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Cod3s

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Gedanken

Wenig später saßen wir wieder im Wohnzimmer am Esstisch. Ich hatte noch eine Konservendose mit Suppe aus dem Regen retten können, die Nero sich nun manierlich, aber doch sichtlich begierig einverleibte. Ich saß ihm schweigend gegenüber und beobachtete ihn.

Nero… ein wirklich ungewöhnlicher Name. Ich kannte diesen Namen nur aus dem Geschichtsunterricht und hatte sonst noch niemanden getroffen, der so hieß- bis jetzt.

Er bemerkte meinen Blick und schaute fragend von seinem Teller auf.

„Ist etwas?“ fragte er vorsichtig und deutete schnell auf seine dampfende Suppe. „Möchtest du? Ich esse dir so selbstverständlich etwas vor…“, sagte er leise und man sah ihm an, dass er sich schämte. Prompt lief ich rot an, schüttelte verlegen den Kopf und richtete meinen Blick auf etwas anderes.

„Nein, nein, alles in Ordnung. Iss ruhig- ist genug da“, murmelte ich und versuchte zu lächeln. Kurz darauf widmete er sich wieder zögernd seinem Essen. Vorsichtig schielte ich erneut zu ihm.

Gott, was war los mit mir? Ich konnte mich einfach nicht an ihm satt sehen… Er war einfach so… so wow. Lange überlegte ich hin und her, was ich jetzt machen sollte, ob ich ihn ansprechen sollte oder nicht und wenn doch, über was ich mit ihm reden sollte, bis er mir die Entscheidung abnahm.

„Wie sah dieser Mann eigentlich aus?“ Ich brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, was er genau meinte.

„Der, der bei dir war? Nun… viel habe ich nicht erkannt. Er war ziemlich groß und war nicht gerade der Gepflegteste- Drei-Tage Bart, kantiges Gesicht … und kalte Augen.“ Bei diesen Erinnerungen lief es mir eisig den Rücken runter. Nero dachte einige Momente nach und fragte dann irgendwann: „Glaubst du, dass ich… zu ihm gehöre?“

Seine Stimme hatte etwas verachtendes, was ich ihm nicht verübeln konnte.

Ich verzog nachdenklich das Gesicht. „Vielleicht… Zumindest hatte er genau den gleichen Mantel an wie du.“, sagte ich und deutete auf Neros, den er immer noch trug. Darunter war er immer noch nackt, doch das schien ihn nicht weiter zu stören- im Gegensatz zu mir, denn es verlangte schon einiges an Beherrschung, nicht die ganze Zeit hinzustarren. Ich schwor mir, dass ich mich um dieses „Problem(chen)“ als nächstes kümmern würde.

Gedankenversunken schaute er an sich runter und strich über den Mantel. Ich sah ihm an, dass ihm diese Lösung der Frage nicht erfreute und ich versuchte ihn aufzumuntern.

„Aber vielleicht haben sie dich ja auch … entführt oder so und dir einfach irgendwelche Sachen angezogen.“, sagte ich schnell, doch im nächsten Moment schüttelte Nero den Kopf. „Nein.“, widersprach er leise. „ Das ist meiner – ich weiß es.“ Dann schaute er auf und sah mir direkt ins Gesicht. „Ich bin … oder war ein Mitglied von diesem Verein mit den Identitätsnummern – was auch immer dieser tut.“

Ich verzog das Gesicht. „ Na – Verein würde ich das nicht nennen.“ Ich versuchte schnell ein Lächeln, welches zu einer schiefen Grimasse mutierte. „Nichts gegen dich, aber … ich kenne keinen Sportverein, der so unheimlich herumläuft, sich ID- Nummern in den Nacken tätowieren lässt und mit… Schwertern Passanten bedroht.“

Nero murmelte etwas, von dem ich nur „umbringen“ verstand und schaute wieder nachdenklich auf seinen Teller. Ich hatte das Gefühl, dass ich lieber nicht nachfragen sollte. Dann schob er mir den Teller entgegen.

„Danke, aber ich habe keinen Hunger mehr.“, nuschelte er. Ich nickte nur und brachte den Teller in meine Küche. Dort verharrte ich kurz und schaute durch die offene Tür zurück ins Wohnzimmer. Von hier aus konnte ich ihn sehen, wie er allein am Tisch saß und sichtlich versuchte, sich an etwas zu erinnern.

Eins war mir klar- auch wenn ich es zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau wusste, aber er konnte keine schöne Vergangenheit gehabt haben. Ich stellte das Geschirr in das Waschbecken und schlenderte zurück. Irgendetwas musste es doch geben, was ich tun konnte. Ein Mensch hinterlässt immer eine Spur- das hörte man doch in jedem Krimi! Nero quälte sich mit diesem Unwissen und ich wollte ihn nicht leiden sehen.

Kümmere dich um ihn… und das hatte ich auch vor! Ich fasste für mich einen Entschluss und schwor mir, ihn bis zum Ende durchzuführen.

Als ich wieder im Wohnzimmer war, schaute Nero nicht einmal auf. Erst als ich ihn ansprach, sprang er regelrecht vom Stuhl und starrte mich verschreckt an. Ich lächelte leicht, um ihn zu beruhigen. „Es ist schon spät. Morgen sehen wir weiter, okay?“

Er nickte und ich legte ihm die Decken, die noch vor dem Kamin lagen, auf das große Sofa. Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt und die schwarz-graue Asche glühte nur noch leicht. Ich warf einen Holzscheitel in die Glut, wünschte Nero eine gute Nacht und wollte selber ins Bett gehen, als ich seine Stimme noch einmal hörte.

„Fin?“ Ich blieb im Türrahmen stehen und schaute zurück. Der Sofarücken verbarg ihn.

„Ja?“

Er antwortete nicht gleich. „Warum tust du das alles für mich? Ich … ich glaube, ich bin gefährlich.“

Ich seufzte. Ja, irgendwie schon, dachte ich. Aber das war mir egal.

„Ich will dir einfach helfen.“

Ich schwieg und wartete ab. Es war nicht gelogen, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Ich konnte ihm ja schlecht sagen, dass er mir Leid tat oder noch schlimmer- dass ich ihn einfach mal fröhlich sehen wollte, weil ich glaubte, dass er mit einem Lächeln umwerfend aussieht, dass ich ihn nur bei mir haben wollte…

Es dauerte, aber dann hörte ich ein gehauchtes „Danke“ und ich drehte mich wieder meinem Zimmer zu, als mich plötzlich Gewissenbisse quälten.

Gott, ich war ein verdammter Egoist und er bedankte sich auch noch für mein eigennütziges Vorhaben! Abrupt blieb ich stehen und guckte noch einmal zurück.

„Nero?“ Keine Antwort.

Verdutzt zog ich die Brauen hoch und wartete. Doch bevor ich erneut nachfragen konnte, hörte ich ein leises Schnarchen. Auf Zehenspitzen schlich ich zurück, lugte vorsichtig über das Sofa und musste grinsen.

Nero war eingeschlafen. Das ging aber schnell, staunte ich und legte meinen Kopf auf meinen, auf die Sofalehne gelegten Armen ab. Wieder ertappte ich mich dabei, wie ich ihn verträumt beim Schlafen betrachtete und rief mich in Gedanken wütend zur Ordnung.

Kopfschüttelnd ging ich in mein Zimmer, zog mir meine Schlafsachen an (bei dem Gedanken, dass Nero zurzeit so etwas nicht besaß, wurde mir wieder ganz anders…) und kroch unter meine Bettdecke.

Ich träumte.

Von großen, schwarzen Männern, die mich wegzerrten und einsperren wollten. Doch zum Glück kam mein leicht bekleideter Retter mit einem riesigen Schwert an und befreite mich. Danach gingen wir durch den Regen, es war bitterkalt, doch er drückte mich ganz fest an sich, sodass ich nicht fror. Ich genoss die Wärme in vollen Zügen. Dann küsste er mein Haar und mich durchlief ein Schauer.

„Ich bin gefährlich, Fin.“, hauchte er plötzlich ungewöhnlich tief und der Druck seiner Arme nahm schlagartig zu. Entsetzt starrte ich ihm ins Gesicht und erkannte das kantige, viel ältere Gesicht von meinem und seinem Peiniger.

Ich wand mich in seinem Griff und rief verzweifelt Neros Namen.

Doch nichts half.

Die Warnung des Mannes echote durch die Luft- keine Polizei.

Ich fing an zu weinen und schrie nur noch heftiger nach Nero. Unsere Umgebung fing Feuer, alles brannte, der Mann zog auf einmal sein Schwert, das nur noch unheimlicher in dem Glanz der Flammen rötlich schimmerte.

Er holte aus und dann…

Dann schreckte ich auf. Schwer atmend lag ich in meinem Bett, Schweißperlen auf meiner Stirn und die linke Hand in mein Bettlacken verkrallt, während meine Rechte meinen Hals umschloss. Mein Herz zersprang beinahe in meiner Brust und wollte sich nicht beruhigen. Nach Stunden – so kam es mir zumindest vor- hatte ich mich wieder einigermaßen gefasst, sodass ich aufstehen konnte, ohne gleich zusammenzusacken.

Ich versuchte an nichts zu denken, nicht an Nero, nicht an den Traum, nicht daran, wie spät oder welcher Tag heute war – an gar nichts, denn ich befürchtete, dass die Bilder wieder zurückkommen würden. Ich hockte reglos auf meiner Bettkante, die Hände um meinen Nacken gelegt, bis ich irgendwann das Zwitschern der Vögel hörte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Kuhfleckenschokolade
2012-05-25T12:10:02+00:00 25.05.2012 14:10
Eigentlich hatte ich jetzt nicht vor, alle zwei Kapitel einen Kommentar zu hinterlassen, da die Geschichte eh abgeschlossen ist und es vielleicht besser ist, Dir keine so gestückelte Meinung zu geben, aber ich kann nicht anders - denn vor allem in diesem Kapitel ist einfach so viel an Dynamik in scheinbar ganz einfachen Sätzen vorhanden, dass es mich wirklich beeindruckt. Vor allem bei dem Traum, bei dem einfach alles so rasch in sich fließt. :)
Von:  blacksun2
2011-11-05T10:22:17+00:00 05.11.2011 11:22
also eines MUSS ich klarstellen, auch wenn mal Wochen (keine Angst es werden nie Monate sein) vergehen, bis ich mich wieder melde, das hat nichts mit der Qualität deiner Geschichte, sondern nur mit der Quantität meiner Zeit zu tun
ich mag die Geschichte jetzt schon zu sehr, als das ich einfach aufhören könnte zu lesen

*rot werd* wenn du Nero weiter so gut aussehend beschreibst, dann muss ich Fin wohl was antun, damit er auf meinem Sofa so friedlich schläft *schon mal Platz auf meiner Couch mache*

ein sehr gruseliger Alptraum, aber das Schlimmste daran ist, dass er vielleicht nicht so eintreten wird, aber die Gefahr ist doch realistisch
und auch wenn sie ihm unbedingt helfen will, ich denke so ein Traum schreckt schon ein wenig ab, weil sich auszumalen, einen bewaffneten Mann gegenüberzustehen ist eine Sache, aber es in Wirklichkeit zu tun, wenn die Angst ein lähmt . . . was ich sagen will – sie wird sehr viel Mut brauchen

ich mag deinen Ausdruk sehr, er lässt sich einfach wunderbar lesen

glg
blacksun

Von:  Thuja
2011-02-25T08:16:31+00:00 25.02.2011 09:16
Es zieht bestimmt tausend Probleme mit sich, dass Nero bei Fin gelandet ist.
Sicher wird es sogar für sie gefährlich.
Aber eine sehr positive Sache gibt es doch
*breit grins*
wenigstens scheint er ja verdammt gut auszusehen
da kann man sie ja fast beneiden :D

ein wunderbares Kapitel.
Besser als ein gutes Frühstück am morgen
Ich habe es regelrecht verschlungen
Ach, ich würde gerade am liebsten kein Kommi tippen, um schnell weite lesen zu können :D

Ich bin gespannt, was der nächste Tag bringt.
Und ich hoffe für Nero, dass er besser geschlafen hat, als Fin
Der Albtraum ist ihr ja wirklich unter die Haut gegangen. Hoffentlich war es auch nur ein Traum und nichts, was wirklich mal so ähnlich in der Zukunft passiert.

Mal schauen, wie es weitergeht
*mich gleich auf das nächste Kapitel stürzen muss*



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