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Tabu

One Shots für Harry Potter RPGs
von

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Amnesia

Blaue Augen suchten den Horizont nach einem Zeichen ab. Einem Zeichen, von dem sie selbst nicht wussten, was es bezeugen sollte – Aufgeben? Oder weiterkämpfen? Erschöpfung zeichnete die dunklen Augenringe unter die leuchtenden Saphire und müde senkten sich die Lider. Wie lange hatte er schon gekämpft? Und wie vergeblich war dieser Kampf gewesen?

Der Wind riss an Matthews Haaren, zerzauste seine Kleidung und trieb ihm die Tränen in die Augen. Er redete sich relativ erfolgreich ein, dass es lediglich die beißenden Böen waren, die ihn weinen ließen und nicht das Gefühl, alles verloren zu haben, ehe er es überhaupt besessen hatte. Es … Er traute sich nicht einmal, es zu benennen, aus Angst, vollkommen die Kontrolle zu verlieren.

Die Hand des Treibers klammerte sich um seinen Besen und er schwang sich auf das magische Transportmittel, stieg ruckartig höher und höher, riss an dem Stiel und zwang seinen alten Freund grob dazu, eine wacklige Runde nach der anderen um das Spielfeld zu fliegen. Niemand würde ihn hier oben leiden sehen und wenn er nur lange genug flog … würde er sich selbst vielleicht genug vergessen, um selbst nicht mehr zu leiden.
 

»There’s a fire starting in my heart

Reaching a fever pitch and it’s bringing me out the dark«
 

Ruhiger als zuvor schritt der Gryffindor über die Ländereien. Langsam aber sicher kam die Dämmerung, es wurde Abend. Der Sommer auf Hogwarts war bombastisch gewesen – Jamie und er hatten so viel Unsinn angestellt und waren dennoch kaum belangt worden. Sie hatten geile Spiele gehabt und Matt hatte zusammen mit Noah, Jamie und Mason Bruderschaft getrunken, mehrere Male. Eine Feier hatte die nächste gejagt – seine Gitarre hatte endlich wieder eine Existenzberechtigung gehabt und sie hatten so verdammt viel Spaß gehabt.

Und da war noch er gewesen.

Der Blick verlor sich in der Ferne und dachte an die grüne Insel, an die Heimat. Wie gerne wäre er jetzt zu Hause, zu Hause bei seinen Eltern und würde sich einigeln. Es würde nicht mehr lange dauern – es waren nur noch vier Tage, bis zu den Sommerferien und alleine wenn er daran dachte, ihn sechs Wochen nicht mehr sehen zu können, zog sich alles in ihm zusammen.

Aber würde er ihn jemals wieder sehen können? Nach der Entscheidung, die er heute treffen würde?

Ein Seufzen verließ seine Lippen. Er hatte schon immer viel zu viel nachgedacht, das Für und Wieder so lange hin und her geschoben, bis der perfekte Moment schon längst wieder vergangen war. Also … wieso es nicht einfach tun? Wieso nicht einfach ins eiskalte Wasser springen und schauen, ob er schwimmen konnte?

Weil er Angst hatte.
 

Trotzdem ging er zurück ins Schloss, zerzaust und erschöpft vom Ritt auf dem Besen. Ganz automatisch fanden seine Füße zu Jamie und sein Bester fand den Weg zum Gemeinschaftsraum – der sorgenvolle Blick blieb nicht aus, denn Matthew sah übel aus. Er hatte einen Entschluss gefasst und war selbst nicht vollkommen zufrieden damit – Jamie spürte, dass etwas nicht stimmte, wie es sich für einen besten Freund nun einmal gehörte. „Hey, Matt? Alles okay?“, hörte er den Blonden neben sich fragen und zweifelnd schaute Matt zu eben jenem, schüttelte den Kopf, hob unwissend die Schultern. „Ich … Frag mich nachher nochmal.“ Die Augen Jamies wurden groß und er öffnete den Mund, doch er musste die Frage nicht stellen, sie stand ihm ins Gesicht geschrieben. Deshalb nickte Matt nur ernst und verließ den Schlafsaal wenige Minuten später wieder, frisch gewaschen, angezogen und ohne Besen in der Hand.

Seine Wege führten ihn durch die vollen Gänge. Er wich den anderen Schülern aus, grüßte nicht einmal Noah und John, die ihm entgegenkamen und erntete dafür skeptische Blicke – aber um ehrlich zu sein, nahm er sie nicht einmal war. Sein Blick war auf das Ziel fokussiert, das er hatte und das lag im anderen Turm in Hogwarts.
 

„Was hört ohne Ohren, schwatzt ohne Mund und antwortet in allen Sprachen?“, wollte der Greifenkopf wissen und Matt fluchte laut. „Lass mich einfach rein, okay?!“

„Was hört ohne Ohren, schwatzt ohne Mund und antwortet in allen Sprachen?“, wiederholte der Greifenkopf ohne zu erkennen zu geben, ob er Matts Fluchen oder aber die Bitte gehört hatte. Der Gryffindor knirschte mit den Zähnen. „Drecksding. Lass mich rein, komm schon, ich bleibe auch nicht lange.“

„Was hört ohne Ohren, schwatzt ohne Mund und antwortet in allen Sprachen?“

„Ach, verflucht! Welcher Idiot soll denn so etwas…“

„…das Echo…“, antwortete jemand hinter Matthew und der Löwe zuckte zusammen. Abschätzige grüne Augen lagen auf ihm und O’Dwyer schnaubte: „Ich sehe hier nur einen Idioten. Was willst du hier, Gallagher?“ Die aufkommende Wut zurückdrängend, nutzte Matt die einzige Chance, um jemals in den Gemeinschaftsraum der Adler zu gelangen und quetschte sich an O’Dwyer vorbei in eben jenen, ohne auch nur auf ihn zu achten. Sollte das Arschloch doch denken, was er wollte, so! Der war jetzt sein geringstes Problem.

Das wirklich richtige Problem saß nämlich auf dem Präsentierteller vor ihm.

Matt schluckte trocken und sah sich selbst zu Hadrian herüber wanken, vollkommen gelähmt und gleichzeitig unter Strom. Er war wie ferngesteuert, als er die Hand auf die Schulter des Blonden legte, sachte Druck ausübte und erst dann seinen Mund an dessen Ohr platzierte, als Hadrian zu ihm aufschaute. „Wir … müssen reden.“ Er wusste nicht, ob es der Atem am Ohr des Adlers war oder aber seine ernsten Worte, doch er sah Gänsehaut am Nacken des Älteren und er wusste nicht, ob es ihn nun erfreuen oder eher verängstigen sollte. Beides traf zu. Sein Herz donnerte gegen seine Brust – er spürte nur zu deutlich, wie es den Rhythmus von Hadrians Namen polterte, wie es auf die skeptischen blauen Augen reagierte und auf die Berührung seiner Hand durch Hadrian, auf das Beugen des Oberkörpers, das fahrige Zurückstreichen der blonden Haare. Wie es jede noch so kleine Regung des Ravenclaw wahrnahm und heftiger darauf reagierte, als es sollte und wie es gegen Matthews Angst rebellierte, wie es frei sein wollte, wie es endlich zu dem Mann wollte, der es nun schon so lange besaß ohne es zu wissen.

„Also los.“ Hadrian deutete auf den Sessel sich gegenüber, doch Matt schüttelte den Kopf und deutete auf den Ausgang. „Nicht hier. Lass uns gehen, ja?“ Ein kurzes Grinsen zupfte an den Lippen des Blonden und machte Matt verrückt, so verrückt! Ein Kribbeln ging durch seinen gesamten Körper und mündete eindeutig im unteren Bereich, als seine Augen Hadrians Lippen absuchten. Scheinbar war das Aufforderung genug, denn der Adler folgte Matt aus seinen angestammten Gefilden und sie suchten den Ort auf, der ihnen zum mehr oder weniger heimlichen Treffpunkt geworden war: das Wahrsageklassenzimmer.
 

»I drove by all the places we used to hang out getting wasted

I thought about our last kiss, how it felt the way you tasted«
 

Ein Keuchen verließ die Lippen des Löwen. Genießerisch sog er die Luft zwischen den Lippen ein und krallte sich in die so verführerischen Haare, riss den Kopf des Blonden zurück und stahl sich einen weiteren dieser süßen, verheißungsvollen Küsse. Alles in ihm pulsierte und wollte ausbrechen – er wollte diesen Mann, so sehr, wie noch nie zuvor. Was einiges bedeutete, so oft wie sie schon … kurz davor gewesen waren … Doch Matt war nicht einfach irgendeiner von Hadrians Spielzeugen. Er ließ sich nicht benutzen und dann wegwerfen, auch wenn der Blonde schon oft genug deutlich gemacht hatte, dass er mehr wollte als bloß knutschen und mal eben einen Blowjob. Er wollte Matthew und der wusste nicht, ob es nur um Sex ging oder um mehr. Er befürchtete, nur um Sex, er hoffte, um mehr.

Doch wann wurden seine Hoffnungen schon einmal erhört.

„S…stopp…“, raunte Matt schwach und hielt Hadrians Hand fest, die besitzergreifend um sein hartes Glied gelegt war. Verwirrung stach ihm aus blauen Augen entgegen, doch Matt schüttelte nur den Kopf und zog die Hand weg. „Habe ich …“, doch Hadrian schluckte die Frage runter. Natürlich hatte er nichts falsch gemacht und dem Adler war genau das auch bewusst – und schien langsam aber sicher den Braten zu riechen. Misstrauisch runzelte er die Stirn und lehnte sich, halbnackt wie er nun einmal war, in die Kissen. „Was ist los?“, wollte er nun wissen und Matt fiel es schwer, den Blick vom nackten Oberkörper Hadrians abzuwenden und sich dem eigenen Herzen zuzuwenden, das ihn dazu gebracht hatte, Hadrian aufzuhalten.

Es fühlte sich alles nur noch falsch an.

So sehr er diesen Mann auch körperlich begehrte … er konnte nicht mit ihm schlafen. Es ging nicht. So sehr er es auch wollte, so sehr er es sich wünschte … Es.ging.nicht. Hadrian hatte damit keine Probleme. Sex schien für ihn nicht wichtiger zu sein, als seine Unterhose jeden Tag zu wechseln und dass er das tat, wusste Matt – traurigerweise auch, dass Hadrian sich den Sex anderswo holte im Gegensatz zum Gryffindor, der treu war. Bescheuert. Dabei waren … sie … nicht einmal …

Und genau an diesem Punkt der Gedanken begann sein Herz zu schreien.

Sie waren kein Paar. Matt wusste nicht einmal, ob Hadrian irgendetwas fühlte, denn Gefühle … waren ein Tabu-Thema. Das war für den Gallagher gar kein Problem gewesen, bis … bis … bis er sich rettungslos in Hadrian verliebt hatte. Nicht erst gestern oder vor zwei Wochen oder vor zwei Monaten. Er war nun seit Anfang des Jahres in diesen Mann verknallt, hochgradig, mit Bauchweh, Appetitlosigkeit, Glücksgefühlen und Herzschmerz – mit allem. Nur intensiver. Viel intensiver, als er es je zuvor gespürt hatte.

Zuerst hatte er es ignoriert. Das wird schon wieder, hatte er sich eingeredet und wann immer er Hadrians Lippen auf seinem Körper gespürt hatte, war es gut gewesen. Verdammt gut. Sie waren wie Balsam und hatten all die Sehnsucht mit sich genommen. Doch kaum waren sie selbst gegangen und mit ihnen Hadrian, war all die Gedanken, die Gefühle wieder da gewesen – stärker noch als zuvor.

Und genau deshalb konnte er nicht mit Hadrian schlafen. Er wusste nicht, wie Hadrian empfand und solange er es nicht wusste … solange er … solange er …
 

Er atmete tief durch.

„Ich … kann das nicht mehr tun, Hadrian“, ließ er die Bombe platzen und wich den stechenden blauen Augen aus. „Nicht mehr .. so. Es geht nicht. Ich ..“ Er stockte. Suchte nach den richtigen Worten, auch wenn er ganz genau wusste, welche die richtigen waren. Er traute sich nicht, Hadrian anzuschauen, traute sich nicht, ihn zu berühren, traute sich nicht einmal, die verdammte Hose hochzuziehen! Keinen einzigen Finger rührte er – er atmete nicht und hätte sein Puls nicht in den eigenen Ohren gerauscht, so hätte er schwören können, auch sein Herz hatte ausgesetzt.

„Ach? Plötzlich plagt dich das Gewissen?“ Der Schalk des Wynshire tat weh und nun schaute Matt doch zu ihm, die Finger suchten nach Hose und Gürtel und schlossen beides. Er sah die Enttäuschung in den arroganten Zügen, sah die Skepsis in den blauen Augen und schließlich auch … ja, was war es? Angst? Zweifel? Wissen? Ah, Hadrian Wynshire hatte sicherlich schon dutzende Affären gehabt, die ausgeufert waren – Matt kam sich bescheuert vor. Er hätte alles haben können, stattdessen … nun, stattdessen musste es endlich raus.

„Nein. Das Herz.“

Stille.

Nicht gerade die erhoffte Reaktion, wohl aber die erahnte. Matts Züge wurden hart – es gab kein Zurück mehr. „Ich habe mich in dich verliebt.“
 

»We could have it all rolling in the deep

You had my heart inside your hand

And you played it to the beat«
 

Und damit war es zu Ende gewesen. Alles, was sie die letzten Monate geteilt hatten, hatte Matt mit diesen Worten zerstört. Nein. Nicht Matt hatte es zerstört – Hadrian zerstörte es, indem er zuerst schwieg, dann den Kopf schüttelte und ihn schließlich abschmetterte. Nicht nur mit Worten: er ging. Ging und ließ Matthew alleine im Wahrsageklassenraum zurück, zwischen all den Kissen, dem Geruch nach Myrre und Sex, nach Schweiß und Weihrauch, nach … Hadrian.

Zittrig schloss er die Augen.

Er hätte es wissen sollen.

„Verdammter …“

Doch kein Fluch kam über seine Lippen. Stattdessen sank er in die Kissen, starrte an die Decke und wartete, bis Jamie ihn fand – und dass er ihn fand, dafür sorgte natürlich der werte Hausmeister, der keinerlei Gnade kannte, sie vor ihren Hausdrachen schleifte und dafür verantwortlich war, dass Gryffindor zehn Punkte verlor – und Matt seine Freizeit bis zu den Sommerferien mit lovely Professor McAlistair verbrachte.

Super.

Mit der Mum vom besten Freund seines Ex-Lovers. Großartig.

Zuerst war da nur Wut. Er hatte keinen Raum für Enttäuschung oder gar Traurigkeit, da war nur heiß pulsierende Wut. Zum Nachsitzen kamen noch saftige Strafarbeiten dazu, denn Matthew flüchtete sich in Prügeleien, die allesamt nicht gut für ihn ausgingen. Jamie versuchte, ihn davon abzuhalten, mitzumachen, zu schreien und zu lachen – doch nichts davon half. Matt war wie in Watte gepackt, nicht mehr Herr seiner Gefühle und Taten.

… noch weniger als sonst.
 

»I wish that I could wake up with amnesia

And forget about the stupid little things

Like the way it felt to fall asleep next to you

And the memories I never can escape«
 

Es war niemals nur eine körperliche Affäre gewesen. Matthew hatte Hadrian gekannt. Viel besser vielleicht, als jemals ein Mann vor ihm. Nicht nur, wo er ihn berühren musste, wie er ihn berühren musste, um den Höhepunkt so lange wie möglich hinauszuzögern, um es ihm so angenehm wie nur irgendwie möglich zu machen, um ihn so glücklich wie niemand anderes zu machen. Nicht nur, dass er nur seinen Nacken küssen musste, zärtlich, und schon gehörte er ihm. Nicht nur, dass er nur sachte beißen musste, Ohr, Nacken, Schulter, und schon zerfloss er zwischen seinen Fingern. Nicht nur, dass er Wachs war, wenn man ihn zwang, sich fallen zu lassen …

… sondern auch, dass Hadrian einsam war. Einsam, obwohl er einen Freund wie McAlistair hatte, einsam, obwohl er eine große Familie hatte, einsam, obwohl er niemals alleine nach Hause ging.

Er war schrecklich einsam.

Es hatte nur so wenige Wochen gedauert, bis Matt aus den Treffen mehr gemacht hatte. Nicht nur die feuerwerksartigen Explosionen, wann immer es sie überkam und sie am bestmöglichen Ort verschwanden, nein. Irgendwann begann Hadrian zu reden. Zu erzählen. Über seine Heimat, seine Eltern, seinen Onkel … seine Kindheit und die vermisste Mutter, über den Süden Englands, über die Pflichten eines Erben. Matt war sich sicher, dass er seine Familie bereits bestens kannte, ohne sie jemals gesehen zu haben, auch wenn Hadrian niemals besonders freigiebig mit seinen Informationen war – viel mehr war Matt derjenige, der zu reden begonnen hatte. Irgendwann. Einfach so. … Nun, nein. Jetzt wusste er, dass es aus dem Wunsch passiert war, dass Hadrian ihn besser kannte. Ihn zu mögen begann.

Und niemals wieder aufhörte damit.

Jetzt tat all das nur noch weh. Jedes verfickte Kaminfeuer brannte in seinen Augen und seinem Herzen, erinnerte ihn an heimliche Ausflüge und einen nackten Körper, der sich in der kalten Nacht an ihn schmiegte, hungrig nach Leidenschaft, hungrig nach Zweisamkeit.

Hatte Hadrian immer nur versucht, seine Einsamkeit zu kompensieren?
 

Nun saß er ihm also wieder gegenüber.

Hadrian wirkte abwesend und Matthew, der eh kein gutes Gefühl hatte, ließ den Kopf hängen. „Ich kann und werde deine Gefühle nicht erwidern“, verließen kalte Worte die Lippen des Adlers und Matthew schauderte. Schaute auf. Sah kein Anzeichen einer Lüge, eines Versuchs, sich selbst zu schützen, wie er es erwartet hatte.

Für einen kleinen Moment rebellierte alles in ihm.

Er wollte Hadrian am Kragen packen, schütteln und gegen die nächste Wand schleudern, ihm die Visage polieren und brüllen „sag das noch mal und dieses Mal lüg nicht!!, ihn umarmen, küssen und nie wieder loslassen …

… doch der Moment war schnell vorbei. Krampfhaft suchte Matt nach seiner Stimme, versuchte sich die Lippen mit der trockenen Zunge zu befeuchten und scheiterte nicht nur daran kläglich. „Dann ist …“, ihm versagte die Stimme. Tränen schnürten seinen Hals zu, doch blieben aus. Er ballte die Hände zu Fäusten, stand auf und schaute auf Hadrian herab. „…es aus…“ Er hielt es nicht länger in einem Raum mit ihm aus. Er musste raus. Weg. Bloß weg von hier.

Bloß weg von Hadrian.
 

»Sometimes I start to wonder, was it just a lie?

If what we had was real, how could you be fine?
 

'Cause I'm not fine at all«
 

Tage zogen ins Land bis zu den Sommerferien, die grausam und duster waren. Er hätte mit Jamie rausgehen können, hätte Mason oder Noah besuchen können … hätte mit seinem Vater zu Arsenal gehen können oder einfach nur in den Pub um die Ecke.

Er blieb im Bett.

All die Wochen lang verließ er sein Zimmer nur, um zu essen und auf Toilette zu gehen und mutierte streckenweise zu einem ungewaschenen, hässlichen Ungeheuer – Jaydens Besuch ignorierte er komplett. Auch das zaghafte Klopfen seines großen Bruders an der Tür, die kleinen Zettel, die er darunter durchschob mit der filigranen Handschrift und den lustigen Zitaten aus ‚Das Dschungelbuch‘ wurden verschmäht. Selbst als Jayden das Zauberwort ‚fliegen‘ erwähnte, kam nur ein aggressives „verpiss dich endlich“ von Seiten des Jüngeren und Jayden sah ein, dass es besser war, Matt seinen Willen zu lassen.

Das letzte, was er brauchte, war der perfekte große Bruder mit seinem perfekten Abschluss und seiner perfekten Freundin und den perfekten Abenteuern, die er erlebte und dem perfekten Schottlandurlaub und den perfekten Plänen für die Zukunft!

Verrotte in der Hölle, Jayden! Verrottet doch alle in der Hölle!
 

Irgendwann gelang es James, seinen Sohn doch hervor zu locken und die letzte Woche der Sommerferien machte er sich daran, zu seinen Kumpel wieder Kontakt aufzunehmen. Jamie war ungeheuer erleichtert, dass es ihm wieder besser ging und schwor, noch am Abend irgendwie vorbei zu kommen. Sein Bester stand tatsächlich einige Stunden später mit Fußball und Comicheften in der Hand vor der Tür und irgendwie schaffte er es, Matt aus seinem Loch zu holen.

Zumindest für kurze Zeit.
 

Denn dann ging es wieder nach Hogwarts. Matthew hatte seine Eltern angefleht, ihn doch bitte ein Jahr nach Durmstrang zu schicken, doch sie waren der festen Überzeugung, dass er sich seinem Dämonen stellen musste und so schlimm würde es schon nicht sein. „Matt“, hatte sein Vater gesagt, „du glaubst vielleicht jetzt, dass die Welt untergeht. Wenn schon nicht die gesamte, dann wenigstens deine und glaube mir, als deine Mum den Heiratsantrag das erste Mal abgelehnt hat, war ich kurz vorm Nervenzusammenbruch“ – „er hatte einen!“ – „aber es wird besser werden. Jeden Tag ein bisschen einfacher, ihn zu sehen und irgendwann wirst du vielleicht sogar wieder mit ihm reden können, wenn du das möchtest. Du wirst ihn überstehen und dann jemanden finden, der dich genauso liebt, wie du ihn. Versprich mir einfach, dass du es vier Wochen ausprobierst, okay? Wenn du es nicht aushältst, holen wir dich nach Hause.“ Liebevoll wuschelte James seinem Sohn durch die Haare und zog ihn eine unbarmherzige, viel zu lange Umarmung, sodass es Matt unendlich peinlich war, als er ihn wieder losließ und seine Mutter wissend lächelte. „Matt ist doch schon groß, James. Du brauchst ihn nicht zu drücken, wie einen Fünfjährigen.“ Dann drückte auch sie ihn viel zu lange. „Du musst ihn richtig fest drücken! RICHTIG FEST! Sonst hat er doch nichts davon.“ Grinsend entließ Nala ihren verstörten Sohn wieder in die Freiheit und gab ihm einen Klaps auf dem Po. „Und jetzt zeig diesem Bastard“ – „Liebling!“ – „was er sich entgehen lässt. Oder komm nach Hause gekrochen, je nachdem.“
 

Matt schwor sich, nie wieder mit seinen Eltern über so etwas zu reden, doch unerklärlicherweise ging es ihm so viel besser, als noch zuvor. Er las all die Zettel, die Jayden ihm unter der Tür durchgesteckt hatte, all die kleinen Liebesbekundungen und Besserungswünsche, all die lustigen Wahrheiten über seine eigene erste große Liebe – die übrigens nicht Sophia gewesen war, hm – und all die schönen Zitate auf Gälisch.

Er hatte eine tolle Familie.

… Doch er kannte einen Ravenclaw, der nicht das Glück hatte und all das Glück, das er noch vor wenigen Sekunden empfunden hatte, starb sofort.
 

Am Bahnhof erkannte er die schlanke Statur Hadrians sofort. Seine Augen leuchteten wie ein Signalfeuer durch all die anderen Schüler hindurch und kamen in den eigenen zum Liegen. Matts Gesicht verzog sich zu einer Maske der Gleichgültigkeit und stur ging er an dem Blonden vorbei. Schulter berührte Schulter. Hadrian machte einen unegschickten Schritt zur Seite, sog die Luft ein und Matt wusste, dass er ihn rufen würde … Dass sein Name auf den Lippen des Blonden lag … Dass er versucht war, ihn am Ellenbogen zu fassen und aufzuhalten …

Er würde es ihm einfacher machen.

Wütend schlug er die Hand weg, noch ehe sie ihn berührte und fauchte: „Lass stecken, Wynshire. Ich habs vor den Ferien kapiert, ich kapiers auch jetzt. Also … lass es einfach stecken.“
 

»If today I woke up with you right beside me

Like all of this was just some twisted dream

I'd hold you closer than I ever did before«
 

Leere.

Das war kein Sieg gewesen. Er hatte das nicht für sich getan. Er war nicht für sich so unbarmherzig gewesen. Schnell flüchtete er sich auf die erste Toilette, die er sah und atmete tief durch. Die Hände zitterten unkontrolliert. Wasser. Schnell. Er schmiss sich das eiskalte Wasser ins Gesicht und unterdrückte den Schauer kontrolliert, ehe er sein Spiegelbild betrachtete.

Er hatte das für Hadrian getan. Was auch immer der Adler hatte sagen wollen, hätte die letzten Wochen zunichte gemacht. Ob es nun war „hei Gallagher, Lust auf eine zweite Runde?“ oder „lass uns doch noch ein letztes Mal, hm?“ oder „auf die Knie mit dir“ oder „ich habe einen Fehler gemacht“ – all das war nicht mehr wichtig.

Matt war fertig mit ihm. Punkt.

… nun musste nur noch das rebellierende Ding in seiner Brust das verstehen.
 

Die erste Woche war hart. Die zweite ertrug er. Und in der dritten begann er wieder zu leben, zu lachen. Seine Kumpel halfen ihm ziemlich – Jamie und er lachten und scherzten, mieden jedoch gekonnt das H-Thema. Sein Bester war so geschickt darin, um das Thema herum zu rudern und ihm dennoch zu versichern, dass er voll hinter ihm stand.

In der vierten Woche war es schwierig, Hadrian mit McAlistair zu sehen … und mit einem Slytherin aus der Fünften … Aber es war erträglich. Zumal immer häufiger grüne Augen durch die Menge zuckten, nach Matthew Ausschau hielten und das ‚Idiot‘ von vor einem halben Jahr vielleicht gerne noch einmal überdacht hätten … Und immer häufiger hielt der Löwe unterbewusst nach diesem Jungen Ausschau, der vielleicht doch nicht so ein Arschloch war, wie er gedacht hatte.

Und in der fünften Woche kam Matt damit klar, dass Hadrian und er niemals sein würden. Dass er sein Herz leichtsinnig verschenkt hatte, es gebrochen worden war, kurzzeitig verloren gegangen und jetzt endlich wieder da, rebellierend wie eh und je. Er sah ein, dass es von Anfang an auf der Kippe gestanden hatte, Hadrian und er. Vielleicht wäre es anders gekommen, hätte er mehr gekämpft – vielleicht aber auch nicht.

In der sechsten Woche hatte er es abgehakt.

Das Leben ging weiter. Die Liebe suchte sich immer ihren Weg.
 

»And you'd never hear me say

We almost had it all«



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