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Anders

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Zwanzig

(Sagas Sicht, jedoch überwiegt in der zweiten Hälfte Toras Erzählung bzw. wörtliche Rede)
 

Kapitel 20
 

Genervt verdrehte er die Augen. Das durfte doch nicht wahr sein. Er hatte den beiden doch ausführlich erklärt, dass er… „Na loooos, Saga-chaaan! Komm mit ins Blackmail… wenn du weiter so schmollst, wirst du auch nicht eher erfahren, was jetzt mit deinem Schatzi passiert ist!“, wurden seine Gedanken jäh unterbrochen, als er Hiroto am Telefon hörte. Gott, dieser Kerl konnte wirklich hartnäckig sein… und der kleine Blonde wusste, dass Saga nie lange durchhalten konnte, wenn Hiroto seine Stimme eine Oktave höher auf quietsch-nervig stellte. Aber heute würde der große Tag kommen, an dem er, der sagahafte Saga… äh, der sagenhafte Saga diese Stimme besiegen würde! Er würde nicht nachgeben. Niemals.

„Hiroto, ich werde nicht mitkommen zum tausendsten Mal. Ich bin nicht in der Stimmung für Party… und für Alkohol schon gar nicht! Ich erinnere dich an das letzte Mal, als ich so dicht war.“, schüttelte der Braunhaarige den Kopf, achtete dabei nicht darauf, dass Hiroto das nicht sehen konnte. Er hatte übrigens mittlerweile gelernt, nicht auf dieses ‚dein Schatzi’ einzugehen, welches Hiroto des Öfteren verwendete. „Du beschwerst dich doch gerade nicht ernsthaft darüber, mit ’nem heißen Kerl rumgeknutscht zu haben?! Ich bitte dich, Saga!“ Immer noch dieses Gequietsche. Grausam, einfach nur grausam war das. „Ja, darüber beschwere ich mich! Tut mir ja sehr Leid, dass der heiße Kerl der Falsche war.“, motzte der Größere in sein Handy. Klar, hatte er insofern Glück gehabt, dass Kouyou, also der Typ, an den er sich im betrunkenen Zustand herangeschmissen hatte, ganz gut ausgesehen hatte. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass es ihm danach einfach nur mies gegangen war! Okay, er hatte erst etwas später von Reita erfahren WAS er überhaupt genau an diesem Abend alles angestellt hatte, aber…

Argh, das ist doch völlig egal! „Na und! Dafür, dass er der Falsche war, hat er dich aber doch ganz gut ablenken können!“, meldete sich der Blonde wieder zu Wort. Der Braunhaarige wollte soeben eine schnippische Antwort geben, da hörte er auf einmal eine zweite Stimme, Naos, wie er schnell erkannte: „Hiroto und ich kommen schon klar. Mach dir bitte nicht so viele Sorgen, Tora wird es schon gut gehen. Er hat es doch selbst am Telefon gesagt, also…“ Plötzlich rauschte es. „Argh, Pon, hör’ auf mit dem Scheiß! Wenn er nicht mitkommen will, dann musst du das akzeptieren!“ Hiroto hatte anscheinend versucht, Nao mit Gewalt das Handy abzunehmen und nun war wohl ein unerbittlicher Kampf darum ausgebrochen. Einige Sekunden lang konnte er nur dieser Rangelei zuhören, bis schließlich wieder der Älteste von ihnen das Handy ergattern konnte: „Also, ich muss auflegen, sorry! Hiroto verwandelt sich gerade leider in Godzilla. Ciao!“

Saga konnte nur noch einige Momente lang verwirrt blinzeln, bis er schließlich sein Handy wieder zur Seite legte. Er hoffte für Nao einfach, dass dieser den Abend überleben würde. Wenn Hiroto mal wütend wurde, wurde es wirklich gefährlich… wie Nao es schon so liebevoll ausgedrückt hatte: Godzilla. Oh ja. Godzilla passte wirklich perfekt, wenn der Blonde in diesen Zustand geriet. Nao und er konnten wirklich froh sein, dass sie es bisher immer geschafft hatten, Hiroto zur Ruhe zu bringen… sonst wäre die Stadt wohl schon längst dem Erdboden gleich gemacht. Von Hirodzilla. Aber okay, er wollte natürlich nicht übertreiben, immerhin überwiegten bei Hiroto trotz allem die guten Seiten. Sonst würde dieser wohl auch nicht zu Sagas besten Fr-

„TAKASHI!“, donnerte es auf einmal. Was war denn jetzt los? „Ja, Mama?“, rief er irritiert zurück, nachdem er sich an den oberen Treppenaufgang außerhalb seines Zimmers gestellt hatte, um seine Mutter besser hören zu können. Schnell kam die dunkelhaarige Frau in sein Blickfeld, als diese die unteren Stufen der Treppe erreichte, zu ihm nach oben schaute: „Ahh, endlich hörst du mich. Es ist Besuch für dich da.“ Huh? Moment mal. Besuch? Das war doch wohl nicht Hiroto, der ihn nun mit Lichtgeschwindigkeit doch noch ins Blackmail schleifen wollte. „Mensch, ich war gerade im Bad, deswegen dachte ich, du machst die Tür auf… aber du hattest Glück, dass der junge Mann hier noch da war, als ich aus dem Bad kam. Soll ich ihn hochschicken oder kommst du runter?“ Das sagte ihm ja jetzt nicht gerade viel darüber, wer denn nun der Besucher war. Aber hey, er wollte ja nicht unhöflich sein. „Moment, ich bin gleich da…“, antwortete er ihr, lief daraufhin mit raschen Schritten die Treppe hinunter, stockte jedoch die letzten Stufen, wurde immer langsamer, als er endlich erkennen konnte, von wem seine Mutter denn überhaupt gesprochen hatte.

„T-Tora?!“, entkam es ihm überrascht, ja, fast schon entsetzt. Tatsächlich war es der Schwarzhaarige, der gerade im Flur stand. Und… er war triefnass? Wirklich. Seine dunklen Haare hingen ihm teilweise ins Gesicht und einzelne Tropfen fanden ihren Weg auf den Teppichboden. Auch seine Kleidung klebte nur so an seinem Körper, wirkte unbequem und klamm. Mysteriös. „Uhm… tut mir echt Leid, dass ich hier so durchnässt auftauche, aber ich hatte keinen Regenschirm dabei und…“, erklärte der Ältere etwas zögerlich, doch wurde er schnell von Sagas Mutter unterbrochen: „Das ist doch kein Problem! Das Wetter draußen ist aber auch grausig…“ Dann überlegte sie kurz, wandte sich an Saga: „Takashi, gib deinem Freund doch ein Handtuch und vielleicht auch ein paar trockene Klamotten zum Ausleihen. Nicht, dass er sich noch eine Erkältung einfängt!“ Danach ließ sie die beiden alleine im Flur stehen, begab sich zurück ins Wohnzimmer.

„Jaa…ähm…“, begann der Braunhaarige etwas zu stottern, wusste noch nicht so ganz, wie er auf das plötzliche Auftauchen Toras reagieren sollte. Natürlich freute er sich, den anderen wohlauf zu sehen, immerhin hatte er sich nach dem Anruf des Dunkelhaarigen schon sämtliche Horrorszenarien ausgemalt. Trotzdem war er nun doch etwas… nun ja, sprachlos? „Also… geh doch schon mal hoch in mein Zimmer? Die Treppe hoch, gleich das erste Zimmer… ich hol dir schnell ein Handtuch.“, brachte er doch irgendwann heraus, rauschte schließlich an dem Größeren vorbei ins Bad zu den Handtüchern. Dort warf er noch einen kurzen Blick in den Spiegel. Gott, wie sah er denn aus? Verdammt… er war vollkommen ungestylt. Er hatte nun mal nicht mehr mit Besuch gerechnet und schon gar nicht von Tora! Ein paar Sekunden zupfte er etwas an seinen Haaren herum, versuchte irgendwie zu retten, was noch zu retten war.

Danach trat er wieder auf den Flur, nur um dort mit zwei unglaublich traurig aussehenden Augen begrüßt zu werden. Der Arzt war nicht in Sagas Zimmer gegangen, stattdessen wartete er immer noch auf den Jüngeren, oder schien eher noch unfähig sich zu bewegen, stand im wahrsten Sinne des Wortes da wie ein begossener Pudel. Der Braunhaarige hatte ja gewusst, dass irgendetwas Schreckliches passiert sein musste, aber so, wie der Größere ihn gerade ansah, war das ganze wohl noch viel schlimmer gewesen, als er es sich vorgestellt hatte. Dass Tora in einer solchen Zeit ausgerechnet ihn aufsuchte, sprach natürlich nochmal für sich. Nicht, dass er etwas dagegen hatte, aber normalerweise wäre doch wohl eher Shou der Ansprechpartner für so etwas, oder? Dieser war bekanntermaßen immerhin Toras bester Freund.

„Na, komm mit hoch…“, sagte der Kleinere mit sanfter Stimme, griff nach Toras Hand und zog den Älteren dann einfach mit sich. In seinem Zimmer angekommen bugsierte er den Dunkelhaarigen auf sein Bett und überreichte ihm das Handtuch. Und ja, auf sein Bett. Natürlich war der andere immer noch vollkommen nass. Sein Bett war es jetzt mittlerweile wohl auch, aber… na ja, wen interessierte das schon? Ihn jedenfalls nicht. „Hmm, also ich schau mal, was dir von meinen Klamotten passen könnte… warte kurz.“, dachte er laut nach und begab sich zu seinem Kleiderschrank. Eine ganze Weile lang wühlte er nur so in seinen Klamotten herum, suchte nach irgendetwas, was auch nur im Ansatz der Größe des Älteren entsprechen konnte. Tora war nun einmal ein ganzes Stück größer als er. Nach ein paar Minuten zog er schließlich eine schwarze Jogginghose und ein dunkelblaues langes Shirt aus seinem Kleiderschrank, eher bekannt unter dem Namen ‚Chaos’ oder auch ‚Schwarzes Loch’. Hmm, die Jogginghose war sicher in Ordnung und das Oberteil war ihm selbst immer etwas zu groß gewesen. Also eigentlich optimal für Tora, oder?

Beides drückte er nun dem Schwarzhaarigen in die Hand, stoppte jedoch in seiner Bewegung, als er bemerkte, dass der andere immer noch keine Anstalten gemacht hatte, sich abzutrocknen. „Tora…?“, wisperte er beinahe. „Hey… du erkältest dich wirklich noch…“, setzte er fort. Nachdem der Ältere nicht wirklich darauf reagierte, nahm er das Handtuch wieder an sich. „Shinji. Ich meins ernst…“, seufzte er. „Shou…“, ergriff der Schwarzhaarige endlich das Wort. „Shou…? Was ist mit Shou?“, fragte der Kleinere nach, ahnte schon, dass etwas mit Shou passiert sein musste. „Er ist im Krankenhaus…“, fasste der andere knapp zusammen, wenn auch etwas zögerlich. Saga wusste, er würde geduldig abwarten, bis Tora ihm alles erzählte. Währenddessen begann er langsam, mit dem Handtuch über Toras dunkle Haare zu reiben, die immer noch tropfnass waren. Der Größere sagte nichts dazu, stattdessen erzählte er endlich weiter: „Er wurde die Treppe hinuntergestoßen… von jemanden, der eigentlich nur sauer auf mich war.“

Saga nickte dazu stumm, überlegte dann kurz, was er nun tun sollte. Aber er konnte den Älteren nicht ewig so durchnässt hier sitzen lassen. Nach ein paar Sekunden des Grübelns fasste er schließlich doch an den Saum des Oberteils, welches der junge Arzt gerade trug. Er schaute kurz in das Gesicht des anderen, vergewisserte er sich, dass Tora nichts dagegen hatte, und zog ihm dann das Shirt aus. Er wusste, dass dies nicht der richtige Moment für irgendwelche Schwärmereien war, dennoch konnte er sich seine bewundernden Blicke nicht verkneifen. Ein leichter Rotschimmer machte sich auf seinen Wangen breit, als er die nackte Haut vor sich begutachtete. Dieses weiche Porzellanweiß, welches sich sehnig über die Knochen zog, diese zarten Muskeln, die sich ob der Kälte anspannten, die den Körper vor sich nun umhüllte…

„Er fiel ins Koma. Ein Schädel-Hirn-Trauma…“, seufzte der Größere, weckte den Braunhaarigen aus seiner Starre. „Also, er ist heute endlich wieder aufgewacht, aber…“ Vorsichtig trocknete der Jüngere den Oberkörper Toras ab, vermied jeden weiteren Blick darauf, auch wenn die Möglichkeit dazu fast zu verlockend, zu verführerisch auf ihn war. Als er damit fertig war, griff er nach dem trockenen Shirt und deutete nun seinem Gegenüber, dieses anzuziehen, was dieser nach ein paar Sekunden auch tat, aus seiner bisherigen Starre zu erwachen schien. „So oft… so verdammt oft wird Shou wegen mir verletzt…“, Tora ballte seine Hände zu Fäusten, biss sich brutal auf die Unterlippe, bis das tiefe Rot aus ihr trat. Der Kleinere spürte, dass dieses einseitige Gespräch nun eine rasche Wende erleben würde. „Hey… das ist doch nicht deine Schuld! Okay, dieser Typ, den du da erwähnt hast, war vielleicht sauer auf dich… deswegen ist es aber trotzdem ganz allein sein Handeln, für das nur er selbst verantwortlich ist… du kannst doch nichts dafür, dass dieser Idiot Shou die Treppe runterschubst!“, mischte sich er sicg aufgebracht ein. Was redete Tora da überhaupt? Was konnte er denn dafür, dass so ein Bekloppter irgendwelche Stimmungsschwankungen hatte? Genau, nämlich nichts, absolut gar nichts.

Tora antwortete ihm erst nicht, stattdessen schnappte er sich die Jogginghose, die Saga ihm vor kurzem gebracht hatte. Hastig drehte sich Saga nun von ihm weg, wusste er ja, dass dem Schwarzhaarigen immer noch eiskalt war, eben auch durch die nasse Hose, die er noch trug. Ein weiteres Seufzen entkam Toras Kehle, als er sich fertig umgezogen und vor allem abgetrocknet hatte. „Es ist nicht das erste Mal, dass Shou wegen mir Leid angetan wurde… vor… vor zehn Jahren, da…“, sprach er weiter, signalisierte Saga damit auch, dass er sich wieder umdrehen konnte. Dann schwieg er eine Weile, zitterte stattdessen am ganzen Leib, während sich über die beiden ein tiefschwarzer Schleier der Stille warf.

Nach einigen Momenten kniete sich der Braunhaarige vor den Älteren hin, nahm dessen eiskalten Hände in die seinen: „Tora… was war vor zehn Jahren?“ Er wusste, dass er dem Größeren damit Schmerzen zufügen würde. Er wusste, dass der andere eigentlich ewig verschweigen wollte, was auch immer geschehen war. Aber er wusste, dass Tora loslassen musste. Er spürte immerhin schon eine ganze Weile, dass ein unglaublicher Druck auf den Schultern des Größeren lastete. Und es wurde Zeit, dass dieser Druck nachließ, womöglich für immer im Nichts verschwand. „Shou und ich kennen uns schon ewig… wir gingen damals noch in die Schule…“, begann er irgendwann seine Erzählung. Tora spürte wieder dieses widerliche Gefühl in seinem Magen, welches sich in jeder einzelnen Zelle seines Körpers ausbreitete. Fast wie kleine Maden, die unter seiner Haut krochen… „Ich war damals ein ziemlicher Außenseiter. Eine Zeit lang prügelte ich mich ständig, machte rund um die Uhr nur Ärger… ich weiß selbst nicht mehr genau warum. Vielleicht wollte ich einfach Aufmerksamkeit.“

„Aber irgendwann… kam Shou in meine Klasse. Er war genau das Gegenteil von mir…“, ein gepresstes Lachen unterbrach ihn. „Auch heute noch. Das exakte Gegenteil… er ist immer gut gelaunt und hilft grundsätzlich einfach jedem, der in der Klemme steckt. Das erinnert mich… dir hat er wohl auch schon geholfen, richtig?“ Oh. Ja, tatsächlich… Shou hatte ihn ja damals vor Kouyou „gerettet“ und im betrunkenen Zustand sicher nachhause gebracht. Immer noch eine peinliche Geschichte, die er jedoch die meiste Zeit über recht gut verdrängen konnte. Über ‚die meiste Zeit’. „Er hat mir damals erzählt, was passiert ist und eben auch, wo du wohnst… wohl auch ein Grund, weshalb ich überhaupt hier sein kann.“ Gott, er hatte doch gewusst, dass damals Shou am Telefon war! Saga erinnerte sich daran, wie Reita ihn einen Tag später regelrecht ins Krankenzimmer geschleift hatte. Als sie den Raum betreten hatten, hatte Tora noch mit Shou telefoniert.

„Na ja… jedenfalls… wir freundeten uns irgendwie an. Ich weiß selbst nicht mehr, wie er das damals geschafft hat… immerhin war ich damals ja gegen alles und jeden. Aber Shou war einfach anders… wir wurden schnell beste Freunde. Er wurde deswegen… vom Rest der Klasse gemieden, aber… es war ihm egal. Wir hockten ständig aufeinander, unternahmen alles zusammen… wo ich war, war Shou nicht weit. Jedoch…“ Ein schmerzerfülltes Seufzen. „…irgendwann wurde es anders. Wir distanzierten uns beide unabhängig voneinander. Aber das funktionierte auf Dauer nicht… bis Shou mich erneut ansprach und uns damit wieder zusammenbrachte. Im wahrsten Sinne des Wortes…“ Der Braunhaarige verstand nicht, was er damit meinte, konnte den anderen nur verwirrt ansehen, der ihm schnell erklärte, was er damit meinte. „Er gestand mir seine Liebe, meinte, dass er deswegen den Abstand zu mir gesucht hatte… bei mir war es damals nicht anders gewesen. Schließlich kamen wir zusammen.“

Saga verspürte einen unglaublichen Stich ins Herz. Die Vorstellung von Shou und Tora, zusammen, wie sie sich berührten, sich küssten… aber er wusste, dies war nicht das Ende der Geschichte.

„Ich wollte unsere Beziehung geheim halten. An sich war es mir zwar egal, was die Leute von mir dachten… aber nicht von Shou. Unsere Beziehung sollte ihm nicht schaden, das war mein Gedanke… aber so wie mein Ruf mir egal war, war Shou sein eigener ebenso unwichtig. Shou überredete mich dazu, uns ‚öffentlich’ zu zeigen… ja, uns zu ‚outen’“. Der Schwarzhaarige drückte Sagas Hand unbewusst fester und dem Kleineren war klar, dass der grausame Teil von Toras und Shous Vergangenheit bald folgen würde. „Unsere Eltern waren von Anfang an gegen unsere Beziehung. Und nicht nur unsere Eltern, nein, eher die ganze Welt… Ständig wurde über uns getuschelt. Mit den Fingern hatte man auf uns gezeigt… man wollte uns einreden, dass wir nicht zusammen gehörten, dass das, was wir taten, falsch war. Besonders die Jungs aus unserer Klasse…“

„…sie kamen einfach nicht damit zurecht. Sie beleidigten uns, Shou noch viel mehr… Mich schützte mein ehemaliger Ruf des Außenseiters, des Schlägers. Einfach, weil ich zuvor schon einige der Jungs verprügelt hatte. Ich weiß nicht, was sie sich überhaupt dabei dachten… für sie war wohl noch ein Stück meiner angeblichen ‚Männlichkeit’ geblieben. Shou aber… er war und ist ein Sonnenschein… er hatte keine Probleme. Er war zufrieden mit sich selbst und das zeigte er auch. Schon damals wollte er Model werden, dementsprechend modebewusst war er auch. Er schminkte sich gerne und kleidete sich auch lieber mal etwas weiblicher. Trotzdem war er damals noch um einiges schüchterner als heute… für die Jungs aus unserer Klasse war er also ein geeigneteres Opfer als ich. Aber ich verteidigte ihn… oft auch mit den Fäusten, wenn es sein musste. Es interessierte mich nicht, wie viele ich damals verprügelt hatte… Hauptsache war für mich, Shou ging es gut.“

„Und so war es dann auch. Natürlich lästerte man immer noch hinter unseren Rücken über uns… aber sonst war alles ruhig. Im Nachhinein verstand ich, dass dies nur die Ruhe vor dem Sturm war.“ Seine Augen füllten sich mit Tränen und Saga erschrak, als das kühle Nass plötzlich auf seine Hand tropfte. Toras Blick war eindeutig. Nie hatte er mehr Schmerzen gespürt, als bei den damaligen Geschehnissen. Dieser herzzerreißende Schmerz spiegelte sich nun in seiner Seele, in seinen Augen wieder. Doch der Kleinere schwieg. Keine Worte dieser Welt könnten Tora nun den Trost spenden, den Saga sich für ihn wünschte. Stattdessen strich er zärtlich über die verkrampfte Hand des Älteren, versuchte so, einfach für ihn dazu sein, ihn aufzufangen, wenn es nötig sein würde.

„Eines Tages… kam Shou nicht in die Schule. Ich dachte, er war vielleicht krank und musste deswegen zuhause bleiben. Ich hatte mir fest vorgenommen, ihn nach dem Unterricht gleich zu besuchen. Doch in der Pause fand ich einen Brief in meinem Schließfach. Er war von Shou. Ich sollte in nach der Schule treffen, an unserem üblichen Platz. Ich war verwirrt, immerhin dachte ich ja, dass er mit einer Erkältung zuhause im Bett lag… woher kam also der Brief und wieso wollte er mich sehen? Nicht, dass das etwas Besonderes war. Dennoch hätte er mir auch eine einfache SMS schreiben könne, so wie sonst immer, wenn er mich sehen wollte, oder andersherum… irgendetwas stimmte nicht. Meine Vermutung war jedoch, dass Shou Schluss machen wollte… mich nicht mehr liebte.“

„Mittlerweile wünsche ich mir, dass es so gewesen wäre. Dann wäre all das nicht passiert… und Shou wäre nie etwas zugestoßen. Aber so war es nicht.“ Seine Stimme wurde immer schwächer, drohte zu zerbrechen. Er atmete tief durch, versuchte sich zu beruhigen. Irgendwann sprach er unbeirrt weiter: „Ich ging zu dem Ort, zu dem ich hinbestellt wurde. Shou und ich hatten uns dort öfters heimlich gesehen… hinter unserer Sporthalle war ein Wald, wenn auch nur ein recht kleiner. Vereinzelt gab es dort recht schöne Orte, fast so etwas, wie kleine Picknicksplätze. Doch dort angekommen, war es nicht Shou, der mich in Empfang nahm. Es waren ein paar Jungs aus unserer Klasse… vier an der Zahl. Ich war verwirrt, ich wusste nicht, was sie von mir wollten und vor allem, was mit Shou geschehen war. Doch ich erfuhr es recht bald, als zwei weitere Typen aus dem Dickicht auftauchten. Sie hielten einen dritten zwischen sich fest. Er versuchte sich zu wehren, aber… Shou war zu schwach, viel zu schwach... Ich wollte zu ihm, doch die übrigen vier packten mich, ließen mich nicht mehr los. Und erst dann begann ihr eigentlicher Plan, der wirkliche Albtraum, der Shou und mich wohl bis heute noch verfolgt…“

Der Größere schloss nun die Augen. Die Bilder von damals rauschten nur so an ihm vorbei, ließen ihn noch einmal diese unmenschliche Grausamkeit spüren. „Ich… ich wollte ihm helfen… aber ich konnte nichts tun, ich hatte allein keine Chance gegen die vier… ich konnte nur zusehen wie sie ihn… wie sie ihn…“ Er schluchzte. „Rache… das war alles an was sie denken konnten. Rache dafür, was ich ihnen angetan hatte. So gut wie ich konnte, hatte ich Shou immer vor ihnen verteidigt, hatte diesen Kerlen immer wieder den Schmerz eingeprügelt, den sie Shou und mir zugefügt hatten… die vier bei mir lachten mich nur aus und feuerten die anderen beiden an, die sich an Shou vergingen… ‚das habt ihr nun davon, ihr dreckigen Schwuchteln’.“

„Aber ich konnte ihnen kaum zuhören. Nur noch Shous Schreie, seine von Qualen erfüllte Schreie drangen an meine Ohren…es war das einzige Mal, dass ich ihm nicht helfen konnte.“ Und auch Saga konnte die Bilder der Vergangenheit sehen. Er konnte sehen, wie Tora versuchte, sich loszureißen, seinem Freund zu helfen. Er konnte die beiden jungen Männer sehen, wie sich vor Lust und Rachesucht verzerrt immer wieder in Shou versenkten. Und er konnte ihn hören. Es war schon beinahe ein Kreischen, welches wohl Mark und Bein zu durchdringen vermochte und selbst heute noch nach vielen Jahren nicht verklungen war, vielleicht nie verstummen würde.

Eine ganze Zeit lang sagte keiner von ihnen mehr ein Wort. Tora, weil die Wellen der Vergangenheit immer noch drohten, ihn zu ertrinken, Saga, weil er seine Stimme verloren hatte, unfähig, auf diesen Schock mit Worten zu reagieren. Stattdessen erhob er sich, stand nun direkt vor Tora. Er umschlang dessen Kopf mit seinen Armen, drückte diesen an seinen Oberkörper, wollte dem Größeren das Gefühl der Hilflosigkeit, des Alleinseins nehmen. Erst dann schien sich der Ältere langsam wieder zu fassen, setzte seine Erzählung trotz seiner geschwächten Stimme fort: „Irgendwann ließen sie von ihm ab, schlugen mich stattdessen bewusstlos. Als ich wieder aufwachte, war ich im Krankenhaus. Unsere Eltern hatten uns gesucht, nachdem wir nicht von der Schule zurückgekehrt waren… „

„Erst als die Polizei uns fand, erfuhren sie, dass Shou an diesem Tag nie in der Schule angekommen war. Ich sagte gegen die sechs aus unserer Klasse aus… und schließlich machten Shou und ich eine Therapie. Er konnte das alles verarbeiten und, auch wenn er erneute Schwierigkeiten mit den Geschehnissen bekam, als er wieder seine Modelkarriere aufnehmen wollte. Dennoch kam er wieder auf die Beine, kämpfte sich durch und heute… heute geht es ihm gut. Er hat längst keine Probleme mehr mit sich selbst, kann auch ganz normal über das reden, was ihm widerfahren ist. Allerdings… wir trennten uns kurze Zeit später. Unsere Beziehung, unsere Liebe konnte dem Ganzen einfach nicht standhalten. Aber… unsere Freundschaft...“

Bei dem letzten Satz musste Saga beinahe lächeln. Es war schrecklich, was den beiden zugefügt worden war, doch zugleich war es unglaublich, einfach wunderbar, was diese Freundschaft schon überstanden hatte. Er war sich sicher, dass es letztendlich niemand mehr wagen würde, die beiden auseinanderzureißen. Doch dann erinnerte er sich, was Tora zu Beginn erwähnt hatte. „Tora… dich trifft keine Schuld. Weder damals noch heute… diese Schweine haben es dir eingeredet, haben dich ausgenutzt, um ihr Gewissen zu bereinigen. Auch jetzt… du kannst nichts dafür, dass irgendein Idiot Shou ins Koma befördert hat. Und ich bin mir sicher, dass Shou das genauso sieht… er macht dir keine Vorwürfe. Wahrscheinlich ist er sogar froh darüber, dass dir damals nicht mehr geschehen ist. Er ist stark, so wie du es sagst… er hat losgelassen. Und das ist jetzt deine Aufgabe, Tora. Sonst wirst du deines Lebens nicht mehr glücklich. Lass los, Shinji…“
 

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Das 20. Kapitel! Fast schon ein Jubiläum. ^^ Nach zwanzig Kapiteln erfährt man ENDLICH von Toras bzw. Shous Vergangenheit... und ja, das Ganze war wohl ziemlich dramatisch. >_<

Ich meine... nicht nur für Shou. Auch Tora hat wohl... naja, 'nen ziemlich was davon abbekommen. Immerhin musste er dabei zusehen, wie sein bester Freund vergewaltigt wurde x_x Argh... manchmal weiß ich auch nicht, was mich auf diese Ideen bringt. Aber ich hoffe, es ist jetzt endlich klar geworden, WARUM Tora bisher so gehandelt hat... und wieso er Saga damals von sich wies und meinte, dass er schlecht für Saga wäre. Das Puzzle setzt sich zusammen! XD Aber hey... Shou geht es gut. Immerhin hat er im 19. Kapitel bewiesen, wie sehr er Tora und Uruha noch in den Arsch treten kann. Ich glaube, in der ganzen FF hat Shou wohl auch die stärkste Persönlichkeit. Und irgendwie auch Saga, aber bei dem ist es, finde ich, auf eine andere Art und Weise. ^^

Naja... so viel zu diesem Kapitel.

Jetzt zu einem Gedanken meinerseits... und zwar wollte ich euch fragen, welches Kapitel oder welche Szene in der ganzen FF euch BISHER am besten gefallen hat. Was war für euch am schönsten, am romantischsten, am witzigsten, am schlimmsten, am traurigsten? Würde mich wirklich interessieren ^^ Eine meiner persönlichen Lieblingsszenen wäre z.B. wie Tora und Saga im Blackmail miteinander getanzt haben. Oder lustig finde ich die Vorstellung, wie Reita Ruki nach der Schule einfach hinterrennt und nachhause folgt. XD Was meint ihr?
 

Soo...

das wars jedenfalls für heute, ich hoffe, euch hat das Kapitel trotz des ganzen Dramas gefallen :)

Man liest sich hoffentlich in zwei Wochen! Und wünscht mir ganz viel Glück, ich hab' am Montag meine erste Abiprüfung >_<
 

Nächstes Update: 24. April 2011



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Aishiteru_Tenshi
2011-05-22T20:11:04+00:00 22.05.2011 22:11
Tora kann einen echt Leid tun >-<'
wie er da in der Tür steht und so nass ist ;O;
*ihn trocken rubbel*
aber die Szene wie saga sich um tora auch kümmert, ihm also hilft und auch dann tröstet ist echt mega kawaii *o*


aber wnen man wiederum diese Vergangenheit wahr nimmt...~
ano sie war zum heulen ;O;
*schnief*
aber total toll geschrieben Respekt!
es ist schwer so was rüber zu bringen und es ist dir gelungen :3
Von:  MikaChan88
2011-04-17T21:21:52+00:00 17.04.2011 23:21
die armen, solche schweine...
total super kapi
freu mich schon aufs nächste

cu,
MikaChan
Von: abgemeldet
2011-04-10T15:47:28+00:00 10.04.2011 17:47
ich muss der kommigeberin unter mir recht geben-
die szene mit tora und saga auf dem sofa war total schön. *-*
und ich muss bei der vorstellung von einem tora-teddy immer wieder lachen. :D

das kapitel war sowohl traurig als auch schön- saga kann gut trösten!
hoffentlich überwindet tora die geschehnisse der vergangenheit vollständig- er soll sich ein beispiel an shou nehmen! der hat echt eine starke persönlichkeit.

ich kann's kaum erwarten~
viele grüße,
Linda (:
Von:  Rei_
2011-04-10T15:43:10+00:00 10.04.2011 17:43
Das Kapi is oouuu...ich will Tora knuddeln <3
Hoffentlich gehts ihm bald besser...freu mich schon aufs weiterlesen :D

Aja was mir am besten gefallen hat war da wo Saga bei Tora daheim war...beim Film gucken und dem was dann folgte :D und süüß is die Szene wo Saga ne Massage bekommen hat :D
Von:  Black_Melody
2011-04-10T14:41:20+00:00 10.04.2011 16:41
Soo~

Zu deiner Frage erstmal: Ich fand die Szene mit Tora und Saga auf dem Sofa sehr schön. Und mich lässt diese Vorstellung, von dem großen Teddybären nicht mehr los, der ja eigentlich Tora ist. xD

Zu diesem Kapitel... Es ist wirklich traurig. Ich weiß zwar nicht, warum, aber ich habe fast geheult. Aber ich mag Saga auch so als Tröster irgendwie ziemlich gern. Und Shou finde ich sowieso toll. Wie gut er mit der Vergangenheit zurecht kommt, ist bewundernswert, nicht alle Opfer schaffen sowas.

Bis zum nächsten Mal. -^.^-
Hikari


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