es auch nicht zu stören, wenn Claude einmal langsamer war. Sie passten auf einander auf, waren wie Brüder, unzertrennlich.
 

* * *
 

Gegenwart
 

Claudes Augen ruhten auf den Ghulen und Menschen, die da in ihre Mitte geführt wurden, genauso wie es alle Dämonen taten. Nicht jeder von ihnen wählte sich einen aus, weil es auch immer noch Morgen und Übermorgen gab, aber ab und an konnte auch ein Dämon es nicht mehr ohne frische Seele, Blut, Sex oder Schmerz aushalten.

Manche von ihnen praktizierten eine rege Mischung aus mehreren dieser Nahrungen. Es stärkte sie nicht mehr als es die einfache auch getan hätte, doch es hatte seinen Reiz. Es war ein Spiel, ein tödliches Spiel.

Die Ghule waren dabei nur Diener, Haustiere, die ab und an ersetzt werden mussten, weil sie sich gegenseitig so gerne auffrassen.

Doch für Claude war nichts Interessantes dabei. Er ließ seinen Blick über die Dämonen schweifen, bis er seinen Ex und seinen Feind erblickte. Lloyds Augen waren voller Gier auf frisches Blut, das konnte er über die Entfernung hinweg sehen. Und er wusste auch schon, welcher arme Tropf ihm als Abendessen dienen würde. Er kannte Lloyds Geschmack nur zu gut. Der ältere Mann, so voller Stolz und bestimmt früher einmal voller Reichtum, den der Dämon so fixierte, strotzte nur so von starkem Blut. Es war ermüdend.

Viel interessanter waren Sebastians Augen, die sich so wunderbar reizend auf einen kleinen Ghul hefteten. Er war gerade einmal aus dem Windelalter raus, alt genug um zu arbeit, zu jung um kräftig zu zupacken. Was wollte Sebastian also von ihm?

Ein Lächeln umspielte Claudes Lippen, als er die Spinnenfäden fester zog.
 

* * *
 

Vergangenheit
 

Oh Luzifer, was für ein herrlicher Duft, dachte der junge Dämon und lief los. Es roch nach Rosen und Unschuld und Angst. Eine süße Mischung, die Claude nur noch schneller eilen ließ.

Er sprang in die Welt des Wechselns über und erreichte das Opfer im selben Moment wie die Wölfe das junge Mädchen, dessen blondes Haar bereits von Blut rot gefärbt war.

Ihre Augen starrten ins Nichts und waren trotzdem so voller Leben, dass Claude reagierte, bevor er es selbst verstand. Die Wölfe lagen tot vor ihm, nicht mehr in der Lage jemals wieder ein armes Kind zu reißen. Der Dämon lächelte über das Blutbad.

„Danke.“

Erschrocken fuhr er herum und starrte das Mädchen an, als wäre sie ein Geist und kein Mensch. Oh, das war sie auch. Ihre Haut war so blass wie die eines Geistes, aber unter ihr pochte das heiße Blut eines lebenden Kindes, in dem eine gesunde Seele schlummerte.

Langsam ging Claude auf sie zu und ließ sich vor ihr auf den Boden sinken, eine Hand auf ihre weiße Wange legend.

„Bitte.“

Das Mädchen kicherte leise.

„Ich bin Maria. Und wie heißt mein Retter?“

„Claude.“

Sie kicherte erneut und sein Herz machte bei ihren ehrlichen Augen einen kleinen Sprung.

„Warum bist du hier, allein? Wo sind deine Eltern?“, fragte er, das Gefühl in seinem Bauch ignorierend. Die Hände des Mädchens zitterten, während ihre Stimme fest blieb. Wie stark sie doch war.

„Frag die Wölfe, frag die Krähen, frag die Onkel in Weiß.“, kamen die Worte wie ein Singsang aus ihrem Mund, der immer noch so süß lächelte.

Claude verstand ihre Worte nicht, doch trotzdem. Er wollte ihr helfen. Er wusste nicht wieso, aber er wollte sie beschützten vor allem. Der Welt, den Dämonen, den Menschen.

Sie war so rein, so unschuldig. Eine süße Seele, voller Hoffnung. Und sie war sein.

Claudes Arme umschlossen ihren zerbrechlichen Körper, bis sie an seiner Brust zu liegen kam. Ihre Smaragdaugen leuchteten unter ihren langen Wimpern hervor, als sie sich an ihn schmiegte.

„Danke, Claude.“
 

* * *
 

Gegenwart
 

„Dein Name … sein.“, hörte Claude den älteren Dämon leise dem Ghul zuflüstern.

Arrogant trat er auf ihn zu, die Lippen zu einem spöttischen Lächeln verzogen.

„Reichen dir die Dämonen hier nicht, dass du dir einen Ghul für deine perversen Spiele halten musst?“, fragte er herablassend.

Der Ghul versteckte sich sofort hinter einem von Sebastians Beinen, sich an ihn klammernd und vor Angst zitternd. Verstand er das Spiel überhaupt, das hier mit ihm gespielt wurde?

„Was willst du, Claude?“

„Nichts.“

Sebastian zog eine Augenbraue hoch und blickte seinen Gegenüber zweifelnd an. Natürlich glaubte er ihn nicht, dafür kannte er ihn zu gut. Und doch wusste er nichts über ihn. Genauso wie Claude erst jetzt langsam etwas über Sebastian Michaelis verstand, was er schon viel früher hätte begreifen sollen. Er warf dem Ghul einen hasserfüllten Blick zu, bevor er davon ging. So würde er nicht an ihn heran kommen, um das Netz weiter zu befestigen. Aber er würde noch, irgendwie. Es fehlten nur noch so wenige Fäden. So wenige. So wenige.
 

* * *
 

Vergangenheit
 

Das Mädchen erstrahlte als sie ihn sah.

„Claude!!“, winkte sie fröhlich.

Er lief zu ihr hin, ließ sich vor ihr ins Gras sinken und lächelte. Er war glücklich, solange er bei ihr war. Er wollte sie nie wieder gehen lassen. Es waren jedes Mal dieselben Gedanken die er hegte, sobald er sie sah. Doch irgendwann würde er sie verlieren, dass wusste er. Irgendwann würde sie nicht mehr sein. Sie war bereits kein kleines Mädchen mehr. Vor ihm saß eine junge Frau, mit Augen die noch voller Zukunft waren.

Sie legte ihm eine Kette aus Blumen geknüpft um den Hals und küsste ihn auf die Wange.

„Darf ich mir etwas wünschen, Claude?“

„Alles! Ich schenke dir die ganze Welt, wenn du es willst.“, hauchte er verzweifelt, weil er ihre Gedanken nicht lesen konnte.

Sie wartete, drehte sich von ihm weg. Es war als würde sie eine Mauer zwischen sie aufbauen. Was war, wenn sie wollte, dass er sie nicht mehr besuchte? Was war, wenn sie einen Mann gefunden hatte, den sie liebte? Was war…

„Claude…“, setzte Maria an, doch hielt augenblicklich wieder inne.

Sie wandte sich ihm wieder zu, legte ihre Hände auf seine Wangen und zog sein Gesicht zu sich heran, bis seine Stirn an ihrer ruhte. Ihre Augen leuchteten wie zwei Smaragde, in denen ein Feuer der Leidenschaft brannte.

„Bitte, forme einen Vertrag mit mir.“

„…Was?!“ Claudes Augen weiteten sich vor Schreck und Furcht, „Niemals!“

„Warum nicht?“, fragten ihre Augen, ohne dass sie die Worte aussprach.

„Niemals werde ich dir deine Seele nehmen, nur um dir einen völlig unwichtigen Wunsch zu erfüllen!“

„Du wolltest mir die Welt zu Füßen legen, weißt du noch?“

„Ja, ich weiß, aber dass kann ich nicht. Das will ich nicht!“

Maria seufzte und ließ ihn los.

„Es tut mir Leid. Vergiss, dass ich gefragt habe.“

Was sollte diese Angst in ihren Augen? Warum entfernte sie sich gerade von ihm? Was hatte er getan, nein, was hatte er nicht getan? Er verstand es nicht.
 

* * *
 

Etwas zog an seinem inneren Netz, ließ ihn wanken und erschrocken hochfahren. Ein einziges Wort lag in der Luft, dass er aushauchen musste, bevor er zu spät war.

„Maria.“, flüsterte er und ihm wurde eiskalt.

Etwas stimmte mit seiner geliebten Maria nicht.

Claude sprang aus dem Bett, woraufhin sein Gespiele ein enttäuschtes Geräusch von sich gab und etwas wie „Wo willst du nun schon wieder hin.“ nuschelte. Der Dämon beachtete ihn erst gar nicht, sondern zog sich an, rannte aus der Schule und sprang durch die Welt des Wechselns in die der Lebenden.

„Maria?“, fragte er in den dunklen Raum hinein, in dem er gelandet war.

Das etwas zerrte weiter an ihm, lenkte ihn, bis er durch das Haus stürzte in dem er sich befand und ein kleines Zimmer erreichte. Zu spät.

„Maria!“

Es war zu spät, er fühlte es, so deutlich. Zu spät.

Er riss die Tür auf und blickte in das schwache Kaminlicht, das die dunklen Wände gerade so erhellen konnte. Da war sie, seine geliebte Maria. Sie saß, nein lag, in einem aus dunkel rotem Samt gefassten Sessel, ihre Augen starr auf das Feuer gerichtet. Sie war so blass wie bei ihrem ersten Treffen. So kalt, so starr. Nein…

„Sie war wirklich süß.“, flüsterte eine Stimme ihm aus der Dunkelheit zu, „Wie die letzten Sonnenstrahlen an einem warmen Sommertag.“

Viel zu langsam trat er aus den Schatten, die sich unheilvoll um den Raum schlossen.

Dem Dämon blieb die Angst in der Kehle stecken: „Sebastian, was machst du hier?“

Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich über die Lehne des Sessels hinweg beugte und seine langen Finger über Marias Wange streicheln ließ.

„Sie rief nach einem Dämon, also hörte ich. Sie wollte von ihren Schmerzen befreit werden, lächerlich.“

Claude biss sich auf die Lippen. Das war alles eine Lüge! Gelogen!

„Wusstest du, dass sie in einen Dämon verliebt war, der sie aber nicht wollte? Wusstest du, dass sie von einer Gruppe fanatischer Gottesgläubigen seit Jahren vergewaltigt wurde?“

Nein. Er hatte es nicht gewusst, hatte es nicht erahnt. Wer war der Dämon, der…

Claude riss seine Augen weit auf, als es ihm endlich bewusst wurde. Sie hatte ihm so oft um einen Vertrag gebeten und er hatte niemals gefragt, welchen Wunsch sie sich damit erfüllen wollte. Er hatte niemals verstanden, dass er sie damit genauso abgewiesen, wie er sich gefühlt hatte.

„Schade, es ging alles etwas zu schnell. Ich konnte es gar nicht richtig genießen. Und, was machst du hier? Hast du sie etwa auch gehört?“ In Claudes Ohren klang Sebastians Tonfall fast spöttisch. Der Dämon blieb ihm eine Antwort schuldig.

Er stürzte auf Maria zu, schlang ihre Arme um sie und wiegte ihren toten Körper an seiner Brust.

„Warum… Warum hast du sie nur…?!“, fluchte der Dämon heiser vor unterdrückter Trauer, „Maria war doch meine…“

Sebastian war bereits wieder mit den Schatten verschmolzen, als Claude verzweifelt das kalte Blut aus dem geliebten Körper trank. Seine Lippen wurden rot, so rot wie sein Hass.

„Das werde ich dir niemals verzeihen, Sebastian Michaelis.“
 

* * *
 

Gegenwart
 

Es war der perfekte Plan. So würde er seine Rache erhalten. So würde er seinen Erzfeind endlich am Boden liegen sehen, wimmernd. Er musste nur warten, bis sich die beste Gelegenheit bot, den letzten Spinnenfaden an dem Netz zu befestigen. Alles war bereit.

Wahrheit und Qual

Kapitel 3: Wahrheit und Qual
 

Vergangenheit
 

Leise summend zog die Witwe ihre Fäden durch das dunkle Netz aus Schatten und Visionen, dass sie vor sich zwischen die Äste der hohen Weiden gespannt hatte. Der frische Tau würde sich in ein paar Stunden darüber bilden und ihr Netz in eine unsichtbare, tödliche Schönheit verwandeln. Es war fast vollbracht.
 

* * *
 

1889, January
 

Der Mond stand hoch über der Insel des Gewesen und Vergessen und tauchte sie in ein schwammiges Licht aus Gold und Blau.

Auf Sebastians Lippen lag ein Lächeln, als er seinen jungen Herren auf den Armen über den steinernen Weg auf die Mauern der alten Ruine trug. Dieser Ort war nur noch eine Widerspiegelung dessen, was einst eine der höchsten Schulen der Zwischenwelt gewesen war. Seiner Schule. Vor gar nicht all zu langer Zeit war die Stätte des Lernens, die auch er besucht hatte, zerstört worden. Von wem, das wusste keiner und auch Sebastian, als bester Absolvent konnte nur erahnen, was hier stattgefunden haben musste. Trotzdem empfand er diesen Ort als perfekt. Der perfekte Abschluss eines kurzen, langen Weges, den er mit seinem Herren gegangen war. Oh, er war immer zuvorkommend, freundlich und ausgesprochen ergeben gegenüber Ciel Phantomhive gewesen und es entsprach der Tatsache, dass er diese Seele mehr liebte, als alle zuvor. Und doch war auch sie nur eine Mahlzeit. Das Hauptgericht seines bisherigen Lebens, ja, aber dennoch nichts weiter als Nahrung.

Vorsichtig setzte er Ciel auf der steinernen Bank ab und trat einen Schritt zurück.

„Das ist es also?“, fragte der Junge und kein Hauch von Angst lag in seiner Stimme.

Sebastian lächelte: „Ja.“

Ciels Augen wanderten kurz in der Gegend umher, den Ort seines letzten Atemzuges begutachtend, bevor er ihn ebenfalls als perfekt bedachte.

„Wird es weh tun?“

„Ein wenig.“ Sebastian hielt inne. „Ich werde es so sanft wie möglich machen.“

Plötzlich wurde Ciels Blick ernst: „Nein. Mach es so schmerzhaft wie du kannst. Ich will, dass der Schmerz des Lebens sich in meine Seele einbrennt.“

Ein Anflug von Überraschung stand dem Dämon ins Gesicht geschrieben, bevor er zu lächeln begann und vor seinem Herrn auf die Knie ging: „Yes, my Lord.“

Ciel lehnte den Kopf zurück und blickte seinem Butler fest in die Augen, während Sebastian innerlich den Schritt vom Menschen zum Dämon tat. Dem Jungen seine Hand auf die Stirn legend und das weiche Kinderhaar zur Seite streichend, neigte er sich zu ihm hinab.

„Nun denn, Bocchan.“
 

* * *
 

Claude ließ einen Tropfen seines Blutes auf das Netz fallen und die Falle schnappte zu. Die blau leuchtende Seele wurde wie ein in Stromschnellen geratener Fluss aus dem Jungen heraus gerissen und über die Spinnenfäden in den Saphirring gezogen, den Claude an seinem Finger trug. Es war ein herrliches Gefühl der Macht, das ihn einen kurzen Augenblick durchströmte und die Tatsache erträglicher machte, dass er die Seele nicht fressen konnte, solange er keinen Packt mit dem Jungen einging. Aber hiermit war der wichtigste Stein der Mauer gelegt, die er so viele Jahrhunderte aufgebaut hatte. Es würde nicht mehr viel genügen, bis er endlich sein Ziel erreicht hatte: Die Vernichtung von Sebastian Michaelis.
 

* * *
 

Sebastian riss den Kopf zurück und starrte die leblose Gestalt vor ihm an, die einst sein geliebter Bocchan gewesen war. Das konnte nicht sein, durfte einfach nicht sein, war unmöglich. Sein Aufschrei brachte die Burgmauern der Ruine zum Einsturz und die Insel ins wanken. Wie war es nur möglich, dass die Seele des Jungen, die an IHN gebunden war, wie vom Wind davon getragen wurde?! Er verstand es nicht.

Schmerz und Wut brannten in seinen Adern und verdunkelten seinen Geist. Rache.

Das glockenhelle Lachen, das hinter ihm ertönte, kratzte an seinem Inneren und ließ seine Beherrschung noch weiter reißen.

„Fallyn!“, schrie er, „Warst du das?!!“

Die Schatten, die eben noch über dem einzig noch stehenden Mauerstück lagen, lichteten sich als die Dämonin ihr Gesicht zeigte. Sie kicherte ungehalten und in ihren Augen lag der pure Schalk.

„Wie könnte ich?“, fragte sie gegen und schlug ein Bein über das andere, sodass ihr sowieso schon viel zu kurzer Rock noch ein bisschen mehr von ihrer Haut zeigte, „Aber wenn du wissen willst, ob ich etwas weiß, dann kann ich dies nur bejahen.“

Sebastian sprang vor, riss die Dämonin von ihrem selbst erbauten Thron herunter und stieß sie mit dem Rücken gegen den Stein, eine Hand fest um ihre Kehle geschlungen.

„Sprich.“, knurrte er unter zusammen gepressten Zähnen hervor.

Fallyns Miene war ausdruckslos: „Das Netz einer Spinne, die nur von Hass und Rache lebt, kann äußerst mächtig sein.“

Sebastian drückte noch fest zu und schnürte der Dämonin die Luft somit ab.

„Du bewegst dich auf sehr dünnem Eis, Witwe.“

„Claude Faustus hasst dich aus tiefstem Herzen.“, würgte sie hervor. Es würde sie nicht wie einen Menschen umbringen, wenn er ihr die Luft nahm, aber es konnte ihrer Stimme ernsten Schaden zufügen. Es war also besser zu sprechen, als einen Verlust in Kauf zu nehmen, den sie nicht verkraften würde.

Sebastian ließ von ihr ab und ging einen Schritt zurück. Sofort fuhr sich die Spinne über die Haut und webte einen heilenden Faden in sie hinein. Es würde ein paar Tage dauern, bis sie wieder normal sprechen konnte, was sie zutiefst ärgerte.

Der dämonische Butler wandte sich von ihr ab, trat die wenigen Schritte auf die seelenlose Hülle seines Herrn zu und ging vor ihm auf die Knie.

„Warum sollte er das tun?“, flüsterte er und strich über das kalte Fleisch. Er würde es in seinem Blut baden müssen, damit es nicht zu verwesen begann, bevor er nach der Seele suchen konnte, die ihm hätte gehören sollen. Er biss sich auf die Lippen und drehte seinen Kopf, sodass er Fallyn ansehen konnte.

„Warum sollte er das tun?!“, schrie er sie an.

Der Dämonin fuhr ein Lächeln über die Lippen: „Frag dich selbst, was in eurer Vergangenheit passiert sein könnte, dass ihn so wütend gemacht haben könnte.“

Es brauchte keine Sekunde um das Bild des goldenen Engels vor seinen Augen aufblitzen zu lassen.

„Maria?“

Fallyn schwieg.

„Aber… er wollte sie doch nicht. Sie hatte ihm angeboten sie zu nehmen, ohne Packt… Und er war nicht gekommen, als sie ihn um Hilfe rief… Er wollte sie nicht…“

„Vielleicht wollte er ja auch das Leben bewahren, in das er sich verliebt hatte?“, überlegte die Witwe laut, „Du solltest nicht immer von dir auf andere schließen, Sebastian Michaelis.“

War es wirklich möglich?

Sebastian hob den leblosen Körper auf und drückte ihn gegen seine Brust. So kalt, so leer. So sollte es nicht sein. Nicht so. Er wandte sich ein letztes Mal an Fallyn, während seine schwarzen Schwingen sich gegen die Nacht abzuheben begannen.

„Wo finde ich, Claude Faustus?“
 

* * *
 

Endlich.

Der Dämon lachte triumphierend, während er vorsichtig den Ring in die kleine Teedose gleiten ließ, sie wieder fest verschloss und mit einem Bann belegt zurück in das Regal legte.

Endlich war der Sieg sein.

Es war noch kein endgültiger, denn noch konnte er die Seele des Jungen nicht fressen, die Sebastian Michaelis so sehr begehrte, doch er war diesem Ziel näher als jemals zuvor. Das kleine Nervenbündel, mit dem er einen Packt ein gegangen war, um unter den sterblichen Wandeln zu können, würde ihm nun endlich vom Nutzen sein.

„Claude!“, rief die Stimme zornentbrannt in seinem Kopf und das ziehen an dem Band wurde stärker. Was wollte das Balg denn nun schon wieder? Der Knabe war ihm eine Last, eine Plage, denn nie war er zufrieden, nie konnte er etwas richtig machen und nie wusste er, zu welcher Gefühlslage er in der nächsten Sekunde wieder wechseln würde. Jim war nicht einschätzbar, selbst für einen Dämon nicht, denn sein Geist war zu zerrüttet vom Leben, dass er erfahren musste. In dieser Welt wurde die Brechung eines Geister als Wahnsinn bezeichnet, doch niemand hier erkannte dies, wenn der Geist nicht komplett in Stück lag, sondern nur Teile abgebrochen oder verschoben waren. Doch Claude hatte einen Vorteil, den anderen Dämonen hier im Haus gegenüber. Denn er wurde von dem Jungen geliebt. Er hatte diese Liebe bei Satan nicht verdient, aber er würde einen Teufel tun sie nicht auszunutzen, solange er den Knaben damit unter seiner Kontrolle hielt. Jede Lüge glaubte er ihm. Auf jedes noch so schöne Wort, dass von der Wahrheit zu so weit entfernt war, vertraute er, hörte er. Und nun endlich würde Fallyns Rat, auf den Ruf von Jim McCain zu hören, sich endlich bezahlt machen.

„Claude!!!“, ertönte es nun nicht mehr nur über das Band hinweg und der Dämon seufzte.

Er löschte die Fackeln, die den Keller erhellten und trat auf die steinerne Treppe, die ihn zurück in das Anwesen von Alois Trancy bringen würde, ein hämisches Grinsen auf den Lippen tragend.
 

* * *
 

Hannah Annafellows starrte auf die weiße Rose vor ihr, bevor sie den Stiehl zwischen ihre Finger nahm und der Blüte den Lebensfaden nahm. Es sollte ihr als Dämonin nicht solche Schmerzen zufügen, einem anderen Lebewesen in die Welt der Toten zu verhelfen, vor allem keiner Pflanze. Doch es tat es.

Der plötzliche kalte Hauch eines Schattens auf ihrem Rücken ließ sie zusammen zucken.

„Wer ist da?“, fragte sie in die Dunkelheit hinein, die Rose noch immer in ihrer Hand haltend, sodass die Dornen sich in ihre Haut gruben und kleine Blutstropfen aus den Wunden flossen.

Das junge, schöne Gesicht der Frau tauchte mitten im Dunst der Finsternis auf, lächelnd, Angst einflössend. Sie schien in der Luft zu schweben, nur von den Schatten getragen, die sich kreisend und windend um das Gesicht herum bewegten.

„Hanna, mein liebes Kind.“, flüsterte das Gesicht im Singsang, der nicht mehr ganz so glockenhell, wie einst gewesen, war.

Die Dämonin fiel auf die Knie und vergrub ihr Gesicht unter ihren langen, silberweißen Haaren.

„Mutter.“, flüsterte sie mit trockener Kehle, „Verzeiht, ich habe euch nicht erwartet.“

Sie schloss ihre Augen, den Schmerz der Wut ihrer Erschafferin erwartend. Oh, die Schmerzen und Qualen, die ihr Danna-sama zufügte waren schrecklich und brannten wie Höllenfeuer. Doch sie liebte den Jungen und verzieh ihm alles, aber dieser Frau…

Kein Dämon kannte seine Eltern, denn sie gaben die Kinder fort, aus Schutz vor sich selbst und anderen Dämonen. Warum hat es ihre Mutter nicht auch so gehandhabt? Was hatte sie davon, dass sie wusste, wer sie Erschaffen hatte außer Leid und Qual? In menschlichen Augen wäre die Beziehung zwischen ihr und ihrer Mutter sehr harmonisch gewesen, doch für einen Dämonen…

Hannah hatte es immer gehasst von dieser Frau wie eine kostbare Puppe behandelt zu werden, die zu teuer war, als das man sie zum spielen hätte benutzen können. Immer und immer wieder war ihr versichert worden, dass sie eine ganz spezielle Aufgabe auf dieser Welt erfüllen musste. Das sie nur für einen ganz bestimmten Grund von ihr erschaffen worden war. Und das sie sich ihr fügen musste, wenn sie nicht wollte, dass dieser Sinn verloren ging. Also beugte sie sich der schwarzen Witwe, die ihr Schicksal schon gesponnen hatte.

Die Schatten flossen durch die Nacht, schlangen sich um die Dämonin und zogen sie in das innere des Netzes, sodass es ihr möglich war, die ganze Gestalt ihrer Mutter zu sehen. Die Frau lächelte.

„Ich wollte dich warnen, mein Kind.“

„Wovor?“

„Ein Sturm ist hier her unterwegs. Und er trägt blinde Wut in sich.“

Hannah starrte die Witwe an, die Rätsel entschlüsselnd, in denen sie sprach.

Dann verstand sie: „Er kommt?“

Die Spinne nickte.

„Dann ist Danna-sama in Gefahr! Ich muss-“

„Du bleibst.“, schnitt die Witwe ihr die Worte ab, „Er wird kommen und sich das holen, was der rote Weberknecht ihm gestohlen hat. Dem Jungen droht keine Gefahr.“

Die Frage, woher sie das wusste, steckte Hannah in der Kehle, doch die Augen ihrer Mutter sprachen nicht aus einer reinen Vermutung heraus. Sie wusste es.

Sie senkte den Kopf: „Was soll ich tun, Mutter?“

„Du bist ein Schwert, mein Kind. Du kannst deinen geliebten Jungen verteidigen und du kannst für ihn kämpfen.“

Die Fäden kamen aus allen Richtungen, schnürten sich um den Körper der Dämonin, schnitten in ihre Haut, zerfleischten sie, bis die blanke, silberne Klinge des Dämonenschwertes frei lag. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen.

„Dies ist, woraus du erschaffen wurdest, mein Kind.“, sprach die Witwe geifernd, „Dies ist, was du bist.“

Hannah wusste nicht, was qualvoller war. Der Schmerz ihres halb abgetrennten Körpers, nur durch die Klinge zusammen gehalten, oder die Wahrheit über ihre Existenz? Sie weinte still, während die heilenden Netze ihren Körper wieder zusammen setzten, zu einem werden ließen, der das Schwert schützend vor den Klauen der Dämonen bewahrte. Dann glitten die kalten, schlanken Finger ihrer Mutter über ihre Schultern, umarmten sie.

„Du wirst dem Weberknecht von dem Schwert erzählen, mein Kind. Und du wirst ihm anbieten, es zu benutzen, sollte er es brauchen.“

Hannahs Stimme zitterte: „Jawohl.“

„Du wirst den Weberknecht lenken und den Jungen töten lassen, wenn die Zeit reif ist.“

Hannah weinte: „Jawohl.“

„Und du wirst den Jungen zu etwas überreden, was nur ein Packt erfüllen kann.“

Hannah starb: „Jawohl.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  DarkSweet
2011-08-22T20:41:11+00:00 22.08.2011 22:41
hahaha schon längst gelesen und ich will Cloude hauen das er Alois so ärgert o.o und benutzt >_<
*murr murr*
aber dafür giebt Alois ihn genug arbeit
*fies und bitter böse grins*
Und Sebby regt sich so schön auf wegen der Seele von Ciel
*lach*
ich hoffe bald kommt das nexte Kapitel
Von:  DarkSweet
2011-02-13T09:12:29+00:00 13.02.2011 10:12
Armer Claude.....
Aber wan schrteibst du weiter? >_<
*ungeduldig wartet*
Von:  ghostboy
2011-01-15T23:41:22+00:00 16.01.2011 00:41
Schon der Prolog klingt wahnsinnig toll!
Eine hammer Vorstellung, die du und deine Freundin da hattet!
Ich bin jetzt schon gespannt, wie das alles weitergeht. ♥
Von:  LadyShigeko
2010-09-18T21:23:16+00:00 18.09.2010 23:23
OK! Das würde mich schon interessieren, wie es da jetzt weitergeht!

Also: Weiter so!!!


Zurück