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Aufbau einer neuen Welt

von

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Ein Vogelschrei zerschnitt die Stille der Nacht, als sich ein dunkler Rabe am Morgen auf einem Dach der Baracken das Gefieder putzte und wie nebenbei auf die unzähligen Elfen starrte, die antraten und die wenige Morgenration abholten, die sie bekommen würden. Ihre zarten Hände waren von ungewohnter Arbeit rau geworden und ihre schlanken Körper beugten sich über der Last des neuen Tages. Ihre ursprüngliche Schönheit und Anmut schien abgelegt und durch eine Traurigkeit ersetzt, die sich der Rabe nur schwer erklären konnte. Einige der Schwächeren schienen durchsichtig zu werden, als verschwänden sie in ihre Traumwelt, die zweifellos besser war als die Realität. Die Stärkeren trotzten den Wachen, doch wagte keiner von ihnen zu protestieren. Erst, als ein Elfenmädchen für den Raben aus unersichtlichen Gründen geschlagen wurde, als sie wimmernd wieder auf die Beine kommen wollte, nieder geprügelt wurde, löste sich eine einzelne Elbe aus dem Schwarm der anderen und stellte sich zwischen den Soldaten und das Mädchen. Dieser wurde wütend und wollte auf sie einschlagen, doch sie murmelte nur einige Worte und seine Hand prallte an einer unsichtbaren Barriere ab. Fluchend schüttelte der Mann sein Handgelenk und bedachte die Elbe mit einem bösen Blick. Sie warf nur ihren Kopf zurück, sodass das lange braune Haar im Wind wehte und warnte ihn mit durchdringender Stimme davor, dies noch einmal zu versuchen. Hektik fuhr in die Männer und schließlich schob sich ein muskulöser Fettwanst nach vorne. Er erhob die Hand zum Schlag und lies sie auf die braunhaarige Elbe niedersausen, deren Zauber diesmal nichts nutzte. Die Wucht des Schlages war so groß, dass sie neben dem ersten Opfer im Staub zum Liegen kam. Giftgrüne Augen funkelten den Mann über ihr an, mit ungebrochenem Willen, sich ihm zu widersetzen.

„Steh auf, du kleines Miststück und komm mit! Das muss ein Ende haben, dass du dich hier aufführst, als habest du irgendeine Aussicht darauf, den anderen das Leid zu ersparen!“, polterte er und zog sie am Arm hoch, um sie von den übrigen Gestalten wegzuführen.

Der Rabe hatte zunächst genug gesehen, zwar machte er sich Sorgen um die auch für Elben hübsche Frau, doch er wollte in der nahen Stadt Celebriel mehr herausfinden. Vor den Toren des Lagers verwandelte er sich bei der Landung in einen dunkelhäutigen Mann und eilte auf die Stadt zu. Vorsichtshalber beließ es der Gestaltwandler bei runden Menschenohren, denn er hatte gesehen, was ihn in einem anderen, normalerweise präferierten Fall erwarten würde.

Die Stadt war nicht sonderlich groß, was nur daran lag, dass sie noch recht jung war. Der Handel florierte jedoch schon und so zog es immer mehr Menschen hierher. Noch standen auch den weniger Reichen bunte Häuser zur Verfügung mit Blumenkästen an den Fenstern und einem kleinen Garten um die Hausmauern. Vor einem Kräuterladen war der Marktplatz, auf dem sich viele Menschen zusammendrängten, um die neuesten Waren zu begutachten und zu feilschen. Hin und wieder blökte ein Schaf oder muhte eine Kuh, zwischendurch ertönte Kinderlärm. Der Kontrast zum Lager konnte stärker nicht sein, als sich Sendor durch die Menge schob.

Die Kräuterfrau schien seinem Vertrauen gerecht werden zu können und so begab er sich in die finstere Kammer, die denen vorbehalten war, die Auskünfte über ihre Zukunft oder andere zwielichtige Fragen hatten. Niemand schenkte ihm Aufmerksamkeit, da es nicht ungewöhnlich war, in den Laden aus diesem Grund zu gehen. Bald hörte er auf der anderen Seite ein Rascheln und sah sich darauf einer rundlichen, mit vielen Talismanen an Lederketten behangenen älteren Frau gegenüber, die ihn skeptisch musterte. Einige ihrer Amulette glitzerten ungewöhnlich und diese wurden schnell von ihr unter ihrem Hemd versteckt.

„Nun mein Junge, was wollt Ihr? Soll ich Euch die Zukunft lesen, die Euch sagt, ob Ihr mit der Frau Eures Herzens zusammenkommt?“, fragte sie mit rauer, kratziger Stimme, die weder hoch noch tief war, wie es sich für eine Kräuterhexe gehörte, die ein gutes Geschäft machen wollte. Einen Moment war Sendor wirklich versucht, dieser Zukunft ein Ohr zu schenken, dann jedoch erinnerte er sich an das Gesicht seiner Liebsten, vom Schlag rot geworden und sicherlich mittlerweile geschwollen.

“Dies könnt Ihr mir nebenbei sagen. Ich bin hier, um andere Informationen zu kaufen, die ich, als Reisender, nicht von Eurer Stadt weiß.“ Sein durchdringender Blick traf den ihren, scheinbar versuchte sie dasselbe aus ihm herauszufinden wie er aus ihr. War dies des anderen wahre Gestalt? Bald stellte der junge Dunkelhäutige fest, dass es bei ihr ebenso wenig wie bei ihm der Fall war. Zwar war sie wirklich eine Kräuterhexe, doch hatte sie einige Illusionszauber angewandt, um dem Klischee zu entsprechen. Auch waren nicht alle Talismane echt. Seine Augen und damit die Tore zu seiner Seele blieben ihr jedoch verschlossen, sie blickte nur gegen eine magische dunkle Metallscheibe direkt hinter seiner Pupille.

„Was soll ich Euch also verraten, das nicht schon offensichtlich sei?“, ihre Frage klang nun schon wesentlich vorsichtiger als zu Beginn. Kurz darauf spürte er, als er schon antwortete, dass etwas Unsichtbares, Kaltes an ihm vorüberschlüpfte und als er seinen magischen Drachenblick dahin wandte, erhaschte er noch kurz eine Gedankenbotschaft.

„Etwas über das Lager am Rande der Stadt. Was haben Euch diese Elfen und Elben getan, dass Ihr sie so einpferchen müsst wie Ihr es nicht einmal mit Pferden tun würdet?“

„Mir persönlich nichts, Junge. Allerdings haben die reicheren Leute etwas gegen sie, sie stehlen ihnen mit ihrer Schönheit und Anmut die Aufmerksamkeit, denn selbst mit den kostbarsten Kleidern und Schmuck vermag man ihnen nicht das Wasser zu reichen“, erklärte sie, dann kniff sie kurz die Augen zusammen, „die, die Ihr liebt ist in diesem Lager? Oh, mein Junge, lasst die Hände von ihr, sie ist eine Gebrandmarkte in diesem Dorf und seiner Umgebung und wird auch in anderen Gebieten verfolgt werden, wenn Ihr sie da raus holt. Sie ist nun eine Gefangene. Eine unglückliche Liebe steht Euch bevor, dazu brauche ich nicht einmal in die Karten zu blicken.“

„Wisst Ihr eigentlich, von wem Ihr da so locker sprecht? Als könnte ich sie so einfach aufgeben!“, fuhr Sendor auf und stieß an die Decke, als er seiner Entrüstung in einer körperlichen Geste Ausdruck verleihen wollte. Als er sich beruhigt hatte, fuhr er fort. Nur mit dem Gedanken an ihre Lektionen gelang es ihm, dieses Dorf und alles, was mit der Niedertracht gegen sie zu tun hatte, nicht dem Erdboden gleich zu machen.

„Tut es bitte, schaut in die Karten und erzählt mir dann, wie es dazu gekommen ist.“

„Nun gut, aber es wird Euch nicht gefallen.“ Die Frau holte einige schmutzige Pappkarten hervor, intonierte fremde Worte und ließ sie dann alle auf einmal auf den niedrigen Tisch zwischen ihnen fallen. Viele der Karten fielen nutzlos und unerkannt auf ihren Kopf, zeigten nicht, welches Symbol sie trugen. Andere jedoch fielen in bedeutungsvolle Stellungen und gaben deutlich ihre Bedeutung preis, zu der Sendor nicht einmal ausgebildet sein musste, um sie zu erkennen. Eine Karte blieb unbeirrt in der Luft hängen und weigerte sich, auf den Boden zu fallen. Nach einigem Zögern folgte ihr eine Karte derer, die ihr Gesicht verbargen. Die Kräuterfrau schaute erstaunt auf diese Konstellation, dann räusperte sie sich und wählte bedacht einen eintönigen Singsang, um ihm zu deuten was die Karten zeigten.

„Der Turm fliegt vor Euch, es ist unmissverständlich, dass Euch etwas Schlimmes bevorsteht, etwas gar allzu Schlimmes.“ Schon hier unterbrach sie der Gestaltwandler und zeigte auf die Karte, die sich ihm langsam näherte und die Intention zu haben schien, mit ihm verschmelzen zu wollen.

„Ich denke, Ihr irrt Euch. Sie ist vielmehr ich, ein Unheilbringer und Zerstörer.“

Überrascht schaute sie ihn an, schwieg dann eine Weile und betrachtete zögernd und nun angespannt die anderen Karten. Dann sah sie ihm noch einmal prüfend in die Augen und diesmal gestattete er ihr einen kurzen Blick auf den Kriegsführer, der er war. Sie zuckte zurück vor all dem Blut und den Brutalitäten, die er ihr absichtlich zeigte. Ein wenig verstört fuhr sie mit der Deutung fort:

„Ihr scheint wirklich der Turm zu sein. Nun, neben Euch schwebt die Sonne, ein Lichtwesen wird sich Euch anschließen. Hier, diese Konstellation mit dem Tod in der Mitte bedeutet eine Änderung im gesamten Gefüge und die Stellung des Zauberers hier steht für Einsicht. Das Lichtwesen ist direkt unter ihm hervorgekommen, doch auch unter dem Mond hervor, es sind Weisheit und Gefühle, die es zu Euch trieb. Der Neuanfang wird für euch beide Glück bringen. Doch sehe ich hier auch einen Gegner, der Euch das Leben schwer machen wird, wenn Ihr diese Neuerung annehmt.“

Ihr Blick schweifte über die Karten. Da ihr nichts mehr auffiel und alle bereits gedeutet waren, einige sehr zusammengefasst, sammelte sie sie wieder ein und schaute unter die, die verdeckt gefallen waren. Als die hexe sie schaudernd alle wieder verstaut hatte, wandte sie sich ihrem Gast wieder zu, der nachdenklich auf seinem Hocker saß und immer noch auf die Stelle starrte, an welcher der Turm und die Sonne geschwebt hatten.

„Eines Tages fingen die Soldaten plötzlich an, Elfen zu attackieren“, begann sie übergangslos und lehnte sich ein wenig in ihrem Stuhl zurück, „da diese darin keinen Grund sahen und auf die Gerechtigkeit des Gesetzes hofften, ließen sie sich verhaften und stellten ihre Sicht der Dinge vor der Gerichtsversammlung vor. Diese jedoch bestand zu dem Zeitpunkt schon nur aus eifersüchtigen Reichen, die sich an die Macht geschlichen hatten, indem sie das Volk mit Geschenken blendeten. Die Elfen und wenigen Elben unter ihnen wurden verurteilt und dazu verdammt, ihr eigenes Gefängnis zu bauen. Ich denke, Ihr habt es gesehen.“ Sendor nickte grimmig. „Nach und nach entwickelte sich auch in der Bevölkerung eine Antipathie gegen die Spitzohren und ihre Magiebegabtheit, die schon immer gefürchtet worden war. Und das ist eigentlich schon das Ende unserer kleinen Geschichte.“

Eine Weile ließ sie ihren Kunden noch grübeln, ob er ihr zugehört hatte, vermochte sie nicht zu sagen. Dann sprach sie ihn wieder an und schien ihn aus einer Trance zu reißen, so heftig erschrak er und fuhr auf, als gelte es, einen Drachen zu besiegen, wobei er sich erneut an der niedrigen Zimmerdecke stieß.

„Was die Belohnung angeht, für solche Informationen und seltsamen Ereignisse nehme ich schon gerne mal zwei Silberstücke. Allerdings bin ich bereit, nur eines zu verlangen, wenn Ihr mir verratet, was Ihr vorhin meintet, ob ich wüsste, wer Eure Geliebte ist.“ Herausfordernd lächelnd sah sie ihn an, wurde dafür allerdings nur mit einem grimmigen Blick gewürdigt, der ihr zeigte, dass der erneute Schmerz ihren Kunden nur reizbar gemacht hatte.

„Ich will es Euch sagen. Meine Liebste, die sich tatsächlich unter jenen Beklagenswerten befindet, die hier fälschlich eingesperrt wurden, ist niemand geringerer als Arzala von Zervo. wenn Euch dieser Name nichts sagt, so werde ich Euch Weiteres auch verschweigen.“

Ein wenig knurrend, da er nunmehr zwar wusste, was hier vorgefallen war, jedoch noch nicht, warum sie sich hatte einsperren lassen, knallte er ein Silberstück auf den Tisch und verließ den Laden. Geld war ihm nicht wichtig, er hätte alles bezahlt, was sie wollte. Geld diente denen, die damit umgehen konnten, als Machtmittel, doch er zog seine Macht lieber aus anderen Dingen als diesen so tückischen Münzen.

Vor dem Laden erwartete ihn eine kleine Überraschung. Ein junges Mädchen stand ihm direkt im Weg und er hätte es beinahe aus dem Weg geschoben und wäre an ihm vorbeigegangen, hätte er dahinter nicht einige Soldaten gesehen.

„Im Namen des Stadtrates! Ihr seid verhaftet!“, erscholl ihr Ruf in der Mittagssonne und einige Schaulustige blieben neugierig stehen.

„Darf meine Wenigkeit, das untertänigste Würmchen, erfahren, wieso?“, erwiderte Sendor auf gefährliche Weise, die jeden, der ihn kannte, das Weite suchen hätte lassen. Dummerweise kannte der Hauptmann ihn nicht.

„Ihr habt einer Hexe Euren Geist verwehrt, also habt Ihr etwas zu verbergen. Und wer etwas zu verbergen hat, ist unehrlich“, lautete die schlichte Antwort. Sendors Knurren kam gleichzeitig mit seinem Angriff. Noch bevor die Soldaten überhaupt bemerkt hatten, wie er sich bewegte, lagen die meisten schon verwundet am Boden und mussten sich um anderes sorgen als den dunklen Mann. Dessen Mordgier erwachte in ihm, doch er ermahnte sich, dass seine Liebste ganz in der Nähe war und es nicht gutheißen würde, tötete er für sie. So gelang es ihm mit großer Willensanstrengung, den Hauptmann, den er an einem Arm hoch in die Luft hielt, vor dem Tod zu verschonen.

„Soso. Und seit wann, bitte schön, gilt dies? Es ist mir in den langen Jahren, die ich nun schon auf dieser Welt weile, noch nicht untergekommen.“ Ein weiteres Knurren tief aus seiner Kehle begleitete die Worte, die nur noch halb menschlich klangen.

„S…seit dem letzten Neujahr, das liegt, w… wartet, drei Monate zurück“, kam die stotternde, ängstliche Antwort.

„Drei Monate? Redet keinen Blech! Welche Zeitrechnung haltet Ihr denn ein? Es ist das 107te Jahr und Neujahr ist nun schon mindestens sechs Monate vorbei!“

„Ja, das war die alte Zeitrechnung. Die neue befindet sich im 1089ten Jahr und ist wesentlich genauer“, erklang eine Stimme hinter Sendor. Als er den Hauptmann unsanft fallen ließ und so seinem Blutdurst zumindest die Milderung eines Schmerzensschreies zollen konnte, erkannte er die Kräuterfrau, die nicht im Mindesten von seiner Leistung beeindruckt war.

„Ich werde Euch nun bannen, Dämon aus der unteren Hölle, der Ihr schlechte Zeiten bringt“, warnte sie ihn und intonierte einige Worte, die er zwar nicht verstand, die aber auch keine Auswirkung auf ihn hatten. Doch schon allein die Androhung, ihn irgendwie in seiner Handlungsfreiheit durch Magie beschränken zu wollen, ließ das Fass überlaufen und Sendor konnte sich nicht mehr halten. Bevor der Singsang der Frau ein gewöhnliches Ende gefunden hatte, knallte und krachte es und einige Blitze zuckten vom stockfinster gewordenen Himmel. Vor ihr stand nicht länger der junge Mann, stattdessen schwebte in der Luft ein schwarzer Drache, mächtig und vor allem wütend. Ein tiefer Schrei, der alle Menschen, die noch auf der Straße gewesen waren, in ihre Häuser flüchten ließ und sich da im tiefsten Versteck verkriechen, zerriss die Trommelfelle der umstehenden Soldaten und der Hexe. Ein einzelner Feuerstrahl wand sich unnatürlich langsam aus dem Maul des Drachen und kroch beinahe gemächlich auf die alte Frau zu. Der Schrei ihres Lehrlings bei den Soldaten kam zu spät, der Hauptmann kam zu spät, der sie aus der Schusslinie stoßen wollte, alles war zu spät, denn schon wurde die Frau vom flammenden Inferno umhüllt, als ein Blitz in ihre Gestalt einschlug und sie tötete.

Der Drache, in seiner Wut nach Menschenleben gierend, drehte seine Runden über den Himmel, zischte und fauchte Rauchschwaden über den Himmel, die Asche regnen ließen und verwandelte ein noch leerstehendes Haus in einen einzigen Geröllhaufen. Der Schrecken, den Sendor von den umliegenden Gebäuden wahrnahm, fachte seine Wut noch mehr an und ließ ihm keinen klaren Gedanken.
 

„Sendor!“ Wieder dieser Schrei, der sich bis tief in sein Herz bohrte und es zugleich höher schlagen ließ und es zu zerreißen schien. Unter der Gewitterwolke kam sein Bewusstsein wieder zu sich und er sah in der Stadt unter sich haufenweise brennende Häuser, Menschen, die in Panik flüchteten und Pferde, die sich losgerissen hatten. In all dem Durcheinander war keine klare Ordnung zu erkennen gewesen, die sich dem Drachen entgegenstellen konnte.

Er lachte, was für eine schöne Vernichtung!

„Sendor!“ Ärgerlich, doch zugleich angetan wandte er sich dem mentalen Geräusch zu, folgte seiner Spur durch die Welt und segelte so auf das Lager der Elfen zu. Dort sah er, an zwei Stangen gekettet und mit zerrissener Kleidung ein Geschöpf, das sein Herz erweichte und ihn hernieder sinken und sich in Elbengestalt vor ihre Füße knien ließ. Nicht einmal die Peitschenwunden auf ihrem Rücken wurden ihm bewusst, auch nicht der Schmutz auf ihrem Gesicht, der die Rötung gnädig verbarg und die Qual, die es ihr bereiten musste, so verdreht gefesselt zu sein. Er sah nur ihre Schönheit, ihren ungebrochenen Willen und ihr Mitleid mit den Menschen der Stadt. Ihm wurde klar, dass das Monster in ihm, das er sorgfältig hegte und pflegte, seine Trennung von ihr bedeuten würde. Er stand wieder auf, nahm ihr Gesicht in seine Hände und sah in ihren Augen keine Verurteilung, keine Bitte sondern eine dringende Ermahnung, sich zu bessern. Er warf seinen Kopf zurück und heulte seine letzte Wut weg, dann entfaltete er wieder seine Schwingen und half den Menschen, ihre Häuser zu löschen.
 

Als das getan war, kehrte er zu ihr zurück, wollte sich wieder an ihrer Schönheit laben und sie ganz für sich haben, doch nun war sein Kopf wieder kühler und nicht mehr so instinktgeleitet wie zuvor. Als er diesmal zu ihren Füßen landete, bemerkte er ihren Schmerz und die Qualen im Lager. Erneut heulte er, wollte sich in die Luft schwingen und diese elenden Menschen vernichten, die ihr das angetan hatten. Doch ihre Stimme hielt ihn davon ab.

„Sendor, ich bin dir dankbar, dass du gekommen bist, mich zu retten, doch bitte töte nicht unnötig!“

Der Gestaltwandler sah sie lange Zeit schweigend und trauernd an. In seinen Augen spürte er Tränen über ihr Unrecht und ihr Leid. Bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, war er von Soldaten umzingelt, die allerdings nun einen respektvollen Abstand wahrten. Einer jedoch war so dreist, sich hinter die Elbe zu stellen und ihr ein Messer an die Kehle zu halten, während er ihren Kopf an den seidenen Haaren zurückzog. Das Gesicht des Mannes war zu einer grauenhaften Fratze verzerrt, die deutlich machte, dass er nicht zögern würde, ihr die Kehle durchzuschneiden oder Schlimmeres zu tun.

„Seid schön brav und lasst Euch gefangen nehmen, elender Wurm!“, keckerte er und verlieh seinen Worten mit einem Druck auf die Kehle seiner Geisel Nachdruck. Bei Sendors wütendem Sprung nach vorne blieb die gewünschte Reaktion aus. Stattdessen quoll ein silberner Strahl reinen Blutes aus dem Hals seiner Liebsten hervor, als der Soldat seiner Warnung mehr Realität verlieh. Knurrend zog sich der Gestaltwandler zurück, um zu sehen, wie sich die Klinge wieder etwas von ihrem Hals entfernte. Wie sollte er sie so bloß retten?

„Niemals. Wenn Ihr mich gefangen nehmt, riskiert Ihr den Angriff eines gewaltigen Heeres auf diese Stadt und die Vernichtung weiterer Dorfbewohner, die Schändung Eurer Frauen und die Ermordung Eurer…“

„Sendor!“ Diesmal war ihre Stimme nicht nur in seinem Kopf, sondern auch auf der physischen Ebene und sie ließ sein Herz höher schlagen vor Verlangen nach ihr und Wut, dass ihr solches Unrecht zugestoßen war.

„Lass die Stadt aus dem Spiel. Ihre Bewohner sind unschuldig, was ich leider von den Wärtern hier nicht behaupten kann. Einige Zeit musste ich ihre Übeltaten mit ansehen und war gezwungen, zuzusehen“, erklärte sie ihm und gab ihm damit indirekt die Erlaubnis, die Wächter zu töten, wenn sie auch zögerte.

„Elbenweib! Du warst ja wohl die einzige, die sich gewehrt hat. Schon allein dafür sollte ich dir die Kehle durchschneiden, nicht zuletzt für die Dreistigkeit, einfach zu sprechen“, fuhr der Soldat hinter ihr sie an, ohne auf die Höflichkeit des >Euchs< einzugehen, und erweiterte die Wunde an ihrem Hals. Ihr silbriges Blut schien ihn nicht zu beeindrucken, wie es gewöhnlichen Menschen geschah, die es das erste Mal sahen. Diese Einsicht brachte Sendor dazu, zu vermuten, dass seine Geliebte schon weitere Verletzungen davontragen musste.

Rasende Wut folgte auf diese unflätige Behandlung, die von dem Soldaten ausging und sich in Sendor aufgestaut hatte, bis sie ihm die Erlaubnis gab, ihr freien Lauf zu lassen. Mit einem gewaltigen Brüllen, das den Wachmann zurückschrecken ließ, verwandelten sich Sendors Hände in Drachenklauen mit entsetzlichen Krallen, die sich kurz danach in das Fleisch des Mannes gruben und das Leben aus ihm herauszerrten. Die wütenden Schreie der anderen Bewaffneten und das Stöhnen, der durch das Zurückweichen des Soldaten noch schwerer verletzten Elbe rissen den letzten Funken Beherrschung weg, der den Drachen noch daran hinderte, ein Blutbad zur Reinigung dieses Ortes vorzubereiten. Unter donnerndem Grollen verwandelte er sich wieder in den schwarzen Drachen und wütete unter den Männern wie ein Berserker.

Als keiner der Wachmannschaft mehr einen Lebensfunken in seinem Körper trug, beruhigte er sich wieder soweit, dass er Elbengestalt annahm und sich neben seine Liebste kniete. Ihr Kopf hing ihr auf der Brust und sie schien ohnmächtig zu sein, was kein Wunder war, betrachtete man die silberne Lache unter ihrem Körper. Vorsichtig entfernte er die Fesseln, die sie an die Stäbe banden und hob ihren Körper hoch. Bald wurde er umringt von scheuen Elfen und Elben, die ihre Befreiung noch nicht glauben konnten und sich auch nicht trauten, näher an ihn heran zu treten.

„Kennt sich jemand mit einer solchen Wunde aus und kann sie heilen?“, rief Sendor ihnen zu. Zögernd trat eine Elfenfrau vor, dann noch einige andere Elben und Elfen. Sie nahmen dem Gestaltwandler seine Geliebte aus den Armen, nachdem sie sich dessen Einverständnis geholt hatten und trugen sie in eine Baracke, in der sie sie auf einen mehr oder minder ebenen Tisch legten und sich daran machten, mit einigermaßen sauberen Lumpen ihre Wunde zu verbinden.

Sendor blieb noch eine Weile auf dem Feld der Vernichtung stehen und rieb sich die Handgelenke. Ein solcher Kampf machte ihn hungrig, doch konnte er nun noch nicht von hier weg, um zu jagen, er musste erst darauf warten, ob sie Arzala retten konnten.
 

Das Gewitter verzog sich allmählich und machte einer strahlenden Sonne Platz, die die Verwüstung wie zum Hohn mit ihrem warmen Licht beschien. Die Gefangenen hatten sich so gut es ging um die Überreste ihrer Peiniger gekümmert und einen großen Scheiterhaufen für sie errichtet. Dort hatten sie sie ohne die Rituale der Priester verbrannt, die sie in ein anderes Leben nach dem Tod bringen würden. Dies war ihre Rache an den Männern, die sie nun schon mehrere Monate gequält hatten. Von der Stadt her kamen immer wieder laute Rufe und manchmal auch Schreie, wenn ein überlebendes Mitglied einer Familie ein gestorbenes fand. Jedoch schienen sie soweit Herren ihrer Lage geworden zu sein und schon dabei, einige Teile der Stadt wieder aufzubauen.

Am Nachmittag traten die Elfen und Elben aus der Baracke und hinter ihnen, zwar etwas geschwächt und mit einem Verband um den Hals, doch lebend, Arzala. Sendor eilte auf sie zu und schloss sie in seine Arme, so fest, als würde er sie nie wieder loslassen wollen.

„Ich habe mir wirklich Sorgen um dich gemacht. Was trieb dich bloß dazu, in eine solche Lage zu geraten, Küken?“, schluchzte er und drückte sie an sich.

„Du erwürgst mich ja fast!“, brachte sie mit einem Lachen in der Stimme hervor. Doch dann wurde sie ernst, „Meine Gefährten und ich sind auf unserer Reise nichts ahnend durch dieses Dorf geritten und haben uns ein Quartier ehrlich erworben. Dann kamen die Wachen und haben uns einfach gefangen genommen. Scheinbar ohne Grund. Die meisten meiner Leute konnten fliehen oder sich noch rechtzeitig mit einer Illusion vor der Entdeckung schützen, doch ich war zu sehr um ihr Wohl besorgt, als dass ich an Gegenwehr gedacht hätte. Du kennst mich ja… Hier im Lager habe ich dann die anderen kennen gelernt. Mein Gott, ich hätte fliehen können, doch dann wären sie bestraft worden und das konnte ich ihnen nicht antun. Ich wollte ihnen helfen. Als es zu schlimm wurde, habe ich dich gerufen. Ich habe so sehr gehofft, dass du kommst…“

Ihr Gesicht war wunderbar warm an seiner Brust, doch bei den letzten Worten spürte er ein leichtes Beben an ihren Schultern, ein letzter Nachklang der Schrecken, die sie erlebt haben musste. Er entschloss sich, nicht weiter nachzuhaken. Tatsächlich stellte sich dies als weise heraus, denn bald löste sie sich wieder von ihm und stellte sich vor ihn hin. Ihre Gestalt wirkte zunächst geknickt, auch wenn ihr Blick ungebrochen war, dann durchzog ihre Haltung eine Wandlung und wurde zu einer königlichen Pose, die auch durch den Schmutz nicht mehr geleugnet werden konnte, geschweige denn von den zerfetzten Lumpen, die ihr aus dem Lager noch geblieben waren. Sendor verspürte erneut das Bedürfnis, vor ihr nieder zu knien und ihr ganzes Leben sich zu Eigen zu machen.

„Wir müssen hier noch einiges aufräumen, Finsterer, wenn wir ein glücklicheres Land hinterlassen wollen als wir es vorgefunden haben“, meinte sie und die Benutzung seines Kosenamens freute ihn besonders. Sie schritt an ihm vorbei auf den Eingang des Lagers zu. Während er ihr folgte, konnte er erkennen, dass dank ihrer magischen Kraft ihre Kleidung ein ihren Zwecken entsprechendes Aussehen annahm und nun auch wie die Gewänder einer Königin wirkte. Auf dem Weg in die Stadt schlossen sich ihnen immer mehr Neugierige als auch einige Elfen und Elben an, die schon aus dem Lager gekommen waren. Viele ihrer Verwandten waren in die Wälder geflohen und es würde einige Zeit vergehen, bis man sie hier wieder sah.

In der Stadt angekommen wandte sich die kleine Prozession, noch immer wachsend, dem Ratshaus zu. Alarmiert durch den Tumult, den diese große Masse Menschen unweigerlich machte, kamen die hohen Ratsherren aus dem Gebäude heraus gequollen und wollten natürlich wissen, was los war. Als sie der Elbe an der Spitze gewahr wurden, verzogen sie die Gesichter. Arzala schritt unbeirrt auf sie zu und machte vor ihnen einen nur angedeuteten Knicks. Die Ratsherren liefen vor Zorn rot an, da es in ihren Augen eine Dreistigkeit sein musste, nur eine solch kleine Bekundung des Respekts zu zeigen. Sendor allerdings wusste, dass es eigentlich eine gewaltige Ehre darstellen sollte. Arzala schwieg, bis die Herren gezwungen waren, die ersten Worte an sie zu richten. Neben ihr erschien, zweifellos von ihr gerufen, ihr Diener, der sich, wenn sie wollte, beinahe unsichtbar machen konnte und auch nicht eingriff, wenn sie es ihm nicht erlaubte.

„Elbenweib! Was soll diese Dreistigkeit, hier in die Stadt zu marschieren und dann auch noch auf öffentlichen Plätzen den Repräsentanten des Staates zu trotzen?“

Der Diener trat vor und sprach für seine Herrin, als diese den Herren nur einen kühlen, vernichtenden Blick zuwarf.

„Die edle Dame hätte es nicht nötig, sich vor Euch zu rechtfertigen und schon gar nicht ist sie dazu gezwungen, sich Euren Regeln in irgendeiner Weise anzupassen oder sie zu befolgen. Lasst mich darauf aufmerksam machen, mit wem Ihr es hier zu tun habt. Ihr Name lautet Arzala von Zervo und sie ist die Herrscherin der gesamten Kokiwelt, wenn ein kleines Gebiet meint, sich eigene Regeln und eigene Herren zu suchen, schaut sie natürlich nach, ob sie es so belassen kann. Andernfalls ändert sie es wieder und bringt es unter ihre Herrschaft. Nun, da Ihr etwas getan habt, das nicht rechtens war, lässt sie Euch die Wahl, ob Ihr Euch freiwillig unterwerft und ihre Bedingungen annehmt, oder ob sie Euch mit Gewalt dazu zwingen muss und Schlimmeres von Euch fordert.“

Sendor staunte, wie feierlich Arzalas Diener sprach und wartete die Reaktion der Herren ab, die sichtlich bleich geworden waren. Allerdings konnte der Drache nicht sagen, ob sie Arzala erkannt hatten, oder ob sie vor dieser neuen Ungeheuerlichkeit alle Farbe verloren hatten.

„Wie kommt es dann, dass sie sich mit den anderen Elbenratten hat einsperren lassen? Das erscheint uns ganz unköniglich“, zweifelten die Ratsmänner. Das mildeste worauf sie also hoffen konnten, war eine Verbannung aus der Kokiwelt.

„Ihre Gründe gehen nur sie etwas an und ebenso warum sie etwas tut, was anderen schleierhaft erscheint. Sollte es dazu dienen, Euch etwas klar zu machen, so wird sie es Euch früher oder später erklären, diente es, um jemand anderem eine Chance zu geben, so wird dieser bald davon unterrichtet werden. Ihr unterwerft Euch also nicht?“, fragte Rip, Arzalas Diener, rein zum Zweck der Formalitäten und nicht weil er glaubte, dass sie sich noch um entscheiden würden.

„Wie kämen wir dazu, von etwas so dreckigem wie ihr Bedingungen anzunehmen? Sie ist nur eine Elbe und wenn Elben sie für eine Königin halten, so geht uns das nichts an, wir können höchstens darüber lachen.“ Und tatsächlich lachte die ganze Belegschaft und auch einige der Menschen, die ihnen gefolgt waren, stimmten mit ein. Sendor war kurz davor, die Ehre seiner Liebsten zu retten, doch wurde er von ihr selbst zurück gehalten. Sie trat auf die Männer zu, ihrer königlichen Haltung tat auch die Tatsache nichts ab, dass sie zu ihnen aufsehen musste, da sie recht klein war. Plötzlich erschien hinter ihr und in der Menge ein gewaltiges Heer aus Kokimon, Elben, Elfen, einigen wenigen Drachen, Zwergen, Greifen, weiteren Fabelwesen und auch Menschen.

„Ich wollte Euch nur einmal vorführen, welche Macht ich hätte aufbringen können, um Eure Stadt zu bedrohen. Ihr habt gesehen, was für eine Verwüstung ein einzelner Drache anrichten kann, nun stellt Euch das Ausmaß der Verwüstung vor, wenn dieses Heer hier hindurchmarschiert wäre. Egal, wie sehr Ihr auch Euer eigenes Gebiet im Zaum habt, mein Einfluss ist stärker. Wenn es Euch um Macht geht, kommt Ihr nicht an mich heran, also versucht nicht, unhöflich zu sein. Gelobt Besserung und ich werde Euch gestatten, unter einer anderen Herrschaft weiter in meiner Welt zu leben. Ansonsten muss ich Euch leider mit Schimpf, Schande und Schlimmerem aus dieser Welt jagen, sodass Ihr hier kein Unheil mehr anrichten könnt“, sprach die Königin und ihre Warnung klang umso schlimmer, weil sie sie so ruhig ausgesprochen hatte, dass man wusste, dass sie an ihre Worte glaubte und nicht einmal die Worte der Angeberei gaben ihr den Schein, dass sie sie nötig gehabt hätte. Die Menge wartete gespannt auf die Antwort ihrer ursprünglichen Herren. Angesichts dieser Herrschaftlichkeit einer Frau erschien ihnen die Macht ihrer Ratsherren minder und gering.

„Was bleibt uns anderes übrig, als Besserung zu geloben? Ihr droht uns ja förmlich!“, klagten sie und suchten hintereinander Schutz. Allerdings hatten sie diesen schon nicht mehr nötig, denn die Gefahr der Streitmacht war gebannt, die Krieger verschwunden.

„Wir werden sehen, was wir für Leute wie Euch, die nach Herrschaft streben, tun können. Allerdings wird es weiterhin verboten bleiben, ein Volk, gleich welches, allein seiner Abstammung her einzusperren und wie minderwertiges Gezücht zu behandeln. Dass es in diesem Fall Elben und Elfen waren, war Zufall, auch für Zwerge hätte ich es nicht zugelassen“, erklärte Arzala ruhig und mit einem Funken Geheimnis in der Stimme, sodass Sendor sich unweigerlich fragte, was sie vorhatte. „Ich habe von einem Land gehört, das Leute wie Euch mit offenen Armen empfängt und das dem Gegenpol als das Böse erscheint. Dorthin könnt Ihr wandern und alle, die mit vollem Herzen hinter der Verfolgung der Spitzohren standen. Euch wird gewährt, dass Ihr auf Eurer Reise dorthin nicht behelligt werdet. Sendor wird Euch geleiten und dafür sorgen, dass meine Worte eingehalten werden.“

Verblüfft sah er sie an. Hatte er denn eine Ahnung, wo dieses Land lag, von dem sie nun schon wieder sprach? Manchmal war sie ihm rätselhafter als diese Welt, über die sie regierte und die sich von einem Moment auf den anderen verändern konnte, ohne dass man ein Zeichen dafür sah.
 

Als die Menschenmenge sich verstreut hatte und einige scheinbar in der Absicht, ihre Habseligkeiten zusammen zu packen in ihre Häuser verschwunden waren, ging Sendor zu seiner Angebeteten und erkundigte sich nach dem Sinn hinter ihren Worten.

„Ich spüre tatsächlich die Notwendigkeit der Entstehung eines solchen Landes. Da dachte ich, dass es besser wäre, dich an seine Spitze zu setzen und deinem Verlangen freien Lauf zu lassen, bevor es sich ungezügelt selbstständig macht und die anderen Wesen tyrannisiert, die ihm nicht angehören. Dein Bruder der weiße Drache hat sich schon ein kleines Stück Land von mir als Vasall erbeten und auf diesem einen Staat errichtet, der besser nicht sein könnte. Da kann selbst mir schlecht werden, wenn ich diesen Frieden überall sehe, keiner ist dem anderen böse und niemand hegt Streit mit einem anderen, es ist schon fast ungesund. So denke ich, um meine Welt gesund zu halten, gebe ich dir die Möglichkeit, einen Gegenpol zu bilden. Suche dir mit diesen Leuten als deinen ersten Untergebenen ein Stück Land, das dir dafür geeignet erscheint und errichte deinen Staat, wie er dir gefällt.“

Sendor starrte sie einen Moment lang an. Einen Gegenpol zu seinem Bruder bilden? Wenn es weiter nichts war, aber es erstaunte ihn, dass sie nun seine Brutalität scheinbar akzeptierte.

„Aber was wird aus dir, wenn wir deine Welt unter uns aufteilen?“, fragte er, ernsthaft besorgt, ihren Besitz zu entwenden.

„Die Kokiwelt wird eine neutrale, vielleicht etwas zum Guten hin geneigte, Welt bleiben. Mein Reich wird sich primär zwischen den euren erstrecken und bei mir wird jeder empfangen werden, ob von deiner Seite oder von der seinen. Doch vergiss nicht, dass ich immer noch die Oberherrschaft über dein Reich innehaben werde und es dir in gewisser Weise nur wie einem Vasallen leihe“, war ihre Antwort. Sendor lächelte. Wie würde er vergessen, von wem ein Geschenk stammte, wenn es von ihr kam? Mit einem Nicken stimmte er zu und machte sich bereit, zu seinen Heerscharen, die er zurückgelassen hatte, zu fliegen. Nun konnte er ihnen ein Zuhause geben. Bevor er allerdings los flog, hielt ihn Arzala noch einmal durch eine Berührung am Arm zurück. Als er zu ihr hinabschaute und ihr Gesicht betrachtete, fiel ihm auf, dass ihre Züge eine leichte Traurigkeit trugen, die eine Bitte in sein Herz schoben, auch ohne dass sie sie noch einmal wörtlich deutlich machen musste:

„Lass uns Freunde bleiben und verkriech dich nicht auf deinem Land, ja?“

Lächelnd nickte er und schoss dann in die Luft. Nachdem sie ihn so lange abgelehnt hatte, erschienen ihm diese Worte wie ein Sonnenstrahl nach langen Regentagen. Es hatte sich etwas verändert, das spürte er genau. Vielleicht konnte sie ihm nun endlich wirklich gehören, wenn auch nicht so, wie er es sich zunächst vorgestellt hatte, doch daran ließ sich arbeiten, hatte man zunächst eine Grundlage.



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