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Cod3s

von

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Gegen alle Regeln

Etwas unsicher schaute ich die Hauswand hinauf.

„Ist das euer Ernst? Ich meine-“

„Das ist unser Hauptquartier, ja.“, fiel mir Ares brummend ins Wort. Er schien langsam genervt von meiner Fragerei zu sein, die ich allerdings berechtigt fand. Wieder betrachtete ich die riesige Leuchtreklame, eine neongelbe, lachende Sonne, dessen Strahlen in allen erdenklichen Farben aufleuchteten. Ich wusste nicht, was mich mehr stutzig machte- dieses grinsende Ding an der Forderfront des 8-stöckigen Gebäudes oder die Tatsache, dass ich vor einem Parkhaus stand…

Hilflos zuckte ich mit den Schultern. „Ist das nicht etwas… auffallend mit der Sonne und vor allem- wie kann denn ein Parkhaus ein Geheimversteck sein?“

„Versteck dich dort, wo` s keiner erwartet.“, antwortete Persephone, die ebenfalls gerade die Kneipe hinter mir verließ. Den ganzen Nachmittag hatten wir dort gesessen und uns Baupläne angesehen. Nach diesen Plänen zu urteilen wäre ich wohl niemals darauf gekommen, dass es sich dabei um ein Parkhaus handelte, das dazu auch noch direkt vor meiner Nase stand.

„Das Gebäude hat ein weitläufiges Kellersystem, dort befinden sich die meisten wichtigen Räume. Und mit großer Wahrscheinlichkeit auch Judgement.“, ergänzte sie. Ich nickte nur. Wir waren unserem Ziel also sehr nahe gekommen. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter bei der Vorstellung, dass sich an so einem öffentlichen Ort wie einem Parkhaus sich eine so gefährliche Waffe befand…

„Nero, wo bleibst du?“ Ares` Stimme holte mich ruckartig aus meinen Gedanken zurück.

Ich musste mich konzentrieren! In ein paar Stunden sollte es vorbei sein und bis dahin musste ich wachsam sein. Schnell holte ich zu Ares auf, der gerade mit Persephone in ein Gespräch vertieft war.
 

Fast unmerklich zog Ares ihr an der Jacke.

„Wann hast du vor, ihm von dem zusätzlichen Code zu erzählen?“, raunte er und sah sich um.

Persephone zuckte mit den schmalen Schultern. „Vorerst noch nicht.“

Ares biss wütend die Kiefer aufeinander. „Ach so und wann glaubst du, ist der richtige Zeitpunkt? Wenn er alles eingetippt hat?“

„Vermutlich dann, ja.“

Verblüfft blieb Ares stehen. „Das meinst du nicht ernst…“

Augenverdrehend verlangsamte auch Persephone ihre Schritte. „Ares, beruhig dich. Ich bleibe mit ihm in Verbindung, ich werde es ihm rechtzeitig-“

„Warum macht der Arsch da so ein Geheimnis raus?“, fiel er ihr gedämpft, jedoch bestimmt ins Wort. „Selbst ich kenne diesen verdammten Zusatzcode nicht! Warum so umständlich? Bin ich ihm nicht mehr vertrauenswürdig genug?“

Auch Persephone schien ihre Wut merklich herunterkämpfen zu müssen. Doch dann fasste sie sich und seufzte. „Weil du Fragen stellen würdest.“ Ares starrte sie verdutzt an.

„Du könntest es nie so fraglos hinnehmen wie ich.“, fügte sie hinzu und ging wortlos weiter. Ares schaute ihr stirnrunzelnd und auch leicht geschockt hinterher. Er hatte schon immer geahnt, dass Zeus Geheimnisse vor ihm hatte, die auch mit Judgement in Verbindung zu stehen schienen. Spätestens als dieser ominöse Zusatzcode aufgetaucht war, vermutete Ares einen Zusammenhang. Aber leider war es nun zu spät, sich darüber Gedanken zu machen. Kopfschüttelnd schaute er seiner Verschwörungspartnerin hinterher. Natürlich hatte Zeus ihr alles erzählt, denn wie sie schon sagte- sie stellte nichts von dem in Frage, was er ihr sagte. Sie vertraute diesem Mann blind und das machte Ares zugleich wütend und traurig. Sie lebte für diesen Mann, lebte für seine Rache…

Hinter sich hörte er eilige Schritte und auf einmal stand Nero neben ihm.

„Alles klar?“, fragte der Junge und schaute besorgt hinter Persephone her. Ares zwang sich zu einem Lächeln und klopfte ihm auf die Schulter.

„Alles klar.“, antwortete er. „Und du? Bereit?“

Natürlich war die Frage überflüssig, aber dennoch nickte Nero entschlossen. Nun musste Ares wirklich grinsen. Für einen Moment- einen kurzen Augenblick nur- entdeckte er in den Augen des Jungen ein altbekanntes Funkeln, das ihn an früher erinnerte, an seinen Nero. Den erwachsenen und dennoch kindlich schüchternen Nero, der alles auf eine gewisse Art leicht und spielend sah, seine Moralapostel, die ihm jeden Kopfgeldauftrag zu vermiesen wusste, den alten Freund, ohne den er sich vor Kummer sinnlos betrank, der für ihn wie ein kleiner Bruder war.

„Gut.“, brummte Ares und schlug nun etwas kräftiger auf Neros Rücken, sodass dieser ins Taumeln kam. „Vergiss nicht, was ich dir beigebracht habe- immer auf die Kehle zielen.“, lachte er und ging weiter die Straße hinunter.

„Ich werde niemanden töten!“, erwiderte Nero giftig. Ares` Grinsen wurde breiter. Zumindest hatte die Moralapostel der Gehirnwäsche standgehalten. Schade eigentlich, dachte er und musste noch einmal lachen, die hatte er am wenigsten vermisst.
 

Wie zu erwarten, befand sich das Hauptquartier von Olymp in einem Rotlichtviertel. Als es noch hell gewesen war, war mir das kaum aufgefallen, jetzt jedoch, wo es schon länger dunkel war, begann das Nachtleben zu erwachen. Überall standen Frauen herum und uns kamen Männer entgegen, die nur darauf aus zu sein schienen, jemanden umzulegen. Ich war froh darüber, Ares und Äneas an meiner Seite zu wissen und war doppelt so glücklich, dass Fin das alles hier nicht zu sehen bekam. Bei dem Gedanken an sie zog sich mein Magen krampfhaft zusammen. Ich hatte die Worte ernst gemeint, die ich ihr in dem Brief hinterlassen hatte. Es sei besser so, hatte Ares zu mir gesagt und das sah ich inzwischen auch ein. Dennoch gab es immer noch einen Teil in mir, der sich an Fin klammerte und sie nicht losließ. Doch er wurde immer schwächer und unbedeutender und mit jeder Minute, mit jedem „Du hast dich richtig entschieden“, konnte ich mich weiter von ihr loslösen und die Tatsache, dass ich sie nie wieder sehen würde, dass sie glücklich sein würde, half mir über den Schmerz. Doch ich würde sie wohl nie vergessen können…

Die Kneipe, in der wir den halben Tag gesessen hatten, befand sich nur wenige hundert Meter von Olymp entfernt. Links daneben, ungefähr fünfzig Meter entfernt, standen mehrere größere Kabinen mit einer großzügigen Fensterfront, die meisten davon waren jedoch von runtergelassenen Rollladen verdeckt. Die Kabinen, dessen Rollladen hochgezogen waren, gaben den Blick auf tanzende, fast nackte Frauen frei, vor dessen Fenstern sich einige Gestalten tummelten. Schnell schaute ich wieder weg.

Vor den Schranken des Parkhauses blieb Ares, der vorneweg gegangen war, stehen.

„Wir sind da.“, brummte er und fasste seitlich unter seinen schwarzen Mantel, dorthin, wo ich den Griff seines Zweihänders vermutete. Auch Persephone streckte sich und Äneas stellte sich näher an ihre Seite. Ich dagegen fühlte nichts- keine Angst, keine Anspannung, gar nichts. Nur mein Herz fing schneller an zu schlagen, als ich es den anderen nachtat und nach dem Messer griff, das Ares mir gegeben hatte.

„Dann kann` s ja losgehen.“, erwiderte ich mit ernster Stimme, dass Ares sich kurz und verblüfft umdrehte, aber dann wieder nach vorne schaute. Für einen kurzen Moment bildete ich mir ein Grinsen auf seinem Gesicht ein. Als Antwort nickte er nur, dasselbe taten dann auch die beiden anderen.

Dann setzte sich Ares in Bewegung, tauchte unter der Schranke ab und verschwand kurz darauf in der Dunkelheit. Das schnarrende Geräusch seines Schwertes ertönte, das er aus der Scheide zog, dann, nach ein paar Minuten, folgten wir ihm…
 

Ich hatte mich ja schon an die vielen Überraschungen und erstaunenden Umstände gewöhnt, die zwangsläufig mit Ares` Erscheinen zusammenhangen, aber darauf war ich wirklich nicht vorbereitet- wir alle nicht…

Das Parkdeck lag still vor uns in der Dunkelheit. Ein paar Notlampen leuchteten grünlich, sodass man die leere Halle gut überblicken konnte. Man hätte also alles sehen können…

Aber da war nichts- gar nichts.

Auch Ares schien damit nicht gerechnet zu haben, denn nach einigen skeptischen Blicken, ließ er sein erhobenes Schwert wieder sinken. Persephone zuckte mit den Schultern.

„Scheint so, als sei das Empfangskomitee nicht eingetroffen.“

„Oder es ist noch nicht da…“, ergänzte ich und ließ ebenfalls den Griff des Dolches los. Ares neben mir fluchte. „Und ich habe mich so auf die Begrüßung gefreut.“, maulte er beleidigt und ging ein paar Schritte mehr in den Raum. Nach Kores Blick zu urteilen, schien sie sich ihren Teil zu seinem Kommentar zu denken und folgte ihm.

Plötzlich fingen einige Lampen an zu flackern und das sowieso schon spärliche Licht nahm rapide ab, sodass wir nur noch ein paar Meter weit gucken konnten. Stirnrunzelnd schaute Kore zur Decke. „Ich dachte, du hättest die Sicherungen wieder rein gemacht…“, sagte sie an Ares gewandt. Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Hab ich auch.“

Sie verzog das Gesicht. „Soviel zum Notstrom.“ Dann seufzte sie leise. „Dieses Parkhaus ist wohl doch schon älter, als ich dachte.“

Ich stutzte. „Heißt das, dass das komplette Parkhaus ohne Strom ist?“

Persephone schüttelte den Kopf. „Nein, so leicht wird das Problem nicht zu lösen sein. Die Kellerräume haben einen eigenen Stromkreis. Nur die Lampen hier haben den Geist aufgegeben.“

„Egal. Die Treppen werden wir noch finden.“, erwiderte Ares.

Gerade als er wieder losgehen wollte, hörten wir Schritte hinter uns. Alarmiert schauten wir alle zurück. Nichts war zu sehen. Die leisen Schritte schienen vom Ausgang zu kommen. Kurz schauten wir uns alle an, dann gab Ares ein Zeichen und wir zogen uns von den noch funktionierenden Lampen weg in die Schatten der anderen und warteten.

Ares, der neben mir stand, spannte jeden Muskel an und hob erneut sein Schwert. Ich hielt den Atem an und lauschte den nahenden Schritten. Sie waren verdammt leise und vorsichtig gesetzt, als gehörten sie jemandem, der sich irgendwo anschlich. Sie wurden immer lauter und bald konnte ich sie auch lokalisieren- die Person konnte nur wenige Schritte von dem Lichtkegel, in dem wir gerade noch gestanden hatten, entfernt sein…

Dann, urplötzlich, hechtete Ares nach vorne, hob in dem Moment, wo die Umrisse der Person im Licht erschienen sein Schwert weiter an und riss keinen Augenblick später die rotschwarze Klinge nach unten. Fast in derselben Sekunde erkannte ich die Person, die erschrocken stehen geblieben war und mit weit aufgerissenen Augen Ares anstarrte und mein Herz krampfte sich auf die Größe einer Walnuss zusammen.

„NEIN!!!“, schrie ich, zu mehr war ich nicht in der Lage. Auch Ares schien sie noch rechtzeitig erkannt zu haben, schrie selber erschrocken auf und schaffte es noch, die Bahn der Schwertklinge so weit abzuändern, dass sie knapp neben Fin auf den Betonboden aufschlug. Auch Persephone stieß einen spitzen Schrei aus und Fin hatte vor Schreck die Arme über den Kopf zusammengeschlagen und sich geduckt.

Sekunden lang passierte nichts.

Alle standen erstarrt da, das einzige, was zu hören war, waren unsere keuchenden Atem und das leise Echo des Schlages der Klinge. Ares war der erste, der sich wieder gefasst hatte.

„Scheiße!“, fluchte er laut und steckte das Schwert wieder weg. „Du Wahnsinnige! Bist du lebensmüde?!“ Ares wetterte seine Schimpf- Triade weiter, während Fin sich entkräftet zu Boden fallen lies und sich eine Hand auf den Brustkorb legte, der sich bebend hob und senkte.

„T- tut mir Leid…“, wimmerte sie, während ich auf sie zu rannte.

„Fin!“

Erschrocken schaute sie auf, suchte mit den Augen nach mir und stand stürmisch auf, als sie mich entdeckte. Meinen Namen hauchend fiel sie mir um den Hals. Ich drückte sie fest an mich und vergrub meine Hände in ihr zerzaustes Haar.

„Ich bin so glücklich, dich zu sehen, Nero.“, schluchzte sie und schaute mich mit Tränen in den Augen an. Ich holte Luft, doch ich stockte in der Bewegung und starrte sie nur an. Wie gerne hätte ich ihr geantwortet, dass ich sie nie hätte loslassen wollen, aber etwas in meinem Kopf schrie mir die Worte ins Ohr, die ich mir schon die ganze Zeit vorgebetet hatte.

Es war richtig so! Denk daran!

Mein Blick bekam etwas Vorwurfsvolles.

„Fin was… was tust du hier? Und wie hast du uns gefunden?“

Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Das spielt jetzt keine Rolle -“

„Und ob!“, wütete Ares wieder los. „Damit ich weiß, an wem ich meine Wut auslassen kann!“ Auch Persephone war inzwischen in den Lichtpegel getreten und schaute genauso verwundert, wie ich mich fühlte. Innerlich seufzte ich. Warum machte Fin es uns nur so schwer, einander zu vergessen?

„Warum?“, fragte ich sie bitter. „Warum bist du gekommen? Ich hab doch gesagt, dass-“

Ich hielt inne, als ich in dem Moment ihr Gesicht sah. Es hätte wohl nicht viel gefehlt und sie hätte mich, nach ihrem Blick zu urteilen, geohrfeigt.

„Glaubst du wirklich, ich würde mich damit zufrieden geben? Glaubst du wirklich, du könntest mich mit einem Brief so leicht loswerden?“ Tränen sammelten sich in ihren Augen und rannen ihre Wangen runter. Bitter schüttelte sie den Kopf. „Du bist in mein Leben getreten und hast daraus einen Trümmerhaufen gemacht. Du…ihr-“ und damit schaute sie zu Ares, Persephone und Äneas. „Ihr habt mein Leben so sehr verändert. Ihr seid meine Freunde! Ich… ich liebe dich, Nero! Da braucht es schon etwas mehr, als einen Brief, um euch vergessen zu können. Selbst wenn ihr mich an Memoria anschließt und ich das Gedächtnis verlieren würde, ich könnte euch nicht vergessen! Ich will euch nicht vergessen! Du sagtest, dass ich glücklich werden solle- aber wie kann ich das, wenn du nicht da bist? Ich habe vielleicht kein Fotografisches Gedächtnis, aber mein Herz würde sich immer noch an etwas erinnern, etwas spüren, das mal da war.“ Sie trat einige Schritte von mir weg und schaute mich fast hilflos an. „Glaub ja nicht, dass du der einzige bist, der manche Dinge nicht vergessen kann…“

Ich starrte sie an. Lange…

Erst Ares` Schnaufen, das eine neue Wutwelle ankündigte, riss mich aus meinen Gedanken.

„Gott, ich bin nur von Irren umgeben…“, brummte Ares tief und schüttelte den Kopf. Persephone stellte sich daraufhin neben ihn und legte ihm eine zierliche Hand auf die Schulter. „Halt einfach die Klappe, Ares.“, erwiderte sie lächelnd, was ihr eine hochgezogene Augenbraue des Angesprochenen einbrachte.

Fin schaute mich immer noch direkt an, sodass es mir von Sekunde zu Sekunde schwerer fiel, ihr zu antworten. Diese tiefen, klaren Augen, die es so wundervoll verstanden, mich zu hypnotisieren- hatte ich wirklich vorgehabt, sie nie wieder zu sehen?
 

Sanft umschlossen mich seine Arme und drückten mich an ihn. Ich vergaß zu atmen…

Warum sagte er nichts? Ich erwiderte zögernd seine Umarmung und legte meine Stirn an seine Brust.

„Verzeih mir…“, flüsterte er so leise, als wolle er sicher gehen, dass nur ich diese Worte vernahm. Innerlich zog sich alles zusammen und meine Hände schlossen sich noch fester um das Stück Leder, das sie zu fassen bekommen hatten. Seine Antwort war zweideutig- verdammt zweideutig- und doch war ich mir sicher, dass ich sie richtig verstand.

„Verlass mich nie wieder!“, schluchzte ich, die Tränen unterdrückend. Ich spürte wie er den Kopf in meinem Haar hin- und herbewegte.

„Niemals…“, sagte er und jetzt fiel alles von mir ab. Alle Sorge, alle Wut, ich vergaß sogar für einen Moment, wo wir waren und was Nero noch bevorstand. Für mich zählte nur er und die unerklärliche Gewissheit, dass sein Versprechen einhalten würde- für immer.

Ungehalten rollten dicke Tränen über mein Gesicht und durchnässten sein schwarzes Hemd.

„Ich störe ja nur wirklich ungern eure Zweisamkeit, aber ich fürchte, eure gemeinsame Zukunft muss noch warten“, brummte es von irgendwoher genervt und zumindest Nero schien darauf zu reagieren- ich versuchte dagegen das Gegenteil und vergrub demonstrativ meinen Kopf noch tiefer in sein Hemd. Wie gerne hätte ich so für Stunden dagestanden und einfach seine Nähe gesucht, seine Wärme gespürt und seinem beruhigenden Herzschlag gelauscht, hätte sich besagtes Objekt meiner Begierde nicht gerade jetzt von mir entfernt und mich- in meinen Augen- geradezu brutal auf eine unzumutbare Distanz gebracht.

Leicht pikiert schaute ich ihn an, doch er schien es nicht nötig zu haben, mich anzusehen- die rechte Seite des Raumes war anscheinend viel interessanter. Ares schob sich in mein Blickfeld und Nero nickte ihm zu.

„Du hast recht…“, sagte er ernst und machte Anstalten, mich loszulassen- was nicht ganz klappte, da meine Hände immer noch an seinem Mantel klebten.

„Was haben wir denn jetzt vor?“

Ares zog mit gespielter Überraschung die Augenbrauen hoch.

Wir?“, wiederholter er betont und beugte sich zu mir runter. „Wenn du mit wir uns Vier meinst, “ und dabei zeigte er einmal in die Runde, die hinter und neben ihm stand, „wir haben hier noch was zu erledigen.“

Beleidigt schob ich die Unterlippe vor. Hatte ich diesen Typen wirklich mal gemocht?

„Dann helfe ich euch da-“

„Nein.“, kam es dreistimmig zurück.

Perplex starrte ich abwechselnd in die Gesichter von Ares, Persephone und Nero; selbst Äneas schüttelte mit ernster Miene den Kopf.

„Warum nicht?!“

Schnaubend drehte sich Ares auf dem Ansatz um und fuhr sich durch das kurze Haar. „Herrje, warum sind Frauen immer so kompliziert?“, schimpfte er und begann gereizt umherzuwandern. Nun kam auch Persephone auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Fin, ich dachte, wir hätten das schon besprochen-“

„Wir haben gar nichts besprochen!“, fauchte ich zurück, „Schon vergessen? Ihr habt mich einfach allein zurückgelassen!“

Sie seufzte. „Ja, weil wir gedacht haben, dass es das Beste für alle wär`.“

„Tja, so kann man sich täuschen.“, sagte ich trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Fin, versteh doch bitte… das hier ist zu gefährlich für dich.“, mischte sich Nero ein und versuchte mir ebenfalls eine Hand auf die Schulter zu legen- jedoch blieb es bei dem Versuch…

„Ach und für dich nicht?“

Prompt wurde die Hand wieder zurückgezogen. Warum glaubten eigentlich alle, dass ich nicht auf mich aufpassen könnte?

„Gut, ich kann nicht kämpfen, aber ich kann trotzdem helfen!“

„Und wie?“, kam es sanft von Kore.

„Ich kann Schmiere stehen…“

Urplötzlich beendete Ares seinen von dumpfem Brummen und derben Flüchen begleiteten Rundgang und trat mit einem Ausdruck auf mich zu, als wolle er mir den Hals umdrehen.

„Das einzige, was du kannst, ist im Weg stehen! Und ich habe absolut keine Lust, auch noch auf dich aufzupassen, ist das jetzt bei dir angekommen?!“, grollte er so laut, dass es in dem leeren Parkhaus unheimlich widerhallte.

Noch bevor ich Luft holen konnte, hatte er mich am Arm gepackt und zog mich zum Ausgang. Dass ich mich dabei wild wehrte und gebärdete, schien ihn nicht zu interessieren, sodass ich mal wieder Zeuge seiner übermenschlichen Kraft wurde. Hilflos liefen die anderen hinter uns her, sodass ich genug Zeit hatte, Nero wütend anzufunkeln, der keinerlei Anstalten machte, mir zu helfen- mir, seiner Freundin, der er theoretisch gesagt hatte, dass er sie liebte. Wie ich diese Männerfreundschaft doch hasste….

Draußen angekommen, stellte Ares mich unsanft auf einem Fleck Asphalt ab und hielt mich mit seinen beiden Pranken fest.

„Bleib… hier!“, presste er hervor, sichtlich um Beherrschung kämpfend und schaute mir tief und wütend in die Augen. Ich konnte mich zwar nicht bewegen, jedoch funktionierte mein Mudwerk dafür umso besser.

„Ich bin kein Hund!“, protestierte ich lautstark, sodass uns vorbeigehende Leute von der Seite her stirnrunzelnd anstarrten- natürlich würde mir hier keiner helfen; nicht hier in dieser Gegend…

„Tja, schade auch- `nen Köter würde zumindest keine Widerworte geben.“, konterte Ares immer noch wütend und schaute sich um, dann zog er mich weiter zu einer dieser komischen Container, die mich stark an ein transportables Klo erinnerten.

„Was hast du vor, Ares?“

Hoffnungsvoll drehte ich den Kopf- endlich meldete sich Nero zu Wort!

„Dafür sorgen, dass dein Schatz am Leben bleibt.“, antwortete Ares und klopfte an die Tür, die seitlich an den drei Meter hohen Kasten angebracht worden war. Nach wiederholtem energischeren Klopfen, öffnete sich die Tür und eine- sagen wir…- etwas bekleidete Frau mit auffallendem Make- up und stark blondierten Haaren kam zum Vorschein. Trotz ihrer hohen Absätze musste sie an Ares hoch schauen. Sauer verzog sie das Gesicht.

„Ey, wenn du was sehen willst, musste vorne Geld einschmeißen, Schwachkopf!“, motzte sie, verstummte aber wieder ganz schnell, als Ares ihr ein paar Scheine unter die gepuderte Nase hielt. „Dürfen wir uns den Kasten für `ne Stunde ausleihen?“

Etwas verdutzt schielte sie auf das Geld, doch dann fing sie sich wieder und legte provokant den Kopf schief. „Ich verdien das Doppelte in einer Stunde…“

Erneut griff Ares unter seinen Mantel. Die Augen der Frau blitzten voller Erwartung hell auf, doch er zog nur einen weiteren mageren Geldschein hervor.

„Du bist eine schlechte Lügnerin…“, sagte er mit zuckersüßer Stimme, dennoch ließ er eine große Portion Wut mit durchhören. Die Frau hatte wohl die unterschwellige Warnung verstanden, denn im nächsten Moment schnaufte sie lautstark und schnappte sich das angebotene Geld.

„Eine Stunde!“, fauchte sie, griff nach ihrem Mantel und stolzierte an dem Mieter ihrer vier Wände vorbei in die nächste Kneipe.

Kaum war sie außer Sichtweite, wurde ich in diese Metallhölle auf Rädern hinein geschoben.

„Und hier bleibst du, wenn dir etwas an deinem Leben liegt.“, sprach Ares nun seine letzte Warnung aus- was natürlich nicht bedeutete, dass ich mich damit zufrieden gab…

„`Nen Teufel werd` ich tun!“

„Halt endlich deine Klappe oder ich werd` dafür sorgen, dass du sie hältst!“

Noch bevor ich etwas sagen konnte, wurde die Tür zugeschlagen und ich hörte, wie etwas davor geschoben wurde. Wutentbrannt schmiss ich mich gegen das Metall und hämmerte mit den Fäusten dagegen, doch sie bewegte sich kein Stück.

„Wenn ich hier raus bin, bring ich dich um, Ares!“, brüllte ich aus voller Kehle, worauf ich nur ein freudloses Lachen vernahm. Verzweifelt ließ ich von der Türe ab und kämpfte stattdessen erneut gegen die verdammten Tränen.
 

Es brach mir das Herz, sie so schreien zu hören. So etwas hatte sie nun wirklich nicht verdient…

„Ares, ist das wirklich notwendig- ich mein-“, fügte ich schnell hinzu, nachdem der Angesprochene sich mit einem alles tötenden Blick umgedreht hatte, „Können wir uns nicht ein besseres Versteck für sie suchen?“

Ungläubig schaute er mich an, zuckte dann gespielt mit den Schultern und suchte mit hochgezogenen Brauen Persephones Blick. „Ich weiß nich` - Kore, haben wir noch Zeit, `ne Sicherheitszelle für die Kleine zu organisieren?“

Die Angesprochene antwortete nicht sofort, schüttelte dann doch nach einigen Sekunden den Kopf. „Ich fürchte nicht.“, antwortete sie ernster und mitfühlender als Ares und schlang die Arme um ihren Oberkörper.

„Da hörste` s.“, knurrte er und wandte sich von Fins „Versteck“ ab.

Verzweifelt biss ich mir auf die Unterlippe. Er hatte recht- die Zeit lief uns davon und Fin durfte einfach nicht dabei sein…

In der Zwischenzeit war es wieder still hinter der dicken Metalltür geworden, sodass ich vorsichtig an diese herantrat.

Kurz zögerte ich, dann holte ich tief Luft.

„Fin…“

„Nero?“, kam es hoffnungsvoll von der anderen Seite. „Nero, bitte! Lass mich hier nicht zurück!“

„Das tu ich nicht… aber… es ist hier sicherer für dich, bitte versteh das.“

Stille. Innerlich lachte ich bitter. Wie konnte ich von ihr nur verlangen, dass sie das hier alles verstand oder hinnahm?

„Ich werde dich hier abholen… sobald dieser ganze Mist vorbei ist. Wir werden hier zusammen weggehen! Das verspreche ich dir.“

„…okay.“, antwortete Fin kaum hörbar. Weinte sie etwa?

Eine schmale Hand legte sich auf meine Schulter und zwang mich zum Umdrehen. Mit verständnisvollem Blick nickte Persephone in Richtung Olymp. Ich nickte zögernd.

Noch einmal schaute ich zurück, dann folgte ich ihr und schloss zu Ares und Äneas auf.

„Tu mir den Gefallen und verlieb dich das nächste mal in `nen Bernhardiner…“, brummte Ares neben mir und beschleunigte seine Schritte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  blacksun2
2012-05-15T09:27:52+00:00 15.05.2012 11:27

es ist so genial, dass ich es kaum fassen kann
ich muss mal eines klarstellen: Ich hoffe, du denkst nicht: ach die übertreibt nur – denn ich empfinde wirklich die Begeisterung, wenn ich das lese und sehe es wie einen Film vor meinem inneren Auge abspielen

jede Szene ist bei dir so besonders, speziell

Ares handelt richtig – unsensibel, aber richtig. Sie wäre da drin wirklich keine Hilfe. Aber, ich befürchte, sie wird nicht in dem Gefängnis bleiben

Als sie das Parkhaus betreten haben, war es schon sehr spannend, weil man jede Minute damit rechnet, dass ein Feind aus der Dunkelheit springt

Voller Vorfreude schaue ich schon auf das nächste Kapitel

Glg
blacksun

Von:  Thuja
2011-11-05T09:02:06+00:00 05.11.2011 10:02
Ares so sensibel, wie er leibt und lebt
Meine Güte, er kann ja so grausam sein
So grausam und so geil *breit grins*
Er hat Fin klar die Meinung gesagt
Alle so mit Samthandschuhe „Du kannst nicht helfen, tut uns Leid“
Und er direkt „Du bist im Weg“
Aber an Fins Stelle würde ich über diese Behandlung auch platzen vor Wut
Wie ich Fin kenne, nimmt sie das NIEMALS hin. Sie wird einen Weg finden
Ach ja. Meine Lobeshymne (mit der Melodie von Freude schöner Götterfunken)



Freude empfind ich beim Lesen, dieses schönen Textleins
Ich trete ganz besessen, in deine Welt hinein
Deine Zauber binden mich fest, weil du einfach zu toll schreibst
alle Sätze klingen super, ein Genuss für jedermann
……


‚hust*
mehr fällt mir nicht ein. Aber ich denke wir verstehen uns ^_-
ganz besonders toll fand ich ja, wie du Fins Gefühle dargestellt hat, als sie Nero wieder sieht, wie sie sich an ihn geklammert hat.
Da hast du wieder wunderbar Emotionen vorgekehrt und ausdruckstark rüber gebracht, mit Gedanken und Handlungen

glg



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