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Cod3s

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Von Frau zu Frau

Ich hatte schon viele Menschen sagen hören- vor allem die älteren unter ihnen-, dass Schlaf die beste Medizin sei und man sich auf jeden Fall besser fühle, wenn man lang genug schlief. Dieser Behauptung hätte ich auch zugestimmt- vor einigen Tagen vielleicht…

Doch als ich an diesem Morgen- oder war es schon Mittag? – aufwachte und mich aufrichten wollte, fiel ich laut stöhnend wieder ins Kissen zurück. Hatte ich auf einem Brett geschlafen?! Wohl eher unter einem Lastwagen, verbesserte ich mich, nachdem ich mir sicher war, wirklich jeden Knochen in meinem Körper spüren zu können. Was hatte ich nur angestellt, dass ich so verspannt war? Vor meinem geistigen Auge war ich wieder auf einen Stuhl gefesselt, sprang aus einem fahrenden Auto und kurz darauf aus einem Fenster- das ständige Rennen und das lautlose Verstecken mal ausgeschlossen, hatte ich wohl mehr Adrenalin in der vergangenen Nacht verbraucht, als in meinem ganzen Leben noch nicht…

Es dauerte eine Weile, doch irgendwann schaffte ich es gegen den Drang, einfach liegen zu bleiben, anzukämpfen und aufzustehen.

Einen Tag frei… die Ruhe vor dem Sturm, dachte ich bitter. Doch ich hatte vor, ihn voll auszunutzen. Mein aufflammender Enthusiasmus und Tatendrang bekam allerdings schon wenige Schritte später einen gewaltigen Dämpfer, als ich lediglich Persephone in der Küche entdeckte, die mit flinken Fingern über die Tasten ihres Laptops sauste und manchmal ohne aufzuschauen einen Schluck aus der Tasse nahm, welche neben ihr auf dem Tisch stand.

Sie schien sehr konzentriert zu sein, denn sie bemerkte mich erst, als ich an ihr vorbei zur Küchenanrichte ging, um mir etwas Kaffe zu nehmen, der dort bereit stand.

„Du bist schon wach…?“, sagte sie lächelnd. Ich schaute zur Wanduhr und verzog das Gesicht. „Schon ist gut- es ist Zwei Uhr.“ Immer noch müde rieb ich mir über die Augen. „Ich hab den halben Tag verschlafen…“, brummte ich missmutig. Persephone klappte ihren Laptop zu, stand auf und ließ sich von mir die Kanne reichen, um sich nachzufüllen.

„Du hast nichts verpasst.“, entgegnete sie seufzend und lehnte sich neben mir gegen die Anrichte, die Tasse mit beiden Händen umschlossen.

„Wo sind die anderen?“, fragte ich irgendwann, da sie nicht weitersprach. Sie zuckte mit den Schultern. „Ares wollte mit Nero noch ein bisschen trainieren. Er sagte, dass er Neros Instinkten doch nicht ganz vertraue, also wolle er ein wenig nachhelfen. Äneas ist mit ihnen gegangen.“, fügte sie in dem Moment hinzu, als ich nachfragen wollte.

Toll. Meine Laune sackte noch weiter in den Keller ab.

Persephone hatte in der Zwischenzeit, während ich zu schmollen begann, da nun meine ganze spontane Tagesplanung mehr oder weniger zunichte gemacht worden war, ihren Kaffee ausgetrunken und war durch den Raum geschritten.

„Ich will ein bisschen an die frische Luft- den ganzen Tag hier drinnen zu hocken ist auch nicht das Wahre. Ein paar Straßen weiter gibt es ein paar tolle Läden- kommst du mit?“

Verwirrt runzelte ich die Stirn. „Du willst jetzt shoppen gehen?“

Persephone hob die Schultern und nickte. Ich deutete auf den Laptop.

„Und was ist damit? Hast du nicht gesagt, dass du den ganzen Tag brauchst?“

Sie grinste. „Erstens bin ich keine Maschine, die ununterbrochen arbeiten kann und zweitens kann ich mich nicht erinnern gesagt zu haben, dass ich einen ganzen Tag brauche- lediglich, dass es solange dauert.“

Ich konnte nicht genau sagen, was ich in diesem Moment fühlte; vielleicht war es blankes Entsetzen über Persephones lockere Art, darüber zu sprechen oder einfach nur Wut, dass sie die kostbare Zeit so leichtsinnig verspielte, die über Leben und Tod entscheiden könnte- das Ergebnis dieses Mixes war eine erschrockene Miene, die ich nicht mehr aus meinem Gesicht bekam. Persephone kam langsam und mit ernstem Blick auf mich zu.

„Fin, glaub mir, es würde keinen großen Unterschied mehr machen, ob wir nun heute oder morgen aufbrechen- unsere Gegner sind sowieso schon da und viel besser vorbereitet, als wir. Wir wollen uns nur nicht noch mehr Nachteile aufhalsen und ihnen unausgeruht entgegentreten. Ich denke, wir haben uns alle diesen Tag verdient oder?“

Ihr Blick war so versöhnlich und warm, dass ich ihr wohl alles abgekauft hätte. Ich konnte ihm nicht lange standhalten, also starrte ich in meine Tasse, als sei dort irgendetwas Interessantes. Sie hatte Recht; draußen lockte die Sonne mit ihren warmen Strahlen die Leute auf die Straßen und ich hatte auch das ungute Gefühl, dass ich Nero in den nächsten Stunden sowieso nicht zu Gesicht bekäme- was hielt mich also in diesen vier Wänden?

Seufzend leere ich meinen Kaffee. „Also gut. Ich komme mit…“, sagte ich in einem sehr gekünstelt überzeugten Tonfall, den Persephone zu überhören schien, da sie nun über beide Ohren grinsend vor mir stand und mir wurde wieder klar, wie jung sie wirken konnte…
 

Wir gingen wirklich nicht sehr lange, bis wir die ersten interessanten Läden entdeckten und Persephone sich mit einer mir schon beinahe unheimlichen Euphorie auf die Kleidungsstücke regelrecht stürzte- sie schien das Shoppen ziemlich nötig gehabt zu haben.

Auch ich steuerte nach einer Weile, in der ich Persephone verwirrt nachschaute, eine Stange mit T-Shirts an und ging in Gedanken versunken an ihnen vorbei. Ich bemerkte gar nicht, dass Persephone plötzlich neben mir stand, bis ich beinahe in sie rein gestolpert wäre.

„Und? Was für dich gefunden?“, fragte sie strahlend, beide Hände voll mit Hosen und Oberteilen. Leicht erschrocken von ihrem plötzlichen Auftauchen blinzelte ich sie an, zuckte dann doch mit den Schultern und schaute auf die Shirts vor mir. Sie waren bunt- das war das einzige, was ich bis jetzt bemerkt hatte…

Meine Gedanken schweiften immer wieder zu Nero, ich versuchte mir auszumalen, was uns da morgen erwarten würde und ob wir -

Persephone unterbrach meine Tagträumerei, indem sie mir etwas vor die Nase hielt. Es war- was für eine Überraschung- ein längeres Shirt, das sie wohl von der Kleiderstange vor mir genommen hatte. Ich konnte nicht mehr erkennen, als den cremefarbenen leichten Stoff, da sie mir das Teil Zwei Zentimeter von mir entfernt vor die Nase hielt. Zögernd nahm ich das Oberteil in die Hand und schaute es mir in einigem Abstand genauer an. Ganz leicht in einem dunkleren Ton konnte ich ein dezentes Blumen- und Rankenmuster erkennen, dass sich an der einen Seite über das ganze Bauchteil zog. Stirnrunzelnd schaute ich zu Persephone.

„Was soll ich damit?“

Sie hob die Schultern und grinste. „Anziehen vielleicht?“ Doofe Frage, las ich in ihren leuchtenden Augen und ich versuchte erst gar nicht, Widerstand zu leisten…

Zu meiner Überraschung passte das lange Shirt perfekt und sah zudem auch gar nicht schlecht aus- wenn auch ein bisschen unschuldig und blass. Aber vielleicht sah Persephone in mir ja so eine schutzbedürftige Person…

Vorsichtig streckte ich den Kopf aus der Umkleide. Persephone war schon wieder auf „Jagd“ gegangen; wenn sie so weiter machte, hätte sie bald den ganzen Laden durchgehabt. Ich rief sie leise und sofort kam sie angesaust und betrachtete sichtlich stolz ihr Werk.

„Findest du nicht, das ist ein wenig… zu brav?“, warf ich irgendwann ein, als Persephone nach einer geschätzten Ewigkeit immer noch damit beschäftigt war, mich zurechtzuzupfen.

„Brav?“ Sie zog eine ihrer schmalen Brauen nach oben, dann schüttelte sie den Kopf. „Es ist schlicht… aber das passt zu dir- du bist halt natürlich.“ Sie lächelte und ich spürte, wie mir warm wurde. Plötzlich drückte Persephone mir ein paar Geldscheine in die Hand und schloss diese zur Faust. Verwirrt starrte ich sie an.

„Ich möchte, dass du dir das Shirt kaufst.“, antwortete sie ohne das ich etwas gesagt hatte. Meine Augen weiteten sich.

„W- was?! Aber…!“ Grinsend legte sie mir einen Zeigefinger auf die Lippen und ließ mich so verstummen.

„Keine Widersprache, ok? Es steht dir, warum solltest du es dir nicht kaufen? Ich weiß, dass du kein Geld dabei hast, sieh es also als Geschenk an, ja?“ Zögernd schaute ich auf meine Faust, in der sich das Geld befand. Ich hatte nicht genau gesehen, wie viel Persephone mir gegeben hatte, aber es waren auf jeden Fall mehrere Scheine. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, drückte sie meine Hand noch fester zu und zwinkerte mir zu. „Nun tu nicht gleich so, als wolle ich dir einen Kleinwagen schenken. Das Teil kostet kein Vermögen, Fin.“

Sie konnte sich ein helles Kichern nicht verkneifen. Noch einmal schaute ich auf meine Hand hinab, dann – wie so oft schon an diesem Tag- seufzte ich und gab nach. Wenn es sie glücklich machte, dachte ich und ein kurzer Blick in ihr Gesicht verriet mir, dass es das auf jeden Fall tun würde…
 

Es war ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit. Die Straßen waren überfüllt mit schlendernden Menschen, die das Wetter ausnutzten und wahrscheinlich zum letzten Mal in diesem Jahr ihre Sommerkleidung aus dem Schrank holten. Persephone, beide Hände voll mit Tüten und ich setzten uns in ein offenes Café und schauten eine Weile den vorbeilaufenden Leuten nach.

Es war kaum zu erkennen- und hätte man Persephone nicht gekannt, wäre es wohl unmöglich gewesen, es wahrzunehmen-, doch sie schien nervös zu sein. Sie war schlagartig still geworden und ihre Augen huschten suchend durch die Menge. Ihre Hände fuhren vorsichtig über die Oberfläche ihres kalten Eisbechers und ich konnte nur schwer sagen, ob sie vor Kälte oder aus Angst zitterten. Ich nippte an meinem Eiskaffe, dann wurde auch mir die Ruhe unheimlich.

„Alles in Ordnung?“, fragte ich leicht besorgt. Persephone schien unter meinen Worten zusammenzuzucken und schaute mich aus blinzelnden Augen kurz an, dann zwang sie sich zu einem Lächeln und wischte sich einige Strähnen aus dem blass gewordenen Gesicht.

„Klar. Alles bestens… Ich- ich werde nur etwas unruhig, wenn ich allein unterwegs bin und nichts zu tun habe…“ Sie schaute mir nicht in die Augen. Ich runzelte die Stirn.

„Allein? Ich bin doch hier.“ Persephone starrte noch tiefer in ihren Becher und kicherte gekünstelt. „Ja… schon, das meinte ich auch nicht, es ist nur-“

„Äneas ist nicht hier…“, mutmaßte ich und Persephone schwieg- ich lag also goldrichtig. Ich hätte es dabei belassen und einfach schweigen können, doch meine Neugier gewann plötzlich die Überhand.

„Wie steht ihr eigentlich zueinander? Ist er so was wie ein Bodyguard?“ Die Statur hätte er ja dafür, fügte ich in Gedanken hinzu. Nun war Persephone diejenige, welche seufzte. Lächelnd schaute sie mich nun doch an.

„Ja, so was in der Art. Es… es gab einmal eine Zeit, wo ich auf einen angewiesen war.“, sagte sie ruhig und bestimmt, doch mir lief es eiskalt den Rücken runter. Dass Persephone mal eine große Persönlichkeit gewesen war, konnte ich mir nicht vorstellen- immerhin war sie Mitglied in einer geheimen Organisation. Die andere Möglichkeit, die ich sah, war, dass es einmal sehr gefährlich um sie herum gewesen sein musste. Persephone schien meinen geschockten Gesichtsausdruck bemerkt zu haben und fügte lächelnd hinzu: „Aber das ist lange vorbei. Ich kann selbst auf mich aufpassen.“

Sie holte Luft, als wolle sie noch etwas sagen, doch sie blieb stumm vor mir sitzen. Mir wurde plötzlich klar, wie gefährlich die Umgebung von Olymp zu sein schien, wo Nero wieder hin zurückgehen würde, wo sie alle hingehen würden. Ich wollte mir nicht vorstellen- und schon gar nicht nachfragen-, wofür genau Persephone einen Bodyguard gebraucht hatte, bestimmt aber nicht, um sich vor Paparazzis zu schützen.

„Äneas und ich verstehen uns ziemlich gut, deshalb gehen wir auch jetzt noch zusammen auf Missionen.“ Ich brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, wer da sprach. Noch immer an meinen Gedanken festhaltend nickte ich.

„Darf… ich dich noch etwas fragen?“ Ich wollte so schnell das Thema wechseln, da kam mir meine neu aufflammende Neugier gerade recht. Persephone zuckte lächelnd mit den Schultern. „Frag ruhig.“ Ich überlegte mir kurz die passenden Worte.

„Kann es sein, dass Äneas …stumm ist, also-“ Innerlich fluchte ich. Das waren definitiv die Falschen…

Persephone zog verwundert die Brauen hoch, dann grinste sie breit.

„Sag mal kann es sein, dass du Äneas irgendwie interessant findest?“

Ich beeilte mich, den Kopf zu schütteln, ehe ich komplett rot anlief. „N- nein, ich- er ist nur… so komisch.“ Wieder die falsche Formulierung! , strafte ich mich in Gedanken selber und biss mir auf die Unterlippe. Persephone lachte nur.

„Da bist du nicht die Einzige. Er ist selbst mir manchmal ein Rätsel.“ Dann wurde sie wieder still und deutete auf ihren Hals.

„Hast du seine Narbe gesehen?“ Ich nickte. „Ich selbst habe es nicht richtig mitbekommen, aber er wurde damals mit einer tiefen Schnittwunde, die quer über den ganzen Hals verlief, gefunden.“, und dabei fuhr sie eine imaginäre Narbe an ihrem Hals von links oben nach rechts unten mit dem Zeigefinger nach, „Sie hatten ihre liebe Mühe, ihn wieder zusammenzuflicken, doch sie schafften es. Allerdings waren seine Stimmbänder so schwer verletzt worden, dass sie fast komplett durchtrennt waren.“ Persephones Stimme war leiser geworden und es schwang eine Traurigkeit und Schwere darin, als spreche sie über einen Verstorbenen. Ich bereute es, sie gefragt zu haben, denn anscheinend bedrückte sie dieses Ereignis aus irgendeinem Grund…

„Das ist ja schrecklich.“, hauchte ich und senkte den Blick.

Sie seufzte. „Es ist geschehen, man kann nichts daran ändern. Ich glaube, jeder möchte einmal gerne die Zeit zurückdrehen… aber das geht nicht- leider. Ich hätte bestimmt vieles anders gemacht, aber das ist halt der Preis, den man bezahlen muss, wenn man lebt: keine Geldzurückgarantie.

Aber du kannst mir glauben, dass Äneas die Situation nicht stört, im Gegenteil: er kommt bestens zurecht. Manchmal sind seine Blicke verletzender als jede Beschimpfung.“, sagte Persephone lächelnd und auch ich versuchte es mit einem freundlichen Gesichtsausdruck.

Dann plötzlich lehnte sie sich über den kleinen Tisch zu mir rüber und schaute mich aus schelmisch leuchtenden Augen an.

„Aber nun bin ich dran, ja?“ Ich wich ein Stück zurück. Warum ahnte ich plötzlich böses…?

„Also du und Nero, hm?“, fragte Persephone grinsend und ich lief sofort feuerrot an. „N…naja…“, stotterte ich. Ich musste zugeben, dass ich darüber noch nie einen Gedanken verloren hatte- ich empfand etwas für Nero, das stand außer Frage und auch er schien mich zu mögen… aber ob wir nun wirklich zusammen waren, konnte ich nicht sagen. Was war schon passiert? Der Kuss? Der beinahe Se- ? Ich brach den Gedanken ab, ehe ich vor Scham in Ohnmacht gefallen wäre. „Ich denke schon…“, sprach ich meine Schlussfolgerung aus. In meinem Kopf drehte sich alles.

„Weißt du… ich weiß immer noch nicht so genau, wie du eigentlich an den Spinner und seinen Ziehsohn gekommen bist…“, holte Persephone mich in die Wirklichkeit zurück. Ich brauchte einige Sekunden, um ihre Aussage überhaupt zu verstehen, doch dann erzählte ich knapp von meinem ersten Treffen mit Ares und Nero.

Persephone nickte, als ich mit meinem Bericht fertig war.

„Verstehe. Ja, ich kann mich noch an den Abend erinnern. Das war kurz nachdem Neros Gedächtnis gelöscht worden war. Ares war damals ziemlich durch den Wind.“

„Den Eindruck hatte ich aber nicht.“, murrte ich. Ich konnte mich noch sehr gut an den kühlen Ausdruck in seinen Augen erinnern- er hatte keinesfalls mitgenommen oder aufgelöst ausgesehen.

„Glaub mir, die Sache mit Judgement hat ihn schwer getroffen. Er hat zwei Tage lang durchgesoffen und das ist selbst für ihn nicht normal.“ Sie schwieg und auch ich antwortete nicht. In ihrem Blick war wieder etwas getreten, was ich nicht zu deuten vermochte. Sie schien über etwas – oder jemanden- nachzudenken und wieder schaute sie traurig zu Boden. Ich spürte, wie eine Vorahnung in mir keimte und mein Denken beherrschte, aber ich verstand sie nicht. Persephone schüttelte auf meine unausgesprochene Frage hin energisch den Kopf. „Aber das soll jetzt nicht unser Thema sein.“, sagte sie schließlich und ich hob verwundert die Brauen. Persephone schaute wieder zu mir rüber.

„Liebst du ihn?“

Ich verstand nicht sofort, was sie meinte, doch dann nickte ich verlegen. „Ja.“

„Tu es nicht…“

Erschrocken hob ich den Kopf. „Was?“

Persephone stocherte in ihrem Eis herum.

„Du scheinst wohl vergessen zu haben, wer er ist. Nero gehört zu Olymp und-“

„Er war ein Mitglied von eurem Irrenverein.“, unterbrach ich sie wütend und funkelte sie an. Persephone unterbrach ihre Sezierarbeit und schaute mich trocken an, dennoch bildete ich mir ein Funken Mitleid in ihrem Blick ein.

„Er mag keine Erinnerungen mehr an diese Zeit zu haben, aber dennoch ist er von vielen Dingen geprägt worden. Du hast niemals miterlebt, wie es ist, bei Olymp aufzuwachsen, Finja. Du hast keine Ahnung von den Sachen, die wir dort täglich sehen. Wir kennen keinen Frieden. Wir haben keine Freunde. Wir … lieben nicht.“ Die Worte trafen mich mit voller Wucht und doch wollte ich sie nicht wahr haben.

Verzweifelt versuchte ich meine Gefühle hinter einem gekünstelten Lachen zu verbergen. „Vielleicht, aber Nero ist anders! Ich scheine ihn besser zu kennen als du, denn ich weiß, dass er-“

„Hat er es jemals zu dir gesagt?“, konterte sie nüchtern. Ich biss mir auf die Unterlippe und schwieg. Ich versuchte mich an die Momente zu erinnern, in denen ich mir sicher war, dass er genauso gefühlt hatte wie ich, doch sie waren plötzlich aus meinem Gedächtnis verschwunden.

„Es gibt Dinge, die man nicht vergessen kann, selbst wenn man sich ansonsten an nichts erinnert.“, fuhr Persephone fort, als ich nicht antwortete.

Trotzig schaute ich sie an. „Ich weiß, dass es anders ist.“

Ich war den Tränen nahe. Etwas in meinem Kopf stimmte Persephone zu und fand immer mehr Beispiele und Belege dafür, dass Nero durch Olymp- seiner Vergangenheit- unfähig war, zu lieben. Und doch gab es diese kleine Stimme in meinem Herzen, die dagegen anschrie, an die ruhige und gemeinsame Zeit erinnerte und sich mutig gegen den aufbrausenden Sturm des Verstandes stellte.

Persephone seufzte. „Finja, hör zu: ich will dich nur davor beschützen, verletzt zu werden. Ich war sehr lange auf der Suche nach jemandem, dem ich blind vertrauen kann, dem ich mich hingeben kann, ohne Angst zu haben, verlassen oder ausgenutzt zu werden. Aber ich musste feststellen, dass das unerreichbar ist- zumindest wenn du jeden Tag nur Tod, Intrigen und Qualen entgegentrittst. Diese Erfahrungen wirst du niemals los.“

Persephone erhob sich, schob etwas Geld unter ihren Becher und sammelte ihre Sachen zusammen. „Wir sollten uns langsam auf den Weg machen.“, beendete sie unsere Unterhaltung und ging. Auch ich stand auf und folgte ihr, doch dann blieb ich stehen.

„Persephone?“

Sie schaute sich um. „Ja?“

Ich schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, dass du so fühlst, aber ich bleibe dabei: Nero ist anders und es ist mir egal, ob du uns beiden eine Chance gibst oder nicht!“, antwortete ich entschlossen und ging an ihr vorbei.

Ich war mir ganz sicher: ich liebte diesen Jungen, der mir halb nackt und bewusstlos vor die Füße geworfen wurde, der mich beinahe umbringen wollte und wegen dem ich nun auf der Flucht war vor seinen eigenen, ehemals Verbündeten. Ich erinnerte mich an mein Versprechen, dass ich ihm gegeben hatte und ich hatte vor, es zu halten, egal wie schwer es werden würde. Ich werde alles für ihn tun, alles in meiner Macht stehende- und selbst wenn es mein Leben kosten würde…



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  blacksun2
2012-03-27T14:39:49+00:00 27.03.2012 16:39
uhh, wenn ich Fin wär, hätt ich das Oberteil nicht gekauft, bin kein Fan von Sachen, die zu brav aussehen ^^
zumindest haben sie den Tag sinnvoll genutzt – mit Shoppen und Eis essen ; )


ein entspannendes Kapitel auch für den Leser, aber trotzdem noch großartig und faszinierend
dein Schreibstil ist wie ein Fluss, der einen mitreißt und fortträgt aus dem Zimmer in deine Welt
und am liebsten würde man gar nicht mehr auftauchen

glg
blacksun

Von:  Thuja
2011-09-23T04:36:27+00:00 23.09.2011 06:36
*anfang zu applaudieren*
*standing ovation gebe*
ZUGABE; ZUGABE!!!
Mal wieder ein purer Lesegenuss.
Wenn es noch genialer wäre, wäre es unmenschlich
Ares, Persephone, Fin, Nero
Jeder einzelne Charakter der Story begeistert mich auf seine Weise. Es erstaunt mich immer wieder, was für tolle Persönlichketen du geschaffen hast
Ich kann die Schlacht gegen Olymp kaum abwarten. Hoffentlich geht das gut,
Der Feind scheint so übermächtig *zitter*
Da habe ich richtig Angst.
Es war wirklich gut, dass die Mädels sich den Tag mal gegönnt haben.
Persephone war richtig süß. Wenn es ernst wird, kann sie so kalt und berechnend sein, aber im Laden, da war sie ein normaler Mensch. Sicher hätte sie auch manchmal gern so ein Leben. Anderseits wöre ihr das vielleicht zu langweilig. Ich mochte die Stellen richtig, wo sie sich so auf die Sache stützr und dann kauft sie Fin sogar noch ein Teil.
Sie hat eben auch eine weiche Seite.
Und irgendwie war es total süß zu hören, wie es Ares damals mitgenommen hat, als Neros Gedächtnis gelöscht hat.
Du kriegst den Kerl so geil hin.
Psst!! Sags keinem. Ich glaube, ich steh auf ihn ^//^
Aber auch Fins Entschlossenheit am Ende hat mich beeindruckt.
Vielleicht hat Persephone recht, was sehr traurig für die Mitglieder ist, und sie schaffen es nicht zu lieben. Aber man kann alles lernen :D



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