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Es liegt in der Familie

Ein Halbdämon, zwei Hundedämonen und zwei Organisationen
von

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Halbdämon

Daddies flown across the ocean,

Leaving just a memory...

Daddy, what do you leave behind for me?

All in all it was just a brick in the wall.
 

Pink Floyd : Another brick in the wall
 

Herr Masa, der Klassenleiter, betrachtete den letzten Jahrgang der Fudo-High mit gewissem Misstrauen: „Nun, habt ihr alle bereits Zusagen für euer Praktikum in zwei Wochen?“ Aus jahrelanger leidvoller Erfahrung ergänzte er: „Oder hat sich etwa jemand noch nicht einmal beworben?“

Zu seiner Erleichterung schüttelten alle seine Schüler eifrig die Köpfe – zu seiner zweiten Frage.

„Gut. Wer hat schon eine Zusage?“

Fünfundzwanzig Hände gingen empor. Wie er erwartet hatte, waren alle Dämonen untergekommen. Nun ja, die Organisationen, die diese hatten, unterstützten auch den Nachwuchs. Aber fast alle Menschen hatten ebenso bereits den vorgeschriebenen Praktikumsplatz. Inu Yasha natürlich nicht.

Fast natürlich. Er war weder Mensch noch Dämon sondern eine Mischung aus beidem, davon zeugten unter anderem die beiden Hundeöhrchen, die aus seinen schneeweißen langen Haaren ragten. Auch Herr Masa gab ehrlich zu, dass er zu Anfang Schwierigkeiten damit gehabt hatte. Dämonen waren Dämonen, sie waren in ein festes Netz aus Verpflichtungen und Ehrenkodexen eingebunden. Menschen, für die galten eben menschliche Gesetze. Nur der Junge stand dazwischen. Der Lehrer hätte nicht gewusst, ob es noch einen anderen halben Dämon gab, eine andere Menschenfrau so verrückt gewesen war sich an einen Dämon heranzumachen. Sicher, man lebte seit Jahrhunderten gemeinsam, aber es gab doch ungeschriebene Regeln.

Dann jedoch hatte er mitbekommen, dass es der Halbdämon auch und gerade in der Schule nicht einfach hatte. Immer stand er zwischen den Gruppen. Die menschlichen Schüler mieden ihn und die dämonischen nutzten ihn eher als…nun, dachte der Lehrer, um ehrlich zu sein, sie schlugen ihn, wenn sich eine Gelegenheit bot. Dabei war Inu Yasha eigentlich ein netter Kerl, sicher, impulsiv, manchmal auch ruppig und nicht gerade der fleißigste Schüler, aber es gab keinen Grund ihn so zu behandeln.

„Gut. Wer bis übermorgen noch keine Zusage erhalten hat, kommt zu mir.“ Er hatte immer einige Plätze frei für Notfälle, aber das erwähnte er nie früher, damit sich seine Schüler auch selbst bemühten: „Dieses letzte – erfolgreiche - Praktikum von vier Wochen ist vorgeschrieben, wenn ihr für die Prüfung zugelassen werden wollt. Hängt euch also rein. – Das war es dann für heute. Wie ihr wisst, ist diese Stundenkürzung ab heute eine Ausnahmeregelung, um euch besser auf die Prüfungen vorbereiten zu können. Während des Praktikums werdet ihr keine Zeit dazu finden. Nutzt also diese Woche noch gut. – Oh, Kagome Higurashi, komm zu mir.“ Herr Masa wartete, bis alle anderen das Klassenzimmer verlassen hatten, ehe er sich an die schwarzhaarige Schülerin vor ihm wandte: „Ich habe gesehen, dass du mit Inu Yasha sprichst.“

„Ja.“ Sie stutzte, schwieg aber.

„Dir ist klar, dass du die einzige Mitschülerin bist. Hast du deswegen Probleme bekommen, mit den anderen Menschen oder Dämonen?“

Sie zuckte die Schultern: „Ein paar dumme Bemerkungen, aber das hat sich schnell klären lassen. Ich rede wann und mit wem ich will. Und Masa-sensei, Inu Yasha ist wirklich ein netter Kerl.“ Nun ja, wenn man hinter seine Fassade kam: „Er hat das so…nicht verdient.“ Nein, niemand hatte verdient einsam durch das Leben zu laufen und höchstens Schläge dafür zu ernten. Eine seltsame Mischung aus Neugier und Mitleid hatte sie als neue Mitschülerin bewogen auf den Halbdämon zuzugehen und zu versuchen mit ihm zu reden. Es hatte Wochen gedauert bis er ihr gegenüber seine Abwehr fallen ließ und sie den netten Jungen entdeckte, den sie erhofft hatte, als sie das erste Mal in seine Augen geblickt hatte. Mama hatte schon Recht gehabt: man sollte sich nie von Vorurteilen leiten lassen.

„Du bist erst dieses Jahr neu an die Schule gekommen. Kanntest du zuvor schon Halbdämonen?“

„Nein. Ich denke, sie sind sehr selten.“ Was wollte der Lehrer nur von ihr? Manchmal hatte sie den Eindruck als ob selbst menschliche Erwachsene lockerer mit Dämonen umgingen als mit Inu Yasha. Auch an ihrer vorherigen Schule hatte es Dämonen gegeben – aber keinen Halbdämon.

Herr Masa nickte: „Ich finde es gut, dass du ohne Vorurteile bist. - Hast du schon einen Platz?“

„Ja. Ich habe einen Praktikumsplatz im Museum für moderne Kunst bekommen, im Büro.“

„Gut. Du kannst gehen.“

„Danke.“ Sie verschwand eilig, in der sicheren Überzeugung, dass sich Ärger zusammenbraute.

Der Lehrer trat an das Fenster. Kouga, natürlich. Der Wolfsdämon und fast alle anderen Dämonen der Schule, an die dreißig, blockierten Inu Yashas Weg. Anscheinend legten sie es wieder einmal auf eine Prügelei an. Herr Masa gab zu, dass sich der Halbdämon zurückhielt so gut es irgend ging, sich auf nichts einließ, aber manchmal musste er sich schlicht auch nur gegen eine Übermacht verteidigen. Menschen ließ er vollkommen in Ruhe, nun, man merkte eben deutlich, dass er nach Menschenart erzogen worden war. Diese Tatsache allerdings schien die Dämonen anzustacheln.

Halbdämon und Vollwaise, nein, Inu Yasha hatte es sicher nicht einfach. Zum Glück hatte sich nach dem Tod seiner Mutter vor fünf Jahren eine Priesterin bereit erklärt, ihn in ihrem Schrein aufzunehmen, so dass er wenigstens nicht in ein Kinderheim gemusst hatte.

Kagome kam herangelaufen und baute sich förmlich vor Kouga auf. Herrn Masa hätte interessiert, was sie dem Wolfsdämon zu sagen hatte, denn das sah nicht so aus, als ob sie dem mächtigsten Jungen der Schule gerade Schmeicheleien um die Ohren warf. Inu Yasha meinte auch etwas dazu, das allerdings dem Mädchen galt. Der Lehrer bedauerte seine schlechten menschlichen Ohren. Keinem Dämon wäre es schwer gefallen zuzuhören.

Aber da nun Kagome und Inu Yasha durch die Menge gingen und anscheinend in Ruhe gelassen wurden, brauchte er sich auch nicht weiter dafür zu interessieren.
 

Erst, als sie gemeinsam in den Bus stiegen, da sie in die gleiche Richtung fuhren, fiel das nächste Wort zwischen dem Halbdämon und seiner Mitschülerin:

„Keh! Das hättest du nicht tun müssen“, äußerte Inu Yasha langsam. Seine Ohren klangen noch immer von den Schimpfwörtern, die Kagome dem Wolfsdämon vor versammelter Mannschaft an den Kopf geworfen hatte. Vollidiot, Weichei und Feigling waren davon noch die harmlosesten gewesen. Er hatte gar nicht gewusst, dass das normalerweise so friedliche Mädchen über solch einen ausgedehnten Wortschatz in dieser Richtung verfügte.

Kagome hätte ihn darüber aufklären können, dass man mit einem Fußball spielenden jüngeren Bruder manches dazu lernt: „Doch. Du glaubst doch nicht, dass diese Vollidioten dich einfach so hätten gehen lassen? Kouga hat es auf dich abgesehen.“

„So wird es aber nicht besser. Er hat es auch auf dich abgesehen.“ Und hatte damit einen neuen Grund gefunden auf ihn loszugehen. Kagome war die Einzige, die mit ihm, dem Halbdämon, redete, ihn wie ihresgleichen behandelte.

„Er soll sich trauen, ein Mädchen zu verprügeln!“ erwiderte sie prompt.

„So meinte ich es nicht.“ Er bemerkte den verwirrten Blick: „Ich dachte, er...na ja…dass er hinter dir her ist.“

Sie dachte ehrlich erstaunt nach: „Kouga? Das ist mir noch nie aufgefallen. Miroku, schön…“

„Miroku ist hinter allen Mädchen her. Und manche fallen auch darauf rein.“ Er nahm all seinen Mut zusammen: „Äh, Kagome, machen wir heute zusammen Hausaufgaben? Ich ….na ja…ich tue mich mit diesen Aufsätzen immer so schwer. Kannst du mir helfen?“ Er spürte, dass er rot anlief. Aber dagegen konnte er nichts machen. Sie war so nett und er doch nur ein Halbdämon….

„Sagt deine Pflegemutter nichts dazu, wenn du einfach so unangekündigt jemanden mitbringst?“ erkundigte sie sich prompt. Ihre Mutter hätte nichts dagegen, aber sie wusste, dass andere da anders waren.

„Ich weiß es nicht. Ich habe noch nie….“ Er blickte auf den Busboden, seine Ohren klappten halb hinunter vor Verlegenheit. War er wirklich so rot geworden, wie es sich anfühlte?

Sie verstand plötzlich und aus gewissem Mitleid meinte sie: „Schön, dann fragen wir sie und dann rufe ich meine Mutter an, ja?“ Sein aufstrahlender Blick ließ sie lächeln: „Schon gut. Wie heißt deine Pflegemutter eigentlich?“

„Kikyou-sama. Sie ist Priesterin in dem Schrein dort vorn. Ich muss ja gleich aussteigen…“

„Ich wohne auch in einem Schrein.“

„Echt?“ Dann hatten sie ja etwas gemeinsam.

Beide stiegen aus und gingen nebeneinander die Strasse entlang.
 

Kagome war überrascht, auf dem Vorplatz des Schreins eine junge Frau von kaum Mitte Zwanzig zu treffen. Aber die Priesterin umfing eine strenge Aura, das musste sie zu geben – und sie sah ihr ähnlich. Eigenartig. Sie verneigte sich jedoch höflich: „Guten Tag, Kikyou-sama.“

„Guten Tag. – Inu Yasha?“

Der aufgeregte Halbdämon nahm sich zusammen: „Das ist Kagome Higurashi, eine Klassenkameradin. Ich ..kann sie heute Nachmittag hier bleiben und mir das mit den Hausaufgaben erklären?“

Die Verwunderung der Priesterin war offenkundig, ehe sie fragte: „Higurashi? Deine Familie hütet den Higurashi-Schrein?“ Soweit sie wusste, gab es in dieser Familie immer wieder mehr als fähige Priester und Priesterinnen. Sie glaubte bei diesem so harmlos scheinenden Mädchen eine gehörige Portion Magie zu spüren, auch, wenn es der Schülerin selbst wohl nicht bewusst war oder sie gar eine Ausbildung erhalten hatte.

Kagome nickte, nicht überrascht, dass eine Priesterin mit dem Namen etwas anfangen konnte: „Ja, Kikyou-sama.“

„Hast du deine Mutter schon gefragt?“

„Nein. Ich wollte erst Ihre Erlaubnis haben.“ Sie war so jung und hatte sich doch bereit erklärt die Verantwortung für Inu Yasha zu übernehmen?

„Dann rufe sie an. Es gibt in zehn Minuten Mittagessen. - Inu Yasha, ein Brief ist gekommen - vom Grand Hotel.“

Der Halbdämon fuhr förmlich zusammen: „Vom...oh…“ Er rannte los, ins Haus.

„Er hat sich dort für das Praktikum beworben?“ erkundigte sich Kagome, während sie nach ihrem Handy suchte.

„Ja. Hast du bereits einen Praktikumsplatz?“

„Ja. Im Museum. - Entschuldigung. – Mama, ich bin es, darf ich heute Mittag bei Inu Yasha bleiben und mit ihnen essen? Wir wollen den Aufsatz gemeinsam machen…Ja, seine Pflegemutter ist einverstanden. Danke. Bis später.“

Kikyou musterte sie, ehe sie langsam sagte: „Inu Yasha brachte noch nie einen Klassenkameraden mit her.“

„Ich bin auch erst seit Beginn des Schuljahres an der Fudo, da ich dort ein Stipendium für das Bogenschießen erhielt.“ Und sie war stolz, inzwischen unter den besten dreien der Bogenschützen der Fudo zu sein.

„Er ist ein Halbdämon, kein Mensch, das ist dir bewusst.“

Jetzt war Kagome doch irritiert: „Was meinen Sie?“

„Dämonen sind Dämonen, eingebunden in strenge, manchmal harte Traditionen und Regeln. Menschen haben menschliche Gesetze. Aber alles, was für ihn gilt, ist die Erziehung, die seine Mutter und ich ihm geben konnten, um es ihm zu ermöglichen, als Mensch unter Menschen zu leben. Eine Tages wird er sich dennoch für eine Seite entscheiden müssen – oder einen vollkommen neuen Weg finden. Ich denke, du willst ihm helfen, aber pass auf dich auf.“

Kagome dachte unwillkürlich ärgerlich: was redet die da? Inu Yasha ist ein netter Kerl. Hatte etwa auch seine eigene Pflegemutter diese: „Huch, ein Halbdämon“ - Sorgen? War sie die Einzige, die in ihm den Jungen sah? Oder war Kikyou etwa eifersüchtig? Sie war doch bestimmt fünf, eher acht Jahre älter als Inu Yasha und sie selbst. „Ich bin mit ihm befreundet, das ist alles“, erklärte sie daher nur.

Inu Yasha kam förmlich herangehüpft – mit viel weiteren Sprüngen, als es ein Mensch vermocht hätte: „Sie haben mich genommen! Kikyou, Kagome, sie haben mich genommen! Ich darf das Praktikum in der Hotelleitung machen!“

„Das ist toll!“ erklärte seine Mitschülerin eilig.

Kikyou war sachlicher. „Das ist dann gut, wenn du dich um das Touristikstudium bewirbst. Und natürlich nur, wenn du eine gute Praktikumsbewertung erhältst. Du wirst dir Mühe geben müssen.“

„Klar. Oh, bin ich froh. Das war mein absoluter Traum!“ Er sah zu Kagome und erläuterte: „Ich möchte nämlich dann unbedingt Tourismus studieren.“

Kikyou schloss daraus, dass die beiden wirklich nur Mitschüler waren, und war etwas beruhigt: „Dann wascht euch die Hände. Es gibt gleich Essen.“
 

Herr Shima, der Leiter des Grand Hotels, betrachtete seine zwei wichtigsten Mitarbeiter, ehe er langsam sagte: „In drei Wochen bekommen wir bedeutenden Besuch. Die Präsidentensuite wird vollständig gebucht, zusätzlich zehn Zimmer im Stock darunter.“ Er sah zu der Hausdame: „Der Inu no Taishou mit seiner gesamten Entourage kommt. Also keine Blumen und keine stark duftenden Putzmittel.“

„Natürlich. Sonstige Wünsche wurden geäußert? Essen? Besondere Küche?“ Sie kannte durchaus Opernsänger oder Rockstars, die sich selbst etwas in ihrer Suite kochen wollten, die zuvor und danach umgebaut werden musste – von anderen exotischen Wünschen ganz zu schweigen.

„Nein. Selbstverständlich werden ihm alle Wünsche erfüllt, auch, wenn sie plötzlich kommen, nicht wahr?“

Die Hausdame verstand die leise Kritik: „Natürlich, Shima-san. Ein Hotel wie das unsere erfüllt jeden Wunsch des Gastes. Es ist nur eine Frage des Geldes.“

„Da sollte der Inu no Taishou wenig Probleme mit haben“, meinte der stellvertretende Hotelmanager: „Er gilt als einer der reichsten Männer der Welt. – Wenn ich mich recht entsinne, werden wir auch mit Leibwächtern rechnen müssen. Bewaffnete in unserem Hotel? Noch dazu bewaffnete Dämonen?“

„Bewaffnete Dämonen machen mir in der Regel weniger Kopfzerbrechen als bewaffnete Menschen“, gab Herr Shima zu: „Sie gehen nicht auf Menschen los und haben Selbstbeherrschung.“

„Möglich. – Wie lange gedenkt der Herr der Familie zu bleiben?“ erkundigte sich sein Stellvertreter.

„Die Rede war von drei oder vier Wochen. Soweit mir bedeutet wurde, sucht er in der Stadt einen Wohnsitz, da die Firmenzentrale hierher verlegt werden soll.“

„Na, wunderbar, “ stöhnte der Vizemanager auf, was die Hausdame zu ihm blicken ließ:

„Eine Zentrale eines der größten Konzerne der Welt ist doch nicht schlecht? Allein die Gewerbesteuern..?“

„Darum geht es nicht, meine Liebe. Sagen Sie, wissen Sie denn gar nichts von den Dämonen?“

„Sie laufen mir auf der Strasse oft genug über den Weg oder in einer Bank oder sonst wo.“

„Shima-san, Sie gestatten…?“

Der Hotelchef nickte: „Kurz. Wir müssen den Besuch gründlich planen.“

„Gut. – Miyako-san: vor hunderten von Jahren näherten sich Dämonen und Menschen einander an, wurden Verträge geschlossen. Natürlich nur zwischen den…höherrangigen Dämonen, nicht diesen wurmähnlichen, und Menschen. Seither leben Dämonen unter uns. Aber sie haben noch immer ihre eigenen Regeln und hängen fest zusammen. Es bildeten sich Organisationen heraus, die zum einen soziale Hilfe boten, zum anderen auch wirtschaftliche Unterstützung. Nur für Dämonen, klar. Heute gibt es eigentlich nur noch zwei davon, beides sehr große und mächtige Organisationen. Die eine nennt man die Hundefamilie und die andere den Clan der Spinne. Beide haben großen Einfluss auf die Geschäftswelt. Den Hunden gehören Zeitungen, TV-Sender, Banken, Hotels, übrigens auch das Casino dieser Stadt. Sie haben ihre Finger in einer Menge Sachen drin. Angeblich auch in Wirtschaftsspionage und solchen Dingen, aber da war nie was nachzuweisen, bislang. Chef dieser Gruppe ist der Inu no Taishou, wie sein Titel lautet, der Anführer der Hunde, genannt Taishou oder von seinen Leuten: Oyakata-sama. Er hat einen erwachsenen Sohn, der seine rechte Hand sein soll. Sie waren lange im Ausland, wollen aber anscheinend nun zu ihren Wurzeln zurück. Die andere Gruppierung ist der Clan der Spinne. Deren Anführer hält sich aus der Öffentlichkeit heraus. Auch das ist praktisch ein wirtschaftlich mächtiger Konzern, mit Immobilien und Geldgeschäften. Gerüchtehalber haben die ihre Finger auch im Drogenhandel, aber das konnte ebenfalls bislang niemand nachweisen. Die Zentrale befindet sich desgleichen hier in der Stadt. – Das ist ein gefährliches Pflaster. Und so was als Gast bei uns…?“

„Immerhin gehört dieses Hotel dem Inu no Taishou“, erklärte Herr Shima ungewohnt scharf: „Und auf Gerüchte geben wir nichts. Er ist der Chef dieses Hauses, unser Chef, und kann die zuvorkommendste Behandlung erwarten, zumal er wie jeder Gast dafür bezahlt. Haben wir uns verstanden, Abe?“

Der stellvertretende Manager hätte nie zugegeben, die Tatsache vergessen zu haben, dass die Kette, zu der auch das Grand Hotel gehörte, die „Familie“ und damit letztlich der Taishou innehatte: „Selbstverständlich. Ich bin Profi. Aber deswegen muss es mir nicht gefallen.“

„Niemand konnte je etwas nachweisen. Und dass Gerüchte um solche Leute schwirren ist nur zu natürlich.“

Die Hausdame beschloss abzulenken: „Sein Sohn ist auch dabei? Dann sollte man vielleicht das Zimmer vier der Präsidentensuite für ihn reservieren. Von dort hat man einen direkten Zugang in den Aufenthaltsraum…..Er ist doch erwachsen, erwähnten Sie?“

Erleichtert, wieder an Sachfragen denken zu können, erklärte Herr Shima: „Ja. Anfang Zwanzig sollte er sein, bei Dämonen weiß man ja nie.“

„Keine Damenbegleitung?“

„Nein. Der Taishou ist geschieden und bei seinem Sohn wurde auch keine Ehefrau erwähnt.“

„Dann werde ich es entsprechend veranlassen.“
 

Inu Yasha streckte sich ein wenig: „Kagome war echt nett. Jetzt habe ich endlich die Gliederung für den Aufsatz. – Soll ich dir noch etwas helfen, Kikyou?“

„Wenn du das Holz für morgen hackst? - Sie geht in deine Klasse?“

„Ja, seit diesem Schuljahr.“ Er machte sich schon auf den Weg. Für einen Jungen, noch dazu einen Halbdämonen, war Holzhacken weitaus einfacher als für die junge Priesterin. Überdies, aber das gab er nicht einmal sich selbst zu, wollte er mit Kikyou nicht über Kagome reden.

Sie folgte ihm langsam: „Ich freue mich für dich, dass du das Praktikum bekommen hast. Haben sie gesagt, warum?“

„Nein. Müssen sie ja auch nicht. Vielleicht war es doch gut, dass ich erwähnt habe, ich will Touristik studieren.“

„Ja, das wäre möglich. Oder, dass sich nicht viele beworben haben.“

Er ließ die Axt in der Luft hängen: „He, so schlecht sind meine Noten nun auch nicht!“

„Ich wollte dich nicht kränken, Inu Yasha.“ Wie sollte sie ihm behutsam sagen, dass er womöglich nur genommen worden war, weil das Hotel ein Dämon besaß und die menschliche Geschäftsleitung durchaus fehlerhaft gedacht hatte auch ein Halbdämon gehöre bevorzugt? Aus seinem Namen war das schon abzuleiten. Vielleicht irrte sie sich ja auch und er hatte in seiner Bewerbung einfach den besten Eindruck gemacht? „Entschuldige. – Wenn du mit Holzhacken fertig bist, sehen wir noch ein wenig fern? Es kommt eine Dokumentation über den Südpol.“

„Wie du möchtest.“ Er hackte weiter. Sie war so nett und die Einzige, die sich nach dem Tod seiner Mutter seiner angenommen hatte. Sicher, manchmal war sie streng, aber er wusste, dass sie es eigentlich nur gut mit ihm meinte. Und sie hatte ihm wieder ein Zuhause gegeben. Das war das, was ihm am Wichtigsten war.

Ein Zuhause.

Mama hatte war das gewesen, aber sie war vor fünf Jahren gestorben, seinen Vater hatte er nie kennen gelernt, was er auch nicht bedauerte. Nach allem, was Mutter je hatte durchblicken lassen, war das alles andere als eine Liebesbeziehung gewesen. Und sie hatte äußerst wenig darüber gesprochen, ihn geradezu angefleht, nicht weiter nachzuhaken. Er hatte, als er älter wurde, nur annehmen können, sie sei vergewaltigt worden und hatte das Thema dann fallen gelassen.
 

****
 

Auf das Grand Hotel könnten stürmische Zeiten zukommen....
 

bye
 

hotep
 

P.S. Werft einen Blick auf die Chara-Bilder....

Der Taishou

Please allow me to introduce myself,

I`m a man of wealth and taste
 

Rolling Stones: Sympathy with the de´il
 

Inu Yasha zupfte ein wenig sein Jackett zurecht. So im Anzug herumzulaufen war er nicht gewohnt, aber das verlangte das Hotel von seinen Angestellten und auch von ihm als Praktikanten. Kikyou war extra mit ihm ein Gewand für diese vier Wochen kaufen gegangen. Eine Ausgabe, die er ihr hoffentlich irgendwann einmal zurückzahlen konnte. Er betrachtete den Manager, der gerade zum zwanzigsten Mal auf die Uhr der großen Halle blickte, sichtlich aufgeregt. Aber heute kam auch ein äußerst wichtiger Gast.

Der Inu no Taishou, der Herr der Hunde. Das war der Anführer einer der beiden mächtigen dämonischen Organisationen und zu allem Überfluss der Besitzer dieses Hotels. Auch Inu Yasha wusste, dass das einer der einflussreichsten und zahlungsfähigsten Männer der ganzen Welt war. Wenn Herr Shima einen Fehler beging, konnte er sich schon in wenigen Minuten in die Schlange des Arbeitsamtes einreihen. Man sagte Dämonen nach, dass sie keine Geduld besaßen.

„Inu Yasha.“

„Ja, Shima-san?“ fragte der Halbdämon eilig. Er benötigte hier eine gute Praktikumsbenotung. Das würde ihm doch sicher bei der Bewerbung um ein Stipendium für einen Studienplatz und auch später bei den Praktika helfen. Das Geld, um sich das selbst bezahlen zu können, besaß er nicht.

„Du hast dir die Präsidentensuite gut angesehen?“

„Ja. Ich war mit Miyako-san...ich meine, mit der Hausdame schon mehrere Mal drin.“

„Dann wirst du die Führung übernehmen.“

Inu Yasha spürte, dass ihm heiß wurde: „Ich? Aber, Shima-san, ich bin nur ein Praktikant…“

„Vor allem bist du ein halber Dämon. Ich denke, dass es den Taishou freuen wird, dass wir ohne Ansehen der Rasse einstellen. – Sie kommen…!“

Der Junge entdeckte mehrere dunkle Autos, die vor dem Glasportal hielten. Aus dem ersten sprangen vier Dämonen, die sich sorgfältig umblickten, ehe sie zu dem zweiten Wagen traten, dessen hintere Türen gleichzeitig öffneten. Zwei Männer stiegen aus, in denen unschwer Vater und Sohn zu erkennen waren. Jeder besaß die langen, weißen Haare und goldfarbenen Augen der Hundedämonen, die spitzen Ohren ihrer Art. Alle beide hatten weiche, weiße Fellteile an den Schultern: der Vater zwei, der Sohn eine. Der Jüngere schien um die Zwanzig zu sein, aber das war sicher falsch. Dämonen alterten anders als Menschen. Beide trugen lange, dunkle Mäntel, wie auch die Mitarbeiter, von denen einer nun dem Älteren der beiden die Aktentasche abnahm. Das musste der Herr der Hunde sein.

Neugierig beobachtete Inu Yasha, wie dienstbeflissen Menschen und Dämonen um ihn eilten, dann allerdings hastig beiseite wichen, als er und sein Sohn auf die Tür zugingen, der Jüngere deutlich einen Schritt hinter seinem Vater. Respekt und strikte Rangordnung, ja, so hatte er gehört, dass es die Dämonen hielten, auch, wenn seine Mitschüler davon wenig erkennen ließen. Nein, das stimmt nicht ganz. Kouga war unter den Dämonen eindeutig der Ranghöchste, und was immer er tat und sagte, dem folgten die anderen. Sie respektierten nur ihn nicht. Aber er war ja eben auch bloß ein halber Dämon.

Herr Shima verneigte sich ebenso ehrerbietig wie sämtliche übrige Angestellten in der Halle: „Oyakata-sama, ich bin erfreut, Sie bei uns begrüßen zu dürfen.“

Inu Yasha ahmte eilig dieses Beispiel nach, wenn auch in dem Bedauern, die zwei Hundedämonen vor sich nicht genauer betrachten zu dürfen. Diese weißen Haare, diese Augen…er war ja nur ein halber Hundedämon, aber er sah ihnen so ähnlich…, auch, wenn er keine Zeichnungen im Gesicht besaß wie diese beiden. Unter den Mänteln schienen sie ebenfalls Anzug zu tragen.

„Danke, Shima-san“, erwiderte der Inu no Taishou ruhig: „Es ist alles vorbereitet.“ Darin lag keine Frage.

„Selbstverständlich. – Darf ich Ihnen und Ihrem Sohn Inu Yasha vorstellen? Er wird Sie in die Präsidentensuite begleiten…?“ Dem Hotelmanager war klar, dass er das selbst machen sollte, falls der Gast – und sein eigener Arbeitgeber – dies wünschte, aber er nahm an, dass der lieber mit einem Halbdämon als einem Menschen umging.

„Inu Yasha.“ Der Herr der Hunde schien für einen Moment zu stutzen, ehe er meinte. „Dann gehen wir.“

Der Halbdämon nickte hastig. Wenn er eine gute Bewertung wollte oder gar dieser mächtige Mann ihn irgendwo empfehlen könnte, wäre das für seine berufliche Laufbahn nur förderlich. Soweit er gehört hatte, war eine Aufmerksamkeit dieses Dämons geradezu ein Türöffner – und eine negative Beurteilung würde jede Karriere zunichte machen. So ging er zum Aufzug voraus. Seltsamerweise spürte er fast körperlich wie ihn der Sohn des Inu no Taishou musterte. Was hatte der denn?

Im Lift, als sie zu dritt waren, erfuhr er es.

„Du bist nur ein Halbdämon?“ fragte dieser.

„Ja.“ Der Junge hätte um ein Haar die Faust geballt. Das klang so verächtlich, wie der das aussprach, wie er es sonst von Kouga hörte.

„Sesshoumaru.“ Der Inu no Taishou sagte bloß den Namen, aber sein Sohn schwieg unverzüglich.

Inu Yasha war etwas überrascht unerwartet Unterstützung zu finden, meinte jedoch: „Ich darf Ihnen die Präsidentensuite zeigen. Waren Sie bereits einmal hier?“ Wie lautete die Anrede: „Oyakata-sama?“

„Ja. Du brauchst also nicht viel zu reden.“ Das klang fast amüsiert.

„Wie Sie wünschen.“ Er musste sich etwas zwingen, so höflich zu bleiben, aber ihm war klar, dass das im Hotelgewerbe dazu gehörte. Man konnte sich Kunden nicht aussuchen. Am liebsten hätte er jedoch diesem Sesshoumaru eine gelangt. Zwar schwieg der nun, aber der Halbdämon war sicher, dass dessen Gedanken alles andere als nett waren. Da lag ein Blick in den Augen, als ob er selbst von der nächsten Müllkippe stammen würde. Der Inu no Taishou betrachtete ihn dagegen mehr sachlich interessiert.

Er trat voran, als die Tür sich öffnete: „Darf ich bitten? – Ihr Begleitung hat zehn Zimmer im Stockwerk direkt hier darunter. Sowohl mit Lift als auch mit Treppe zu erreichen. Unten wurden alle Türen entsprechend abgesperrt, so dass niemand der anderen Gäste Sie belästigen kann. Dies ist, wie Sie wissen, die Tür zu der Präsidentensuite. Sicherheit wird durch Kameras und so weiter gewährleistet.“ Er hielt den beiden die Tür auf, um sich ihnen dann wieder anzuschließen: „Auf der linken Seite befinden sich zwei Zimmer für Ihre Begleiter. Ihre eigentlichen Räume liegen hier rechts. Wenn ich Sie in den Aufenthaltsraum bitten dürfte… Hier rechts geht es in das Schlafzimmer mit anschließendem Badezimmer. Links…“ Er musste sich zwingen, in Sesshoumarus Augen zu sehen und dennoch höflich zu bleiben. Gegen diesen Typen war Kouga ja echt harmlos: „…wäre Ihr Zimmer, ebenfalls mit eigenem Badezimmer. So können Sie sich treffen, ohne über den Flur gehen zu müssen….“ Er hörte, dass der Lift erneut emporkam, sicher mit den engsten Mitarbeitern: „Falls Sie etwas wünschen, wählen Sie bitte hier am Telefon die Null. Die Rezeption wird alles unverzüglich veranlassen. Weitere Telefone befinden sich an den Betten. – Haben Sie noch Fragen, Oyakata-sama?“

Der Inu no Taishou ließ seinen Mantel von den Schultern gleiten, um ihn in der gleichen Bewegung auf den Sessel zu legen: „Nein, danke, Junge. Inu Yasha war dein Name? Du kannst gehen.“ Er reichte ihm einen Schein.

„Danke, Oyakata-sama“, sagte der junge Halbdämon respektvoll, der seinen Augen nicht traute. Das war beim Zeitungsaustragen ein Monatslohn. Nun ja, dies war einer der reichsten Männer der Welt. Er verneigte sich höflich etwas vor den beiden Gästen ehe er ging.
 

„Ein Halbdämon!“ Sesshoumaru zog seinen Mantel ebenfalls aus und ordnete seine Fellboa: „Will Shima Sie beleidigen, verehrter Vater?“

„Ich vermute eher, dass er annahm, das sei besser als ein Mensch. Übrigens, mein Sohn: niemand kann etwas für seine Eltern. Es ziemt sich nicht, dem Jungen daraus einen Vorwurf zu machen.“

„Ich bitte um Verzeihung.“

„Du hast natürlich in einem Punkt Recht.“

Sesshoumaru, nur zu vertraut mit der Art seines Vaters, wurde aufmerksam: „Dann ist es Ihnen auch aufgefallen?“

„Ein Elternteil des Jungen war ein Hundedämon, ja. Und ich wüsste von niemandem. – In zwei Stunden haben wir das Treffen mit dem Makler. Er will uns drei Häuser zeigen.“

„Es ist Ihre Entscheidung, chichi-ue.“

„Auch deine. – Geh in dein Zimmer. Deine Koffer kommen gerade.“

„Danke.“

Als der Inu no Taishou allein war, dachte er eine Weile nach, ehe er zum Telefon griff: „Ich möchte Shima-san sprechen.“

Die Rezeption verband ihn unverzüglich, da sie auf dem Display sehen konnte, aus welchem Raum der Anruf kam.

Der Manager meldete sich nervös: „Oyakata-sama? Wie kann ich Ihnen dienen?“

„Inu Yasha. Was macht er in diesem Hotel?“

„Er…er ist Praktikant. Hat er sich etwa ungebührlich verhalten…? Ich werde ihn unverzüglich entlassen…“

„Unsinn. – Praktikant. Er schien mir noch Schüler zu sein.“

„Ja, Oyakata-sama. Das ist so üblich, im letzten Schuljahr…“

„Ich erinnere mich. Wie heißt er?“

Herr Shima erkannte, dass er einen Tag hatte, an dem er nicht ausreden durfte: „Äh, Inu Yasha Kamui. Er ist erst seit einer Woche hier. Wünschen Sie...“

„Nein.“ Der Inu no Taishou legte auf: „Myouga.“

Ein kleiner Flohgeist schlüpfte aus seinem abgelegten Mantel: „Oyakata-sama?“

„Inu Yasha Kamui. Ich will alles über ihn wissen. Vor allem die Namen seiner Eltern, wo er geboren wurde und wie er lebt.“

„Unauffällig?“ erkundigte sich Myouga nur.

„Äußerst. Niemand darf wissen, dass ich mich für ihn interessiere. Und damit meine ich auch Sesshoumaru.“

Mit gewissem Erstaunen nickte der Flohgeist, ehe er aus der Tür sprang.

„Kamui“, murmelte der Inu no Taishou, ehe er sich in einen Sessel fallen ließ und ins Nichts starrte.
 

Inu Yasha kehrte an diesem Abend äußerst vergnügt in den Schrein zurück.

Kikyou musterte ihn: „Du hast heute Glück gehabt?“

„Ja, sieht man es so? Hier, das war mein Trinkgeld heute!“ Er reichte es ihr: „Das ist doch echt gut...!“

„Ja. Du willst es mir geben?“ Sie betrachtete ein wenig ungläubig den Schein: „Trinkgeld?“ erkundigte sie sich dann etwas kritisch.

„Ja. Der Inu no Taishou ist heute für ein paar Wochen ins Hotel gezogen. Ich durfte ihm die Suite zeigen. Und das war sein Trinkgeld.“

„Verschwendung“, tadelte die Priesterin prompt, ehe sie den Schein nahm: „Nun, damit dürfte unser Essen für die nächsten beiden Wochen gesichert sein. Für ihn ist es wohl nicht so bedeutend. – Er ist kaum allein?“

„Nein, sein Sohn und einige Leibwächter und noch ein paar Dämonen sind auch dabei. Angeblich soll er hier in die Stadt ziehen wollen.“

„Deck den Tisch. – Nun, das wird uns kaum etwas angehen. Hm. Wenn er dir soviel Trinkgeld gab, wird er dich hoffentlich bei Herrn Shima lobend erwähnen.“

„Ja, hoffe ich auch. Dann könnte ich vielleicht wieder in das Grand Hotel, wenn ich studiere.“ Inu Yasha nahm die Schüsseln aus dem Schrank: „Das wäre schon mal ein Anfang.“

„Ja.“ Kikyou war sich nur zu bewusst, dass er es schwerer haben würde als jeder Dämon oder jeder Mensch. Es gab schließlich keine Organisation für Halbdämonen. Und eine Empfehlung des Inu no Taishou war sicher nicht schlecht – auch, wenn sie die Gerüchte um diesen gehört hatte. Aber Inu Yasha war eben weder noch und um zu überleben würde er notfalls auch mit dem Teufel paktieren müssen.
 

Myouga kehrte erst Stunden später zu seinem Herrn zurück, als dieser nach der Besichtigung der Häuser in seinem Schlafzimmer allein war: „Oyakata-sama?“

„Dein Bericht?“ Der Herr der Hunde setzte sich auf die Bettkante.

„Inu Yasha Kamui. Er ist siebzehn, Halbdämon, Schüler der Abschlussklasse der Fudo High. Der Name seines Vaters ist unbekannt und der Name seiner Mutter Izayoi Kamui.“ Der Flohgeist bemerkte beunruhigt wie die Hand des Taishou zu dessen Brust zuckte: „Ich möchte erwähnen, dass Izayoi kein so seltener Name ist.“

„Izayoi Kamui. Und ein halbdämonischer Sohn….Weiter.“

„Izayoi….sie starb vor fünf Jahren. Seither lebt der Junge in einem Schrein bei einer Priesterin namens Kikyou. Ihre Mütter waren befreundet.“

„Izayoi…..“ Der Herr der Hunde stand auf: „Wo ist ihr Grab?“

„Auf dem Zentralfriedhof“, erwiderte Myouga prompt, froh, dass er die Reaktion seines Gebieters vorhergesehen hatte: „Ich habe es aufgesucht. Es wird gepflegt.“

„Und der Junge?“

„Ich weiß nicht viel. Er scheint keine Freunde zu haben oder so etwas. Wohl, weil er ein Halbdämon ist.“

„Inu Yasha und Izayoi Kamui…“

„Oyakata-sama, es könnte ein Zufall sein.“

„Unsinn und das weißt du auch. Die Namen, die Tatsache, dass der Junge Hundeblut in den Adern hat, sein Alter….Inu Yasha. Sie hat ihn wirklich so genannt…..“

„Äh, Herr….?“

Der Taishou sah geradeaus: „Wir...wir sprachen einmal über Kindernamen und ich erwähnte, dass dies ein netter Name für meinen Zweitgeborenen wäre. – Myouga, rufe ein Taxi. Ich will zum Friedhof.“
 

Nur kurz darauf spazierte er scheinbar allein über den Zentralfriedhof, den kleinen Floh wieder unsichtbar unter seinem Mantel.

„Dort links, Oyakata-sama..“

Er warf einen Blick auf den kleinen Gedenkstein, vor dem Blumen lagen, ehe ihm auffiel, dass ein Mann mit einer Kamera ihm gefolgt war, und lieber weiterging. Das fehlte noch, dass solch ein Bild von ihm in den Zeitungen erschien. Manchmal bereute er seine Entscheidung der Öffentlichkeit. Der Clan der Spinnen hatte da weitaus weniger Probleme. Allerdings wurden sie oft genug auch als Verbrecher bezeichnet, was der Hundefamilie erspart blieb. Nun ja, Wirtschaftsspionage warf man ihnen vor, und, wenn der Inu no Taishou ehrlich war, gab er das auch zu. Aber keine große Firma konnte überleben, ohne dass das Gesetz manchmal etwas gebogen worden wäre. Und im Interesse aller, die die Familie schützte, musste Geld herbeigeschafft werden. Das war der Preis gewesen, nun, einer der Preise, die er für seine Verträge mit den Menschen zahlen musste. Er blieb stehen und drehte sich um.

Sein Verfolger bemerkte es und zögerte einen Moment, ehe er herankam: „Ich wollte Sie nicht stören“, begann er.

„Nun, genau das haben Sie getan.“

„Sie sind doch der Taishou? Ich zögerte, weil keine Leibwächter, keine Begleiter…“

„Ab und an habe ich das Bedürfnis allein zu sein.“

„Darum auch dieser ruhige Ort für einen Spaziergang. – Mein Name ist Miki Namishi, ich arbeite für die Blendende Illustrierte.“

„Das dachte ich mir. Nun gut, zwei Fragen, dann gehe ich weiter.“

„Danke. Sie gehen manchmal allein spazieren um zu entspannen. Ist das nicht gefährlich, ohne Leibwächter?“

„Nein.“

„Sie wären in der Lage sich allein zu schützen? Aber wozu zahlen Sie dann…?“

„Manches gehört eben dazu. Noch eine Frage?“

„Sie sind geschieden, hörte ich. Gibt es in Ihrem oder im Leben Ihres Sohnes Aussicht auf eine baldige Hochzeit? Die Leserinnen schätzen so etwas, “ erklärte er eilig, als er das kalte Aufblitzen in den Dämonenaugen vor ihm sah und in diesem Moment begriff wie man sich als deren Beute fühlen mochte. Zum Glück gab es die alten Verträge…

„Nein.“ Der Inu no Taishou verspürte nicht die mindeste Lust ausgerechnet bei Izayois Gedenkstein darüber zu reden: „Aber Sie können Ihren Lesern mitteilen, dass wir beabsichtigen, in diese Stadt zu ziehen und auch die Firmenzentrale hierher zu verlegen.“

„Danke.“ Der Journalist zog sich eilig zurück, froh, wenigstens einige Informationen erhalten zu haben. Und ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Taishou war eine seltene Angelegenheit. Er wandte noch einmal den Kopf, aber der Hundedämon schritt langsam weiter, sichtlich unbesorgt.
 

„Sie glauben, Inu Yasha ist Ihr Sohn?“ erkundigte sich Myouga, als sie wieder zu zweit waren.

„Er hat Hundedämonenblut.“
 

Warum, Izayoi, dachte der Herr der Hunde, wie so oft in den vergangenen achtzehn Jahren, diesmal jedoch noch hoffnungsloser. Warum hast du mich verlassen? Warum mir nie gesagt, dass du einen Sohn von mir bekommen hast? Ich hätte dich nie bedrängt, dir nur geholfen, wenn du es wolltest. Und jetzt bist du tot und ich werde die Antwort nie erfahren. Izayoi!
 

Der kleine Flohgeist schwieg lieber. Er kannte nur zu gut die zuerst so romantische Liebesgeschichte des mächtigen Inu no Taishou und seiner menschlichen Mitarbeiterin. Er hatte wirklich geglaubt, die beiden seien füreinander bestimmt. Und dann, von einem Tag auf den anderen, war Izayoi Kamui verschwunden. Alles, was dem Herrn der Hunde geblieben war, waren die Geschenke, die er ihr gemacht hatte. Sie hatte nichts mitgenommen. Aber, wenn sie damals schwanger gewesen war, wurde das Rätsel nur umso größer.
 

Als er in das Hotel zurückkehrte, wartete Sesshoumaru in ihrem gemeinsamen Aufenthaltsraum, schaltete jedoch unverzüglich den Fernseher aus, als sein Vater eintrat. Er wusste, dass dieser die neuen technischen Errungenschaften der Menschen zwar nutzte, aber nicht schätzte. Er selbst auch nur bedingt – Autos waren eine reizvolle Angelegenheit.

„Haben Sie sich überlegt, welches Haus passend wäre, chichi-ue?“

„Was würde dir denn am besten gefallen?“ Der Inu no Taishou zog seinen Mantel aus.

„Das Große draußen am Waldrand. In der Stadt ist mir die Luft oft zu schlecht.“

„Da hast du Recht. Überdies haben wir dort die Möglichkeit, dir eine eigene Wohnung einzurichten. – Myouga, rufe den Makler an. Und mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.“

Der Flohgeist verschwand eilig. Als persönlicher Assistent war er für alles verantwortlich, das seinem Herrn Arbeit abnehmen würde.

Der Herr der Hunde setzte sich: „Du hast Nachrichten gesehen?“

„Ja. Es wurde erwähnt, dass die Familie hierher ziehen will.“

„Das war zu erwarten. Auch etwas über unsere liebe Konkurrenz?“

„Nein. Aber ich habe Royakan beauftragt, Leute loszuschicken, die sich umhören sollen. Ryuukossei ist ein zu großer Angeber, als das er auf Drohgebärden verzichten würde.“

„In der Tat. Und es wird ihm nicht gefallen, dass wir ebenfalls hierher kommen.“

„Für zwei Firmen ist kein Platz wird er sagen.“ Sesshoumaru betrachtete seine Hände: „Ihnen ist doch klar, chichi-ue, dass es zu einem Krieg kommen könnte?“

„Das kommt es so oder so, seit er den Clan übernommen hat. Meine Entscheidung hierher zurückzukehren hat das nur beschleunigt. Er ist ein Idiot. Ein derartiger Krieg kostet Dämonenblut und jede Menge Geld. Das ist unwirtschaftlich. Aber so denkt er nicht. Der alte Spinnendämon hätte mich verstanden.“ Schließlich hatten sie damals gemeinsam die Verträge mit den Menschen ausgehandelt. Deren schiere Überzahl hatte die Vorurteilsfreien unter den Dämonen erkennen lassen, dass die ältere und mächtigere Art nur zwei Möglichkeiten besaß: wandeln oder weichen.

„Ryuukosseis Tod würde diesen Krieg verhindern.“

„Nein. Es gibt immer Leute, die ihn rächen wollen. Die Welt wäre groß genug für beide Konzerne und nur ein Dummkopf wie er glaubt, dass zwei Firmensitze an ein und demselben Ort gefährlicher sind als an den jeweils anderen Enden der Welt. Aber mal sehen. Vielleicht ist er auch vernünftiger, als ich denke. Wir werden hören, was Royakan herausgefunden hat. – Zu etwas anderem: ich habe vor, Inu Yasha zu uns zu holen.“

„Diesen Halbdämon?“ Sesshoumarus Erstaunen lag nur angedeutet in seiner Stimme.

„Er ist ein Halbdämon, ja, aber er hat nun einmal Hundeblut in den Adern. Auch, wenn ihm anscheinend nie jemand gesagt hat, was das bedeutet. Und ich bin der Inu no Taishou und es ist meine Pflicht, mich um ihn zu kümmern.“

„Ich bitte um Verzeihung, verehrter Vater, Sie haben natürlich Recht. Gestatten Sie mir nur einen Einwand: er wird mitbekommen, dass wir….hm…uns Gedanken um Ryuukossei machen. Was macht Sie sicher, dass er nicht diesem hilft?“

Weil er auch mein Sohn ist, aber das unterdrückte der Herr der Hunde. Er kannte seinen Ältesten und dessen Stolz. Das musste langsam vorbereitet werden – auch bei Inu Yasha. „Er muss ja nicht alles mitbekommen. Ich dachte zunächst daran, dass er hier im Hotel einige Gänge übernehmen könnte. Er ist Praktikant der Geschäftsleitung. Herr Shima wird ihn sicher abstellen. Kamen schon mails oder andere Nachrichten?“

„Ja. Aber nichts Wichtiges. Natürlich bittet Rinishi um einen Besuch im Casino.“

„Das ist nur höflich. – Du kannst gehen und dir ein wenig die Stadt ansehen, wenn du magst. Ich werde mir die Post anschauen.“

„Danke, chichi-ue.“ Sesshoumaru erhob sich sofort. Zugegeben war er froh, das Hotel verlassen zu können. Trotz aller Veränderungen liebte er es noch immer durch die freie Natur zu wandern, was ihm oft genug versagt blieb. Hoffentlich gab es hier einen großen Park, denn bis vor die Tore der Stadt zu fahren würde zuviel Zeit in Anspruch nehmen: „Bis wann sollte ich zurück sein?“

„Sonnenuntergang. Dann werden wir uns wohl oder übel im Casino zeigen.“ Dieses gehörte der Familie und so war es notwendig, auch, wenn in den empfindlichen Hundeohren die Geräusche dort fast unerträglich schienen.
 

******
 

Im nächsten Kapitel hat Sesshoumaru interessante Begegnungen mit Menschenmädchen und Dämonen - und Inu Yasha lernt ein Casino kennen.

Sesshoumaru

Sesshoumaru ging langsam durch den Park. Ein eindeutiger Vorteil dieser großen Stadt war es einen ebenso geräumigen Stadtpark zu besitzen, in dem keine Autos fuhren. Wenige Menschen und noch weniger Dämonen spazierten hier. Letztere grüßten ihn, wenn sie ihn sahen, gleich, ob sie zur Familie oder der Konkurrenz gehörten. Die Höflichkeit der Hierarchie seiner Art gebot das, schließlich war die weiße Boa um seine Schulter ein eindeutiges Rangabzeichen, auch, wenn Ryuukossei keines trug.

Aber dieser war auch kaum als Vorbild für einen würdigen Dämon zu nehmen. Vater und der alte Spinnendämon hatten nach den Verträgen durchaus Verdienstmöglichkeiten mit Menschen gesehen, doch unterschiedlich. Während sich die Familie mehr auf Informationsbeschaffung und -melden verlegt hatte und heute neben den Hotels und Banken über ein Medienimperium verfügte, hatte sich der Clan stets um das gekümmert, was unter Menschen verboten war. Natürlich war damit jede Menge Gewinn zu machen gewesen, früher und auch jetzt, aber Sesshoumaru mochte sich die Peinlichkeit für ein Wesen seiner Art nicht einmal vorstellen, etwas am menschlichen Zoll vorbei zu schmuggeln. Nach dem Tod des alten Spinnendämons war es unter der Drachenherrschaft nur noch ärger geworden. Ryuukossei zumal nutzte jede Gelegenheit Geld zu machen, sei es verbotenes Glücksspiel, Drogen oder Waffenschmuggel. Nun, auch Vater besaß ein Casino, aber das war legal. Und er tötete nur bei Verrat – im Gegensatz zu dem Drachen, der dies schon bei Versagen tat.

Nein, beschloss der junge Hundedämon, er konnte den Mistkerl von Ryuukossei nicht leiden, ein Gefühl, das nach einem Treffen wohl durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte.
 

Er hatte fast wieder sein Auto erreicht, als er stutzte. Schreie und Aufregung ließen ihn sich umdrehen und er erkannte Kinder in Uniform, die eiligst flüchteten – auf ihn zu. Er wich nachlässig aus, nicht willens, sich von Menschen berühren zu lassen, ehe er verstand, warum sie sich nur noch aus dem Staub machen wollten. Er konnte in der Richtung, aus der sie gekommen waren, hinter den Büschen und Bäumen Wölfe wittern. Wölfe und Menschenblut – und Wolfsdämonen.

Das gab es doch fast nicht. Angriffe auf Menschen waren Dämonen durch den Vertrag untersagt. Wölfe gehörten dazu in aller Regel zur Familie. Ohne weiter nachzudenken beeilte er sich, zu der Stelle zu kommen – und erstarrte. Ein kleines Mädchen, acht bis zehn Jahre alt, lag auf der Erde mit blutenden Knien und Armen, scheinbar bewusstlos. Wölfe umringten sie. Hoffentlich war sie nicht tot, denn das würde nur Aufsehen und Ärger für die Familie bedeuten.

Mit einer Handbewegung zerteilte er drei der Tiere förmlich. Die anderen wichen winselnd zurück, als sie bemerkten, dass sie einem Dämon gegenüberstanden. Im nächsten Moment erkannte er, dass sich eine Gruppe von fast zehn Jugendlichen näherte. Inu Yasha hätte ihm sagen können, dass es sich um Kouga und seine engsten Freunde handelte.

Der Wolfsdämon starrte den Fremden wütend an: „Was soll der Quatsch, hier einfach meine armen Wölfe umzulegen?“

„Was der Unsinn soll frage ich dich!“ gab der junge Hundedämon eisig zurück: „Nach dem Vertrag ist es verboten, Menschen anzugreifen.“

„Das weiß ich auch, du Vollidiot. Aber ein wenig Spaß zu haben ist nicht verboten. Und die Kleinen rennen so schön. Meine Wölfe bringen doch niemanden um.“

Sesshoumaru musterte den jungen Wolfsdämon. War der wirklich so dumm oder tat er nur so? Das Mädchen hier blutete und Wölfe besaßen nun einmal den Instinkt, schwache Beute zu töten. Überdies sah der Vertrag kaum vor Menschenkinder zu jagen. Zu allem Überfluss schien keiner der gesamten Gruppe eine Ahnung davon zu haben, wem sie hier gegenüberstanden. Für was hielten sich diese Halbstarken eigentlich? War das der Grund, warum Vater in diese Stadt, dieses Land zurückziehen wollte?

Kouga bestätigte mit seinem nächsten Satz, dass er tatsächlich in seinem Gegenüber nicht den Sohn des Taishou erkannte: „Ich werde dich jedenfalls hinhängen, du blöder Anzugträger, darauf kannst du dich verlassen. Wir gehören zur Familie und ich werde mich über dich beschweren.“

„Bei wem?“ erkundigte sich Sesshoumaru fast interessiert und ordnete scheinbar gedankenverloren seine Boa. Zufrieden bemerkte er, wie bei den ersten der jugendlichen Dämonen der Groschen fiel und sie ihn anstarrten.

„Kouga…“ Einer zupfte am Ärmel des Anführers: „Kouga…gehen wir besser…“

„Lass den Unsinn, Ginta. Wir sind zehn und…“

„Das ist Sesshoumaru-sama!“

„Und?“

„Der Sohn des Taishou!“

Kouga erstarrte. Okay, das mit dem Beschweren würde nicht hinhauen, eher kontraproduktiv sein. Soweit er wusste, oblag die Bearbeitung derartiger Beschwerden genau dem Typen, dem er gegenüber stand. Jetzt entsann er sich auch in den Nachrichten gehört zu haben, dass der Taishou in diese Stadt ziehen wollte. Er sollte wohl wirklich besser nachgeben.

„Hör mal, das sollte nur ein Spaß sein, eine kleine harmlose Jagd….“

Naja, und, wenn er es sich so recht überlegte, würde auch Kagome diesen Spaß nicht lustig finden. Zum Glück hatte sie das nicht gesehen, sonst wäre er bei ihr sicher komplett unten durch. Vielleicht sollte er zukünftig besser nachdenken, ehe er sich seinen Spaß suchte. Schon seine Eltern hatten ihn neulich darauf hingewiesen, dass er sich eines Tages mehr Ärger einhandeln könnte als er dachte. Er sollte wirklich erwachsen werden - oder auf seinem Grabstein würde stehen: er war zu dumm zum leben.

„Jagt Hasen und keine Menschen, mit denen hat die Familie keinen Vertrag.“

„Schon klar.“ Die jungen Dämonen machten, dass sie davonkamen.

Sesshoumaru wandte sich dem Mädchen zu, das aufgewacht war und ihn bewundernd anstarrte, ehe ein breites, geradezu verklärtes Lächeln ihm galt. Ein seltsames, ungewohntes Gefühl stieg in ihm auf, so warm….

„Rin!“ rief jemand ein Stück entfernt.

Er bemerkte, dass das Mädchen zuckte, und vermutete, dass es sich um ihren Namen handeln musste. Sie versuchte aufzustehen, fiel aber wieder hin. Menschen, so schwach waren sie, dass allein der Schreck es ihnen verbot aufzustehen. Aber seltsamerweise roch sie selbst jetzt so angenehm…

Ohne weiter nachzudenken hatte er die Kleine mit beiden Armen emporgehoben und trug sie in Richtung der Frau, die immer wieder nach ihr rief.

Als sie den Dämon mit ihrem Schützling im Arm sah, erstarrte sie: „Rin!“

„Sesshoumaru-sama hat mich gerettet!“ erklärte das Mädchen freudig: „Da waren diese Hunde…“

„Ich danke Ihnen“, sagte die Lehrerin unverzüglich, zumal die Kleine unversehrt schien. Und Dämon hin oder her: wenn er ihr geholfen hatte, war das nur höflich.

Der Angesprochene ging weiter: „Sie sollten die Parkaufsicht informieren, dass sie die…Reste entfernen.“

„Ja, ja natürlich. Sesshoumaru-sama, war Ihr Name? Ich danke Ihnen.“ Sie bemerkte, dass der Dämon keine Anstalten traf, ihr das Mädchen auszuhändigen, das sich vertrauensvoll an ihn schmiegte. „Rin ist eine Schülerin unseres Waisenhauses“, legte sie darum dar, ehe sie neben dem Unbekannten ging: „Wären Sie so freundlich sie hier hinüber zu tragen?“

„Sesshoumaru-sama hat zehn Dämonen verjagt“, fuhr Rin derweil fort: „Einfach so!“ Sie verstand es nicht so ganz, hatte jedoch begriffen, dass das ihr rettender Engel gewesen war. Keine wilden Hunde, keine Dämonen. Und jetzt trug er sie…Einen schöneren Platz gab es ganz sicher auf der ganzen Erde nicht. Allein dieses seltsame weiße Fell, an dem sie kuschelte, roch so gut...

Einfach so? Dämon hin oder her, aber das war kaum zu glauben, wenn das andere ebenfalls Dämonen gewesen waren. Außer …nun ja, da existierte angeblich diese strikte Hierarchie und es gab Gerüchte, wenn sich ein Dämon nicht daran hielt, fand er sich leicht auf einer Schnellstraße ins Jenseits wieder. Das waren Wesen der Unterwelt, mordlustig und grausam, wenn auch heutzutage dank der jahrhundertealten Verträge nur mehr untereinander. Die Lehrerin musterte den Fremden seitlich. Nun, sein Anzug war kaum von der Stange. Das war erstklassige Maßarbeit und wenn er nicht mindestens Achthundert dafür bezahlt hatte, hatte er ihn gestohlen. Nicht, dass sie annahm, dieser junge Mann würde das tun. So behutsam, wie er Rin trug, so vertrauensselig, wie diese sich an ihn schmiegte…Eigenartig. Bislang kannte sie eigentlich Dämonen nicht näher, auch, wenn sie ihr natürlich immer wieder auf der Straße oder in Geschäften oder Banken begegneten, aber doch schien es ihr eigenartig.

Erst im Waisenhaus am Rande des Parks angekommen, ließ Sesshoumaru das Mädchen behutsam zu Boden.

Die Kleine blickte mit großen dunklen Augen zu ihm auf: „Besuchen Sie mich, Sesshoumaru-sama?“

Mit einem Nicken wandte sich der Hundedämon ab und überließ es der Lehrerin, Rin zu erklären, dass dies ein unakzeptables Benehmen gewesen war. Es war schon spät geworden und so beeilte er sich zu seinem Auto zurückzukehren. Der wartende Chauffeur riss eilig die Tür vor ihm auf und er ließ sich in die Polster fallen:

„Zurück zum Hotel, Takemaru.“
 

Zu behaupten Inu Yasha wäre verblüfft gewesen, als Herr Shima ihm die Anweisung brachte, er sollte den persönlichen Assistenten des Taishou unterstützen, hätte bedeutet, seine Reaktion zu untertreiben.

„Habe ich…?“ begann er.

„Nun, du hast wohl einen guten Eindruck auf ihn gemacht. Was natürlich bedeutet, dass du heute nicht wie gewöhnlich Feierabend machen kannst, sondern erst später. Mir wurde gesagt, dass zwei Autos noch benötigt werden.“

„Dann...dann müsste ich zuhause anrufen.“

„Tue das. Deine Mutter wird sicher Verständnis haben, dass du diese Chance wahrnimmst.“

Seine Mutter…nun ja, Pflegemutter, dachte Inu Yasha. Kikyou gab sich Mühe, aber manchmal kam es ihm schon eigenartig vor, jemandem gehorchen zu sollen, der kaum acht Jahre älter als er selbst war. Er trat jedoch zurück und nahm sein Handy, um die Priesterin anzurufen.

Diese zögerte etwas: „Nun gut, es ist eine gute Möglichkeit für dich, wenn du die Aufmerksamkeit eines so reichen Mannes erregt hast“, meinte sie dann langsam: „Aber tu mir den Gefallen, und lass dich auf nichts ein.“

„Auf was…was meinst du?“ fragte er verwirrt.

„Ich habe gehört…“ Wie sollte sie das behutsam formulieren, um ihn zum einen zu warnen, zum anderen nicht ihm die womöglich beste Gelegenheit seines Lebens zu verbauen: „Sehr reiche Leute haben manchmal vergessen, was richtig und was falsch ist. So…so spielen sie mit anderen Leuten. Sei nicht enttäuscht, wenn er dich morgen nicht mehr sehen will. – Wie kommst du nach Hause?“

„Moment.“ Er richtete die Frage an Herrn Shima.

„Gib sie mir“, antwortete dieser nur: „Äh, hallo, ich bin Shima, der Manager. Ich würde vorschlagen, dass Inu Yasha dann hier im Hotel bleibt. Zum einen weiß ich nicht, wie spät es heute noch wird….“

„Sie denken schon daran, dass Inu Yasha noch minderjährig ist!“ Kikyou war sich ihrer Verpflichtung als Pflegemutter bewusst.

„Natürlich, natürlich. Aber es ist ja nur eine Ausnahme. Und er kann dann morgen ausschlafen. Ich bestehe nicht auf Antritt um sieben…“ Nicht auszudenken, wenn er einer Anweisung des Taishou nicht nachkommen konnte, nur, weil sich diese Mutter zickig anstellte.

„Nun gut.“ Die Priesterin wusste, dass ein Beharren auf Vorschriften womöglich die beste Chance ihres jungen Freundes zunichte machen würde. Und was sollte es, wenn er an einem Abend mal später ins Bett kam, dafür aber eine Empfehlung des Taishou erhielt. So hatte er womöglich auch an einer besseren Universität Studienmöglichkeiten, mit Hilfe eines Stipendiums. Denn Studiengeld zu zahlen war unmöglich. „Shima-san, ich verlasse mich auf Sie.“

Inu Yasha nahm zufrieden sein Handy wieder. Das war eine wunderbare Gelegenheit, einmal etwas Neues zu sehen. Da ihn der Manager wieder aus seinem Zimmer schickte, nutzte er die Gelegenheit, um Kagome anzurufen, die um diese Zeit sicher schon zuhause war. Sie hatte ihm ihre Nummer gegeben und er war sehr glücklich darüber. Nie zuvor hatte das jemand getan, schon gar kein Mädchen. Er berichtete ihr stolz von seiner Chance und schloss: „Ich hoffe ja, dass er weiterhin so einen guten Eindruck von mir hat. Soweit ich hörte, verteilt die Hundefamilie auch Stipendien an Dämonenschüler. Vielleicht käme ich an so etwas heran.“

„Das wäre natürlich wirklich gut“, gab sie zu: „Und du bist ja nun einmal ein halber Dämon. Dann können wir uns einstweilen nicht treffen?“

„Nun ja…hättest du das gern?“ Zum Glück konnte sie nicht sehen, dass er rot wurde. „Ich sage dir dann Bescheid, wenn ich mehr weiß, ja? Wie geht es dir im Museum?“

„Sehr gut. Es ist sehr interessant, wie viele verschiedene Dinge da im Büro zusammenlaufen. Und die Leute sind alle sehr nett zu mir. Sie haben jedes Jahr Praktikanten. Ab morgen darf ich bei der Vorbereitung einer Ausstellung helfen. Sie haben sogar schon gefragt, ob ich nicht Kunstgeschichte studieren möchte.“

„Das ist schön für dich. Da hast du ja Erfolg.“ Er wusste selbst, dass er ein wenig ungeschickt klang, aber er hatte doch noch nie so ein Gespräch geführt.

Kagome schien es nicht zu bemerken: „Übrigens, nach dem Praktikum kommt eine Freundin von mir in unsere Klasse.“

„So kurz vor den Prüfungen?“ erkundigte er sich erstaunt, aber auch erfreut. Dann gäbe es hoffentlich zwei Mädchen, die mit ihm redeten.

„Nur für die Prüfungen. Sie ist die Tochter des Anführers der Dämonenjäger, du weißt schon, die diese Wurmdämonen von den Dörfern und Städten abhalten. Sie ziehen dauernd herum, aber sie soll den Abschluss machen. Bislang hatte sie Privatunterricht, aber die Prüfungen müssen eben an einer richtigen Schule abgelegt werden, um staatlich anerkannt zu werden.Praktikum braucht sie keines machen, das hat sie ja sozusagen schon lebenslang. Sie ist sehr nett. Ich glaube, du wirst dich mit ihr verstehen.“

„Wie heißt sie denn?“

„Sango. Ich sehe sie selten, aber wir schreiben uns regelmäßig. Ganz altmodisch, eine Brieffreundschaft.“

„Das klingt gut. - Ich muss aufhören, Kagome!“ Er sah, dass der Lift in die Präsidentensuite gerufen wurde.

„Viel Glück!“ sagte sie noch hastig.
 

Inu Yasha schob sein Handy weg und wartete in etwas angespannter Haltung. Wie er gedacht hatte, kamen der Taishou und Sesshoumaru zuerst und allein hinunter. Anscheinend traute sich niemand zu ihnen in den Lift. Komisch, eigentlich. Wozu dann wohl die Leibwächter da waren, die nun erst folgten? War das mehr der Position geschuldet als der Tatsache, dass sie Schutz brauchten? Nun ja, der Herr aller Hunde musste wohl ein recht starker Dämon sein, vielleicht der stärkste von allen. Er kam sofort auf ihn zu und der junge Halbdämon verneigte sich eilig. Für ihn hing doch so viel, wenn nicht alles, von dieser Begegnung ab.

„Inu Yasha, das hier ist Myouga, mein persönlicher Assistent. Er wird dir alles erklären.“ Er ging bereits weiter.

Für einen Moment war der Angesprochene verwirrt, ehe er den Flohgeist bemerkte, der auf seine Schulter sprang. So ein winziger Kerl und persönlicher Assistent? „Hallo, “ meinte er: „Ich heiße Inu Yasha Kamui.“ Warum starrte der ihn so an?

„Dann komm, folge dem Herrn“, gab der nur zurück. Tatsächlich, wenn man wusste, wonach man suchen musste, war die Ähnlichkeit des Jungen mit dem Taishou zu erkennen, auch, wenn er die dichten, vollen Haare Izayoi Kamuis geerbt hatte. „Wir beide fahren im zweiten Wagen.“

„Und wohin?“ Inu Yasha machte, dass er hinter Vater und Sohn herkam.

„Ins Casino. Das gehört der Familie.“

„Da darf ich doch gar nicht hin? Ich meine, ich bin minderjährig…“

„Doch nicht zum Spielen!“ tadelte der Flohgeist: „Das ist geschäftlich. Also, hinter den Kulissen.“

„Geschäftlich. Aber, was soll ich da?“ Inu Yasha bemerkte, dass er vorn gehört worden war, denn Sesshoumaru wandte etwas den Kopf und er erkannte einen verächtlichen Blick. Verdammt. Er wusste es doch wirklich nicht. Warum war dieser Typ so kalt, so unfreundlich? Nur weil er ein Halbdämon war? So wie Kouga auch keinen anderen Grund brauchte um ihn anzumachen?

Myouga schien das zu ignorieren: „Nun, der Herr wünscht, dass du zuhörst. Also wirst du das tun.“

„Ja, klar.“ Warum denn das?

Als sie zu den beiden Autos kamen, bemerkte Inu Yasha zum ersten Mal, dass der Mann, der eilig dem Taishou den Schlag hinten auf der Fahrerseite aufriss, um dann vor Sesshoumaru her auf die andere Seite zu gehen und dem zu öffnen, kein Dämon sondern ein Mensch war. Als er selbst die Hintertür des zweiten Wagens öffnete, hüpfte der Flohgeist hinein und nahm hinter dem Chauffeur Platz, auf einem Sitz, der offenkundig extra für ihn gearbeitet worden war.

„Setze dich hier neben mich, Inu Yasha, und schnalle dich an.“

Der gehorchte. Der Fahrer dieses Wagens war ein Dämon. So erkundigte er sich leise: „Myouga…der Chauffeur des Taishou ist ein Mensch?“

„Kannst du etwa Menschen und Dämonen nicht auseinanderhalten? Ja, es ist einer. Takemaru ist einer der wenigen Menschen, die im direkten Umfeld des Herrn arbeiten. Schon seit Jahren. Er hat sich vom einfachen Handlanger zum Chauffeur des Herrn hochgearbeitet. – Zu diesem Casinobesuch. Wir werden hinter dem Herrn und Sesshoumaru-sama in das Büro des Managers gehen. Dieser heißt Herr Rinishi und ist ein Fuchsdämon. Du bleibst neben der Tür stehen und hörst zu, sagst aber nichts, außer du wirst gefragt.“

„Gut.“ Das war wenigstens eine klare Anweisung. „Darf ich Sie noch etwas fragen?“

„Sicher.“

„Sesshoumaru….“

„Das heißt Sesshoumaru-sama.“

Hm. Irgendetwas in Inu Yasha sträubte sich dagegen, einen Typen, der ihn sichtlich nicht leiden konnte, so höflich zu behandeln: „Auch, wenn er gar nicht da ist?“

„Auch dann. – Also?“

„Er hat was gegen Halbdämonen?“

„Sesshoumaru-sama hat eine Aversion gegen jede Schwäche.“ Der Flohgeist bemühte sich diplomatisch zu sein. Wenn der Herr wirklich Recht hatte und das hier sein zweiter Sohn war, sollte das Verhältnis der Halbbrüder nicht schon katastrophal beginnen. Der Junge würde es schwer genug haben die Anerkennung Sesshoumarus zu gewinnen.

Also war es nichts Persönliches, sondern der Idiot dachte automatisch, dass ein Halbdämon ein Schwächling war? Tat das etwa auch Kouga? War es genau darum falsch gewesen, einem Kampf mit dem Wolfsdämon auszuweichen? Mama und Kikyou hatten ja immer gemeint, er solle sich aus derartigen Schlägereien heraushalten, aber sie waren auch keine Dämonen. Galten da einfach andere Regeln, die ihm nie jemand gesagt hatte, oder auch nur hatte sagen können? „Der Taishou tut das nicht?“

„Der Herr gibt stets jedem eine Chance sich zu bewähren. Allerdings solltest du ihn nicht enttäuschen.“

„Das habe ich nicht vor, ehrlich.“ Außerdem gab es sicher viel zu lernen, was ihm später mal nützlich werden konnte.
 

Im Casino war Inu Yasha etwas unzufrieden. Er kannte solche Orte aus Filmen und war von dem sachlichen Verwaltungstrakt ernüchtert. Schön, da gab es Sicherungsanlagen und Wächterdämonen, aber keine Teppiche oder Bilder an den Wänden, wie es die Schurken in den Krimis besaßen. Auch der Manager, der eilig von seinem Platz aufsprang, als der Taishou eintrat, besaß ein Büro wie ein Beamter der Stadtverwaltung, sah man von den diversen Bildschirmen ab, die sich an einer Wand befanden und die Räumlichkeiten des eigentlichen Spielcasinos zeigten. Davor stand ebenfalls ein Dämon, der sich nun verneigte, auch ein Fuchs.

Wie es ihm Myouga gesagt hatte, blieb Inu Yasha neben der Tür stehen, nachdem er sie geschlossen hatte und verschränkte die Hände auf dem Rücken, wie Herr Shima ihm das als korrekte Haltung empfohlen hatte.

Der Casinomanager richtete sich auf: „Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, Oyakata-sama, Sesshoumaru-sama. Darf ich Ihnen meinen Platz anbieten?“

Der Taishou setzte sich an den Schreibtisch: „Danke, Herr Rinishi. Ich hoffe, Ihrem kleinen Shippou geht es gut? - Was gibt es Neues?“ Er verschränkte die Hände auf der Platte.

Der junge Halbdämon beobachtete interessiert, dass sich Sesshoumaru nicht weiter um den Manager kümmerte, sondern die Bildschirme und die Gäste betrachtete. Anscheinend ergänzten sich Vater und Sohn. Es musste wirklich schön sein einen richtigen Vater zu haben, nicht nur einen biologischen Erzeuger.

Herr Rinishi nahm etwas Haltung an: „Danke der Nachfrage, Oyakata-sama. Shippou geht nun auf eine spezielle Fuchsschule im Norden, die die Familie ja eingerichtet hat. Fuchsmagie ist intensiv lernbedürftig. - Ich kann Ihnen berichten, dass unsere Umsätze auf dem erfreulichen Stand des Vorjahres sind. Und das, obwohl es ein Spieler am Roulettetisch schaffte die Bank zu sprengen.“

„Systemspieler?“

„Nein. Ich ließ ihn genau überprüfen. Er war noch nie in einem Casino, steht nirgends auf der schwarzen Liste. Allerdings hatte dieser Vorfall den positiven Nebeneffekt, dass allerlei andere Amateure kamen und ihr Glück versuchten.“

„Ich vermute, Sie haben den Tisch überprüft.“

„Selbstverständlich, Oyakata-sama. Ich bin Fuchsdämon, wie Sie wissen.“ Herr Rinishi lächelte flüchtig: „Ich lasse den Gewinner auch noch immer unter Beobachtung halten. Bislang hat er allerdings nichts Verdächtiges gemacht. Er feierte, kaufte sich ein neues Auto – und nahm keinerlei falschen Kontakt auf. Überdies war es ein Mensch und meine Croupiers sind Dämonen.“

„Also hatte er Glück.“ Der Taishou nickte: „Dann war das eine gute Werbung.“

„In der Tat. Ich wollte Sie fragen, ob wir dazu eine Werbung schalten sollten: das Casino, in dem Sie wahrhaft reich werden können.“

„Lassen Sie das aber zuvor von der Bokuseno-Kanzlei überprüfen.“

„Ja, Oyakata-sama.“

Sesshoumaru wandte sich um: „Sie scheinen bereits zu viel Werbung zu machen, Rinishi-san.“

Der Manager stutzte und eilte zu ihm: „Was meinen Sie, Sesshoumaru-sama?“

Inu Yasha beobachtete interessiert, wie der junge Hundedämon auf einen Gast zeigte. Das war auch ein Dämon, so weit er das sagen konnte, wenngleich er die Art nicht identifizieren konnte. Sein Anblick genügte jedenfalls, dass Rinishi blass wurde.

„Er hat kein Hausverbot?“ erkundigte sich Sesshoumaru sachlich.

„Nein, er war ja noch nie hier…..Soll ich ihn hinauswerfen, Oyakata-sama?“

Der stand langsam auf: „Nein. Er ist ordnungsgemäß angezogen, benimmt sich – was erstaunlich genug für einen Drachendämon ist. Würden Sie ihn hinauswerfen, könnte er gegenüber seinen Leuten sagen, dass die Familie ihn unhöflich behandelt hat und es könnte zu Zwischenfällen kommen. Solche Begebenheiten kosten nur Geld und Zeit. Im Gegenteil. Gehen Sie zu ihm und begrüßen Sie ihn höflich. Immerhin besitzt er, beziehungsweise der Clan, auch Glücksspielläden. So ist es fast schmeichelhaft, dass sich Ryuukossei zu uns bemüht. – Gehen Sie, Rinishi-san.“

„Wie Sie wünschen, Oyakata-sama.“

Ein Drachendämon? Inu Yasha hatte davon noch nie etwas gehört. Immerhin schien das ein recht mächtiger Mann zu sein, ein Konkurrent für den Taishou.

Dieser blickte seitwärts: „Myouga, ich möchte wissen, wer die junge Frau in seiner Begleitung ist.“

„Ja, Oyakata-sama.“ Der Flohgeist hastete aus dem Fenster.

Irgendwie musste es schön sein, dachte der junge Halbdämon: man will etwas erledigt haben und äußert seinen Wunsch, schon passiert es.

Sesshoumaru hatte den Bildschirm und damit Ryuukossei nicht aus den Augen gelassen: „Er will Sie herausfordern, verehrter Vater.“

Der Taishou trat zu ihm: „Das würde voraussetzen, dass er weiß, dass ich hier bin. Woher? Selbst wenn es eine der Wachen hier ihm weitererzählt hätte – er erschien nur Minuten nach unserer Ankunft.“

„Sie haben selbstverständlich Recht, chichi-ue.“ Aber der junge Hundedämon drehte den Kopf und musterte Inu Yasha.
 

****

Myouga hofft, das Verhältnis der Halbbrüder würde nicht kathastrophal beginnen? Papi versucht Schritt für Schritt vorzugehen?

Nun ja. Das nächste Kapitel heist Annäherung. Wer findet das grössere Fettnäpfchen: Inu Yasha oder der Inu no Taishou....?
 

bye
 

hotep

Annäherung

Inu Yasha beschloss müde, wie er nach dem langen Abend im Casino war, sofort in der Kammer zu schlafen, die ihm Herr Shima im Hotel zur Verfügung gestellt hatte. Es war ein interessanter Abend gewesen, ohne Zweifel.

Nachdem der Manager diesen Ryuukossei begrüßt und wohl auch zu etwas eingeladen hatte, war er wieder gekommen. Der Rest des Gespräches hatte sich um Werbung, die notwendige Renovierung der Toilettenanlagen und ähnliches gedreht und er hatte es mehr als langweilig gefunden. Damit beschäftigte sich so ein reicher und mächtiger Mann? Aber dann war ihm aufgefallen, dass Sesshoumaru aufmerksam zuhörte und er hatte daraus nur schließen können, dass das wichtig war. So hatte er sich selbst konzentriert. Und dann hatte er plötzlich begriffen: der Taishou kontrollierte solcherart die Arbeit des Managers. Wenn er das auch bei den Banken und Investmentfirmen machte, die der Familie gehörten, war sein Blick wohl immer deutlich spürbar und kaum ein Dämon würde sich trauen ihn zu betrügen.

Er war fast sofort eingeschlafen, erschöpft durch die Menge an neuen Eindrücken, und schrak erst auf, als es klopfte: „Äh, ja?“

„Inu Yasha?“

„Ja…Myouga?“ Den Winzling mit Myouga-san anzusprechen erschien ihm irgendwie unpassend. Und Onkelchen Myouga wäre es garantiert, auch, wenn ihm diese Anrede auf der Zunge lag. Mutter oder Kikyou würden ihm sonst etwas erzählen, legten sie doch immer Wert auf Höflichkeit.

Der Flohgeist kam hereingehüpft: „Auch schon wach? Der Herr möchte in einer Stunde einen Besuch machen und du sollst mit.“

Der junge Halbdämon warf einen flüchtigen Blick auf sein Handy. So spät schon? Er hatte acht Stunden geschlafen, sehr ungewöhnlich für ihn: „Ja, natürlich. Wieder im Anzug?“

„Ja. – Du hast nur den einen, oder?“

„Normalerweise laufe ich nicht so aufgetakelt herum, ja.“ Er hätte nie zugegeben, dass mehr einfach finanziell auch nicht drin gewesen wäre. Kikyou lebte von den Spenden für den Schrein und dem wenigen Geld, das sie von der Stadt für seine Pflege bekam. Das würde sich hoffentlich mit einem Stipendium bessern, oder gar, wenn er Geld für seine Arbeit erhielt. Dann könnte er sie unterstützen, als Dank für die Jahre, in denen sie auf manches verzichtet hatte um ihn mit durchzufüttern.

Der kleine Berater pumpte fast wie ein Maikäfer: „Aufgetakelt, also wirklich. Das ist in der Geschäftswelt üblich. Dämonen haben sich in diesem Fall den Menschen angepasst, um …nun ja, sagen wir, vertrauenserweckender zu wirken. Auch, wenn untereinander immer noch die gleiche Regeln gelten wie vor fünfhundert oder tausend Jahren.“ Von denen der Junge offenkundig nicht die geringste Ahnung hatte.

„Wo soll ich hinkommen?“

„In die Präsidentensuite. Die Wachen haben Anweisung dich durchzulassen.“

Inu Yasha rieb sich ein Ohr: „Hm. Wachen…Sagen Sie, Myouga, was passiert eigentlich, wenn ein Dämon einen schweren Fehler macht?“

„Was meinst du?“

„Naja….Mord, Vergewaltigung, so was.“

„Wenn es ein Mitglied der Familie war, richtet allein der Herr, wenn es ein Mitglied des Clans war, deren Anführer. – Du hast wenig Ahnung vom Leben der Dämonen, oder?“

„Ja…“ Inu Yasha murmelte es nur. War das die Möglichkeit, nach der er schon seit geraumer Zeit suchte? Er war ein halber Hundedämon, sein Vater musste folglich einer gewesen sein. Und damit unterstand der dem Taishou. Dieser schien ihm selbst ja durchaus wohlwollend gegenüber zu stehen, würde ihn vielleicht auch anhören. Dann könnte er endlich auf diese Art Mutter rächen. „Ich gehe duschen, danach komme ich hoch.“

„Gut. Aber beeile dich.“ Der Flohgeist verschwand.
 

Als Inu Yasha an den Aufenthaltsraum der Präsidentensuite klopfte, kam sofort die Antwort: „Komm herein, mein Junge.“

Etwas überrascht, dass der Taishou wusste, wer vor der Tür stand, gehorchte der Halbdämon. Der Herr der Hunde saß an dem Schreibtisch der Suite und schrieb mit der Hand einen Brief. Der Halbdämon verneigte sich höflich.

„Guten Morgen, Inu Yasha. – Wie dir Myouga sicher schon sagte sollst du mich zu einem Besuch begleiten.“

„Ja, Oyakata-sama. Aber Herr Shima…?“

„Weiß Bescheid. Es ehrt dich, dass du so pflichtbewusst bist. Du willst das Praktikum gut abschließen.“

„Ja.“

Der mächtige Hundedämon musterte ihn: „Du hast doch etwas auf dem Herzen? – Sag es.“ Und wenn der Junge eben lieber im Hotel bleiben und arbeiten wollte, sollte er es können. Wer war er, dass er sich in ein Leben einmischen durfte, das ohne ihn womöglich besser ablief.

„Danke, Oyakata-sama.“ Inu Yasha überlegte kurz, wie er das sagen sollte, ehe er herausplatzte: „Können Sie mir einen Gefallen tun?“

„Nun?“

„Können Sie meinen Vater suchen und umbringen lassen?“

Der Inu no Taishou ließ langsam die Hand mit dem Füllfederhalter sinken. Das war nun wirklich die Bitte, mit der er nie im Leben gerechnet hatte. Etwas mühsam meinte er: „Dein Vater ist ein Hundedämon. Warum glaubst du, dass er den Tod verdient hat?“

„Er hat meine Mutter vergewaltigt.“ Inu Yasha bemerkte nur zu gut, dass der Mann vor ihm fassungslos wurde, dämonische Selbstbeherrschung hin oder her. War das etwa unter Dämonen absolut verboten eine Menschenfrau zu missbrauchen?

„Das….das hat dir deine Mutter erzählt?“ Izayoi! So sehr hatte sie ihn gehasst? Aber warum nur?

„Sie umschrieb es…Und sie wollte nie über ihn reden.“

Der Taishou erhob sich und trat an das Fenster, mit dem Gefühl noch nie in seinem langen Leben so ratlos und betroffen gewesen zu sein. Er hatte geglaubt, den Jungen behutsam an den Gedanken gewöhnen zu können, dass sein Vater noch lebte, sich mit ihm anfreunden wollen – und jetzt das. Langsam wandte er sich um: „Nun, ich kann für dich herausfinden, wer dein Vater ist, Inu Yasha. Aber findest du nicht, dass der Tod eine zu harte Strafe ist?“

„Er hat meine Mutter vergewaltigt und sie mit mir sitzen lassen.“

„Weiß er überhaupt, dass es dich gibt?“ Wie lange war es her, dass er sich hatte verteidigen müssen oder auch nur wollen?

„Wenn er sich darum gekümmert hätte, was aus seiner Tat wird…“

„Man sollte immer beide Seiten hören ehe man urteilt, mein Junge.“ Und noch nie hatte er diese letzten beiden Worte so bitter ernst gemeint.

„Mutter hat sicher nicht gelogen!“

„Das habe ich nie behauptet. Aber du selbst hast gesagt, sie umschrieb es. - Weißt du, die Macht über Leben und Tod ist eine sehr zweischneidige. Du willst, dass ich deinen Vater töte – ohne ihn zu kennen oder angehört zu haben. Findest du das gerecht? Hast du schon daran gedacht, dass er tot sein könnte? Vielleicht wollte er dich auch suchen, euch unterstützen, und vermochte es aus dem einen oder anderen Grund nicht?“ Er hätte Izayoi suchen lassen können, ja, aber er hatte angenommen ihre Entscheidung akzeptieren zu müssen, so schmerzhaft und bitter sie ihm auch erschien. Und so hatte er lieber zumindest vorübergehend das Land verlassen, in dem er dauernd an sie erinnert wurde. Nie hätte er geglaubt, dass ein Halbdämon...

Inu Yasha starrte zu Boden und drehte verlegen den Fuß hin und her. Nein, daran hatte er eigentlich nicht gedacht. Da hatte er sich ja mit seiner Voreiligkeit in etwas Nettes geritten. Jetzt hatte der Taishou kaum mehr einen guten Eindruck von ihm. „Vielleicht…“ murmelte er.

„Was hat deine Mutter denn erzählt?“

Der Halbdämon blickte hastig auf, ehe er fragte: „Sie meinen, dass Sie ihn finden können? - Sie hat keinen Namen genannt oder so, immer nur darum herumgeredet. Auch in meiner Geburtsurkunde steht kein Vater.“ Die Bitterkeit und Härte war kaum zu überhören.

Der Herr der Hunde atmete tief durch. Das wurde eindeutig schwieriger, als er sich das in seiner romantischen Vorstellung gedacht hatte. „Das nagt natürlich an dir. Ich verstehe. Nun, komm, fahren wir erst einmal. Und ich werde sehen, was ich für dich tun kann. Deine Mutter hieß…“ Als ob er sich diesen Namen nicht seit Jahren immer wieder vorsagte.

„Izayoi Kamui.“

Inu Yasha schloss sich ihm etwas erleichtert an.
 

Zu seiner gewissen Überraschung wartete unten ein offener Sportwagen ohne Chauffeur.. Der Inu no Taishou stieg auch prompt auf der Fahrerseite ein. Er konnte Autofahren?

„Komm schon.“ Mit einem gewissen Lächeln fuhr er fort: „Ich habe meinem Fahrer freigegeben. Limousine ist Arbeit – das hier Vergnügen.“

So setzte sich der Halbdämon auf den Beifahrersitz und schnallte sich an: „Das ist ein flottes Auto“, murmelte er mit einem Blick auf den Tacho.

„Es gehört Sesshoumaru“, gab der Taishou zu, als er anfuhr: „Aber ich nehme es gern, wenn ich selbst fahre.“ Er ließ den Wagen von der Hotelauffahrt rollen, ehe er sich geübt in den Verkehr einreihte. „Ich habe nur einen kurzen Besuch vor.“

Inu Yasha schwieg dazu und genoss den Fahrtwind, der seine langen Haare ebenso wehen ließ wie die des Herrn der Hunde. Das musste ein tolles Gefühl sein mit dem Gefährt über die Autobahn zu brausen. Sesshoumaru schien einen guten Geschmack zu haben. Genug Geld hatte er sicher, nun, eher wohl sein Vater.
 

In einem Gewerbegebiet hielt der Taishou vor einem Bürogebäude mit Flachdach: „Du wartest hier im Auto, Inu Yasha“, befahl er: „Wenn dich jemand anspricht, geh auf nichts ein und steig schon gar nicht aus.“

Warum hatte er dann mitgesollt? Aber der junge Halbdämon nickte nur und lehnte sich etwas zurück. Dann wartete er eben. Er beobachtete, wie der Herr der Hunde in das Gebäude ging. Eine Metallbaufirma, verriet das Schild. Toutousai. Ein komischer Name, aber das sollte nicht sein Problem sein. Nachdenklich glitt sein Blick über den Bürgersteig, wo der Schatten des Daches eine scharfe Grenze zwischen Licht und Dunkelheit zog, ehe er zu der Baustelle hinter ihm guckte. Niemand arbeitete dort und ihm fiel nun erst ein, dass ja Sonntag war. Und doch werkte jemand bei Toutousai? Oder war das ein Privatbesuch? Das hatte ihn sicher nichts anzugehen. Der Schatten des Krans fiel ebenfalls auf den Bürgersteig und er erkannte einen großen Packen Ziegel, der dort baumelte, wohl vergessen worden war. Hinter dem Bürogebäude entdeckte er nun eine große Halle mit Schornsteinen. Anscheinend war dort die eigentliche Fertigung. Es gab viel zu sehen und er war nie zuvor in solch einem Gebiet gewesen, so dass er sich neugierig immer weiter immer genauer umsah.
 

Fast zu schnell verging die Zeit, ehe der Taishou zurückkehrte und einstieg: „Das war es.“ Er startete.

Im gleichen Moment erkannte Inu Yasha, dass sich der Schatten auf dem Bürgersteig veränderte. Noch ehe sein Verstand begriffen hatte schrie er: „Gib Gas!“

Der Taishou gehorchte viel schneller als jeder Mensch. Der Sportwagen machte einen förmlichen Satz nach vorne – und der riesige Packen Ziegel zerschellte nur einen Meter hinter ihm. Der Hundedämon wandte den Kopf und musterte den Kran über ihnen, ehe er zu seinem sichtlich geschockten Beifahrer sah: „Alles in Ordnung, mein Junge?“ Hätte der Packen wirklich nur aus Ziegeln bestanden hätte er kaum ein Problem für ihn dargestellt. Aber darin verborgen hatte sich läuternde Magie der höchsten Klasse befunden – hätten ihn die Ziegel auch nur für Momente bewusstlos gemacht, so hätte er keinerlei Widerstand dagegen mehr leisten können und wäre umgekommen.

„Ja…..Ich...es tut mir Leid…“ Er hatte soeben einen der mächtigsten Männer der Welt geduzt. Das war sicher unhöflich. Und das war gerade wirklich knapp gewesen...

Der Taishou lächelte flüchtig: „Es tut dir Leid, uns das Leben gerettet zu haben? Wenn du mich nicht gewarnt hättest, wäre das ein netter Unfall geworden. Fahren wir.“

Der Halbdämon drehte sich jetzt erst um: „Diese Ziegel….wollen Sie nicht die Polizei rufen?“

„Der Kran kann auch von unten bedient werden, was er sicher wurde. Und das von einem Dämon, denn ich kann niemanden mehr wahrnehmen. Die menschliche Polizei würde nichts finden. Und es würde sie nichts angehen.“ Der Herr der Hunde fuhr langsam weiter: „Ein seltsamer Zufall. – Wie hast du das bemerkt?“

„Ich…ich sah den Schatten auf dem Bürgersteig. Ich hatte ihn zuvor schon beobachtet, während ich auf Sie wartete, und er veränderte sich, wurde größer.“

„Du hast eine hervorragende Reaktion gezeigt. Hättest du nur „Vorsicht!“ gerufen, hätte ich mich umgesehen. So aber hast du den richtigen Befehl gegeben.“ Und er gab zu, unwillkürlich stolz seinen jüngeren Sohn zu sein.

„Ich wollte Ihnen nichts befehlen, “ beteuerte der Junge sofort: „Und es tut mir auch Leid, dass ich Sie geduzt habe.“ Mutter und Kikyou würden ihm schon wieder sonst etwas erzählen. Wenn sich der mächtige Hundedämon nun bei Herrn Shima beschweren würde, könnte er seine Praktikumsbescheinigung und damit seine Abschlussprüfung knicken.

Der Taishou lächelte jedoch erneut etwas: „Weißt du, wenn du mir damit das Leben rettest, darfst du mich gern duzen. – Geht es wirklich? Du siehst ein wenig blass aus.“

„Ich….sind Sie sicher, dass das ein Unfall war?“

„Was sollte es sonst gewesen sein?“ Nun, es war ein Anschlag gewesen, dessen war er sich bewusst, aber wozu das dem erschrockenen Jungen sagen? Er hatte in seinen ersten Sätzen schon mehr erklärt, als es gut war. Er würde mit Sesshoumaru und seinen engsten Mitarbeitern reden. Ein solcher Unfall würde Ryuukossei gut ins Konzept passen. Aber ohne Beweise konnte man nichts unternehmen. Überdies: wer hatte schon wissen können, dass er heute und jetzt zu Toutousai wollte, um eine Waffe und Rüstung für seinen zweiten Sohn zu bestellen? Darum hatte dieser auch mitgesollt. Der alte Schmied war erfahren genug, sich selbst aus der Distanz ein Bild machen zu können. „Ich fahre dich ins Hotel zurück. Shima-san wird dich sicher auch mal wieder sehen wollen.“

„Ja, danke.“ Inu Yasha warf einen Blick auf den Fahrer. Ein Unfall? Möglich, aber das konnte er fast nicht glauben. Warum sollte sich dieser Packen genau dann lösen, wenn ein Auto darunter stand? Aber nun gut, das ging ihn nichts an.

„Und vergiss nicht, du darfst mich jederzeit um einen Gefallen bitten.“ Nein, „einen weiteren Gefallen“ hätte er doch nicht über die Lippen gebracht – denn den ersten konnte und wollte er ja nicht vollständig erfüllen.

„Das…gern geschehen, Oyakata-sama.“ Vielleicht bekam er dann doch ein Stipendium?
 

Sesshoumaru vernahm die Neuigkeit mit regungslosem Gesicht. Sein Vater hatte sich auf die Couch ihres gemeinsamen Aufenthaltsraumes gesetzt, während er auf der anderen Seite des Tisches stand:

„Das war kein Zufall, chichi-ue.“

„Es wäre ein Unfall geworden. Und eine Schlagzeile in der morgigen Zeitung.“

„Ryuukossei scheint sehr gut informiert zu sein. Zu gut.“

„Was meinst du?“

„Er war gestern nur Minuten nach uns im Casino, heute wusste er, dass Sie zu Toutousai wollten.“

„Du nimmst als selbstverständlich an, dass er dahinter steckt.“

„Wer hätte sonst Interesse an Ihrem Tod?“

„Er ist nicht raffiniert genug.“

„Royakan erwähnte einen neuen Berater namens Naraku. Und die junge Frau, die gestern in der Begleitung des Drachendämons war, heißt Kagura. Sie ist Narakus persönliche Assistentin. Er wollte Sie bereits gestern, wenn auch vergeblich, zu einer unüberlegten Handlung herausfordern.“

Der Inu no Taishou nickte etwas: „Ich verstehe. Dennoch: ich will keinen Krieg unter Dämonen.“

„Es gibt Dinge, die nicht passieren sollten, verehrter Vater. Ich würde gern dem Spinnenclan seine Grenzen aufzeigen. Natürlich, ohne dass es zu einem Krieg kommt.“

„Was hast du vor?“

„Am Hafen gibt es ein Lager, das dem Clan gehört. Angeblich befinden sich dort alte Maschinenteile, die nach Übersee zur Verschrottung bestimmt sind.“

„Waffen?“

„Vermutlich.“

„Tu, was du meinst.“ Der Taishou verspürte zugegeben wenig Lust Attentate auf sich in seinen ständigen Tagesplan aufzunehmen.

„Danke, chichi-ue. – Und, wenn ich Sie bitten dürfte: lassen Sie den Halbdämon aus dem Spiel.“

„Inu Yasha hat mir heute das Leben gerettet.“

„Nachdem er es zuvor in Gefahr gebracht hat. Er wusste, dass wir in das Casino wollen. Und er hatte heute Zeit per Handy durchzugeben, wo Sie sich befinden.“

Der Taishou schwieg einen Moment, bevor er sachlich antwortete: „Ich werde es in Betracht ziehen, Sesshoumaru. Aber ich werde mich um den Jungen kümmern.“

Sein Sohn richtete sich etwas auf, ehe er in lebenslang gewohntem Respekt nur sagte: „Ich nehme einen Sprengmeister mit zum Hafen, verehrter Vater.“

„Du hast freie Hand. – Ich werde noch einen Besuch machen.“ Er stand auf, ohne dass Sesshoumaru nachfragte bei wem.
 

Der Taishou betrachtete kurz den kleinen Schrein ehe er auf den Vorplatz trat. Die junge Priesterin, die dort fegte, spürte seine Annäherung, das erkannte er an der raschen Art, wie sie herumfuhr. Er konnte ihre Aura ebenfalls fühlen. Sie müsste die Fähigkeit zur Läuterung besitzen. Interessant. Ob sie es gewesen war, die die Ziegel mit Magie versehen hatte? Arbeitete sie für Ryuukossei? Aber Inu Yasha war dabei gewesen...Oder hatte sie das nur nicht gewusst? Er würde etwas behutsam sein müssen.

„Guten Tag, Kikyou-sama“, sagte er jedoch höflich.

Sie stellte den Besen ab: „Sie sind der Inu no Taishou, nicht wahr? Ist etwas mit Inu Yasha?“ Unwillkürliche Besorgnis lag in ihrer Stimme.

„Ja und nein. Ich möchte mich mit Ihnen kurz über ihn unterhalten, wenn Sie gestatten.“

„Dämon und Priesterin?“

„Wir haben ein gemeinsames Interesse an dem Jungen.“

Kikyou musterte ihn. Es liefen Gerüchte über diesen Dämon um, die ihn mit Morden und Erpressung in Verbindung brachten, mit Industriespionage und anderen Verbrechen. Andererseits waren das eben nur Gerüchte und er erschien in den Zeitungen immer nur als mächtiger Mann mit Einfluss auf Banken, Investmentfirmen und Hotels. Nicht zuletzt gehörte ihm das Grand Hotel. Er könnte ihrem jungen Freund helfen – oder ihn ruinieren. „Nun gut. Kommen Sie.“

Sie führte ihn in ihr Wohnzimmer und setzte sich. Als auch er Platz genommen hatte, fragte sie ohne Umschweife: „Welches Interesse haben Sie an Inu Yasha?“

Der Herr der Hunde beschloss nicht die ganze Wahrheit zu sagen: „Er hat mir heute das Leben gerettet.“ Sie war überrascht, das sah er. Wenn nicht sie die Priesterin gewesen war, die die Ziegel geläutert hatte – wer dann?

Sie starrte ihn an, ehe sie fragte: „Und jetzt wollen Sie ihm helfen? Ihn fördern?“

„Das wollte ich auch schon zuvor. Er ist ein halber Hundedämon und ich fühlte mich von Anfang an verpflichtet. Aber heute bat er mich um einen Gefallen. Und….nun, ich hoffe, dass Sie mir weiterhelfen können. Er bat mich, seinen Vater zu suchen.“ Über die Folgerung schwieg er besser.

Kikyou schüttelte etwas den Kopf: „Da weiß ich nichts darüber. – Izayoi-sama und meine Mutter lernten sich im Krankenhaus kennen und freundeten sich an. Meine Schwester Kaede ist so alt wie Inu Yasha. Ich weiß über seinen Vater nur, was mir Izayoi-sama erzählte, als sie wusste, dass sie bald sterben würde. Sie bat mich ihren Sohn aufzunehmen bis er volljährig sei. Ich fragte sie, ob nicht der Vater geeigneter wäre, und sie meinte, nein. Er habe sie nur benutzt und sie wolle ihn nie wieder sehen.“

Benutzt? Der Taishou verstand das nicht. Was war an diesem schicksalhaften Tag vor fast achtzehn Jahren nur passiert? Morgens waren sie noch ein fröhliches Paar gewesen und als er abends zu ihr kam um ihr einen Heiratsantrag zu machen, war sie verschwunden. Was war nur geschehen? Aber er erklärte langsam: „Das hat sie auch Inu Yasha wohl so gesagt, denn er erwähnte, dass er das Ergebnis einer Vergewaltigung sei.“

„Das…nein, das muss er missverstanden haben. Der arme Junge. Jetzt verstehe ich, warum Sie sich solche Gedanken machen.“ Der Taishou war für die ihm untergebenen Dämonen der absolute Richter, Herr über Leben und Tod, hatte sie gehört: „Nein. Izayoi-sama erwähnte nur, dass der Hundedämon sie benutzt habe, mit ihr gespielt habe. Wenn Sie ihn wirklich suchen und finden können….Ich weiß nicht, ob er etwas mit seinem Sohn zu tun haben will. Für Inu Yasha wäre es wohl eher gut, wenn er….wenn dieses Missverständnis geklärt werden könnte. Dann hätte er auch den Kopf frei für die Abschlussprüfung und ein mögliches Studium.“

„Ja, er sollte studieren. Er ist intelligent genug dazu.“

„Tourismus wäre sein Traum.“ Kikyou nahm diesen Satz als Hilfsangebot.

„Wir werden sehen. – Wir haben doch etwas gemeinsam, Dämon und Priesterin.“

„Ja.“ Die junge Frau lächelte flüchtig: „Vor den Verträgen wäre das wohl nicht möglich gewesen.“

„Nein. Da hätten wir versucht uns gegenseitig umzubringen, “ gab der Taishou zu, der diese Verträge vor fast fünfhundert Jahren mit ausgehandelt hatte: „Aber ich fürchte, da wäre auch jemand wie Inu Yasha noch mehr in Schwierigkeiten gewesen als heute.“

„Ich hätte eine Frage, wenn Sie gestatten. Man erzählt sich viel über Sie….“

„Ich dulde keinen Drogenhandel und andere Dinge, wenn Sie das meinen. Und ich habe nicht vor Inu Yasha in irgendwelche Probleme zu bringen.“

Kikyou neigte höflich und zufrieden den Kopf. Das hatte sie in der Tat gemeint.
 

Ryuukossei sah wütend aus, als sein Berater in sein Büro trat: „Du hast die Neuigkeit gehört?“

„Selbstverständlich.“ Naraku setzte sich unaufgefordert, was nur er sich in Gegenwart des impulsiven Drachendämons leistete, und zupfte seine Hose zurecht: „Aus ungeklärter Ursache brach ein Feuer in uns...Ihrem Lagerschuppen aus und vernichtete die…Altmetallteile. Es muss eine heftige Explosion gegeben haben. Haben Sie es schon der Versicherung gemeldet?“

Ryuukossei schnaubte: „Bist du verrückt? Nichts war versichert. Soll ich etwa angeben, dass ich Waffen schmuggele?“

Das war Naraku klar, aber er hatte es ansprechen wollen: „Das ist also ein gewisser finanzieller Verlust.“

„So kann man das auch nennen. Und ich muss zusehen, dass ich rasch neue besorge, sonst springen meine Käufer ab. - Dieser verfluchte Kerl von Hund! So also rächt er sich für heute Vormittag.“

„Mein teurer Gebieter: heute Vormittag ist nichts passiert.“ Naraku klang etwas schärfer als beabsichtigt: „Sie wissen nichts, ich weiß nichts und wenn jemand fragt, so haben wir nur Gerüchte gehört, dass es um ein Haar zu einem….bedauerlichen Unfall gekommen wäre. Wobei ich Ihnen zustimme. Das Feuer brach sicher nicht zufällig aus.“

„Mir reicht es wirklich mit diesem Mistkerl. Breitet sich hier in meiner Stadt aus und geht mir auf die Nerven. Hör zu, mein ach so fähiger Berater: ich will Hundi tot sehen, am besten ihn eigenhändig umbringen, und die Familie übernehmen. Oh, und seinen heißgeliebten Sohn natürlich auch. Mach einen Plan. Und zwar so, dass ich die Familie bekomme, ohne dass sie sie rächen können. Klar?“

„Selbstverständlich.“ Naraku lächelte etwas: „Sesshoumaru…..Ich werde Erkundigungen einziehen, wie man ihn in eine Falle locken kann. Mit ihm als Geisel können wir seinen Vater auf jeden Fall bekommen. Zumindest scheinen weder der Taishou noch sein Welpe mitbekommen zu haben, dass sie eine Laus im Pelz haben.“

„Wird auch gut sein. Dann plane. Und denke daran, dass ich einen schmerzhaften Tod des Taishou bevorzuge. Und natürlich einen langsamen.“

„Wie Sie wünschen.“ Naraku erhob sich ohne erkennen zu geben, dass er bereits Pläne in dieser Richtung angedacht hatte, die allerdings weitergingen, als es Ryuukossei Recht gewesen wäre, beinhalteten sie doch auch die Übernahme des Clans durch den Berater.
 

**
 

Während im nächsten Kapitel Inu Yasha von einem Stipendium und einem Rendezvous träumt, kommt der Taishou der Lösung eines achtzehn Jahre alten Rätsels auf die Spur: Gespräche.
 

Bye
 

hotep

Gespräche

Während der Inu no Taishou langsam durch den Stadtverkehr zum Hotel zurückfuhr und dem dortigen Valet Parking die Autoschlüssel überließ, hing er seinen Gedanken nach. Nach allem, was Kikyou ihm hatte sagen können, hatte Izayoi sich von ihm ausgenutzt gefühlt, geglaubt, er habe nur mit ihr gespielt. Warum? Was hatte diesen bitteren Verdacht in ihr geweckt? Er konnte sich an nichts erinnern. Im Gegenteil. Morgens hatten sie gemeinsam gefrühstückt und sie hatte ihm mit ihrem so bezaubernden Lächeln und einem Augenzwinkern versprochen, abends mit einer Überraschung auf ihn zu warten – als er zurück gekommen war, mit einem Blumenstrauß in der Hand und der Absicht sie nach Menschensitte um ihre Hand zu bitten, war sie verschwunden gewesen. Hatte sie ihm an diesem Abend eigentlich sagen wollen, dass sie schwanger wäre? Aber was hatte ihre Meinung so plötzlich und grundlegend geändert?
 

Oder eher – wer?
 

War alles nur ein entsetzliches Missverständnis gewesen? Hatte jeder von ihnen beiden geglaubt, der andere habe ihn verlassen? Und war jemand schuld daran?

Seine Hand ballte sich unwillkürlich.

Wer?

War er endlich auf der Spur eines Rätsels, das ihn seit Jahren quälte?
 

Er bemerkte in seinen Gedanken verloren nicht, dass er aus dem Lift trat oder ein Dämon vor ihm die Tür der Suite aufriss, ehe er eine Stimme direkt neben seinem Ohr vernahm:

„Äh…Oyakata-sama…?“

„Myouga.“ Das war mehr ein Knurren, als für einen Moment etwas Rotes in den sonst so goldfarbenen Augen aufblitzte.

Der kleine Flohgeist schluckte erschreckt, fuhr aber geradezu heldenhaft fort: „Schön, dass Sie zurück sind. Sie haben in einer halben Stunde ein Gespräch mit den Leuten von der IV-Bank. Ich...ich habe die notwendigen Unterlagen auf Ihren Schreibtisch gelegt.“

„Ja.“ Der Taishou atmete tief durch. Er hatte achtzehn Jahre auf der Suche nach der Lösung verbracht. Wenn er jetzt das Geschäft vernachlässigte würde es in beiden Fällen nichts bringen.

Myouga bemerkte beruhigt, dass sich der Herr wieder im Griff hatte. Was war nur geschehen? „Ich vermute, Sesshoumaru-sama sieht sie sich bereits an. Wir wussten ja nicht, wohin Sie sind…“

Den kleinen Vorwurf überhörte der Inu no Taishou lieber und öffnete die Tür: „Gut, dass du schon an der Arbeit bist, Sesshoumaru. Gibt es etwas Wichtiges?“

Sein Sohn sah von der Aktenlektüre auf: „Toutousai rief an, verehrter Vater. Ihr Auftrag sei bis spätestens in zwei Wochen fertig.“ Die Verwunderung des Jüngeren lag nicht in seiner Stimme. Der Metallbauer hatte ihm nicht sagen wollen um was es ging – und gewöhnlich hatte sein Vater vor ihm keine Geheimnisse. Dazu dieser seltsame Ausflug heute…hm. Aber er war zu streng erzogen um ein Wort darüber zu verlieren. Wenn sein Vater wollte, dass er es erfuhr, würde er es ihm mitteilen – zur rechten Zeit. „Zu den Unterlagen der Bank….Ich konnte nichts feststellen. Dämonen und Menschen scheinen gut zu arbeiten. Die Gewinne liegen um die zehn Prozent. Natürlich könnte man mehr herausholen, aber das wäre gegen die Geschäftsprinzipien der Familie.“

„Richtig. Und das unterscheidet unsereins von Leuten wie Ryuukossei.“ Der Herr der Hunde nahm Platz: „Falls du wissen möchtest, wo ich war: ich hatte ein interessantes Gespräch mit einer Priesterin. Nach dem Treffen mit den Bankiers werde ich nachdenken. Und mögen die Götter dem gnädig sein, den ich im Verdacht habe. Ich werde es nicht sein.“

Sesshoumaru warf seinem Vater einen überraschten Blick zu, schwieg jedoch. Wenn es wichtig war - und das schien es zu sein - würde er auch den Rest erfahren. Gab es etwa einen Verräter innerhalb der Familie? Aber warum sollte ausgerechnet eine Priesterin…Er zwang sich, seine erwachte Neugier zu unterdrücken, zumal der Inu no Taishou weitersprach:

„Ich habe unterwegs die Schlagzeilen gelesen. Es muss eine recht beeindruckende Explosion am Hafen gewesen sein.“

Um den Mund Sesshoumarus zuckte etwas wie ein Lächeln über das Lob, ehe er sachlich antwortete: „Sie war kontrolliert. Den nebenstehenden Gebäuden ist nichts geschehen.“ Sein Begleiter verstand sein Handwerk, arbeitete der doch gewöhnlich als Sprengmeister in der Filmbranche, einem Geschäft, in dem die Familie sich durchaus auch erfolgreich betätigte.

„Ich dachte es mir. Ryuukossei wird wissen, dass das kein Zufall war. Und sein Berater auch. Das scheint übrigens ein recht fähiger Mann zu sein. Unser Drachenfreund neigte sonst immer eher zu brutaler Gewalt. Dieses Ausspionieren und Auf-die-Nerven-Gehen hatte er nie vermocht. - Myouga, finde doch etwas über Naraku heraus.“

„Ich habe es bereits versucht, Oyakata-sama“, gestand der Flohgeist: „Aber er tauchte vor einigen Jahren scheinbar aus dem Nichts auf. Entweder er hatte zuvor einen anderen Namen oder stammt aus einem anderen Land. Angeblich soll er ein Spinnendämon oder ein Halbdämon sein. Jedenfalls hat er das Ohr Ryuukosseis und die Leute des Clans fürchten ihn fast ebenso wie den Drachen selbst.“

„Ein Halbdämon und vollwertige Dämonen des Clans fürchten ihn?“ Sesshoumaru klang spöttisch, ehe ihm einfiel, dass er Vaters neuen Schützling und damit diesen beleidigen könnte, und hastig ergänzte: „Nun, dann hat er wohl besondere Fähigkeiten.“

„Er scheint recht hart zu sein.“ Myouga zuckte die Schultern: „Und gilt auf seine Weise als streng, ja, grausam, aber das ist Ryuukossei auch.“

„Wo erwarten uns die Bankleute?“ erkundigte sich der Taishou. Früher oder später würde er seinem ältesten Sohn beichten müssen, dass er einen Halbbruder habe. Und das war kein Gespräch auf das er sich freute.

„Im Grünen Salon. Präsident Tamahato und drei Begleiter. In…zehn Minuten, Oyakata-sama.“

„Gut. Dann gehen wir. - Sesshoumaru?“

„Wie Sie wünschen, chichi-ue.“ Schmeichelhaft, dass sich dieser die Unterlagen gar nicht mehr selbst angesehen hatte.
 

Nach dem Treffen mit dem etwas angsterfüllten Dämon und dessen drei menschlichen Begleitern zog sich der Taishou auf sein Zimmer zurück und streckte sich nur mehr halb bekleidet auf dem Bett aus. Myouga hatte ihm berichtet, dass Inu Yasha frei hatte und nach Hause zurückgekehrt war. Ob ihm Kikyou sagen würde, dass er selbst bei ihr gewesen war? Kaum. Sie versuchte offensichtlich dem Jungen ein einigermaßen normales Leben zu ermöglichen, nun, nach menschlichen Maßstäben. Eine Ausbildung, wie sich ein Dämon unter seinesgleichen zu verhalten hatte, hatte er offensichtlich nicht erhalten. Bedauerlicherweise.
 

Die Furcht des Bankpräsidenten und die Schärfe in Sesshoumarus Stimme bei der Besprechung hatten ihm jedoch gezeigt, dass er selbst angespannt war. Seine dämonische Energie war für die Artgenossen deutlich zu spüren. Der Präsident hatte dies auf sich bezogen und eindeutig Angst gehabt einen Fehler begangen zu haben, während sein Sohn sich bemühte eben diesen zu suchen. Erst, als er selbst sich dessen bewusst geworden war und seine Macht wieder vollkommen verborgen hatte, war das Gespräch sachlich geworden.

Nun hatte er Zeit, die ganze Nacht, und es war sicher ratsam, seine Gedanken noch einmal in die Vergangenheit zu lenken. Nach der Unterhaltung mit der jungen Priesterin hatte er zum ersten Mal Izayois Sicht der Dinge wahrnehmen können – und diese war vor ihm geflohen, da sie sich ausgenutzt gefühlt hatte, angenommen hatte, er spiele nur mit ihr. Was hatte sie auf diesen Gedanken gebracht?

Und genau das war in all den Jahren sein Fehler gewesen.

Er hatte bislang stets nur nach einer Schuld in seinem eigenen Handeln gesucht und vollkommen übersehen, dass es auch eine Wer-Frage sein konnte. Wer wusste, dass es sie gab, und wem würde sie soweit Glauben schenken, ja, vertrauen?

Sesshoumaru? Er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Verbindung zu einer Menschenfrau nicht schätzte. Würde ihm Izayoi glauben? Es war sein Sohn, ja, aber sie wusste auch, dass er sie nicht leiden konnte. Das führte zu etwas anderem. Sesshoumaru war einer der Wenigen gewesen, die heute gewusst hatten, dass er zu Toutousai fahren wollte. Ein Attentat durch den eigenen Sohn? Nun, unmöglich war es unter Dämonen beileibe nicht. Und auch gestern, im Casino, hätte es gut Sesshoumaru sein können, der Ryuukossei über den geplanten Besuch informierte. Dann wäre der Fingerzeig auf Inu Yasha nur der auf einen willkommenen Sündenbock. War es das?

Nein. Er sollte nüchtern bleiben.

Es gab auch andere, sicher. Er musste nur nachdenken.

Myouga war allerdings auszuschließen. Der kleine Flohgeist war eine der Personen, auf die man sich verlassen konnte. Der konnte nie Taishou werden, das war ihm klar, und sein kleiner Feigling zog es sowieso vor in der zweiten Reihe und damit in Deckung zu stehen.

Aber wer…?

Jemand, der schon damals bei ihm gewesen war, so nahe, dass er Izayoi kannte und auch heute noch bei ihm war? Oder waren es doch zwei verschiedene Personen?
 

Er setzte sich ruckartig auf. Er war eingeschlafen, was ihm selten genug passierte. Aber diesmal war es nur mehr nützlich gewesen. Ja. Jemand, der Izayoi kannte und dem sie vertrauen würde, der heute noch bei ihm war. Und, den man nur zu leicht vergaß. Nur, warum? Warum sollte er ihn an Ryuukossei verraten? Warum dafür sorgen, dass Izayoi ihn verließ? Er hatte ihm Wohlwollen entgegengebracht, Vertrauen, ja, ihn aus der Gosse gezogen...
 

Er stand auf und ging durch das dunkle Wohnzimmer, klopfte, obwohl es selten nötig war. Sesshoumaru würde kaum schlafen.

„Ja, chichi-ue?“ kaum auch unverzüglich die Antwort.

Als der Taishou eintrat, erkannte er, dass sich sein Sohn zwar Ruhe gegönnt hatte, aber wach auf dem Bett gelegen hatte, sich nun aufmerksam aufsetzte. So meinte er: „Übernimm alle Termine ab sofort. Ich werde mit einigen Männern losfahren, um eine Angelegenheit zu klären. Es mag Mittag werden bis ich zurückkehre.“ Und da er sich denken konnte, dass der Jüngere neugierig war: „Wenn sich mein Verdacht bestätigt, verliert Ryuukossei heute einen Mann.“

„Verrat an der Familie für den Drachen?“ Sesshoumaru hob etwas die Hand, drei Finger angespannt ausgestreckt, die grün zu leuchten begannen. Gewöhnlich oblagen Strafaktionen seit Jahren ihm.

Sein Vater wusste dies nur zu gut. Da er ihn nicht beleidigen wollte, erklärte er: „Verrat an der Familie. Und mir persönlich. Darum werde ich das in die eigenen Klauen nehmen.“

Da gab es nur eine Antwort: „Izayoi.“

„Izayoi.“

„Sie wissen, verehrter Vater, dass ich mit dieser Beziehung nicht einverstanden war. Jede Dämonin wäre erfreut gewesen, und wäre es noch immer, Ihre Aufmerksamkeit zu finden. Übrigens fand es auch meine verehrte Mutter nicht passend, durch eine Menschenfrau ersetzt zu werden.“

„Genau das habe ich nie beabsichtigt, wie euch beiden an dieser Wahl hätte klar sein müssen.“ Der Taishou formulierte vorsätzlich doppelsinnig.

Sesshoumaru nickte etwas: „Dessen bin ich mir bewusst geworden. Ich bin kein Jugendlicher mehr. – Aber da ist noch etwas?“

„In der Tat. Du kennst mich.“ Der Vater holte ein wenig Atem, ehe er schlicht gestand: „Du hast einen Halbbruder.“ Wozu es umschreiben. Er würde sofort wissen, um was es ging. Und um wen.

Der junge Hundedämon zögerte auch keine Sekunde: „Inu Yasha.“

Der scharfe Verstand seines Ältesten arbeitete in der Tat wie gewohnt analytisch: „Ja. Izayoi zog ihn allein auf, nach ihrem Tod nun diese Priesterin.“

Ein fast unmerkliches Aufatmen: „Izayoi ist tot? Nun, das erleichtert das Problem. Ich bin mir bewusst, chichi-ue, dass Sie den Ba…Izayois Sohn in die Familie aufnehmen wollen und bitte nur darum, mich nicht mit ihm weiter befassen zu müssen.“

„Das würde ich nicht von dir verlangen. Der Junge soll erst einmal seine Schule fertig machen und studieren. Danach sehen wir weiter.“ Immerhin war das eine sachliche Diskussion. Nun ja, Sesshoumaru neigte nicht zu Emotionen, in diesem Fall wohl auch nicht zu Eifersuchtsgefühlen. Das war nur gut so. Vielleicht würde er sich mit der Zeit auch an den Gedanken an einen Halbbruder gewöhnen: „Aber im Moment liegt eine andere Sache an.“

„Selbstverständlich. Ich werde die übrigen Dinge in Ihrem Sinn regeln.“ Er spürte zwar das gewisse Bedauern sich einen Überläufer nicht selbst vornehmen zu können, aber natürlich würde Vater einen so unmittelbaren Affront auch persönlich ahnden wollen. Eine zu milde Strafe war da kaum zu befürchten. „Ich hoffe, Sie haben Erfolg. - Darf ich Sie noch um eine Zustimmung bitten? Ich möchte dem Waisenhaus am Stadtpark einen Scheck zukommen lassen und diesen selbst überreichen.“

Ohne seine Überraschung über die unübliche und daher unerwartete soziale Einsatzfreude seines Sohnes zu zeigen erwiderte der Herr der Hunde: „Selbstverständlich. Du kennst die üblichen Summen für derartige Projekte. Denke nur daran Myouga eine entsprechende Pressemitteilung ausgeben zu lassen.“ Denn Spenden durch die Familie waren stets eine gute Werbung, gerade auch bei Menschen. Soweit er wusste, neigte Ryuukossei nicht gerade zu freiwilligen Gaben, eher sammelte er unfreiwillige ein.
 

Inu Yasha war erfreut, als er nach Hause gekommen war und Kikyou ihn nur mehr neugierig nach seinem Tag gefragt hatte. Natürlich erzählte er ihr von dem Fast-Unfall mit den Ziegeln, ein wenig überrascht, dass sie es anscheinend nicht war.

„Ich kam mir wie im Krimi vor“, gestand er: „Naja, nachdem ich das so richtig mitbekommen hatte. Der Taishou fragte dreimal, ob es mir wirklich gut gehe…ich glaube, ich sah etwas erschreckt aus.“

„Nun, es wäre ungewöhnlich, nicht erschreckt zu sein.“

„Ja…“ Er setzte sich an den Tisch und nahm die Reisschüssel: „Ich habe Hunger.“

Die junge Priesterin lächelte etwas: „Das hast du immer. Guten Appetit. – Der Taishou scheint interessiert an dir.“

„Ich hoffe ja, dass er mir ein Stipendium gibt, wenn ich es beantrage. Nein, das musst du machen, oder?“ Immerhin war sie sein gesetzlicher Vormund.

„Offiziell ja, aber du könntest morgen mit ihm darüber sprechen, wenn er dich zu sehen wünscht.“ Sie wollte dem Jungen nicht erzählen, dass der Taishou anscheinend beschlossen hatte sich ihm aus gewisser Dankbarkeit erkenntlich zu zeigen. Mit zu großer Hilfe lernte man nichts. Und der mächtigste aller Hundedämonen hatte auf sie einen ganz anderen Eindruck gemacht als es sein Ruf und die Gerüchte vermuten ließen. Vorurteile gegenüber Dämonen waren wohl nur zu üblich unter Menschen, jahrhundertealte Verträge hin oder her. Sie nahm sich selbst da nicht aus.

„Ja, das sollte ich wohl. Das wäre doch wirklich toll. Mit so einem Stipendium könnte ich viel weiterkommen….“ Er griff zum Gemüse: „Dann könnte ich auch auf eine bessere Universität.“

„Und du hast heute die Gelegenheit gehabt auf dich aufmerksam zu machen.“

„He, das…das wollte ich doch gar nicht.“ Er war fast beleidigt.

Kikyou nickte nur: „Eben. Ich denke, er kennt viele Menschen oder Dämonen, die etwas von ihm wollen, und ist da vorsichtig.“

Der junge Halbdämon starrte sie an: „Stimmt eigentlich. Dauernd rufen Leute an oder muss er etwas kontrollieren – und doch hat er die Zeit für mich.“

„Er ist der Herr aller Hunde und du zumindest ein halber Hundedämon. Ich denke, er fühlt sich dir verpflichtet.“

„Ja, klar.“ Inu Yasha wollte nicht zugeben, dass ihn diese nüchterne Aussage abkühlte. Aber Kikyou hatte vermutlich Recht. Der Herr der Hunde wollte wohl jedes Schäfchen zu sich holen…dann musste er über diesen eigenartigen Vergleich schmunzeln, obwohl…ja, er fühlte sich enttäuscht. Er hatte doch irgendwie gehofft, dass der Taishou ihn persönlich schätzen, mögen würde, nicht nur wegen seiner Artzugehörigkeit. Aber dennoch. Er hätte nicht nachfragen müssen, wie es ihm gehe, müsste nicht so freundlich zu ihm sein und schon gar nicht ihn mit dem Auto mitnehmen. Vielleicht mochte er ihn doch, war aber vorsichtig. Kikyou hatte bestimmt Recht, es gab sicher viele Leute, die Geld oder sonst etwas von ihm wollten. Vielleicht war auch Sesshoumaru darum so kurz angebunden und unfreundlich, weil er ihn für jemanden hielt, der seinen Vater nur ausnutzen wollte? Jetzt sollte er sich mal um etwas anderes kümmern. Irgendwie waren seine Gedanken dauernd bei dem Taishou: „Morgen soll ich um sieben wieder im Hotel bei Shima-san sein.“

„Dann solltest du bald ins Bett gehen. Immerhin hast du nun schon zehn Tage deines Praktikums um. Macht es dir noch immer Spaß in einem Hotel?“

„Ja, ich denke schon. Und man kann viel von der Welt sehen. Zu der Kette, zu der auch das Grand Hotel gehört, gehören um die fünfzig andere Hotels in vielen Ländern. Da könnte man überall arbeiten….“

„Du möchtest etwas von der Welt sehen. Nun ja.“ Kikyou gab zu, dass sie freiwillig nicht einmal an das andere Ende der Stadt fuhr. Sie schätzte die Ruhe in ihrem kleinen Tempel und wenn sie nicht auf die Spenden der Pilger und Besucher angewiesen wäre, hätte sie nur zu gern auf Menschen verzichtet. Ihre einzigen Ausflüge waren ihre wöchentlichen Meditationsübungen auf einem Aussichtspunkt oberhalb der Stadt.

Inu Yasha wusste das auch ohne Worte, schließlich war das ein altbekanntes Thema zwischen ihnen, und grinste etwas: „Als ob du ohne Menschen auskommen würdest. Du hilfst viel zu gern.“

„Das stimmt auch wieder. – Du kennst mich doch ganz gut.“

„Kunststück, oder? - Ich werde noch Kagome anrufen, was sie so getrieben hat, dann gehe ich in mein Zimmer.“

Kikyou spürte einen seltsamen Stich im Herzen, fragte jedoch sachlich: „Deine Schulfreundin? Sie erwähnte, dass sie im Museum arbeitet.“

„Ja, das macht ihr viel Spaß. Die Leute dort sind Praktikanten gewohnt. Shima-san erzählte mir übrigens, dass ich der erste Praktikant direkt in der Hotelleitung sei. So als Pförtner oder so hatten sie schon welche. Herr Masa meinte darum auch, ich solle der Schule keine Schande machen, damit dann auch in den nächsten Jahren Schüler dort zum Praktikum zugelassen werden.“

„Das hast du wohl kaum gemacht, bislang scheinen ja alle mit dir zufrieden zu sein.“

Der junge Halbdämon zuckte die Schultern: „Solange der Taishou mit mir zufrieden ist. Ihm gehört schließlich diese Hotelkette.“ Er stand auf und ging zum Telefon: „Guten Abend, Frau Higurashi. Ist Kagome da?“

Die meldete sich nur kurz darauf: „Oh, Inu Yasha. Warum rufst du denn nicht auf meinem Handy an?“

„Mein Akku ist leer und ich muss aufladen. Aber ich wollte mit dir reden.“ Er erzählte von dem Fast-Unfall: „Das war echt knapp. Der Taishou meinte dann ja, ich hätte ihm das Leben gerettet, aber das glaube ich weniger. Ich meine, er ist ein starker Dämon, heißt es, da würde er so etwas doch überleben.“

„Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Aber ich freue mich, dass dir nichts passiert ist. - Wann hast du eigentlich einmal frei?“

Sie interessierte sich wirklich für ihn? Er spürte, wie sich etwas in seinem Hals zusammenzog: „Mittwoch und Donnerstag nächste Woche.“

„Schade, da muss ich arbeiten. Ich habe immer Montag und Dienstag frei. Dann werden wir uns erst wieder nach dem Praktikum sehen, in der Schule. Ich kann dir ja dann Sango vorstellen.“

„Die Dämonenjägerin, ja, das hast du gesagt.“ Er holte tief Luft: „Ich könnte dich am Donnerstag doch nach der Arbeit abholen und wir gehen dann ein Eis essen….“ Mit klopfendem Herzen wartete er auf die Antwort. Nie zuvor hatte er einen solchen Vorschlag gemacht. Und wenn sie jetzt nein sagte....

Sie klang jedoch erfreut: „Oh, ja, das ist eine gute Idee. Um sechs am Personaleingang des Museums? Der liegt rechts auf der Seite, wenn man direkt davor steht. Und dann gehen wir zu dem Café an der U-Bahn. Mir fällt der Name nicht ein, aber die Kollegen meinten, es sei dort sehr gemütlich.“ Und sie war erst einmal mit einem Jungen beim Eisessen gewesen, mit Hojo, aus ihrer alten Schule. Der war ein netter Kerl, aber sie hatte bei ihm nie dieses seltsam enge Gefühl im Hals gehabt, wie wenn sie in Inu Yashas Augen blickte oder er sie gar anlächelte. Aber davon sollte der nichts mitbekommen. Wie peinlich wäre es, wenn er sich nur mit ihr abgab, weil er eben allein war.

„Ja, gern, wie du willst.“ Und mit der U-Bahn kämen sie auch beide wieder einfach nach Hause: „Dann bis Donnerstag.“ Hoffentlich hatte sie nicht bemerkt, wie aufgeregt er war.
 

Kikyou hatte die Verabredung gehört und zögerte. Sollte sie ihn warnen? Kagome schien zwar ein nettes Mädchen zu sein, aber er war eben kein Mensch.

Andererseits – hatte sie das Recht ihm die erste Liebe auszureden, auch, wenn sie sicher war, dass das nur schief gehen konnte? Weder eine Dämonin noch eine menschliche Frau würde sich doch auf jemanden einlassen, der weder noch war. Überdies, wenn sie an Mischlinge im Tierreich dachte, so konnten diese auch keinen Nachwuchs bekommen.

Nun, was sollte es. Diese leidvollen Erfahrungen würde er selbst machen müssen, denn sie bezweifelte, dass er ihr Glauben schenken würde. Schließlich war sie nicht gerade eine ausgewiesene Expertin in Liebesdingen.

Mit einem traurigen Lächeln ging sie in ihr Zimmer.
 

**
 

Im nächsten Kapitel hängt ein junger Halbdämon seinen Träumen nach. Unterdessen stellt der Taishou einem Verdächtigen Fragen und beweist, dass es eine kompliziertere – oder ungeschicktere - Methode der Vaterschaftsanerkennung gibt, als mitten in einem Duell zu sagen: Luke, ich bin dein Vater....
 

bye
 

hotep

Vater

Gegen fünf Uhr morgens wurde der junge Halbdämon von seinem Handy geweckt. Irritiert nahm er es Außer Kikyou und Kagome hatte doch niemand diese Nummer? Werbung? So meldete er sich nur: „Ja?“

„Kannst du auf die Straße kommen, Inu Yasha?“ fragte die tiefe Stimme des Herrn der Hunde: „Es ist sehr wichtig.“

Nur fünf Minuten später stand der Junge vor dem Schrein am Straßenrand, kaum überrascht, den Sportwagen und seinen Fahrer zu sehen: „Oyakata-sama….“

Der sah ihn an: „Du wolltest deinen Vater kennen lernen.“

Inu Yasha rang unwillkürlich nach Atem. So schnell? „Sie…Sie haben ihn…?“ Wie sollte er ihm denn gegenübertreten? Dem Mann, der seine Mutter....

Der Taishou hatte mit dieser Frage gerechnet und formulierte vorsichtig: „Ich habe einen Zeugen. Erwarte nicht zu viel.“

„Ja, schon klar…..Ich soll um sieben im Hotel sein.“

„Steig ein. Wenn es länger dauert, werde ich Herrn Shima persönlich Bescheid geben.“

„Äh, ja, danke….“ Der etwas geschockte Halbdämon gehorchte.
 

Erst, als er bemerkte, dass sie in ein Industriegebiet am Stadtrand fuhren, begann er, seine etwas verworrenen Gedanken beiseite schiebend: „Ich möchte nicht unhöflich sein…“

„Ich bringe dich an einen Ort, an dem du mehr erfahren wirst. Auch, wenn es dir ungewöhnlich vorkommt.“

Inu Yasha atmete tief ein: „Sie…Sie klingen so seltsam.“ Kannte der Taishou etwa seinen Vater?

„Es ist auch für mich eine schwierige Situation. Ich war noch nie in einer solchen.“ Und das war, das wussten die Götter, nicht gelogen: „Ich muss dich bitten mir zu vertrauen.“

„Das mache ich ja….“ So nett, ja, persönlich, war in seinem gesamten Leben kein Mann zu ihm gewesen.

„Wir werden sehen.“ Der Taishou hielt an: „Komm, wir gehen hier in das Haus.“

Der Halbdämon gehorchte und folgte dem Herrn der Hunde in ein Büro. Dieser zog einen Stuhl an eine Art Fenster, das mit einem Rollo verschlossen war:

„Das hier ist gewöhnlich das Büro der Aufsicht. Jetzt ist hier alles ruhig. Wir haben noch über eine Stunde Zeit. Setz dich. – Wenn ich das Rollo öffne, wirst du in die Halle unten sehen können. Und du kannst dann zuhören, was dort gesprochen wird, denn ich vermute, dass deine Ohren besser als die eines Menschen sind.“

„Ja, doch…“ Inu Yasha nahm Platz und rückte den Stuhl so, dass er wohl zusehen konnte.

„Gut. Jetzt höre mir genau zu. Das wird eine sehr schwierige Lage für dich und ich weiß auch nicht, was er alles erzählen wird. Mir ist nur eines äußerst wichtig: weder er noch sonst jemand soll wissen, wer du bist und dass du hier bist. Da ich annehme, dass dich seine Aussage sehr aufregen wird, möchte ich dich an diesen Stuhl binden. Zu deinem eigenen Schutz. Erlaubst du mir das?“

Der Junge starrte den Taishou an. Damit hatte er nie gerechnet. Plötzlich stiegen ihm wieder die Gerüchte in den Kopf: Verbrechen. Morde….aber. was hatte er denn damit zu tun? Warum sollte der Herr der Familie ihn umbringen wollen? Er war so nett zu ihm gewesen. Und da war auch zuvor die Bitte um Vertrauen.. .Er sah in die Augen, die den seinen so ähnlich waren, und las darin nur einen Wunsch: dass er ihm glauben würde

„Na ja…“ murmelte er: „Wenn Sie meinen?“

„Danke, mein Junge. Und ich bin mir sicher…“ Er band die Hände des Halbdämonen an den Stuhl: „Du weißt auch, dass du diesen Sitz zertrümmern kannst….Es soll ja nur eine Erinnerung sein…Zeig nicht, wer du bist.“

Das stimmte, dachte Inu Yasha. Er konnte den Stuhl zerfetzen. Daran hatte er gar nicht gedacht. Irgendwie war er doch sehr aufgeregt: „Und ich...ich soll auch nichts sagen?“

„Nein. Oder soll ich dich auch noch knebeln?“

Seltsamerweise wusste der Junge, dass das ein Scherz sein sollte, ein verzweifelter Scherz. Warum nur war der Herr der Hunde so an dieser Situation beteiligt? „Wenn es wirklich so aufregend wird, ja, “ erklärte er ehrlich: „Ich konnte noch nie ruhig bleiben.“

„Ich weiß nicht, was er sagen wird. Hier. Nehmen wir das.“ Er zog aus seinem Mantel ein Stück roten Stoff: „Der Rest Feuerrattenhaar. Es ist recht stabil. Ich jagte sie vor langer Zeit einmal…“

„Oh, darüber.., ich meine, erzählen Sie mir davon?“

„Wenn du es möchtest.“ Er band es um den Kopf des Halbdämons: „Wie gesagt, ich vermute, dass du diese Fesseln lösen kannst, nun, ich fürchte sogar ein Mensch wäre dazu im Stande. Nur, was auch immer du hören wirst, was auch immer du dir denkst – warte mit Reden oder Auf-Dich-aufmerksam-Machen bis ich wieder bei dir bin.“ Er öffnete das Rollo.

Dahinter zeigte sich eine dunkle Scheibe, von der Inu Yasha begriff, dass sie nur einseitig durchsichtig war. So würde ihn niemand erkennen und er zusehen können. Unter ihm lag eine Lagerhalle. Stapelweise reihten sich Kisten in Regalen aneinander. Direkt vor ihm befand sich jedoch ein Stuhl, der dort sicher nicht hingehörte. Daran gefesselt saß ein Mann, ein Mensch, wie er zu seiner Verwunderung feststellte. Was hatte der mit seinem Vater zu tun? Und warum war der gefesselt und von zwei Hundedämonen bewacht, die mittelalterliche Kleidung und Schwerter trugen? Dann erst erkannte der Halbdämon in dem Gefangenen den Chauffeur des Taishou, ohne dass das zu seinem Verständnis beitrug.

Der Herr der Hunde hatte unterdessen eine zweite Tür aus dem Büro geöffnet und hinter sich zugezogen und schritt über die Stahltreppe in die Halle hinunter. Kam es Inu Yasha nur so vor oder schienen sich die beiden Dämonen kleiner zu machen? Wären sie wirklich Hunde gewesen, hätten sie wohl die Schwänze eingezogen.

„Wartet draußen“, befahl der Anführer der Familie knapp.

In seiner Stimme lag eine Kälte, wie sie der Junge nie zuvor vernommen hatte, und ihm wurde klar, dass das Eigenartige, was er nun spürte, wohl die gewöhnlich verborgene dämonische Energie des Taishou war – und damit dessen Macht. Kein Wunder vermutlich, dass seine Männer unverzüglich gehorchten.

„Ich habe einige Fragen an dich, Takemaru.“ Die Stimme klang klar und deutlich zu dem Zuhörer.

Der Chauffeur warf einen unwillkürlichen Blick zu den beiden Dämonen, die soeben die Halle verließen: „Ich...ich verstehe nicht, Oyakata-sama.“

„Ich denke, du verstehst durchaus. Du bist ein Mensch, aber du hast dich vor achtzehn Jahren zur Familie bekannt und allen ihren Regeln unterworfen, als wärst du ein Dämon. Du solltest wissen, dass es gewisse Dinge gibt, die nicht toleriert werden. Unter uns zählt Verrat zu den schlimmsten Verbrechen, die man begehen kann. – Was hast du Izayoi erzählt, dass sie mich verließ?“

Izayoi? Ihn verlassen? Inu Yasha dachte im ersten Moment sich verhört zu haben. Jetzt verstand er auch die Vorsichtsmaßnahmen. Was hatte der Taishou denn mit seiner Mutter zu schaffen?

Takemaru lächelte fast ein wenig triumphierend: „Sie hat Sie verlassen, ja. Und ich habe sie gerettet.“

„Gerettet?“ wiederholte der Herr der Hunde hörbar irritiert: „Was hast du Narr getan?“

Takemaru sah seinen Arbeitgeber an: „Ich habe Izayoi-sama stets auf das Höchste verehrt, seit ich sie zum ersten Mal gesehen habe. Sie war so schön, so warmherzig…Und Sie hatten sie verhext, verzaubert, so dass sie nicht einmal mehr mitbekam, dass sie mit einem Tiergeist, einem Ungeheuer zusammen war. Jedes Mal, wenn ich Sie zu ihr fahren musste, draußen warten musste, konnte ich kaum die Bilder verdrängen, wie Sie sie beschliefen. Ich musste sie retten.“

Inu Yasha rang nach Atem. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hinuntergelaufen. Nur die Sorge, die Geschichte dann nicht bis zum Ende hören zu können, hielt ihn davon ab. Mutter war einmal mit dem Taishou zusammen gewesen? War der darum so erschüttert, als er hörte, dass sein Vater sie vergewaltigt hatte und so interessiert an ihm selbst?

Der Herr der Hunde musste seine Hand gewaltsam entspannen: „Was hast du ihr erzählt?“

„Es war ganz einfach. Sie kannte mich ja als Ihren Mitarbeiter und ihr war klar, dass praktisch nur ich von ihr wusste. Ich behauptete, ich käme in Ihrem Namen. Sie seien ihrer überdrüssig und stellten sie vor die Wahl... Ich legte ihr Hunderttausend hin. Dies oder….Ich sagte nicht mehr, aber ich zeigte ihr meine Pistole. Nun, sie entsann sich dann durchaus Ihres Rufes und wählte das Geld. Sie war gerettet. Sicher lebt sie heute zufrieden mit einem netten Menschenmann in einer kleinen Stadt, hat Kinder…Ich wollte sie nicht für mich. Nur sie retten.“

„Sie ist tot“, erklärte der Taishou bitter: „Du jämmerlicher Abschaum. Hast du nie daran gedacht, dass sie leiden würde? - Woher hast du das viele Geld gehabt?“

Takemaru senkte den Kopf: „Nach achtzehn Jahren kommen Sie mit dieser alten Geschichte daher.“

„Achtzehn Jahre habe ich mich gefragt, warum sie verschwand. Achtzehn lange Jahre kam ich nicht auf die Idee, dass jemand, dem ich vertraute, mich verraten hatte. Höllischer Undank! Ich habe dich aufgenommen, dir den Schutz und den Halt gegeben, um die du mich auf Knien angebettelt hast. Und du hast meine Frau dazu gebracht mich zu verlassen. – Wer gab dir das Geld?“

Seine Frau? Inu Yasha hätte sich fast an seiner eigenen Zunge verschluckt. Er spürte nicht, dass er schon längst die Fessel um seine Handgelenke zerrissen hatte, seine eiskalt gewordenen Hände im Schoss rieb.

Takemaru schwieg einen Moment, aber ihm war nur zu bewusst, dass der Herr der Hunde auf Antwort bestehen würde. Er hatte diese alte Geschichte längst vergessen, nur manchmal sich noch in dem Gefühl gewogen, Izayoi-sama gerettet zu haben. Für einen Menschen waren achtzehn Jahre eine lange Zeit – für einen Dämon weniger. Und wenn er nicht redete… nun, so oder so würde er sterben müssen. Das Wie hing von dem erbitterten Mann vor ihm ab: „Ich traf einen Dämon in einem Lokal. Er war sehr nett und ich erzählte ihm mein Problem. Natürlich ohne Namensnennung. Er besorgte mir später das Geld um mir zu helfen. Ab und an haben wir uns dann noch, wenn ich hier im Urlaub war, getroffen, auch, als Sie hierher zurück wollten. Und als er jetzt der Berater des Anführers des Clans wurde, gab er mir auch immer wieder Geld, gegen nur kleinere Auskünfte.“

Der Taishou atmete sichtbar durch: „Naraku.“ Der war sicher kein Narr und hatte sofort schon vor achtzehn Jahren in seinem Chauffeur eine Chance erkannt.

„Ja.“

„Du hast ihm auch gesagt, dass ich vorgestern ins Casino fuhr, sowie gestern zu Toutousai.“

„Ja. Mehr wollte er ja nie…“

„Das genügt auch um einen Mordanschlag zu planen. – Du bist ein verdammter Narr, Takemaru, und ich habe es nicht erkannt. Kleine Gefälligkeiten, oh ja. Nichts, was dir ein schlechtes Gewissen machen würde – und doch überaus hilfreich für einen Gegner. Das ist Verrat an der Familie, daraus folgt die Todesstrafe. Und wenn ich dazu rechne, dass eine Frau, meine Frau, bis zu ihrem Tode glaubte ich hätte sie hintergangen, dass ein Kind ohne Vater aufwuchs…Ich wollte dich eigentlich eigenhändig umbringen. Aber jetzt habe ich nur mehr das Gefühl, mir nicht meine Klauen schmutzig machen zu wollen.“ Er rief zwei Namen und die Dämonen kamen zurück.
 

Den darauf folgenden Befehl verstand Inu Yasha nicht mehr. Gefühle überschwemmten ihn, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Er riss sich das Tuch vom trocken gewordenen Mund und stand auf, ohne zu merken, dass er den Stuhl umwarf.

Meine Frau...

Ein Kind ohne Vater…

Die sichtbare Überraschung des Taishou, als er selbst von Vergewaltigung sprach…

Das Interesse des so mächtigen Dämons an ihm….

Die langen Jahre als vaterloses Kind, verlacht als Halbdämon…
 

Die Tür wurde geöffnet und der Herr der Hunde trat ein, angespannt wie selten in seinem Leben. Mit einem Blick registrierte er, dass der Junge vor ihm begriffen hatte – nur, was nun?Sollte er es ihm noch einmal direkt sagen? Oder schweigen und warten?

Inu Yasha starrte ihn mit Tränen in den Augen an, ehe er hervorbrachte: „Mein…Vater? Otou-san?“

Da gab es nur eine Antwort: „Ja.“

Der Halbdämon schoss förmlich auf ihn zu, schlug mit beiden Fäusten auf seine Brust, seine Schultern ein. Der Taishou nahm die Schläge widerstandslos entgegen, legte nur seine Arme um ihn, bis Inu Yasha schließlich in Tränen ausbrach und sich an ihn schmiegte.

„Es tut mir Leid, mein Junge“, flüsterte er in eines der Hundeöhrchen: „Aber weine nur. Das ist etwas, das Dämonen versagt ist.“

Mein Junge. Das hatte er zuvor auch schon immer gesagt, aber er selbst hatte nicht begriffen, nicht begreifen können, wie ernst das gemeint war. Nein, er konnte ihm nicht böse sein. Als der ach so mächtige Herr der Hunde den Verdacht bekommen hatte, dieser zufällig getroffene Halbdämon könnte sein Sohn sein, hatte er alles unternommen, sich mit ihm bekannt zu machen, vorsichtig auf ihn zuzugehen. Und erst jetzt hatte er erfahren, warum Mutter ihn damals verlassen hatte.

Dieser Takemaru hatte seine Eltern getrennt, ihn selbst ohne Vater aufwachsen lassen…. Er richtete sich etwas auf und fühlte sich sofort freigegeben. „Was…was passiert mit ihm?“ fragte er, ehe er ein wenig ungeschickt nach einem Taschentuch suchte.

„Ich wollte ihn töten. Aber nun verschicke ich ihn als Paket. Ryuukossei wird sich wenig darüber freuen, seinen Tippgeber verloren zu haben. Er schätzt Verrat nicht den Verräter. Aber vielleicht lässt er ihn leben, war er doch nützlich.“

„Ryuukossei…..der war doch im Casino.“

„Ja. Er ist der Herr des Spinnenclans. – Komm, gehen wir. Die Arbeiter werden bald kommen. Und wir beide reden noch etwas allein. Oberhalb der Stadt gibt es einen schönen Ausblick.“

„Ja, aber ich muss um sieben im Hotel sein…“

„Ja. Aber zum einen ist noch Zeit und zum zweiten…Glaubst du wirklich, dass Shima-san meinem Sohn ein Praktikumszeugnis verweigert?“

„Das….das wollen Sie ihm sagen?“ Sein Vater wollte wirklich öffentlich zu ihm stehen?

„Sesshoumaru weiß es bereits. Ich habe keine Geheimnisse vor meinen Söhnen.“ Wie sich das anhörte, dachte er. Meine Söhne. Nun, wenn er seinen Ältesten richtig kannte und dessen Ansichten, würden sie kaum je wirkliche Brüder werden, zusammenhalten. Aber Sesshoumaru würde sich seiner Entscheidung zumindest soweit beugen Inu Yasha nicht umzubringen. Mehr konnte er von ihm nicht verlangen.

„Und…was sagt er?“

„Was meinst du?“ Der Welpe war klüger als gedacht.

„Er mag mich nicht.“

„Er mag keine Kontakte zu Menschen und ein Halbdämon deutet nun einmal auf…recht intensiven Kontakt. Aber er wird dir nichts tun.“ Nun, nicht, solange er selbst am Leben war. Danach wäre sein Ältester der Taishou. Aber bis dahin würde gewiss noch eine Menge passieren, wozu den erschütterten Jungen jetzt auf mögliche Gefahren hinweisen. Der hatte genug durchgemacht. Es wurde Zeit, dass er lernte, wie sich Dämonen untereinander verhielten, die Regeln dieser strengen Gesellschaft auch zu schätzen lernte. Er hatte nie Schutz genossen und würde wohl darin einen Vorteil sehen.
 

Oberhalb der Stadt stieg der Taishou aus und nahm auf einer Bank Platz: „Komm her, Inu Yasha....“

Dieser tat es und setzte sich schweigend daneben, ließ die Hände zwischen seinen Knien baumeln. Sein Leben lang hatte er seinen Vater etwas fragen wollen, oh, so viel fragen wollen, und plötzlich war alles weg, alles ganz anders...

Der Herr der Hunde blickte ihn an. Der Junge war verwirrt, verstört, gefühlsmäßig aufgewühlt – und doch blieb er relativ ruhig. War das doch die dämonische Seite an ihm? Was an ihm war Mensch, was Dämon oder war er wirklich beides? Sie mussten noch viel übereinander lernen. „Inu Yasha....“

„Ja?“

„Darf ich....ich möchte dich umarmen.“ Sesshoumaru würde das niemals dulden. Aber der Junge starrte ihn nur kurz an, ehe er den Kopf an seinem Schulterfell barg und er den Arm um ihn legen konnte. Der arme Welpe. Sie hatten so viel Zeit versäumt. Und auch er und Izayoi.

Inu Yasha schmiegte sich an ihn Nie zuvor in seinem ganzen Leben hatte ihn ein Mann umarmt, und jetzt auch noch dieser – sein Vater. Alles war ein furchtbares Missverständnis gewesen und er hoffte nur, dass Mutter das endlich wusste, wo auch immer sie nun war.

Schweigend blieben sie beieinander sitzen, ehe endlich eine Unterhaltung aufkam.
 

Nachdem der Herr der Hunde seinen neu gefundenen Sohn pünktlich im Hotel abgeliefert hatte, fuhr er zu dem kleinen Schrein. Die Priesterin, die sich fünf Jahre um den Welpen gekümmert hatte, sollte wissen, was geschehen war und nun geschehen würde.

Er fand sie in der Küche: „Guten Morgen, Kikyou-sama.“

Sie drehte sich um: „Guten Morgen, Taishou-sama. Nein, Oyakata-sama, nennt man Sie ja. Haben Sie Inu Yashas Vater gefunden?“

„Ja.“

„Weiß er es schon?“

„Inu Yasha weiß nun, dass er mein Sohn ist.“

Kikyou stutzte für einen Moment, ehe sie die regungslosen Gesichtszüge ihres Gegenübers genau betrachtete: „Sie meinen das nicht im übertragenen Sinn.“

„Nein. Izayoi Kamui war meine Frau.“

„Ich dachte…“Sie brach ab. Izayoi hatte gesagt, sie sei von dem Dämon ausgenutzt worden. Und doch gab er sich Mühe um Inu Yasha?

„Es war eine Intrige. Jeder von uns dachte, der andere habe ihn im Stich gelassen und betrogen, “ erklärte er daher eilig: „Ich fand es erst gestern heraus, als Sie mir sagten, wie Izayoi das Ganze gesehen hatte. Man hatte sie angelogen, in meinem Namen mit dem Tod bedroht, wenn sie mich nicht verlassen würde. Als Alternative bot man ihr Geld an.“

„Was sie sehr verletzte.“

„Sie. Und mich, denn ich dachte, sie hätte mich ohne Grund wortlos verlassen und suchte in all den Jahren nach meiner Schuld.“

Sie würde nicht fragen, was aus dem Intriganten geworden war: „Aber…Sie waren verheiratet?“ vergewisserte sie sich.

„Nach Dämonenrecht ja. Und an dem Tag, an dem ich sie fragen wollte, ob wir das auch nach menschlichem Recht tun, war sie verschwunden.“

„Also ist Inu Yasha…“

„Er ist nach dämonischem Recht mein Sohn und untersteht damit nach den Verträgen meiner Vormundschaft.“ Er sah durchaus das jähe Gefühl, das über ihr Gesicht zuckte: „Sie haben sich bislang um ihn gekümmert. Und ich würde gern sehen, dass er zumindest bis zu seinen Abschlussprüfungen auch bei Ihnen wohnen bleibt. Es gibt genug Veränderungen in seinem Leben.“

„Ja, das ist wahr…“ Unwillkürlich atmete sie auf. Für einen Dämon verstand er menschliche Gefühle wirklich sehr gut. Izayoi-samas Verdienst? Dann war dieses Ende der Beziehung umso tragischer. „Wie hat er es aufgenommen?“

„Nun, es war zu erwarten, dass er sehr gefühlsbetont reagiert. Er ist sich noch nicht aller Auswirkungen bewusst, die das auf sein Leben haben wird, aber er hatte sich gefangen, als ich ihn im Hotel absetzte. Er wollte unbedingt in die Arbeit.“

„Ja. Er träumt von einem Leben im Hotel. Aber das wird wohl kaum mehr in Betracht kommen.“

„Wir werden sehen. Die Familie besitzt viele Hotels und jemand muss sie kontrollieren.“

„Darf ich Sie noch etwas fragen? Sie sagten, nach Dämonenrecht verheiratet. Ich hörte davon nichts oder sah noch nie ein Bild von einer Dämonenhochzeit in der Zeitung…“

Über seine Züge huschte ein fast schelmisches Lächeln und sie verstand Izayoi, warum sie diesem Dämon vertraut hatte: „Ein Foto wäre wohl auch ein wenig unangenehm. – Es gibt keine Feier. Wenn sich zwei Dämonen einig sind, ihr Leben miteinander verbringen zu können und das auch körperlich besiegelt haben, sind sie gebunden.“

„Und man kann sich trennen.“

„Ja. Wie Sie wohl wissen, hat sich meine erste Frau von mir getrennt. Auch dies ist nur eine Absprache zwischen beiden. In der Zeit dazwischen gilt allerdings Treue.“

Woher hatte er gewusst, dass es sie interessiert hatte, ob Izayoi der Grund für die Scheidung gewesen war? „Danke. Wann kommt Inu Yasha zurück?“

„Um ehrlich zu sein, das weiß ich nicht. Ich habe heute und morgen noch einige Termine. Er sagte mir nur Donnerstag habe er eine Verabredung.“Und keine Zeit für ihn

„Mit einer Schulfreundin, ja.“

„Nur eine Schulfreundin? Er klang aufgeregt.“

„Er würde es sich wohl mehr wünschen, aber das…“ Sie brach ab. Es war wohl ungeschickt, das jemandem zu sagen, der selbst anscheinend keine Bedenken hatte, die unsichtbaren Schranken zwischen den Arten niederzureißen. So korrigierte sie sich: „Es ist das erste Mal.“
 

**
 

In seinem Bemühen alles richtig zu machen hat der Taishou einige Fehler begangen. Im nächsten Kapitel werden Ryuukossei und Naraku sie aufspüren...
 

bye
 

hotep

Ryuukossei

Der Herr des Spinnenclans und sein Berater hatten das unerwartete Geschenk des Taishou mit sehr unterschiedlichen Gedanken empfangen und Takemaru noch immer gefesselt und geknebelt samt der Kiste wegschaffen lassen.

Als sie unter sich waren, kommentierte der nur scheinbar um die dreißig Jahre zählende Drachendämon: „Unser gutes altes Hundi wird verkalkt. Wie kann er mir jemanden lebendig schicken, der all seine kleinen, schmutzigen Geheimnisse kennt?“

Naraku verschwieg lieber seine Meinung, dass der Taishou das nie getan hätte, und eben darum Takemaru sicher nichts von Interesse wissen könnte, da er ansonsten höchstens als Leiche geschickt worden wäre. Ryuukossei wirkte so seltsam vergnügt.

Der fuhr auch fort: „Ich besitze, wie auch einst mein verehrter Bruder, den der Taishou so heimtückisch ermordete, ein Talent für die Kunst des Verhörs unter Folter. Und glaube mir, Naraku, das ist wirklich eine Kunst. Schließlich will man ja nichts hören, was man sowieso schon weiß.“ Er lächelte in gewisser Vorfreude.

Der Berater hoffte für einen verzweifelten Moment tatsächlich, dass diese Kunst nie an ihm ausprobiert werden würde, ehe er zu seiner gewöhnlichen Selbstsicherheit fand: „Nun, Sie können tun, was Sie wollen. Nur bedenken Sie, dass sich der Taishou bislang nicht gerade als Vollidiot erwiesen hat.“

„Er hat meinen armen hochverehrten Bruder ermordet!“ fauchte der Drache prompt in jähem Zorn.

In einem fairen Duell, aber nur ein Masochist mit Selbstmordplänen würde Ryuukossei in diesem Zustand daran erinnern: „Das weiß ich, mein Gebieter. Aber das allein beweist doch seine Heimtücke…“

Ryuukossei nickte beruhigt: „Oh, ja. - Nun, ich werde einmal hören, was dieser Takemaru zu sagen hat…“ Er ging.

Naraku atmete etwas auf. Die impulsive Unüberlegtheit des Drachens wurde langsam zu einer echten Gefahr für ihn als Berater und den gesamten Clan. Dazu kam die absolute Anbetung, die Ryuukossei seinem verstorbenen Bruder zollte. Nun gut, der hatte ihn aufgezogen, aber das dürfte die erste und letzte auch nur einigermaßen soziale Tat in dessen Leben gewesen sein. Und wer dumm genug war, den Taishou zu einem Duell herauszufordern, musste eben auch mit dem Ableben rechnen. Er selbst würde sich weder dem Herrn der Hunde noch dem Drachen stellen. Kampf war immer eine riskante Sache. Zu riskant. Nun, falls Takemaru doch noch interessante Informationen hatte, würde er sie sicher zu hören bekommen und in seine Pläne einbringen können.

Schade, dass sie ihn als Informanten verloren hatten. Wie war der Hund bloß darauf gekommen einen Spion bei sich zu haben? Nun, das würde auch der kaum wissen. Er selbst sollte sich einmal an die Arbeit machen und nachdenken. Den Taishou und seinen Welpen in die Finger zu bekommen würde Ryuukossei sicher erst einmal genügend lange ablenken, dass er selbst den nächsten Zug machen konnte, Herr des Clans – und damit dann auch der Familie - zu werden. Nur ein Narr hätte nicht gesehen, dass es unausweichlich geworden war, alle Dämonen unter einem Herrn zu vereinen. Und das wollte er, Naraku, sein. Dazu war es nur notwendig, die Furcht, ja, manchmal sogar den Hass, den die Dämonen des Clans gegenüber dem Drachen empfanden, weiter zu schüren und sich selbst als Alternative ins Gespräch zu bringen. Bislang hatte er das mit recht gutem Erfolg schon begonnen. Er galt als hart aber gerecht – und vor allem strafte er nie ohne Grund.

Ryuukossei war dagegen zu lange bedingungslos von seinem älteren Bruder geschützt worden, hatte stets ungestraft tun und lassen können, was immer er wollte, und so den Maßstab nie gelernt. Erst recht nicht, nachdem sein Bruder den alten Spinnendämon getötet hatte, der den Clan so lange angeführt hatte. Nach dem Duelltod des älteren Bruders gegen den Taishou war niemand außer Ryuukossei da gewesen, der diesen Platz gefordert hätte – und sich damit gegen den jungen Drachendämon gestellt hätte. Mittlerweile gab es noch immer niemanden und Naraku legte ebenfalls keinen Wert darauf. Stark war dieser ja, aber bedauerlicherweise geistig wie ein Kind. Ein sehr mächtiges, verzogenes Kind, das mit dem Leben der anderen Dämonen spielte wie ein Mensch mit Schmetterlingen.
 

Naraku saß fast zwei Stunden in seinem Büro, als Ryuukossei hereinkam. Er wirkte recht ausgeglichen und sein Berater empfand es als merkwürdig einfach Mitleid mit dem Menschen zu empfinden. Er hatte schon Leute, Dämonen, gesehen, die der Drache ins Verhör genommen hatte: „So ist er bereits tot, mein Herr?“

„Ja. Ich vergesse immer wieder, wie empfindlich diese Menschen sind. Nun gut. Er wusste nicht gerade viel. Was tust du hier?“

„Wie Sie wünschten überlege ich einen Plan, den Taishou samt seinem lieben Sesshoumaru in die Falle zu locken.“

Ryuukossei zeigte im Lächeln seine Zähne: „Dann überlege dir auch gleich, was mit seinem zweiten Kind passieren soll.“

„Wie bitte?“ Jetzt starrte ihn Naraku gegen alle guten Vorsätze an: „Hat Ihnen das Takemaru erzählt?“

„In der Tat. Als Hundi ihm sagte, dass er als Verräter aufgeflogen sei, erwähnte er auch ein zweites Kind. Und glaube mir, mein lieber Berater: der Gute war nicht mehr in der Lage mich anzulügen.“ Takemaru hatte doch tatsächlich gehofft sich damit das Leben zu erkaufen. Was für ein Narr.

Der Berater dachte laut nach: „Ein Junge oder ein Mädchen? Es müsste jünger als Sesshoumaru sein, ohne Zweifel, da dieser ja immer als Nummer Zwei gehandelt wird. Das würde auch erklären, warum man davon bislang nicht hörte. Das Kind ging wohl noch zur Schule.“

„Erspare mir deine Gedanken und erzähle mir lieber deinen Plan.“

Naraku dachte, dass es wohl wirklich besser für seine eigene Gesundheit war, dass der Drache seine Gedanken nicht kannte: „Eine unerwartete Möglichkeit. In der Zeitung steht, dass die Familie eine Spende an das städtische Waisenhaus gibt und zu diesem Zweck eine kleine Feier dort stattfinden soll. Den Scheck überreicht Sesshoumaru. Eine gute Gelegenheit ihn zu fassen. Haben wir ihn, wird sein Vater sicher…gesprächsbereiter sein. Nach dem, was Sie gerade über ein zweites Kind sagten, sollte man das auch suchen und zum gleichen Zeitpunkt bekommen.“ Die Zeit war knapp um alles herauszufinden, aber das würde schon gehen. Die meisten Dämonen fürchteten sich davor dem Herrn des Clans Versagen zu berichten. Nicht ohne Grund.

Ryuukossei nickte: „Ja, das klingt gut. Haben wir die Welpen muss der Taishou kriechen. Nicht, dass das die lieben Kleinen retten würde, nicht wahr? Ich kann Sesshoumaru nicht ausstehen. Such dir etwas aus, damit er schweißgebadet stirbt. Seinen Papi will ich mir allerdings persönlich vornehmen.“

„Und das zweite Kind?“

„Nenne es Kollateralschaden.“ Er ging.

Sein Berater sah ihm nach. Wenn der wüsste, dass dies der letzte Plan war, den er für ihn schmiedete und der erste gegen ihn, würde er selbst sicher das Schicksal Takemarus teilen.
 

Sesshoumaru behielt seine Miene bei, als ihm sein Vater seinen Halbbruder offiziell vorstellte. Er meinte nur: „Dann willkommen in der Familie“, wie er es zu jedem Neuen nach den Regeln sagen musste.

„Danke.“ Inu Yasha, der das nicht wusste, fand das eine recht freundliche Begrüßung. Um auch nett und höflich zu sein ergänzte er: „Nii-san.“

Der Taishou bemerkte das leichte Zusammenzucken seines Ältesten. Nein, „mein älterer Bruder“ genannt zu werden war der weder gewohnt noch wollte er es. Aber es war eine höfliche Anrede und so würde er kaum etwas dagegen unternehmen können. So meinte er eilig: „Komm, Inu Yasha. Ich werde dich noch den engsten Mitarbeitern entsprechend vorstellen.“

„Oyakata-sama!“ Myouga platzte in die Familienrunde, sichtlich aufgeregt: „Man hat soeben…oh, Verzeihung…“

„Ich komme. – Bis gleich.“

Er ließ seine beiden Söhne allein, für Sesshoumaru ein deutliches Zeichen, dass sein Vater trotz allem den Halbdämon nicht in die Geschäfte einbeziehen wollte. Etwas beruhigt darüber erklärte er daher kühl: „Ich möchte eines klarstellen, Inu Yasha. Mein verehrter Vater hat beschlossen dich anzuerkennen. Meine Loyalität gilt ihm und der Familie und so akzeptiere ich das. Solltest du jedoch gegen ihn oder die Familie etwas unternehmen, werde ich unverzüglich eine Verhandlung gegen dich beantragen. Und glaube mir, er wird objektiv entscheiden. Auf Verrat steht der Tod.“

Das war eine Drohung – oder eine Warnung? Inu Yasha starrte ihn an. Was sollte das? Dann fiel ihm ein, dass dieser Ryuu…dieser Drache wohl ein Gegenspieler war. Nahm Sesshoumaru etwa an, er würde für den arbeiten? Nun ja, da war dieser seltsame Beinahe-Unfall gewesen….So erwiderte er etwas spöttisch: „Keine Sorge. Ich habe mein Leben lang meinen Vater vermisst. Und ich habe keine Lust, ihn gleich wieder zu verlieren.“ Nein, ein netter großer Bruder war das wohl nicht. Der mochte keine Halbdämonen. Als richtiger Dämon hätte er wohl bessere Chancen auf brüderliche Zuneigung gehabt. Aber schön, er hatte nie einen großen Bruder besessen, also brauchte er auch in Zukunft keinen. Und vielleicht war dieser so kühl wirkende Typ auch schlicht eifersüchtig? Immerhin musste er Vaters Zeit und Zuneigung jetzt teilen.

Der junge Hundedämon hätte um ein Haar den Kopf geschüttelt. Wie ungemein menschlich das gedacht war. Hatte diese halbe Portion denn gar keine Ahnung von ordnungsgemäßem, dämonischem Benehmen? Anscheinend nicht. Da stand chichi-ue und einigen anderen Dämonen wohl eine gewisse Lehrzeit bevor. Ihm selbst nicht, hatte sein verehrter Vater doch glücklicherweise zugestimmt, dass er sich nicht mit ihm befassen musste. So wandte er sich nur ab und trat an das Fenster.

Inu Yasha nahm das zur Kenntnis. Nein, mögen tat der ihn nicht. Naja. Warum hätte er auch sollen. Sie sahen sich heute zum ersten Mal als Geschwister. Und, wenn er ehrlich war, war auch er nicht gerade in der Laune diesen Typen zu umarmen und liebevoll aufzunehmen. Vielleicht, irgendwann, wenn sie sich besser kennen gelernt hatten….immerhin teilten sie ja doch die Hälfte ihres Blutes.
 

Der Taishou hatte unterdessen den Bericht mit unbewegtem Gesicht entgegengenommen: „Ich habe mir gedacht, dass Ryuukossei ihn vielleicht töten würde. Aber das….“

„Das soll der Herr des Clans selbst gewesen sein“, bestätigte Royakan nervös: „Der…nun, ich erfuhr es über einige Ecken. Aber meine Informanten bestätigten immer wieder, dass Ryuukossei solche…Dinge persönlich mache.“

„Und ich ….Nun, ich habe ihn unterschätzt. Oder eher seine Grausamkeit. Dann hätte ich Takemaru selbst getötet. Sauber und schnell. Ein solcher Fehler wird mir nicht mehr unterlaufen.“ Der Taishou sah für einen Moment ins Leere: „Dieser Naraku…“

„Nein, Oyakata-sama. Solche Entscheidungen obliegen allein dem Herrn des Clans.“

„Ich verstehe.“ Ein Krieg wurde wohl langsam unausweichlich – außer Naraku würde seinen Herrn verraten und einen Putsch im Interesse des Clans unternehmen. Ryuukossei bedeutete eine wirkliche Gefahr für die Personen um ihn und alle anderen, die in seinem Weg standen. Schon sein Bruder war ein Sadist gewesen und er schien ihm in nichts nachzustehen. Leider hatte er aus der Vergangenheit gelernt und ihn, den Herrn der Hunde, bislang nicht zu einem Duell herausgefordert. Er hätte ihn gern um aller Dämonen willen ebenfalls in die Unterwelt befördert. „Dann komm, Royakan. Und auch du, Hatchi. Ich möchte euch meinen zweiten Sohn vorstellen.“

Ohne ihr Erstaunen zu zeigen folgten die beiden Dämonen dem Herrn der Hunde.
 

Inu Yasha trat von einem Fuß auf den anderen. Er stand schon seit halb sechs vor dem Museum, aber er hatte doch um jeden Preis pünktlich sein wollen.

Zum Glück hatte er im Hotel frei bekommen. Herr Shima wusste noch nicht, wer sein Vater war, und er hatte auch darum gebeten, das so zu lassen. Er wollte doch sein Praktikumszeugnis nicht nur der Tatsache verdanken der Sohn des Besitzers zu sein. Der Taishou, nein, sein Vater, hatte das mit einem leisen Lächeln versprochen und, wenn er sich nicht verguckt hatte, hatte sogar für einen Moment in Sesshoumarus Blick etwas Freundlichkeit gelegen, obwohl der ihn gewöhnlich kaum ansah. Anscheinend wartete der nur auf einen Fehler seinerseits um ihn anklagen zu können.

Inzwischen hatten Royakan und Myouga die Aufgabe erhalten ihn soweit auszubilden, dass er die Spielregeln, ja, Gesetze, der Dämonenwelt kennen lernte. Und davon, das gab er zu, hatte er sehr wenig Ahnung. In einem hatte Sesshoumaru jedenfalls Recht gehabt: Verrat galt als das schlimmste Verbrechen. Insgesamt gesehen gab es eine viel striktere Hierarchie als unter Menschen und bedingungslosen Gehorsam – gegen Schutz. Eigentlich recht altmodisch, wenn er sich das so recht überlegte. Wie alt sie wohl alle waren? Er selbst war ja bislang wie ein Mensch gealtert. Würde jetzt, wenn er erwachsen wurde, seine dämonische Seite übernehmen? Wie alt konnte ein Halbdämon eigentlich werden? Und wie alt ein Dämon? Sesshoumaru wirkte kaum fünf Jahre älter als er, aber das würde nicht stimmen. Und wie alt war dann gar Vater?

„Inu Yasha?“

Er fuhr herum: „Kagome! Ich habe dich nicht kommen gesehen.“

„Das habe ich bemerkt“, lächelte sie: „Und das bei deiner guten Nase? So in Gedanken?“

„Ja. Es ist in den letzten Tagen unheimlich viel passiert. – Wo ist jetzt das Eiscafé?“

„Ja? - Komm, da nach links. Erzählst du es mir?“

Er zögerte einen Moment, ohne Ahnung, wo er anfangen sollte, ehe er einfach herausplatzte: „Ich habe jetzt eine Familie.“

Das Mädchen erstarrte und wandte sich ihm zu: „Du, darüber macht….nein, du machst keinen Scherz.“

„Nein. Ich weiß jetzt, wer mein Vater ist. Und ich habe einen Bruder. Naja. Halbbruder.“

„Dann hoffe ich, dass sie nett zu dir sind. Weiß es denn Kikyou-sama schon?“

„Ja, klar. Der Taishou sagte es ihr selbst.“

Das waren ja wirklich aufregende Neuigkeiten und so sprudelte es aus ihr heraus: „Der Taishou? Du meinst, den Herrn der Hunde, den Chef der Familie? Und der hat sich selbst bemüht, Kikyou diese Neuigkeit mitzuteilen? Wer ist denn dein Vater? Ist er so wichtig unter den Dämonen?“

Er rieb sich ein Ohr: „Äh, ja, kann man so sagen. Ich meine, ER ist mein Vater.“

„Der Taishou ist dein Vater?“ Sie klang ungläubig. Natürlich wusste sie, dass das einer der reichsten und mächtigsten Männer der Welt war – aber ausgerechnet Inu Yasha? Das wäre ja Aschenputtel hoch drei.

„Ja. – Er ist sehr nett, denke ich. Ich meine, ich kenne ihn ja erst seit ein paar Tagen…“

Sie nahm sich zusammen: „Schon klar. Wie kam er denn darauf? Ach so, du hast ihn ja im Hotel getroffen…“

„Ja. Und ihm fiel mein Name auf.“ Mehr wollte er dazu nicht sagen. So fuhr er fort: „Sesshoumaru, das ist mein Halbbruder, ist dagegen nicht so nett.“

„Er ist wohl eifersüchtig.“

„Ja, möglich. Dabei tue ich ihm ja nichts…“

„Das ist nun einmal so. Nicht alle Leute sind freundlich.“ Sie lächelte: „Und er muss sich wohl auch erst an den Gedanken gewöhnen, einen kleinen Bruder zu haben. Wobei ich natürlich nicht weiß, wie das bei Dämonen so ist. Oh nein….“

Das galt drei Dämonen, die ihnen entgegenkamen. Kouga und seine zwei ständigen Begleiter Ginta und Hakakku.

Mist, dachte Inu Yasha nur. Das war es also mit seinem ersten Rendezvous.

Der Wolfsdämon blieb auch vor ihnen stehen: „Kagome, schön dich zu sehen. Du solltest nur aufpassen, in wessen Begleitung du gesehen wirst. Saubere Umwelt, sozusagen.“

„Ich gehe einmal davon aus, dass du dich dafür hältst“, fauchte sie unverzüglich: „Aber, danke, da ziehe ich noch einen der städtischen Abwasserkanäle vor.“

„Man merkt es an deinem Nachbarn. Na, Köter?“

Inu Yasha zwang sich zur Ruhe. Mutter und Kikyou hatten ihm immer gepredigt, er solle sich nicht provozieren lassen. Wie das sein Vater oder Dämonen im Allgemeinen sehen würden, wusste er nicht, aber es war sicher besser kein Aufsehen zu erregen: „Hast du eigentlich nichts anderes zu tun als auf der Straße andere Leute blöd anzumachen?“

„Lauf doch weg!“

„Komm, Inu Yasha“, sagte Kagome energisch: „Ich habe keine Lust, mir mein Abendessen verderben zu lassen. Gib den Weg frei, Kouga.“

Der zögerte kurz. Wäre der halbe Hund allein gewesen hätte er den Befehl zum Angriff gegeben. Leider hatte er selbst durchaus ein Faible für die temperamentvolle Schülerin und wollte in ihren Augen gut dastehen. Warum auch immer sie ein Herz für diesen lahmen Halbköter entdeckt hatte. „Weil du es bist“, meinte er darum nur und ging weiter.

Auch das Paar machte sich wieder auf den Weg.

„Das ist mir echt unangenehm“, gestand der Halbdämon nach einer Weile.

„Dass dich diese Idioten dauernd anmachen?“

„Nein, dass du mich beschützt.“

Sie holte Atem. Das hatte ja kommen müssen: „Hör zu. Ich bin sicher, du könntest dich gegen Kouga allein wehren, vielleicht ihn sogar in einem Kampf bezwingen. Aber der ist nie allein. Und gegen mindestens drei tust du dich sicher ziemlich schwer. Ich bezweifele nicht deinen Mut oder deine Stärke. Manchmal ist es eben besser, der Gewalt auszuweichen.“

„Du klingst wie Kikyou.“

„Oh.“ Kagome wurde etwas rot um die Nase. Wer wurde schon gern mit der Pflegemutter eines anderen verglichen? „Da ist das Café“, lenkte sie daher ab: „Gehen wir hinein. Und dann erzähle ich dir einmal, was ich so den ganzen Tag getrieben habe.“
 

Fast eine Stunde lang saßen die beiden Teenager an ihren Eisbechern und unterhielten sich über ihre Praktika und die Schule, alle zwei bemüht neutrale Themen zu wählen. Dann fiel Kagome versehentlich der Löffel aus der Hand. Viel schneller als ein Mensch griff Inu Yasha zu – und erwischte sowohl den Löffel als auch die Hand seiner Begleiterin, die instinktiv nachgefasst hatte.

Für beide fühlte sich die Berührung wie ein Stromschlag an.

Ohne sie loszulassen starrte der junge Halbdämon sie an. Ihre Augen waren so groß, so dunkel...sie war so hübsch, so warmherzig, so klug....

Sie sah auch ihn an. Dieser Blick in dem seltsamen Goldton zeigte nur zu deutlich, dass er kein Mensch war – aber was machte das? Ihr Herz schlug bis zum Hals. Irgendetwas schien mit ihrer Stimme los zu sein, denn sie konnte kein Wort herausbringen. Unbewusst öffnete sie etwas den Mund, unfähig sich zu bewegen, ihre Hand zurückzuziehen oder auch nur den Blick abzuwenden. Ob Inu Yasha auch so heiß war wie ihr?

Ihm ging es ähnlich. Eine solche Hitze in sich hatte er nie zuvor gespürt, niemals sich ohne eigenen Willen im Blick eines anderen verloren.

„Ihr solltet zahlen, meine Schicht endet.“ Die nüchterne Stimme der Kellnerin brach abrupt den Zauber.

Kagome spürte, dass ihre Hand freigegeben wurde und wandte sich eilig zu ihrer Handtasche, um ihre Geldbörse zu suchen. Oh ihr Götter! Er musste sie jetzt für komplett verblödet halten. Wie lange hatte sie ihn einfach angestarrt? Das war ja so peinlich! Bestimmt würde er jetzt nie wieder etwas mit ihr zu tun haben wollen. Wie konnte sie sich auch so unmöglich benehmen.....

Sie bezahlte und verschwand mit einigen gemurmelten Worten, sicher, dass dieser Junge sie nie wieder treffen wollte. Und sie war doch etwas überrascht, dass diese Erkenntnis so weh tat. Inu Yasha...
 

Kikyou hörte, dass Inu Yasha nach Hause kam und fragte: „Nun, wie lief das....“

Sie brach ab, denn der junge Halbdämon stürmte förmlich an ihr vorbei, in sein Zimmer, ließ die Tür hinter sich zufallen, so laut es nur ging, ohne sie zu zerstören. Oh je, dachte sie nur. Das hatte sie befürchtet. Er hatte sich zu viele Hoffnungen gemacht. Sollte sie ihm nachgehen? Nein, damit musste er wohl selbst fertig werden.

Er warf sich auf seine Matten. Wie dämlich konnte man sich nur anstellen? Er musste Kagome minutenlang wie ein Blödian angestarrt haben. Das war ja so peinlich! Sicher würde sie ihn jetzt nicht nur für einen hirnlosen Vollidioten halten sondern auch nie wieder etwas mit ihm zu tun haben wollen. Er hatte alles vermasselt, was nur ging. Und nie zuvor hatte er solch einen brennenden Schmerz im Herzen gespürt...

Kagome....
 

Naraku trat mit regungslosem Gesicht in das Büro seines Herrn. Immerhin war der Drache seit der Strafaktion gegen Takemaru wieder ruhiger. Ab und an schien der Morde oder Gewalt wie eine Droge zu benötigen – was die Meinung des Beraters bestärkte, dass es besser wäre, Ryuukossei auf eine Schnellstraße ins Jenseits zu setzen.

„Du hast einen Plan?“ Der Drachendämon lehnte sich zurück und verschränkte die Hände.

„In der Tat.“ Er setzte sich vor den Schreibtisch: „Es könnte Sie interessieren, dass das zweite Kind des Taishou aller Wahrscheinlichkeit nach ein Halbdämon ist.“

Ryuukossei grinste breit: „Nicht möglich! Hat sich Hundi mal mit unerwarteten Folgen im falschen Bett amüsiert? Wie peinlich für ihn. Also ein Junge?“

„Ja. Vermutlich handelt es sich um einen Praktikanten im Grand Hotel. Er wurde einige Male mit dem Taishou gesehen. Sein Name ist Inu Yasha.“

„Schnapp ihn dir.“

„Natürlich. – Am Freitagabend, morgen Abend, ist, wie erwähnt, die kleine Feierstunde im Waisenhaus. Sesshoumaru wird dort sein, aller Wahrscheinlichkeit nach wieder ohne Leibwächter. Er mag sie nicht.“

„Ich auch nicht. Genauso gut könnte man zahme Feldmäuse an der Leine mitführen. Dennoch ist es leichtsinnig.“

„Das wird er dann wohl lernen. Gleichzeitig werden andere Männer diesen Inu Yasha gefangen nehmen. Haben wir seine beiden Söhne wird auch der Herr der Familie williger gestimmt sein.“

Der Drachendämon lächelte: „Er ist ein Vollidiot und wird dann tun, was ich will. Hm. - Weiter.“

„Nun, da Sie erwähnten, den Taishou in die eigenen Klauen nehmen zu wollen – man könnte ihn zu den Lavafeldern zitieren, um ein Duell mit Ihnen zu bestreiten.“ Diese lagen drei Stunden vor der Stadt und waren unter Dämonen für Kämpfe beliebt, zumal sie weit genug entfernt lagen trotz gelegentlich ausgelöster Vulkanausbrüche nicht die menschliche Stadt zu bedrohen.

Ryuukossei setzte sich abrupt auf, die Hand drohend erhoben: „Bist du bescheuert? Glaubst du, ich habe vergessen, was dieses höllische Schwert anrichten kann, das er besitzt? Mein armer Bruder hat das nur zu deutlich zu spüren bekommen!“

„Bitte, beruhigen Sie sich, mein Gebieter. Alles, was man tun muss, ist doch zu verhindern, dass er dieses Schwert einsetzt, nicht wahr?“

Der Drachendämon lächelte wieder entspannt, ohne zu ahnen, dass seine Stimmungsschwankungen bei seinem Ratgeber immer dringender den Wunsch nach einem Umsturz weckten: „Nun ja, da wären seine Welpen….“

„In der Tat. Und eine kleine, zweite Sicherung, wenn ich vorschlagen dürfte. So wäre das Duell doch sicher zu gewinnen, bei Ihrer bekannten Stärke.“

„Natürlich. Es ist das Schwert, das mir Kopfzerbrechen macht, nicht der Besitzer.“

„So habe ich Ihre Erlaubnis?“

„Ja. – Welchen Tod hast du für Sesshoumaru und den Kleinen vorgesehen?“

„Wie Sie es wünschten. Sie werden wissen, was sie erwartet und nichts daran ändern können. Ich werde mich dann einmal um die Bannfesseln kümmern und entsprechende Dämonen aussuchen.“

„Das klingt wirklich hervorragend, mein lieber Naraku.“

Der Berater erhob sich. Nun, der Taishou und seine Welpen würden bald entgegen gesetzter Meinung sein.
 

**

Freitag Abend setzt der Clan den Plan des Beraters in die Tat um: Entführung.
 

bye

hotep

Entführung

When the storm arrives

Would you be seen with me

By the merciless eyes I've deceived?
 

Chris Cornell: You know my name
 

Inu Yasha ging vom Hotel zur U-Bahn ohne sich umzudrehen, als er sein Handy ausschaltete. In der U-Bahn würde es sowieso nicht funktionieren und er wäre bald zuhause. Kagome würde ihn sicher nie mehr anrufen...Sollte er? Aber wie sah das aus? Als ob er ihr wie ein Hund hinterherlaufen würde? Sollte er sich das noch deutlichere Nein wirklich anhören?

Derart in Gedanken entgingen ihm auch die fünf Dämonen, die ihm folgten, rasch aufholten, als ein Lieferwagen langsam neben dem jungen Halbdämon fuhr. Der war ein wenig darüber erstaunt, nahm aber an, der Fahrer wolle ihn nach dem Weg fragen und blieb stehen. Seine Mutter und Kikyou hatten ihn in menschlichem Umfeld aufgezogen und er hatte gerade erst gelernt, dass unter Dämonen noch immer Duelle üblich waren – um Ehre, aber auch um Kriege zu ersparen. So war er nur mehr erschreckt, als er plötzlich gepackt wurde, sich etwas brennend Anfühlendes um seinen Hals schlang. Er versuchte loszukommen, aber die fünf Dämonen des Clans hatten sich abgesprochen, rissen seine Arme nach hinten und banden seine Handgelenke ebenfalls mit Bannfesseln, froh, diese los zu sein. Selbst durch die Handschuhe hatten sie geschmerzt.

„Was soll das…?“ brachte Inu Yasha hervor, aber einer zog schon die Tür des Lieferwagens auf, vier andere warfen den Jungen mehr oder weniger hinein.

Der Halbdämon trat um sich, wollte fliehen, aber dann sprangen zwei buchstäblich auf ihn um ihn zu halten, während die Partner die Füße aneinanderfesselten, dann diese an seine Hände, so dass er rückwärts zusammengebogen auf dem Bauch liegen musste.

„Meine Güte“, meinte ein Dämon: „Der ist ganz schön stark für so eine halbe Portion.“

„Sei lieber froh, dass wir DIESEN Auftrag bekommen haben“, betonte ein anderer und rieb sich die Krallenspuren auf dem Oberkörper: „Immerhin haben wir ihn und leben. Gib schon auf, Kleiner. Ryuukossei-sama will dich sehen.“

Ryuukossei? Das war doch der Anführer des Clans? Der auch im Casino gewesen war? Was sollte das? Er stellte die Frage laut und ergänzte: „Kikyou hat sicher kein Geld für eine Lösegeldzahlung.“

„Kikyou? Red keinen Unsinn. Du brauchst uns nicht weismachen wollen, dass wir den falschen Halbdämon hätten.“ Die Tür des Lieferwagens wurde zugeschlagen und er blieb im Dunkeln, während das Auto anfuhr.

Also wussten sie nichts von Kikyou? Aber natürlich. Er hätte sich selbst ohrfeigen mögen. Der Clan und die Familie. Es ging um Vater. Sie würden den erpressen wollen. Verdammt.

Und was waren das für Fesseln? Es tat weh, selbst wenn er sich nicht bewegte. Dann erkannte er es. Kikyou konnte das auch: die läuternde Energie einer mächtigen menschlichen Priesterin oder eines Priesters. Diese Mistkerle hatten sich gut vorgesehen. Erstaunlich, dass sie die Bannketten überhaupt transportieren und benutzen konnten. Immerhin waren sie doch auch Dämonen.

Aber das sollte weniger sein Problem sein. Er musste diese Fesseln loswerden und irgendwie aus diesem Auto verschwinden. Ryuukossei ließ sicher nicht den Sohn seines Gegenspielers entführen, um mit ihm eine Tasse Tee zu trinken.

Irgendwie kam er sich gerade wie in einem Film vor – nur war das hier leider Ernst. Er sollte sich wirklich etwas einfallen lassen. Bloß was? In Filmen half ja immer der Drehbuchschreiber mit, aber da waren auch keine Bannketten und keine Dämonen.
 

Verdammt, war das peinlich hier wie ein Paket transportiert zu werden. Hoffentlich fiel ihm etwas ein, hoffentlich würde Vater ihn vermissen und suchen, wenn er nicht zu Kikyou zurückkehrte. Er versuchte erneut die Fesseln zu zerreißen, aber er lernte rasch, dass er sich nur selbst dadurch Schmerzen zufügte. Es würde eine Chance geben, ganz sicher. Er war ein Halbdämon und sie würden ihn unterschätzen, das war ja immer der Fall.
 

Endlich hielt das Auto und er bekam ein eigenartiges Gefühl im Magen. Was immer mit ihm passieren sollte - es würde jetzt geschehen. Hoffentlich würden sie ihn nicht einfach umbringen wollen….

Zwei Dämonen zerrten ihn nicht sonderlich rücksichtsvoll aus dem Wagen und warfen ihn auf den Boden. Inu Yasha erkannte, dass er sich wohl in einem leeren Lagerhaus befand, in das sie hinein gefahren waren. Alles hier roch alt und verstaubt.

Jemand rief: „Ah, sehr schön. – Schlagt ihn zusammen, bis er bewusstlos ist. Und du filmst. Dann bringt ihn ins Büro.“

„Reizender Empfang“, entfuhr es dem Jungen. Er wollte seine Angst nicht zeigen.

„Noch immer mit dem Mund vorneweg?“ fragte einer der Männer: „Das wird sich gleich ändern.“

Zwei zogen ihn auf, so dass er in Anbetracht seiner Fesselung knien musste.

Verdammt, dachte er. Die meinten das ernst. Er kannte solche Lagen von Zusammentreffen mit Kouga und seiner Bande. Als die Dämonen zuschlugen war alles, was ihm blieb, sich möglichst schlaff zu machen, um den Schlägen und Tritten nicht noch Widerstand zu bieten. Aber er bereute seine Fähigkeit viel einstecken zu können. Bis er bewusstlos wurde dauerte es lange. Sehr lange.
 

Die kleine abendliche Feierstunde im Waisenhaus war nur von den Kindern und Lehrern sowie zwei Reportern besucht, die die Scheckübergabe am nächsten Tag in die Zeitung setzen würden. Sie beobachteten das kleine dunkelhaarige Mädchen, das dem Dämon einen Strauß Blumen überreichte und ihn fasziniert anstrahlte. Sesshoumaru stellte fest, dass er es nicht fertig brachte den Strauß nicht zu nehmen, zumal es diese Menschen ja wohl nur gut gemeint hatten und Rin ihn schon wieder so anlächelte…

So nahm er mit seiner Dämonenklaue behutsam die Blumen aus den Fingern des Mädchens.

Dieses Lächeln. Warum nur hatte es so eine Wirkung auf ihn? Noch keine Menschenfrau oder ein anderes Wesen dieser erbärmlichen Rasse hatte das vermocht. Und doch glaubte er plötzlich seinen Vater zu verstehen. War es dem mit Izayoi ähnlich ergangen? Nicht, dass er in diesem Kind eine Lebensgefährtin erkennen konnte. Aber dieses Lächeln faszinierte ihn. Wusste sie nichts von Dämonen oder war es ihr gleich? So offen, so freundlich…. Er nahm sich zusammen und legte die Blumen auf den Tisch. Da ein Schatten über das kleine Gesicht huschte, sah er sich gezwungen zu erklären:

„Ich nehme die Blumen später mit, Rin. Jetzt muss ich das Geld überreichen.“

Sie nickte ernsthaft, sichtlich nicht in Erwägung ziehend, dass er lügen würde. So machte sie nur eine Verneigung, wie es ihr gesagt worden war, ehe sie sich zurückzog.

Die beiden Reporter blickten sich an. Sie hatten schon einige offizielle Termine der Familie begleitet. Der Taishou selbst dachte an so etwas, aber sein Sohn war bisher eher weniger durch Menschenfreundlichkeit aufgefallen. Nun, er hatte auch derartige Treffen in der Regel nicht wahrgenommen. Änderte der sich etwa, wurde erwachsener?

Während der formellen Scheckübergabe dachte Sesshoumaru zum ersten Mal daran, dass ein kleiner Halbdämonenbruder auch positive Seiten haben könnte. Derartige Termine konnte doch auch der wahrnehmen, nun, solange es nicht um dieses Waisenhaus ging. Das würde er sich selbst vorbehalten. Doch. Das war eine gute Idee. Vater wäre sicher angetan. Der Halbdämon fühlte sich einbezogen und konnte doch nichts gegen die Interessen der Familie unternehmen. Denn für ihn selbst stand eigentlich fest, dass Ryuukossei den beeinflusste oder gar gekauft hatte, gleich, ob Inu Yasha das wusste oder nicht. Dazu war diese Stelle als Praktikant zu gezielt ausgesucht worden, direkt vor Vaters feine Nase. Zu wohl gezielt. Daneben der Anschlag, die weitergegebenen Informationen…Nein. Mochte Vater auch Takemaru für den allein Schuldigen gehalten haben – er selbst würde ein mehr als wachsames Auge auf den ach so unschuldigen Kleinen haben.

Er überreichte den Scheck, duldete die Dankesreden, ehe er noch einige Worte pflichtgemäß mit den Reportern wechselte. Dann verließ er die Versammlung, nicht ohne die Blumen mitzunehmen, eine Geste, die von Rin erneut mit einem aufstrahlenden Lächeln belohnt wurde. Sie sollte nicht in diesem Waisenhaus sein, dachte er plötzlich.
 

Im Park war es noch hell, war es doch fast die Zeit der Tag- und Nachtgleiche, auch, wenn man hier in der Stadt nur wenig davon mitbekam. Manchmal vermisste er das Leben draußen, das ungebundene Streifen durch die Wälder, aber das war eben der Preis gewesen, den die Verträge mit den Menschen forderten. Man musste sich mit ihnen abfinden. Oder nicht einmal nur das. Da war dieses Lächeln, das ihn wärmte, wie nie etwas zuvor...

Rin. Nein, sie sollte nicht da mit all den anderen im Waisenhaus sein. Nur, was konnte er schon tun, außer Geld zu geben und sie ab und an zu besuchen? Immerhin lebte die Familie ja nun in dieser Stadt. Was konnte er nur sonst noch für sie tun? Er ging zu seinem Auto und schloss auf, als er herumfuhr, alarmiert durch das nahe Gefühl anderer Dämonen. Zu nahe.

Er ließ die Blumen fallen, als er endlich verstand, dass er umzingelt worden war, zu sehr gedankenverloren wie er gewesen war. Und es gehörte keinerlei Phantasie dazu zu erkennen, dass das zehn Männer des Clans waren – und was die hier wollten.

Er war seit Kindertagen in Schwertfechten und Nahkampf ausgebildet worden – und er war ein Dämon nach Dämonenart erzogen. Er hatte keine Skrupel zu töten und setzte seinen Klauenangriff ohne zu zögern ein. Aber auch, wenn er stark war – gegen eine zehnfache Übermacht sahen seine Chancen nicht gerade gut aus.

Er spürte die Bewegung hinter sich und erkannte, dass er einen Dämon aus den Augen verloren hatte. Aber da war es zu spät. Etwas schlang sich wie eine Schnur um seine Kehle, brennend, schmerzend, läuternd. Er wollte herumfahren, aber andere packten mit zu, rissen ihn nieder, seine Hände auf den Rücken, während sich ein Knie in seine Rücken drückte, seinen Oberkörper mit dem magischen Band um seinen Hals so quälend zurückzog. Seine Hände steckten nun auch in schmerzenden Bannfesseln. Sie hatten sich gut vorgesehen.

„Fünf Kameraden hast du umgebracht“, sagte jemand: „Ryuukossei-sama wird nicht erfreut sein. Aber das sind deine Probleme.“

„Du kennst meinen Namen!“ brachte Sesshoumaru heraus, während er erneut versuchte, die letzten Fünf von sich abzuschütteln. Sein Name bedeutete: der perfekt tötet. Also wirklich der Clan. Und das besagte, der Drache wollte entweder seinen verehrten Vater mit ihm erpressen oder sich an diesem rächen. Beides würde ihm selbst erhebliche Schwierigkeiten einbringen. Denn Vater würde sich nicht erpressen lassen. Er konnte nur mehr hilflos spüren, dass auch seine Füße gefesselt waren, nun mit seinen Händen verbunden wurden, so dass er zusammengekrümmt auf dem Bauch liegen musste. Diese Bannketten hatte ein Mensch fabriziert – und ein leider sehr fähiger dazu. Wann würde Vater ihn vermissen, wenn er von dem Termin nicht in das Hotel zurückkehrte? Sicher würde er ihn suchen lassen – aber Ryuukossei würde ihn verstecken wollen.

Sie hoben ihn zu fünft empor und warfen ihn in einen Kofferraum. Wo war dieses Auto hergekommen? Er hatte es im Kampf nicht bemerkt. Dafür würde er sie auch noch töten, wenn er nur eine Hand freibekam. Während der Deckel geschlossen wurde und der Wagen anfuhr, versuchte er die Bannketten loszuwerden. Er verfügte durchaus wie jeder Dämon über eigene Magie, aber er musste feststellen, dass er scheiterte. Er vermochte nicht einmal seine wahre Gestalt anzunehmen.

Fast eine halbe Stunde später hielt das Auto und er spürte ein eigenartiges Gefühl im Magen, das er rasch verdrängte. Er war es sich, Vater und der Familie schuldig keine Angst zu zeigen. Wieder packten ihn fünf Dämonen, die sich gewöhnlich winselnd im Eck verkrochen hätten, wären sie ihm einzeln gegenübergestanden und zerrten ihn aus dem Kofferraum, eine Rampe empor, in einen Büroraum. Das war ein altes Lagerhaus am Hafen. Würde man ihn hier finden?

Wie ungemein peinlich so durch die Gegend geschleift zu werden, nun mit dem Gesicht nach unten auf den Boden geworfen zu werden – vor die Füße eines Mannes, den er auch so erkannte. Das war Ryuukossei. Verdammt. Dieser Mistkerl…
 

„Wie schön, dass du mich besuchen kommst, Sesshoumaru“, sagte der höhnisch: „Ich hoffe, du hast einen angenehmen Aufenthalt. – Zieht ihn auf.“

Der junge Hundedämon fühlte sich zum Knien emporgezogen. Das klang nicht gerade verheißungsvoll. Er konnte sich nicht selbst von den schmerzenden Bannfesseln befreien und der Drache war nicht gut auf die Familie zu sprechen. Vater….er durfte ihm doch keine Schande machen. Das dort musste Naraku sein, der Berater. Und wer war der junge Dämon daneben, der fast gedankenverloren etwas auf dem Schreibtisch in Alufolie wickelte? Zwei Männer hielten ihn nun fest und Ryuukossei trat zu ihm. Er sah zu ihm auf. Auch, wenn er knien musste – er würde keine Angst zeigen.

Der Drache lächelte: „So stolz? Mal sehen, was davon in, sagen wir, einer halben Stunde noch übrig ist.“

„Was willst du?“

„Nur deinen Tod. Bin ich nicht bescheiden? Aber leider kann ich dich erst töten, wenn dein lieber Papi tut, was ich will. Er könnte ja auf die Idee kommen, ein Lebenszeichen von dir zu wollen. Nun ja, das bekommt er auch gleich. – Hast du die Kamera fertig?“

„Ja“, sagte jemand, den Sesshoumaru nicht sehen konnte.

Er begriff. Sie würden ihn misshandeln – und seinem verehrten Vater den Film senden um ihn zu erpressen. Nein, er musste sich zusammennehmen…

Jemand trat gegen seine Rippen. Wenn ihn die anderen nicht festgehalten hätten, wäre er seitwärts gestürzt.

Der Drache lächelte: „Du kannst ruhig fester zutreten. Das bringt ihn nicht um.“

Der Dämon gehorchte. Diesmal gaben die anderen beiden Sesshoumaru frei und er stürzte mit dem Gesicht auf den Betonboden, schürfte mit der Wange darüber. Das tat weh, aber schmerzhafter war die Demütigung hilflos diesem minderwertigen Pack ausgesetzt zu sein.

Er wollte sich instinktiv zusammenziehen um die empfindlichen Körperteile zu schützen, aber der scharfe Schmerz der Bannfesseln erinnerte ihn nur zu deutlich daran, dass das ihm versagt war. Wieder traten sie zu und diesmal hörte er das unnatürliche Knacken im linken unteren Rippenbogen, noch ehe er unter der jähen Qual aufstöhnte.

„Gut so. Schrei jetzt noch ein bisschen, “ forderte ihn jemand auf. War das der Drache?

Sie zerrten ihn an der Halsfessel wieder empor. Ein Dämon schlug ihn rechts und links ins Gesicht, zweimal mit der flachen Hand, dann mit der Faust. Erneut stürzte der junge Hundedämon auf den Boden. Sein Kiefer schmerzte und er spürte den metallischen Geschmack nach Blut.

Wieder wurde er hochgezogen, wieder und wieder…
 

Endlich ließen sie von ihm ab. Er bemühte sich flach zu atmen, um die gebrochenen Rippen nicht noch mehr zu belasten. Seine Kehle schmerzte durch das Ziehen an der Halsfessel. Luft bekommen war zu einer Mühsal geworden. Das alles würde bald heilen, das wusste er, ebenso wie die Schürfwunden und Prellungen im Gesicht, aber es war fraglich, ob er diese Zeit erhalten würde.

Etwas in ihm trieb ihn dazu, sich trotz der Schmerzen aufzurichten, nicht liegen zu bleiben. Leider bedeutete das in Anbetracht seiner Fesselung, dass er vor Ryuukossei knien musste – dafür würde er den Mistkerl umbringen, wenn er nur wieder je ein Schwert in die Hand bekam. Für alles hier.
 

Die Tür wurde geöffnet und zwei Dämonen schleppten einen weiteren Gefangenen herein.

Sesshoumaru war für einen Moment überrascht. Inu Yasha? Was wollten sie denn mit dem Bastard hier? Er war ebenso gefesselt wie er selbst und nach seinem Gesicht zu urteilen war der ebenfalls geschlagen worden. Wollte ihm der Drache eine Falle stellen? Ja, das musste es sein. Um ihn zum Reden über die Familie zu bringen, taten sie so, als ob das Halbblut ebenfalls gefangen wäre. Denn es gab keinen anderen Grund, warum sie den Jungen hergeholt haben sollten. Entweder war er in den Diensten des Clans oder er war unschuldig. Da er keine Ahnung von der Familie hatte, würde er in letzterem Fall auch nichts sagen können.

„Keh!“ machte Inu Yasha matt, als er seinen Halbbruder entdeckte. Nein, den hatten sie auch nicht gerade freundlicher behandelt als ihn. Diese Mistkerle…Und man warf ihn neben ihn, vor diesen Ryuukossei.

„Das reinste Familientreffen“, lächelte der: „Gut. Schneide die Filme zusammen und bringe sie dem lieben Papi in das Hotel. – Und ihr zwei Hübschen: ich werde euch erzählen, was nun passieren wird. Ich erzähle den Leuten gern wie sie sterben werden, das macht die Sache spannender, finde ich.“

Sesshoumaru richtete sich unwillkürlich etwas auf, soweit es seine Fesseln und die Schmerzen gestatteten: „Du willst meinen verehrten Vater erpressen? Er wird nicht darauf eingehen.“

„Kennst du deinen eigenen Papi so schlecht? Natürlich wird er es tun, solange er annimmt euch damit zu retten. Er ist recht berechenbar. Und die Heldenrolle steht ihm doch.“

Inu Yasha hatte durchaus bemerkt, dass sein Halbbruder nicht von „unserem“ Vater gesprochen hatte, aber er fragte nur: „Du willst uns wirklich umbringen?“ Irgendwie war er hier im falschen Film. Wo war ein Stuntman, wenn man ihn mal wirklich brauchte? Und sein Magen schien sich momentan unangenehm zu verknoten.

„Aber ja, Kleiner.“

Sesshoumaru traf seine Entscheidung. Entweder war Inu Yasha eine Falle, um ihn zum Reden zu bringen, aber wenn nicht, so…. Vater sollte doch noch wenigstens einen Sohn behalten. Für Vater: „Eben. Er ist noch ein Welpe und hat mit dem Streit zwischen dem Clan und der Familie nichts zu tun. Lass ihn in Ruhe.“

Ryuukossei lachte kurz auf, ehe er sich bedrohlich über seinen Gefangenen neigte, in trügerischer Freundlichkeit über dessen verletzte Wange strich: „Was für ein braver großer Bruder! Nein, dieser halbe Hund hat gar nichts mit dem Streit zu tun! Er hat nur deinem lieben Papi das Leben gerettet, du verdammter Idiot. Schneit aus dem Nichts herein und macht meinen schönen Plan kaputt.“ Er schlug zu.

Der Halbdämon dachte nicht recht gehört zu haben. Ryuukossei hatte das gesagt – und Sesshoumaru würde ihm glauben, da er ja der Gegner war. Der junge Hundedämon wandte das zerschundene Gesicht auch ihm zu und Inu Yasha lächelte ein wenig, selbst, wenn ihm das wehtat. Dieser hatte ihn beschützen, aus der Sache raushalten wollen und er sah ihn jetzt auch so an…Das gab ihm irgendwie den Mut zu sagen: „Du hast keine Ahnung, was du Vollidiot gerade getan hast, Ryuukossei, denn sonst würdest du es bedauern.“ Er hatte ihm einen großen Bruder gegeben – Zwickmühle hin oder her.

„Ich weiß allerdings, was ich tun werde, Bastard“, knirschte der Drache prompt wütend: „Euer lieber Papi ist schon so gut wie auf dem Weg in die Falle, also brauche ich euch nicht mehr. Fesselt das Halbblut Rücken an Rücken an seinen Bruder. Die netten Bannfesseln machen ja umso mehr Spaß, je stärker ein Dämon ist…nun ja. Mir. - Dann hat der gute Sesshoumaru wenigstens einen würdigen Reisebegleiter ins Jenseits.“

Während die Dämonen gehorchten und die genötigt knienden Halbbrüder mit den Handfesseln Rücken an Rücken aneinander banden, fuhr der Drache ruhiger fort: „Aber, ich lasse mich so leicht ablenken. Wo war ich…Ach ja, ich wollte euch doch erzählen, wie ihr sterben werdet. Das hier ist, das werdet sogar ihr bemerkt haben, das Büro eines Lagerhauses. In den Schränken hier befindet sich im Moment eigentlich nur noch Sprengstoff. Das genügt, um euch eine schöne Himmelfahrt zu bescheren. Falls euer lieber Papi euch suchen sollte – und dazu wird er kaum mehr kommen – wird er ein nettes Dämonenpuzzle vorfinden. Oder Halbdämonenpuzzle.“ Er bemerkte amüsiert, dass der Jüngere etwas zusammenzuckte. Aber beide sagten nichts. Stur und stolz waren sie ja. Hätte er sich nicht vorgenommen, sich mit Hundi ausführlich zu befassen, hätte es ungemeinen Spaß machen können zuzusehen, wann diese Fassade bröckeln würde. Nun, er würde es beim Taishou sehen. Und es stand doch zu hoffen, dass der ihn nicht enttäuschen würde. „Naraku, mach weiter...“

Der Berater nickte ein wenig: „Dann nehmen Sie die Männer mit. Byakura wird das erledigen. Auf wann soll der Zeitzünder gestellt werden?“

„Mal sehen. Sagen wir, in einer halben Stunde dürfte der Film im Hotel sein, bis Hundi ihn angeguckt hat, eine weitere halbe Stunde. Nun, eigentlich ist es gleich. Ich werde Mitternacht mit ihm telefonieren und das Duell für drei Uhr ansetzen.“

„Ist das nicht Zeitverschwendung?“ wagte Naraku erstaunt zu sagen. Seiner Meinung nach sollte man Gegner immer gleich umbringen.

„Ich will ihm doch Zeit lassen, über das Schicksal der beiden hier zu grübeln. Langsamkeit tut manchmal weh. – Aber das hat nichts mit dem hier zu tun. Stelle den Zeitzünder auf zwei Stunden. Da haben sie auch genug Zeit darüber nachzudenken….“ Er ging.

Inu Yasha starrte ihm nach. In was war er hier nur hereingeraten? Dieser Idiot sprach über Sprengungen und Morde als sei das etwas ungemein Erheiterndes. Wenn er den Drachen zwischen die Finger bekommen würde….Aber er spürte auch die Hände seines Halbbruders nahe an den seinen und das war irgendwie etwas, das ihm Halt in dieser irrealen Situation bot. Sesshoumaru mochte ihn nicht leiden können – aber er hatte in der kritischsten Phase seines Lebens nicht gezögert ihn schützen zu wollen. Das war etwas, das er kaum mehr gut machen konnte. Es war sinnlos gewesen, aber dennoch – es hatte ihm den Mut und die Selbstbeherrschung gegeben nicht vor diesem Drachen und seinem missratenen Gefolge zusammenzubrechen, um Gnade zu winseln, ihn stattdessen in eine Stimmung gebracht, die er so nie zuvor erlebt hatte: kalten Zorn. Er würde sich seines Vaters und seines Bruders würdig erweisen und es diesem Mistkerl zeigen. Egal wie, gleich wann.

Er wandte den Kopf, um zu dem Mann zu sehen, der soeben irgendetwas hantiert hatte, jetzt ein Kabel in der Hand hielt.

„Ich denke, Naraku, wir sollten den Raum verlassen.“

„Der Zeitzünder ist gestellt?“ erkundigte sich der Berater gleichmütig.

„Ja. Und ich würde dieses Kabel hier mit der Tür verbinden. Falls jemand die Tür öffnet, wird die Sprengung ebenfalls ausgelöst.“

Mist, dachten die Halbbrüder in ungeahnter Einigkeit. Irgendwie hatten beide gehofft, dass Vater sie doch suchen, vielleicht finden würde, ehe…

„Zu schade, dass ihr keine Menschen seid, nicht wahr?“ Naraku betrachtete die Gefangenen noch einmal, ehe er sich abwandte: „Dann würden die Bannfesseln euch nichts ausmachen. Schwarze Priesterinnen sind ihr Geld schon wert. Frohes Warten.“ Er nickte zu der Uhr auf dem Schreibtisch, ehe er das Büro verließ.
 

**
 

Die Hundejungen stecken in der Klemme – und im nächsten Kapitel wird Ryuukossei ihrem Vater seine harten Bedingungen nur zu deutlich machen: Erpressung.

Inu Yasha ist in einer Stimmung, die er nie zuvor hatte?
 

bye
 

hotep

Erpressung

Myouga nahm das Gespräch zuerst entgegen: „Kikyou-sama? Sie sind Inu Yasha-samas Pflegemutter, nicht wahr?“

Die Ruhe in der Stimme der jungen Priesterin überlagerte kaum mehr das Zittern: „Ja. Kann ich bitte mit dem Taishou sprechen? Es….Inu Yasha ist bislang nicht nach Hause gekommen, obwohl mir gesagt wurde, er habe das Hotel pünktlich verlassen.“ Und, aber das wollte sie keinem Fremden sagen, es wurde bereits dunkel. In solchen Nächten achtete er stets darauf, frühzeitig bei ihr zu sein.

Myouga wurde überlief ein kalter Schauder: „Und…da gibt es doch dieses Menschenmädchen...?“ suchte er noch einen Hoffnungsstreifen.

„Kagome hat auch nichts von ihm gehört, ich habe sie schon angerufen. Er geht auch nicht an sein Handy. Bitte, geben Sie mir den Taishou.“

„Ja, natürlich.“ Der kleine Flohgeist spürte ein Prickeln in seinem Nacken, als er durchstellte. Inu Yasha war doch nur ein Junge, unerfahren in der Welt der Dämonen. Hatte Ryuukossei es…?

Nur Sekunden später hatte Kikyou den Herrn der Hunde in der Leitung: „Es tut mir Leid, dass ich Sie so spät störe, Oyakata-sama“, meinte sie höflich: „Aber ich mache mir Sorgen.“

„Ich fürchte zu Recht“, gab er zu: „Inu Yasha ist pflichtbewusst.“ Und auch Sesshoumaru hatte sich von dem Termin im Waisenhaus noch nicht zurückgemeldet, fiel ihm nun auf. Eine eisige Kälte sammelte sich in seiner Magengrube. Hatte diese missratene Eidechse es gewagt…? „Ich werde ihn unverzüglich suchen lassen.“

„Danke. Ich werde einmal die Krankenhäuser anrufen. Vielleicht hatte er einen Unfall.“

„Das können Sie sich sparen. Jeder Dämon, der ihn gesehen hätte, hätte mich informiert. Sein Handy….Man könnte ihn darüber orten, wenn er es angeschaltet hat.“

„Ja, das ist eine gute Idee. Veranlassen Sie das?“

„Ja. Aber ich glaube, das wird ein wenig dauern.“

Sie zögerte nur kurz: „Sie hatten mir versprochen, dass er nicht in Schwierigkeiten gerät.“

„Ich fürchte, genau das ist passiert.“ Er sollte sie nicht anlügen: „Auch mein älterer Sohn ist überfällig.“

Kikyou zog ruhig den Schluss: „Also geht es um Sie.“

„Ich werde sie suchen lassen, darauf können Sie sich verlassen. – Sie entschuldigen mich.“

„Natürlich. Und wenn Sie etwas in Erfahrung bringen, benachrichtigen Sie mich?“

„Ja.“ Er legte auf und dachte kurz nach: „Royakan.“

Der kam sofort in das Zimmer: „Oyakata-sama?“

„Sesshoumaru kehrte nicht vom Waisenhaus zurück. Lass die Gegend dort durchsuchen. Und hast du einen Mitarbeiter, der sich mit Handyortung auskennt?“

„Menschen nur…Ich müsste jemanden suchen.“

„Meine beiden Söhne sind spurlos verschwunden. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Zufall ist.“ Obwohl seine Stimme ruhig klang lag etwas darin, das an einen Wintermorgen in der Antarktis erinnerte.

Der Wolfsdämon starrte ihn an: „Herr….Das bedeutet Krieg.“

„Nicht, wenn es zu verhindern ist. – Los.“
 

Dreißig Minuten später standen Myouga und Hatchi vor dem Herrn der Hunde. Beide hatten Neuigkeiten und sich vor der Tür getroffen.

„Hatchi?“ Der Taishou musterte das Päckchen in dessen Hand.

„Das wurde für Sie an der Rezeption abgegeben. Es steht vertraulich darauf. Absender: Ryuukossei.“

Der besorgte Vater holte tief Atem. Der Bericht darüber, in welchem Zustand man Takemarus Leiche gefunden hatte, kam ihm nur zu gut in das Gedächnis: „Öffne. – Myouga?“

„Man fand Sesshoumaru-samas Sportwagen am Park. Daneben lagen ein Strauß Blumen und fünf tote Dämonen. Nicht unsere Männer.“ Aber das war eigentlich klar.

„So ist er entführt worden. Und Inu Yasha dann auch. – Nun, Hatchi?“ Bitte keine Körperteile, flehte er - zu wem auch immer.

„Eine DVD, Oyakata-sama. Soll ich sie einlegen?“

„Ja. – Rufe Kikyou-sama an und sage ihr, meine Söhne seien entführt worden. Ich kümmere mich darum.“ Er stand langsam auf. Am liebsten hätte er sich diesen Film nicht angesehen, ahnte er doch, worum es gehen würde. Aber wenigstens das war er immerhin seinen Jungs schuldig, wenn er sie schon nicht hatte beschützen können. Hoffentlich lebten sie am Ende noch…

Er blieb regungslos vor dem Fernseher stehen als die ersten Bilder erschienen.
 

Myouga schlug alle vier Hände vor den Mund, ehe er es wagte zu seinem Herrn zu blicken. Der Inu no Taishou betrachtete die Bilder der Misshandlung seiner Söhne mit unbewegtem Gesicht, aber der kleine Flohgeist kannte ihn gut genug, um lieber nichts zu sagen.

Als der Bildschirm dunkel wurde, atmete der Vater erneut tief durch, ehe er nur äußerte: „Der Anfang.“

„Was meinen Sie?“

„Erinnere dich an Takemaru.“ Der Taishou musste sich sichtlich überwinden den Namen auszusprechen: „Und Ryuukossei wird es sich kaum nehmen lassen, mir alle Einzelheiten zu schicken.“ Seine armen Jungs! Sesshoumaru! Der immer loyale, wenn auch manchmal schwierige Ältere, Inu Yasha, der eben erst gefundene Welpe… „Rufe sofort die Berater zusammen. Wir müssen etwas unternehmen.“

„Ja, Oyakata-sama.“ Myouga unterließ es lieber, darauf aufmerksam zu machen, dass der Drache zwar wahnsinnig im medizinischen Bereich war, aber kein solcher Narr, die Entführten nicht sorgfältig versteckt zu haben. Andererseits – es war lange her, seit der Herr das letzte Mal auf dem Kriegspfad gewesen war, doch würde er kaum etwas verlernt haben.
 

Die Vermittlung ahnte nichts von dem drohenden Unheil unter der dämonischen Seite der Gesellschaft, als sie um Mitternacht einen Anruf erhielt. Als sich der Taishou meldete, meinte die junge Dame: „Ein Herr namens Ryuukossei möchte Sie sprechen, Oyakata-sama.“

„Durchstellen.“ Mehr brachte der Vater nicht heraus. Die meisten verfügbaren Mitglieder der Familie waren seit fast zwei Stunden auf die Suche nach den beiden Vermissten gegangen, bislang ohne Erfolg. Als er das Klicken hörte, fragte er nur: „Was willst du?“

„Oh, was für eine freundliche Begrüßung, mein lieber Taishou. Dem entnehme ich, dass mein kleines Geschenk gut angekommen ist. – Die beiden lebten, als ich sie verließ.“

Dem Herrn der Hunde war jedoch klar, dass „leben“ ein sehr dehnbarer Begriff war: „Du solltest sie besser unverzüglich freilassen. In deinem eigenen Interesse.“

„Oh….so besorgt um die Welpen? Da hätte ich doch glatt einen Vorschlag.“

Also Erpressung. „Nun?“

„Wir beide treffen uns zu einem Duell auf den Lavafeldern. Jetzt ist es nach menschlicher Zeitrechnung Mitternacht, es dauert sicher ein wenig, sich passend anzuziehen und hinauszugelangen…sagen wir so gegen drei?“

Ein Duell? Der Herr der Familie gab zu verblüfft zu sein. Bislang hatte der Drache genug Vernunft bewiesen, aus dem Beispiel seines Bruders gelernt zu haben. Aber wenn das Leben seiner Kinder auf dem Spiel stand, musste er die Falle wohl riskieren, die Ryuukossei aufgebaut hatte. Denn dass der plötzlich leichtfertig geworden war, nein. Überdies hatte er ja noch die Jungs als Geiseln. „Und die beiden?“

„Komm pünktlich. Ich freue mich schon.“ Der Herr des Spinnenclans legte auf. Der Taishou war schlau genug eine Lüge zu erkennen. Und wenn er ihm gesagt hätte, dass seine beiden Söhne jetzt schon garantiert Himmelfahrt gehalten hatten, wäre der womöglich nicht in die Falle gegangen, sondern hätte einen ausgewachsenen Rachefeldzug gestartet. Ein Dämonenkrieg sollte verhindert werden, das hatte Naraku wiederholt schon erwähnt, und Ryuukossei gab ihm Recht. Wozu einen Krieg riskieren, wenn man das auch einfacher haben konnte. Solange der Taishou nicht wusste, dass seine Sprösslinge tot waren, würde er sich auch weiteren Erpressungen beugen. Wie zum Beispiel das Schwert nicht zu ziehen. Das würde nach dessen Tod dann ihm gehören. Das legendäre Höllenschwert. Und damit wäre er schlicht unbesiegbar. Nun, noch unbesiegbarer als sonst.
 

Der Taishou legte auf: „Myouga, meine Rüstung.“

„Oyakata-sama, das ist eine Falle.“ Der Flohgeist rang alle vier Hände.

„Vermutlich. Aber als Herr der Hunde bin ich verpflichtet die Familie zu hüten. Was wäre ich, wenn ich nicht einmal versuchen würde, meine eigenen Söhne zu beschützen.“ Und dabei hatte er ja schon einmal versagt. Diese zu groß geratene Eidechse hätte sie gar nicht in die Finger bekommen dürfen. Er hätte gegenüber Sesshoumaru auf Leibwächtern bestehen müssen, hätte Inu Yasha....Zu spät. „Jetzt geh und lass sie holen.“ Lange hatte er sie nicht mehr getragen, nun, seit dem Duell gegen Ryuukosseis Bruder. Nach althergebrachter Sitte fanden solche Kämpfe Dämon gegen Dämon mit Schwertern und Rüstung statt.

Als er allein war, zögerte er einen Moment, ehe er eine Nummer wählte: „Guten Abend, meine Teure.“

Die Frau am anderen Ende holte tief Atem: „Da du mich anrufst: was ist passiert?“

„Ryuukossei will ein Duell mit mir.“

„Ein Problem für dich?“ Es sollte spöttisch klingen, aber sie ahnte, dass noch etwas anderes diesen Anruf verursacht hatte. Sie hatten nur mehr wenig gemeinsam.

„Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, hat er Sesshoumaru entführt. Und seinen Halbbruder.“ Nein. Von der Misshandlung sollte er ihr, der Mutter, nichts erzählen.

Letzteres überhörte sie lieber: „Sesshoumaru? Hat er geschlafen?“

„Weniger. Neben seinem Auto fand man fünf Leichen, aber er musste sich wohl der Überzahl beugen.“

„Und du wirst dich der Erpressung beugen.“

„Für unseren Sohn.“ Und seinen Bruder: „Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.“

„Ryuukossei?“

„Wenn ich nicht zurückkomme.“

„Und unser Sohn?“

„Ich weiß es nicht. Dieser Drache ist hinterhältig und ein Sadist. Es mag sein, dass er ihn so oder so umbringen lässt. Aber ich muss versuchen, ihn, sie da herauszuholen.“

Sie schwieg einen Moment, ehe sie sagte: „Ja, das solltest du. Und du kannst dich auf mich verlassen. Wenn du nicht zurückkehrst und… das Schlimmste eingetreten ist, wird er mich kennen lernen.“

Der Taishou beneidete ihn nicht darum. Eine wütende Mutter war nie zu unterschätzen. Und sie war nicht nur eine starke Dämonin sondern auch raffiniert. Auch, wenn sie gewöhnlich nichts mit der Familie zu tun haben wollte – wenn es um Sesshoumaru ging, war sie bedingungslos. Ihr Einziger war auch ihr einziger Schwachpunkt.

Langsam meinte sie: „Dieser andere Sohn, den du erwähntest…von dieser Menschenfrau?“

„Ja. Sein Name ist Inu Yasha.“

„Verstehen sich die beiden?“

„Sie haben sich erst gestern kennen gelernt.“

„Sicher eine interessante Geschichte. Du solltest sie mir erzählen, wenn du einmal Zeit hast.“

„Wenn ich zurück komme, werde ich sie dir erzählen. Und wenn nicht – sage meinem Sohn, ich wählte den Tod.“ Eher, als seine Jungs im Stich zu lassen. Er würde sich nie selbst verleugnen.

Sie zögerte einen Moment, ehe sie antwortete: „Du wirst in jedem Fall Ruhm ernten. Du bist der wahre Herr der Hunde.“ Darin lag gewisse Anerkennung. „Du weißt, ich war mit den Verträgen und der Familie nie einverstanden. Aber langsam verstehe ich dich. Guten Kampf, mein Taishou.“ Das klang erstaunlich weich.

„Danke, meine Liebe.“ Er legte auf. Royakan und Hatchi kamen mit seiner Rüstung und den gewöhnlichen Kleidungsstücken, die er darunter trug. Hastig zog er sich den modernen Anzug aus und sich um, ließ sich bei dem schweren Panzer helfen.

Myouga hüpfte besorgt auf den Schreibtisch: „Oyakata-sama, sollten nicht einige Männer mit Ihnen gehen? Wenn es ein Hinterhalt ist…“

Er breitete die Arme aus, um sich die Unterarmschützer anbinden zu lassen. „Es mag einer sein, da hast du Recht, mein lieber Berater. Aber dieses Risiko muss ich wählen. Er hat meine Söhne. Wenn er auch nur glaubt, ich würde nicht auf die Bedingung eingehen…..nun, du hast gesehen, was er mit ihnen nur zur Warnung machen ließ, du kennst den Bericht über Takemaru. Und er will mich.“

Myouga seufzte. Das mochte ja alles stimmen, aber wenn Ryuukossei und dessen Berater nicht vollkommen verblödet waren, würden sie auch die Jungen umbringen. Wer ließ schließlich jemanden am Leben, den man zum einen misshandelt und dessen Vater man getötet hatte? Sesshoumaru-sama hatte einen gewissen Ruf.
 

„Kagome?“ Kikyou war etwas überrascht, als sie ihre mitternächtliche Besucherin erkannte: „Du solltest doch um diese Uhrzeit nicht unterwegs sein?“

„Mama hat mich hergefahren, “ sagte das Mädchen als Entschuldigung: „Ich…wie könnte ich schlafen, wenn ich nicht weiß, was mit Inu Yasha passiert ist? Er ist doch mein Freund.“ Und sie hatte ihn zu lieb, als dass sie trotz des unglückseligen Zwischenfalls im Café nichts für ihn hätte tun wollen.

„Er ist wohl entführt worden“, gestand die junge Priesterin, plötzlich froh nicht allein zu sein: „Der Taishou sagte, auch sein Ältester ist verschwunden.“

„Dann ist das eine Dämonensache? Armer Inu Yasha. Er hat auch nie Glück.“

„Er stammt aus zwei Welten. – Komm. Setzen wir uns hierher. Der Taishou meinte, er würde ihn über sein Handy suchen lassen.“

„Ja, eine gute Idee. – Dann werden sie ihn...sie bald finden. Ich bleibe hier, wenn ich darf.“

„Ja, natürlich.“ Da war jemand, dem an Inu Yasha sicher so viel lag wie ihr – oder sogar mehr. „Du kannst dann allerdings kaum morgen ins Praktikum.“

„Ich bin krank. Opa sagte, er würde das erledigen.“ Kagome sah auf ihre Hände, die sie im Schoss gefaltet hatte: „Können wir nichts tun?“

„Es ist eine Dämonensache. Und wenn es dem Taishou nicht gelingt, seine Söhne zu retten, wem dann?“

„Ja, ich weiß. Ich bin nur normalerweise nicht der Typ, der die Hände in den Schoss legt.“ Wortwörtlich gesehen tat sie es momentan.

„Denkst du, ich?“

„Entschuldigen Sie.“

„Irgendwie sind wir uns ähnlich. Wir müssen eben warten. – Nein. Komm. Wir fahren in das Grand Hotel. Da bekommen wir sicher eher Informationen. Vielleicht erzählt uns jemand, was passiert ist.“ Kikyou stand bereits erleichtert auf.

Kagome atmete auf. Irgendetwas zu tun war besser als dieses hilflose Warten: „Ja, fahren wir.“
 

Nach menschlicher Zeitrechnung war es genau drei Uhr nachts, als der Taishou aus dem Auto stieg und sich die Schwertscheide auf den Rücken band. Er ging langsam im Sternenlicht über die Spalten und Unebenheiten der Lavafelder. Vor einigen Jahrhunderten hatten Vulkanausbrüche diese Gegend geschaffen. Dämonen hatten die schüsselförmige Gegend bald als natürliche Arena für ihre Kämpfe entdeckt. Er witterte, aber konnte nichts erraten. Wenn hier eine Falle war, war sie gut verborgen. Nun, nicht erstaunlich. Hoffentlich lebten seine Söhne noch, hoffentlich hatte ihnen dieser Mistkerl von Drache keine Verletzungen zugefügt, die sich nicht mehr regenerieren ließen. Von Schlägen konnte sich jeder Dämon und wohl auch ein Halbdämon wieder erholen, aber wenn Körperteile abgeschnitten wurden, so war das nie wieder gut zu machen.

Er ging langsam hinunter in die Schüssel, als er erstarrte. Ryuukossei. Der Drache kam soeben von der gegenüberliegenden Seite, blieb jedoch stehen, als er ihn entdeckte.

„Wie schön, dich so pünktlich zu treffen, mein lieber Taishou“, rief er: „Dann komme noch ein wenig weiter - und ich werde dir die Regeln unseres Spiels erklären.“

Spiel? Das war eine weitere Erpressung. Aber damit hatte er fast gerechnet. So ging er weiter und blieb an der tiefsten Stelle der Mulde stehen, sich nur zu bewusst, dass der Drache es so gewählt hatte, um über ihm zu stehen. Wie primitiv. Besaß der keinerlei persönlichen Stolz?

Ryuukossei machte einige Schritte hinunter, ehe er empor deutete: „Dies dort ist mein Berater, Naraku. Von ihm stammt übrigens dieser nette Plan.“

Dafür würde er auch sterben, dachte der Taishou prompt, meinte allerdings nur: „Und?“

„Was er in der Hand hat ist eine kleine, praktische Erfindung der Menschen. Man nennt sie Mobilphone. Wir werden unser Duell kämpfen. Aber: wenn du dein Höllenschwert auch nur anrührst, wird er ein Telefonat führen. Und deine lieben Kleinen werden dafür bezahlen.“ Nun, die waren schon längst tot, aber wozu das erwähnen? Er hatte einen Anruf bekommen, dass das Lagerhaus vollständig zerstört worden war.

„Du willst keinen ehrlichen Kampf!“ Was hatte er auch erwartet. Ryuukossei wollte Rache für seinen Bruder – und trotz allem war er kein solcher Narr, sich dem Schwert der Hölle auszuliefern. Im Gegenteil, wohl…

„Ein Handgriff zu deinem höllischem Schwert – ein Anruf. Und ein Körperteil weniger. Eine faire Abmachung, nicht wahr? Du wirst brav dastehen und mich machen lassen – oder willst du wirklich hören, wenn die Welpen schreien?“ Die waren schon längst in tausend Stücke zerlegt, aber dieser Ausdruck in Hundis Augen war die Lüge wert.

„Du verdammter…Das ist gegen jede Regel.“

„Ich bestimme die Regeln. Du hast meinen verehrten Bruder heimtückisch ermordet.“

Er hatte ihn getötet, ja. Aber in einem fairen, den alten Regeln entsprechenden Duell. Und langsam bedauerte er das. Der Ältere der Drachenbrüder war zwar sadistisch und machtgierig gewesen - aber nicht verrückt. Und das war der Jüngere. Den scherten keine Gesetze, keine Moral…

Aber er konnte doch auch nicht zulassen, dass seine Jungs vor seinen Ohren in Stücke geschnitten wurden…

So ließ er die Hände neben sich hängen. Ryuukossei würde ihn morden, langsam und mit Genuss, das wurde ihm immer klarer. Aber das war alles, was er noch tun konnte, um seine Söhne zu schützen. Nun, auch nur noch den Versuch zu machen.

Er warf einen Blick empor, um trotz des matten Lichtes abzuschätzen, wie schnell er sein müsste, um zum Schwert zu greifen und diesen Naraku zu töten. Aber der hatte sich wohlweislich außer Sicht begeben. Stattdessen erschienen diverse Dämonen des Clans. Eindeutig wollte Ryuukossei seinen Triumph vor Zeugen auskosten. Und das wiederum konnte nur bedeuten, dass sein eigener Tod sehr langsam und wohl auch sehr schmerzhaft sein würde. Er sah wieder zu dem Drachendämon, der nun bedächtig heruntergekommen war, ein wenig überrascht, als dieser seine Energie aufflammen ließ, um sich zu verwandeln. Dieses Reptil und er sollte nicht zum Schwert greifen? Sein sonst so mächtiger Klauenangriff würde gegen einen Drachen in seiner wahren Gestalt nichts bringen. Die Schuppen waren zu stabil.

„Oh, nicht dass du auf die Idee kommst, dich ebenfalls zu verwandeln, Hundi, “ sagte Ryuukossei prompt: „Ich weiß, dass du auch in deiner Menschenform ein ganz schön starker Dämon bist. Und, dass deine Regenerationsfähigkeiten nicht zu unterschätzen sind, hoffe ich. So dauert es doch länger, unser kleines Spiel.“

„Was hast du mit meinen Söhnen getan?“

„Ich – nichts.“ Der Drache schlug ohne weitere Vorwarnung mit dem Schwanz zu: „Wenn du stillhältst, während ich dich umbringe, lasse ich sie vielleicht sogar laufen. Wenn sie es dann noch können.“ Das war keine Lüge, würde aber Hundi falsche Hoffnung machen.

Der Inu no Taishou taumelte unter dem harten Aufprall auf seiner Rüstung etwas zurück. Das hatte dieser Mistkerl also vor? Seine Hand zuckte unwillkürlich zum Schwertgriff, aber er ließ sie wieder sinken. Irgendwann allerdings würde seine Selbstbeherrschung wohl aufgebraucht sein und er sich doch wehren wollen – seine Jungs würden dafür bezahlen. Und siegen konnte er nicht, nicht ohne sein Schwert, dazu war die Überzahl zu groß – und Ryuukossei zu stark.

„So ist es brav. Ich werde dir ein paar Mal den Schwanz um die Ohren hauen – und du wirst dich nicht wehren. Ein Versuch bedeutet, sagen wir, erst einmal zwei Finger weniger für Sesshoumaru und den kleinen vorlauten Welpen, der zweite die Hand...?“ Er musste aufpassen, was er erzählte. Wenn Hundi auf die Idee kam, es sei alles gleich, würde er das Schwert ziehen und dann hätte er selbst ein echtes Problem am Hals. Nur solange der glaubte, seine Söhne seien noch am Leben, würde er brav sein. Der Drache hob erneut seinen Schwanz, um mit ihm wie mit einer Keule zuzuschlagen.
 

Naraku warf einen kurzen Blick hinunter, ehe er sich umwandte und zu zwei Personen ging. Byakura hatte zuvor die Bombe im Lagerhaus gelegt und nun auch die Bestätigung gebracht, dass dieses eingeebnet worden war. Kein Mensch oder auch Dämon hatte das Inferno überleben können. Die menschliche Frau neben ihm trug die Kleidung einer Priesterin. Sie hatte die Bannfesseln beschafft. Naraku schätzte Tsubakis Fähigkeiten durchaus – allerdings wusste sie für seinen Geschmack schon zuviel von dem, was passiert war. Früher oder später, wenn er den Clan leitete, würde sie einen Unfall haben. Offiziell umbringen konnte er sie nicht. Man bekam schließlich keine neuen Mitarbeiter, wenn man die alten umlegte. Das machte Ryuukossei – besser, er hatte es getan, bis er es ihm mühsam ausgeredet hatte. Alles war mühsam, was mit diesem impulsiven Drachen zusammenhing. Ein guter Grund, ihn sich irgendwie vom Hals zu schaffen. Die Ermordung des Taishou sollte sein letztes Vergnügen sein.

„Und jetzt?“ fragte Byakura.

„Wir fahren. Ich verspüre nicht die mindeste Lust mir jetzt stundenlang mit anzusehen, wie Ryuukossei-sama den Taishou in Einzelteile zerlegt.“ Dazu musste man schon Sadist sein. Nein. Er selbst hielt es mit Machiavelli: notwendige Tote sollte man schnell erledigen. Und nur notwendige.

„Solltest du nicht mit dem Handy in der Hand dastehen?“

„Es genügt, wenn der Hund das glaubt. Er muss mich dazu nicht sehen.“ Überdies, wenn die Sache schief ging, der Taishou doch noch Gegenmaßnahmen geplant hatte und die Familie unerwartet hier auftauchte, würde es eine Schlacht geben. Wer dann gewann blieb abzuwarten. Auch da sollte er nicht gerade dazwischenstehen. Vorsicht war stets eine kluge Wahl: „Tsubaki bleibt allerdings hier. Der Taishou verfügt durchaus über gewisse magische Fähigkeiten, die er besser nicht einsetzen sollte. Und …denk dran, vorsichtig zu sein.“ Sie war nützlich. Und bislang war sie äußerst verschwiegen. Vielleicht war es nicht notwendig, sie zu beseitigen.

Die schwarze Priesterin nickte nur und wandte sich ohne ein Wort um.
 

If I´m a man, I must be brave,

and I must face that deadly killer

or lie a coward in my grave..
 

Dimitri Tiomkin: High Noon
 

**
 

Papa will den Helden spielen, das Lagerhaus ist eingeebnet...kann es noch schlimmer werden? Das nächste Kapitel dreht die Zeit zurück und ihr erfahrt, worüber man sich so alles unterhalten kann, wenn man auf eine Uhr guckt und buchstäblich auf einer Bombe sitzt: Bombenstimmung.
 

Bye
 

hotep

Bombenstimmung

Im Büro des verlassenen Lagerhauses schwiegen sich die Halbbrüder in der abendlichen Dämmerung an. Sesshoumaru warf immer wieder einen scheinbar gleichgültigen Blick auf die Digitaluhr, deren Zahlen in geradezu widersinnig rasender Eile zurückliefen.

„Keh!“ machte Inu Yasha matt: „Dieser Drache und sein Berater…da fragt sich, wer der größere Schuft von beiden ist.“

Sesshoumaru holte tief Atem. Die Bannfesseln und die Verletzungen schmerzten, auch, wenn er das nie zugegeben hätte.

Der Jüngere hatte es jedoch gehört und bemühte sich, sich nicht zu bewegen. Diese dämliche, zu groß geratene Eidechse hatte gesagt, dass es umso schlimmer wäre, je stärker der Dämon sei – und das würde sein Halbbruder sicher zu spüren bekommen. Umgekehrt konnte er davon ausgehen, dass die Schmerzen an seinen Hand- und Fußgelenken und seinem Hals nur halb so arg waren. Moment mal. Heute war eigentlich kein Abend, an dem er normalerweise unterwegs gewesen wäre. Unwillkürlich versuchte er zurückzublicken: „Kannst du zum Fenster sehen? Geht die Sonne unter?“

„Ja. Bald.“ Und bald würde Vater sterben, würde er selbst sterben…Er warf erneut einen Blick auf die Uhr. Nur noch vierzig Minuten, ehe die Explosion hier alles in Stücke reißen würde. Und wie würde er sterben? An einen Bastard gekettet…nein, an Inu Yasha. Der Junge zeigte mehr Mut als er von einem Halbblut je erwartet hätte. Nun gut. Er war in der Tat chichi-ues Sohn.
 

„Wie lange noch?“ Der Halbdämon wusste, er brauchte nicht auszusprechen, dass es um die Uhr ging.

„Vierzig Minuten.“

„Und die Sonne..?“

Oder begann der Junge doch jetzt vor Furcht irre zu reden? „Was meinst du?“

„Dieses komische Reptil hat einen Fehler gemacht, wenn wir Glück haben.“

Glück könnten sie zur Abwechslung mal brauchen, aber was meinte der Halbdämon?

Inu Yasha zögerte einen Moment, ehe er beschloss, dass er sein Geheimnis auch gleich verraten konnte. Schließlich würde es Sesshoumaru bald sehen: „In einer Neumondnacht werde ich zu einem reinen Menschen. Und einem Menschen machen diese Fesseln nichts aus, das hat doch dieser Naraku selbst gesagt. Dann bekomme ich die Ketten ab und kann die Bombe entschärfen.“

Das klang nicht schlecht, aber Sesshoumaru unterdrückte seine einzige Hoffnung sofort wieder: „Du und eine Bombe entschärfen?“

„Hör auf, auf mir herumzuhacken! Ich habe immerhin Chemie-Leistungskurs. Und erzähle mir nicht, dass du einen besseren Plan hast!“

Nein, den hatte er nicht, das musste er zugeben: „Hast du Erfahrung?“ fragte er nur. Er selbst hatte zwar schon zugesehen, wie der Sprengmeister den Lagerschuppen des Clans samt den zu schmuggelnden Waffen in die Luft gejagt hatte, aber das half hier wohl kaum weiter.

„Die werde ich schnell bekommen“, meinte Inu Yasha ingrimmig. Es war ihre einzige Chance das hier zu überleben. Und Vater…ja….zu was hatte ihn der Drache erpressen wollen? Er stellte die Frage laut.

„Ein Duell“, kam die prompte Antwort. „Unter erschwerten Bedingungen, denn Ryuukossei wird behaupten, dass wir leben und er uns laufen lässt, wenn…“ Vater würde nicht richtig kämpfen können und ganz sicher würde man ihm verbieten den Höllendrachen zu beschwören. Eine langsame, unehrenhafte Hinrichtung.

Der junge Halbdämon holte tief Atem, ehe er einfach sagte: „Das tun wir. Wir leben. Und wie. Diese Eidechse wird sich noch wundern.“

Seltsamerweise spürte Inu Yasha, wie sich die Finger seines Halbbruders daraufhin zum ersten Mal kurz um die seinen schlossen. Sie waren sich also einig.

„Ich habe gerade eine Idee“, meinte er: „Diese Vollidioten haben mich nicht durchsucht. In meiner hinteren Hosentasche ist mein Handy. Wenn du es rausziehen kannst und wir jemanden anrufen…?“

„Der öffnet die Tür und löst die Zündung aus.“ Es fiel ihm immer schwerer sachlich zu denken. Nicht, wenn er auf diese rasende Uhr blickte.

„Das müsste man ihm eben sagen. Myouga könnte doch durch das Fenster…?“ Das war allerdings vergittert und zusätzlich auch noch mit diesen dämlichen Bannsprüchen versehen. Kein Dämon kam doch da durch, außer, wenn er ganz winzig wäre.

Wie alt war der Junge? „Deine Phantasie stammt aus dem Fernsehen, oder?“ Er hatte sich ab und an damit beschäftigt, das dann aber als irrelevant und irreal eingestuft. Nur noch Nachrichten sah er sich an.

Inu Yasha betrachtete das durchaus zu Recht als Kritik und knurrte daher: „Weißt du, mein Leben war eigentlich ganz friedlich, bis ich otou-san traf. Ich meine, ich will mich bestimmt nicht beschweren, er ist wirklich in Ordnung, aber irgendwie saß ich früher nie in einem alten Lagerhaus auf einer Bombe.“

Also war er doch nervös. Nun, er selbst ja auch. Das war kein ehrenhafter Tod für einen Dämon – wohl für niemanden. „Ich habe schon im Krieg mitgekämpft. Und Duelle bestanden. So ist das Leben von Dämonen.“ Das war alles, was er als Beruhigung sagen konnte.

„Na, klasse. Dann lass es mich so ausdrücken: es ist ja irgendwie auch nicht meine Vergangenheit, die mich beschäftigt, sondern meine mögliche Zukunft.“

Nur eine mögliche Zukunft? Der junge Hundedämon ertappte sich dabei, fast amüsiert zu sein. Optimist war der Kleine, das musste er ihm lassen.

„Endlich!“

Es war dunkel geworden und beide bemerkten die jähe Veränderung in der Magie, die körperliche Wandlung Inu Yashas. Sesshoumaru wandte den Kopf, als er dies spürte, auch fühlte, dass sein Halbbruder die Fesseln abstreifte. Seine Augen waren gut genug, um selbst in der Finsternis zu erkennen, wie sehr sich der Andere gewandelt hatte. Schwarze lange Haare, keine Ohren mehr auf dem Kopf, keine Klauen. Er war in der Tat zu einem schlichten, jämmerlichen Menschen geworden.

Der Jüngere tastete sich behutsam vorwärts: „Hier muss doch irgendwo die dämliche Tür sein…“

Mit Sorge, eher leiser Panik, erkannte der Hundedämon, wohin der Junge griff: „Vorsicht, das Kabel! Was machst du denn da?“

„Licht. In dieser Gestalt kann ich so nichts sehen.“

Auch das noch. „Der Schalter ist drei Schritte vor dir. Fass höher.“ Nicht, dass der jetzt noch das Kabel zerreißen würde.

Als Licht aufschien, drehte sich Inu Yasha um. Er fühlte sich schwach, die Verletzungen schmerzten jetzt auch wieder mehr, aber immerhin wirkte Sesshoumaru schon mal deutlich erholter. Falls jemand ihren kleinen Ausbruchsversuch bemerkte, würde der allein kämpfen müssen: „Ich mach dich auch los, dann guck ich nach der Bombe, ja?“

„Mach jedenfalls schnell.“

„Ja, schon klar. Und erst mal drehe ich den blöden Wecker um. Ich will gar nicht wissen, wie viel von den restlichen zwanzig Minuten schon um sind.“

„Sicher?“ fragte der ältere Halbbruder doch irritiert. Menschen- oder Halbdämonmanie? Er hätte immer gern gewusst, wann er zu sterben hatte.

„Sicher.“ Er drehte ihn um, ehe er sich um die Bannfesseln kümmerte: „Das könnte mich nervös machen. Und ich denke mal, dass auch dir klar ist, dass das im Moment nicht zu gebrauchen wäre.“

„Dann mach.“ Endlich waren diese peinlichen, schmerzenden Fesseln weg. Das erste Clamitglied, das ihm über den Weg lief, war schon so gut wie tot.
 

Inu Yasha trat vor das Alupaket und betrachtete es, ehe er behutsam begann, die Folie zu lösen. Dann erst fiel ihm ein, wie nervös er war – und wohl auch sein Zuschauer: „He, Sesshoumaru….ich meine, nii-san, kannst du mir einen Gefallen tun? Erzähle mir irgendetwas Nettes aus deiner Kindheit. Welche Ausbildung hast du bekommen?“

War der jetzt völlig verrückt geworden? Aber dann begriff Sesshoumaru, dass Inu Yasha seine Gedanken und Finger zwar auf den Auslöser konzertieren wollte, aber nicht auf seine Angst. „Nach der Trennung meiner Eltern blieb ich bei Vater. So war es zwischen ihnen abgemacht. Jeder Vater will seinen Erben schließlich selbst erziehen. Ich lernte Schwertfechten und auch Nahkampf, Klauentechniken. Das steht dir auch noch bevor.“ Er war nie gut im Reden gewesen, aber wenn dieser verwünschte Drache einmal die Wahrheit gesagt hatte, würde es nichts helfen die Tür aufzureißen, damit die Explosion auszulösen, und zu versuchen das Lagerhaus zu verlassen. Nicht einmal er wäre schnell genug. Und mit Inu Yasha als Beigepäck in dieser jämmerlichen Form schon zweimal nicht.

Was hatte er da gerade gedacht?

Doch, gab er zu. Er würde ihn mitnehmen. Ohne seinen Halbbruder wäre er diese Fesseln noch nicht einmal losgeworden. Und was auch immer der da gerade anstellte – das war mehr, als er vermocht hätte. Dämonen legten in der Regel keine Bomben – nun ja, er hatte eine durch einen Menschen legen lassen. So meinte er: „Auch andere Dinge wirst du noch lernen. Chichi-ue will dich studieren lassen.“

„Ja, ich würde gern Touristik studieren, viel reisen“, murmelte Inu Yasha, der behutsam an den Kabeln zog: „Das ist ja mal eine gute Nachricht.“

„Dass du studieren kannst?“ kam prompt die irritierte Rückfrage.

„Guck dich mal um. Das hier war doch ein Büro. Siehst du einen Kühlschrank?“

Sesshoumaru wusste zwar, wie ein Kühlschrank aussah, aber das war auch alles. Und was sollte dieses Gerede? Aber man musste wohl mit niemandem diskutieren, der gerade mit einer falschen Bewegung eine mörderische Explosion auslösen konnte: „Ein kleiner, dort. Aber der wird leer sein.“

„Wenn du gute Kontakte zu wem auch immer hast, bete, dass da Milch drinsteht. Das hier ist ein Säurezünder. Milch ist eine basische Flüssigkeit und würde ihn neutralisieren.“ Leider waren es drei Zünder. Der hier, der nach einer unbekannten Zeit auslösen würde, der andere an der Uhr und der dritte das Kabel zur Tür.

„Wasser nicht?“

„Nein.“

Der Hundedämon wandte sich um und öffnete den Kühlschrank Dabei fiel ihm auf, wie der Jüngere dastand: die Zündung in der Hand ohne zu zittern. Nein, feige war der nicht. Und das hier, egal wie es ausging, würde er ihm auch in der Unterwelt nie vergessen: „Keine Milch.“ Nun, gar nichts.

„Es ist wirklich nicht unser Tag….Verdammt!“

„Was?“

„Ich kann den Zünder nicht weiter ausbauen, ohne dieses blöde Kabel zur Tür zu sehr zu spannen.“

„Dann muss das zuerst beseitigt werden.“

„Zerreiß es ja nicht.“

„Halt mich doch nicht für töricht!“

„Schon gut. – Also, klar, du musst es von der Türklinke abwickeln und dann so zerreißen, dass die Spannung erhalten bleibt….am besten vielleicht da um das Schreibtischbein wickeln.“

Sesshoumaru konnte sich nicht entsinnen, je von jemandem außer seinen eigenen Eltern Befehle entgegengenommen zu haben, aber es war die beste Lösung, das gab er zu. Überdies – wenn der Welpe das Zittern bekam und den Zünder fallen ließ, würde ihm wohl kaum mehr Zeit genug bleiben, dem dafür auch nur noch einen Faustschlag zu verpassen. So löste er das Kabel ab und zerriss es, mit der Linken die Spannung haltend, ehe er es um das Tischbein wickelte, verknotete. „Wir können hier heraus….“ Warum war er nicht zuvor selbst auf die Idee gekommen? War er denn so nervös?
 

Beide erstarrten. Ihre Ohren, selbst Inu Yahas in Menschenform, waren gut genug um das leise Klick der Uhr gehört zu haben. Im nächsten Moment stand der Hundedämon an der Tür und stieß diese auf, machte einen gewaltigen Satz die beidseitige Rampe davor nach rechts hinunter. Als er hergeschafft worden war, hatte er nur den Boden gesehen und wusste daher nicht, welche Richtung die richtige war, aber dort war eine metallene Tür. Der Ausgang?

Inu Yasha hatte ebenfalls aus dem Klick geschlossen, dass ihre Frist abgelaufen war. Alles war ihnen noch blieb war die hauchdünne Chance weit genug wegzulaufen. Und das in dieser erbärmlichen Menschenform. Einen dümmeren Tag hatte sich der Neumond nicht aussuchen können. Er rannte, so hastig er es so vermochte, geradeaus die Treppe hinunter, die er hochgebracht worden war, die Rampen nach rechts und links in der Eile dabei ignorierend.

„Inu Yasha!“

Sein Name, so scharf ausgesprochen, ließ ihn seitwärts blicken, Sesshoumaru drehte an dem kreisrunden Griff einer Stahltür. Ja. Vielleicht wäre es dahinter sicher, vielleicht würde sich die Explosion mehr auf das Büro beschränken. Dieser dämliche Drache hatte doch gesagt, dass dort der Sprengstoff untergebracht worden sei. Er hastete hinüber, fühlte sich fast brutal gepackt und durch die Tür mitgezogen, die sein Halbbruder gerade aufriss. Dahinter war Dunkelheit.

Beide rechneten mit einer weiteren Halle und wurden von dem Sturz in die tiefe Schwärze überrascht. Ehe noch selbst Sesshoumaru mitbekam, dass sie durch den Absatz einer zerstörten Treppe fielen, prallten sie schon in das stinkende, eiskalte Wasser, das vom Hafen hier hereingedrückt wurde.
 

Für einen Moment erstarrten beide, ehe der junge Hundedämon um sich zu schlagen begann, um wieder an die Oberfläche zu kommen. In Menschenform konnte er nicht schwimmen. Inu Yasha hatte es dagegen gelernt und wollte eigentlich nur einen Armzug machen, um nach oben zu gelangen, als eine heftige Detonation alles um sie erzittern ließ. Irgendetwas Großes stürzte knapp vor ihnen in das Becken, verursachte selbst unter Wasser weitere Wellen, und ihnen wurde klar, dass ihre Glückssträhne noch angehalten hatte. Wären sie nicht im, unter Wasser gewesen, hätte die Explosion sie mit getroffen.
 

Da Stille herrschte, machte Inu Yasha jetzt doch den Zug um vorsichtig aus dem Wasser zu gucken und nach Luft zu schnappen. Erschreckt erkannte er, was da so knapp an ihnen vorbei gefallen war: die Stahltür von oben, denn Nacht schimmerte hinein. Bei ihrem Sturz hatte sie wohl die sowieso schon beschädigte Treppe weiter zerstört. Wo steckte denn eigentlich Sesshoumaru? Er sah sich im Dunkel um, so gut es ging: „He, Sess…?“ Er erkannte dann seinen Halbbruder, der etwas mühsam auftauchte. Konnte der etwa nicht schwimmen? Ohne nachzudenken packte er ihn am Arm: „Ich zieh dich hier zur Treppe!“

Gewöhnlich hätte Sesshoumaru jeden getötet, der ihn ungefragt anfasste, aber diesmal war er zu froh hinübergezogen zu werden. Anscheinend konnte der Jüngere schwimmen, selbst in dieser Menschenform, selbst mit ihm. Als er sich am Metall festhielt, setzte sein sachlicher Verstand wieder ein. Die Tür wurde ausgerissen. Also war vom Lagerhaus wohl nicht mehr viel übrig. Ryuukossei würde sie folglich für tot halten. Die Treppe war noch mehr zerstört worden. „Kommst du in dieser jämmerlichen Form hinauf?“

„Keh!“ Inu Yasha hätte zu gern gewusst, wie der Hundedämon aussah. Sicher ebenfalls vollkommen durchnässt, aber das wäre ein Foto wert gewesen, mit dem man ihn als Retourkutsche die nächsten hundert Jahre ärgern konnte. „Ich sehe nicht mal, wieweit die Treppe noch existiert, du Schlauberger.“

Statt einer Antwort fühlte er sich um die Taille gepackt und in die Luft gehoben. Anscheinend ohne jedes Problem nahm ihn sein Halbbruder mit empor und setzte ihn ab. Dann erst erkannten beide im Schimmer der Sterne, was passiert war. Das Büro existierte nicht mehr. Die eigentliche Lagerhalle lag vor ihnen in rauchenden Trümmern. Eine Art Feuersturm schien durchgetobt zu sein. Vereinzelte Feuerquellen verrieten noch die Hitze unter dem Beton. Nichts und niemand, weder Dämon noch Mensch, hätten dieses Inferno überlebt. Sie hatten schlichtweg ungeheures Glück gehabt, in diesem Moment unter Wasser gewesen zu sein, das tröstete darüber hinweg, gerade buchstäblich wie begossene Pudel auszusehen.

„Dein Handy.“

„Was?“

„Dein Handy“, wiederholte Sesshoumaru ungeduldig.

Inu Yasha nahm es heraus und gab es ihm. Wollte er jetzt doch Hilfe holen?

„Das funktioniert nicht.“

Dämonen waren zu dumm zum telefonieren? „Zeig her. – Mist. Das war bestimmt das Wasser. Die SIM-Karte ist wohl im Eimer. – Was jetzt, nii-san?“ Er selbst war momentan zu müde und erschöpft durch die ungeheure Anspannung und ihren jähen Abfall jetzt, um auch nur noch denken zu können.

„Vater. – Wir besorgen uns ein Auto und fahren in das Hotel.“ So nass und stinkend wie er war und dann noch Inu Yasha in seiner Menschenform – nein, er würde weder so noch in seiner wahren Gestalt durch die Stadt laufen. Das wäre schlicht unmöglich.Überdies drängte die Zeit.

„Vater? Ja, sicher, sie werden ihn in eine Falle locken. Weißt du denn, wo wir sind?“ Er war ja in einem Lieferwagen hergebracht worden.

„Am Hafen.“

„Und in dem alten Teil der Lagerstadt, der abgerissen werden soll, klar. Na, da wird es mitten in der Nacht kaum Autos geben.“

Das würde man sehen. Ohne weiteres Wort wrang Sesshoumaru seine Fellboa aus und seine Haare, ehe er losging, ein wenig zufrieden, dass auch der Mensch an seiner Seite die Feuchtigkeit ausgedrückt hatte. So war es irgendwie nicht ganz so peinlich.

Vater. Hoffentlich wäre der dem Drachen noch nicht in die Falle gegangen. Was hatte Ryukossei gesagt? Er würde ihn um Mitternacht anrufen und um drei das Duell ansetzen. Wie spät war es? Er warf einen Blick auf den Sternenhimmel. Gegen halb elf?

Ein leises Geräusch hinter ihn ließ ihn sich umdrehen. Auch das noch. Durch die Anstrengung oder die Aufregung oder beides hatte wohl der einfache Menschenkörper nachgegeben und Inu Yasha war in Ohnmacht gefallen. Was nun? Aber auch er selbst spürte die Nachwirkungen der Anspannung. Kein Kampf auf Leben und Tod, den er bestanden hatte, war so anstrengend, so belastend, so schweißtreibend gewesen wie dieser Blick auf die rückwärts laufende Uhr. Und Ryuukossei hatte das genau gewusst. Er hatte ihn langsam umbringen wollen – mit einem buchstäblich finalen Akt.

Pflichtbewusstsein und Loyalität trieben ihn zu Vater, zur Familie. Aber auch Inu Yasha gehörte zur Familie. Und er hatte ihm wohl gerade das Leben gerettet. Nun, er ihm dafür wohl auch, mit dem Sprung in das Wasser. Dennoch. Er konnte ihn nicht hier hilflos liegen lassen. Wenn der Drache nicht völlig dumm war, würde er jemanden vorbeischicken, um zu sehen, was passiert war. Hoffentlich hatte sie noch niemand bemerkt. Verdammt, was war nur mit ihm los? Er bewegte sich wie ein Anfänger und übersah einfachste Vorsichtsmaßregeln? Er musste müder sein als angenommen.

Ohne weiter nachzudenken, packte er den Bewusstlosen und warf ihn sich über die Schulter, ehe er aus dem zerstörten Lagerhaus eilte. Irgendwo klangen Sirenen. Menschen. Sie würden sicher Polizei und Feuerwehr schicken. Warum nur hatte er auch daran nicht gedacht? Er musste sich zusammenreißen. Oder eine Pause machen. Ja, eine Rast wäre gut. Nur kurz, dann wäre er wieder hergestellt und würde voll kampffähig sein.

Er trug seinen Halbbruder einige Lagerhäuser weiter, ehe er ihn in einer dunklen Ecke ablegte und sich daneben setzte, die Krawatte lockerte. Er brauchte nur einen Moment Pause, dann würde sein Verstand wieder wie gewöhnlich arbeiten. Dann benötigten sie ein Auto, um in das Grand Hotel zu fahren und Vater zu sagen, was passiert war. Wenn der nicht mehr da war, würde hoffentlich wenigstens Myouga wissen, wohin er gegangen war. Oder hatte er Dämonen der Familie dabei…?

Noch im Grübeln schlief er ein.
 

Inu Yasha erwachte mühsam, ehe die Erinnerung wiederkehrte. An das schreckliche Warten des Ablaufes der Frist, den Sonnenuntergang, seinen Versuch, den Zünder zu entschärfen und schließlich das kalte Wasser, das ihnen wohl das Leben gerettet hatte. Irgendwo in der Nacht vor ihm blinkten blaue Lichter. Feuerwehr, natürlich. Wie war er hierher gekommen? Der Grund saß neben ihm, an die Wand gelehnt, und schlief. Oder war er auch ohnmächtig? Konnten das auch Dämonen werden? Wie viel Zeit war vergangen?

Vater!

„Sesshoumaru! He, nii-san! Aufwachen!” Er setzte sich auf und wollte ihn anstupsen, aber der junge Hundedämon öffnete bereits die Augen.

Verdammt. Er war eingeschlafen. Jetzt war er zwar erholt und wieder kampfbereit, aber…Er blickte zum Himmel. Kurz nach halb zwölf nach menschlicher Zeit. Das wurde eng. Er sprang auf: „Komm.“

Inu Yasha folgte wortlos, nicht überrascht, dass der Dämon die Menschenansammlung um die zerstörte Lagerhalle mied und die entgegengesetzte Richtung einschlug.
 

Ein einsamer Pechvogel, der gerade an einer Ampel in der Nähe des Hafengeländes hielt, schrak zusammen, als die Autotür aufgerissen wurde und er selbst mit unwiderstehlichem Griff aus dem Wagen gezerrt wurde. Mit noch größerem Entsetzen bemerkte er, dass er nicht gerade in den Klauen eines Menschen hing, auch, wenn der andere wohl ein Mensch war, der sich gerade auf die Beifahrerseite warf und meinte:

„Lass ihn hinten einsteigen, nii-san. Dann kann er später weiterfahren.“

Das klang schon mal nicht so, als ob sie ihn umbringen wollten, dachte der panische Unglückswurm, als ihn Sesshoumaru ohne ein Wort auf die Rückbank stieß, ehe er sich selbst auf den Fahrersitz setzte und den Motor aufheulen ließ.
 


 

Through these fields of destruction, baptism of fire

I've watched all your suffering as the battles raged higher

And though they did hurt me so bad in the fear and alarms

You did not desert me, my brothers in arms
 

Brothers in arms, von Dire straits
 

**

Papa möchte seine Söhne retten, die wollen ihren Vater retten, Kikyou und Kagome sind auch unterwegs – es könnte noch rund gehen in dieser Nacht: Rettungsmission.
 

bye
 

hotep

Rettungsmission

Sesshoumaru jagte den gestohlenen Wagen durch die nächtlichen Straßen der Stadt, entgegen aller Regeln, die auch nur in einem einigermaßen zivilisierten Land als Grundlagen für den Straßenverkehr dienen. Rote Ampeln ignorierte er ebenso wie andere Autos, deren Fahrer des Öfteren einmal mehr als scharf bremsen mussten.

Als Inu Yasha plötzlich schrie: „Nach rechts geht es zum Hotel!“ und sie bereits mitten auf der Kreuzung waren, bewies sein älterer Bruder, dass man auch mit achtzig noch die Kurve bekommen konnte. Mit quietschenden Reifen entkam er zwar gerade noch einem LKW, der soeben dort mit friedlichen fünfzig Stundenkilometern entlangfuhr, aber er kümmerte sich nicht um ihn – und auch nicht weiter um die zitternde Stimme des eigentlichen Wagenbesitzers von hinten:

„Oh, mein schönes Auto! Was…was machen Sie nur?“

„Ich gebe dir morgen einen Scheck, Mensch!“ knurrte der Hundedämon nur, ohne sich weiter aufhalten zu lassen: „Gib deine Adresse an.“

„.Oh, ..nein...nein, so meinte ich das nicht!“ beteuerte der Eigentümer eiligst. Seine arme Familie, wenn seine Adresse Dämonen bekannt war. Es hieß, dass sie manchmal zu doch recht rüden Methoden griffen – und der hier schien das zu bestätigen. Lieber sein Auto zu Schrott gefahren, wenn er nur das Abenteuer dieser Fahrt überlebte. Und seine Familie nicht mit hineinriss.

Inu Yasha drehte den Kopf: „Gib schon deine Adresse an. Wenn dein Auto tatsächlich kaputt ist, kriegst du eben ein neues. Weißt du, wir sind im Moment nicht gerade sonderlich gut drauf. Wir wurden in dieser Nacht überfallen, zusammengeschlagen, um ein Haar in die Luft gejagt und unser Vater ist in Lebensgefahr. Da ist dein Auto ein kleiner Preis. – Los jetzt. Gib mir schon deinen Ausweis.“

„Ja, natürlich, wie Sie wünschen….“ Allerdings klammerte sich der Mann erneut fest, als eine weitere Kurve geschnitten wurde.

Dabei fiel ihm erstmals auf, dass der Mensch, wenn es denn einer war, also der Jüngere, das nicht tat. Der saß relativ locker da, anscheinend mit großem Vertrauen in den Fahrer.

Er griff in seine Brieftasche, als ihm einfiel, dass er sein Handy dabei hatte und es zog. Wenn er die Polizei informieren würde….Aber Dämonen unterlagen nicht der menschlichen Rechtsprechung. Die Polizei würde das nur dem jeweiligen Chef dieser Organisationen melden.

So wollte er das Handy wegschieben, als es ihm aus der Hand gerissen wurde.

„Klasse Idee!“ strahlte Inu Yasha: „Nii-san, wir haben ein Handy!“

Der nahm den Blick nicht von der Strasse: „Royakan. Hast du die Nummer?“

„Nein, nur Myougas, aber mein Telefon hat ja den Geist aufgegeben. Du weißt sie nicht? Aber ich kenne die Hotelnummer auswendig.“

„Dann lass dich zu chichi-ue durchstellen. Wenn er noch da ist. Es ist schon kurz nach Mitternacht.“

Nur kurz darauf hatte Inu Yasha Myouga in der Leitung, der mehr als erstaunt schrie: „Inu Yasha-sama! Ihnen ist nichts passiert? Wissen Sie etwas über Sesshoumaru-sama? …Was ist das denn für ein Lärm im Hintergrund?“

„Sesshoumaru fährt etwas flott, wir sind so in zehn Minuten im Hotel“, brüllte der Halbdämon zurück: „Und nichts passiert würde ich es nicht nennen, aber wir konnten abhauen. Wo ist otou-san?“

„Auf dem Weg zu den Lavafeldern.“

„Lavafelder?“ Er sah fragend zu seinem großen Bruder.

„Gib mir diesen Floh“, knurrte der und griff mit einer Hand bereits zum Handy, ohne das Tempo merklich zu verringern: „Myouga, meine Rüstung, sofort. Und lass Royakan die Leute zusammenrufen.“

„Äh, ja, natürlich. Äh, Sesshoumaru-sama, Toutousai ist hier, mit der Kleidung und dem Schwert, dass der Herr für Inu Yasha-sama bestellt hat.“

„Dann gib ihm sein Schwert, aber er bleibt bei euch im Hotel.“ Er legte auf.

„Das denkst auch nur du dir!“ protestierte der Jüngere und nahm lieber wieder das Handy, um es seinem Besitzer zu reichen: „Wenn du glaubst, dass ich da sitze und Däumchen drehe, während du otou-san helfen willst…“

„Sieh dich an. Bist du wirklich kampffähig gegen diesen Drachen?“

„He, der nächste Vulkan und damit die nächsten Lavafelder liegen drei Autostunden von hier. Weißt du, was passiert, wenn die Sonne aufgeht?“

Das konnte sich Sesshoumaru denken, aber ein unklares Beschützergefühl trieb ihn dazu zu sagen: „Nach dieser Nacht zweifle ich nicht an deinem Mut. Aber ein Kampf unter Dämonen ist etwas anderes. Das geht immer auf Leben und Tod. Und du hast so noch nie gekämpft, nie getötet.“ Der Welpe war nach Menschenart erzogen, das hatte sein verehrter Vater ihm doch erzählt.

„Mag sein. Aber soll ich dir was sagen: nach diesem kleinen Abenteuer bin ich vermutlich in genau der richtigen Stimmung dafür, wenn mir dieser Drache über den Weg läuft. Und wenn ich ein Mensch bin – na, dann lenke ich ihn eben solange ab bis du ihn dir schnappst.“

„Sturer Hund.“ Aber das war ein Kompliment.
 

Vor dem Grand Hotel sprangen die Halbbrüder aus dem Auto und überließen es dem verängstigten Besitzer allein aus der Rückbank zu kriechen und sich mit zitternden Knien auf den Fahrersitz zu setzen. Was für eine Höllenfahrt dieser Dämon da hingelegt hatte. Davon konnte er seinen Kindern erzählen – wenn ihm jemand glauben würde. Er sollte zusehen, dass er nach Hause kam. Immerhin lief der Motor noch.
 

Oben in der Präsidentensuite erwarteten Royakan und Myouga mit einem anderen älteren Dämon, den Inu Yasha noch nie gesehen hatte, die beiden, sichtlich zwischen Besorgnis und Erleichterung schwankend.

Royakan hatte bereits Rüstung und die entsprechende Kleidung hingelegt und half Sesshoumaru schweigend beim Umziehen, der nur zu froh war, den nassen, stinkenden Anzug loszuwerden.

Inu Yasha betrachtete dagegen etwas verwundert das rote Gewand, das ihm der Unbekannte hinhielt, zog sich aber auch etwas erleichtert aus: „Was ist das?“ erkundigte er sich dennoch: „Das sieht ja fast wie die Kleidung eines Priesters aus.“

„Ein Gewand aus Feuerratten“, erklärte Myouga: „Das schützt wie eine Rüstung. Der Herr hat es hier bei Toutousai mit Ihrem Schwert bestellt. Er ist Schmied.“

„Immerhin passt es.“ Und es war herrlich, etwas Trockenes anzuhaben.

„Natürlich passt es.“ Der alte Schmied war beleidigt: „So ein Hundebengel.“

Im nächsten Moment hatte er eine Faust auf dem Kopf. Mochte der Schlag eines Menschen auch einen Dämon nicht verletzen, so hatte Inu Yasha doch seiner Meinung deutlich Ausdruck verliehen: „Für den Fall, dass du hier was nicht mitbekommen hast, du komischer Metallbieger: wir machen uns Sorgen um unseren Vater!“

„Wann ist er weg?“ erkundigte sich Sesshoumaru etwas sachlicher.

„Vor einer halben Stunde. Ryuukossei verlangte von ihm ein Duell um drei auf den Lavafeldern, oder er würde Sie in Stücke schneiden, “ erklärte Myouga eilig: „Der Herr hoffte, dass dieses Duell Ihnen und Inu Yasha-sama das Leben retten würde.“

„Keh!“ warf der Jüngere ein: „Wenn es nach dem Drachen gegangen wäre, wären wir schon seit zwei Stunden tot.“

„Wo sind die Leute, Royakan?“ Sesshoumaru schob sich zwei Schwerter in den Gürtel.

„Es dauert etwas…der Herr hatte sie alle ausgesandt um Sie...und Sie zu suchen, “ erklärte der, in der sichereren Überzeugung sich nicht nur heute Nacht nicht mit diesen Hundebrüdern anlegen zu wollen: „Aber sie sind alle bestimmt schon auf dem Rückweg.“

„Sobald sie kommen, sollen sie zu den Lavafeldern. Inzwischen sehen wir, was wir tun können. Chichi-ue muss wissen, dass wir noch leben und frei sind, nur dann wird er richtig kämpfen können. Wir werden diesem Drachen die Regeln des Krieges beibringen.“ Er musste jedoch noch etwas klarstellen.

Er missachtete den überraschten Gesichtsausdruck seines Halbbruders, als er zu ihm trat und sein Kinn fasste, ehe er ihm einen Kuss gab. Royakan und Myouga würden das weitererzählen. Und auch, wenn sich Inu Yasha der Bedeutung nicht bewusst war, das verriet der halb fassungslose, halb empörte Ausdruck, so würde es jedem Dämon klar sein.

Myouga hauchte auch nur: „Sesshoumaru-sama….“ Das besagte für jeden Anwesenden im wahrsten Sinne des Wortes den Bruderkuss – und den Schwur des Älteren eher zu sterben, als dass dem Anderen etwas zustieß. Daran müssten sich alle anderen Mitglieder der Familie orientieren. Die Aussichten des Halbdämons diese Nacht als Mensch zu überleben waren sehr hoch.

Inu Yasha wollte seine Meinung über die in seinen Augen mehr als unangebrachte Zärtlichkeit bereits lautstark zum Ausdruck bringen, als er bemerkte, wie bewundernd, ja, fast anbetend ihn die anderen drei Dämonen im Raum anstarrten. Verdammt, war das schon wieder irgendeine wichtige Dämonenregel, die er nicht kannte? Aber was sollte der Unsinn? Eigentlich hatte er doch mal Kagome küssen wollen – und nicht seinen Halbbruder. Aber wenn sich der dazu herabließ und noch dazu, wenn er ein Mensch war, musste das irgendwie wichtig sein. So biss er sich auf die Zunge und schwieg. Soviel Vertrauen hatte er seit Beginn der Nacht doch in den Älteren sammeln können.

Das momentane Familienoberhaupt wandte sich auch nur ab: „Toutousai.“

„Ja, Sesshoumaru-sama?“ Aber der Schmied klang nicht begeistert.

Prompt kam auch die Antwort, die er nicht hören wollte: „Du kommst mit. Unterwegs kannst du Inu Yasha sein Schwert erklären.“

„Äh….Sesshoumaru-sama….Ich meine…der Junge ist im Moment nur ein Mensch und…“

„Und wird bei Sonnenaufgang wieder zum Halbdämon. Halte mich nicht für töricht. Ich weiß, dass er im Moment nichts mit einem Dämonenschwert anfangen kann. Aber entweder du kommst mit oder du bist sogar noch schneller in der Unterwelt als Ryuukossei.“ Er hob die rechte Hand, zwei Finger gerade gehalten, die zur Überraschung seines kleinen Bruders grünlich aufleuchteten.

„Schon gut. Ich komme ja mit…“ Toutousai erkannte eine Bedrohung, wenn er sie vor sich sah und auch der Jüngere machte nicht den Eindruck besonders freundlich zu sein. Nun ja, nach dem, was Myouga ihm erzählt hatte, hatten die Hundebengel wohl eine aufreibende Nacht hinter sich. Und sie war noch nicht zu Ende.
 

Als Kikyou und Kagome sich höchst besorgt bis zu Myouga durchgefragt hatten, musste der zugeben, dass sie die Halbbrüder um zehn Minuten verpasst hatten.

Kagome atmete auf: „Dann konnten sie den Entführern entkommen. Aber was haben sie nun vor?“

Kikyou nickte etwas: „Dann haben Sie doch sicher gesehen, was mit Inu Yasha heute Nacht los ist. Und dann lassen Sie ihn in einen ausgewachsenen Dämonenkrieg ziehen?“

Der Flohgeist hob alle vier Arme als er gestand: „Vielleicht hätte ich ihn mit Hilfe einer Zwangsjacke zurückhalten können.“ Und nur über seines Bruders Leiche.

„Was ist mit Inu Yasha heute Nacht los?“ fragte Kagome prompt alarmiert.

„Er wird zum Menschen. Jeder Halbdämon wird zum Menschen, einmal im Monat, “ erklärte Myouga.

Kikyou hätte das lieber verschwiegen, aber das war nun nicht zu ändern: „Wohin sind sie?“

„Zu den Lavafeldern. Aber, Kikyou-sama – dort sollten sich heute Nacht wirklich nur Leute sehen lassen, die kämpfen können.“

„Und Inu Yasha?“

„Sesshoumaru-sama wird ihn beschützen, das war offensichtlich, bis...bis die Nacht um ist. Und er trägt ein Gewand aus Feuerrattenhaaren, das ihn gegen Angriffe schützt. Und er hat ein Schwert bekommen.“

„Ein Schwert! Der Taishou versprach mir, ihn aus Schwierigkeiten heraushalten zu wollen.“ Kikyou klang bitter.

Myouga richtete sich empört zu seiner vollen Größe auf: „Und der Herr hat sein Wort gehalten. Er ging nicht zu den Lavafeldern, um zu kämpfen, sondern um sich für seine Söhne umbringen zu lassen. Er würde eher sterben, als sie in Gefahr zu bringen. Nur haben sie sich selbst befreit und wollen ihm jetzt helfen.“

Kagome schlug sich die Hand vor den Mund: „Er will sich….“

Kikyou nickte dagegen, eher vertraut mit den Dämonenregeln: „Ich verstehe. Aber wir werden trotzdem dort hinfahren. Inu Yasha ist nur ein Mensch….“

„Die Sonne wird aufgehen, Kikyou-sama. Und ich beschwöre Sie….Sie würden ihn vor allen Dämonen blamieren!“ Myouga zögerte einen Moment: „Sesshoumaru-sama gab ihm zuvor den Bruderkuss, wenn Sie wissen, was das bedeutet.“

„Sie sind doch Brüder?“ fragte Kagome etwas verständnislos, um mit einem Schauder zu ergänzen: „Das wäre ja Inzest!“

„Nein, das bedeutet etwas anderes.“ Kikyou holte tief Atem: „Das hat nichts damit zu tun, ob sie Brüder sind oder Fremde. Das ist nur der Schwur zu dem Anderen zu stehen, ihn zu beschützen, wenn es sein muss mit dem eigenen Leben. Kein Dämon würde das brechen. – Nun gut. Dürfen wir aber hier bleiben?“ Mit gewissem Erstaunen bemerkte sie, wie Dämonen, Männer und Frauen kamen, alle in mittelalterlichen Gewändern, mit Rüstungen und Schwert. Royakan gab kurze Anweisungen und sie rückten die Waffe nur unwillkürlich gerade, ehe sie verschwanden. In der Tat. Heute Nacht war ein Dämonenkrieg ausgebrochen, wohl der erste, seit die Verträge mit den Menschen geschlossen wurden. Oder hatte es nur nie zuvor ein Mensch mitbekommen? Sie befanden sich hier immerhin im Hauptquartier einer der verfeindeten Parteien.

Myouga zögerte etwas, ehe er sagte: „Ich vermute, das ist in Ordnung. Bitte, kommen Sie hier hinüber. Das ist der Aufenthaltsraum der Suite. Hier wäre der Fernseher…aber ich denke, Sie wollen nicht gucken.“

„Nein, danke.“ Kikyou setzte sich: „Kagome, komm doch zu mir, bitte. – Myouga-san, wären Sie so nett, uns zu informieren, sobald Sie etwas erfahren?“

„Ja.“ Der Flohgeist hüpfte weg.

Kagome nahm Platz: „Sie…Sie haben etwas vor?“

„Ja. Vermutlich würden wir tatsächlich Inu Yasha blamieren, wenn wir ihm hinterherfahren. Dämonen sind sehr eigen. Aber sein Halbbruder wird ihn wohl aus dem Kampfgeschehen heraushalten. Sonst würde er seinen Schwur brechen. – Wir können jedoch eines tun. In einer solchen Schlacht wird oft auch Magie eingesetzt. Inu Yasha ist ein Mensch, wenn die Sonne aufgeht auch nur ein halber Dämon und dazu unerfahren in Bezug auf Zaubersprüche. Wir können versuchen, einen Bann auszusprechen, der den Einsatz von Magie verhindert.“

„Aber die Lavafelder…das sind doch drei Stunden Entfernung.“

„Ja. Darum kann ich es auch nicht allein. Aber du hast durchaus magische Fähigkeiten, auch, wenn du dir dessen nicht bewusst bist. Komm. Setz dich mir gegenüber.“

„Ich dachte, Priesterinnen dürfen nicht...“

„Keinen Schadenszauber. Wer so etwas ausspricht wird ausgestoßen und zu einer so genannten schwarzen Priesterin. Ich will nur verhindern, dass ihm etwas zustößt. Der Bann wird wie ein Schild wirken.“

„Ein Schutzschirm?“ Kagome ließ sich nieder: „Aber ich weiß nicht, ob ich da so hilfreich sein kann.“

„Ich denke, doch. Kennst du die fünf Elemente?“

„Natürlich. Holz, Metall, Feuer, Wasser und Erde.“

„Diese Fünf beschwöre ich. Und sie sollen gemeinsam den Schutz wirken. So kann kein Zauber mehr hindurch gelangen. Du musst sie dir vorstellen. Und auch den Schild um Inu Yasha, oberhalb, unterhalb, um ihn. Gib mir deine Hände.“

Kagome gehorchte. Zu ihrer Überraschung erschien fast sofort ein helles Leuchten um beide. Kikyou lächelte etwas. Dieses Mädchen besaß in der Tat Magie – vielleicht wäre sie mit einer passenden Ausbildung ihr eines Tages ebenbürtig.

Aber sie schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können, ehe sie den uralten Spruch zu rezitieren begann:

„Holz, Wasser, Metall, Feuer und Erde, zu einer Macht zusammen werdet…“
 

Der alte Dämonenschmied klammerte sich an die Kopfstütze des Beifahrersitzes, als der Wagen buchstäblich aus der Tiefgarage des Hotels schoss, ehe er meinte: „Na schön, du Hundejunge. Das Schwert, das der Herr dir schmieden ließ…“ Er erhob die Stimme, denn der Motor des Sportwagens jaulte auf: „Hat besondere Fähigkeiten.“

„Dachte ich mir schon…“ gab Inu Yasha zurück, ehe er seinen Kopf zu dem Fahrer drehte: „Sag mal, nii-san, wie viele Strafzettel hast du heute Nacht eigentlich schon eingesammelt?“

„Uninteressant.“ Sesshoumaru ließ den Wagen mit über hundert durch die nächtliche Stadt jagen: „Interessant ist nur: wie viele werden heute Nacht noch sterben.“

„Dieser Drache garantiert“, erwiderte der Jüngere nur nüchtern, ehe er den Kopf drehte: „Äh, ...was war das mit dem Schwert…?“

Der Schmied beschloss, dass es in Anbetracht der mörderischen Stimmung seiner Mitfahrer kein gut gewählter Zeitpunkt wäre, um Höflichkeit einzufordern: „Es hat einen Angriff eingeschmiedet. Nennt sich Windnarbe. Wenn du, äh, Sie wieder…äh...na ja, normal sind….Sie können sicher die dämonische Energie wittern oder sogar sehen. Die reibt sich am Wind.“

„Klingt schon mal praktikabel. Weiter.“

„Naja…“ Toutousai rieb sich den etwas schütter gewordenen Schädel. „Das müssen Sie dann sehen. Sie müssen das Schwert dann eben nicht auf den Gegner schlagen sondern auf die Lücke zwischen dem Wind und der Energie.“

„Was für eine klasse Bedienungsanleitung! Mehr hast du nicht auf Lager?“

„Das Kaze no kizu ist ein sehr mächtiger Angriff!“ protestierte dessen Schöpfer sofort, um sich erneut festzuklammern. „Äh…darf ich darauf aufmerksam machen, dass in der Stadt maximal Fünfzig erlaubt sind?“

Er durfte. Zumindest reagierte keiner der Hundebrüder darauf.

So fuhr der alte Schmied etwas nervös fort: „Wichtig ist es für Tessaigas Träger... die Windnarbe zu finden.“

„Oh, das Schwert hat einen Namen?“ Der Halbdämon hob es samt der Scheide hoch und betrachtete es, ehe er meinte: „Hallo Tessaiga, ich bin Inu Yasha.“

Toutousai seufzte. Entweder der Junge war durch die Aufregungen der Nacht durchgedreht oder mehr als mutig. Es ging in einen ausgewachsenen Kampf gegen Dämonen und einen verrückten Drachen – und der war ein Mensch. Aber er bemerkte durchaus den Seitenblick des älteren Halbbruders und fuhr fort: „Noch etwas. Falls du in einem Kampf steckst und dein Gegner Energieangriffe abfeuert, kannst du sie mit deinem Schwert zurückwerfen.“

„Und wie?“

„Du musst dem Angriff entgegengehen, du wirst dann schon sehen, wie. Deine eigene dämonische Energie muss sich jedenfalls mit der des Gegners verbinden. Dann schwingst du Tessaiga und jagst ihm die doppelte Menge zurück. Ja.“

„Die nächste außergewöhnlich genaue Bedienungsanleitung. Das letzte Mal, als ich so einen Schwachsinn mitbekommen habe, war bei meiner CD-Anlage. Da stand auch, was sie kann - bloß leider nicht wie.“

„Normalerweise übt ein Dämon ja mit seinem Schwert auch Jahre, Jahrzehnte und probiert ein neues nicht als erstes idiotischerweise in einem Kampf auf Leben und Tod aus!“ verteidigte sich Toutousai, ehe ihm einfiel, dass Sesshoumaru mit diesem Toukejin genau das getan hatte. Aber das hatte auch nicht er geschmiedet und es war nicht seine Verantwortung und…..Der Blick, den der Fahrer zurückwarf, gefiel ihm dennoch nicht. So schluckte er seinen nächsten Satz über hirnverbrannte, arrogante Hundebengel lieber hinunter. Es stand zu erwarten, dass er ansonsten bei diesem Tempo schlicht aus dem Auto geworfen wurde, war es doch leider offen. Was für Chaoten! Mörderische Chaoten.

„Äh, Sesshoumaru-sama…Sie können mich hier auch aussteigen lassen…?“ meinte er darum. Er riss sich in seinem Alter ganz sicher nicht um Kämpfe aller Art. Es war eine seiner dämlichsten Ideen in seinem ganzen Leben gewesen, ausgerechnet heute Nacht die bestellten Sachen dem Taishou vorbeibringen zu wollen. Aber woher hätte er das auch ahnen sollen.

„Steig doch aus!“ forderte der Fahrer ihn auch prompt auf, da er die Landstraße erreicht hatte und nun mit gleichmäßigen Hundertfünfzig diese entlang jagte. Er würde ganz sicher keine Pause machen, um diesen Schmied möglichst noch nach Hause zu bringen. Vater hatte eine gute halbe Stunde Vorsprung, eine halbe Stunde allein mit Ryuukossei und wer wusste wie vielen seiner Leute – und er selbst hatte in dieser Nacht schon erfahren, wie das sich anfühlte. Nur, mit chichi-ue würden sie noch härter umspringen, war er doch das Oberhaupt der Familie. Härter und doch langsamer. Wer wusste, was diesem sadistischen Drachen alles einfiel.

Vater..

Warum hatte er dem Jungen so ein mächtiges Schwert schmieden lassen? Toutousai mochte nervend sein, aber er verstand sein Handwerk. Hatte chichi-ue einen Ausgleich dafür schaffen wollen, dass er selbst Tenseiga und Toukejin trug? Er würde ihn wohl fragen müssen. Erstaunlicher war das Gewand aus Feuerrattenhaar, das Vater hatte anfertigen lassen. Das war schützend wie eine Rüstung, war aber keine. Nun ja, wenn er sich recht entsann, war solche Kleidung durchaus für den Zweitgeborenen üblich gewesen, einst, ehe diese Verträge mit den Menschen geschlossen wurden.

Er warf einen Blick seitwärts. Inu Yasha würde keine Hilfe bei dem bevorstehenden Kampf darstellen. Er war ein Mensch bis die Sonne aufging und vollkommen unerfahren. Aber ihm selbst war klar geworden, dass er ihn mitnehmen musste. Sonst hätte er seinen Stolz verletzt. Eigenartig, dass er, Sesshoumaru, auf den Stolz eines Menschen, nun ja, eines halben Dämons achtete. Aber er wusste wieso. Ohne Inu Yasha wäre er die Bannfesseln nie losgeworden und der hatte sich trotz seines jämmerlichen Körpers als Halbdämon, geschweige denn als Mensch, als tapfer erwiesen. Es war sein Gefährte der letzten gefährlichen Stunden, ein Mitglied der Familie.
 

***
 

Das nächste Kapitel spielt Auf den Lavafeldern, und wir werden sehen, wie es Papi inzwischen ergangen ist....
 

bye
 

hotep

Auf den Lavafeldern

No mercy, I have no mercy on your soul...

No mercy now, there´s no more forgiveness,

No running now, you´ve made it my business.
 

Jim Johnston: WWE 2007: No mercy
 

„Äh, Sesshoumaru?“

„Was ist?“ Der sah nicht seitwärts. Die Sonne ging noch nicht auf. Was also wollte der Welpe?

„Du solltest langsamer fahren. In der Nacht hört man das Motorengeräusch kilometerweit und wir sind schon bald da.“

Wo er Recht hatte…..Der Hundedämon wurde langsamer, zur sichtbaren Erleichterung ihres unfreiwilligen Passagiers. Toutousai hatte es schon seit Stunden aufgegeben aussteigen zu wollen. Sesshoumaru ließ den Sportwagen ausrollen und hielt an: „Du bleibst hier“, befahl er dem Schmied.

„Oh, ja, natürlich…nur zu gerne….“ beteuerte der. „Sonst noch Wünsche?“

„Wenn die anderen kommen – dort rechts der Berg ist der Vulkan. Die Lavafelder, die die Kampfarena bilden liegen an seinem Fuß. Komm.“ Das galt seinem Halbbruder, der ihm unverzüglich in die Dunkelheit folgte.
 

Bald stellte sich heraus, dass Inu Yasha in der Nacht nicht nur deutlich weniger sehen als ein Dämon sondern auch nicht schnell genug mithalten konnte. Der Ältere war versucht ihn zurückzulassen, aber als er den Augen des Anderen begegnete, wusste er, dass er es nicht vermochte. Das war kein erbärmlicher Mensch und sobald die Sonne aufging, würde er auch irgendwie etwas Sinnvolles machen können.

Mit einem gewissen Ingrimm packte er zum zweiten Mal in dieser Nacht seinen Halbbruder um die Taille und trug ihn mit sich, zumal er Rufe aus der Dunkelheit hörte, Anfeuerung und Jubel zugleich. Während Vater allein hier war, hatte es Ryuukossei vorgezogen, mit einer Horde seiner Clanmitglieder zu erscheinen. Was für ein Feigling. Aber das würde die Sache nochmals erschweren.
 

Er setzte Inu Yasha erst ab, als sie fast den Kampfplatz erreicht hatten. Bis dahin war seine Vorstellung, was er zu tun hätte, recht vage gewesen, hatte er doch keine Ahnung gehabt, was er vorfinden würde. Jetzt schritt er lautlos den restlichen Felspfad empor, ein wenig verwundert, dass selbst er kaum hören konnte, wie ihm der Halbdämon folgte.

Oben erstarrten beide.

In der Mulde, die die natürliche Arena bildete, befanden sich nur zwei Wesen: Vater und ein schlangenförmiger riesiger Drache, dessen Schwanz gerade wie eine Peitsche zuschlug. Der Taishou fing sich taumelnd ab. Ganz offenkundig hatte er Prellungen, vielleicht etwas gebrochen, denn er bewegte sich schwerfällig, viel schwerfälliger als sonst. Und er griff nicht zu seinem Schwert, das er noch immer auf dem Rücken trug. Rechts von ihnen und gegenüber waren um die sechzig Dämonen versammelt, die den Schlag jubelnd begrüßten.

„Diese Mistkerle!“ zischte Inu Yasha und blickte seitwärts. Er konnte nur das weiße Haar seines Halbbruders genau erkennen, aber als der ihm das Gesicht zuwandte, erschrak er etwas. Er hatte noch nie einen Dämon mit roten Augen gesehen, aber er wusste, dass dies ein Zeichen von Zorn war: „Was tun sie?“ flüsterte er daher nur. Am liebsten wäre er runtergerannt und hätte Vater gestützt, der sich mühsam auf den Beinen hielt.

„Ryukossei will chichi-ue zum Knien bringen und der versucht es zu vermeiden.“ Was sollte er nur tun? Ein Überraschungsangriff auf die Clanmitglieder würde zumindest die Übermacht senken. Aber er hatte doch versprochen, Inu Yasha zu beschützen…Nun, das konnte Vater dann machen: „Geh, so leise du kannst, hinunter in die Arena und erst dann schreie, dass wir beide hier sind. Ryuukossei wird dich unter Umständen umbringen wollen, aber chichi-ue wird dich schützen. Ich kümmere mich um diese Zuschauer.“

Ohne ein Wort machte sich Inu Yasha auf den Weg abwärts, wenn auch etwas verwundert. Sesshoumaru allein gegen die alle? Ob er sich da nicht etwas überschätzte? Aber es war schon gegen halb vier. Die Sonne würde allerdings erst in ungefähr zehn Minuten aufgehen, auch, wenn sich am Horizont der erste Schimmer des Tages zeigte. Dann könnte er ja mal antesten, was dieses Tessaiga so drauf hatte – und was die Bedienungsanleitung dieses senilen Metallbiegers wert war.
 

Der Taishou rang nach Atem. Dieser Mistdrache ging systematisch vor. Immer wieder hatte der gegen seine Rüstung geschlagen, ihm so Prellungen zugefügt, ja, ein paar Mal glaubte er, dass eine Rippe nachgegeben hatte. Aber das würde heilen. Ärger war die Tatsache, dass er ihm danach beide Arme mehrfach gebrochen hatte und nun dazu überging, sich die Beine als Ziel zu suchen. Auch das würde heilen, aber er wollte lieber sterben als vor dieser Eidechse in die Knie zu gehen. Er hatte gleich zu Beginn versucht Magie einzusetzen, aber das war ihm verwehrt worden, wohl durch einen geschickten Zauber, und so hatte er es gar nicht mehr probiert.

„Komm schon, Taishou“, höhnte der Drache: „Greif zum Schwert. Das kostet deine Jungs nur…sagen wir, eine Hand? Oder wären dir die Zungen lieber? Ach nein, dann könnten wir sie ja nicht mehr schreien hören…“
 

Das war es also.

Inu Yasha beeilte sich.

Vater versuchte sie zu schützen – und dieses missratene Reptil nutzte dessen Zuneigung aus. Ryuukossei müsste doch längst wissen, dass das Lagerhaus dem Erdboden gleich gemacht worden war. Er erpresste seinen Gegner mit seinen bereits toten Kindern. Der junge Halbdämon konnte sich nicht erinnern, schon einmal so wütend gewesen zu sein. Nicht einmal, wenn Kouga und seine Bande ihn mal wieder in die Mangel genommen hatten. Das war unfair, ja, eine Überzahl, ja…aber das hier war doch das Allerletzte!
 

„Du kannst dich aber auch gern vor mir niederknien und meinen Sieg anerkennen. Komm schon, dann wird dein Tod vielleicht weniger schmerzhaft.“

Der mächtige Hundedämon wandte plötzlich das Gesicht in die Dunkelheit. Irrte er sich oder hatte der Wind ihm eine Nachricht zugetragen? Nein. Das musste ein Irrtum sein.

„Vielleicht kümmerst du dich um mich?“ zischte Ryuukossei und schlug erneut zu, wieder gezielt gegen ein Bein seines Widersachers.

Der Taishou ging unwillkürlich auf ein Knie nieder, raffte sich aber schnell wieder auf, bemüht, den Rest seines Stolzes zu wahren, auch, wenn das schwer war. Hier buchstäblich langsam zerschlagen zu werden war kein Tod, den er sich gewünscht hätte. Und irgendwann würde er nicht mehr aufstehen können. Schon jetzt rann dunkelrotes Blut seinen linken Arm hinab über seinen Schützer und tropfte auf das Gestein.

„He, otou-san!“

Hundedämon und Drache fuhren herum. Beide sahen erstaunt einen Menschen auf sich zukommen.

Der Vater erkannte ihn als erstes: „Inu Yasha!“ Er kannte die Sage von Halbdämonen, die einmal im Monat zu Menschen wurden, das jedoch so zu sehen war schon etwas anderes. Aber wie kam der Junge her und dann auch noch in diesem Zustand?

„Verdammt!“ knirschte Ryuukossei.

„Wir sind beide hier!“ schrie Inu Yasha noch schnell, ehe er den Schwanz des Drachen auf sich zuschießen sah. Er flog in hohem Bogen durch die Luft und prallte hart auf. Stöhnend registrierte er seine bisherigen Verletzungen – und die neu hinzugekommenen Prellungen. Warum machte Vater denn nichts? Sesshoumaru hatte doch gesagt, der würde ihn schützen? Weil er nicht konnte, erkannte er dann. Der Taishou versuchte zu seinem Schwert zu greifen, aber die Arme waren wohl gebrochen worden. Da war auch Blut zu sehen. Das würde heilen, das wusste der Halbdämon nur zu gut, die Frage war nur wann. Dieser Drache, der gerade auf ihn zukam, machte nicht den Eindruck besonders lange warten zu wollen.
 

Beide Söhne! Die ungeheure Erleichterung wollte dem Vater fast das Herz sprengen. Wie hatten sie das nur geschafft? Er blickte sich um, als er bläuliche Energie in die Zuschauer rasen sah. Sesshoumaru. Ja, der war da und kampffähig. Er musste jetzt nur den armen Jungen hier schützen. Ein Mensch gegen einen Drachen…Das war nur ein Sekundenwerk, ehe der ihn zerrissen hatte: „Ryuukossei, ich bin dein Gegner.“ Nicht, dass jetzt noch vor seinen Augen passierte, was ein Wunder verhindert hatte.

„In der Tat. Ich werde nur schnell nachholen, was ich wohl versäumt habe. Das ist ein Mensch…wie erbärmlich. Ich werde meine Klauen in dich drücken, Kleiner, und dich einfach in zwei Teile reißen.“

„Keh, drei schaffst du also schon mal nicht.“ Inu Yasha stand etwas mühsam auf. Es lag an ihm diese überdimensionierte Eidechse solange hinzuhalten, bis Vater sein Schwert ziehen konnte. Und noch besser, die Sonne aufging. Es konnte sich nur noch um Minuten handeln, aber so lange musste er eben mit einem großen Mundwerk auskommen. Die bizarre Stimmung, die ihn da in dem Lagerhaus erfasst hatte, hielt noch immer an. Er hatte keine Ahnung, was das war, aber er wusste seltsamerweise was er tun würde. Und er verspürte nicht die mindeste Angst. Nur einen ungeheuren Zorn auf diesen Drachen, der auch gegen alle dämonischen Regeln verstoßen hatte, schlicht und ergreifend verrückt geworden war: „Ich meine, es war sowieso eine selten dämliche Idee uns da allein zu lassen. Na ja, in so toller Gesellschaft wie diese Sprengladung.“

„Wie seid ihr da eigentlich herausgekommen?“ erkundigte sich der Drache ehrlich interessiert, zumal er sicher war, diesen Menschen im buchstäblichen Handumdrehen zu töten.

Eine Sprengladung? Der Taishou schluckte, auch, wenn er wusste, dass sie da fliehen konnten.

„Soll ich ehrlich sein?“ Der Halbdämon blickte zu dem riesigen Drachen auf: „Wie du siehst, habe ich mich verwandelt. Deine tollen Bannfesseln mögen ja umso besser sein, je stärker ein Dämon ist, bei einem Menschen sind sie für die Katz.“ Er warf einen Blick hinauf. Sesshoumaru hatte sich tatsächlich dem Kampf gegen alle gestellt. Es wurde wirklich Zeit, dass Vater etwas unternehmen konnte. Wenn er selbst nur irgendetwas von Kämpfen verstand, versuchte sein Halbbruder schlicht Zeit zu gewinnen, die anderen daran zu hindern, hier herunter zu kommen. Wie lange konnte der das so durchhalten?

Auch dem Taishou war das klar und so bemühte er sich, seine Regenerationsfähigkeiten in seine Arme zu lenken. Die Rippen konnten auch später heilen. Wichtig war nur, dass er diesem Drachen und seiner Gefolgschaft den Weg in die Hölle zeigte – und seine Söhne schützte. Die Schmerzen seiner Kinder, seine eigenen….oh ja. Dieses verdammte Reptil hätte sich nie mit ihm anlegen sollen.

„Ja, daran hat wohl keiner gedacht“, gab Ryuukossei zu. Naraku! Wozu hatte man einen derart unfähigen Berater! Wo steckte der eigentlich? Aber letzten Endes war das gleich. Vielleicht war es sogar noch amüsanter, den Kleinen hier direkt vor Papas Augen zu zerquetschen. Denn der konnte sein Höllenschwert noch nicht einmal ziehen - geschweige denn einsetzen. Und wie lange der Ältere da oben noch gegen die Übermacht bestehen konnte, war ebenfalls fraglich. Vielleicht würde er sogar alle drei Hundis heute eigenhändig erledigen können. Was für eine wundervolle Nacht. Aber man sollte vorsichtig sein: „He, Tsubaki, “ brüllte er. Und da sich die schwarze Priesterin unverzüglich oben am Hang zeigte: „Sorge mal dafür, dass Hundis Regeneration nicht klappt.“
 

Was?! war der einzige, einige Gedanke von Vater und Söhnen.
 

Inu Yasha unterdrückte seine Verwünschung nicht, als er plötzlich feststellen musste, dass er in den Klauen des Drachen hing und fast liebevoll an dessen Brust gedrückt wurde. Es tat weh, aber er konnte sich vorstellen, was da noch kommen würde. Vater…

Tsubaki sprach ihren Fluch wie befohlen aus. Der Herr der Hunde suchte hastig seine eigene Magie zusammen. So etwas abzuwehren war schwer, das wusste er noch aus den Zeiten, als mächtige Dämonen und menschliche Priesterinnen sich Zweikämpfe geliefert hatten. Umso überraschter war er, als über ihm – und Inu Yasha - etwas aufleuchtete. Der Fluch wurde zurückgeschleudert und traf die vollständig überraschte Tsubaki frontal, die regungslos zu Boden stürzte.

„Was war denn das?“ fragte nicht nur Ryuukossei verblüfft: „Nun, auch gleich. Dann muss ich hier eben etwas schneller voran gehen, nicht wahr, kleiner Halbdämon?“ Er drückte zu.

Inu Yasha stöhnte unwillkürlich auf. Verdammt, das waren sicher noch mal drei Rippen. Zum Glück würde das heilen, wenn er wieder in seiner Normalform war. Als Mensch hätte er sicher Wochen etwas davon gehabt. Aber diese läuternde, schützende Magie….er kannte das so nur von Kikyou. Aber sie war doch gar nicht hier?

„Lass ihn los, du Feigling!“ Der Inu no Taishou versuchte erneut sein Schwert zu ziehen. Aber noch immer war das unmöglich. Es konnte sich nur noch um wenige Minuten handeln, aber die brauchte er einfach noch, ehe er seinen Jungen helfen konnte. Hoffentlich konnte sich Sesshoumaru dort gegen diese Übermacht noch so lange halten. Es sah mittlerweile fast so aus, als ob er vor den anderen weglief, aber das war eben nicht zu ändern. Und Inu Yasha…er hatte gehört, wie dem Welpen weitere Knochen gebrochen wurden. Wann verwandelte der sich zurück? Bei Sonnenaufgang? Er warf einen raschen Blick zum Horizont. Eine Minute noch? Zwei? Der Drache drückte sehr fest zu – zu fest, als dass das ein menschlicher Körper doch ertragen konnte.
 

Sesshoumaru war klar, dass er der Übermacht nicht mehr viel länger Widerstand entgegensetzen konnte. Er hatte bereits viele Abschürfungen, tiefe Schnittwunden davongetragen und wurde müde. Warum tat Vater nichts? War er schwerer verletzt als angenommen, so dass er das Höllenschwert nicht ziehen konnte? Und Inu Yasha…der hing hilflos als Mensch in den Klauen des Drachendämons. Er hatte doch versprochen, ihn zu schützen. Nein. Irgendwie musste er sich diese Bande vom Hals schaffen und zu den beiden. Nur wie? Auch er war schon wieder verletzt und müde. Wo zur Hölle blieben eigentlich die anderen Familienmitglieder?
 

Inu Yasha stöhnte vor Schmerz, aber irgendwie schaffte er es mit Blick auf die ersten Sonnenstrahlen zu keuchen: „Du legst dich mit dem Falschen an, das kann ich dir sagen, du Riesensalamander. Mir war der Streit zwischen der Familie und dem Clan bis heute Nacht so etwas von egal. Und du hast es zu meiner Sache gemacht. - Aber das war nicht der einzige Schnitzer, der dir passiert ist.“

„Noch immer mit dem Mund vorneweg. Dein Papi hat dir wohl nie beigebracht, was passiert, wenn man vorlaut ist?“ Ryuukossei wollte diesmal endgültig diese kleine Laus zerquetschen, als er plötzlich ein fast schmerzhaftes Pochen zwischen seinen Händen spürte, das er erst nach einem Moment erkannte. Dämonenenergie. Im gleichen Augenblick nutzte der Halbdämon seine wiedergefundene Form zu einem harten Tritt an das Kinn des Drachen, der ihn überrascht losließ.

So gut er mit den gebrochenen Rippen aufatmen konnte, sprang Inu Yasha neben seinen Vater: „Lassen Sie ihn mir, otou-san. Ich habe noch ein paar Schuppen mit ihm zu rupfen.“ Er zog Tessaiga, das sich rasch verbreiterte, zu einer breiten und schweren Klinge wurde. Ein wenig überrascht meinte der Halbdämon: „Klasse. Ein überdimensioniertes Schwert für eine überdimensionierte Eidechse.“ Er wich eilig beiseite. Schließlich wusste er weder, wie mächtig der Angriff wäre, von dem der Schmied gesprochen hatte, noch wollte er ausgerechnet seinen eigenen Vater damit erwischen.

„Tessaiga!“ Der Taishou war erleichtert. Zuvor war ihm gar nicht aufgefallen, dass der unscheinbare Mensch ein Schwert im Gürtel trug. Nun gut, dann würde der Welpe durch Tessaigas Bannkreis zumindest einige Sekunden gegen Ryuukossei bestehen können und er müsste und könnte seinen ersten eigenen Angriff auf die Dämonen dort oben richten, um seinen Ältesten zu decken, den soeben nur mehr Tenseigas Schutz gerettet hatte. Toutousais Tipp, auch Defensivkräfte in die Schwerter einzubauen, erwies sich als Gold wert.

Langsam, noch immer unter Schmerzen, griff er in seinen Rücken, zog die Klinge und wandte sich um. Nein. Keine Gnade mehr. Er hörte, wie Inu Yasha jetzt fast zwanzig Meter hinter ihm wohl die Windnarbe losgelassen hatte. Gut. So wäre Ryuukossei erst einmal zu beschäftigt um ihn selbst erneut aus dem Hinterhalt zu attackieren, auch, wenn dieser Angriff gegen den wohl zu schwach sein würde.

„Sesshoumaru!“ schrie er.

Dieser hörte den Ruf und nahm ihn als die Warnung, als die sie gedacht war. Ohne weiter nachzudenken machte er mit gewaltigen Sätzen, dass er davon kam, wohlweislich oben um die natürliche Arena rennend. Mit einem seitwärts gerichteten Blick erkannte er im aufgehenden Licht des Tages, dass sich sein Halbbruder mit Tessaiga gegen den Drachen gestellt hatte – und Vater endlich sein Schwert gezogen hatte. Aus dessen Klinge stiegen schwarze Drachenköpfe, als das Familienoberhaupt den Höllendrachen beschwor – und gegen die Clanmitglieder los jagte.

Sesshoumaru beeilte sich um die Schüssel des Tales herumzulaufen, so seinem Vater nicht im Weg zu stehen. Das kaze no kizu, dass Inu Yasha gerade wohl geschlagen hatte, zeigte gegen Ryuukossei keine Wirkung. Entweder gar nicht oder der Junge war eben doch zu unerfahren. Immerhin: Mut hatte er in der Tat. Und er musste müde und verletzt sein durch die Abenteuer dieser Nacht in Menschenform.

Dann erkannte der junge Hundedämon, wie sich der Drache etwas zurückzog und das Maul öffnete. Verdammt, das wurde ein Energieangriff – und Inu Yasha hatte doch keine Ahnung. Was dieser törichte Toutousai da von sich gegeben hatte, wäre doch kaum in einem ersten, ernsten Kampf hilfreich.

Und der Kleine hatte doch noch nicht einmal Schwerttraining gehabt...

Und er selbst hatte vor Zeugen geschworen ihn zu schützen….

Sesshoumaru machte, dass er hinunterkam, so schnell er es nur noch vermochte. Sein Vater fuhr ebenfalls herum, sicher auch bemüht den Welpen zu schützen, aber da schoss der Energieangriff des Drachendämons schon auf Inu Yasha zu.
 

Der hatte durchaus zu seinem Ärger bemerkt, dass das kaze no kizu nicht funktioniert hatte. Aber was erwartete er bei so einem verrückten Schöpfer. Hoffentlich würde die Verteidigung besser klappen. Er dachte nicht daran, dass ihm sein Vater oder sein Halbbruder helfen könnten und würden. Zu sehr war er daran gewöhnt immer allein zu stehen, gegen Kouga und seine Gang, gegen andere.

Als er nun den Energiestoß auf sich zurasen sah, entsann er sich, dass Toutousai irgendetwas davon gelabert hatte, er solle ihm entgegengehen. So sprang er – zum gewissen Entsetzen seiner männlichen Verwandtschaft - der Wolke entgegen. Ja, da war das Zentrum. „Komm schon, Tessaiga!“

Wenn jemand von der Wirkung überraschter als er war, dann der Taishou und sein Ältester. Es schien, als ob die riesige Klinge mitten durch den Energiewirbel schnitt, diesen buchstäblich in einen Tornado verwandelte und gemeinsam mit Inu Yashas eigener Dämonenenergie dem vollkommen verblüfften Ryuukossei zurückschickte.
 

Keuchend starrte der junge Halbdämon auf das, was eben noch ein riesiger Drache gewesen war und jetzt in Stückchen herumlag. Langsam wandte er den Kopf. Auch dort oben, wo die anderen Dämonen gewesen waren, lagen nur mehr zerfetzte Leichen. Die wenigen Überlebenden hatten sich auf die Knie geworfen und entwaffnet.

„Ein schauerlicher Anblick…“ entfuhr es ihm, als er das Schwert sinken ließ. Die Stimmung, die ihn bisher getragen hatte, verschwand. Übrig blieben Schmerzen, Müdigkeit – und die Sicherheit, dass es weder Mutter noch Kikyou gefallen hätte, was hier abgelaufen war.

„Das ist Krieg.“ Sesshoumaru trat zu ihm, sein Schwert wieder an der Seite.

„Ja“, gab der Taishou zu, der zu seinen Söhnen kam „Aber das ist ein guter Grund ihn zu vermeiden.“ Er steckte seine Klinge ebenfalls wieder in die Scheide: „Ihr beide seid verletzt.“

„Auch Sie, chichi-ue.“ Sesshoumaru musterte dabei allerdings seinen Halbbruder: „Ich sagte dir zuvor, du bist ein sturer Hund. Ich hatte Recht.“

„Keh!“ Müde schob Inu Yasha sein Schwert zurück: „Hat jemand was dagegen, wenn wir zurückfahren? Irgendwie reicht mir alles für heute Nacht. Auch, wenn die Sonne schon aufgegangen ist.“

Der Herr der Hunde hatte nur zu gut bemerkt, dass das Verhältnis der beiden Brüder buchstäblich über Nacht besser geworden war, vor allem von der Seite seines Ältesten aus. Er war wirklich neugierig, was dieser ihm berichten würde. Nun, gemeinsam auf einer Sprengladung zu sitzen und der zu entkommen, würde wohl aneinander schweißen. Immerhin schien sich der Welpe nicht nur hier auf den Lavafeldern gut geschlagen zu haben. Eben seine Söhne.

Als nur Minuten später die Dämonen der Familie auftauchten, fanden sie den Taishou und seine beiden Söhne verletzt aber lebend, die überlebenden Clanmitglieder unterworfen. Was sollten sie anderes machen, als sich ebenfalls vor die Drei zu knien, froh, auf der richtigen Seite zu stehen.
 

**
 

Im nächsten Kapitel zeigt sich, dass Dämonen und Menschen manches anders sehen – und Halbdämonen?
 

bye
 

hotep

Menschen und Dämonen

If you take a live, do you know, what you give?
 

Chris Cornell: You know my name
 

Auf der Rückfahrt saß der Taishou hinter dem fahrenden Dämon, Sesshoumaru neben ihm, Inu Yasha vorn, wie es die Höflichkeitsregeln geboten. Er warf einen Blick in den Spiegel, um in das Gesicht des Beifahrers sehen zu können.

Sein Ältester war ebenso wie er selbst in der Lage, die Verletzungen zu regenerieren, sich rasch zu erholen. Wie sah das allerdings bei einem Halbdämon aus? Hinzu kam, dass dieser zum ersten Mal in seinem Leben ein Schwert in der Hand gehabt hatte, gekämpft und getötet hatte. Das wäre sicher ein gewisser Schock, hatte doch nichts in seinem bisherigen Dasein ihn darauf vorbereitet.

Inu Yasha bemerkte den Blick und wandte den Kopf: „Auch, wenn ich halb ein Mensch bin – die Rippen sind bald wieder heil.“ Er wollte eigentlich, wie bisher: otou-san, mein Vater, sagen, aber das traf es wohl nicht. Sicher, alle anderen redeten ihn höflicher an, Sesshoumaru auch, aber das war nicht der Grund, warum er in die respektvollere Anrede wechselte: „Otou-sama.“ Verehrter Vater. Chichi-ue, wie dies sein Halbbruder sagte, fand er schlicht zu altmodisch. So redete doch keiner mehr. Andererseits: dieser Mann war bereit gewesen sich für ihn, den ihm fast unbekannten Jungen, buchstäblich in Stücke schneiden zu lassen. Das konnte man schon mit einem gewissen Respekt quittieren.

Der ältere Halbbruder beherrschte sich gerade noch, ihn nicht anzusehen. Der Welpe lernte dazu?

Der Taishou ließ durch nichts erkennen, dass er den Wechsel erfreut registriert hatte. Schließlich waren sie nicht unter sich: „Dann ist es gut. – Royakan erwähnte übrigens, dass du erwartet wirst. Kikyou und Kagome sind im Hotel.“

„Ki...und Kag…“ Inu Yasha fehlten etwas die Worte: „Was machen sie denn da unter lauter Dämonen?“

„Ich vermute, sich Sorgen um dich.“ Er müsste die junge Priesterin fragen, was sie getan hatte. Der Fluch, den Tsubaki da im Auftrag des Drachen auf ihn geschleudert hatte, war an einer sehr ordentlichen Deckung abgeprallt, ja, zurückgeworfen worden. Und er war sicher, dass dieser Schutz nicht ihm gegolten hatte sondern dem Jungen.

„Oh je, “ murmelte der müde: „Dann krieg ich geschimpft.“

„Unwahrscheinlich.“ Der Herr der Hunde lächelte etwas: „Wenn du dich vielleicht erinnerst: ich bin dein Vormund.“

„Das wird ihr egal sein. Ich soll mich doch immer zusammenreißen und in keine Schlägerei verwickeln lassen.“

„Ich werde ihr sagen, dass das nicht deine Schuld war“, versprach der Taishou ein wenig amüsiert. Wirklich, der Welpe war noch einer – und dazu sehr erschöpft. Er brauchte Ruhe. Und er selbst wollte endlich von seinem Ältesten hören, was da bei der Entführung und ihrer Flucht abgelaufen war. Danach würde auch er sich Rast gönnen. Wenn er etwas von Dämonen verstand, würde nun Naraku die Regentschaft über den restlichen Clan übernehmen und sich morgen bei ihm melden – unter Garantie erst einmal mit einem Friedensangebot. Schließlich musste der ehemalige Berater nun den Clan neu festigen, sich alle Unterlagen ansehen, auch die, die er bislang nicht zu Gesicht bekommen hatte. Ryuukossei war kaum so dumm gewesen, seinem Berater alles anzuvertrauen. Danach musste man weitersehen, wie die beiden Organisationen miteinander auskamen. Ein Krieg sollte jedenfalls verhindert werden.
 

Als die drei Vermissten in den Aufenthaltsraum der Präsidentensuite des Grand Hotels traten, sprangen die beiden jungen Damen dort sofort auf, mit Blick allein auf den Jüngsten von ihnen.

„Inu Yasha!“ Kagome schoss förmlich auf ihn zu: „Du siehst verletzt aus, erschöpft! Komm, setz dich.“

Widerstandslos ließ sich der Junge umarmen und zur Couch ziehen, meinte allerdings: „Es geht schon. Nur, bitte, drück meine Rippen nicht ganz so fest, die sind noch nicht wieder in Ordnung.“

„Dann musst du ins Krankenhaus oder zum Arzt…“ Sie setzte sich, noch immer den Arm um ihn und nahm seine Hand.

„Das heilt schon, keh. Ich bin kein Mensch…“ Aber es war schön, sich anlehnen zu können. Hatte sie sich solche Sorgen um ihn gemacht? Arme Kagome…

Kikyou war selbstbeherrschter und sah höflich zum Taishou. Auch der und sein anderer Sohn zeigten an den sichtbaren Körperstellen noch Spuren eines Kampfes, von Verletzungen, die allerdings bereits am Heilen waren: „Ich bin erfreut, dass Sie alle diese Nacht einigermaßen unversehrt überstanden haben,“ erklärte sie kühl: „Aber war es wirklich notwendig, Inu Yasha ein Schwert zu geben und diese Kleidung, oyakata-sama?“

„War es.“ Er zog die Scheide samt Schwert ab und legte beides geradezu betont weit weg, ehe er sich an einen Dämon wandte, der ihnen gefolgt war: „Hilf mir.“ Dieser begann unverzüglich die Riemen der Panzerung zu lösen, während der Herr der Hunde fortfuhr: „Ich vermute übrigens, dass es auch Ihr Verdienst war, dass wir alle drei noch hier stehen, Kikyou-sama. Es war ein sehr netter Bann.“

Sie holte tief Atem: „Da Sie es bemerkt haben - wurde er ausgelöst? War eine...eine schwarze Priesterin dabei?“

„In der Tat.“

„Und sie griff Inu Yasha an.“ Sie warf einen Blick auf den sichtlich müden Jungen, der es anscheinend genoss, den Kopf an Kagomes Schulter gelegt zu haben, die eines seiner Öhrchen kraulte. Nie zuvor hatte er sie so an einen Welpen erinnert.

„Nein, mich. Aber er war sehr nahe bei mir und so wurde auch dieser Fluch zurückgeschleudert. Klären Sie mich auf? Ich dachte, Sie dürften niemanden verletzen.“

„Ich darf keinerlei Spruch aussprechen, der andere verletzt. So tat ich es auch nicht. Ich halte mich an mein Wort.“ Leiser Nachdruck lag auf dem ersten Wort dieses Satzes. „Es war, mit hier, Kagomes, Hilfe, nur eine Art Spiegelzauber, der den Fluch an den Absender zurückschickte. – Oyakata-sama….Sie haben sicher alles getan, was Sie glaubten, um Inu Yasha aus den Angelegenheiten der Familie herauszuhalten. Aber diese Nacht hat gezeigt, dass er dabei in Gefahr gerät. Und es ist nicht nur sein Blut auf dieser Kleidung. Ich…seine Mutter und ich wollten verhindern, dass er zum Mörder wird.“

Sie brach ab, denn vor ihr stand plötzlich eine dunkle Rüstung. Sie musste erst aufblicken, um den Ältesten des Taishou zu erkennen, der ihren Arm fasste und sie so zurückschob, um sich zwischen sie und seinen Vater zu stellen.

„Ohne Inu Yasha wäre keiner von uns dreien mehr hier“, sagte er sachlich: „Sie haben ihn als Mensch erziehen wollen, aber er ist keiner. Und sowohl mein verehrter Vater als auch ich stehen in seiner Schuld. Noch ein Wort gegenüber chichi-ue und gegen meinen Halbbruder und ich vergesse, dass Sie hier unser Gast sind.“

Sie sah ohne Furcht in die goldfarbenen Augen: „Ich bedauere meine, nur aus Sorge um Inu Yasha entstandene, Unhöflichkeit“, erwiderte sie allerdings, zumal ihr einfiel, dass er geschworen hatte, den Jungen zu beschützen und diese dämonische Grundregel soeben bewies: „Aber dennoch: er ist kein Dämon.“

„He“, kam leiser Protest von hinten, als sich Inu Yasha mit gewisser Energie aufsetzte: „Vielleicht hört ihr auf über mich zu reden und redet vielleicht mit mir?“ Er hatte durchaus angenehm überrascht bemerkt, dass sein großer Bruder ihn decken wollte, aber er wollte keinen Streit zwischen den Leuten, die ihm am wichtigsten waren, und schon gar nicht um ihn und sein Wohl. Alle blickten auch zu ihm: „Kikyou, ja, ich habe heute Nacht eine zu groß geratene Eidechse getötet. Aber ehrlich, der Kerl ließ uns beide entführen, uns drei foltern, wollte otou-sama auf die hässlichste Weise umbringen, die ihm einfiel…und glaube mir, der konnte sich viel vorstellen. Als dein Bann uns rettete, hatte der Mistkerl mir soeben die letzten Rippen gebrochen. Ich bin nicht gerade stolz darauf ihn ermordet zu haben. Aber hätte ich es nicht, würdest du nii-san und mich nur noch in handtellergroßen Stückchen vorfinden und den Taishou...mit Sicherheit auch nicht mehr ganz. Wenn es je Notwehr gibt, dann da. – Und noch was…gehen wir nach Hause?“ Das klang wieder nur mehr müde.

Kikyou nickte. Was auch immer sie dazu zu sagen hatte, auch zu ihm, konnte warten. So blickte sie nur zu ihrem Arm, den Sesshoumaru noch immer hielt, ohne ihr allerdings wehzutun, wie sie registrierte. Er hätte ihn ihr sicher auch ohne große Anstrengung ausreißen können: „Würden Sie mich bitte loslassen? Ich glaube, er hat Recht. Er sollte nach Hause.“

Er gab sie frei ohne ein Wort zu sagen.

„Danke. – Ich bitte um Vergebung, oyakata-sama.“ Sie bemerkte, dass er zwar den schweren Brustpanzer ausgezogen hatte, aber noch immer die anderen Rüstungsteile trug. Allerdings verriet seine Hand an den Rippen, dass wohl auch er noch schwerer verletzt war. Sie hatte voreilig geurteilt, ohne die Lage genau zu kennen. „Ich werde Inu Yasha heute hier im Hotel entschuldigen, wenn Sie gestatten.“ Immerhin war das sein Vater, sein Vormund nach dämonischem Recht.

„Ja, tun Sie das. – Erhole dich gut, mein Junge.“

„Danke, otou-sama.“ Irgendwie war er froh, dass alles vorbei war, froh, dass Kagomes Arm um die Schultern lag, sie ihn stützte.
 

Dennoch fragte er erst im Auto, als Kikyou anfuhr: „Ihr habt euch große Sorgen gemacht?“

„Natürlich,“ meinte Kagome entrüstet: „Hör mal, du verschwindest spurlos, dann ruft dein Vater an, dass du entführt wurdest, das Nächste, was wir hören, ist, dass du dich als Mensch in eine ausgewachsene Dämonenschlacht stürzt…? Was hast du dir denn dabei gedacht?“

Er sah nach vorn zu der Fahrerin, ehe er schlicht meinte: „Ich habe gar nicht weiter nachgedacht, weil es ein Muss war. - Wir waren entkommen, aber….naja…wir waren die Einzigen, die noch schnell genug an den Lavafeldern sein konnten. Sesshoumaru hat ja die anderen hinbestellt, aber die wären zu spät gekommen, um Vater zu retten.“

„Du magst ihn wohl gern?“ fragte Kikyou fast sachlich.

„Er ist wirklich in Ordnung. Und er wollte mein Leben retten.“

„Und dein Halbbruder? Ich hörte, er hat dir den Bruderkuss gegeben.“

„Äh…ja.“ Inu Yasha wurde rot: „Das war ein bisschen peinlich. Aber es ist wohl irgendein besonderes dämonisches Ritual.“

„So kann man es nennen. Du weißt nicht, was das bedeutet?“

„Na ja...äh...nein.“ Nur, dass das erste Wesen, das ihn auf den Mund geküsst hatte, sein eigener Halbbruder war und kein Mädchen. Hoffentlich würde das nie jemand erfahren. Kouga würde sich bestimmt kringelig lachen. Und Kagome…ach du liebe Güte. ..

„Er schwor in diesem Moment dich zu beschützen. Und da er die Nummer Zwei der Familie ist, müssen das ab diesem Zeitpunkt auch alle anderen tun.“ Kikyou warf einen Blick in den Spiegel: „Darum mischte er sich zuvor auch ein.“

„Er ist auch ganz in Ordnung“, meinte Inu Yasha prompt, der sich daran erinnerte, dass Sesshoumaru ihn da mit hinter die Stahltür ins Wasser gezogen hatte, ihn aus der Halle in Deckung gebracht hatte.

Er würde wohl länger brauchen um zu verstehen, was das alles bedeutete, beschloss die junge Priesterin. Noch war er erschöpft, froh, am Leben zu sein und alles überstanden zu haben. Vielleicht würde ihm morgen schon klar werden, dass er Blut an den Händen hatte. Dann müsste sie ihm helfen. Und irgendwann würde ihm auch bewusst werden, dass das Leben als Sohn des Taishou nicht nur Reichtum und gute Studienmöglichkeiten bot, sondern auch eine dunkle Seite hatte. Es waren eben Dämonen. Und er war keiner, da konnten sie sagen, was sie wollten. Andererseits musste sie zugeben, dass sich Sesshoumaru zurückgehalten hatte. Er war sicher auch müde gewesen durch die Abenteuer der vergangenen Nacht, verletzt durch den Kampf und gereizt durch ihre Worte – und doch hatte er die Regeln gegenüber Menschen beachtet, ihr nicht wehgetan. Und er war bereit gewesen, Inu Yasha mit seinem Leben zu schützen. Der Junge würde ihr hoffentlich erzählen, was da alles passiert war. Jedenfalls war sein Bruder ein ansprechender junger Mann. Es wäre fast interessant gewesen festzustellen, ob sie ihn läutern könnte. Den Taishou nicht, da war sie sicher, und sie vermutete, auch bei ihm würde sie sich schwer tun. Nun gut. Auch einen derartigen Versuch verboten die Verträge.
 

Als der junge Halbdämon erwachte, war er etwas überrascht, Kagome neben sich zu finden. Er hatte gar nicht mehr mitbekommen, dass er eingeschlafen war. Wie war er eigentlich in sein Bett gekommen – und wie sie neben ihn? Er stand leise auf und suchte sich seine gewöhnliche Kleidung, ehe er ins Bad ging, um das blutverschmierte rote Gewand auszuziehen. Feuerrattenhaar, hatte es Vater genannt. Nun, er wollte gar nicht wissen, wie er aussehen würde, hätte er einen normalen Anzug getragen.

Langsam ging er in die Küche und holte sich Saft. Als er ihn trank, hörte er, wie Kikyou in das Haus kam und drehte sich um. „Guten Morgen….“ Jetzt stand ihm vermutlich noch die Strafpredigt bevor. Wenn er daran dachte, wie sie ihn schon geschimpft hatte, nur, weil er sich in eine Schlägerei hatte verwickeln lassen…Aber dann fiel ihm etwas anderes ein: „Wie kam ich in mein Bett und wie Kagome dazu?“

„Wir haben dich mehr oder weniger hineingeschleift. Und sie wollte unbedingt bei dir bleiben. Da sie selbst schon zum Umfallen müde war, meinte ich, sie könne sich ruhig dazu legen.“

„Und das von dir?“

Um den Mund der Priesterin zuckte ein Lächeln: „In eurem Zustand...ja. Schläft sie noch?“

„Ja.“

„Und wie geht es dir?“ In T-Shirt und Jeans wirkte er wieder so menschlich. Hoffentlich würde er die Tatsache einigermaßen verarbeiten, dass er ein Lebewesen getötet hatte.

„Eigentlich ganz gut. Die Rippen schmerzen noch etwas beim Einatmen, aber das wird schon vergehen. – Hast du im Hotel angerufen? Ich meine, wenn ich unentschuldigt fehle…“ Dann konnte er die Praktikumsbestätigung vergessen – und damit die Zulassung zur Abschlussprüfung.

„Ja. Aber Shima-san wusste bereits Bescheid, dass du bei einem Auftrag des Taishou verletzt worden warst. Er beteuerte, dass du dich ruhig auskurieren sollst.“

Also hatte Vater das ihm sagen lassen. Hm. Ob er ihm auch erzählt hatte, dass er sein Sohn war? Hoffentlich nicht. Er goss sich noch einen Saft ein: „Schon gut…“

„Magst du mir berichten, wie du entführt worden bist und was dann passierte?“ Sie setzte sich.

Er starrte sie an: „Echt?“

„Glaubst du wirklich, dass mich das nicht interessiert?“

„Schon, aber ich dachte, du wärst sauer…“

„Wenn ich weiß, was passiert ist, weiß ich auch, ob ich sauer sein soll.“ Sie hatte gestern in ihrer Müdigkeit bereits den Fehler begangen zu urteilen, ehe sie alles wusste – und das auch noch vor den Ohren der beiden Dämonen. Wie verdrießlich. Sie, die immer so stolz auf ihre Sachlichkeit war…

Inu Yasha ließ sich nieder: „Eigentlich wollte ich nur noch nach Hause, du weißt ja: der Mond….“ begann er.
 

Auch der Taishou hatte unterdessen den Bericht seines Ältesten erhalten, wenn auch mit einigen kleinen Lücken, die er jedoch nicht weiter hinterfragte. Sesshoumaru würde ihm nichts verschweigen – höchstens seine eigenen Gefühle, wenn diese ihm zu peinlich vorkamen. Er selbst konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre auf eine Uhr zu starren und nur mehr zu wissen, wie lange man noch in einem Stück sei, aber er vermutete, dass diese Lage selbst seinen Erben an den Rand seiner Selbstbeherrschung gebracht hatte. Das allerdings hatte er bei seinem kurzen Bericht an dessen Mutter nicht erwähnt, ihr freilich einen Besuch ihres Sohnes zugesagt.
 

Sie waren beide soweit wieder ausgeruht und hatten sich ein gemeinsames Bad in dem Spa des Grand Hotels genehmigt, das zu der Präsidentensuite gehörte, und sich den kundigen Händen dämonischer Masseure hingegeben.

Jetzt saß der Taishou an dem Schreibtisch und las die Berichte, die mittlerweile abgegeben worden waren. Sesshoumaru lehnte auf der Couch.

„Nachricht von Naraku?“ erkundigte er sich.

„Noch nicht. Aber selbst, wenn er nicht der neue Führer des Clans werden sollte, wird dieser andere ebenfalls brauchen alles zusammenzutragen. Überdies haben sich uns gestern gut zwanzig Leute des Clans unterworfen und angeschlossen. Die anderen Toten werden Naraku oder dem künftigen Clanchef ebenfalls fehlen und müssen ersetzt werden.“

„Der Höllendrache ist wirklich ein beeindruckender Angriff.“

„Ein guter Grund ihn nicht öfter einzusetzen als zwingend notwendig. – Neben der Tatsache, dass jeder Mord ihn stärker und schwerer zu kontrollieren macht.“

„Es gelingt Ihnen, chichi-ue.“ Und er war sicher, auch er würde das eines Tages fertig bringen, wenn er das Höllenschwert erben würde.

Der Taishou nickte leicht: „Es gelingt mir noch. - Du solltest in diesem Zusammenhang auch noch öfter meditieren, vielleicht dich ein wenig in die Berge zurückziehen.“

„Um das Schwert beherrschen zu lernen?“ Das war enttäuschend, dass sein verehrter Vater ihm das noch nicht zutraute.

„Nein, das würde dir im Moment wohl bereits gelingen.“ Der Taishou kannte seinen Sohn: „Aber, wie gesagt: es wird stärker. Und das sollten auch wir werden.“

„Natürlich, chichi-ue.“ Wie hatte er an ihm zweifeln können?
 

Naraku betrachtete seine beiden engsten Mitarbeiter. Kagura, seine persönliche Assistentin und Byakagu der die Bombe im Lagerhaus gelegt hatte.

„Die Familie leckt also ihre Wunden“, beendete dieser seinen Bericht.

„Nun, soweit ich sehen kann, sind die Wunden eher auf unserer Seite“, erklärte der neue Clanchef zynisch: „Zu dritt! Zu dritt schaffen es der Taishou und seine beiden Welpen Ryuukossei zu töten und vierzig unserer Leute. Dass sie jetzt erst einmal abwarten, ist nur zu verständlich. Unser Hundefreund wird sicher erst wissen wollen, ob wir ein Friedensangebot machen und mit ihnen zusammenarbeiten wollen oder uns unterwerfen. Letzteres werde ich natürlich nicht tun. – Hast du alle Bücher, Kagura?“

„Soweit ich sie nur irgend finden konnte. Einige werden noch geschickt, da sie von außerhalb kommen. Es waren auch einige verschiedene Steuerkanzleien damit befasst. Mit den legalen Operationen, versteht sich.“

„Und die anderen?“

„Die Bücher lagen im Schreibtisch….des…äh…Verstorbenen. Ich habe sie bereits kommen lassen.“ Sie deutete auf einen kleinen Wagen, auf dem Akten ruhten.

„Gut. Ich werde sie mir ansehen. Und zunächst den Taishou höflich davon in Kenntnis setzen, dass ich der neue Ansprechpartner bin und nicht auf Krieg aus. Dann werden sie sich ruhig halten.“

„Das bedeutet: keinen offenen Kampf“, konstatierte Byakagu.

„Ich werde entscheiden, wenn ich alles weiß. Geht.“ Alleingelassen lächelte Naraku allerdings etwas. Nein. Kein offener Kampf gegen die Familie. Das führte ja anscheinend geradewegs in den Untergang. Und er war kein Selbstmörder wie gewisse Drachen. Wenn er alle Informationen besaß, würde er nachdenken, ob sich ein oder zwei kleine Intrigen lohnen könnten. Immerhin existierten da zwei Söhne. Womöglich konnte man sie gegeneinander aufbringen oder gar gegen ihren Vater? Nun, das würde man alles sehen. Er hatte Zeit, sehr viel Zeit.
 

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Das klingt nicht sehr gut.

Im nächsten Kapitel gibt der Taishou erst einmal seine Einweihungsfeier – und es kommt zu einigen interessanten Begegnungen und Gesprächen...
 

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Einweihungsfeier

Naraku betrachtete seine Mitarbeiterin: „Bring mir alle Informationen über den Taishou und seine Welpen, wo und wie sie wohnen, Sicherheitsvorkehrungen.“

„Alle? Das wird einige Tage in Anspruch nehmen,“ erwiderte Kagura vorsichtig.

„Wirst du nachlässig?“ Obwohl es sanft ausgesprochen wurde, war es nichtsdestotrotz eine Drohung.

Sie schluckte auch, aus jahrelanger Erfahrung: „Nein, aber der Taishou bezieht soeben sein neues Heim, das Schloss draussen am Waldrand. Wenn der Umzug abgeschlossen ist, kann ich erst die Sicherheitsmaßnahmen vollständig überprüfen.“

„Da hast du tatsächlich Recht. - Und lenke dein Augenmerk vor allem auf Inu Yasha.“ Sicher war Sesshoumaru der Erbe, aber er war zum einen gefährlicher zu bekommen, zum anderen würde alles, was das Nesthäkchen betraf, auch den Vater schwerer treffen. Und, so dachte Naraku zynisch: es war für Hundi sicher einfacher, einen neuen vollblütigen Erben zu bekommen, als einen halbblütigen Sohn von einer Menschenfrau, die er so geliebt hatte, um für sie gegen die ungeschriebenen Regeln zu verstossen.
 

Als Kagome wenige Tage nach der bislang aufregendsten Nacht ihres Lebens aus dem Praktikum nach Hause kam, sagte ihre Mutter: „Du hast ein Paket bekommen. Ich habe es nicht geöffnet – aber der Absender macht mich neugierig.“

Ihre Tochter verstand, als sie das Paket in die Hand nahm: „Myouga, im Auftrag des Inu no Taishou…. Aber was...?“ Sie öffnete. Als erstes fiel ihr eine Karte in die Hand: „Eine Einladung zu einer Einzugsfeier…?“

„Nun, da würde ich hingehen, “ meinte ihre Mutter mit einem Lächeln: „Immerhin dürfte Inu Yasha ja wohl auch da sein?“ Es war ihr nicht entgangen, wie besorgt ihre Tochter um den Mitschüler gewesen war, wie oft sie mit ihm telefonierte – und sie hatte erfahren, wer sein Vater war. Immerhin schien dieser mächtige Mann nichts gegen den doch recht freundschaftlichen Umgang seines Sohnes mit Kagome einzuwenden zu haben.

„Ja…aber er hatte gar nichts davon gesagt, als wir vorhin telefoniert haben. Und das….das ist ja ein Kimono. – Da steht: ich gehe davon aus, dass Sie selbst einen besitzen. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, würden Sie mir eine Freude machen, in diesem Geschenk zu erscheinen, da keine moderne Kleidung erwünscht ist. Und der Taishou hat hier selbst unterschrieben! Dabei wäre doch der hanko-Stempel wirklich genug gewesen…“ Der offizielle Namensstempel genügte doch sogar bei Verträgen als Unterschrift. So war es viel persönlicher, geradezu sensationell.

„Dann wäre es äußerst unhöflich dieses Geschenk abzulehnen. Ich werde dir beim Binden helfen. Man muss sagen, er ist sehr aufmerksam und diskret. Das sollte man von einem Dämon fast nicht erwarten, aber er hatte ja wohl einmal eine menschliche Ehefrau gehabt.“
 

Auch Kikyou hatte eine Einladung mit einem ähnlichen, äußerst persönlichen, Brief bekommen. Allerdings lautete bei ihr der Text etwas anders: „….da Sie gewiss verstehen werden, dass Priesterinnenkleidung ein wenig unpassend wäre, würde ich um Erscheinen im Kimono bitten.“

Nun, das konnte sie durchaus verstehen. Es würden bestimmt einige Dämonen dort sein, die noch die Zeiten erlebt hatten, als Priesterinnen und Mönche sie bekämpft hatten. Überdies wäre es mehr als unhöflich gewesen ein derartiges Geschenk zurückzuweisen. Sicher, er war reich, aber diese Geste zeugte auch von Taktgefühl. Vermutlich war es kein Wunder, dass sich Izayoi-sama in ihn verliebt hatte. Und, dachte sie mit gewissem Lächeln, sie hätte da wohl bei Inu Yashas Erziehung zukünftig gewisse Unterstützung, neigte der junge Halbdämon noch mehr zur direkten Methode – in allem. Immerhin war er mit der Tatsache ganz gut zurecht gekommen, dass er ein Lebewesen getötet hatte. Er war zwar relativ schweigsam gewesen, aber Kagome und ihr war es gelungen, ihn etwas zum Reden zu bringen. Und es war ihnen beiden klar geworden, dass es wirklich ein reiner Fall von Notwehr gewesen war. Hätte Inu Yasha nicht Ryuukossei getötet, wären nicht nur er, sondern auch Vater und Halbbruder gestorben. Vermutlich konnte er es darum ertragen.
 

Inu Yasha hatte inzwischen von Myouga von der geplanten Feier erfahren – und, dass er dort offiziell vorgestellt werden sollte.

„Och nee….Da muss ich dann den ganzen Abend so brav herumstehen und immer nett sein?“ Das war ja wohl wie im Hotel.

„Das gehört nun zu Ihren Pflichten, Inu Yasha-sama“, erwiderte der Flohgeist prompt. „Und Sie werden doch wohl weder den Herrn noch Sesshoumaru-sama bloßstellen wollen. – Als Trost: der Herr hat auch Kagome und Kikyou eingeladen.“

Sofort strahlte der Junge auf: „Oh, Menschen dürfen auch dabei sein?“

„Ja, der Bürgermeister kommt ja auch und andere aus der Wirtschaft. Das wird ein großes Fest. Nicht zuletzt, um solche Empfänge veranstalten zu können, hat der Herr ja nach einem alten Schloss gesucht.“

„Ich dachte, nach einem Haus?“

„Nun, auch ein Schloss kann ein Haus sein. Aber das ist nun mehr ein Schloss. So ist es auch möglich, dass Sesshoumaru-sama mehrere eigene Räume beziehen kann. Die letzte Wohnung war doch beengter und er ist kein Kind mehr. Übrigens sollen auch für Sie Räume eingerichtet werden. – Ich werde mit Ihnen dann den genauen Ablauf eines solchen Festes besprechen. Zunächst einmal erscheinen Sie in dem Gewand aus Feuerrattenhaaren. Niemand wird moderne Kleidung tragen.“ Der Blick des Flohgeistes glitt missbilligend an T-Shirt und Jeans hinunter.

„He, ich brauche den Anzug in der Arbeit im Hotel, da kann ich ihn doch nicht in der Freizeit anziehen!“ protestierte der Halbdämon sofort.

„Und sprechen Sie nicht zuviel und schon gar nicht so. Bei derartigen Empfängen wird auch auf Sitte und Etikette geachtet. Dämonensitte, versteht sich. Das mag für Sie altmodisch sein, aber so ist es.“

Der Junge stöhnte auf: „Das wird ja ein abwechslungsreicher Abend. Na, immerhin sind Kikyou und Kagome auch da.“

„Aber Sie sind natürlich verpflichtet, sich mit allen Gästen ein wenig zu unterhalten“, tadelte Myouga unverzüglicht: „Also, setzen Sie sich und ich erkläre Ihnen, wie so etwas abläuft.“
 

So stand Inu Yasha an diesem Abend schräg links hinter seinem Vater, der seine Gäste begrüßte, während Sesshoumaru als der Ältere sich rechts hinter diesem hielt. Der junge Halbdämon war über die Größe des Hauses wirklich erstaunt gewesen – ja, das war eher ein Schloss, aber selbst diese große Halle füllte sich langsam. Er glaubte schon tausendmal den Satz seines Vaters gehört zu haben: „Ich und meine Söhne heißen Sie in diesem Haus willkommen.“ Wie viele sollten das denn noch werden? Die Schlange an Besuchern, die kam, schien endlos zu sein – da erkannte er Kikyou und Kagome. Am liebsten hätte er gegrinst und ihnen zugewunken, aber das wäre wohl wirklich unschicklich gewesen. Sesshoumaru warf ihm auch schon einen mahnenden Blick zu. Nein, er würde brav sein, das hatte er doch versprochen, auch, wenn seine beiden Freundinnen im Kimono und so aufgetakelt ihn etwas amüsierten. Zwar hatten ihm alle zwei voller Stolz berichtet, dass sie Kimonos geschenkt bekommen hatten, sich dann aber weiter in Schweigen gehüllt. Nun, sie hatten rumgezickt, wie er es empfunden hatte. Was war schon dabei, ob er ein Kleid vor dem Tragen sah? Aber da sich seine beiden Freundinnen seltsam einig gewesen waren, war das wohl wieder eine Frauensache. Oder hatten sie gewusst, dass er sich über sie in dieser Kleidung vergnügen würde?

Dann entsann er sich, dass ihm Myouga erzählt hatte, der Taishou würde sie abholen lassen. Na, so konnte Kikyou wohl auch kaum autofahren. So steif und altmodisch...

Endlich waren sie dran und verneigten sich höflich fast gemeinsam vor dem Hausherrn, der seinen Standardsatz sagte, allerdings ergänzte: „Ich hoffe, Sie haben einen netten Abend“, was er bei kaum jemandem erwähnt hatte. Für jeden, der das hörte, war dies ein Zeichen, dass der Taishou die zwei so jungen Menschenfrauen wert schätzte – und das Tuscheln begann, wer das wohl sei.
 

Die beiden zogen sich unwillkürlich an eine Wand zurück.

„So viele Dämonen und Menschen“, seufzte Kagome: „Das hätte ich mir nie vorstellen können. Das muss ja ein Vermögen kosten, dieser Abend.“

„Nun, er ist der Inu no Taishou, das verpflichtet.“ Kikyou bemerkte beruhigt, dass sich ihr Schützling benehmen konnte. Inu Yasha neigte zu spontanen Ideen und es war fast gespenstisch, wie still er stehen konnte, wie höflich bei jedem eine kleine Verneigung andeutete. Offenbar war er genau angewiesen worden, in welchem Winkel er den Kopf neigen sollte – etwas niedriger als sein Halbruder aber doch den Status wahrend.

Kagome sah zu ihr, da ihr schon zuvor in der Warteschlange etwas aufgefallen war: „Warum die Begrüßung wohl so unterschiedlich ist? Ich meine, wir haben uns verneigt, das machen alle Menschen und auch viele Dämonen, aber manche küssen sogar diesen Ring an seinem Finger…?“ Und das erschien ihr doch recht altertümlich.

„Oh, das wissen Sie nicht?“

Die beiden Menschenfrauen wandten die Gesichter zu einer sichtlich amüsierten, älteren Dämonin. Als Mensch wäre sie gegen sechzig geschätzt worden, aber das war gewiss falsch.

„Nein“, gab Kagome zu: „Aber Sie könnten es uns ja erklären?“

„Das ist der Fürstenring. Der Taishou ist nicht nur der Herr der Familie sondern auch der Herr der westlichen Länder, zumindest, was Dämonen betrifft, und damit für jeden Dämon aus diesem Bereich der Fürst. – Nun, Ihre Begrüßung war ja sehr freundlich, aber ich würde mir an Ihrer Stelle wenig Hoffnung machen.“ Sie bemerkte, dass die Jüngere der beiden sie sichtlich verwirrt anstarrte, während die Ältere nur ein wenig die Brauen hob. So erklärte sie weiter: „Der Taishou…nun, wenn er heute Nacht weibliche Begleitung wünschen würde, müsste er nur sagen wen. Jede Dämonin im Saal wäre entzückt seine Aufmerksamkeit zu finden, ebenso wie die Sesshoumaru-samas. Aber ich denke, dies ist ein Punkt, an dem Menschen- und Dämonenfrauen gleich reagieren. Man begehrt den stärksten Vater für seine Kinder.“

„Also, das ist doch…“ entfuhr es Kagome empört, ehe sie Kikyous Hand spürte und abbrach. Hielt sie diese Dämonin etwa für Flittchen?

Die junge Priesterin meinte dagegen ruhig: „Sie unterliegen anscheinend einem Irrtum. Ich war die Pflegemutter seines jüngeren Sohnes, bis oyakata-sama selbst seine Erziehung zu übernehmen wünschte.“.

Die Dämonin starrte sie sichtlich überrascht an, ehe sie sich fing: „Ich bitte um Verzeihung. Dies war eine Idee, die mir fremd war. Aber natürlich, er ist ein Halbdämon….“ Sie zog sich zurück, allerdings bemerkten die beiden nur zu rasch, dass sie das weitererzählte.

„Und ich dachte, nur Menschen tratschen“, dachte Kagome laut, wenn auch mit einem leichten Grinsen: „Oh je. Für was halten die jetzt mich wohl?“

„Für meine Schwester.“

„Wie bitte?“

„Wir sehen uns ähnlich genug. Und du bist in Inu Yashas Alter, so wäre es möglich, dass man dich als seine Spielkameradin ausgesucht hätte.“

„Sie wissen wirklich viel. An unseren Schulen wird das nicht gelehrt.“

„Ich habe mich schon von Berufs wegen dafür interessiert“, gab Kikyou zu: „Und Dämonen lernen so etwas natürlich von ihren Eltern oder Organisationen. Inu Yasha...nun, das war eigentlich etwas, das ich ihm nicht beibringen wollte. Ich hoffte, er würde eher zu einem Menschen…“ Sie brach ab. Das war wohl kaum etwas, dass sie bei diesem Gastgeber erwähnen sollte.
 

Es war schon weit nach Mitternacht, als die junge Priesterin leise meinte: „Ich würde gern gehen, aber das dürfen wir kaum ohne den Taishou zu beleidigen. Gerade wird ja erst einmal Essen für die Menschen herumgereicht. Falls mich jemand sucht, entschuldige mich kurz.“

„Was haben Sie vor?“ Kagome war nicht begeistert, allein zu stehen, denn noch immer war es Inu Yasha nicht gelungen bis zu ihr zu kommen. Mit jedem im Raum musste er wohl ein Wort wechseln.

„Ich gehe nur schnell…ich bin so viele Menschen nicht gewohnt und benötige einen Moment der Ruhe.“

„Gute Besserung, “ sagte die Schülerin höflich, die zu Recht annahm, die Priesterin hätte Kopfweh. Daraufhin stand sie zwar allein in der Gegend herum, aber sie suchte wieder das rote Gewand in der Menge, das sie daran erinnerte, warum sie hier war. Wo steckte er denn?

„Na, Kagome, so allein?“

„Inu Yasha!“ Sie fuhr herum: „Mich so zu erschrecken.“

„Bei dem Krach hast du mich nicht gehört, klar. – Wie geht’s`?“

„Passt schon.“

„Wo ist denn Kikyou?“

„Sie kommt gleich wieder. Sie...äh…“

Er glaubte zu verstehen: „Ach so. Schon gut. - Du, Kagome…Magst du kurz mitkommen?“

„Wohin denn?“

„In den Garten.“

„Darfst du denn gehen?“

„Echt, mir wird das hier zu laut und zu fade und überhaupt. Ich habe mit so vielen Leuten geredet, Menschen und Dämonen. Ich konnte mir doch weder ihre Namen noch die ganzen Funktionen merken. Nur bei ein paar, die Va…die mein verehrter Vater mir direkt vorstellte, weil sie wichtig sind. Fünf Minuten Pause darf ich mir doch wohl nehmen. Jetzt komm schon.“

Sie nahm, statt eine Antwort zu geben, seine Hand und ließ sich mitziehen.
 

Kikyou hatte unterdessen ein dunkles, leeres Zimmer in einem Seitengang in der Nähe der Empfangshalle gefunden, dessen Tür etwas offen stand. Da es bis auf eine Matte auf der Seite nicht eingerichtet war, hatte sie angenommen, es stünde leer und war leise eingetreten. Herrliche Ruhe. Sie rieb sich über ihre schmerzende Stirn. Solch ein Gedränge, solche Lautstärke war sie nicht gewohnt. Sie trat an eines der beiden Fenster und holte tief Atem. Es wäre sehr unhöflich gewesen diesen Empfang zu verlassen, so gern sie es getan hätte. Ein wenig würde sie noch durchhalten müssen, ehe sie den Taishou oder Myouga-san bitten konnte, sie nach Hause bringen zu lassen. Sie massierte sich die Schläfen. Es war laut, langweilig und ein Gedränge. Inu Yasha schien sich da sogar besser zu schlagen als sie und sie hätte nicht wissen wollen, wie die dämonischen Ohren diese Lautstärke empfanden.

„Falls Sie es nicht wissen sollten: es ist unhöflich, in fremde Zimmer zu gehen.“

Sie fuhr herum, da sie die Stimme erkannte: „Sesshoumaru-sama!“

Der junge Hundedämon kam näher. Im Dunklen drängten sich ihr nur die goldfarbenen Augen und die Haare auf, ebenso weiß wie der bestickte Stoff seiner Kleidung. Ein vornehmes Raubtier näherte sich und sie spürte den unwillkürlichen Schauder der Beute, ehe sie sich zusammennahm.

„Ich bitte um Vergebung“, erwiderte sie jedoch eilig: „Ich suchte nur einen Moment der Ruhe. Ich bin solche Massen an Menschen und Dämonen nicht gewohnt. Selbst in meinem Schrein wird es mir manchmal zuviel, und ich habe nur menschliche Besucher. Ich wollte nur meine Kopfschmerzen etwas lindern.“

„Nun, es gab schon originellere Vorwände.“

„Vorwände?“ fragte sie jetzt wirklich verwirrt zurück: „Ich…ich wollte den Empfang noch nicht verlassen. Ich weiß, dass das unhöflich wäre. Ich wollte wirklich nur meine Schmerzen ein wenig lindern.“

Jetzt war der Sohn des Hauses etwas erstaunt, erkundigte sich jedoch sachlich: „Und so gehen Sie in mein Schlafzimmer?“

Um aller Götter willen! Sie musste nicht nur daran denken, wie unhöflich das im Allgemeinen war, sondern auch daran, dass die alte Dämonin zuvor gesagt hatte, alle weiblichen Wesen seien hinter ihm und seinem Vater her. Nicht auszudenken, wenn er jetzt glaubte, das sei ein Angebot und das annehmen wollte. „Ich…das wusste ich nicht. Ich nahm an, dieser Raum sei unbewohnt. Ich bitte um Verzeihung. Ich werde unverzüglich gehen.“ Mit menschlicher Neugier erkundigte sie sich dann doch noch: „Auch Sie bedürfen wohl einen Moment Ruhe? Ich kann mir vorstellen, dass das Stimmengewirr für dämonische Ohren noch lauter sein muss als für meine.“

„Ich sah, wie Sie den Saal verließen.“

Kikyou spürte, dass sie rot wurde, etwas, das ihr selten passierte. Hatte er sie beobachtet? Und war ihr gefolgt? Natürlich. Für einen Hundedämon musste es ein Leichtes sein, den Schritten einer Menschenfrau nachzuspüren. Sie verneigte sich eilig etwas: „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, Sesshoumaru-sama….“

„Sehen Sie aus dem Fenster.“

Irritiert gehorchte sie, erkannte dann, dass das wohl ein Hinweis hatte sein sollen. Inu Yasha und Kagome spazierten durch den Garten, Hand in Hand, leise sich miteinander unterhaltend. Jetzt setzten sie sich auf eine Bank, noch immer Händchen haltend.

„Oh je“, seufzte sie unwillkürlich auf. Dem Taishou würde garantiert auffallen, dass seine beiden Söhne nun bei dem Empfang fehlten. Und Kagome - hatte sie denn keinen Anstand? Sie konnte doch nicht allein mit einem Jungen nachts durch einen Garten spazieren? Nun, sie war wohl die Letzte, die ihr das vorwerfen konnte. Immerhin stand sie hier allein mit einem jungen Mann, einem Dämon noch dazu, in dessen Schlafzimmer. Sie sollte wirklich gehen….

Aber da er an das andere Fenster getreten war und hinausblickte, beruhigte sie sich wieder und meinte nur: „Sie haben sich sehr gern.“

Schweigen.

Sie sah zu ihm. Er betrachtete, soweit sie das erkennen konnte, die beiden mit regungslosem Gesicht. Störte es ihn, dass sein Halbbruder eine menschliche Freundin hatte? Um abzulenken, sagte sie: „Gewöhnlich wäre ich um diese Zeit an diesem Tag schon auf dem Weg in die Berge. Dort gibt es eine Stelle, bei der man den Sonnenaufgang über dem Meer sehen kann. Ich meditiere da gern. Und um diese Zeit ist niemand dort.“

„Wo?“

Das klang tatsächlich interessiert, stellte sie fest. „Der Aussichtspunkt von Riya. Am Wochenende kommen auch viele Menschen dorthin, aber erst später. So früh am Tag ist man dort allein. Es ist eine Klippe, dahinter Wald, mit Blick über fast die gesamte Stadt und das Meer. Die Sonne erscheint und färbt zunächst den Himmel, dann das Wasser….Man kann sich gut versenken.“

„Ich werde es finden.“

„So meditieren Sie auch?“

„Jedes Wesen mit Magie.“

Natürlich, warum hatte sie nicht daran gedacht? Sie betrachtete ihn nochmals, als ihr eine kühne Idee kam. Er konnte ja ablehnen, aber das war eine einmalige Chance. Sie würde ihn wohl kaum wieder sehen, kaum je wieder allein mit einem Dämon sein. „Darf ich Sie um etwas bitten, Sesshoumaru-sama?“

Er schwieg, aber er wandte sich ihr zu.

„Wie Sie vielleicht wissen, besitze ich die Gabe der Läuterung. Ich habe sie auch schon benutzt, um diese Primitivdämonen aus Häusern oder Menschen zu verjagen und habe diese dabei auch…berührt. Als Sie mich neulich nachts am Arm fassten, fühlte es sich jedoch ganz anders an. – Ich möchte Sie bitten, Sie berühren zu dürfen.“ Nun, wenn er nein sagte war es eben so, aber ihre Neugier war groß genug. Immerhin war sie der Gast seines Vaters und er konnte ihr schlecht den Kopf abreißen.

Sesshoumaru war mehr als überrascht, drehte sich aber vollständig um und ließ die Hände herabhängen. Ja, sie besaß eigene Magie, erstaunlich genug. Die meisten Menschen verfügten über keine. Und sie hatte sich Jahre um Inu Yasha gekümmert. Eigentlich vermutete er, dass sie seine Hand nehmen wollte und war verblüfft, ohne das freilich zu zeigen, als sie beide Hände auf seinen Brustkorb legte und die Augen schloss. Wollte sie ihn doch verführen? Aber ihre Witterung zeigte davon nichts – nun, eher volle Konzentration. So konnte er auch die weiße Magie in ihr, aber auch in ihm, spüren, als sie jetzt damit suchte, seltsam warm. Ihm wurde jedoch bewusst, dass, wenn sie einen Läuterungsversuch beginnen würde, sie zwar im Endeffekt scheitern würde, es aber eine schmerzhafte Sache für ihn werden könnte. Schwach war sie nicht.

Kikyou hatte sich bemüht, die dunkle Seite der Macht zu suchen, die Dämonen inne war – und sie hatte sie gefunden. Nein. Das war etwas vollkommen anderes als diese Primitivdämonen, die Menschen jagten. Wie mochte es dann erst bei seinem Vater sein? Tiergeister, mononoke…..Wesen, deren Eigenheit die Natur war, die Kräfte der Natur. Erstaunlich, dass sie sich so an die Menschen auch nur gewöhnt hatten, gar ihren Lebenstil mittrugen.

Und noch erstaunlicher, welche Kraft in den harten Muskeln wohnen mochte, die sie unter ihren Fingern spürte, im leichten Heben und Senken des Brustkorbs, ohne Aufregung, vollständig gelassen. Dabei würde er wissen, was sie konnte.

Sie gab ihn frei, ohne verhindern zu können, dass ihr Atem schneller ging – zum einen aus der Erkenntnis heraus, wen oder was sie da hatte berühren dürfen, zum zweiten aus einem sehr seltsamen Grund. Allein die Hände so an ihn gelegt zu haben….Sie spürte, wie ihr Körper darauf reagierte und beeilte sich, sich zur Ordnung zu rufen, zu beherrschen. Das gab es doch fast nicht. Hatte diese alte Dämonin etwa Recht und der Instinkt brach sich Bahn, wenn man ihn oder seinen Vater traf? „Ich danke Ihnen, Sesshoumaru-sama. – Ich…wir sollten auf den Empfang zurückkehren.“

„Sie. Würden wir zu zweit erscheinen, nach diesen Minuten der gemeinsamen Abwesenheit, könnte das zu Missdeutungen führen.“

Er war um ihren Ruf besorgt? Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet, verneigte sich allerdings nur schweigend und ging.
 

Inu Yasha hielt noch immer die Hand seiner Begleiterin. Kagome war so warm und roch so gut: „Gefällt dir der Garten?“ erkundigte er sich leise, da er keine Ahnung hatte, was er noch Harmloses sagen sollte, um diese herrliche Zweisamkeit auszudehnen.

„Ich...ich denke schon,“ murmelte sie, als ob sie im Dunklen viel erkennen könnte. Aber sie hatte durchaus bemerkt, dass er viel besser sehen konnte als sie – wohl Dämonenerbe: „Wir..wir müssen dann sicher zurückgehen, ehe dein Vater dich vermisst....“

„Ja, schon klar, aber....“ Er nahm seinen ganzen Mut zusammen – eigentlich wäre er lieber noch einmal Ryuukossei gegenüber gestanden: „Ich...ich möchte dir gern einen Kuss geben....“ Wenn sie jetzt nein sagen würde oder ihn auslachen würde...Aber sie ließ ihn noch immer ihre Hand halten....

Sie spürte, wie ihr heiß wurde. Das hatte sie noch kein Junge gefragt. Und er war so vorsichtig, so nett....Hoffentlich meinte er das auch ernst. „Ja?“ war alles, was sie hervorbrachte.

Inu Yasha neigte sich etwas vor. Er wollte sie eigentlich auf die Wange küssen, aber da sie sich ihm zudrehte, berührte er ihre Lippen. Fast erschreckt zuckte er zurück. Da sie jedoch nichts sagte oder ihm eine Ohrfeige gab, wiederholte er die Berührung, diesmal bewusst. Er hätte nie gedacht, dass sie sich so gut anfühlen würde. Und Kagome hielt noch immer seine Hand....

Dann jedoch spürte er, dass sie losließ und zurückfuhr – und er erkannte den Grund. Vor ihnen stand sein Halbbruder. Wie peinlich!

Der Junge raffte sich zur Rebellion auf: „Sesshoumaru…! Was soll das denn? – Oh je, nii-san, hat dich Vater schon geschickt?“ Das klang bedeutend kleinlauter.

„Kommt mit.“ Und darin lag nur mehr ein Befehl.

Etwas zerknirscht in der sicheren Vermutung etwas falsch gemacht zu haben, schlichen die beiden Teenager ihm nach, zumal sie bei der Rückkehr in den Saal erkannten, dass sich aller Augen ihnen zuwandten, aufmerksam begutachteten, wer und in wessen Begleitung da kam.

Verdammt, dachte Inu Yasha in jäher Erkenntnis. Wäre Sesshoumaru nicht gekommen, um jetzt buchstäblich den Anstandswauwau zu spielen, wäre Kagome schön blamiert gewesen. Er stand heute dauernd unter Beobachtung – und jetzt sie sicher auch. Was für ein Leben war das denn? Jeder guckte auf das, was er tat?

Kagome hatte ebenfalls begriffen. Oh je…jetzt stand sie glatt in der Schuld des Hundedämons. Woher hätte sie denn auch wissen sollen, dass es keinem Dämon, ja, wohl nicht einmal einem Menschen hier entging, wann und mit wem sich ein Sohn des Inu no Taishou absonderte? Durfte der arme Inu Yasha denn kein Privatleben mehr haben?

Der Taishou hatte die Szene durchaus bemerkt und kam heran, um laut zu sagen: „Nun, meine liebe Kagome, ich vermute, meine Söhne haben dir soeben den Garten gezeigt. Meinst du, man könnte ihn verbessern?“

Ein guter Vorwand, schoss es ihr durch den Kopf, ehe sie mit einer Verneigung erwiderte: „Meine Mutter und ich wären geehrt, diesen Auftrag zu erhalten, oyakata-sama.“

Zufrieden über ihre Besonnenheit erwiderte er nur: „Ich werde darüber nachdenken. – Oh, Ono-san, wie gehen die Geschäfte? Ihre Gattin sieht bezaubernd wie immer aus….“ Pflichtbewusst wandte sich der Herr des Hauses dem nächsten Gast zu, als die jähe Stille im Raum ihn sich umdrehen ließ.

Inu Yasha erkannte in der Tür einen weiteren Besucher, eine Dämonin in kostbarem Kimono, weißer Boa und langen weißen Haaren. Und er hörte, wie sein Halbbruder murmelte:

„Haha-ue!“ Verehrte Mutter.
 

**

Welch nette Überraschung....oder?

Immerhin hat Inu Yasha seinen Mut zusammengenommen – und Kikyous neugierige Frage wird noch unerwartete Folgen haben.

Im nächsten Kapitel wird einiges Wichtiges besprochen: Gespräche.
 

bye
 

hotep

Unterhaltungen

Verehrte Mutter? Inu Yasha begriff, dass diese Dämonin nicht nur Sesshoumarus Mutter sondern damit auch die geschiedene Frau seines Vaters sein musste.

Warum erregte sie solches Aufsehen hier, dass alle Dämonen im Raum sie anstarrten, ehe zumindest die Frauen höflich die Köpfe neigten? War es nicht üblich, dass sie bei derartigen Veranstaltungen erschien? Wollte sie einen Skandal verursachen? Unwillkürlich sah er zu seinem Vater.

Der Taishou schien ebenfalls erstaunt, fasste sich jedoch schnell: „Welch unerwartete und erfreuliche Überraschung, meine Teure.“ Seit ihrer Trennung ließ er ihr Einladungen schicken – nie hatte sie sie angenommen. Mit gewissem Vergnügen stellte er fest, dass sie noch immer die magische Kette trug, die er einst unter großen Mühen für sie zu ihrer Verbindung besorgt hatte. Oder diese zumindest nun aus Höflichkeit angelegt hatte.

Sie kam heran und verneigte sich etwas, ehe sie seine Hand nahm, um den Fürstenring zu küssen, eine Geste, die nicht nur ihr Sohn mit gewissem Erstaunen betrachtete. Dazu wäre sie nicht verpflichtet gewesen – nicht als Mutter des zukünftigen Taishou und ranghöchste aller anwesenden Damen.

„Danke für die Einladung und die freundliche Begrüßung, mein Taishou.“

Irrte sich Inu Yasha oder lag leise Betonung auf dem besitzanzeigenden Fürwort?

Der Hausherr nickte nur: „Ich schulde dir noch eine Geschichte.“ Als er mit ihr telefoniert hatte, ehe er zu den Lavafeldern fuhr, hatte er ihr das versprochen.

„In der Tat. Aber ich vermute, du bist im Moment noch mit deinen Gästen beschäftigt.“

„Es wäre freundlich, wenn du mich begleitest.“ Er wandte sich zu seinen Söhnen um. Da Sesshoumaru den Kopf vor seiner Mutter neigte, tat dies auch der Halbdämon, was ihren Vater beruhigte: „Ich darf dir meinen jüngeren Sohn vorstellen. Inu Yasha.“

Sie nickte zu ihrem Sprössling, der sie erst vor zwei Tagen besucht hatte, ehe sie sagte: „Ich hörte, dass du meinem Einzigen das Leben gerettet hast, junger Welpe.“ Etwas wie ein Raunen lief durch den Saal bei dieser freundlichen, ja geradezu familiären Begrüssung. Die meisten hätten nur notgedrungene Höflchkeit erwartet, um den Taishou nicht zu brüskieren.

Etwas irritiert darüber antwortete der Angesprochene ehrlich: „Umgekehrt auch.....“ War das schon wieder eine Dämonensitte, die er nicht kannte? Aber im Laufe des Abends hatte er bereits mitbekommen, dass einige hier so schrecklich steif und altmodisch redeten. Junger Welpe...keh.

Da sich sein Vater wieder den Gästen zuwandte, seine Ex-Frau an der Seite, war er wohl auch wieder gefragt, mit den Besuchern zu reden. Auch Sesshoumaru tat dies, ohne seinen Widerwillen gegen diese Verpflichtung zu zeigen.
 

Nachdem die letzten Gäste verschwunden waren, zog sich die Familie in ihre jeweiligen Räume zurück, wenn auch Inu Yasha in ein Gästezimmer, da seine noch im Umbau waren. Sesshoumaru war erstaunt, dass seine Mutter mit zu seinem Vater ging, aber sie hatte ja etwas von einer Geschichte erwähnt. Damit konnte sie nicht den Bericht über die Nacht auf den Lavafeldern meinen, denn den hatte er ihr höchstpersönlich gegeben. Immerhin schien sie neugierig genug zu sein um hier zu erscheinen. In aller Regel mied sie Veranstaltungen und Treffen der Familie, zumal wenn Menschen dabei waren. Die unterschiedliche Einstellung seiner Eltern zu den Menschen und den Verträgen mit ihnen hatte auch zu ihrer Trennung geführt, das wusste er. Aber er war zu gut erzogen, um nachzufragen, um welche Geschichte es sich handeln würde. Und immerhin besaß auch sein Halbbruder genug Anstand, da nicht nachzuhaken.

Inu Yasha gab sich zu, dass es ein eigenartiges Gefühl war, seinen Vater mit einer anderen Frau als seiner Mutter zu sehen. Seit er ihn gefunden hatte, hatte er doch manchmal davon geträumt, dass seine Eltern gemeinsam lebten. Nun ja, Träume. Mama war tot und nichts würde sie zurückbringen. Und immerhin war das Vaters Ex, die Mutter seines Ältesten, da konnte er mit ihr reden, soviel er wollte.
 

Der Taishou nahm Platz und wartete, bis sie ihm gegenüber kniete: „Du hast nicht verlernt, wie man die Gastgeberin ist.“

„Danke. - Dein Welpe hat nette Öhrchen. Man bekommt richtig Lust auf einen.“

Etwas erstaunt betrachtete er sie. Sie neigte nicht zu Komplimenten, besaß aber eine eigenwillige Form von Humor: „Sollte ich das als Angebot auffassen?“

„Ich habe bereits das unbestreitbare Vergnügen gehabt, dir einen Sohn zur Welt zu bringen. - Nun? Was war mit dieser Menschenfrau?“

„Sie hieß Izayoi.“

Sie hob ein wenig die Brauen, da sie den Tadel verstand, schwieg jedoch.

So begann er seinen versprochenen Bericht, warum er seinen zweiten Sohn erst nach achtzehn Jahren gefunden hatte und sich die Halbbrüder erst so spät kennen gelernt hatten.

„Ich muss zugeben,“ sagte sie am Ende: „Dass ich mich getäuscht habe. - Als du die Verträge mit den Menschen schließen wolltest, dich ihrer Welt anpassen wolltest, wollte ich unsere Trennung.“

Das wusste auch der Herr der Hunde. Sie hatte damals in Menschen nur mehr Nahrungsmittel gesehen, sich aber dann doch an die Verträge gehalten. Zum Glück. Er hätte wenig Lust verspürt, die Mutter seines Erben umzubringen. Überdies hätte das Sesshoumaru sicher von ihm getrennt. Aber was meinte sie nun?

„Ich vermutete – wie ich nun weiß, zu Unrecht, mein Taishou – dass du schwach, weich geworden wärst.“

Und Schwäche hatte sie, ebenso wie Sesshoumaru, immer verachtet, das war ihm klar.

„Andererseits fand ich auch nie einen Dämon, der dich an Stärke übertroffen hat. Vielleicht wird es unserem Sohn eines Tages gelingen.“

„Vermutlich. Nur, was hat deine Meinung geändert?“

„Du hast dich Ryuukossei gestellt, obwohl du wusstest, dass auf dich nur ein grausamer Tod wartet – und dein Welpe hat Sesshoumaru gerettet, ja, den Herrn des Clans getötet, obwohl seine Mutter nur eine Menschenfrau war. Da ist keine Schwäche an dir, nicht einmal in deinem nur halbdämonischen Sohn. - Du bist der wahre Herr aller Hunde.“

„Dann wirst du mir öfter das Vergnügen deiner Anwesenheit auf Empfängen geben?“

Sie lächelte etwas: „Ich habe heute gesehen, dass du eine Frau an deiner Seite brauchen könntest.“

„Nur formell, selbstverständlich.“ Er war überrascht. Sie neigte nicht dazu, Irrtümer zuzugeben. Und auch zuvor....hm. Wollte sie sich ihm wieder annähern? Die Trennung war von ihrer Seite ausgegangen.

Erneut ein Lächeln: „Falls du es vergessen hast, mein Taishou: ich mag dominante Männer.“

Wie hätte er das vergessen können? Sie war eine Hundedämonin – und ihr Interesse galt, wie das einer jeden, vorrangig ihm, dem Alpha. Aber sie war die Nummer Eins der weiblichen Rangordnung und die Mutter seines Erben – allein das sicherte ihr noch immer seine gewisse Beachtung. Aber sie hatte ihn verlassen. So sagte er nur, seinen aufsteigenden tierischen Instinkt unterdrückend: „Ich weiß. - Du darfst gehen.“
 

Am folgenden Morgen wurden Sesshoumaru und Inu Yasha früh in das Arbeitszimmer ihres Vaters gerufen. Auch Myouga, Royakan und Hatchi waren anwesend, dazu Dämonen, die der junge Halbdämon nur vom Sehen her kannte. Ganz offenkundig sollte eine Besprechung stattfinden. Er fand es interessant, ja, nett geradezu, dass er dazu eingeladen wurde. Er hatte doch keine Ahnung von Dämonensitten oder den Familienangelegenheiten. Um sich nicht zu blamieren, sollte er wohl besser den Mund halten und so wenig wie möglich sagen.

Da er keine Ahnung hatte, wohin er sich setzen sollte, blieb er einfach rechts neben seinem Halbbruder, als sich dieser nicht wie die anderen vor den Taishou kniete, sondern an dessen rechte Seite. Einige Dämonen musterten ihn mit, wenn auch gut verborgener, Neugier. Er wusste es nicht, aber innerhalb der Familie war sein Ruf der eines guten Kriegers. Alle hier hatten gehört, das der Taishou und seine beiden Söhne allein gegen Ryuukossei und einer Menge Leute des Clans bestanden hatten, ja, ausgerechnet der Welpe den Drachen getötet hatte. Das sicherte dem Jungen den Respekt der kampferprobten Dämonen, Halbblut hin oder her.

Der Herr der Familie sah kurz in die Runde: „Ich vermute, dass es Naraku gelungen ist, den Clan zu übernehmen. Weißt du etwas darüber, Royakan?“

„Ja, oyakata-sama. Es ist praktisch sicher, dass Naraku das neue Oberhaupt des Clans ist. Niemand anderer wäre so rasch in der Lage gegen ihn vorzugehen. Er war der anerkannte Berater Ryuukosseis und kein anderer dürfte solchen Einblick in das operative Geschäft, gerade auch die illegalen Tätigkeiten besitzen. Meine Informanten sprachen auch nur davon, dass der Übergang ohne Morde von Statten ging.“ Und er hatte, aber das erwähnte er nicht, diesen Tipp von einer gewissen Kagura bekommen, von der Myouga erzählt hatte, dass sie dicht an Naraku dran sei. Solche Leute musste man sich als Nachrichtenbesorger warm halten – und sie verschweigen. Wer Informanten preisgab, hatte bald keine mehr.

„Dann müsste man Naraku töten,“ erklärte Sesshoumaru sachlich.

Royakan nickte: „Ja, Sesshoumaru-sama. Ohne ihn wäre der Clan eine Schlange ohne Kopf und könnte übernommen werden. Sie selbst, oyakata-sama, erwähnten ja bereits, dass es besser wäre, die beiden Organisationen zusammen zu führen.“

Inu Yasha fühlte ein eigenartiges Gefühl in sich aufsteigen. Hier wurde ein Mord geplant, zumindest diskutiert.

„Nein.“ Der Inu no Taishou legte seine Hände auf die Knie, um seine Aussage zu unterstreichen: „Wir töten Naraku nicht.“

„Chichi-ue,“ wagte sein Ältester einzuwenden: „Von ihm stammte der Plan.....“

Der Herr der Familie sah ihn an: „In der Tat. Was beweist, dass er ein kluger Mann ist. Es ist immer Recht, auch vom Feind zu lernen, mein Sohn. - Ja, er machte diesen Plan – für Ryuukossei. Und du kannst dir denken, wie der Drache auf Befehlsverweigerung reagiert hätte. Naraku war der Berater und loyal. Andererseits stand er nicht gerade wie andere daneben, als Ryuukossei auf mich losging, sondern setzte sich ab, distanzierte sich von seinem Herrn. Und das wissen auch die anderen Mitglieder des Clans. Würden wir Naraku töten, wäre das nur Mord und wir nicht besser als Ryuukossei.“ Der Inu no Taishou fuhr mit Blick auf die anderen Anwesenden fort: „Nein. Wir warten ab. Sucht Naraku die Kooperation, in Ordnung. Schmiedet er jedoch weitere Pläne gegen die Familie – dann wird er sterben. Dem Clan fehlt in einem solchen Fall auch jeder Vorwand ihn zu rächen. Ein Dämonenkrieg muss aber verhindert werden. Es gibt nicht gerade viele von uns und jedes Leben ist wertvoll.“

Inu Yasha hätte gern gesagt, dass er Naraku eigentlich für einen Mistkerl hielt, aber Vater hatte Recht. Ryuukossei war sicher nicht der Typ gewesen, der auf ein „Nein, Chef...“ mit Schulterzucken reagiert hätte. Vielleicht war Naraku doch in Ordnung und nur eben in Sorge um sein eigenes Leben gewesen. Überdies verneigten sich alle Dämonen im Raum und er ahmte das eilig nach, sicher, dass das die Entscheidung gewesen war.

Sein Vater sah zu ihm: „Bis zu deiner Abschlussprüfung hat die Schule Vorrang, danach sollen dich Myouga und Hatchi ganztägig in Allem unterrichten, was du als Dämon unter Dämonen wissen solltest. Überdies wirst du danach Schwerttraining erhalten, um mit Tessaiga richtig umgehen zu lernen. Ich denke, Otoe wäre ein passender Lehrer.“

„Ich bitte um Verzeihung, chichi-ue,“ warf Sesshoumaru ein: „Dürfte ich statt Otoe mit Inu Yasha trainieren?“

Der Inu no Taishou besaß eine zu große Selbstbeherrschung, um seine Verblüffung zu zeigen. War das der gleiche Sohn, der wenige Tage zuvor noch darum gebeten hatte, sich nicht weiter mit seinem Halbbruder befassen zu müssen? Er bemerkte durchaus, dass auch alle anwesenden Dämonen erstaunt waren, selbst sein Jüngster wirkte irritiert. So erwiderte er nur: „Selbstverständlich. Das ist eine sehr gute Idee.“ Was eine gemeinsam verbrachte Nacht nicht alles bewirken konnte...

Sesshoumaru blickte zu seinem Nachbarn: „Dann lernst du es wenigstens richtig und nicht nur Schwertwedeln. Ich werde dich nicht schonen.“ Und das würde nicht nur mit blauen Flecken abgehen.

„Keh!“ machte Inu Yasha: „Das war mir schon klar. Aber das ist echt nett von dir.“ Nun ja, er würde sich vermutlich keine Schwäche leisten dürfen, um sich nicht vor seinem großen Bruder zu blamieren. Aber das würde er auch nicht tun – und wenn es ihn umbrachte, das schwor er sich.

Der Herr des Hauses nickte etwas: „Gehe dich umziehen, Inu Yasha. Royakan wird dich in das Grand Hotel fahren. Sonst kommst du zu spät zu deinem Praktikum.“

Himmel, ja, das Praktikum. Er hatte zwei Tage frei gehabt und das in der ganzen Aufregung des Einzugs und allem wirklich vergessen: „Danke, otou-sama,“ sagte er eilig, ehe er aufstand. Wenn er zu spät kam und ihm Herr Shima deswegen keine Praktikumsbescheinigung ausstellte, bekam er keine Zulassung zur Abschlussprüfung und musste das Jahr wiederholen.

Als er das Zimmer verlassen hatte, meinte der Inu no Taishou: „Royakan, ich möchte, dass zwei Leute ihn unauffällig im Hotel beschatten. Sie haften mir mit ihrem Leben für seine Sicherheit. Du kannst gehen. - Sesshoumaru, das gilt auch für dich. Du nimmst immer mindestens zwei Leibwächter mit.“

Sein Ältester hätte fast geseufzt – aber nach den Erfahrungen am Waisenhaus antwortete er nur: „Wie Sie wünschen, chichi-ue.“
 

Als Kikyou an diesem sehr frühen Sonntagmorgen den Aussichtspunkt von Riya erreichte, wunderte sie sich kein bisschen, einen jungen, weißhaarigen Dämon vorzufinden, der über das Meer blickte, ohne ihr weiter Beachtung zu schenken.

Das war ihr nur zu recht. Sie glitt fünf Meter neben ihm zu Boden und kniete in ihrer gewohnten Meditationshaltung nieder. Ein wenig war sie nur verwundert, wie entspannt sie heute war, ehe sie verstand, dass es an ihrem Nachbarn lag. Natürlich wäre sie mit jedem dahergelaufenen Wurmdämon fertig geworden, sie hatte sich hier auch noch nie gefürchtet – dennoch schien es entspannender zu sein sich in der Gegenwart einer Person zu versenken, deren schiere Anwesenheit genügte, jeden außer einem Selbstmordkandidaten fernzuhalten. Nun, das galt wohl auch nicht für sie, wenn sie sich in seiner Nähe derart ruhig fühlte.

Was sollte sie sich Gedanken um jemanden machen, der gewiss nicht an sie dachte. So überließ sie sich dem Bild der aufgehenden Sonne und versank in gewohnter Meditation.
 

Sesshoumaru drehte sich um, als er seine geistige Übung abgeschlossen hatte. Selbstverständlich hatte er mitbekommen, dass sie aufgetaucht war, aber er musste zugeben, dass sie ihn nicht gestört hatte. Eine so ruhige, gelassene Menschenfrau war eine wirkliche Seltenheit. Wieder stieg in ihm das Bild seines Halbbruders auf, der ohne zu zittern mit dem Zünder in der Hand gestanden hatte. Ob das etwas war, das sie Inu Yasha vermittelt hatte? In diesem Fall sollte er ihr in gewisser Form dankbar sein. Auch jetzt saß sie in vollkommener Versenkung, obwohl sie wissen musste, dass er noch anwesend war. Nun, bestimmt wusste sie, dass er ihr nichts tun würde, aber dennoch war es selten, dass jemand in seiner Gegenwart alle äußeren Einflüsse verbannte. Sicher, gegen jeden Wurmdämon würde sie sich zur Wehr setzen können, aber es gab durchaus auch menschliche Gefahren. Er wartete, bis er an ihren Atemzügen erkannte, dass sie sich aus der Meditation zurückholte, ehe er sich erneut zu ihr wandte.
 

Kikyou war ein wenig überrascht ihn noch vorzufinden, erhob sich jedoch mit einer höflichen Verneigung.

„Sie haben Inu Yasha fünf Jahre lang erzogen.“

„Ja.“ Warum stellte er etwas fest, dass sie beide wussten? Wie undämonisch. Oder wollte er etwa auf sie eingehen? Was wollte er dann eigentlich?

„Hätten Sie Interesse an einem weiteren Pflegekind, einem Mädchen?“ Ihm war in den letzten Minuten klar geworden, was er für Rin tun konnte, nachdem es kaum möglich war, sie in ein Haus voller hauptsächlich männlicher Dämonen zu holen. Das würde kein verantwortungsbewusster Mensch zulassen.

Kikyou konnte nicht anders als ihn anzustarren. Wollte er ihr jetzt sein Kind anvertrauen? Eine kleine Halbdämonin etwa? Sie hätte nie geglaubt, dass er an einer Menschenfrau Interesse hätte. Sein Vater, ja, aber nicht er.

Sesshoumaru bemerkte, dass sie anscheinend in die falsche Richtung dachte, und beeilte sich zu erklären: „Es wäre ein neunjähriges Menschenmädchen namens Rin. Sie lebt zur Zeit hier im Waisenhaus und weckte mein Interesse.“

„Ein Mädchen namens Rin.“ Ja, warum nicht. Sie hatte in den vergangenen Tagen festgestellt, dass sich ihr Häuschen ohne Inu Yasha leer anfühlen würde. „Ich würde sie gern erst einmal im Waisenhaus besuchen, um sie kennen zu lernen. Sie ist noch recht jung und da entscheidet auch die gegenseitige Sympathie.“ Obwohl, wenn das Mädchen es geschafft hatte, das Auge dieses jungen Hundedämons auf sich zu lenken, musste sie etwas Besonderes sein: „Danach müsste ich mit dem Vorstand des Waisenhauses und dem Jugendamt reden, wegen der Genehmigung und des Pflegegeldes. Das Jugendamt dürfte zustimmen, da ich schon einmal eine Pflegestelle hatte.“

Geld, natürlich. Inu Yasha hatte ja erwähnt, dass sie wenig besaß: „Sie können unbesorgt sein. Ich werde den gesamten Unterhalt für Rin bezahlen.“

„Wie Sie wünschen, Sesshoumaru-sama,“ erwiderte Kikyou höflich, jetzt wirklich neugierig auf das kleine Mädchen.

„Mit dem Vorstand des Waisenhauses werde ich selbst sprechen und ihnen sagen, dass Sie sich bereits um meinen Halbbruder gekümmert haben.“ Und einer Empfehlung seiner oder seines Vaters würde der Vorstand stets willig Folge leisten – nicht zuletzt in der Hoffnung auf weitere Schecks: „So sind wir uns einig.“

„Ja, Sesshoumaru.sama. - Würden Sie auch weiterhin Kontakt zu dem Mädchen halten wollen?“

„Ja.“ Kikyou kam, um Inu Yasha zu besuchen, und er könnte Rin sehen, alles in Ehren und ohne irgendwie Aufsehen zu erregen. Das war am Besten. Für alle.

Die junge Priesterin neigte den Kopf und machte sich auf den Rückweg, ohne sich noch einmal umzusehen. Der Hundedämon dagegen schritt über die Kante und ließ sich in die Tiefe fallen, um elegant auf dem Strand aufzusetzen, wo sich die zwei Leibwächter ihm anschlossen.
 

Naraku nickte etwas, als Byakura ihm berichtete, dass Kagura Clanmitglieder ausgesandt hatte, um die neuen Lebensgewohnheiten des Taishou und seiner Söhne zu überprüfen.

Sein Mitarbeiter sah ihn darum neugierig an: „Sie haben schon einen Plan?“

Der Clanchef verschränkte die Hände: „Mein lieber Byakura, ich plane erst, wenn ich die Informationen habe. Alles andere wäre törichtes Handeln und das überlasse ich dir. Aber das Ziel ist selbstverständlich klar: die Übernahme der Familie durch mich. Dazu muss entweder ich stärker und mächtiger als unser guter Hundefreund werden – oder ihn durch einen gezielten Schlag schwächen.“

„Das dürfte selbst für Sie nicht ganz einfach werden. Erinnern Sie sich an den...unglückseligen Ryuukossei.“

Naraku schüttelte leicht den Kopf: „Du hast nicht verstanden, Byakura.“ Nun gut, darum war auch er der Herr des Clans und nicht dieser Dummkopf: „Kein direkter Kampf – nur ein Schlag gegen seine Schwachstellen.“

„Seine Söhne.“

„Und da vor allem Inu Yasha. Und seine zweite: seine geradezu fatale Zuneigung zu der menschlichen Rasse. Wenn es Kagura endlich gelungen ist die Nachrichten zu sammeln, werde ich nachdenken, wie man beides gleichzeitig erreichen kann: ihn und die gesamte Familie in den Augen der Menschen zu diskreditieren und das auf dem Weg über den lieben Kleinen.“ Es würde ihm ein wirkliches Vergnügen bereiten sich das auszumalen.
 

**

Für Rin scheint gesorgt, Mama bekam nicht ganz das, was sie wollte...

Das waren für unseren jungen Halbdämon sicher die bislang aufregendsten vier Wochen seines Lebens. Im nächsten Kapitel kommt so auch: Das Ende des Praktikums – und Wiedersehen mit Mitschülern, denen einiges entgangen sein dürfte.
 

Bye
 

hotep

If you mess with me....

Wer mir den Ursprung des Kapitel-Zitates sagen kann, bekommt 25 KT^^
 

If you mess with me, you mess with the family...
 

Naraku lächelte etwas versonnen, aber die junge Frau vor ihm spürte einen Schauder über ihren Rücken laufen. Wenn sie etwas falsch gemacht hatte, würde sie es gleich nur zu deutlich merken.

„So, so, der liebe kleine Welpe zieht nicht zu Papi, sondern bleibt in dem Schrein. Warum?“

„Er macht soeben den Abschluss. Das dürfte der Grund sein. Es kann sich also nur noch um wenige Wochen handeln. Allerdings sind seine Zimmer im neuen Haus des Taishou wohl auch noch im Umbau. Wie mir ein Arbeiter sagte, sollen beide Söhne jeweils eine Art abgeschlossene Zimmerflucht bekommen.“

„Gut.“

Der neue Herr des Spinnenclans dachte einen Moment nach. Inu Yasha lebte also noch immer bei dieser Priesterin, anscheinend ohne Leibwächter und sonstigen Schutz. Diese waren nur im Hotel. Nun, ein direktes Attentat wäre gefährlich, aus zwei Gründen. Zum einen hatte der Junge auf den Lavafeldern gezeigt, dass er etwas konnte, soweit er wusste, hatte der eigenhändig Ryuukossei getötet, zum anderen hatte er selbst dann einen offenen Krieg mit dem Taishou. Aber es gab auch andere Lösungen – und wenn seine momentane Idee funktionierte, war nicht nur Hundi samt der ganzen Familie in Unehre, sondern auch Inu Yasha beseitigt. Falls sein Plan nicht klappte, aus welchem Grund auch immer, konnte er seine Hände in Unschuld waschen und niemand könnte ihm etwas nachweisen.
 

In einem abgeschirmten Raum eines Restaurants, das fast ausschließlich von Dämonen besucht wurde, trafen sich die Anführer der zwei Organisationen. Die Leibwächter beider Seiten blieben vor der Tür stehen, zu professionell nüchtern, um sich auch nur schräg anzusehen.

Naraku war vorsichtig genug, um seinen Gast mit einer leichten Verneigung zu begrüßen: „Mein lieber Taishou, ich freue mich, dass Sie in das Treffen einwilligten.“

Auch der Herr der Hunde war höflich: „Ihre Nachricht klang nicht so, dass ich es nicht könnte, mein lieber Naraku. Ich freue mich, Sie persönlich kennen zu lernen.“ Die kleine, unerfreuliche Bekanntschaft auf den Lavafeldern unterschlug er besser.

„Bitte, setzen wir uns doch. Tee steht bereits hier. - Ich bin der neue Herr des Spinnenclans. Und ich lege keinen Wert auf einen Krieg zwischen uns, der nur überflüssig Zeit und Geld kostet. Dazu Leben.“

„So sind wir uns einig.“

Nun ja, dachte Naraku. Es gab durchaus auch andere Möglichkeiten, die allerdings der alte Krieger vor ihm zu übersehen schien. Zwei Söhne. Wie leicht konnte man Sesshoumaru überzeugen, dass sein Vater den Jüngeren bevorzugte, gar als Erben einsetzen wollte? Oder auch den Welpen selbst benutzen? Eine Idee dazu hatte er ja schon mal. „Dann speisen wir zusammen? Auf meine Kosten? Ich würde gern meinen….“ Er wollte schon Erfolg sagen, ehe ihm einfiel, dass der Taishou bekanntermaßen großen Wert auf Loyalität legte: „Mein neues Amt mit Ihnen begrüßen.“

Der Herr der Hunde neigte den Kopf. Während sein Gastgeber die Bedienung rief und bestellte, dachte er nach. Naraku war schlau, das war ihm nur zu bewusst. Anders wurde man nicht der Berater eines Clanchefs – und überlebte das bei jemandem wie Ryuukossei. Gerissen und ehrgeizig, eine durchaus fatale Mischung, wie ihm seine Lebenserfahrung sagte. Aber es wäre besser, wenn der Dämon, nein, der Halbdämon, vor ihm ihn unterschätzte. Als sie wieder unter sich waren, meinte er daher: „Dann hoffe ich auf eine gewinnbringende Zukunft für beide Organisationen.“

„Ich auch.“ Auch, wenn seine wohl anders aussah, als es das Familienoberhaupt dachte. Früher oder später würde es nur noch eine einzige dämonische Organisation geben. Natürlich mit ihm, Naraku, an der Spitze. Der Taishou war wirklich kein Idiot, aber er war alt, altmodisch und kam noch aus einer Zeit, in der Kämpfe mit dem Schwert ausgetragen wurden. Direkte Angriffe würde er daher abwehren, das hatte die Nacht auf den Lavafeldern gezeigt. Aber es fragte sich, ob der alte Hund raffiniert genug war, Intrigen zu erkennen, Fallen zu entdecken, die verborgen unter feinen Worten lagen.

Der Taishou beschloss, seine Söhne vor seinem Gastgeber zu warnen. Naraku war sicher zu schlau, um in ihnen keinen Hebel zu sehen. Nun, er selbst würde sie beschützen. Er hatte sie schon fast einmal verloren, er hatte Izayoi durch eine Intrige verloren…das würde nicht wieder vorkommen. Nein. Er würde sie beschützen. Gegen Hinterlisten, gegen Entführungen und gegen Magie. Diese schwarze Priesterin, deren Bann mächtig genug gewesen war, selbst ihn zu hindern, stand nun gewiss Naraku zur Verfügung. Gegen sie könnten sich Inu Yashas innige Verbindungen zu Kikyou und Kagome auszahlen. Er sollte die beiden jungen Damen bitten, um sein Haus, nun ja, Schloss, einen entsprechenden Bannkreis zu legen. So oder so hatte Ryuukossei erwähnt, dass der hinterhältige Plan von seinem Berater stamme. Nein. Der war sicher nicht zu unterschätzen.

„Mein teurer Taishou“, begann Naraku, nachdem eine Weile nichts gesagt worden war: „Ich möchte noch einen Punkt klären. Wie Sie gewiss schon bemerkt haben…ich bin ein Halbdämon.“

Der Herr der Hunde hob die Rechte: „Bester Naraku, Sie erwarten doch nicht etwa, dass ICH etwas gegen Halbdämonen hätte?“

„Nun, das ist wahr, ich bitte um Entschuldigung. Man gewöhnt sich so daran….Aber natürlich, Ihr Jüngster ist ja auch einer.“ Nun, so ganz vertrauensselig schien Papi nicht zu sein. War er etwa noch immer wegen der drei misslungenen Anschläge sauer? Umso wichtiger war es, ihm zu beteuern, dass alles nur Ryuukosseis Gedanken gewesen waren. So betonte er das in den nächsten Minuten, auch während des Essens, immer wieder.

Der Taishou tat, als ob er ihm glaubte. Er war nicht erst seit gestern Fürst oder auch das Oberhaupt der Familie und dieses Spiel gehörte dazu. Naraku dagegen war neu im Geschäft und würde ihm hoffentlich abnehmen, dass seine Friedenssehnsucht auch eine gewisse Naivität beinhaltete.
 

Inu Yasha nahm sein Praktikumszeugnis dankend entgegen. Shima-san hatte ihm Pflichtbewusstsein und Fleiß attestiert.

„Du würdest liebend im Hotel arbeiten, nicht wahr?“ fragte der Manager: „ Ich glaube, das wäre wirklich etwas für dich, wenn du auch gern in fremden Ländern arbeitest.“

„Ich hoffe es, Shima-san“, sagte der junge Halbdämon höflich, dessen Reisefreudigkeit im Moment allerdings etwas gedämpft worden war. Er verspürte wenig Lust, Kagome auf Wochen nicht zu sehen. Aber zunächst lag ja auch anderes an: „Ich werde mich nach den Abschlussprüfungen an der Universität bewerben, für ein Tourismusstudium, gekoppelt mit Betriebswirtschaft.“ Das hatte Vater ihm angeraten, wenn er eines Tages die Hotels der Familie kontrollieren sollte. Und ein Rat des Taishou war nichts, das man ablehnen konnte. Nicht einmal als sein Sohn. Abgesehen davon wollte er es auch nicht.

„Gleich zwei Studiengänge auf einmal? Nun, wenn du bei der Familie ein Stipendium beantragst, wirst du es wohl bekommen. Der Taishou scheint dich fördern zu wollen.“

„Äh, ja, das kann man wohl so sehen. Danke, Shima-san. Sie haben mir mehr geholfen als Sie ahnen.“ Hätte ihm der Manager nicht diese Stelle gegeben, hätte er seinen Vater, seinen Halbbruder nie kennen gelernt, nie die andere Hälfte seiner Welt.

„Oh, so viel tat ich auch nicht. Dieses Zeugnis hast du dir verdient. Auch die Hausdame…niemand konnte etwas gegen dich sagen. Ich werde deinem Lehrer, Herrn Masa, mitteilen, dass ich auch nächstes Jahr wieder einen Schüler nehmen werde, gleich, ob Mensch oder Dämon.“

„Oder Halbdämon“, knurrte der Junge prompt.

„Oder Halbdämon“, gab Herr Shima zu. „Aber, wie du selbst weißt, gibt es sehr wenige von euch.“

Das stimmte und so meinte Inu Yasha nur: „Danke, jedenfalls.“ Er ging, ohne dass Herr Shima ahnte, dass der Junge in nur wenigen Jahren sein Chef sein würde, zumindest, wenn es nach dem Familienoberhaupt ging.
 

Als er seinem Klassenlehrer im Einzelgespräch das Praktikumszeugnis vorlegte und die zukünftige Praktikantenstelle erwähnte, nickte Herr Masa: „Sehr gut. Du weißt, dass es immer schwieriger wird, solche Stellen zu bekommen. Wenn sich ein Schüler danebenbenimmt, werden auch künftig keine mehr eingestellt. Du hast dich anscheinend hervorragend geschlagen. – Ausgesprochen guter Umgang mit schwierigen Kunden?“ zitierte er etwas überrascht.

„Äh, ja. Es waren Dämonen dort, genauer gesagt, der Inu no Taishou, sein Sohn und alle drumherum.“

„Du hast Selbstbeherrschung, aber das wusste ich schon vorher.“

Inu Yasha, dem Kikyou und andere bei weitem das Gegenteil attestierten, wurde auch rot: „Nein, das….das war etwas anderes.“

„Erzählst du es mir?“ Der Lehrer wurde plötzlich besorgt. Man sagte Dämonen so allerlei nach und wenn diese den Jungen in ihre Welt gezogen hatten…? Oder, noch schlimmer, ihn anders ausgenutzt hatten?

Inu Yasha zögerte. Eigentlich sollte ja niemand davon erfahren, bis er nicht mit der Schule fertig war.

„Du kannst es mir sagen“, versicherte Herr Masa: „Ich werde es niemandem weitererzählen, wenn du es nicht willst. Weißt du, auch Lehrer haben so etwas wie Schweigepflicht. Ist es…ist es dir peinlich? Unangenehm?“

„Nein, eigentlich nicht. Es ist nur…so unglaublich.“

Der erfahrene Lehrer wartete. Hoffentlich war dem Jungen nichts zugestoßen. Er wirkte so anders als vor diesem Praktikum. Und wenn da Dämonen im Spiel waren…

„Ich bin ein halber Hundedämon, wie Sie wissen. Das…das erregte die Aufmerksamkeit des Inu no Taishou.“

Oh je. Wenn dieser die Finger im Spiel hatte, würde auch eine Anklage nach dämonischem Recht nicht viel nutzen. Niemand unter den Dämonen würde sich gegen einen der beiden Anführer der Organisationen stellen. Daneben waren diese allein Herr und Richter. „Und was tat er mit dir?“

„Mit mir? Äh…nichts.“ Der Junge ahnte nicht, wie sehr sein Lehrer aufatmete, als er fortfuhr: „Ich bat ihn, meinen Vater zu suchen. Und er fand ihn….“

„Oh, das ist aber schön für dich. Hast du ihn kennen gelernt? Magst du ihn?“

„Ja, er ist schon ganz in Ordnung. Mein Halbbruder auch.“

„Dann hast du jetzt eine Familie?“ Herr Masa war erleichtert. Aber wer konnte auch mit so etwas rechnen.

„Ja. - Ich soll jetzt aber bis zur Prüfung noch bei Kikyou-sama wohnen bleiben, so, als vertraute Umgebung.“

„Ja, das klingt vernünftig. Immerhin beginnen die Prüfungen schon in zwei Wochen. – Geh jetzt in dein Klassenzimmer und schicke mir den nächsten hinein. Ich komme, sobald ich alle Praktikumszeugnisse habe. Aufgaben für euch stehen an der Tafel.“
 

Im Klassenzimmer traf der junge Halbdämon als erstes auf Kagome. Sie hatten sich seit dem Tag der Einweihungsfeier nicht mehr gesehen, jedoch täglich telefoniert. Sie hatten beide nicht geahnt, dass ein bloßer Anblick genügte, um an diesen Abend erinnert zu werden, den ersten, schüchternen Kuss, den sie da ausgetauscht hatte. Und beide wurden unwillkürlich rot. Um die Lage zu retten und sich nicht vor der Klasse zu blamieren, meinte sie:

„Ich hörte, du ziehst um?“

„Erst nach den Prüfungen. Kikyou bekommt dann ein neues Pflegekind. Sie ist froh, nicht allein zu sein.“ Neutral bleiben, beschwor er sich. Er hatte sie schon fast vor Vaters Gästen in eine schwierige Lage gebracht, da musste er es nicht auch noch in der Klasse: „Sie sagte, du bist auch recht talentiert.“

„Oh, das ist schmeichelhaft, aber sie wird da ein wenig übertreiben. Ich meine, Talente werden doch auch gesucht. - Setzen wir uns lieber. Wenn Herr Masa kommt, will er die Lösungen sehen.“

Er setzte sich erleichtert. Sie war ihm nicht böse, dass er sie geküsst und fast in die Patsche gebracht hatte. Das war schon mal gut. Jetzt musste er nur noch zusehen, dass er nach den Prüfungen Myouga dazu brachte, ihm auch von dem „Wie lebe ich als Dämon“- Kurs Pausen zu geben, damit er sie sehen konnte. Eigentlich waren dann ja Ferien, ehe die Universität losging und das konnte und sollte er ausnutzen. Natürlich, ohne sich vor seiner männlichen Verwandtschaft als Drückeberger darzustellen. Das würde eine Gratwanderung zwischen zwei Welten werden, aber ihm wurde langsam bewusst, dass er sich daran gewöhnen musste. Und könnte.
 

Inu Yasha stöhnte innerlich auf, als er in der Pause auf dem Schulhof bemerkte, dass Kouga und circa dreißig andere jugendliche Dämonen ihn erwarteten. Die Menschen hielten sich zurück, schienen jedoch neugierig. In den vier Wochen Praktikum hatte sich nichts verändert. Doch. Er hatte sich verändert. So blieb er stehen.

„Kouga, pfeif deine Bande zurück. Ich will nichts von dir.“

„Ich aber von dir, Halbblut. Komm schon, Köter, auf was wartest du? Lauf weg, wie immer!“

„Die Tatsache, dass ich dich bislang verschont habe, scheint dir zu Kopf gestiegen zu sein.“
 

„Inu Yasha.“

Der ruhig ausgesprochene Name ließ alle beiseite sehen, auch Kagome und ihre Freundin, die bereits auf dem Weg waren, um dem Halbdämon zumindest verbal beizustehen.
 

„Sesshoumaru?“ Inu Yasha traute seinen Augen fast nicht.

„Sesshoumaru-sama!“ Die anderen Dämonen wichen eilig zurück.

Dies und der Respekt in der Stimme bewogen auch die Menschen dazu, einige Schritte rückwärts zu machen. Kagome, die nur zu gut wusste, wer das war, blieb stehen.

Der Neuankömmling bemerkte die Reaktionen zufrieden, musterte jedoch den Halbdämon: „Was hindert dich diesem Wolf zu zeigen, wo sein Platz ist?“

„Seine dreißig Freunde und die Tatsache, dass Waffen hier verboten sind“, gab Inu Yasha zu, nicht willens, sich von seinem Halbbruder für feig halten zu lassen. Was tat der denn hier? In einer quasi menschlichen Schule?

„Zeige dem Wolf, wo sein Platz ist. Der Erste, der sich einmischt, legt sich mit mir an.“ Er war sicher, dass keiner dieser halbstarken Dämonen da Wert darauf legte. Es hatte etwas für sich, sich einen Ruf erworben zu haben – einen mörderischen.

„Also, Moment mal, Sesshoumaru!“ Kouga begegnete einem eisigen Blick und ergänzte zähneknirschend: „Sesshoumaru-sama. Dieser stinkende Halbdämon…“ Köter sollte er wohl besser bei diesem Gegenüber nicht sagen… „ Ist kein Mitglied der Familie und wenn ich ihn in den Staub schicke, geht das Sie nichts an.“

„Wenn du dich mit ihm anlegst, legst du dich mehr mit der Familie an als du ahnst.“

Inu Yasha fand es an der Zeit auch mal wieder etwas zu sagen: „Du wolltest mit mir kämpfen, Kouga, keine Unterhaltung mit meinem großen Bruder. Also?“
 

Der Wolf erstarrte. Auch, wenn man in der Organisation gern sagte, man sei wie Brüder, so war die Anrede als nii-san, mein älterer Bruder, doch nur unter Familienangehörigen üblich. Das aber erklärte nicht nur, warum der Sohn des Taishou hier aufgekreuzt war, sondern auch dessen Einmischung – und warum sich Inu Yasha nie richtig gewehrt hatte. Nicht aus Feigheit, wie er selbst immer geglaubt hatte, sondern weil nach der Regel der Familie harte Strafen darauf standen, wenn man sich an Höherrangigen vergriff. Und der Sohn des…nun, der zweite Sohn des Taishou war sicher niemand, den man angreifen durfte, wollte man sich nicht Vater oder Halbbruder gegenüber sehen. Seine eigenen Zukunftsaussichten waren gerade mehr als trüb geworden. Dass ihn der Taishou noch fördern würde, wenn der Inu Yashas Version gehört hatte, war wohl unwahrscheinlich. Erstaunlicherweise schien der Bastard allerdings bislang geschwiegen zu haben. Warum? Wohl aus dem gleichen Grund, warum er sich keinem richtigen Kampf gestellt hatte. Er hatte ihn, den Ahnungslosen, decken wollen.

Verdammt. Jetzt steckte er auch noch in der Schuld dieses Halbhundes. Aber woher hätte er denn auch wissen sollen, dass der Halbdämon, der seinen Eltern auf dem Empfang des Taishou als dessen erwachsen gewordener Sohn vorgestellt worden war, der feige Halbmensch war, der seit Jahren in seiner Klasse saß? Sie hatten keinen Namen erwähnt und er natürlich keinen Gedanken daran verschwendet. Sein einziger Trost war nur, dass das wohl auch keiner der Anderen seiner Bande getan hatte. Falls das einer war. Logischerweise war keiner der Halbwüchsigen auf dem offiziellen Empfang gewesen – schon um der Praktika willen. Und …..

Moment mal. Hatte es nicht geheißen, der Taishou und sein Sohn hätten allein gegen Ryuukossei und den Clan gewonnen? Sein Sohn - oder doch seine Söhne? War auch Inu Yasha dabei gewesen? Der trat ihm gerade gegenüber – und da lag etwas in dessen Augen, was früher nicht dort gewesen war. Ja. Er war dabei gewesen, im Krieg, hatte getötet.

Aber aufgeben kam auch nicht in Betracht. Kouga war nie feige gewesen und er zeigte es jetzt, als er nur abduckte: „Na, dann komm schon.“
 

Inu Yasha ließ sich das, zumal unter den Augen von Kagome und Sesshoumaru, nicht zweimal sagen. Er wusste, dass er rasch gewinnen musste, denn der Wolf war überaus schnell und stark und er wollte doch weder sich noch Vater, die Familie, blamieren. Ohne weiter nachzudenken sprang er seinem Gegner entgegen. Dieser wollte schon die Hände heben, sich auf einen Faustkampf einlassen, als er bemerkte, dass sich der Halbdämon plötzlich fallen ließ.

Sich mit einer Hand wie bei einem Sprung über das Seitpferd abstützend, streckte sich Inu Yasha. Seine Füße prallten mit voller Kraft gegen Kougas Knie, der nur mehr zurücktaumelte, sich mühsam fangen konnte. Verdammt, dachte er. Dieser Halbhund wusste nur zu gut, dass seine Schnelligkeit sein Vorteil war – und hatte darum den ersten Schlag gegen seine Beine gebracht. Aber obwohl es wehtat – das hinderte ihn nicht zu sehr. Und dieser dämliche Halbdämon hatte einen Fehler begangen. Er war am Boden.

Das war auch Inu Yasha soeben klar geworden, aber er nahm doch an, dass Kouga die Knie schmerzten und er im Augenblick zumindest langsamer war. Aber was nun? Er lag auf dem Rücken und der andere stand vor ihm….

Mehr instinktiv bäumte er sich auf. Schön, das war vielleicht nicht den Regeln eines Schülerkampfes angemessen, aber das konnte klappen. Seine Füße schlangen sich um den Nacken des überraschten Wolfes, verklammerten sich ineinander. Noch während Kouga seine Hände empor riss, um die unerwartete und unerwünschte Umschlingung zu brechen, stützte sich der Halbdämon mit den Händen auf dem Boden ab und warf sich in eine Rolle rückwärts.

Wollte er sich nicht das Genick brechen lassen, musste Kouga nachgeben. Und er flog, sich überschlagend, drei Meter weiter, während Inu Yasha aufsprang.

„Schon genug, Wölfchen?“

Kouga zog eine einfache Schlussfolgerung, als er aufstand. Das war der jüngere Sohn des Taishou. Also hatte der sicher kämpfen gelernt. Diese Tricks hatte ihm doch bestimmt jemand beigebracht. Seien Freunde brauchte er nicht um Unterstützung zu bitten, das würde Ärger mit Sesshoumaru und später womöglich dem Taishou selbst bedeuten. „Naja“, sagte er darum: „Du stellst dich gar nicht mal so ungeschickt an, für einen halben Hund.“ Das Wort Köter hatte er gerade noch herunterschlucken können: „Und da kommen auch schon Lehrer. – Lassen wir es.“

„Gut.“ Inu Yasha war erleichtert. Soweit er den Wolf kannte, würde der das als Niederlage akzeptieren und ihn doch wohl hoffentlich künftig in Ruhe lassen. Er warf einen Blick seitwärts. Ohne ein Wort zu verlieren, war sein Halbbruder schon wieder verschwunden. Diese Abgänge schien der zu lieben. „Oh, hallo, Kagome….Du bist dann wohl Sango?“

„Ja, das ist sie“, bestätigte Kagome: „Das ging ja gut. – Kouga sollte dich jetzt in Ruhe lassen.“

„Hoffe ich. Ich stehe nicht so auf Prügeleien auf dem Schulhof.“

Nur außerhalb, hätte sie um ein Haar gesagt, aber das wäre gemein gewesen. Schließlich hatte er sich nicht freiwillig entführen lassen und sonst alles. „Ich weiß“, antwortete sie nur daher: „Bis in zwei Wochen dir Prüfungen beginnen… ich meine, hast du Lust mir, uns zusammen zu lernen? Das macht doch mehr Spaß als allein. Sango wohnt momentan bei mir.“

„Ja, gern.“ Er war hocherfreut, mehrere Stunden in ihrer Gesellschaft verbringen zu können – auch, wenn Sango dabeisaß und er kaum dazu kommen konnte, sie noch einmal zu küssen. Nun, wichtiger war es, dass er wirklich lernte, sonst konnte er sein Studium knicken und würde Vater enttäuschen. „Ich kann Hilfe bei Aufsätzen brauchen, dafür bin ich recht ordentlich in Chemie und Physik.“ Er sah zu Sango.

Diese nickte: „Chemie bin ich auch recht gut, aber da können wir beide dann Kagome helfen. Mathe ist mein Lieblingsfach. – Sag mal, wer ist denn das?“

Der Halbdämon drehte sich um: „Miroku? Hat er dich auch schon angemacht? Macht er bei jeder. Immer, wenn er ein weibliches Wesen sieht, tickt er völlig aus.“

„Nun, dann hat er seine Ohrfeige zu recht bekommen, “ stellte die Dämonenjägerin nüchtern fest. „Mir hätte es nur Leid getan, wenn es ein Versehen gewesen wäre. Oder ein richtiger Anmachversuch.“

„Hübsch genug dafür siehst du aus“, meinte Inu Yasha sofort, bemerkte gerade noch rechtzeitig den Ausdruck, der über Kagomes Gesicht huschte und fuhr in jäher Panik instinktiv fort: „Man merkt, dass du Kagomes Freundin bist – beide so gut aussehend.“

Seine Freundin lächelte etwas. Seit wann konnte er denn so diplomatisch sein? War das etwa schon Ausdruck der Tatsache, dass der Taishou sich nun um ihn kümmerte und er der anscheinend doch recht rigiden dämonischen Höflichkeit unterzogen wurde? „Danke“, murmelte sie daher nur: „Du wohnst noch bei Kikyou?“

„Ja, auf alle Fälle bis zum Abschluss. Dann soll ich zu meinem Vater ziehen, um da weiter zu lernen, auch später dann für die Universität. Anscheinend will er mich unter Kontrolle haben. Er hat aber versprochen, dass Kikyou mich jederzeit besuchen kann.“

„Ich darf dich auch besuchen, hoffe ich.“

„Klar doch.“ Nun, genauer gesagt hatte Vater gemeint, er brauche nicht um sein Privatleben zu fürchten, das stehe ihm natürlich weiterhin zu. Und auch, wenn der junge Halbdämon daran etwas zweifelte, so war es eine schöne Aussicht, Kikyou und Kagome, Vater und Sesshoumaru um sich haben zu können.
 

**
 

Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage? Nicht, wenn der neue Herr des Clans ein Wörtchen mitzureden hat. Das nächste Kapitel heißt denn auch: Narakus Plan.
 

bye
 

hotep

Narakus Plan

Kagome war etwas erstaunt, als sie ihre Anruferin erkannte, aber Inu Yasha musste ihre Handynummer weitergegeben haben: „Kikyou-sama? Was verschafft mir die Ehre?“

„Ich möchte dir ein Angebot machen. Während der Nacht auf den Lavafeldern habe ich gesehen, dass mein erster Eindruck von dir richtig war. Du verfügst über ein erstaunliches, angeborenes magisches Potential. Es wäre schade, das verkümmern zu lassen. Nur wenige Menschen sind dazu in der Lage, diese Primitivdämonen zu läutern und Häuser zu beschützen. Ich würde dir eine gewisse Ausbildung geben. Natürlich, eine Priesterin muss Jahre lernen, aber ich könnte dir soweit helfen, dass du magische Pfeile abschießen kannst, die läuternde Wirkung haben und einige Grundregeln. Wenn du einverstanden bist, würde ich mit dir nach den Abschlussprüfungen, bis dein Studium beginnt, jeden Tag üben.“

„Oh, das....das ist sehr nett von Ihnen, dass Sie sich die Zeit nehmen wollen.“ Kagome dachte nicht weiter nach. Sie hatte Inu Yasha helfen können – und es mochte nur zu gut sein, dass er noch einmal in Probleme kam: „Das würde ich gern lernen. - Nur, könnten wir nicht jetzt schon damit anfangen? Bogenschießen klingt nach einer anderen Konzentration als ich beim Lernen auf die Abschlussprüfungen brauche, also, nach Abwechslung von den Büchern. Wenn ich darf, würde ich gern noch diese Woche vorbeikommen.“

„Dann komme am Donnerstag um zehn. Wir werden bis zum Abend üben. Ich bin sicher, danach hast du eine Ahnung von der Macht, die in dir steckt.“ Und die sie, das gab Kikyou zu, erstaunt hatte. Gewöhnlich wurden Mädchen mit solchen Fähigkeiten bereits als Kleinkind von Priestern, Mönchen oder anderen gefunden. Vielleicht lag es daran, dass Kagome in einem so alten Schrein wohnte, dass das übersehen worden war. Nun, Priesterin wollte dieses Mädchen sowieso kaum werden.

„Vielen Dank, Kikyou-sama.“

„Nichts zu danken. Ohne dich wäre es mir kaum gelungen den Bann zu sprechen, der Inu Yasha und den Taishou gerettet hat. Ich stehe in deiner Schuld.“

Kikyou legte auf, in Gedanken bereits wieder bei ihrem gestrigen Besuch im Waisenhaus. Rin war in der Tat ein reizendes Mädchen, irgendwie ein richtiger Sonnenschein. Kein Wunder, dass sie sogar Sesshoumaru bezaubert hatte. Als sie ihr erklärt hatte, es sei dessen Wunsch, dass sie sie aufnehme, hatte es für die Kleine sichtlich keinen Widerspruch gegeben. Das würde wohl das Erste sein, das sie ihr beibringen musste: nicht jedem zu glauben, nur weil der behauptete, in Sesshoumaru-samas Auftrag zu kommen.
 

Naraku dachte noch ein letztes Mal nach, ehe er annahm, sein Plan sei eigentlich narrensicher, und zum Telefon griff: „Goshinki.“

„Oh, ja. Was verschafft mir die Ehre vom neuen Herrn des Clans angerufen zu werden?“

„Eine kleine Bemühung. – Eine Priesterin, durchaus nicht ungeschickt mit Läuterung – könntest du sie zerreißen? Und das meine ich wirklich buchstäblich. Es soll, zumal für Menschen, hässlich aussehen.“ Wenn er diese Wesen auch nur einigermaßen richtig einschätzte, würden die für ihn die weitere Arbeit übernehmen.

„Ja, das könnte ich machen, selbstverständlich. Wie fähig ist sie?“

„Ziemlich. Stell dir Tsubaki vor.“ Die sich leider noch immer nicht von dem zurückgeworfenen Angriff auf den Lavafeldern erholt hatte. Ihr halbes Gesicht war förmlich verbrannt worden und die Heilung dauerte, hatte sie doch einen Spruch verwendet, der die Regeneration des Herrn der Hunde verhindern sollte.

„Dann muss es aus dem Hinterhalt sein. Wann?“

„Sagen wir in einer Woche. Ich sage es dir noch genau. Du brauchst nicht zu lange warten, jedenfalls.“

„Danke für den Auftrag. Und …mein Geld?“

„Goshinki, wenn ich dich nicht schon so lange kennen würde….Du bekommst deine Menschen schon.“

„Danke, Herr.“ Er neigte dazu, sich nur selten in klingender Münze auszahlen zu lassen. Menschen, die keiner vermisste, waren ihm lieber, genauer, er hatte sie zum Fressen gern.
 

Inu Yasha kehrte an diesem schönen Sommertag fröhlich in den Schrein zurück. Seine schriftliche Abschlussprüfung hatte er bestanden, nur noch die mündliche lag vor ihm und er beschäftigte sich viel mit seiner Zukunft. Die Studienberatung heute war in seinen Augen sehr erfolgreich verlaufen, er hatte jede Menge Telefonnummern und Tipps bekommen. Seine Laune sank etwas ab, als er auf der Straße Kouga begegnete. Der Wolf hielt sich nun freilich zurück und es hatte keinen Ärger mehr gegeben, aber dennoch war der junge Halbdämon nicht sonderlich glücklich. Kouga hatte den Schwanz mehr deswegen eingezogen, weil er keinen Ärger mit Vater oder Sesshoumaru wollte, nicht um seinetwillen. Diese kurze Prügelei war kaum dazu geeignet gewesen, dem zu zeigen, was er so draufhatte. Und irgendwie verletzte das seinen Stolz. Zuerst beschützte ihn Kagome, dann Vater – als ob er selbst gar nichts hinbringen würde. Nun gut.

„Hallo, Inu Yasha….“ Das –sama verkniff sich Kouga dann doch.

„Hallo.“ Notgedrungen blieb der Angesprochene stehen. „Was ist?“

„Ich hörte, du hast jetzt Übungsstunden mit dem Schwert aufgebrummt bekommen?“

Dämonen schienen noch schlimmere Tratschen als Menschen zu sein: „Woher du das auch schon wieder hast – ja.“

Kouga hätte sich eher die Zunge abgebissen, als Inu Yasha zu erzählen, was ihm seine Eltern auf seine Beichte hin so alles gesagt hatten. Jedenfalls hielten sie ihn nun strikt auf dem Laufenden, was den Taishou und dessen Söhne betraf: „Vergiss nicht, mein Vater leitet das Fernsehen der Familie, da muss man schon up to date sein. Wer trainiert dich? Ich habe bei Hasebo geübt.“

„Nii-san.“ Irgendwie klang das noch immer so eigenartig: mein großer Bruder.

„Oh. Der nimmt dich sicher hart ran.“

„Kann man so sagen, ja.“ In den ersten Lektionen hatte er eigentlich geglaubt, sein Halbbruder wolle ihn ernsthaft umbringen. Nein, Schwächen durfte man da keine zeigen und schon gar nicht wehleidig sein. Immerhin hatte Sesshoumaru es als positiv empfunden, dass er bei einem seiner ersten, rein instinktiven, Verteidigungsversuche dem fast den linken Arm abgehackt hatte – Dämonen sahen so was anders.

„Ich würde gern mal gegen dich kämpfen, also, nur zur Übung“, beteuerte der Wolfsdämon hastig: „Es wäre interessant, da bin ich sicher.“

„Denke ich nicht. Ich bin Anfänger.“

„Ja, klar. Glaubst du, das glaube ich dir? Mit einem Anfänger würde Sesshoumaru doch nie üben – und ein Anfänger hätte es auch nie geschafft, Ryuukossei umzulegen.“

Inu Yasha wurde so unangenehm an seinen ersten Toten erinnert, nichts, was er brauchte. Allerdings wurde er einer Antwort enthoben, da ein Auto neben ihnen hielt und zwei Männer ausstiegen.

„Inu Yasha Kamui?“ fragte einer und zeigte den Ausweis der menschlichen Polizei vor.

„Äh, ja?“

„Begleiten Sie uns bitte auf das Präsidium. Es ist etwas passiert.“

„Ja, und was?“ erkundigte sich der Halbdämon verständnislos.

„Das erklären wir Ihnen dann dort. Kommen Sie.“

Da Mutter und Kikyou ihm immer gesagt hatten, dass Polizisten Respektspersonen seien, gehorchte er: „Na schön. Bis dann, Kouga.“

„Bis dann….“ echote der Wolf, mehr als irritiert. Als das Auto mit den Polizisten und Inu Yasha abgefahren war, nahm er sein Handy: „Mutter? Ist Vater zuhause? Nein? Du, hier ist gerade etwas sehr Eigenartiges passiert.“

Seine Mutter hörte den Bericht an, ehe sie sagte: „Nein, das klingt wirklich sehr eigenartig. Ich kümmere mich darum. Danke, Kouga.“ Sie suchte in ihrem Adressbuch eine Nummer, wählte: „Michiko Endo….Myouga-san? Könnte ich bitte den Taishou sprechen? Es geht um seinen jüngeren Sohn.“

Myouga stutzte nicht ganz zu Unrecht – der sollte heute Vormittag doch nur in der Studienberatung sein: „Sie sollten mir sagen, um was es genau geht.“

„Inu Yasha scheint soeben von der menschlichen Polizei verhaftet worden zu sein. Jedenfalls haben sie ihn mit auf das Präsidium genommen.“

„Unmöglich!“

„Kouga, mein Sohn, unterhielt sich mit ihm, als dies passierte.“

„Danke. Ich werde es unverzüglich weiterleiten. Das wäre illegal, ja, ungeheuerlich.“ Der kleine Flohgeist war schon auf dem Weg, als sein Telefon erneut klingelte. Er nahm mit einem gewissen Seufzen ab und lauschte der eingehenden Meldung eines dämonischen Arztes mit wachsendem Entsetzen, ehe er sich bedankte und machte, dass er seinem Herrn Bericht erstattete. Da zählte jede Sekunde.
 

Inu Yasha wunderte sich etwas, als er in ein Zimmer geführt wurde, dessen Einrichtung nur aus einem Tisch und drei Stühlen bestand. Zwei standen auf einer Seite, der dritte gegenüber. Auf den zeigte einer der Polizisten.

„Setz dich dahin. – Mein Name ist Inspektor Kawashima, das ist mein Kollege Inspektor Honda.“

„Ja, und was ist jetzt passiert?“ Aber der Junge gehorchte.

Die beiden nahmen ihm gegenüber Platz und legten Aktenmappen auf den Tisch: „Das weißt du doch ganz genau, nicht wahr?“

Irritiert meinte der Halbdämon: „Also, nein, woher denn? Sie schleifen mich hierher und kommen mir mit solchen komischen Fragen?“

„Du kennst doch eine Priesterin namens Kikyou?“

„Ja, klar, sie ist meine Pflegemutter.“

Die beiden Polizisten tauschten einen raschen Blick, ehe Kawashima zu seinem Kollegen sagte: „Das habe ich mir gedacht. Er ist ein Halbdämon, halb Mensch, halb Dämon. Du kennst doch die Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde?“

Honda nickte: „Natürlich. Aber ich glaube es nicht. Und ein psychiatrisches Gutachten wird erweisen, dass er voll verantwortungsfähig ist.“

„In der Tat. - Du hast Kikyou wohl gern, Inu Yasha?“ erkundigte sich Kawashima.

Diesem wurde sehr eigen zumute: „Ja. Was fragen Sie denn so komisch? Ist ihr etwas passiert? Dann sollte ich ins Krankenhaus zu ihr und nicht hier rumsitzen...“

Honda schnappte nach Luft, ehe er aggressiv fragte: „Etwas passiert? Oh ja. Kennst du das hier? Erinnert dich das an was?“ Er zog aus der Mappe vor sich Bilder und warf sie auf den Tisch.

Der Junge rang nur mehr nach Atem. Wäre da nicht die weiß-rote Kleidung einer Priesterin unter all dem Blut noch zu sehen gewesen, so hätte er Kikyou nicht erkannt. Sie war buchstäblich zerfetzt, ja, zerfleischt worden.

Kikyou, Mama....Wieso mussten alle sterben, die ihn mochten?

Etwas in ihm setzte aus und er merkte nicht einmal mehr, dass er bewusstlos vorn überfiel, mit dem Gesicht auf die Kante, die Ecke des Tisches prallte, ehe er zu Boden stürzte.

Honda sprang auf: „Dämonen können nicht ohnmächtig werden, also höre auf, uns etwas vorzuspielen. Warum hast du sie getötet? Und auch noch auf diese Art?“

Er trat zu dem Bewusstlosen und stieß ihn nicht sonderlich sanft mit der Schuhspitze an.

Inu Yasha regte sich nicht.

Kawashima stand auf: „Guck lieber nach. Er ist doch zur Hälfte ein Mensch. Und ein Jugendlicher. Womöglich hat er wirklich einen Schock bekommen, zumal, wenn meine Theorie stimmt, und immer eine seiner beiden Seiten übernimmt, wusste er nichts davon, dass sie tot ist.“

„Das machst du. Ich habe einen Widerwillen gegen Typen, die so etwas anstellen. Und gleich zweimal, wenn sie solche Psychopathen sind, dass sie nicht mehr wissen, was sie tun. Halbdämonen gehören ausgerottet, auch und gerade wenn deine Theorie stimmt,“

„Ich glaube nicht, dass es viele gibt. Er hier ist der Einzige, von dem ich auch nur hörte. - He, Inu Yasha! Aufwachen. - Mist!“

„Was ist? Verwandelt er sich?“ Der Inspektor griff schon mal zu seiner Pistole.

„Weniger. Er hat sich beim Hinfallen verletzt. Sein Auge dürfte blau werden und einige Prellungen sind im Gesicht. Ein geschickter Anwalt könnte daraus was machen. - Ah, er wird wach.“

„Wieso macht einem Dämon solch ein Sturz etwas aus? Ich dachte immer, sie sind so gut wie unverwundbar?“ Aber auch Honda klang etwas peinlich berührt. Verletzungen bei Verhören machten sich nie gut – nicht vor Gericht und nicht vor den Vorgesetzten

Kawashima zog den jungen Halbdämon empor: „Setz dich wieder hin. - Honda, hol ihm mal einen Schluck Wasser.“

„Klar.“ Niemand sollte sagen können, dass sie ihn mit Gewalt zu einer Aussage gebracht hatten und schon gar zu einem Geständnis.

Kawashima legte die Hand auf die Schulter des Beschuldigten: „Hörst du mich, Junge? - Das war wohl ein ziemlicher Schock.“

„Kikyou....“ war alles, was Inu Yasha hervorbrachte: „Wieso....?“
 

„Das versuchen wir gerade zu klären. - Aber jetzt trinkst du erst einmal und dann reden wir weiter.“ Da der Inspektor bemerkte, dass der Blick des Jungen unwillkürlich zu den Fotos glitt, drehte er sie um: „Pause, ja? - Ah, danke, Honda. Hier, trink, Inu Yasha. Und dann reden wir einmal einfach darüber, wie dein Tag begonnen hat.“

Fast fünf Minuten lang herrschte Schweigen, während der Junge langsam das Wasser trank, dabei immer wieder auf die Rückseite der Bilder starrend. Kikyou? Wirklich? Aber warum nur? Und wer? Wer sollte einer so geschickten Priesterin wie ihr etwas antun können oder auch nur wollen? Und immer deutlicher dämmerte es ihm, dass die beiden Polizisten vor ihm IHN dafür verantwortlich machten.

So sagte er: „Ich war es nicht.“

Kawashima bemerkte, dass sein Kollege etwas erwidern wollte und meinte eilig: „Das werden wir gleich sehen. Was passierte denn heute morgen?“

„Nun ja, ich bin aufgestanden, als der Wecker klingelte. Kikyou....“ Er musste abbrechen, ehe er weiter berichten konnte: „Sie war in der Küche und kochte Tee für uns. Ihre morgendlichen Pflichten im Schrein hatte sie schon erledigt....“

„Dann habt ihr gemeinsam gefrühstückt.“

„Ja.“

„Alles war wie immer oder habt ihr euch wegen irgendetwas gestritten?“

„Nein.“

„Hat sie erwähnt, dass sie sich bedroht fühlt?“

„Nein, wer sollte ihr denn auch etwas.....“ Wieder fiel sein Blick auf die Rückseite der Bilder und ein seltsamer Kloß im Hals ließ ihn abbrechen, als Tränen über sein Gesicht rannen.
 

In diesem Moment öffnete sich die Tür und zwei Männer traten ein. Der vorderste trug Anzug und Krawatte, darüber einen schwarzen Talar, der zweite war eindeutig ein Kriegerdämon, in deren mittelalterlicher Tracht mit Schwert im Gürtel, sicher der Leibwächter.

„Sie unterbrechen ein Verhör!“ sagte Honda unverzüglich: „Ich sehe, dass Sie Anwalt sind, aber...“

„Sehr richtig. Mein Name ist Bokuseno. Und ich wurde vom Vater Inu Yashas beauftragt, nach seinem Jungen zu sehen.“

„Der oberste Anwalt der Familie,“ stellte Kawashima sachlich fest: „Was hat denn der Halbdämon mit der Familie zu tun?“

Inu Yasha spürte, wie ihn eine gewisse Erleichterung erfasste, trotz all des Schocks, trotz allen Kummers. Vater. Er kümmerte sich um ihn. Dieser Anwalt sah irgendwie eigenartig aus, fast wie ein Baum, aber nun gut, es gab eben Dämonen verschiedenster Richtungen.

Bokuseno betrachtete den Beschuldigten, ehe er erneut zu den beiden Polizisten blickte: „Sie werden ihn unverzüglich freilassen, und zwar aus gleich drei Gründen: a, Inu Yasha ist ein Halbdämon mit einem dämonischem Erziehungsberechtigten und unterliegt nach den Verträgen nicht dem menschlichen Recht. b, auch da wäre das Verhör eines Minderjährigen ohne Anwalt oder Eltern dabei nicht zulässig und c, wie konnte sich der Junge in Polizeigewahrsam so verletzen?“

„Er unterliegt als halber Mensch menschlichem Recht!“ protestierte Honda.

„Das würde er nur tun, wenn seine Erziehungsberechtigten Menschen wären oder der überlebende Part zumindest,“ gab der Anwalt zurück: „Aber seine menschliche Mutter verstarb und sein dämonischer Vater ist nun alleiniger Erziehungsberechtigter.“

„Und ein Mitglied der Familie,“ ergänzte Kawashima etwas resignierend: „Und so schnell, wie Sie hier waren, sicher ein höherrangiges.“

„Es war reiner Zufall, dass ich gegenüber im Gericht war, aber ich ließ die Verhandlung unverzüglich unterbrechen,“ gab Bokuseno zu: „Der Inu no Taishou schätzt es nicht, wenn Mitglieder der Familie in unberechtigten Schwierigkeiten stecken – und schon gar nicht sein Sohn. - Inu Yasha-sama, bitte begleiten Sie Hiroyuki hier ins Krankenhaus. Hiroyuki, ein dämonischer und ein menschlicher Arzt sollen ihn gleichzeitig auf weitere, nicht so sichtbare Verletzungen untersuchen, damit oyakata-sama prüfen kann, ob er Strafanzeige gegen diese Polizisten erstatten will. - Geht es, Inu Yasha-sama?“ Er ignorierte, dass die Polizisten bei dieser äußerst höflichen Anrede gegenüber einem Jugendlichen stutzten.

„Ja, ich denke schon.“ Der junge Halbdämon stand etwas zitternd auf: „Sie...die Polizisten haben mich nur erschreckt...“

Bokuseno wartete, bis sein junger Mandant mit dem Leibwächter draußen war, ehe er hinzufügte: „Falls Sie an etwas anderes als an ihn gedacht hätten: der Junge war heute Vormittag in der Studienberatung der Universität. Ich vermute, auf Nachfrage können Ihnen jede Menge Menschen und Dämonen bestätigen ihn gesehen zu haben. Zu viele, übrigens, als dass Sie das beim schlechtesten Willen noch unter Gefälligkeit buchen könnten. - Guten Tag.“

„Einen Moment, Herr Anwalt,“ meinte Kawashima, dessen Stimme plötzlich ein wenig heiser klang: „Der Junge heißt Inu Yasha Kamui – und wie, sagten Sie, war der Name seines Vaters?“

„Sein Vater ist, wie wir sagen, oyakata-sama. Menschen nennen ihn den Inu no Taishou.“ Bokuseno verließ den Raum und nahm sein Handy, suchte eine Nummer: „Herr Polizeipräsident, Bokuseno. Könnte ich bitte unverzüglich mit Ihnen sprechen? Zwei Ihrer Mitarbeiter haben soeben schwer gegen die alten Verträge verstoßen und ich denke, wir sollten uns kurz darüber unterhalten, damit Sie Bescheid wissen, ehe der Herr der Familie Sie anruft. - Danke.“
 

Honda und Kawashima blickten sich an.

„Mist!“ meinte ersterer aus ganzem Herzen: „Von allen Dämonen, ausgerechnet einer der Anführer der Organisationen. Und der wird sicher keine Verhandlung gegen seinen eigenen Sohn führen wollen.“

„Nun, soweit ich hörte, spielt das unter Dämonen weniger eine Rolle. Nur sollten wir uns Sorgen um uns machen. Inu Yasha wurde nun einmal verletzt, als er allein mit uns in einem Raum war...Das könnte ein Disziplinarverfahren geben. Mindestens.“

„Es war ein Unfall.“

„Du weißt das und ich weiß das. Aber es macht einen unguten Eindruck...Gehen wir auf unsere Plätze und versuchen zu überprüfen, ob Bokuseno Recht hatte und der Junge heute Vormittag auf der Universität war.“

„Ich fürchte ja. Eine so offensichtliche Lüge...dazu ist Bokuseno zu schlau. Vermutlich haben ihn Hunderte gesehen und niemand würde uns abnehmen, dass der Herr der Familie alle bestochen hat.“ Sie hatten ihn erst später nach einem möglichen Alibi fragen wollen, zu sicher, dass er keines hätte, als sie ihn zufällig auf der Straße erblickt hatten. Er hatte keine Schule mehr und sie hatten die größere Gefahr in der Flucht gesehen.
 

Die Laune der beiden wurde nicht besser, als ihre Nachforschungen in der Tat ergaben, dass Inu Yasha in der Studienberatung gewesen war. Seine weißen Haare mit den Öhrchen oben drauf waren nicht nur einigen, vor allem weiblichen, Menschen aufgefallen, so dass selbst die Erklärung, Dämonen würden eben den Sohn des Taishou decken wollen, nicht mehr greifen würde.

Zu allem Überfluss befahl sie der Polizeipräsident unverzüglich zu sich – und sie konnten sich denken, welcher Vorfall ihn auf sie aufmerksam gemacht hatte.
 

Der Präsident telefonierte, winkte sie aber herein. Höflich blieben sie stehen – und konnten sich denken, wer der Gesprächspartner war, als der Präsident beteuerte, dass es sich um einen unseligen Missgriff gehandelt hatte, sich selbstverständlich die Polizei wie auch alle Staatsbehörden immer an die Verträge hielten.

„Einen Moment, bitte, Taishou-sama. Sie sind soeben hereingekommen.“

Dieser Satz bestätigte die Vermutung Kawashimas und Hondas.

Der Polizeipräsident schaltete auf Lautstärke, so dass die beiden unglückseligen Polizisten die dunkle, ruhige Stimme des Herrn der Familie vernehmen konnten: „Dann sagen Sie den beiden, dass ich es überhaupt nicht schätze, wenn man Hand an meinen Sohn legt.“ Darin lag keinerlei Drohung. Es war nur eine sachliche Feststellung.

„Selbstverständlich, Taishou-sama“, erwiderte der Polizeipräsident: „Ich kann Sie nur noch einmal bitten, dieses Versehen zu entschuldigen...“ Er hörte, dass aufgelegt wurde und sah auf: „Falls einer von Ihnen demnächst seinen Kredit bei einer Bank verlängern will, die der Familie gehört, sollte er schon einmal einen sehr guten Bürgen vorweisen können. - Die Verhaftung an sich wäre schlimm genug gewesen, aber das hätte man mit einer Entschuldigung noch irgendwie aus der Welt schaffen können. Der Taishou handelte einst die Verträge mit aus und ist recht menschenfreundlich eingestellt. Verletzungen, mögen sie auch angeblich auf Grund eines Unfalls geschehen sein, sind dagegen unverzeihlich. Ich glaube Ihnen, dass es ein Unglück war – nur, wird es auch der Herr der Familie glauben? Ich kann Ihnen nur wünschen, dass Inu Yasha…Inu Yasha-sama…seinem Vater bestätigt, dass es ein Unfall war. Wenn Sie den Jungen allerdings so verschreckt haben…“

Das Telefon klingelte erneut und er nahm ab, ohne einen Kommentar zu den bleichen Gesichtern abzugeben, als den beiden Unglückwürmern bewusst wurde, was wohl geschehen würde, wenn Inu Yasha sich bei seinem Vater beschweren würde, ja, lügen würde. Da gab es solche Gerüchte um Dämonen, verschwundene Menschen, die man nie wieder oder in sehr schlechtem Zustand wieder gefunden hatte...

„Wie meinen….?“ Der Präsident rang nur mehr nach Atem: „Aber bitte…meine Mitarbeiter waren sich sicher…Natürlich…ja, ich werde...ich werde es…nein, das werde ich dem Taishou selbst mitteilen…das ist leider meine Pflicht.“ Er legte auf, ehe er mit einer Stimmlage, die der des Herrn der Hunde kaum nachstand, sagte: „Nun, meine Herren, herzlichen Glückwunsch. Das eben war Kikyou-sama…die angeblich ermordete Priesterin. Sie erklärte sich bereit, jederzeit vorbeizukommen, falls es Inu Yasha-sama dienen könnte, auch DNS-Proben abzugeben. Haben Sie eine Erklärung dafür?“
 

Nein, die hatten sie nicht.
 

**
 

Woher auch? Ihr erfahrt es im nächsten Kapitel. Und den nächsten Zug der Gegenseite.

Kouga hat jedenfalls schon mal Boden gut gemacht.
 

bye
 

hotep

Goshinki

Kikyou wandte sich um, nachdem sie aufgelegt hatte: „Der Polizeipräsident klang nicht so, als ob er eine Blutprobe von mir wollte.“

So ganz hatte sie noch immer nicht verstanden, was passiert war. Da war die Erinnerung an den heimtückischen Überfall in ihrer eigenen Küche, den schrecklichen Schmerz, als dieser Dämon sie in Stücke gerissen hatte – und die Erinnerung an ihren Tod. Und dann war sie aufgewacht, im Leichenschauhaus, nur bedeckt mit einem Laken – und zwei Dämonen neben sich. Der Arzt hatte sie sichtlich fassungslos angestarrt, während der Älteste des Taishou ein Schwert in die Scheide geschoben hatte, die er in der Hand trug. Bekleidet war er mit einem Anzug und der üblichen Boa.

„Ich habe davon gehört, Sesshoumaru-sama“, hatte der Arzt gemeint: „Aber Tenseiga so zu erleben…das grenzt an ein Wunder!“

„Das ist ein Wunder“, hatte dieser nur erwidert: „Geben Sie ihr etwas zum Anziehen. – Kikyou, es eilt. Sie müssen für Inu Yasha ein Telefonat mit dem Polizeipräsidenten führen.“ Falls es Bokuseno nicht geschafft haben sollte, ihn herauszuholen, was er eigentlich vermutete. Aber Vater hatte beschlossen, zweigleisig zu fahren. Jemand hatte dem Welpen eine böse Falle gestellt und Sesshoumaru zweifelte eigentlich nicht am Urheber dieses Mordes. Wobei das Opfer nun ja wieder lebte. Naraku war gewiss zu geschickt, als das man ihm etwas nachweisen konnte. Hoffentlich würde der nun Ruhe geben
 

Jetzt meinte er nur: „Gut.“ Er sah zu dem Medizinier. „Sie geben in Ihrem Bericht an, dass Kikyou-sama zwar verletzt aber lebendig war, als sie hergebracht wurde. Die Aussagen wird Myouga abstimmen.“

Der Arzt nickte nur.

„Inu Yasha wurde wegen Mordes an mir verhaftet?“ vergewisserte Kikyou sich. Irgendwie klang das eigenartig: „Aber das wäre illegal. Er ist minderjährig und sein Erziehungsberechtigter ist ein Dämon. Das geht die menschliche Polizei nichts an.“

„Stimmt. Deswegen bekam ihn der Familienanwalt wohl auch unverzüglich frei.“

Sie neigte den Kopf: „Ich danke Ihnen für mein Leben, Sesshoumaru-sama“, meinte sie höflich.

Er wandte sich um: „Fahren wir.“
 

Im Schrein zog sie sich eilig um. Schließlich wartete nicht nur Sesshoumaru sondern auch sein Vater im Wohnzimmer auf sie und Inu Yasha, der auf dem Weg aus dem Krankenhaus war, in Begleitung eines Leibwächters. Sowohl der Taishou als auch sein Ältester waren erbost, sie konnte die gestiegene Energie spüren. Aber sie verstand es nur zu gut. Den armen Jungen in so etwas zu stürzen. Hätte Sesshoumaru nicht dieses seltsame Schwert benutzt…

Nein, daran wollte sie nicht mehr denken. Dachte sie daran, dachte sie auch an den Überfall durch diesen Dämon und die Schmerzen und an ihren Tod. Nichts, was besonders schön war.

Als sie in ihr Wohnzimmer trat, neigte der Inu no Taishou höflich den Kopf: „Ich bin wirklich erfreut, Sie wiederzusehen, Kikyou-sama.“

„Danke, oyakata-sama.“ Sie nahm Platz.

„Ich bedauere, dass Sie in Familienangelegenheiten hineingezogen wurden – und vor allem, dass Inu Yasha wieder das Ziel war. Naraku hat in ihm wohl das schwächste Glied der Kette vermutet.“

„Sie sind sicher, dass er dahintersteckt?“

„Ryuukossei hätte ein Attentat direkt auf mich oder einen meiner Söhne veranlasst. Der Umweg über die scheinbar formelle Anklage durch Menschen, das auf diese Weise in Unehre-Bringen der gesamten Familie, sieht nach dem ehemaligen Berater aus. Er ist nicht zu unterschätzen und ich werde Gegenmaßnahmen einleiten müssen. - Dazu möchte ich Sie gern um einen Gefallen bitten, Kikyou-sama. Sie erwähnten, dass Sie und Kagome den Schutzbann auf den Lavafeldern schufen. Könnten Sie so etwas auch um mein neues Haus legen?“

„Ja, mit Kagomes Hilfe sicher. Sie ist recht talentiert und wollte mit mir üben. Nur, oyakata-sama – in einem solchen Bann könnte es für Dämonen schwierig werden. Zum Beispiel, wenn Ihre Wächter zu nahe herankommen, könnten sie geläutert werden.“

„Sie erhalten ihre Befehle entsprechend, keine Sorge. Ich möchte nur Narakus weiteren Ideen und denen der schwarzen Priesterin, Tsubaki, nannte Ryuukossei sie, einen Riegel vorschieben.“

„Tsubaki? Ich erinnere mich. Eine sehr fähige Priesterin, die ausgeschlossen wurde, da sie Schadenszauber betrieb.“ Sie stand auf, da sie hörte, wie jemand hereinkam, unwillkürlich beruhigt, dass sich auch Sesshoumaru erhob – sicher, um sie zu schützen. Das war sehr nett von ihm, auch, wenn sie zurecht annahm, dass das mehr Inu Yasha und Rin geschuldet war, als ihr persönlich.

Kagome kam herein: „Kikyou-sama!“ sagte sie erleichtert, ehe sie sich auf ihre Höflichkeit besann: „Verzeihung, oyakata-sama, Sesshoumaru-sama...“ Dern dritten Dämon kannte sie vom Sehen, aber der Name fiel ihr nicht ein. So nickte sie ihm zu, ehe sie sagte: „Bin ich froh, dass alles nur ein Missverständnis war. Wo ist Inu Yasha?“

„Er müsste jeden Moment kommen. Sie hatten ihn ins Krankenhaus gebracht, um festzustellen, ob ihn die Polizisten geschlagen haben.“

„Das würden sie nicht wagen!“

„Setz dich, Kagome,“ sagte der Herr der Hunde: „Kikyou, erzählen Sie ihr von meinem Plan.“

„Ja. - Woher wusstest du es eigentlich?“

„Kouga rief mich an. Er meinte, ich solle wissen, dass man Inu Yasha wohl verhaftet hat. Und dann kam in den Nachrichten etwas von einem Mord in einem Schrein...“ Kagome nahm neben der jungen Priesterin Platz: „Was soll ich tun?“
 

Nur Minuten später kam Inu Yasha mit Hiroyuki als Leibwächter. Er wirkte etwas matt, lachte aber fast auf, als er Kikyou sah und meinte: „Mann, bin ich froh, dich zu sehen.“

„Alles in Ordnung, mein Junge?“ Der Inu no Taishou musterte ihn,. Aber die Prellungen im Gesicht waren am Verblassen.

„Ja. Das ist nur passiert, als ich in Ohnmacht gefallen bin,“ gestand der Halbdämon ehrlich: „Aber diese Bilder waren schon sehr....echt, schlimmer als Ryukossei.“ Er setzte sich zwischen Kagome und Kikyou, die ihm Platz machten.

Rin, dachte Sesshoumaru plötzlich. Der Angriff auf Kikyou hätte durchaus auch Rin mittreffen können, wenn sie schon hier leben würde. Dieser Mistkerl hätte kaum davor zurückgeschreckt, auch ein kleines Mädchen zu zerreißen. Den musste man dringend aus dem Verkehr ziehen: „Können Sie sich daran erinnern, wer Sie überfiel, Kikyou-sama?“ Dass Naraku der Auftraggeber war, sollte klar sein.

Sie beschrieb das Monster, das sie überfallen hatte, so gut es eben ging.

„Goshinki!“ sagte Royakan sofort: „Verzeihen Sie, oyakata-sama, ich wollte Ihnen nicht vorgreifen.“

Der Taishou hob nur die Hand: „Was weißt du über ihn? Er ist früher der Eliminator des Spinnenclans gewesen.“

„Er ist es wohl noch. Und er ist, verzeihen Sie alle, wenn ich das so sage: ein schierer Sadist. Er tötet nie sauber und schnell. Es laufen Gerüchte um, dass er Menschen entgegen den Verträgen frisst, aber niemand konnte ihm je etwas beweisen.“

„Na, klasse, “ murmelte Inu Yasha: „Das hört sich ganz nach einem Typen an, dessen Ableben diese Welt ein wenig schöner machen würde.“

Der Taishou sah zu der Gastgeberin. Sie schien noch etwas blass, aber das war kein Wunder. Dennoch strahlte sie wieder diese Ruhe aus: „Wir werden ihn suchen, Kikyou-sama. Welche Kleidung trug er, als er Sie überfiel?“

„Die gleiche, die er im Sarg tragen wird.“ Sesshoumaru erhob sich bereits: „Sie entschuldigen mich, chichi-ue?“ Strafaktionen übernahm er.

„Geh.“

Kikyou seufzte etwas, aber sie schwieg. Sie wusste nur zu gut, wie es sich anfühlte, zwischen den Klauen dieses Goshinki zu stecken – und das war nichts, was sie einem anderen Menschen oder auch Dämon wünschen würde. Überdies sollte sie sich nicht in eine Dämonensache einmischen. Sie unterlagen ihrem eigenen Recht – und damit den beiden Anführern der Organisationen.

Inu Yasha hatte ihr Seufzen gehört und legte den Arm um sie: „Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass das nur ein Irrtum war. Ich war so erschrocken, als diese Idioten mir erzählten….“ Nein, das konnte er nicht aussprechen.

Sie erwiderte die Umarmung mit mütterlicher Fürsorge: „Schon gut, ich lebe ja wieder….Ich danke Ihnen, oyakata-sama.“

Dieser stand auf: „Ich würde vorschlagen, dass Sie und auch du, Inu Yasha, auf jeden Fall für einige Tage zu mir zieht. Oder hier Leibwächter herkommen. Nicht, dass jemand seinen Fehler korrigieren möchte.“ Falls es wirklich Narakus Plan gewesen war, würde der zwar vermutlich erst einmal stillhalten, aber noch war nicht klar, wie weit dieser sich als neuer Chef durchgesetzt hatte. Womöglich waren es interne Probleme des Clans gewesen, in denen sich jemand profilieren wollte. Und der würde kaum damit aufhören.

„Ja, otou-sama,“ meinte Inu Yasha auch nur, dem dieser Tag völlig reichte: „Wir packen nur zusammen, dann fährt Kikyou uns zu Ihnen.“ Er sah zu ihr: „Ich weiß, der Schrein und so, aber ein paar Tage werden schon gehen. Von einigen Dämonenkriegern hier als Wache wärst du noch weniger begeistert.“

Das stimmte und so nickte sie nur etwas resigniert.

Der Taishou ging, Royakan und Hiroyuki schlossen sich ihm an.
 

Naraku vernahm die Neuigkeiten mit gelassenem Gesicht, ehe er zum Telefon griff, als er allein war: „Lieber, dummer Goshinki,“ sagte er: „Du erwartest doch hoffentlich keine Bezahlung.“

„Was meinen Sie? Ich habe die Priesterin zerrissen, wie Sie wollten. Wollen Sie mich jetzt um meinen Lohn betrügen?“

„Der Betrug liegt ja wohl eher auf deiner Seite. Wie kannst du zu mir sagen, der Auftrag sei erledigt - und die gute Kikyou ist momentan in ihrem Schrein?“

„Das ist unmöglich!“

„Entweder du wolltest mich betrügen oder du hast die Falsche getötet.“

„Ich kümmere mich darum, Naraku-sama!“ beteuerte Goshinki eilig. Betrug am Clanoberhaupt war ein tödlicher Fehler – und falsche Ausführung eines Auftrages auch.

„Du hast zwei Stunden.“

„Ja, natürlich.....“ Goshinki legte auf, trotz seiner gewöhnlich emotionslosen Art mit zitternden Beinen. Was war da nur passiert? Gleich. Er musste seinen Fehler schleunigst korrigieren – oder nicht nur die Familie sondern auch der Clan würden ihn jagen, bis sie ihn hatten. Und für einen verzweifelten Moment betete er, dass das Ende unter Narakus Befehl nie eintreffen möge. Er hatte nur zwei Stunden um zu dem Schrein zu gelangen, diese Kikyou zu töten und Bericht zu erstatten, dann würde der Clan die Jagd auf ihn eröffnen, dessen war er sich sicher. Naraku machte keine leeren Drohungen. Dämonen der Familie sollte er sowieso jetzt besser nicht in die Hände laufen. Hm. Hatte er noch menschliches Geld dabei? Er guckte nach, ehe er ein Taxi winkte und sich zum Schrein fahren ließ. Selbst, falls dieser komische Halbdämon schon wieder da sein sollte – mit so einer halben Portion fertig zu werden, sollte für ihn, den geübten und gefürchteten Eliminator doch kein Problem darstellen.
 

Kagome wartete vor dem Schrein auf Inu Yasha und Kikyou, die beide noch rasch zusammenpackten. Sie hatte ihr Gepäck dabei – einen Bogen und einen Pfeilköcher. Kikyou hatte ihr die geschenkt, damit sie auch zuhause damit üben konnte. Leider war sie nicht gerade eine talentierte Bogenschützin, aber das musste mit Übung eben besser werden. Immerhin war es ihr nach nur wenigen Stunden gelungen, den Pfeil aufleuchten zu lassen – sicheres Zeichen, dass dieser läuternd wirkte. Sie hörte, dass Kikyou kam und wandte sich um. Die junge Priesterin ließ ihre Reisetasche fallen.

„Inu Yasha braucht wohl noch, da er die Schulbücher für die mündliche Prüfung einpacken will“, erklärte sie: „Lernst du auch noch?“

„Nur Chemie, da muss ich ins Mündliche, alle anderen Noten stehen bei mir.“ Und da sah Kagome, was oder eher wer soeben mit einem gewaltigen Satz auf den Schreinvorplatz gesprungen kam. Solch ein zähnebewehrtes Monster hatte sie noch nie gesehen. Sie wollte aufschreien, aber kein Laut drang aus ihrer zugeschnürten Kehle. Pfeile, dachte sie irgendwo im Hinterkopf noch, aber sie konnte sich nicht bewegen.

Kikyou bemerkte ihr plötzlich aschfahl gewordenes Gesicht und fuhr herum. Entsetzt starrte sie auf Goshinki. Er hatte sie heute schon einmal getötet...

„Ich habe dich doch heute schon mal umgebracht,“ meinte der auch: „Wieso lebst du wieder? Und machst mir solchen Ärger, hm? Das muss ich wohl korrigieren.“

Kagome löste sich endlich aus ihrer Erstarrung und ließ den Bogen von der Schulter gleiten, griff zu einem Pfeil.

Goshinki bemerkte es. Er konnte und wollte nicht das Risiko eingehen, auszuprobieren, wie fähig oder läuternd diese Unbekannte war. Mit einem Satz stand er vor der Schülerin und beförderte sie mit einem Armschlag meterweit durch die Luft. Kagome blieb regungslos liegen. „So, Priesterin....“

„Lass sie sofort in Ruhe!“ brüllte Inu Yasha schon an der Tür, der erschreckt bemerkt hatte, was passierte: „Hau ab, du Vollidiot, oder du bekommst es mit mir zu tun!“ Er hatte seine Schwertscheide samt Tessaiga in der Hand, die Reisetasche lag neben ihm auf dem Boden.

Gohinki wandte sich ihm zu: „Oh, nein, wen haben wir denn da? Den Halbblutwelpen des Taishou. Wie amüsant. Naraku will nur den Tod dieser Priesterin, aber ich frage mich, ob er nicht noch etwas drauflegt, wenn ich ihm deine Ohren mitbringe.“

„Und von was träumst du nachts?“ Inu Yasha zog Tessaiga: „Kikyou, sieh nach Kagome!“ befahl er.

Sie zögerte für einen Moment, aber dann gehorchte sie. Bei Kagome waren auch Pfeile und Bogen und womöglich konnte sie dieses Monster läutern. Der Junge konnte doch unmöglich gegen den Riesen bestehen, auch, wenn der kein Schwert trug und Inu Yashas sich jetzt deutlich verbreiterte.

Das war auch dem jungen Halbdämon aufgefallen. Kein Schwert – das bedeutete nur, dass der wohl was anderes auf Lager hatte. Auf jeden Fall hatte der Mistkerl Kikyou buchstäblich zerrissen, hatte Kagome bewusstlos geschlagen, hatte dafür gesorgt, dass er selbst fast eine Mordanklage am Hals gehabt hätte. Der war fällig. Nun, er würde gleich sehen, was der konnte. Er sprang hoch und ließ Tessaiga in weitem Bogen auf Goshinki zuschlagen.

Der duckte seinen großen Körper mit scheinbar müheloser Eleganz weg. Wie dumm und naiv diese halbe Portion doch war. Hatte der Taishou seinem Welpen etwa nie davon erzählt, dass es Dämonen gab, die Gedankenlesen konnten? So war er seinem Gegner immer einen Schritt voraus. Ach, nicht schon wieder das Gleiche..

Erneut duckte er weg. Diesmal griff er allerdings selbst an. Seine rechte Klaue schlug mit aller Kraft in die Brust des Halbdämonen, zerfetzte auch das T-Shirt. Blut färbte es rasch ein.

Kikyou hatte Kagome geweckt: „Ich brauche den Bogen.....“ flüsterte sie.

Inu Yasha keuchte unter Schmerzen, war aber nicht gewillt, aufzugeben. Ryuukossei war schlimmer gewesen. Noch eine so direkte Attacke, um den Narren glauben zu lassen, dass er nicht mehr drauf habe, dann einmal die Windnarbe ausprobieren, beschloss er. Und der Vollidiot wandte sich ihm direkt zu...

Goshinki wusste, dass er mit seinem Widersacher nun schleunigst zu Rande kommen musste. Die Priesterin hatte etwas vor und da sie laut Naraku äußerst fähig im Läutern war, sollte es mit dem Halbmenschen schnell gehen. So erwartete er dessen Angriff frontal – und biss mit aller Kraft zu.

Noch ehe Inu Yasha begriffen hatte, was das werden sollte, hing Tessaiga quer im Maul des Dämons und er konnte hören, wie die Klinge knirschte. Der wollte die doch nicht etwa zerbeißen? Er selbst hatte Tessaiga nicht losgelassen und hing nun ebenfalls in der Luft, während die Klauen Goshinkis sich abwechselnd tief in Brust und Bauch gruben.

„Inu Yasha!“ keuchte Kagome entsetzt auf, als sie bemerkte, wie viel Blut er verlor: „Schießen Sie doch, Kikyou-sama!“

„Er hält sich hinter Inu Yasha – die Gefahr, dass ich diesen treffe ist zu hoch....“ Die junge Priesterin war ebenso angespannt wie ihr Bogen. Aber sie wagte den Schuss nicht. Sie wäre sicher in der Lage auch einen Halbdämon zu läutern.
 

Inu Yasha hatte unterdessen wütend festgestellt, dass Goshinki nicht willens war, Tessaiga wieder herauszurücken, ja sich Mühe gab, es zu zerbeißen. Das Metall knirschte förmlich immer lauter, im gleichen Maße, wie seine eigenen Schmerzen anstiegen – und sein Zorn.

Na schön, dieser Mistkerl wollte es ja wohl nicht anders haben. Und wenn der dachte, dass er ohne sein Schwert hilflos wäre, hatte er sich eben geschnitten. Dieses Monster sollte weder Kagome noch Kikyou etwas antun, er musste seine beiden Freundinnen beschützen....

So ließ er selbst den Schwertgriff los und sprang zu Boden, wütend wie eigentlich nur in der Nacht auf den Lavafeldern. Und doch war etwas anders. Da war er ebenfalls wütend gewesen, ja, aber nicht so. Er warf einen raschen Blick seitwärts, keuchend vor Schmerzen, die ihm seine zerrissene Brust, sein Bauch verursachten. Kikyou....sie hatte mindestens ebenso zwischen Goshinkis Klauen leiden müssen, Kagome schien verletzt....Seine eigenen Verletzungen, sein Blut, das über ihn strömte, und jetzt auch noch Tessaiga, das Goshinki fast höhnisch in zwei Teilen ausspuckte...
 

Langsam wandte er sich wieder seinem Gegner zu, vollständig ignorierend, dass er noch immer in Kikyous Schusslinie stand und so Goshinki deckte. Alles war gleich, die ganze Welt um ihn versunken. Nichts zählte mehr außer dem einen, heißen Wunsch, diesen da umzubringen. Zorn und Mordlust überschwemmten ihn, als er mit einem Knurren auf den Dämon zusprang.

Goshinki erkannte entsetzt, dass er die Gedanken des Kleinen nicht mehr lesen konnte. Alles, was der noch dachte war: Tod! Auch in den plötzlich rot gewordenen Augen lag nur mehr dieses Versprechen. Was war bloß passiert?

Der letzte Gedanke, ehe ihn ein Klauenhieb buchstäblich in Stücke riss.
 

Mit einem Knurren und noch immer roten Augen drehte sich der Halbdämon um, suchte nach neuer Beute.

„Inu Yasha!“ schrie Kagome auf: „Was ist mit dir?“

„Er hat sich verwandelt,“ erklärte Kikyou, den Boden noch immer angespannt: „Inu Yasha, erkennst du uns nicht? Inu Yasha!“ Sie konnte ihn doch nicht einfach läutern....

Beute, dachte der Angesprochene nur: Tod....

Im nächsten Moment ließ ihn ein heftiger Faustschlag zu Boden taumeln. Noch ehe er sich wieder aufgerappelt hatte, drückte ihm der Taishou die beiden Teile von Tessaiga in die Arme. Fast sofort entspannte sich der Körper und die Augen leuchteten in gewohntem Goldton.

„Oyakata-sama....“ Kikyou versuchte ihrer Verwunderung Ausdruck zu verleihen, während Kagome sich neben Inu Yasha warf:

„Du bist verwundet....oh, was war denn mit dir bloß los?“

„Keine Ahnung,“ murmelte der Halbdämon: „Das....Es war, als er Tessaiga zerbissen hat. Irgendwie hörte ich da das Denken auf.“

Der Taishou musterte ihn: „Du wirst einige Tage verletzt sein, mein Junge, das sind tiefe Kratzer. - Du hast dich unter akuter Lebensgefahr in einen Volldämon verwandelt. Da du allerdings keiner bist, überfordert das deinen Körper und deinen Verstand. Ich ließ Tessaiga darum so schmieden, um dein Dämonenblut, mein Erbe, zu unterdrücken, so dass du im Kampf auch in Lebensgefahr ruhig bleiben kannst.“

„Das habe ich nie zuvor gehabt.....“ wandte der Junge ein, der sich durchaus der Nacht auf den Lavafeldern erinnerte. Aber stimmte, da war Tessaiga an seiner Hüfte gewesen...

„Nein. Aber unter Menschen warst du auch nie in solcher Lebensgefahr. Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme meinerseits für eine weit entfernte Zukunft. Ich ahnte nicht, dass es so kurz darauf schon notwendig werden könnte...“

„Seit er Sie kennt, ist er in Lebensgefahr,“ erklärte Kikyou, bemüht, ihre Stimme ruhig zu halten: „Aber das lässt sich kaum mehr rückgängig machen.“

„In der Tat. - Ich ließ den Wagen umdrehen, als mir bewusst wurde, dass niemand hier mehr bei euch ist und Goshinki seinen Fehler rasch bereinigen musste. Toutousai wird Tessaiga sicher unverzüglich wieder zusammenschmieden können. Nur zur Vorsorge.“

„Was...“ Der Halbdämon erhob sich: „Was passiert denn, wenn ich Tessaiga nicht habe? Und in Lebensgefahr bin?“

„Das hast du gesehen. Du verwandelst dich. Gewöhnlich gleichen sich der Anteil deiner Mutter und der meine in dir aus, was ein schieres Wunder ist. Es gibt nicht ohne Grund wenige Halbdämonen. Bist du aber in Lebensgefahr, übernimmt mein Erbe dich, um dich zu schützen. Leider kannst du es so nicht verkraften und wirst...ja, verrückt. Wenn das öfter passieren sollte, kannst du dich nicht mehr zurückverwandeln und tötest nur mehr alles um dich. Darum Tessaiga. Es soll dich davor beschützen.“

„Also rechnen Sie mit Krieg und Mord unter Dämonen,“ stellte Kikyou fest.

„Natürlich. Aber ich gab Ihnen mein Wort, Inu Yasha nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Daran halte ich mich. Und letzten Endes ist auch Tessaiga der Ausdruck eines gewissen Schutzes. - Fahren wir jetzt zu mir. - Royakan, lass die Überreste von Goshinki zusammenpacken und an Naraku schicken. Er wird wissen, woher es kommt. Und lass Sesshoumaru suchen, sage ihm, Inu Yasha hat Goshinki getötet.“ Im Zweifel würde sein Ältester zwar bedauern, Goshinkis Tod nicht selbst herbeigeführt zu haben, sich aber damit trösten, dass es in der Familie geblieben war.
 

**

Wie...äh...tröstlich, wenn sich Brüder Tote teilen...

Das nächste Kapitel bringt Neuigkeiten und einen ersten Einblick in Nrakus nächsten Plan...
 

bye
 

hotep

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Naraku erhielt das Paket mit gewissem Desinteresse. Nun gut. Goshinki hatte sich in der Tat als zu dumm entpuppt, auch nur eine menschliche Priesterin umbringen zu können. Deutlich neugieriger machte ihn die Frage, wer diesen so säuberlich tranchiert hatte. Im Zweifel der Taishou persönlich, da der seinen jüngsten Sprössling ja wohl von der Polizei oder aus dem Schrein abgeholt hatte.

Nun, gleich. Er musste sich jetzt vorsehen, denn die Tatsache, dass man ihm Goshinki geschickt hatte, bewies, dass der Herr der Familie von seiner an sich verborgenen Verbindung zu ihm wusste – und wohl in ihm auch den Auftraggeber vermutete. Er würde vorsichtiger sein müssen, um einen offenen Krieg zu verhindern. Keine direkten Angriffe mehr auf niemanden.

Aber, das besagte ja nichts. Er hatte Zeit, sehr viel Zeit. Und alles, was er tun musste, war zu lernen. Er brauchte mehr Macht, magische Macht und musste in alten Schriften, von den ältesten Dämonen lernen, wie man dies erreichte. Dann würde er zuschlagen und die Hunde erledigen. Gleich, ob in einem Jahr oder in zehn. Zunächst einmal würde er mit seiner eigenen schwarzen Priesterin reden und dann ihre Papiere durchsehen. Tsubaki war ja noch immer nicht wiederhergestellt und würde es wohl auch nie werden – ein guter Grund, zusätzlich zu ihrem Zuviel-Wissen - sich ihrer zu entledigen. Er würde ihr den Gefallen tun, das schnell und eigenhändig zu erledigen.

„Was ist, Kagura..?“ Er sah etwas unwillig auf, als er aus seinen Gedanken gerissen wurden.

Seine Assistentin schluckte: „Der Makler rief soeben an, Sie könnten das Schloss ab sofort beziehen.“

„Ah, gut. Sag Byakura Bescheid.“ Wenn schon der Taishou sich ein Schloss leistete, sollte er als Herr des Clans da nicht zurückstehen. Es war ein quadratischer Palast außerhalb der Stadt. Der letzte Nachkömmling der dortigen Familie hatte es auf....Nachfrage...verkauft. Nun, der sollte sich nicht so haben. Er war noch immer am Leben und hatte sogar Geld dafür bekommen: „Und auch alle Mitglieder des Clans, die nicht zwingend in der Stadt wohnen müssen, sollen mit hinausziehen.“

„Ja.“ Kagura drehte sich um. Sie wäre lieber in der Stadt geblieben, unter Menschen. In diesem Schloss hätte Naraku sie und alle anderen dauernd im Blick – aber sie vermutete, dass eben dies mit ein Grund für den Umzug war. Sie sollte noch ein letztes Mal mit Royakan reden, damit der wusste, dass er auf ihre Dienste zukünftig verzichten musste. Schade. Nicht, dass sie die Familie besonders schätzte, aber ein Mitglied davon. Sie hatte Sesshoumaru einmal gesehen – und seither ein Ventil gefunden, in dem ihre Träume, je von Naraku loszukommen, mündeten. Er sah gut aus, unbestreitbar, war elegant, mächtig und reich – was wollte eine Dämonin mehr. Aber ihr war klar, dass sie bereits bei dem Treffen mit Royakan mit ihrem Leben spielte, wie viel mehr, würde sie sich mit dem Sohn des Taishou verabreden. Naraku war gefährlich und gnadenlos.
 

Inu Yasha ließ Tessaiga sinken, etwas müde. Aber das anstrengende Schwertraining war direkt erholsam nach dem langen Tag in der Universität und hinter den Büchern. Seit zwei Jahren studierte er nun schon. Das Tourismusgrundstudium hatte er bereits hinter sich und nun war die Fachrichtung Hotelmanagement dran. In zwei Semestern würde er ins Ausland gehen müssen. Keine Aussicht, die ihn sehr freute, obwohl er sich das eigentlich immer gewünscht hatte. Schon so hatte er wenig Zeit für Kagome. Oft genug liefen sie sich nur in der Universität über den Weg oder konnten telefonieren. Sie hatte sich doch für ein Jurastudium entschieden, statt eine Lehre als Bürokauffrau zu machen, als ihr sein Vater ein Stipendium zugesagt hatte. Ihre Mutter und ihr Großvater hätten ihr ein so langes Studium nie ermöglichen können.

Er sah auf. Sesshoumaru schob Toukejin weg. Gut. Dann war das Training für heute beendet. Klar. Heute war Freitag und in der Regel kam Kikyou auf Besuch, samt der kleinen Rin. Inu Yasha begriff noch immer nicht so ganz, warum sich sein normalerweise so sachlicher Halbbruder derart für das Menschenmädchen interessierte, aber die Zuneigung beruhte sichtlich auf Gegenseitigkeit. Für Rin war der Besuch bei Sesshoumaru offenkundig der Höhepunkt der Woche. Kikyou erstattete dem stets Bericht, schließlich zahlte dieser für Rin den Unterhalt, ehe sie zu ihm kam.

Er steckte Tessaiga in seine Scheide, ehe er, wie er hoffte, möglichst unauffällig, sein geprelltes Handgelenk rieb. Nein, wehleidig durfte man bei diesem Lehrer nicht sein.

Prompt meinte sein Halbbruder spöttisch: „Soll ich demnächst mit dir Backe-Kuchen spielen?“

„Blödsinn! Ich weiß, dass ich so mehr lerne.“

„Eben.“ Sesshoumaru drehte sich bereits um, während er sagte: „Wenn ich dich nicht verletze, du lernst die Schmerzen zu ertragen und weiterzukämpfen, würdest du in einem ernsten Kampf unwillkürlich zögern. Und das wäre tödlich.“

„Ja,“ murmelte der Halbdämon, etwas erstaunt. Nun ja, er hatte das Duell gegen Ryuukossei nicht vergessen, aber Naraku hatte seit zwei Jahren nichts von sich hören lassen, blieb sichtlich auf Distanz. Warum tat Sesshoumaru so, als ob ein Krieg direkt bevor stünde? Aber, war sollte es. Er würde jetzt rasch baden und dann auf Kikyou warten, die zu ihm kam, während Rin bei seinem Halbbruder blieb. Da der mit der Kleinen eigentlich nicht redete, wusste der Himmel, was sie daran so begeisterte. Aber es war eine Tatsache. Anscheinend genügte es ihr schon, in seiner Gegenwart zu sein. Und er selbst freute sich auf die Unterhaltung mit seiner ehemaligen Pflegemutter.
 

Naraku lehnte nachdenklich an der Wand. Warum nur hatte er es zuvor nicht gesehen? Nun, er hatte vorgehabt mächtiger, magischer zu werden und hatte dafür lernen wollen. Dazu gehörte wohl auch die Erkenntnis das Naheliegendste übersehen zu haben. Die in dieser Hinsicht fähigsten unter allen Dämonen waren Füchse, Dachse und Hunde. In ihren Adern floss das Blut, das er für seine Weiterentwicklung brauchte. Natürlich wäre es idiotisch die Clanmitglieder für Entführungen von Erwachsenen zu verheizen. Aber da gab es doch sicher, wenn auch wenige, Welpen. Er musste da nur an den Jüngsten des Taishou denken.

Er brauchte Informationen, wo Welpen dieser Arten lebten und wie man an sie herankommen konnte. Dann einmal zuschlagen und ehe der Taishou und die Familie mitbekamen, was passiert war - und vor allem durch wen - hätte er bereits seinen Erfolg gehabt – und selbst der Taishou mit seinem Höllenschwert würde ihm nichts mehr anhaben können. Alles, was er brauchte, waren im Augenblick gute Spione. Das sollte Byakura übernehmen. Danach würde er selbst nachdenken und einen perfekten Plan schmieden.
 

Fast drei Monate später hatte er die Namen und Adressen aller zur Verfügung stehenden Fuchs-, Hunde- Dachs- und Wolfswelpen, samt dem Alter. Hm. Sieh an, Herr Rinichi, der Casinobesitzer, hatte einen Sohn, der eigentlich in der Schule im Norden sein sollte, aber in den Ferien zuhause war. Das wäre mit Sicherheit ein potentieller Anwärter wenn man von der Macht des Vaters auf die des Sohnes schloss. Dieser Shippou gehörte zu den Kandidaten....Er machte einen Haken. Kouga, ein Wolfsdämon, mit der Schule fertig, studierte Medienwissenschaften, Kunststück, leitete sein Vater doch den Fernsehender der Familie. Hm, eigentlich war er schon zu alt, zu erwachsen. Das galt leider auch für den Jüngeren des Taishou. Außerdem war der schwer zu packen. Selbst an der Universität schwirrten möglichst unauffällig immer zwei Dämonen um ihn herum. Papa war nach den Anschlägen Ryuukosseis und vor allem Goshinkis doch vorsichtiger geworden. Selbst Sesshoumaru musste mit Begleitern leben, was den sicher kaum freute. Nun gut, diese Altersklasse schied sowieso aus. Babies auch, da deren Macht noch nicht erwähnenswert war. So die Altersgruppe, die man bei Menschen um die zehn Jahre schätzen würde, war sein Ziel. Er betrachtete immer wieder die Liste, markierte einzelne Namen. Wichtig war der genaue Zeitpunkt des Zugriffs – und die völlige Gleichzeitigkeit.

Er würde noch einmal viel nachdenken.

Nicht zuletzt auch darüber, was mit seiner lieben Assistentin geschehen sollte. Sicher, Kagura tat, was er wollte und dies erfolgreich, aber er war nicht blind. Immer öfter saß sie oben auf den Schlossmauern und horchte dem Wind – eine Winddämonin wollte wohl herumziehen. Aber das allein wäre es nicht gewesen. Sein Plan, die Welpen zu entführen und zu seinem Nutzen zu töten, hatte ihr sichtlich nicht gefallen, auch, wenn sie weder etwas gesagt noch getan hatte, dass er sie hätte bestrafen müssen. Sie entwickelte einen Freiheitsdrang und ein Gewissen – nichts, was er in seiner Umgebung schätzte.

Er lehnte sich zurück. So viele Wege gab es – er musste nur den sichersten suchen. Er unterschätzte den Taishou und seine Sprösslinge sicher nicht mehr, wie es gewisse Drachen getan hatten, also musste Schnelligkeit der entscheidende Punkt sein. Sein Schloss müsste auch hinter einem dichten Bannkreis verborgen werden, sobald die Kleinen hier waren...
 

Inu Yasha sah sich suchend in der Mensa um. Leider war Kagome nicht hier, nun, sie hatte mal wieder irgend so einen Nachhilfeunterricht, den alle Jurastudenten erhielten. Zuerst hatte er ja gedacht, sie sei so schlecht, aber ihr Wutausbruch hatte ihn eines Besseren belehrt. Immerhin war die Versöhnung recht...prickelnd gewesen. Er hatte sie lange und ausgiebig küssen dürfen.

Er entdeckte ein junges Mädchen, das allein an einem Tisch saß – ungewöhnlich in der vollen Mensa. Aber, was ihn wirklich irritierte, war die Tatsache, dass er in ihr eine Halbdämonin erkannte. Sie hatte weiße Haare mit einem seltsamen roten Schimmer darin. War sie darum allein? Er ging mit seinem Tablett zu ihr: „Hallo, kann ich mich zu dir setzen?“

Sie sah nicht auf: „Ja.“

Irrte er sich oder weinte sie? Er nahm Platz: „Alles in Ordnung?“

Sie schien erstaunt, ehe sie ihn anblickte, fast zusammenzuckte: „Was...du bist doch ein Dämon?“

„Ein halber, sozusagen. - Du doch auch, oder? Ich heiße Inu Yasha.“

„Shiori.“

„Kann ich dir helfen?“ bot der jüngere Sohn des Taishou an, etwas überrascht, dass sie mit seinem Namen nichts anfangen konnte. Es gab ja nicht gerade viele Halbdämonen und sein Name war zumindest in der Familie wohlbekannt – nun ja, vermutlich auch im Clan, aber den Gedanken verdrängte er lieber wieder. Immerhin hatte er Ryuukossei umgebracht.

Sie schüttelte den Kopf: „Da kann mir niemand helfen. Ich muss mit dem Studium aufhören.“

„Wegen Geld? Da gibt es Stipendien.....gehören deine Eltern zur Familie oder dem Clan?“

„Weder, noch. Meine Mutter ist ein Mensch, weißt du. - Meine Großeltern verbieten es mir. Ich muss nach Hause. Heute Abend schon soll ich da sein, wenn sie aufwachen.“

Eigenartig, wunderte sich Inu Yasha, gleich aus zwei Gründen. Jeder Dämon gehörte zu einer der beiden Organisationen, dass wusste er. Und zum zweiten: „Wieso abends?“

„Oh, sie sind Fledermausdämonen, wie auch mein Vater....“ Shiori wollte bereits wieder weinen, nahm sich aber zusammen.

„Was ist mit deinem Vater?“ erkundigte er sich prompt, da er ihre Tränen wittern konnte – und er hatte es schon immer gehasst, wenn Mädchen weinten.

„Sie..sie sind ziemlich wütend auf ihn, weil er mit einer Menschenfrau ein Kind hat. Wenn ich nicht zurückkomme, und die Wache für die Fledermausdämonen übernehme, wollen sie ihn....“ Sie brach ab. Sie hatte diesem netten Fremden schon mehr erzählt als gut war. Aber er war doch auch ein Halbdämon, der Einzige, den sie je getroffen hatte.

Inu Yasha rang nach Atem: „Nur, weil er sich in eine menschliche Frau verliebte...?“ Hatte Vater auch Probleme bekommen? Nun, eher weniger. Das Familienoberhaupt deswegen anzusprechen wäre kaum schlau gewesen. Andererseits hatte ihm Myouga ja erzählt, dass Vater die Beziehung wohlweislich mehr geheim gehalten hatte, wenn auch mit Mutters Einverständnis. „Aber, wieso die Wache...?“

„Ich muss gehen, sonst schaffe ich es nicht nach Hause.“

„Wohin musst du denn? Kann ich dich da mal besuchen? So viele wie uns gibt es nicht...“

Sie nannte das Dorf und verschwand in der Menge.

Inu Yasha ließ trotz seines Hungers sein Essen stehen. Die Vorlesung heute Nachmittag musste ausfallen, beschloss er. Shiori war die einzige seiner Art, die er je kennengelernt hatte – und sie steckte in Schwierigkeiten. Das verdiente eine Überprüfung. Und wozu war er der Sohn des Taishou? Er drehte sich um und ging. Seine Leibwächter, die es sich draußen gemütlich gemacht hatten, in der Überzeugung eine halbe Stunde frei zu haben, sprangen eilig auf, als er herankam: „Ich will sofort zu otou-sama. Und wirklich sofort. Fahrt mich hin, wo auch immer er gerade ist.“

„Ja, Inu Yasha-sama.“ Was war denn da passiert? Aber einer der Dämonen griff schon zum Handy, fragte nach: „Sie haben Glück, er ist zu Hause in seinem Arbeitszimmer,“ sagte er dann.

„Ist Myouga noch dran?“

„Moment, ich wähle noch einmal. - Hier, Inu Yasha-sama will Sie sprechen.“

„Ja?“ wunderte sich der alte Flohgeist.

„He, Myouga-jiji: Grab doch mal alles aus, was du über die Fledermausdämonen weißt, die bei einem Menschendorf leben“ Er nannte den Namen: „Vor allem, ob sie zur Familie oder dem Clan gehören, wer die beiden Anführer sind – und wieso die eine Wache brauchen.“

„Sehr eigenartige Fragen.“

„Sehr, finde ich auch. Ich komme zu euch rausgefahren. Und dann brauche ich die Antworten, denn ich will meinem Vater Bericht erstatten.“

Was blieb Myouga schon anderes übrig, als zu sagen: „Ja, Inu Yasha-sama.“ Der konnte inzwischen genauso dominant sein wie sein Halbbruder.

„Fahren wir.“ Hoffentlich gehörten diese Fledermäuse zur Familie, dann konnte er ihnen die Leviten lesen – oder noch besser, Vater würde das übernehmen. Gehörten sie zum Clan war die Sache deutlich schwieriger. Shiori hatte zwar gemeint, sie gehörten zu keinem, aber das war schlicht unmöglich.
 

Myouga wartete vor dem Büro des Taishou: „Ich habe dem Herrn bereits mitgeteilt, dass Sie ihn sprechen wollen. - Der Stamm der Fledermausdämonen, nach dem Sie sich erkundigten, gehört zur Familie.“

Inu Yasha atmete auf: „Klasse. Und was soll das mit der Wache?“

„Das weiß ich nicht genau. Aber soweit ich mich entsinne, verfügen sie über einen roten Stein, der einen fast undurchdringlichen Bannkreis erschaffen kann. Allerdings wird das Talent dazu vererbt – und nicht in jeder Generation gibt es jemanden. Der jetzige Erbe soll das vermögen.“

„Und seine Tochter,“ stellte der Halbdämon fest: „Darum wollen sie nicht, dass sie studiert, sondern zu ihnen kommt. Komm schon, melde mich an.“

Myouga gehorchte: „Herr...Inu Yasha-sama ist hier.“

„Ich lasse ihn bitten.“ Der Taishou war überrascht gewesen, dass sein Jüngster aus der Universität förmlich geflohen war, aber es schien etwas passiert zu sein. Und er hatte durchaus nicht vergessen, dass Naraku ein sehr raffinierter Mann war. „Nun, was ist geschehen, mein Junge?“

„Guten Tag, otou-sama,“ blieb Inu Yasha antrainiert höflich, ehe er sich setzte und Bericht erstattete: „Diese Dämonen gehören zur Familie, sagte Myouga.“

„In der Tat. Sie erpressen also ein Mädchen mit dem Leben ihres Vaters?“

„Das klang für mich ganz danach. Und, sagen wir es so: Shiori deutete an, dass ihr Vater massive Probleme mit seinen Eltern bekam, weil er mit einer Menschenfrau zusammen ist.“

„Myouga.“

„Herr?“ Der Flohgeist sprang schon herein.

„Sage Sesshoumaru, er möge sich kampfbereit machen. Wir haben heute Abend ein Treffen.“

„Ja.“

„Darf ich nicht mit, otou-sama?“ erkundigte sich Inu Yasha etwas enttäuscht.

„Du sollst sogar. Shiori dürfte dir mehr vertrauen als mir. - Zieh dein Feuerrattengewand an und hole Tessaiga. Auch wir drei werden heute Abend am Meer sein.“

„Ja. - Soll ich noch jemandem Bescheid geben?“

„Nein. Falls du dich irrst, sollten wir nicht mehr Aufsehen als nötig erregen. Darum gehen wir auch nur zu dritt – und ganz altmodisch in unserer wahren Form.“

Er starrte seinen Vater an: „Otou-sama...“ sagt er dann ungewohnt schüchtern: „Ich kann mich nicht verwandeln.....“

„Ich weiß. Aber du erhältst das einmalige Privileg auf mir reiten zu dürfen.“ Sesshoumaru würde vermutlich an Vatermord nicht nur denken, wenn er dem das anbefehlen würde.

Inu Yasha suchte nach Worten: „Äh...danke....“ war dann alles, was er hervorbrachte.
 

So standen Vater und Söhne bei Einbruch der Dämmerung auf einer hohen Klippe am Meer und betrachteten die Szenerie unter sich. Linker Hand lag ein Menschendorf, dessen Bewohner halb verängstigt, halb vorwurfsvoll eine junge Frau und ihre Tochter ansahen, die langsam vorangingen, Hand in Hand.

„Shiori?“ erkundigte sich der Taishou leise.

Inu Yasha nickte. Sie schien schon wieder zu weinen, aber das war wohl kein Wunder, wenn man nach rechts blickte. Dort stand ein ganzer Trupp Fledermausdämonen in ihrer Menschenform, die einen jungen Mann ihrer Art bewachten, der an einen Pfahl gebunden worden war. Und, wenn der Halbdämon das richtig einschätzte, war das Shioris Vater – und die zwei Alten neben ihm seine Eltern. Er sah ihnen wirklich nicht ähnlich. Bei ihm konnte man verstehen, warum sich die Menschenfrau in ihn verliebt hatte. Was seine Erzeuger betraf, so konnte man wohl eher davon ausgehen, dass Fledermausdämonen ihre Häuptlinge nach Hässlichkeit auswählten.

Der weibliche Anführer trat etwas vor, als die Menschenfrau und ihre Tochter vor ihnen standen, beide den Gefangenen ansehend: „Wie überaus schön, dass ihr unserer netten Bitte folgtet. Nun gut, Shiori, wie wir wissen, kannst du unseren Bann beherrschen, erstaunlich genug für einen Mischling. Und du wirst uns doch helfen?“

Das Mädchen nickte, mit ängstlichem Blick auf die Fledermäuse, aber auch ihre Eltern: „Dann lasst ihr jetzt Papa gehen...?“

„Ach, Kleine...er ist unser Sohn, weißt du, und wir schätzen das durchaus. Aber, wenn du unseren Bann hütest, brauchen wir ihn nicht mehr. Deine Mutter übrigens auch nicht. - Tötet sie und nehmt die Kleine mit.“

Im nächsten Moment sprang sie mit einem schrillen Aufschrei zurück. Kurz hinter der Menschenfrau und deren Bastard war etwas durchgefegt, das den Sandstrand metertief aufgewühlt hatte, als sei ein Riese mit Krallen durchgepflügt. Und wer war der Junge in der roten Kleidung, der gerade aufgetaucht war, eine riesige Klinge fast nachlässig über der Schulter?

„Niemand wird hier getötet, alte Hexe. - Hallo, Shiori!“

„Inu Yasha!“ war alles, was die Halbdämonin hervorbrachte. Es war ja nett, dass er sie beschützen wollte, aber er würde doch nie allein gegen all die Fledermausdämonen ankommen. Und schon gar nicht gegen ihre Großeltern.

„Du kennst ihn?“ fragte ihre Mutter mehr als erstaunt.

„Geht mal hinter mich!“ befahl der Neuankömmling: „Und der Erste, der ihren Vater anfasst, kriegt mehr Ärger, als er verkraften kann. - Oh...otou-sama....“ Oh oh...Er hatte impulsiv reagiert und seinem Vater vorgegriffen. Da würde er selbst noch massiven Ärger bekommen, das verrieten ihm die Blicke von diesem und seinem Halbbruder, der sich höflich einen Schritt hinter dem Herrn der Hunde hielt, als sie im Sand aufsetzten.

„Ich muss meinem Sohn Recht geben: niemand wird hier getötet. Es sei denn auf meinen Befehl.“ Die Stimme des Taishou klang eisig.

„Oyakata-sama! Welche Überraschung!“ Shioris Großvater fing sich als erster.

„Das kann ich mir vorstellen. Habt ihr geglaubt, ich bekomme das nicht mit?“

„Äh, das ist eine interne Angelegenheit unter uns Fledermausdämonen, nichts, was etwas mit der Familie zu tun hat.“

„Muss ich mich wiederholen?“

„Unser Sohn hat sich skandalöserweise mit einer Sterblichen eingelassen, oyakata-sama, noch dazu mit Folgen. Das gehört bestraft. Mit dem Tod. Eine solche Schande....“ Der Alte brach lieber ab, als er endlich erkannte, um was es sich bei dem Jüngsten des Taishou handelte.

Der Herr der Hunde bemerkte mit gewisser Beruhigung, dass Shiori und ihre Mutter hinter Inu Yasha standen, da er sicher war, dieser würde alles tun, um die Zwei zu beschützen. Nun ging es nur noch um ihren Vater, dessen Augen besorgt zu seiner Familie blickten, dann über seinen eigenen, jüngeren Sohn glitten, ehe er mit sichtlicher Überraschung zu ihm selbst sah, als der junge Fledermausdämon verstand, warum sich der Herr der Familie um Halbdämonen und ihre Väter scherte: „Bindet ihn los.“

„Nie!“ keuchte die alte Dämonin: „Er ist mein einziger Sohn, aber eine solche Schande....“ Sie hatte noch nicht bemerkt, dass inzwischen zwei Halbdämonen am Strand standen – und sich ihre Leute samt ihrem eigenen Gefährten langsam rückwärts von ihr absetzten.

„Sesshoumaru.“

Im nächsten Moment stand dieser vor der Fledermausdämonin und hatte sie buchstäblich an der Kehle. Seine Finger leuchteten grün.

Der Taishou war sachlich: „Ich mache dir ein Angebot: das Leben deines Sohnes und das seiner Familie gegen dein eigenes.“

Die Fledermausdämonin spürte einen scharfen,brennenden Schmerz an ihrem Hals. Sie hatte nur die Wahl nachzugeben oder selbst qualvoll und wohl langsam zu sterben – das war kein Angebot, das man ablehnen konnte.
 

**

Der Taishou macht nur Angebote, die man nicht ablehnen kann.

Im nächsten Kapitel zeigt sich, dass niemand gegen Irrtümer und Leichtsinn gefeit ist: Fehler.
 

Frohe Weihnachten euch allen
 

bye

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Fehler

Als die Fledermausdämonen verschwunden waren, entspannte sich Inu Yasha, zumal Shiori nach vorn rannte und ihrem Vater in die Arme fiel.

Dieser umarmte sie kurz, ehe er sich tief verneigte: „Ich danke Ihnen, oyakata-sama, dass Sie Ihren Blick auf unsere bescheidenen Probleme lenkten.“

Seine menschliche Frau trat zu ihm, sichtlich erleichtert, und verbeugte sich ebenfalls, schwieg jedoch. Sie wusste, dass es hochrangige Dämonen trotz der alten Verträge nicht sonderlich schätzten, wenn sich Menschen in ihre internen Angelegenheiten mischten. Der Taishou mochte das etwas anders sehen, immerhin bewies sein zweiter Sohn, dass er zumindest einmal engen Kontakt zu einer Menschenfrau gehabt hatte, aber es war besser vorsichtig zu sein. Die Familie ihres Mannes war nicht gerade vom letzten Haken und hatte die Menschen des Ortes hier oft genug nicht nur erschreckt sondern auch verletzt, früher sogar gejagt, wie die alten Sagen berichteten. Und doch hatte der gesamte Fledermausclan unverzüglich nachgegeben, als der Taishou und seine Söhne aufgetaucht waren – wie mächtig musste er sein?

Ihr Partner fuhr fort: „Bitte, gestatten Sie mir, Ihnen eine Kleinigkeit zu schenken, um unseren unendlichen Dank auszudrücken.“

„Dies kannst du eher Inu Yasha abstatten. Er hörte von Shiori die Andeutungen und überprüfte dies, ehe er zu mir kam.“ Der Taishou blieb sachlich, auch, wenn er vorhatte, seinem Jüngsten noch einmal mehr als deutlich die dämonischen Höflichkeitsregeln einzubläuen.

Der Fledermausdämon verneigte sich erneut vor dem Herrn der Familie, ehe er sich an den Halbdämon wandte: „So erlauben Sie mir ein Geschenk, Inu Yasha-sama....“

„Äh, das ist...“ Er wollte schon sagen, nicht nötig, fing aber gerade noch einen Blick seines Halbbruders auf und ergänzte: „Gern, ja.“ Er war schon einmal hier in ein Fettnäpfchen gehüpft, das musste kein zweites Mal passieren, wenn er die Blicke zuvor auch nur einigermaßen richtig gedeutet hatte.

„Dies hier....“ Der Fledermausdämon zog aus seinem Gewand einen rot leuchtenden Stein: „Ist der Stein der Macht meines Volkes. Mit seiner Hilfe können dazu Geborene, wie ich und auch Shiori, einen starken Bannkreis erschaffen. Wie ich sehe, haben Sie ein Schwert, dessen Magie beachtlich ist. Hier. Zerstören Sie den Stein mit ihm.“ Er legte die strahlende Kugel in den Sand.

Unwillkürlich zog Inu Yasha Tessaiga, warf aber einen etwas fragenden Blick auf seinen Vater.

Der konstatierte daher: „Dir ist klar, dass mit der Zerstörung dein Volk ohne Bann ist.“

Der Hüter des Zaubers nickte: „Ja. Aber die Zeiten haben sich geändert, oyakata-sama, und wir müssen uns mit ihnen ändern. Überdies: er sollte mein Volk vor Feinden schützen – diese gibt es nicht mehr. Die Familie schützt uns. - Und Reika, Shiori und ich müssen sowieso wegziehen. Weder Dämonen noch Menschen werden uns hier je akzeptieren. - Bitte, Inu Yasha-sama, zerstören Sie ihn.“

„Gut.“ Der Halbdämon begriff zwar nicht, worin da ein Geschenk liegen sollte, folgte aber der Anweisung, zumal Shiori die Hände faltete und ihn ansah.

Erst unter dem dritten Schlag zerbarst der Stein und die Wirkung überraschte dann doch alle. Tessaigas breite Klinge begann unverzüglich rot zu leuchten.

„Äh...bleibt das jetzt so?“ erkundigte sich Inu Yasha verdutzt.

„Nein.“ Der Fledermausdämon lächelte zufrieden. „Ich hatte Recht. Ihr Schwert hat die Macht, magische Fähigkeiten zu übernehmen. Es wird in Zukunft immer rot leuchten, wenn ein starker Bannkreis in der Nähe ist – und Sie werden ihn mit Ihrem Schwert zerstören können, wenn er schwächer ist als der, den ich und Shiori aus diesem Stein schaffen konnten.“

Mit gewisser Beruhigung bemerkte der Junge, dass sich Tessaiga zurückfärbte: „Oh, das klingt gut,“ sagte er, bemüht, nicht noch einen Fehler zu begehen: „Danke. - Ich hoffe, ihr könnt zukünftig in einem anderen Dorf oder auch der Stadt in Ruhe leben.“

Da Vater und Halbbruder nur etwas den Kopf neigten, ehe sie wieder auf die Klippen sprangen, schien das richtig gewesen zu sein. So folgte er ihnen eilig. Immerhin würde er erneut einen sagenhaften Ritt auf einem großen, weißen, dämonischen Hund bekommen – und danach wohl mindestens eine ebenso gewaltige Gardinenpredigt.
 

Inu Yasha hatte das Gefühl noch nie in seinem Leben so erschöpft gewesen zu sein, wenn man von der Nacht mit Sesshoumaru auf der Bombe und dem Duell mit Ryuukossei absah.

Vater hatte ihn zum Training verdonnert – und das die gesamte Nacht hindurch. Zuerst mit Tessaiga gegen Sesshoumaru, was ja nun wirklich schlimm genug war. Und als der endlich aufhörte und der junge Halbdämon hoffte, seine Müdigkeit und Prellungen durch einen kurzen Schlaf auskurieren zu können, war der Taishou ihm gegenüber getreten:

„Da du angenommen hast mir vorgreifen zu können, also, ranghöher zu sein, wollen wir doch mal sehen, was du bei deinem Bruder gelernt hast.“

„Das...das habe ich nicht...angenommen...“ hatte Inu Yasha hastig beteuert. War das etwa der eigentliche Grund für das Straftraining? Würde Vater, wenn er selbst derart voreilig reagierte, vor den anderen Dämonen das Gesicht verlieren? Etwas, das sich der Herr der Familie sicher nicht leisten konnte? „Ich bin nur manchmal eben impulsiv, wissen Sie?“

Statt einer Antwort war der Herr der Hunde auf ihn zugeschossen und er hatte gerade genug damit zu tun gehabt, sich im direkten Nahkampf auch nur einigermaßen zu schützen.
 

Jetzt lag er auf seinem Lager und zählte die Minuten, die er noch hatte, ehe die Universität wieder losging. Oh Mann, diese Nacht würde er sicher nicht vergessen. Dämonische Sitten waren wirklich knallhart. Und er neigte eben manchmal doch zu einer eher menschlichen Seite, zur Impulsivität. Diese dauernde Selbstbeherrschung war einfach nicht so sein Ding. Oh nein, jetzt musste er schon raus....

Mühsam raffte er sich auf und zog sich Jeans und Hemd über, ehe er hinaus zum Frühstücken ging, nicht überrascht, dass seine dämonischen Leibwächter bereits vor der Tür auf ihn warteten und ihn neugierig betrachteten. Natürlich hatte jeder Dämon auf dem Gelände mitbekommen, dass ihn seine Verwandtschaft heute Nacht ganz schön in die Mangel genommen hatte. Und ebenso natürlich würde keiner nachfragen, warum. Aber das war ein guter Grund, möglichst unauffällig zu tun und ja nichts von den abheilenden Prellungen und der Müdigkeit zu verraten.
 

Kagome freute sich sichtlich, als sie ihn mittags sah: „Oh, Inu Yasha, komm...oder hast du großen Hunger? Ich habe mir belegte Brote geholt...“

„Ja, gern, setzen wir uns da drüben hin.“ Sitzen, nur sitzen. Die Prellungen waren bereits praktisch verheilt, aber die Müdigkeit war doch noch da. Er nahm dankend das Brot und biss hinein.

Sie betrachtete ihn: „Du wirkst irgendwie müde...“

„Ja, war eine kurze Nacht.“ Sie kannte ihn wirklich gut. Nun ja, sie waren doch schon über zwei Jahre jetzt enger befreundet, auch, wenn er nie dazu kam, sie mehr als nur zu küssen. Da blieb sie strikt.

„Nur so oder eine Familienangelegenheit? Dann darfst du darüber natürlich nicht reden.“

„Ja, eine Familienangelegenheit. Aber das ist nicht so schlimm, schlafe ich eben morgen. Ich bin kein Mensch.“ Das fehlte noch, dass sie bei ihrem nächsten Besuch gegenüber Vater etwas davon erwähnte, wie müde er ausgesehen habe oder so. Um abzulenken meinte er: „Kikyou erwähnte neulich, dass du zwei Mal in der Woche jetzt zu ihr gehst.“

„Ihr redet über mich?“ fauchte sie prompt.

Unsicher, warum er jetzt diese Reaktion provoziert hatte, suchte er sich zu verteidigen: „Naja, sie lobte dich sehr. Deine Pfeile seien schon sehr stark. Aber das war auch alles.“

Etwas besänftigt meinte sie: „Das stimmt. Vor allem treffe ich immer besser. Mittlerweile immerhin meist schon die Zielscheibe, wenn auch nicht die Mitte. - Kikyou besucht dich jede Woche. Immer noch.“

„Ja. Oder eher, uns. Sesshoumaru zahlt doch den Unterhalt für Rin und da erstattet sie ihm natürlich jede Woche Bericht. Rin bleibt dann noch bei ihm und sie redet ein bisschen mit mir, ehe sie sie wieder abholt.“

„Ach so, ja, dein Bruder und Rin, daran hatte ich gar nicht gedacht. Die Kleine ist meist nicht da, wenn ich zu Kikyou komme. Entweder ist sie noch in der Schule oder schon im Bett. Sie geht jetzt ja bald schon auf die High School.“ Sie war beruhigt. Irgendwie war sie eifersüchtig auf Kikyou, obwohl das Unsinn war. Inu Yasha war mit ihr zusammen, nicht mit der doch viel Älteren, nun ja, es waren fünf oder acht Jahre, aber doch. Das war wohl eher wirklich die Pflegemutter, wie sie es nun für Rin spielte.

„Ja. Kikyou meinte, dass Sesshoumaru sie auf eine Privatschule schicken will. Naja, wenn er es bezahlt...“

„Dann ist das kein Problem. Obwohl, so schlecht war die Fudo High auch nicht. Wir sind beide da gut durchgekommen. Und eigentlich studieren alle aus unserer ehemaligen Klasse.“

„Ja. - Du, Kagome, ich weiß, dass wir uns öfter sehen sollten...Wie wäre es, wenn du einmal das Bogentraining ausfallen lässt und wir stattdessen gemeinsam etwas machen? Ich müsste dann nur zusehen, dass ich mir den Tag auch freihalte. Ich muss ja in einem halben Jahr ins Ausland, da sehen wir uns gar nicht mehr.“

„Es gibt ja Internet,“ tröstete sie: „Ich muss mit Kikyou darüber reden, immerhin nimmt sie sich ja die Zeit für mich und verlangt nicht einmal Geld dafür. Aber sie wird das bestimmt verstehen. Ja, ich würde gern länger mit dir wieder zusammen sein.“

Er nahm ihre Hand: „Was meinst du, lassen wir die Uni heute sein und machen jetzt was?“

„Jetzt, gleich?“ Sie überschlug hastig ihre Vorlesungen: „Ich fürchte, das geht nicht. Ich habe jetzt dann Repetitorium. Und du musst daran denken, dass mir dein Vater das Stipendium gegeben hat, obwohl ich kein Dämon bin. Da kann ich mich nicht blamieren und schlechte Leistungen abliefern.“

„Als ob ich das könnte! Glaub mir, sein Sohn zu sein hat auch schwere Haken.“

„Aber du bist doch froh, dass du eine Familie hast?“ fragte sie plötzlich besorgt.

„Ja.“ Auch, wenn besagte Familie ihn letzte Nacht an die Grenzen getrieben hatte. Das war ihre Art, Dämonenart, der Erziehung und eigentlich hätte es ihn schon interessiert, wie es Sesshoumaru ergangen war – oder auch noch erging - falls er einen Fehler machte. Aber der Herr Halbbruder würde keinen mehr machen. Hm. Das könnte er glatt Myouga fragen, natürlich nur, wie insgesamt die dämonische Erziehung ablief, wenn die Kinder noch Welpen waren oder so. Über Vater und Sesshoumaru würde der Flohgeist eisern schweigen.

„Oh, mir fällt gerade etwas ein. Halt dich fest!“

„An dir?“ fragte er prompt.

Sie lachte: „Wenn du es gern tust?“

„Ziemlich.“ Er nahm sie in die Arme: „Und?“

„Sango hat mir geschrieben. Weißt du, mit wem sie jetzt zusammen ist, so zusammen, dass er mit den Jägern durch die Lande zieht?“

„Nein. Kouga?“

„Nein. Miroku!“

„Nicht möglich. Hat er sie doch herum bekommen? Immerhin zwei Jahre hat das gedauert, - Hm. Du riechst so gut....“

„Inu Yasha, wir sitzen hier im Hof der Universität....“

„Ja.“ Mit gewissem Seufzen küsste er sie rasch, ehe er sie freigab: „Ich vermisse dich wirklich.“

„Ich dich ja auch. Ich rede mit Kikyou und rufe dich heute Abend an, ja?“

„Gut.“
 

Byakura kam zu Naraku in dessen Arbeitszimmer. Der Herr des Clans musterte ihn: „Nun, was war so wichtig, dass du mich sofort sehen willst?“

„Ich habe noch ein Kind gefunden, das verborgen gehalten wird.“

„Dann berichte.“ Naraku verschränkte die Finger: „Denn ich will heute Nacht zuschlagen.“

„Dessen bin ich mir bewusst. - Ein Mädchen, das bei der Priesterin lebt, die den jüngeren Sohn des Taishou aufzog. Sie heißt Rin, ist wohl um die zwölf Jahre alt. Und wissen Sie, wer der Priesterin den Unterhalt bezahlt? Sesshoumaru.“

„Dann handelt es sich um seine Tochter.“

„Davon ist auszugehen. Und diese Priesterin hat ja bereits einen Halbdämon für die Familie aufgezogen.“

„Leibwächter?“

„Nein. Das wird wohl bei der Geheimhaltung nicht für nötig gehalten. Es war reiner Zufall, dass einer meiner Männer ein Gespräch zwischen Inu Yasha und seiner Menschenfreundin teilweise belauschen konnte, ehe dessen Wachen aufmerksam wurden und er sich zurückziehen musste. Ich habe seinen Bericht umgehend geprüft und ergänzt.“

„Gut, Byakura. Du warst nützlich. Ich werde darüber nachdenken.“ Eine unerwartete Gelegenheit. Aber er sah keinen Grund, an der Nachricht zu zweifeln. Falls Sesshoumaru einen Platz für seine Tochter gesucht hatte – was wäre naheliegender, als jemand, dessen Verschwiegenheit und Fähigkeit bereits festgestellt worden waren. Und eine Halbdämonin mit Hundeblut mochte noch immer in der Lage sein, ihn zu verstärken. Gut. Dieses Mädchen war fällig.

Das galt auch für seine Assistentin. Kagura würde noch heute Nacht sterben – ohne es mitzubekommen, ehe es zu spät war. Körpereigenes Gift war schon eine feine Sache. Und da sie eine Winddämonin war, würde nicht einmal ihr Körper als Beweis zurückbleiben. Er sollte sie vielleicht zu sich zum Abendessen einladen, ja...Natürlich erst, nachdem sie seine Aufgaben erledigt hatte und die Clanmitglieder zu den Überfällen eingeteilt hatte. Byakura sollte sie dann wegschicken. Genaueres brauchte Kagura nicht mehr zu wissen.
 

Der Inu no Taishou, wie meist im modernen Anzug, betrachtete seine vormittägliche Besucherin im Kimono mit gewissem Wohlwollen. Es wäre nicht notwendig gewesen, dass sie sich selbst herbemüht hätte, um diese Formalitäten ihrer Verwaltung zu klären. Trotz allen Einwänden, die seine Ex-Ehefrau gegen die Verhandlungen mit Menschen und die Verträge gehabt hatte, die auch zu ihrer Trennung geführt hatten, hatte er ihr die eigentliche Verwaltung seines Fürstentums überlassen. Zu sicher war er, dass sie, gleich wie sie zu ihm selbst stand, die Interessen Sesshoumarus bewahren würde. Und dieser war nun einmal der Erbe der westlichen Länder. Dennoch hatte sie es in der Vergangenheit vorgezogen, für derartige Besprechungen ihren Verwalter zu schicken. Aber schon bei der Einweihungsfeier vor zwei Jahren hatte er das untrügliche Gefühl gehabt, dass sie sich ihm wieder annähern wollte, sie hatten auch immer wieder miteinander telefoniert. Nun, an ihm sollte es nicht liegen, schon um Sesshoumarus Willen nicht.

„Gibt es noch etwas zu besprechen?“ erkundigte er sich.

„Nun, ich war ein wenig überrascht, als mir gewisse Gerüchte zu Ohren kamen,unser Sohn würde Unterhalt bezahlen.“

Oh, dachte der Taishou. Natürlich. Das war also der Grund, warum sie persönlich herkam: „Aber vermutlich kein Wort über die Mutter oder eine bevorstehende Heirat.“

Sie neigte etwas den Kopf.

„Das wirst du auch nicht. Es handelt sich um ein Menschenmädchen. Sagen wir, er zeigt Interesse an ihrer Ausbildung. Das ist alles.“

„So ist er weich geworden.“

„Weniger. Aber womöglich hat jeder einen Schwachpunkt.“

„Sogar du, mein Taishou?“

„Sogar du, meine Teure.“

„Ich habe zwei,“ gab sie zu. Wozu es leugnen, wusste er es doch. Ihr Sohn – und auch er, wenngleich sie erst in den letzten Jahren erkannt hatte, dass die von ihr betriebene Trennung zu voreilig gewesen war. Er hatte damals zugestimmt – mit dem Satz, dass er niemand sei, der seine Frau gegen ihren Willen halten würde. Da hatte sie das nur für einen weiteren Beweis der Schwäche genommen, jetzt wusste sie, dass es Stärke gewesen war. Er brauchte nur einen Finger heben und jede Dämonin der Familie würde sich ihm an den Hals werfen, sei es, um seine Gefährtin zu werden, sei es auch nur für eine Nacht – und doch hatte er dies nie getan. Soweit sie wusste, war die Einzige, außer ihr, für die er je Interesse gezeigt hatte, diese Izayoi gewesen. Ein Mensch, kein Dämon, und so wagte sie zu hoffen, dass er auf ihre Rückkehr und Einsicht gewartet hatte. Zuzutrauen war die Geduld eines Jägers ihm.

Er war erneut etwas überrascht, dass sie dies zugab, und sagte langsam: „Sollte ich dieses Geständnis ausnutzen?“

Sie neigte höflich den Kopf, auch allerdings, um zu verbergen, dass ihre Augen vermutlich soeben ihre aufflammende Stimmung verrieten: „Du bist der Herr aller Hunde. Auch der meine.“

Er kannte sie jedoch noch gut genug, um den plötzlich veränderten Ton in ihrer Stimme deuten zu können.

Zur Hölle mit der Wohlanständigkeit, dachte er, als er spürte, dass der uralte Instinkt in ihm erwachte: zur Hölle mit den Pflichten.

Das konnte warten. Immerhin war sein Arbeitszimmer schalldicht...
 

Kagura schluckte etwas, als der Herr des Clans sie aufforderte, mit ihm zu Abend zu speisen. Das war nicht nur ungewöhnlich, sondern hatte sie noch nie betroffen. In der Regel lud er so nur Mädchen und Frauen ein, die dann die Nacht bei ihm verbrachten – selten, aber es kam vor. Was also wollte er nun vor ihr? Ihr war durchaus nicht entgangen, dass er sie mit gewissem Misstrauen betrachtete. Nicht zu Unrecht. Hätte sie nur eine Möglichkeit gesehen, sich vom Clan und ihm zu trennen, so hätte sie sie genutzt. Aber die Strafen, die auf Abtrünnige warteten, waren mehr als hart und auch die Familie würde sie nicht rund um die Uhr und perfekt schützen können. Niemand vermochte das gegen jemanden, der Zeit und genügend Geld investierte, sein Ziel zu erreichen. Nein. Sie musste bei Naraku bleiben, das war ihr nur zu klar und ihr blieben nur ihre Träume. Aber nun, heute....Wollte er wirklich mehr von ihr als nur ihre Sekretariatspflichten? Oder sollte das sogar eine Art Belobigung für ihre Arbeit sein?

Aber als sie ihm gegenüber saß, war er von fast bezwingender Freundlichkeit. Nichts verriet eine Falle, oder auch nur, dass er weiter zu gehen gedachte als bislang. Und doch wurde sie innerlich immer unruhiger. Sie wusste nicht, woran es liegen konnte. Der ungewohnten Situation? Oder an irgendeiner inneren Stimme, die sie vor einer Falle warnen wollte? Es gab keine offensichtliche. Und während sie höflich auf die leichte Plauderei einging, überkam sie jedoch immer mehr das Gefühl in einer Schlinge zu sitzen. Wie sie Naraku kannte, würde diese Falle tödlich sein oder zumindest schmerzhaft. Warum also unterhielt er sich mit ihr über diese Nichtigkeiten? War es doch nur so, dass er sie in sein Bett bekommen wollte? War das die unangenehme, aber harmlose Erklärung?

Nach drei Stunden entließ er sie jedoch: „Du kannst gehen, Kagura. Ich habe mich über unser gemeinsames Abendessen gefreut.“

„Danke.“ Sie bemühte sich, ihre Erleichterung nicht zu zeigen, war aber sicher, er hatte es bemerkt, denn er lächelte. Sie überlief ein Schauder.

„Teure Kagura, du irrst dich. Wenn ich das von dir wollte, hätte ich es schon längst bekommen. Nein. Du warst mir immer eine treue Assistentin und Gehilfin, das muss ich sagen.“

„Danke.“ Sie verneigte sich noch einmal, ehe sie ging.

Naraku blickte ihr nach, noch immer lächelnd. Sie war eine gute Assistentin gewesen, in der Tat. Zu schade, dass er sie nun vergiften musste. Um seiner eigenen Sicherheit willen. Die Ironie in seinem Satz würde sie wohl erst in einigen Stunden verstehen, wenn sein Gift ihr Herz zerfressen hatte. Das Abendessen war ein tödliches Geschenk gewesen. Es handelte sich um sein körpereigenes Gift und es machte ihm verständlicherweise nichts aus, es zu sich zu nehmen. Menschen wären bereits nach wenigen Bissen qualvoll gestorben, bei einer Dämonin würde es sich um Stunden handeln. Aber sie war jetzt schon tot – sie wusste es nur noch nicht. Dagegen gab es kein Hilfsmittel.
 

Kagura war auf dem Weg in ihr Zimmer, als sie erstarrte und die Hand an ihr Herz legte. Naraku! Er hatte gesagt, sie sei immer eine treue Assistentin gewesen...das war die Vergangenheitsform. Dazu ihr Gefühl, in einer Falle zu sitzen, sein Misstrauen der vergangenen Monate ihr gegenüber, das unmerklich angestiegen war. Ihr war durchaus aufgefallen, dass einige Geschäfte, die sie früher erledigt hatte, nun Byakura übernahm. Nein. Dieses Abendessen war das letzte gewesen, das sie je zu sich nehmen würde, da war sie sicher. Noch spürte sie nichts, aber der Herr des Clans machte keine halben Sachen. Gift ohne Gegengift, das würde es sein. Und dies, bevor er heute Nacht gegen die Welpen der Familie zuschlug. War das seine Furcht? Dass sie diesen, seinen ultimativen, Plan verraten könnte? Der hatte ihr nie gefallen, gab sie zu. Kinder in so etwas mit hineinzuziehen, ja sie langsam umbringen zu wollen, nur um selbst stärker zu werden...

Etwas wie ein trauriges Lächeln huschte um ihren Mund, als sie sich an einen jungen, gut aussehenden Hundedämon erinnerte. Nein. Auch Sesshoumaru würde sie nicht retten können, aber er sollte sie wenigstens im Gedächnis behalten, als jemand, der die Kinder beschützte. Und auch seine eigene kleine Tochter. Sie drehte sich um und ging auf die Schlossmauer.

Die Wachen des Clans, die nur zu gut wussten, dass sie Narakus persönliche Assistentin war, hielten sie nicht auf, als sie eine Feder aus ihrem Haar zog, die sich rasch vergrößerte, und darauf sprang, weg flog. Sie wusste nicht, wie viel Zeit ihr blieb, um die Warnung zu überbringen. Aber, das schwor sie sich, Naraku würde bedauern, dass er sie so verraten hatte.
 

**
 

Das nächste Kapitel bringt denn auch: Schlechte Nachrichten ….für die Familie.
 

Guten Rutsch und ein frohes, gesundes neues Jahr
 

bye
 

hotep

Schlechte Nachrichten

Kagome trank den Tee, den Kikyou ihr hingestellt hatte, ehe sie meinte: „Ich hätte eine Bitte, wenn Sie gestatten.“

„Natürlich.“ Die Priesterin sah auf: „Willst du öfter kommen?“

„Eher im Gegenteil. Das..das hat nichts mit Ihnen zu tun, aber Inu Yasha muss doch dann für ein halbes Jahr ins Ausland...Wenn er weg ist, komme ich dann auch öfter, um das nachzuholen.“

„Ihr mögt euch noch immer sehr gern.“

„Ja.“ Nein, mehr würde sie nicht sagen. Nichts von der Medienhatz, die zuerst auf sie eingesetzt hatte, als „Freundin des Jüngsten des Taishou“, die erst geendet hatte, als sie Kouga davon erzählt hatte, dessen Vater einer der Leiter des Medienimperiums der Familie war, nichts von den fast schon verzweifelten Bemühungen ihrerseits, ihre Beziehung zu ihrem Freund als vollkommen harmlose Studentenfreundschaft darzustellen. Das ging Kikyou nichts an. Und sie war irgendwie froh darum, dass Inu Yasha noch immer nichts davon mitbekommen hatte. Manchmal war er schon ein wenig naiv, aber das machte auch seinen Zauber aus. Trotz allem, was er war und wer seine Familie war – er war noch immer so nett und, ja, harmlos. Und sie hatte ihn schrecklich gern, zu gern, um ihn in Schwierigkeiten zu stürzen. Sicher würde sein Vater ihm eine passende Dämonin als Ehefrau suchen und nur, wenn ihre Beziehung als harmlos galt, würde sie ihn weiterhin sehen dürfen.

„Nicht, dass ich das nicht verstehen würde....“ Kikyou seufzte etwas: „Nun gut. Du hast sowieso schon eine ganze Menge gelernt, gerade, was läuternde Pfeile angeht. Diese einfachen Dämonen könntest du sicher schon vertreiben.“

„Aber die gibt es ja so gut wie gar nicht mehr, oder?“ erkundigte sich Kagome, etwas überrascht über das Lob.

„Nein. Das ist einer der Vorteile, die die Menschen aus den Verträgen ziehen. Die einfachen Dämonen haben sich zurückgezogen, da sie die mächtigeren ihrer Art fürchten. Früher sollen sie viele Dorfbewohner überfallen, ja, gefressen haben.“

„Hu, das klingt gruselig. So gesehen haben die Verträge wirklich etwas Gutes gebracht.“

„Nun, auf alle Fälle Frieden zwischen den Menschen und den hochrangigen Dämonen. - Musst du nicht eigentlich auch einmal ein Praktikum machen?“

„Erst in einem Jahr. Aber da ich das Stipendium der Familie habe, hatte mir der Taishou zugesagt, dass ich zu seinem Anwalt gehen kann. Ich habe mich da auch schon vorgestellt, um während der Semesterferien dort arbeiten zu dürfen. Kanzlei Bokuseno. Er sieht irgendwie lustig aus...“

„Ein Dämon?“

„Ja. Ich war natürlich nicht unhöflich, aber er erinnerte mich sehr an einen Baum.“

„Nun, es gibt auch Baumdämonen, aber ich dachte eigentlich, dass sie lieber in den Wäldern bleiben als hier in der Stadt zu leben. Nun, schön für dich.“

„Rin schläft schon?“

„Sie liest noch ein wenig, ehe sie einschläft. Sie ist da sehr brav.“

„Braver als Inu Yasha?“ Kagome musste etwas lachen.

„In der Tat. Sie ist weniger impulsiv als er. Nun, als er gewesen ist. Manchmal denke ich, dass man bei ihm doch die zwei Jahre jetzt deutlich merkt, die er bei seinem Vater lebt. Dämonische Erziehung ist doch strikter.“

„Er erzählt da nie etwas....“ Aber Kagome konnte ihre Neugier nicht verhehlen.

„Unter Dämonen gilt grundsätzlich eine strenge Rangordnung und der Rangniedere gehorcht einfach. Es wäre für einen Dämon, selbst wie Sesshoumaru, undenkbar, seinen Eltern oder seinem Taishou nicht bedingungslos und prompt zu gehorchen. Ich fürchte, unser junger Freund hat sich zumindest am Anfang da manchmal in die Nesseln gesetzt.“ Und sie gab zu, dass sie zu gern gewusst hätte, wie die Strafen aussahen, die der Taishou verhängte, aber sie fragte nicht. Inu Yasha wäre das sicher peinlich.

Etwas fiel am anderen Ende des Hauses zu Boden und die beiden sahen sich an, als sie ein Frösteln überlief.

„Rin? Rin-chan?“ rief Kikyou: „Alles in Ordnung?“

Keine Antwort.

Kagome stand auf: „Ich...ich glaube, ich spüre Dämonen!“

„Ich auch. Komm.“ Schon im Gehen griff Kikyou nach ihrem Bogen und Pfeilen: „Wenn, dann können das nur Dämonen des Clans sein. Niemand der Familie würde mich oder Rin überfallen. Sie wissen, dass Sesshoumaru-sama....“

Sie erstarrten, als sie das Zimmer des Mädchens betraten. Das Fenster stand offen, das Bett war leer. Das Buch, in dem Rin noch gelesen hatte, lag abseits auf dem Boden. Von draußen klang das Quietschen von Reifen, ein durchstartendes Auto.

„Er bringt mich um.“ Kikyou sagte das als sachliche Tatsachenfeststellung und Kagome brauchte nicht zu fragen, wer:

„Dann sehen wir zu, dass wir die Kleine zurückholen. Der Clan, Naraku, hat seinen Sitz doch in diesem Schloss, das früher dem Nakashima-Clan gehörte. Das Sommerschloss.“

„Wir zwei gegen den Clan? Das ist Unsinn. Versuche, Inu Yasha zu erreichen.“ Vielleicht hatte der eine Idee, wie man das seinem Halbbruder so beibringen konnte, dass der einen wenigstens noch anhörte, Verträge hin oder her. Sie wusste nur zu gut, wie besorgt der Hundedämon um das Mädchen war.

Kagome griff zum Handy: „Er geht nicht ran... Aber ich habe die Nummer von Myouga...“

„Versuche es da.“

Scheinbar endlose Minuten später musste die Studentin zugeben, dass auch dort niemand zu erreichen war: „Da ist dauernd besetzt.“

„Dann wissen sie es schon - oder es noch mehr passiert.“ Kikyou holte tief Atem: „Gut. Dann fahren wir zu dem Clan-Schloss. Womöglich treffen wir dort den Taishou und die anderen. Wir müssen eben vorsichtig sein. Magische Fähigkeiten in allen Ehren - aber nicht gegen eine derartige Übermacht. Ich habe noch einen anderen Bogen, den nimmst du mit. Komm.“
 

Die Dämonenkrieger der Familie wurden auf die seltsame riesige Feder in der Luft aufmerksam – und die Frau mit dem blutigen Kleid darauf. Kagura landete vor dem Bannkreis, der das Schloss umgab und den sie nicht durchdringen konnte, schon gar nicht in ihrem Zustand. Sie war nicht überrascht, dass sie sofort umringt war. Aber sie presste ihre Hand an ihre Brust: „Wichtige Botschaft für Sesshoumaru-sama...“ brachte sie heraus. Naraku, dieser Mistkerl! Er hatte sie vergiftet, wie sie es erwartet hatte. Nicht gerechnet hatte sie damit, dass er sie so elendig umbringen wollte. Sie blutete bereits an verschiedenen Stellen des Körpers und ihr war klar, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte. Einerseits war sie froh darum, würde der Schmerz doch dann aufhören, zum anderen wollte sie noch die Warnung überbringen. Sie erkannte, dass bereits eine Dämonin fortgeeilt war, sicher, um den älteren Sohn des Taishou zu holen. Gut. Dann konnte sie es ihm selbst sagen, musste es nicht den Wachen hier mitteilen. Diese hatten anscheinend bemerkt, dass sie sich kaum mehr bewegen konnte und hatten darauf verzichtet, sie zu ihm bringen zu wollen. Ihre Feder unter ihr schwand und sie kniete im Gras des Vorgartens.

Wo blieb er nur? Viel Zeit hatte sie nicht mehr.

Als sie aufsah, wäre sie fast zusammengezuckt. Ohne, dass sie es bemerkt hatte, war Sesshoumaru vor ihr aufgetaucht, vollkommen lautlos und scheinbar aus dem Nichts. Zu ihrer Überraschung trug er Rüstung und zwei Schwerter. Hatte die Familie etwa schon mitbekommen...? Auf sein Nicken verschwanden die Wachen bis auf einen Krieger.

„Kagura.“

Er wusste tatsächlich ihren Namen? Irgendwie freute sie das: „Naraku...er schlägt heute Nacht zu...gegen die Welpen der Familie...“ Den genauen Zeitpunkt hatte er ihr wohlweislich verschwiegen.

Der junge Hundedämon betrachtete sie, ehe er den Kopf drehte: „Informiere unverzüglich meinen Taishou und Vater und meinen Halbbruder.“ Der Krieger gehorchte eilig, während Sesshoumaru sich ihr wieder zuwandte und die Hand an Tenseiga legte. Aber das heilende Schwert vibrierte nicht unter seinen Fingern, sicheres Zeichen, dass es für sie keine Heilung gab. Nicht einmal ein Wunder konnte ihr helfen:„Naraku.“

„Ja....er...er wollte nicht, dass ich euch warne.“ Sie presste die Hand immer fester an ihre Brust: „Er tötet stets sicher. Das Gift ist nicht heilbar.“ Sie blickte zu ihm auf. Er war dageblieben, nicht gegangen....Immerhin musste sie nicht allein sterben. Und nicht irgendwer, nein, ER war hier: „Ich...bin froh darum. Ich bin der Wind...und endlich werde ich frei sein.“

Sie wurde immer schwächer und seine Nase verriet ihm nur zu deutlich, dass das heimtückische Gift sie förmlich zerfraß. Dieser Naraku war fällig – gleich, ob sein Plan gelang oder nicht. Hoffentlich war es noch nicht zu spät und Myouga konnte die Familienmitglieder warnen, dass ein Anschlag auf die Kinder geplant war: „Was will er mit den Welpen?“

„Ihr Blut....magische Macht...mächtiger will er werden als...Ihr Vater...“

„Dazu muss er sie töten.“

Kagura nickte matt. Bald war es vorbei. Bald hatte sie es überstanden.Und er blieb noch immerschweigend bei ihr stehen. Ihr fiel noch etwas Wichtiges ein: „Auch Ihre Tochter....“

Sesshoumaru war mehr als irritiert, hatte er doch keine Kinder. Was meinte sie? Oder war ihr Geist schon zu weit weg von der Realität? Es konnte nicht mehr lange dauern.

„Es ist soweit,“ sagte er plötzlich.

„Ja.“ Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht: „Es ist soweit....“

Eine Windböe ließ ihn unwillkürlich die Augen schließen. Als er wieder vor sich zu Boden blickte, war sie verschwunden. Nur die rauschenden Blätter der Bäume zeigten noch, dass die Winddämonin soeben hier gewesen war.

„Sesshoumaru! Nii-san!“ Inu Yasha kam herangelaufen, ebenso wie sein Halbbruder noch bewaffnet, da sie trainiert hatten, und blieb stehen: „Ist sie....weg?“

„Sie ist tot.“

„War das Naraku? - Hat sie leiden müssen?“

„Sie lächelte. - Komm. Wir müssen zu chichi-ue.“

„Myouga versucht schon die Familien zu informieren. Hoffentlich ist noch nichts passiert. Die Kinder! Das ist so gemein. Was will er denn bloß mit denen?“

„Sie töten.“

„Na, dann los!“

Die Halbbrüder gingen nebeneinander in das Schloss zurück, einig in ihrem Zorn und ihren Rachegelüsten.
 

„Herr, sie haben die Welpen vor über einer Stunde geholt! Sie haben gleichzeitig und geschickt zugeschlagen. Sie müssen genau gewusst haben, wo die Kinder und wo die Eltern sich zu diesem Moment aufhalten. Die meisten der Eltern haben bislang nicht einmal etwas bemerkt. Sie sind jetzt natürlich wütend und warten nur auf Ihre Anweisungen. Es sind zwölf Kinder.“ Myouga kam aufgeregt heran: „Aber es scheint eine genaue Auswahl getroffen worden zu sein. Sie sind annähernd alle im gleichen Alter, zumeist Fuchs- und Hundedämonen, zwei Wolfs- und drei Dachskinder. Auch Shippou ist dabei, der Sohn von Herrn Rinishi.“

Inu Yasha kannte den Namen. Das war der Casinoleiter. Dieser Mistkerl von Naraku hatte also tatsächlich die Welpen entführen lassen.

Der Taishou ließ sich gerade seine Rüstung festbinden: „Dann gehen wir drei sofort zu diesem Schloss. Myouga, wer von den Eltern kann, soll dort ebenfalls in Rüstung hinkommen. Wir treffen uns dort. Aber sie sollen unauffällig sein. Naraku hat Geiseln und eine unbekannte Anzahl von Clanmitgliedern. Er darf nicht bemerken, dass wir bereits unterwegs sind, zumal er sich anscheinend bemüht hat, das Fehlen der Welpen erst am Morgen offenbar werden zu lassen. Vielleicht gelingt es uns die Entführer abzufangen, ehe sie im Schloss und in Gesellschaft der anderen sind.“ Während der Flohgeist bereits wieder davoneilte, sah er zu seinem Ältesten: „Für magische Fähigkeiten, sagte Kagura? Da gibt es nur wenige Möglichkeiten, eine widerlicher als die andere, die ich kenne. Und auf alle Fälle sind die Kleinen in akuter Lebensgefahr. Keine Methode der Verstärkung auf diesem Weg, von der ich je hörte, kommt ohne den Tod der Opfer aus.“

„Warum macht der Idiot das nur,“ murrte Inu Yasha: „Er ist doch immerhin der Herr des Spinnenclans geworden, ohne gleich andere umzulegen, dazu noch Kinder!“ Das war der Punkt, der ihn am meisten erboste. Hätten sie sich doch noch mal an ihm versuchen sollen! Da hätten sie sich die Zähne ausgebissen. Er war nicht mehr so ahnungs- , ja, harmlos wie vor zwei Jahren. Überdies hatten sowohl nii-san als auch er jetzt immer Leibwächter dabei. Nun, genau darum waren sie wohl diesmal nicht das Ziel gewesen. Außerdem könnte dieser Mistkerl sich auch daran erinnern, wie Ryuukosseis Versuch in dieser Richtung ausgegangen war.

„Das wissen wir nicht,“ erklärte sein Vater sachlich: „Er ist ein Halbdämon und stieg doch rasch auf – und ehe du etwas sagst: du hast Tessaiga und bist mein Sohn. Myouga konnte nie etwas darüber herausfinden, wer oder was Naraku war, ehe er zu Ryuukossei kam. - Er hat zwei Jahre benötigt diesen Plan zu schmieden und uns in Sicherheit zu wiegen. Was nur bedeuten kann, dass er perfekt geplant hat. - Royakan, schicke mir noch erfahrene vierzig Krieger hinterher. Die anderen Familienmitglieder bleiben an ihren Posten. Es ist nicht gesagt, dass das nicht nur ein Ablenkungsmanöver ist und der eigentliche Schlag gegen alle unsere Firmen und Positionen erfolgen soll.“

Der Wolfsdämon nickte nur und verschwand.

Der Taishou prüfte kurz den Sitz der Scheide auf seinem Rücken, die das Höllenschwert verbarg. Er nahm es nur ungern mit, aber es mochte notwendig werden. Und nur bitterste Notwendigkeit würde ihn veranlassen, erneut den Höllendrachen zu beschwören, der dunklen Seele der Klinge weitere Opfer zu geben. Mit jedem Mord, jedem Toten, wuchs das Begehren darin nach Blutvergießen und er wusste nicht, wie lange er sie noch kontrollieren konnte. Würde er jetzt unter den Clanmitgliedern ein Blutbad anrichten – wer garantierte ihm, dass nicht anschließend er nur mehr die willenlose Marionette dieses Schwertes war, das wahllos alles töten wollte, Menschen und Dämonen. Je länger er es trug, um so vorsichtiger musste er sein. Hoffentlich würde das auch Sesshoumaru eines Tages einsehen. Immerhin erforderte es jetzt schon einen starken Willen und gewisse Meditationsübungen, um es noch zu beherrschen.

„Dann gehen wir. Inu Yasha – du setzt dich wieder auf mich.“

„Äh, ja. .Danke, otou-sama...“ Warum nicht mit dem Auto fahren? Aber fragen wollte er auch nicht. Auf dem Nacken des mächtigen Inu no Taishou zu reiten war ein unschätzbares Privileg, das außer ihm sicher noch niemand genossen hatte, nicht einmal sein Halbbruder. Aber der besaß ja auch diese andere Form und konnte sich verwandeln. Er eben nicht.
 

Fast zwei Stunden später standen der Taishou und seine Söhne in dem Wald vor dem Schloss, das den momentanen Hauptsitz des Clans bildete. Inu Yasha bemerkte, wie sich die Mienen seiner Verwandtschaft etwas verdunkelten.

„Was ist?“ flüsterte er daher unwillkürlich.

„Sieh hin!“ knurrte Sesshoumaru.

Der Halbdämon gehorchte, konnte aber außer dem Schloss, das friedlich im Sternenlicht lag nichts erkennen. Nicht einmal Wachen waren zu sehen. Alles schien zu schlafen – Blödsinn. In einem Dämonenschloss wurde so gut wie nie geschlafen. Was also meinte sein Halbbruder? Tessaiga an seiner Hüfte vibrierte. Wollte es ihn auf eine Gefahr aufmerksam machen? Unwillkürlich fasste er hin und bemerkte dabei, dass die Klinge rot geworden war. „Ein Bannkreis?“ erkundigte er sich.

„In der Tat.“ Der Herr der Hunde klang nicht erfreut: „Und was für einer. Naraku scheint entweder sehr fähige Mitarbeiter zu haben oder selbst so etwas herstellen zu können. Da durchzukommen wird schwer. Zumal sie dann wissen, dass wir hier sind. Und sie haben die Welpen.“

Eingedenk seines letzten Straftrainings bemühte sich der junge Halbdämon um Höflichkeit: „Ich habe das rote Tessaiga, otou-sama. Wenn wir dann schnell genug sind...“

Sein Vater beschloss, ihm etwas Nachhilfe in Strategie zu geben: „Wir müssen warten, bis die anderen hier sind. Zu dritt würden wir niemals in der Lage sein, gegen die Clanmitglieder und womöglich Naraku selbst standzuhalten und gleichzeitig die Kinder zu suchen und zu beschützen. Die Welpen haben absoluten Vorrang. - Sesshoumaru.“

Dieser verstand die Aufforderung – auch eine kleine Prüfung für ihn selbst: „Naraku hat die Welpen entweder bei sich oder irgendwo im Schloss gut gesichert eingesperrt. Wir müssen sie suchen und dabei riskieren, dass er selbst oder die Wachen sie sofort töten, wenn sie bemerken, dass eine Befreiungsaktion angelaufen ist. Dazu wissen wir nicht, wie fähig Naraku im direkten Kampf ist – und wie viele Clanmitglieder sich momentan hier aufhalten. Nach unseren Informationen hat er möglichst viele hierher gezogen.“

„Na ja...aber, Sie, otou-sama haben doch das Höllenschwert..ich habe Tessaiga und nii-san ist ja auch nicht gerade schwach.....“ wandte Inu Yasha ein: „Überraschungseffekt?“

Der Taishou schüttelte etwas den Kopf: „Nein. Wir können nicht in einem bewohnten Schloss mit Energieangriffen arbeiten. Einmal wegen der Welpen, zum anderen – wer sagt uns, dass alle Clanmitglieder von Narakus Vorgehen angetan sind? Vielleicht wären sie nur zu froh ihn los zu sein, aber niemand wagt es. Erinnere dich an Ryuukosssei.“ Er drehte sich um und prüfte die Witterung: „Da kommen einige von unseren Leuten. Wenn alle hier sind, werde ich die Befehle geben.“ Er warf einen Blick auf seinen Jüngsten, der das verstand.

„Ja, otou-sama,“ sagte er nur. Doch, Vater konnte sich auf ihn verlassen. Er würde sich brav an die Befehle halten, schon um der Kleinen willen. Falls ihm allerdings Naraku über den Weg lief, sollte der in seinem eigenen Interesse mehr zu bieten haben als einen Plan. Ein Sondereinsatzkommando wäre nicht schlecht. Welpen zu entführen, umbringen zu wollen, um selbst stärker zu werden! Ging es noch mieser?

Die Dämonenkrieger und -kriegerinnen kamen heran und verneigten sich höflich, ehe sie schweigend stehen blieben.

Inu Yasha juckte es zwar in den Fingern etwas zu tun, aber im Moment mussten sie wohl noch auf die anderen warten. Und er wollte doch nicht sich und schon gar nicht seinen Vater blamieren. Das würde diesmal sicher nicht bei Prellungen und einer Nacht Straftraining bleiben. So tat er auch so, als ob er es ganz in Ordnung finden würde, so stoisch dazustehen.
 

Eine Viertelstunde später hörten sie ein Auto, das langsam die Straße zum Schloss entlangfuhr, stehen blieb. Auf ein Nicken seines Vaters ging Sesshoumaru nachsehen. Es war zwar – leider - kaum davon auszugehen, dass es sich um Angehörige des Clans mit einem weiteren entführten Kind handelte, aber es war besser nichts zu übersehen. Zu seiner großen Überraschung erkannte er Kikyou und Kagome, die ausstiegen und sich umsahen. In seiner Magengrube sammelte sich plötzlich Kälte. Was hatte Kagura da von seiner Tochter erzählt? Er hatte in diesem Moment geglaubt, sie sei schon zu wenig mehr im Diesseits, aber, falls sie sich geirrt hatte....Er zwang sich, seine aufsteigenden Mordgelüste zu unterdrücken. Die Priesterin versuchte sicher, Rin zurückzuholen, hatte nicht gegen den Clan bestehen können. Naraku war schuld. Und dieser würde auch dafür bezahlen.

Kikyou zuckte zusammen, ehe sie bemerkte, wer lautlos neben ihr aufgetaucht war: „Sesshoumaru-sama!“ Sie verneigte sich eilig und Kagome folgte dem Beispiel.

„Da Sie hier sind – Rin?“ suchte er die Bestätigung.

Er ahnte es und sie lebte noch immer? „Ja. Dämonen des Clans haben sie schnell, effizient und fast lautlos entführt.“

„Kommen Sie.“ Rin? Wie töricht konnte dieser Naraku sein? Sie war kein Hundewelpe, ja, nicht einmal ein Halbdämon. Oder hatte dieser Narr etwa vor, ihn, Sesshoumaru, mit ihr zu erpressen? Aber was sollte dann die Entführung der anderen Welpen? Irgendetwas stimmte doch da nicht. Zum Glück schienen jetzt auch zumindest teilweise die Eltern der entführten Kinder eingetroffen zu sein. Zwar konnte jeder Dämon kämpfen, aber manche eben besser als andere. Überdies lautete Vaters Befehl ja auch, die Positionen der Familie zu sichern. Solange nicht klar war, was Naraku alles so bezweckte, war es sicher besser, vorsichtig zu sein.
 

Der Taishou empfing den Bericht der beiden jungen Damen mit eisiger Miene, ehe er feststellte: „Immerhin ist Naraku nicht unfehlbar.“

„Was meinen Sie?“ erkundigte sich Inu Yasha sofort, ein wenig unangenehm berührt, dass seine beiden Freundinnen hier aufgetaucht waren. Hatten die etwa die wahnsinnige Idee gehabt, sich eigenmächtig mit dem Clan anlegen zu wollen? Bislang hatte er doch das Privileg auf spontane und manchmal nicht so schlaue Einfälle gehabt.

Der Herr der Hunde war sachlich: „Es gibt nur einen Grund, warum sie Rin entführt haben. Naraku wusste nicht, dass sie ein Mensch ist und ihm keinerlei magische Gabe vermitteln kann. Anders sieht es aus, wenn er annahm, sie sei deine Tochter, Sesshoumaru. Eine weitere Halbdämonin, die Kikyou-sama von der Familie erhielt. Da er weder an dich noch Inu Yasha herankam, suchte er diese Möglichkeit. Was natürlich bedeutet, dass Rin in höchster Lebensgefahr schwebt. Er ist sicher nicht der Mann, der Irrtümer nicht unverzüglich bereinigt.“

Sein Ältester fasste unwillkürlich an Tenseiga, als er sich an das warme Lächeln des Mädchens erinnerte, schwieg jedoch, da sein Vater sichtbar nachdachte. Er musste warten, bis der Plan des Heerführers, des Taishou, vorlag.

Auch der junge Halbdämon hielt es für ratsam nichts zu sagen. Später würde er Kagome etwas erzählen, nun, Kikyou auch, hier einfach aufzukreuzen.

Der Taishou sah in die Runde: „Wir müssen uns teilen und getrennt vorgehen, da wir nicht wissen, was uns dort erwartet und wie groß die Anzahl der Gegner ist. - Wer ein Kind zu suchen hat, geht mit Sesshoumaru, zuerst in die Vorhalle, dann in ein mögliches Gefängnis. Kikyou-sama, Sie gehen mit ihnen und versuchen aufgestellte magische Fallen zu beseitigen. Rinishi, Sie können ihr sicher mit Fuchsmagie zur Hand gehen. Wenn Naraku kein Idiot ist, und leider deutet nichts darauf hin, hat er die Welpen eingesperrt und auch magisch abgesichert. Falls sich euch jemand vom Clan in den Weg stellt, schaltet ihn aus, möglichst allerdings ohne ihn zu töten. Wir wissen nicht, wie die Mitglieder zu dem Plan stehen, Kinder umzubringen. Ich vermute, dass sich die Welpen entweder im Gefängnis oder aber im Trakt des Hausherrn befinden. Und womöglich Naraku bei ihnen ist. Sollte letzteres der Fall sein, Sesshoumaru, übernimmst du ihn. Ihr anderen bringt die Welpen hinaus. Die Kinder haben absoluten Vorrang. Wenn das Gefängnis nicht in Betracht kommt, begebt euch sofort in die Räume des Hausherrn. - Ich selbst und die anderen Krieger werden die Sicherung übernehmen, möglichst viele Leute des Clans im Kampf binden und, wenn möglich, gefangen nehmen. Ich vermute allerdings schwer, dass sie sich wehren werden. - Inu Yasha: du zerstörst nachher auf meinen Befehl den Bannkreis und nimmst Kagome mit dir. Am Besten, du trägst sie über die Mauer. Kagome, du hältst dich zurück. Falls du eine Möglichkeit siehst, Naraku mit einem läuternden Pfeil zu treffen und zu schwächen, tu es. Aber dies wird dir nur aus dem Hinterhalt gelingen. Er ist bestimmt kein Narr. Und trotz deiner Fähigkeiten fehlt dir noch die nötige Erfahrung. - Inu Yasha, du gehst direkt in das Erdgeschoss, die Räume des Hausherrn. Entweder du triffst dort Naraku, dann musst du ihn in einem Duell binden, bis dein Bruder oder ich da sind, oder zumindest die Welpen in Sicherheit halten, falls diese sich dort befinden.

Ich bin davon überzeugt, dass er einen Plan B hat. Das wird nicht einfach, aber wir müssen es um der Kinder willen schaffen, sie da alle heil herauszuholen. - Für die Welpen!“

Er wandte sich um: „Inu Yasha – der Bannkreis.“

Die anwesenden Dämonen und Menschen sahen verwundert, wie der Tessaiga zog. Ja, das war ein mächtiges Schwert und der Junge hatte Ryuukossei getötet, aber das hier war eine Magie, gegen die kaum einer ankam. Was sollte das und warum leuchtete das Schwert so rot?

„Schön, Tessaiga“, dachte Inu Yasha nur: „Dann blamieren wir uns nicht. Die Kinder werden nicht soviel Zeit haben....“

Er blieb stehen und versuchte zu erraten, was sein Schwert wollte. Inzwischen wusste er nur zu gut, dass die magische Klinge durchaus eine Art eigenes Bewusstsein hatte. Er konnte jetzt auch ein gewisses zuversichtliches Vibrieren spüren.

„Na, also.“ Er sprang vorwärts und schlug zu. Der Bannkreis öffnete sich unverzüglich einen breiten Spalt und die Angreifer verloren keine Zeit, als sie in den anbefohlenen drei Gruppen durchrannten.
 

**
 

Im nächsten Kapitel „Um der Welpen Willen“, sehen wir, wie es den Kindern ergeht – und der Kampf beginnt

Bye
 

hotep

Um der Welpen willen

Die Kinder der Familie, dreizehn an der Zahl, waren in ein altes Gefängnis gesperrt worden, das unterhalb des eigentlichen Schlosses lag. Es war dort dunkel, kalt und feucht und die Entführten hatten, bis auf zwei, Angst. Ausgerechnet das einzige Menschenmädchen unter ihnen meinte fast gelassen:

„Ich warte. Uns wird nichts passieren, denn Kikyou-sama, Sesshoumau-sama und der Taishou werden kommen und uns retten.“

„Aber wir wurden entführt...“ wandte ein anderes Mädchen ein: „Und was macht dich so sicher, dass sich der Herr der Familie überhaupt für unsere Probleme interessiert?“

„Sesshoumaru-sama ist doch nett.“ Rin sagte es so überzeugt, dass sich die Welpen fragten, ob ihre Eltern da vielleicht übertrieben hatten, als sie ihn für kalt, nun, noch kälter als einen Dämon im Allgemeinen, bezeichnet hatten.

„Ich mach mal Licht. - Fuchsfeuer!“ Ein kleiner Fuchsdämon warf es empor: „Wir sind hier doch einige. Wenn wir immer Licht anhaben, haben wir auch nicht so viel Angst. - Du bist ja ein Mensch!“

„Ja. Ich heiße Rin.“

„Shippou. Mein Vater ist Rinishi-san, der Leiter des Casinos der Familie. Aber...was hast du denn mit der Familie zu schaffen?“

„Sesshoumaru-sama ist so freundlich, meine Ausbildung zu bezahlen und sich um mich zu kümmern.“

Wenn sie gesagt hätte, der Himmel sei rot, hätte das die jungen Dämonen auch nicht mehr verwirrt. „Du bist ganz sicher, Rin?“ erkundigte sich Shippou: „Ich meine, DER Sesshoumaru, der älteste Sohn des mächtigen Taishou?“

„Ja. Er hat mich aus dem Waisenhaus geholt und zu einer Pflegemutter gebracht. Und auch Kikyou-sama wird mich suchen.“

„Oh. Na, dann kommt er. Und sicher auch der Taishou und dieser halbe Dämon, dieser Inu Yasha. Und natürlich auch unsere Eltern. - Kann mal ein anderer Fuchs hier Licht machen?“

Ein Fuchsmädchen gehorchte. Es stimmte ja. Mit etwas Licht und Reden war es nicht mehr ganz so so schrecklich. „Ich bin übrigens Sayo.“

Langsam kamen Gespräche unter den verunsicherten und verängstigten Kindern auf, zumal die Füchse immer abwechselnd Licht erschufen. Sicher, so konnten sie auch das Gitter sehen, hinter dem sie eingesperrt waren und den Gang mit der Treppe dahinter, aber das wirkte alles nicht so unheimlich wie in vollkommener Schwärze. Und einige von ihnen erkannten sogar, dass das Gitter magisch gesichert war. Mit roher Gewalt oder selbst ihrer eigenen Zauberkraft kämen sie hier nicht heraus. Sie mussten auf ihre Eltern warten. Und ja, Rin und Shippou hatten Recht: die würden kommen, und auch der Taishou und seine Söhne.
 

„Ich muss Ihnen leider einen kleinen Fehler gestehen,“ meinte Byakura, ohne verhindern zu können, dass seine Stimmer zitterte. Naraku liebte keine Fehlleistungen und die Konsequenzen kamen hart und schnell.

„Wen konntest du nicht fangen?“

„Oh, selbstverständlich sind alle gefangen.“

„Nun?“ Der Herr des Clans lehnte sich rückwärts an die Wand und zupfte ein wenig an seinem Fellumhang, den er seit kurzem angelegt hatte – aus gutem Grund.

„Dieses Mädchen bei der Priesterin....es ist ein Menschenmädchen, keine Halbdämonin.“

„Sicher? Sesshoumaru zahlt ihren Unterhalt, sagtest du.“

„Ja, aber nichts deutet bei ihr auf einen auch nur halben Dämon hin.“

„Ich werde mir die lieben Kleinen doch mal ansehen.“ Naraku erhob sich: „Im schlimmsten Fall haben wir ein Menschenmädchen zuviel. Ihr Pech.“

Etwas erleichtert schloss sich Byakura ihm an. Noch war er nicht bestraft worden – aber das mochte auch nur ein Aufschub sein.

„Geh doch einmal zu Kagura. Wenn ihr Zimmer leer ist, gib mir Bescheid. Ich bin unten.“

„Ja.“ Byakura eilte, wenngleich verwundert, davon.
 

Die Kinder brachen ihre zögernde Unterhaltung hastig ab, als sie fühlten, dass sich wer näherte. Rin vermochte es zwar nicht, die Energien von Dämonen zu spüren, aber sie bekam mit, dass etwas geschehen würde. Sie tippte Shippou an, aber der schüttelte den Kopf und lauschte.
 

Die Tür oberhalb der Treppe wurde geöffnet. Die sechs Kriegerdämonen, die herunterkamen, hätten die Welpen nicht so erschreckt, wie der Herr des Clans. Sie alle wussten genug von Dämonenenergien, um zu wissen, dass er sehr mächtig war – und sie konnten vermuten, welche Position er hier einnahm.

Er betrachtete die Kinder langsam. In der Tat. Das war nur ein Menschenmädchen. Aber, wenn Sesshoumaru an ihr schon solches Interesse zeigte, womöglich ein besonderes Mädchen? Menschliche Magie einer geborenen Priesterin? Das musste man zur Sicherheit überprüfen, ehe er sie töten ließ. „Fuchs- und Hundewelpen, Dachse und oh, zwei Wölfchen sind auch dabei. Sehr schön - Die beiden Wölfe. Mit denen werde ich anfangen.“ Füchse und Hunde waren am mächtigsten in ihrer Magie, auch die Dachse waren nicht zu verachten und er sollte sich vorsehen. Wölfe zu absorbieren würde zunächst einmal einfacher sein, und ihm zeigen, wie sehr er sich so verstärken konnte. Danach waren die Dachse, dann die Hunde dran, und am Ende die Füchse. Noch ehe der Morgen graute und die Familie mitbekam, dass der halbe Nachwuchs fehlte, wäre dieses Menschenmädchen die einzig Lebendige in diesem Kerker. Er blickte zu den Kriegern: „Dann könnt ihr mich allein lassen. Mit den lieben Kleinen werde ich schon fertig.“

Die Dämonen gehorchten unverzüglich, während sich die entführten Welpen und Rin instinktiv an das andere Ende ihres Gefängnisses zurückzogen. Dieser scheinbar so harmlos aussehende Mann hatte sie entführen lassen – und was immer er nun plante, war mit Sicherheit nichts Gutes. Ihre Eltern waren auch nicht da, ja, konnten wohl noch nicht einmal da sein.

Naraku betrachtete sie mit einem feinen Lächeln. Angst, ja, später dann auch Wut und Hass waren nur gut für ihn. Negative Emotionen würden ihn nur noch stärker machen. „Ah, Byakura. Nun?“

Sein Helfer kam herabgeeilt: „Kaguras Zimmer ist leer. Allerdings liegen noch Kleidung und andere Dinge da. Sie ist entweder Hals über Kopf geflohen...“

„Nun, sagen wir, sie dürfte inzwischen in einer anderen Welt sein. - Geh.“ Also war sie tot. Eine Winddämonin verschwand im Sterben, wurde eins mit dem Wind. Gut. Eine Sorge weniger. Byakura war noch nützlich – und er hatte weit weniger Freiheitsdrang und kein Gewissen.

Aber nun waren erst einmal die beiden Wölfchen hier dran. Er ließ langsam seinen Fellmantel zu Boden gleiten und zeigte den Kindern zum ersten Mal die Tentakeln, die aus seinem Unterleib ragten. Entsetzt betrachteten sie ihn. Solch einen Dämon hatten sie nie zuvor gesehen. Ohne ein Wort zu verlieren ließ er zwei der schlangenartigen Ausläufer auf die beiden Wolfskinder, zwei Jungen, losschiessen, sich um sie wickeln. Sie versuchten aufschreiend und in jäher Panik sich zu befreien, aber ihre Krallenangriffe waren zu schwach. Die anderen flohen in hektischer Angst in eine andere Ecke und konnten nur zusehen, wie die Tentakeln sich immer weiter, immer fester um die beiden wickelten, bis diese weder zu sehen noch zu hören waren.

„Verdammt!“ flüsterte Shippou, ohne allerdings eine Ahnung zu haben, was er tun sollte. Mit Fuchsfeuer war diesem, ja, diesem Monster doch nicht beizukommen? Der war viel zu stark. Aber diese grünen Tentakeln, die jetzt sichtbar pulsierten, anscheinend die beiden Wolfsjungen verschlangen, waren einfach widerlich. „Was....was machen Sie da?“ fragte er dann doch. Das würde auf sie alle warten, es sei denn, die Eltern, der Taishou, oder, wie Rin gemeint hatte, Sesshoumaru-sama kämen. Hoffentlich bald.....Er spürte die Hand des Menschenmädchens in der seinen – ängstlich und doch irgendwie tröstlich. So drückte er sie zurück.

„Ich absorbiere sie,“ erwiderte Naraku fast freundlich. Ja er konnte spüren, wie die dämonische Energie der beiden Kleinen in ihn überging. Das war nicht allzuviel, schließlich waren es noch Kinder, aber die magische Macht der anderen wäre dann auch die Seine. Und dieser kleine Fuchs da sollte der letzte Dämon sein. Ja. Das musste der mächtigste, der fähigste von all seinen netten Appetithäppchen sein. Vermutlich war das der Sohn des Casinoleiters. Bis zum Morgengrauen wäre das alles sein, seine neue Macht, seine Energie. Und damit würde er auch mit dem Taishou mithalten können, Halbdämon und Herr der Hunde hin oder her. Was auch immer das Menschenmädchen wert war, würde sich anschließend zeigen. Im Notfall musste sie eben ohne Grund sterben. Wie, hm, bedauerlich.
 

Er wandte den Kopf, plötzlich alarmiert. Was war denn da los? Nur zu deutlich konnte er spüren, dass sein eigener, mächtiger Bannkreis verletzt, wenn nicht zerstört worden war. Das gab es doch nicht. Nichts und niemand konnte diesen ohne seine Erlaubnis passieren, davon war er bis soeben überzeugt gewesen. Die Familie? Wieso sollten sie so schnell merken, dass die Welpen weg waren? Hatte Byakura einen Fehler begangen? Seine Anweisungen waren doch ebenso klar gewesen wie die Nachforschungen. Noch sollte niemand mitbekommen haben, dass die Kinder fehlten. Und selbst der Inu no Taishou sollte sich an diesem Zauber die Hundezähne ausbeissen. Was also war los?

Er sollte wohl besser vorsichtig sein. Hier unten saß er in der Falle, zumal er die Wolfsjungen gerade eben erst absorbiert hatte. Bis sie vollständig in ihn übergegangen waren, würde es einige Zeit dauern, er langsam, ja, behindert sein. Und von hier gab es nur einen Ausweg. So zog er seine Tentakeln durch das Gitter in sich zurück, zur unbedingten Erleichterung der entsetzten Kinder, ehe er seinen Umhang wieder überwarf und die Treppe emporstieg.
 

Je weiter er hinaufkam, um so deutlicher spürte er, dass es Ärger gab. War da nicht auf Kampflärm zu hören? Und warum waren hier die Krieger nicht auf dem Posten? Es gab nur eine Möglichkeit: irgendwie hatte es dieser dämliche Hund geschafft, mitzubekommen, dass die Welpen entführt worden waren, und rätselhafterweise war es ihm gelungen, einen so mächtigen Bannkreis zu brechen, an dem er selbst zwei Jahre gearbeitet hatte. Wie?

Kagura! Sie musste schlauer gewesen sein, als er vermutet hatte. Er überschlug rasch die Zeit, während er sich bereits in den hinteren Hof, den Arbeitshof, zurückzog. Es half nichts, er musste abwarten, bis er die Wölfchen verdaut hatte. Erst dann wäre er in der Lage zu fliehen – oder auch richtig zu kämpfen. Zwei seiner Dämonenkrieger, die er traf, riefen ihm zu, dass das Schloss überfallen worden wäre.

Zum Glück waren sie unter den stärksten: „Ich weiß. Die Familie. - Geht hinunter in das Gefängnis zu den Welpen. Sie werden wunderbare Geiseln abgeben. Ich kümmere mich um die anderen.“ Es wäre taktisch unklug gewesen, seinen Leuten zu sagen, dass er im Notfall beabsichtigte, sie im Stich zu lassen. Kagura, dachte er wieder. Sie hatte nicht nur mitbekommen, dass er sie vergiftet hatte, sondern auch sofort die einzige Möglichkeit gesehen, wie sie ihm ihren Tod heimzahlen konnte. So war sie zum Taishou geflogen und musste ihm noch vor ihrem Ableben die kleine Überraschung gebeichtet haben. Natürlich war sie inzwischen sicher tot, aber ärgerlich war es dennoch, dass er in seinem perfekten Plan einen derartigen Fehler begangen hatte. Er gab zu, dass er seine Assistentin trotz jahrelanger Kenntnis unterschätzt hatte.

Nun gut. Die Familie, gerade auch der ach so fürsorgliche Taishou, würden die Welpen nicht gefährden wollen. Als Geiseln waren sie wertvoll. Überdies verriet ihm der Kampflärm aus dem vorderen Hof, dass sich seine Leute wehrten. Nur noch wenige Minuten, dann konnte auch er in das Geschehen eingreifen, seine Erpressung mit den Kindern deutlich machen.
 

Sesshoumaru war mit den sieben Eltern der entführten Welpen und Kikyou sofort nach links abgebogen, einfach über die Mauer gesprungen. Herr Rinishi hatte die Menschenfrau getragen. Trotz seiner Sorge um Rin sah sich der junge Hundedämon außerstande, derart eng mit einem solchen Wesen umzugehen. Dafür hatte er unverzüglich den vollkommen überraschten Dämon buchstäblich zerrissen, der zu seinem Unglück dort Wache gehalten hatte.

In derartigen alten Schlössern befanden sich die Gefängnisse in der Regel immer unter dem Hauptrakt. Überdies konnte er wittern, dass viele Dämonen erst vor Kurzem hier vorbeigekommen waren, sicher, die Entführten getragen hatten. Er hatte Toukejin bereits aus der Scheide gezogen, ebenso, wie die anderen und die junge Priesterin ihre Waffen bereit hatten. Dennoch hofften alle, dass niemand sie bemerken würde. Der Inu no Taishou und die anderen vierzig Dämonenkrieger waren nach rechts gestürmt, in der Absicht, die Wachen des Clans und auch deren Verstärkung abzulenken, zu binden und es so zu ermöglichen die Geiseln zu befreien, ehe es jemand mitbekam.

Inu Yasha und Kagome waren dagegen direkt auf die geradeaus liegende Seite des Hauptraktes gelaufen. Der junge Halbdämon wollte sich zwar an den Befehl seines Vaters halten, sich nicht blamieren, aber er hoffte schwer, dass sie niemandem begegnen würden. Kagome hatte doch keine Ahnung von solchen Kämpfen, geschweige denn, dass sie je einem Dämon gegenübergestanden hatte. Und er nahm sich fest vor, sie zu schützen. Er hörte nur zu gut, wie hinter ihm ein heftiger Kampf entbrannte, als sich die Wachen des Clans den Angreifern stellten, hastig weitere dazuliefen. Hoffentlich würde Vater nichts passieren oder auch Sesshoumaru.
 

Die acht Dämonen und eine Priesterin hatten eine Vorhalle erreicht, deren Ausmaße zeigten, dass sie wohl auch für Empfänge gedacht worden war. An der linken Seite befand sich eine schwere Tür, die mit Eisen beschlagen war und davor zwei Krieger, die trotz ihrer Überraschung die Schwerter zogen. Sesshoumaru zögerte nicht. Vater hatte durchaus zu Recht verlangt, dass sie keine Energieangriffe im Schloss durchführen sollten, ehe die Welpen und Rin in Sicherheit waren. So sprang er hin, sicher, schneller als der Rest zu sein – und etwas froh, sich abreagieren zu können. Noch während er mit dem Schwert zuschlug, traf seine Linke den zweiten Dämonen am Hals. Der brach ebenso zusammen.

„Kikyou-sama!“

Die eilte heran: „Ich kann hier keinen Bannkreis spüren, Sesshoumaru-sama,“ erklärte sie dann: „Aber unterhalb.“

Er öffnete das Tor. Eine steile Treppe führte hinab zu einer weiteren Tür. Auch hier lag der Geruch vieler Dämonen in der Luft – und von Naraku. Dessen Witterung würde er nie in seinem Leben vergessen. Er wandte sich um: „Kikyou-sama, Rinishi, ihr kommt mit. Die anderen bleiben hier und bewachen den Eingang. Die Kinder sind dort unten.“ Es mochte riskant werden, falls andere Mitglieder des Clans hier auftauchten, aber dem Lärm und Geschrei nach zu urteilen, das von draußen hereindrang, schienen sie nur Vater und die vierzig Krieger der Familie im Blick zu haben. Um Naraku wollte und sollte er sich selbst kümmern. So machte er mit einem Satz, dass er die Treppen hinunterkam, etwas langsamer gefolgt von der jungen Priesterin und dem Fuchsdämon, und öffnete die andere Tür.

„Die Welpen?“ fragte Rinishi besorgt, konnte dann das magisch gesicherte Gitter erkennen – und auch seinen Sohn: „Shippou!“

„Vater! - Oh, Sesshoumaru-sama....“ Der kleine Kitsune warf sein Fuchsfeuer in die Luft.

„Sesshoumaru-sama,“ ergänzte auch Rin glücklich und ließ Shippous Pfote los: „Kikyou-sama!“ Sie hatte es doch gewusst.

„Holt sie raus,“ befahl der junge Hundedämon: „Ich suche Naraku.“ Der kleine Fuchs hatte sich anscheinend um Rin gekümmert, vermerkte er.

„Er...er ging gerade weg,“ erklärte Shippou hastig, da ihm klar war, dass das wichtig war: „Und er hat die beiden Wolfsjungen absorbiert.“

Widerlich, war alles, was Sesshoumaru dazu einfiel. Der Mistkerl würde diese Nacht nicht überleben. Nur, wohin war der? Den Bann am Gitter konnte er der fähigen Priesterin überlassen, die bereits mit dem Läutern begann. So lief er wieder empor. Noch hielt ihr Glück, noch hatte keiner bemerkt, dass die Wachen hier tot waren, eine Befreiungsaktion angelaufen war: „Die Kinder sind dort unten,“ erklärte er: „Wenn Kikyou und Rinishi sie hochbringen, lauft mit ihnen hinaus, sie müssen unverzüglich das Schloss verlassen.“ Vater würde es sehen und mit seinen Kriegern ebenfalls die Absicherung der Welpen übernehmen, vielleicht auch Inu Yasha. Er selbst würde das Angesicht der Erde von diesem Naraku befreien. Wo steckte der nur? Er witterte, ehe er die hauchdünne Spur hinten aus der Halle fand. Der musste bemerkt haben, dass sein Bannkreis geöffnet worden war und hatte es wohl vorgezogen, sich zu verstecken. Mit einem verächtlichen Laut machte sich der junge Hundedämon auf die Jagd, Toukejin wieder an der Hüfte.
 

Die sechs übrigen Krieger und Kriegerinnen der Familie blieben im Halbkreis an der Tür stehen, um sie zu sichern, froh, dass den Welpen anscheinend nichts geschehen war. Noch waren sie unentdeckt geblieben, und jeder hoffte, dass dies auch so bleiben würde. Aber die Ablenkung schien zu wirken. Waren die Kleinen erst einmal in Sicherheit, so war ihnen klar, dass dann auch Energieangriffe durchgeführt werden konnten, falls es dann für den Rückzug der Angreifer nötig werden mochte. Und es waren ihre eigenen Kinder dabei. Es würde nichts geben, was sie daran hindern konnte, diese zu retten.
 

Alle Sechs hoben ihre Schwerter, als sie erkannten, dass zwei Clanmitglieder die Vorhalle betreten hatten und sie ihrerseits musterten. Zwei gegen sechs sollte nicht schwer werden, dachten die Dämonen der Familie, ehe sie hörten, dass hinter ihnen die menschliche Priesterin und Rinishi mit den Kindern die Tür öffneten – und erstarrten, als sie bemerkten, dass sie entdeckt worden waren.
 

Einer der beiden Neuankömmlinge trug einen Stab: „Na, Manten, siehst du, wir kommen noch gerade rechtzeitig. Das wird den Herrn freuen.“

„Manten?“ Herr Rinishi war entsetzt, als er sich entsann, wer so hieß: „Das sind die Donnerbrüder. - Kikyou-sama, Sie laufen mit den Welpen hinaus, drei andere mit. Der Befehl des Taishou lautet, dass die Kinder Vorrang haben. Ich und die drei Männer bleiben hier und decken Sie. Schnell. Die Donnerbrüder sind hochgefährlich und wir müssen die Welpen in Sicherheit bringen. Zwei fehlen sowieso bereits!“

„Papa!“ keuchte Shippou auf: „Das wird gefährlich!“

„Lauft!“ Rinishi schob seinen Sohn zu der Priesterin, ehe er eine Handbewegung machte: „Fuchsfeuer!“

Ein riesiger Feuerball schien fast die gesamte Vorhalle auszufüllen. In dessen Schutz lief Kikyou los, gefolgt von den Kindern und drei Dämoninnen, die besorgt nach ihren eigenen Welpen Ausschau hielten. Immerhin hatte der Casinoleiter gesagt, dass zwei fehlten. Die vier männlichen Dämonen wandten sich dagegen den Angreifern zu – Schutz der Kinder und der Familie, wie seit Jahrtausenden. Schutz um jeden Preis.
 

„Welche Ehre – gleich vier Mitglieder der Familie wollen Selbstmord begehen,“ sagte der Ältere der Donnerbrüder spöttisch und hob etwas seinen Stab: „Lass sie mir.“

„Wie du willst, großer Bruder. Ich werde zusehen.“

Hiten und Manten, dachte Rinishi: soweit er wusste, gehörten sie zu den Leuten des Clans, die sich der Schwierigkeiten annahmen, ehe sie außer Kontrolle gerieten. So ein Pech, ausgerechnet denen über den Weg zu laufen. Und Sesshoumaru war auf der Suche nach Naraku weg. Wenn kein Wunder geschah, waren sie alle vier in der Tat verloren. Inu Yasha sollte doch eigentlich auch hier irgendwo sein? Aber gleich. Die Welpen waren erst einmal aus dem Keller und im Hof des Schlosses. Der Inu no Taishou würde, wenn er noch so wie in früheren Kriegsjahren war, stets auch ein Auge auf die anderen Leute haben und mitbekommen, dass Kikyou-sama und die Kinder in nur Begleitung von drei Dämoninnen flüchten wollten und sie unverzüglich decken lassen. Die Welpen, sein Shippou...nichts anderes zählte.

„Spürt meinen Blitzstab!“ rief Hiten und hob diesen.

Im Gegensatz zu den Dämonen der Familie hatte er keinerlei Bedenken, Energieangriffe in einem bewohnten Schloss durchzuführen und die Krieger sprangen hastig auseinander, als buchstäblich Blitze auf sie zuschossen – gefährlich genug, auch sie schwer zu verletzen oder gar zu töten.

Ablenken, dachte Rinishi. Das war zu riskant.. Nur ein wenig ablenken, ehe die Kinder in Sicherheit waren und sie entweder Verstärkung bekamen oder aber ebenfalls den Rückzug antreten konnten. „Fuchskreisel!“

Ein riesiger Kreisel, der eigentlich wie ein Kinderspielzeug aussah, erschien auf Mantens Kopf und drehte sich schmerzhaft dort. Der schrie auf.

Hiten fuhr herum: „Manten...“

Mist, dachte Rinishi-san. Er hatte den falschen Bruder erwischt. Das passierte eben, wenn man derartige Magie schon Jahrhunderte nicht mehr eingesetzt hatte. Im nächsten Moment keuchte er selbst vor Schmerz auf. Hiten hatte sofort gesehen, von wem der unnette Gruß gekommen war und einen Blitzstrahl auf den Fuchsdämon gelenkt. Nur die Tatsache, dass der Krieger neben ihm einen gut Teil der Energie mit dem Schwert gegen die Wand gelenkt hatte, hatte ihm das Leben gerettet. Im nächsten Augenblick rannten zwei Dämonen der Familie mit erhobenen Schwertern auf Hiten zu, der die Schläge mit quergehaltenem Stab abfing, ehe sein Bruder wieder einsatzbereit war und nun seinerseits seine Klinge zog, um auf die beiden Gegner loszugehen. Hiten dagegen wandte sich Rinishi und dessen Begleiter zu, der noch einmal abzuwehren versuchte, vergeblich.

Als der Blitzangriff dann auf den Fuchsdämon zuraste, wusste dieser, das nichts mehr zwischen ihm und dem Tod stand. Aber, Hauptsache, die Welpen waren in Sicherheit. Sein Shippou...
 

**

Armer Herr Rinishi und seine Begleiter.

Im nächsten Kapitel kommt es zum: „Showdown“
 

Wie heißt es bei Mercedes Lackey:

Three things never anger

Or you will not live for long:

A wolf with cubs

A man with power

And a woman´s sense of wrong.
 

Tja, Naraku, warum sich mit einem begnügen, wenn man alle drei haben kann....
 

bye
 

hotep

Showdown im Schloss

Sesshoumaru war seiner Nase und damit der Witterung des Herrn des Clans gefolgt. Im hinteren kleinen Hof entdeckte er ihn. Naraku betrachtete ihn fast ein wenig höhnisch, eingehüllt in seinen Fellmantel.

„Sesshoumaru-sama,“ meinte er spöttisch: „Welche Ehre, dass Sie mich besuchen. So kann ich Sie statt der anderen Welpen nehmen.“

Der Hundedämon legte die Hand an sein Schwert. Dieser Mistkerl hatte zwei Welpen absorbiert – nur, wie? Das war keine Fähigkeit, die jeder Dämon besaß. Und noch dazu war es unehrenhaft, ja, geradezu widerlich.

Naraku ließ sein Fell zu Boden gleiten. Noch während er so seine Tentakeln und mehreren Beine zeigte, wurde er größer und höher.

„Hm,“ machte Sesshoumaru verächtlich: „Also kein ehrlicher Halbdämon, sondern nur ein jämmerliches Sammelsurium aus verschiedenen Dämonen, die du irgendwann absorbiert hast.“ Er zog, da ein Tentakel auf ihn zuraste, und schnitt ihn mit kühler Berechnung ab, ohne auch nur einen Schritt beiseite zu machen. Das konnte kein schwerer Kampf werden. Ein elendiges Mischmasch verschiedenster Dämonen, zusammengehalten anscheinend nur durch einen gemeinsamen Willen. Warum war das ihnen zuvor nicht aufgefallen? Selbst Vaters feiner Nase schien dies bei der Besprechung entgangen zu sein.

Dieser junge Hundeidiot glaubte doch nicht im Ernst, dass er ihn auf diese Art auch nur schwächen würde, dachte Naraku. Nein. Jeder Angriff, den der gute Sesshoumaru abwehrte, jedes Stück seines eigenen Körpers, das zerschnitten wurde, würde den näher an sein Ende bringen. Es wäre ein fataler Irrtum zu glauben, dass er, Naraku, keine Kontrolle mehr über seine Teile hatte, nur wenn die abgeschnitten waren. So ließ er diesmal ein ganzes Bündel seiner Ausleger auf seinen Gegner zurasen und stellte erfreut fest, dass Sesshoumaru nicht nur mit einem Überschlag ausweichen musste, sondern sie auch zerfetzte. Sehr schön. Noch ein wenig mehr und er würde seinen Plan in die Tat umsetzen, statt der kleinen Welpen den großen Sesshoumaru absorbieren. Dessen dämonische und magische Macht würde ihm noch viel mehr von beidem bringen, als es alle Welpen zusammen getan hätten. Die Bedingung war nur, dass Papi hier nicht mit dem Höllenschwert auftauchte. Zumindest nicht, ehe es zu spät war. Aber noch schien der Hauptkampf im großen, vorderen Hof zu laufen. Hier war niemand – und niemand würde ihn hindern, den dummen, aber starken Jungen vor sich in sich aufzunehmen.
 

Unterdessen waren Inu Yasha und Kagome durch die Gänge des Schlosses gelaufen, in den Trakt des Hausherren und hatten diesen leer gefunden. Zu ihrem Glück waren sie auch unterwegs auf niemanden gestoßen. Alle Mitglieder des Spinnenclans, die hier herbefohlen worden waren, stellten sich draußen auf der Schlossmauer und dem großen Hof dem Inu no Taishou und seinen vierzig Kriegern. So machten sich die beiden auf die Suche nach Naraku und den Kindern.

Der Halbdämon öffnete eine weitere Tür und erstarrte: vor ihm waren zwei Dämonen, die er nie zuvor gesehen hatte – aber er kannte die vier Toten dort auf dem Boden. Einer davon war Herr Rinishi, der Leiter des Casinos. Und, soweit er wusste, Vater eines Sohnes. Instinktiv packte er seinen Schwertgriff.

„Welche Ehre!“ sagte der größere der beiden Unbekannten: „Ich bin Hiten und das ist mein Bruder Manten. Ich hätte gar nicht damit gerechnet, mich persönlich bei dir für den Tod unseres Anführers revanchieren zu können. Du bist doch der Welpe des Taishou, nicht wahr, der jämmerliche Bastard?“

Inu Yasha zog bereits Tessaiga und machte den Satz nach vorne, um die Tür hinter sich und vor Kagome zufallen zu lassen: „Nicht ganz so jämmerlich, du Vollidiot. Für vorlaute Drachen und Dämonen des Clans wird es immer reichen.“

„Ich weiß, wie du das feststellen kannst.“ Hiten hob seinen Stab.

Das wurde ein Angriff, dachte Inu Yasha – und wurde dennoch von der mächtigen Blitzattacke, die auf ihn zulief, überrascht. Nur das feuerfeste, rote Gewand schützte ihn vor schweren Verbrennungen. Das war ja dumm. Vater hatte gesagt, dass er keine Energieangriffe schlagen sollte, also auch nicht die Windnarbe, ehe nicht die Kinder draußen waren. Waren sie das? Immerhin lagen hier vier Tote der Familie. Wo waren die anderen und wo steckte Sesshoumaru? Der sollte sich doch um Naraku kümmern? Aber das half wohl im Moment wenig, sich den Halbbruder herzuwünschen. Er musste allein mit diesem Hiten klarkommen. So rannte er mit erhobenem Schwert auf seinen Gegner zu. Hoffentlich hielt sich der andere auf dem Kampf heraus, dachte er noch, ehe er zuschlug.

Hiten parierte die Klinge Tessaigas mit seinem quer gehaltenen Stab: „Na, ist das schon alles? Besonders stark scheinst du ja nicht zu sein!“

„Wer sagt dir, dass das alles ist?“ Der junge Halbdämon sprang zurück. Der Kerl war kräftig, das war schlecht. Ohne die Windnarbe war hier kein Blumentopf zu gewinnen, das wusste er aus seinen mittlerweile doch ausreichenden Kampfstunden gegen seinen Halbbruder.

Ein leiser, weiblicher Aufschrei hinter ihm ließ ihn unwillkürlich herumfahren, zumal als Manten auflachte: „Guck mal, was ich gefunden habe, großer Bruder!“ Er hatte sie fest am Arm gepackt.

„Kagome!“ keuchte Inu Yasha. Warum in aller Welt war sie nicht draußen geblieben, sondern in den Raum gekommen? Jetzt hatte der andere Bruder sie und er konnte ihr nicht helfen – eher im Gegenteil, da Hiten schon wieder Blitze auf ihn zuzucken ließ und er mit Mühe denen entkommen konnte.

„Gehört dieses Menschenmädchen etwa zu dir? Wie dumm, sie in einen Dämonenkampf mitzunehmen,“ spottete der ältere der Donnerbrüder. „Manten, mach mit ihr, was du willst, aber bis ich den Bastard umgebracht habe, sollte sie auch tot sein. Da draußen scheint es noch immer heiß herzugehen und wir müssen noch dem Rest der Familie die Leviten lesen.“

„Träum weiter!“ Inu Yasha rannte wieder auf seinen Widersacher los, noch immer getreu Vaters Anweisung keine Energie einsetzend. Aber ihm war klar, dass er gewinnen musste, noch dazu schnell, um Kagome zu beschützen – und sich selbst natürlich auch.
 

Der Inu no Taishou riss erneut einen Krieger des Clans an der Schulter zurück, um ihm einen Fausthieb zu verpassen. Wie er erwartet hatte, stellte sich ihm niemand in direktem Duell. So war er immer wieder auf der Suche nach seinen eigenen Leuten, die in Schwierigkeiten geraten waren, um denen zu helfen. Noch hatte er niemanden getötet, nicht einmal sein Schwert gezogen, obwohl dessen höllische Stimme ihm zuflüsterte, dass er nur mit ihm gewinnen konnte. Er sprang auf ein Vordach, um den Überblick zu behalten, als er bemerkte, dass Kikyou und die Kinder nur von drei Dämoninnen begleitet, aus dem Schloss gerannt kamen, und befahl sofort den Rückzug, um diese zu decken. Der Schutz der Welpen war vorrangig. Allerdings beunruhigte ihn die Tatsache etwas, dass sowohl seine eigenen Söhne als auch vier weitere Dämonen fehlten, nicht dabei waren. Kagome konnte er auch nicht entdecken. Steckten sie noch in einem Abwehrkampf? So schrie er diesmal lauter seinen Befehl die Welpen zu decken, was dazu führte, dass sich alle seine eigenen Dämonen unverzüglich aus den Nahkämpfen lösten – und die Clanmitglieder nicht mehr nachsetzten. Diesen war inzwischen klar geworden, dass es um die Kinder gegangen war, nichts, was nicht jeder einigermaßen vernünftige Dämon verstanden hätte. Bei der langen Lebensspanne, die ihrer Art nun einmal zugemessen war, war Nachwuchs eine seltene Sache. Viele hatten gar nicht mitbekommen, dass die Welpen der Familie entführt worden waren – und selbst die Kidnapper hatten nicht gewusst, dass sie nicht nur als Geiseln dienen, sondern getötet werden sollten.
 

Sesshoumaru begriff die Taktik seines Gegners beim besten Willen nicht. Naraku war doch eigentlich nicht gerade ein Vollidiot. Warum also hockte er da in seiner halben Spinnenform und schoss einen Tentakel nach dem anderen auf ihn ab? Er hatte, selbst wenn es mehrere waren, nur wenig Mühe sie zu zerhacken. Der halbe Hof war nun schon mit diesen Überresten bedeckt. Sollte das von etwas ablenken? Nur, von was? Immerhin schien Naraku weder Schmerzen zu spüren, noch beim dauernden Nachwachsen seiner Ausleger viel Kraft zu verschwenden. Auf was wartete er? Hoffte er etwa, seine Leute würden ihm zu Hilfe kommen, sobald sie mit Vater und dessen Kriegern fertig wären? Da konnte er lange hoffen. Chichi-ue hatte das Höllenschwert noch nicht eingesetzt, getreu dem eigenen Befehl, keinen Energieangriff zu verwenden. Das würde er allerdings im Notfall doch tun und dann war das Schloss ebenso wie der hier stationierte Teil des Clans Geschichte.

Im nächsten Moment spürte er mit gewissem Ekel, wie die abgeschnittenen Einzelteile sich nicht nur bewegten, sondern förmlich auf ihn zusprangen, sich an ihn hefteten. Er versuchte noch, sie von sich mit der Klaue zu entfernen, aber da wurde er auch schon komplett von den Fetzen der Tentakeln eingehüllt, verschlungen. Sein Klauenangriff blieb wirkungslos.

Naraku lächelte zufrieden, als er weitere Ableger zu der unförmigen, pulsierenden Masse schickte. Die Absorption des dummen Hundejungen konnte beginnen.
 

Kagome war etwas ärgerlich geworden, dass ihr Inu Yasha derart die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte und hatte sie selbst geöffnet, gerade zu Recht, um Hitens ersten Blitzangriff zu sehen. Noch ehe ihr klar geworden war, dass sie mitten in ein Dämonenduell geplatzt war, hatte dieser Manten sie brutal am Arm gepackt und festgehalten. Jetzt fand sie ihre Idee, hier hereinzukommen, nicht mehr ganz so gut, zumal sie auch entsetzt die Toten dort hinten erkannte. Hoffentlich kam der Taishou hier herein oder Sesshoumaru, hoffentlich waren die Welpen wenigstens in Sicherheit. Sie konnte einen Schauder nicht unterdrücken.

„Hast du gehört, Mädchen?“ fragte Manten fast freundlich: „Ich darf mit dir machen, was ich will. Ist mein großer Bruder nicht nett?“

„Lass mich los!“ fauchte sie, aber ihre Gegenwehr war bei einen Dämon nutzlos.

Im nächsten Moment gab er ihren Arm frei, allerdings nur, um seine großen Hände um ihren Hals zu legen und langsam immer fester zuzudrücken. Kagome rang nach Atem und versuchte verzweifelt, die würgenden Finger von ihrer Kehle zu entfernen, aber das misslang. Sie bekam keine Luft mehr, brach in die Knie und ihr wurde bewusst, dass sie bald ohnmächtig werden würde – und dass das wohl das Ende sei. Inu Yasha, dachte sie, aber ihr war klar, dass er ihr nicht helfen konnte. Der andere dieser Brüder griff ihn permanent mit Blitzen an und er musste sich selbst verteidigen.

Ihr Pulsschlag schien in ihren Ohren widerzuhallen, während ihre Lungen begannen, schmerzhaft nach dem Sauerstoff zu ringen, der ihnen versagt wurde. Sie starrte hilflos in das Gesicht Mantens. Täuschte sie sich durch den Schleier, der sich vor ihren Augen zu bilden schien, oder lächelte er? Pfeile, dachte sie plötzlich. Sie trug noch immer Köcher und Bogen. Und läuternde Pfeile abschießen konnte sie doch....Pfeile.

Irgendwie schaffte sie es, die Panik, die Todesangst zu verdrängen und nach einem Pfeil in ihrem Köcher zu angeln. Falls Manten überhaupt bemerkte, dass sie etwas tat, war es ihm egal. Er betrachtete ihr Gesicht, das nur zu deutlich verriet, dass sie gleich ohnmächtig werden würde. Er liebte es, wenn seine Opfer so aussahen, sich in Agonie unter seinen Händen wanden.

Was machte sie denn jetzt? Woher kam plötzlich das Licht?

Das war das Letzte, was er dachte, als sie mit dem Rest an Kraft, den sie noch besaß, den läuternden Pfeil in seine Kehle stieß. Er brach zusammen und fiel auf sie.

Keuchend, würgend drängte sie ihn von sich, angewidert über den Toten, aber auch in der jähen Erkenntnis, dass sie soeben zum ersten Mal in ihrem Leben jemanden umgebracht hatte. Noch auf allen Vieren sog sie gierig die Luft ein, die sie schon nicht mehr zu atmen erwartet hatte.

„Kagome!“ Inu Yasha war erleichtert.

„Manten! - Du Miststück hast meinen kleinen Bruder umgebracht!“ brüllte dagegen Hiten und riss den Blitzstab herum, auf die Studentin zielend.

Der junge Halbdämon zögerte nicht. Vaters Befehl hin oder her, das würde der doch verstehen: „Windnarbe!“

Die erstarrte Kagome konnte nur mehr zusehen, wie helle Energie mitten in der Halle aufflammte – und dann Hiten darin verschwand. Die Bodenbretter waren ebenso aufgerissen, wie die Wand neben ihr verschwunden. Trotz aller Eile hatte Inu Yasha gut genug gezielt, um seine Freundin nicht zu treffen, dabei allerdings Teile des Daches mit eingerissen.

Er sprang zu ihr, Tessaiga noch in der Hand: „Geht es? Was hast du dumme Pute dir denn dabei gedacht, hier einfach reinzukommen?“

Wenn sie besser bei Atem gewesen wäre, hätte sie ihm schon eine passende Antwort gegeben. So aber keuchte sie nur: „Blödmann!“

Er schob Tessaiga zurück und bot ihr die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen: „Jedenfalls – du hast diesen Manten ganz ordentlich geläutert....- Kannst du gehen? Ich möchte eigentlich gern noch wissen, wo sich dieser Naraku versteckt. Der scheint nicht draußen zu sein – aber bisher gefunden haben wir ihn auch nicht. Und Sesshoumaru fehlt auch. Der sollte ihn doch suchen....“ Er wollte nicht sagen, dass er sich Sorgen um seinen Bruder machte.

„Ja, es...es geht schon....“ Aber sie war froh um den Arm um sich.

„Dann komm. Und, wenn ich zu dir sage, du bleibst wo, dann machst du das auch!“

Ihr fehlten die Worte, ihr Hals schmerzte – und außerdem, so fürchtete sie fast, hatte der Sohn des Taishou Recht. Sie war nur ein Mensch und das hier war ein Dämonenschloss.
 

Der Taishou musterte vor dem Schloss seine Leute, während Kikyou ihm erzählte, dass Rinishi und drei andere ihre Rückendeckung übernommen hatten – und dass zwei Wolfsjungen von Naraku absorbiert worden waren. Der Blick des Herrn der Hunde glitt zu der betroffenen Mutter, deren Blick leer wirkte:

„Das Schlimmste, was Eltern geschehen kann, ist, ein Kind zu verlieren,“ sagte er: „Und für ein Kind, die Eltern.“ Er sah dabei zu Shippou. Eigentlich hätten sich Rinishi und die anderen auch zurückziehen müssen, sobald die Welpen draußen waren. Aus der schlichten Tatsache, dass sie noch nicht hier waren, war abzulesen, dass sie auf Gegner gestoßen sein mussten, die sie banden – oder Schlimmeres. Seine einzige Hoffnung war, dass Sesshoumaru ja eigentlich dabei hätte sein müssen. So fragte er nach.

„Nein, oyakata-sama,“ erwiderte Kikyou höflich: „Er ging, um Naraku zu suchen.“

Auch das noch. Der Taishou warf noch einen Blick herum: „Bringt die Kinder nach Hause. - Masao und dreißig bleiben hier. Kikyou-sama, Sie auch.“ Er wandte sich um. Ausgerechnet seine eigenen beiden Welpen fehlten – und Kagome plus vier Dämonen. Und wenn er sich allein mit dem höllischen Schwert dem Clan stellen musste – er würde seine Söhne finden.

Als er wieder auf die Mauer sprang, bemerkte er, dass der Clan sich im großen Hof versammelt hatte und ihn jetzt anstarrte. Den Grund konnte er sich denken, denn die linke Vorhalle war beschädigt worden, und er hätte wetten mögen, dass dies die Windnarbe gewesen war. Inu Yasha, natürlich, impulsiv wie eh und je. Das würde noch ein Nachspiel für seinen Jüngsten haben, dachte er, bevor er die dort liegenden fünf Toten erkannte. Rinishi und die anderen drei – und dazu die Leiche eines Dämons, den er nie zuvor gesehen hatte. Nur die Todesart war ihm bekannt: die Läuterung durch eine starke Priesterin. Und da Kikyou nichts davon erwähnt hatte, musste Kagome dies gewesen sein. Also waren sie und Inu Yasha hier in einen Kampf verwickelt worden. Da sie nun weg waren, hatten sie wohl gewonnen, vermutlich gerade weil der Welpe Tessaigas Macht eingesetzt hatte. Nur, wo waren sie jetzt und wo Sesshoumaru?

Ohne viel Federlesen sprang er auf dem Dach weiter, ehe ihm die Witterung nach seinem Jüngsten und Naraku in die Nase stieg. Darauf wartete der Clan also – auf das Ergebnis dieses Kampfes. Nur, wo steckte sein ältester Sohn?
 

Inu Yasha und Kagome waren weiter nach hinten gelaufen. Der Halbdämon hatte die feine Witterung seines Halbbruders gefunden und war sicher, dass dieser inzwischen Naraku gestellt hatte. Nur, warum waren keine Kampfgeräusche zu hören? Oder warum war Sesshoumaru nicht wieder aufgetaucht? Was war da los?

Er öffnete wieder eine Tür und starrte auf den kleinen Hof. Was war denn hier passiert? Dieser Naraku sah jetzt irgendwie ganz anders aus, nicht mehr ein Mensch, ja, schlimmer, nicht einmal mehr wie ein Dämon. Und was war das für eine wabbelige Masse, die sich über den Boden ausgebreitet hatte, von ihm ausgehend? Das waren schleimige Tentakeln, die sich alle in einem dicken Bündel zu treffen schienen. Und Naraku betrachtete dieses Teil so zufrieden....Verflixt! Wo steckte Sesshoumaru? Er war doch seiner Spur bis hierher gefolgt?

„Bleib hier, Kagome!“ Ohne sich weiter um sie zu kümmern, rannte er in den Hof: „Naraku!“ brüllte er: „Ich wusste ja schon vorher, dass du ein Mistkerl bist, aber das mit den Kindern war ja wohl wirklich das Allerletzte!“

„Oh, wie schön, der zweite Sohn des Taishou gibt mir die Ehre.“ Der Herr des Clans klang amüsiert: „Dann kann ich euch alle beide absorbieren.“

„Ach ja? Und von was träumst du nachts?“ Der Halbdämon fasste Tessaiga fester, auch, wenn er ein mehr als eigenartiges Gefühl in der Magengegend bekam. Wo war sein Bruder? Was faselte dieser Idiot da von absorbieren? „Dann werde ich dich mal aufwecken! Kaze no kizu!“ Die Macht der Windnarbe fegte eine Schneise in die Tentakeln: „Und wo ist Sesshoumaru?“

Kagome starrte mit einer seltsamen Mischung aus Neugier, Furcht und Abscheu in den Hof, die Tür nur halb geöffnet, um nicht gesehen zu werden. Sie hätte fast aufgeschrien, als sie plötzlich direkt vor sich einen Schatten erkannte, dann eine Rüstung. Instinktiv griff sie zu ihren Pfeilen, als sich auch schon eine bekralllte Klaue um ihr Handgelenk legte.
 

Naraku lächelte ein wenig: „Oh, du suchst deinen Halbbruder? Wie rührend. - Er hat bereits das unbestreitbare Vergnügen, ein Teil meiner Selbst geworden zu sein. Und du wirst ihm gleich folgen. Nicht, dass du mir so viel bringen wirst, wie er, ich schätze dich da eher so wie die beiden Wolfsjungen ein...netter Appetithappen..“

„Verdammt!“ schrie Inu Yasha. Was hatte dieser Mistkerl mit Sesshoumaru getan? Und zwei der Kinder hatte er auch schon gefressen? Was war das denn für ein Widerling? Er jagte erneut die Windnarbe los, als ein hell aufflammender bläulicher Energieball ihn hastig einen Satz auf die Seite machen ließ.

Der war aus diesem ekelhaften Bündel von Tentakeln gekommen, das nun zerfetzt herumlag, erkannte er – und er erkannte seinen Halbbruder, der Naraku kühl betrachtete. „Hallo, nii-san,“ sagte er erleichtert. „Ich dachte mir doch, dass du dich nicht von so einem Vollpfosten plattmachen lässt.“

„Ich werde ihn umbringen. Und du hältst dich raus!“ In der Stimme des Älteren lag nur mehr der schiere Zorn über den Versuch ihn zu absorbieren. Für was hielt sich dieses Mischmasch eigentlich? Rins Entführung, die der Welpen und jetzt auch noch das! Überdies hatte er durchaus nicht vergessen, wer ihn vor zwei Jahren auf eine Bombe gesetzt hatte.

„Ich halte mich nicht heraus!“ fauchte Inu Yasha prompt zurück: „Der Idiot hat uns schon auf eine Bombe gesetzt, hat die Welpen entführen lassen, um ein Haar wäre Kagome gestorben, von mir mal ganz zu schweigen – Kaze no kizu!“

„Souryuha!“ kam es gleichzeitig vom Älteren und beide Attacken rasten in den Urwald aus Tentakeln, der sich von Naraku ausbreitete.

Der erkannte fast unverzüglich, dass er gegen diese gemeinsamen Angriffe Probleme bekommen würde, falls er nichts unternähme. Aber natürlich war er noch lange nicht am Ende seiner Fähigkeiten, gleich, was die beiden Welpen da denken würden. Ehe die Halbbrüder damit zu Ende waren, sich finster anzustarren, hatte der Herr des Clans um sich einen neuen Bannkreis errichtet – fast so stark wie der, der um das Schloss gelegen hatte.

„Klar, versteck dich nur,“ murrte Inu Yasha, während er bereits Tessaiga in rot hob: „Das wird dir nicht viel helfen.“

Also hatte der Kleine seinen mächtigen Bannkreis zerstört? Naraku war ein wenig überrascht. Aber alles, was er noch zu tun brauchte, wäre hier zu verschwinden. Danach müsste er eben den Clan neu formieren. Und während der Welpe an seinem Bannkreis nagte, wäre er schon flugfähig. So gut und schnell es ging, zog er seine noch funktionsfähigen Gliedmaßen an sich, in den schützenden Bannkreis. Gleichzeitig allerdings bewies er, dass der Zauber ihn zwar wie ein Schild deckte, ihn jedoch nicht am Angriff hinderte. Ohne, dass es zuvor erkennbar gewesen wäre, schoss eine Welle aus dämonischer Energie auf Sesshoumaru los, den der Herr des Clans für den Gefährlicheren hielt. Der Hundedämon wurde frontal getroffen und flog förmlich rückwärts, prallte hart gegen die Wand. Seine nächste Bewegung, ein Satz nach vorn, bewies allerdings, dass er nicht schwer verletzt war. Er hob mit einem leisen Knurren Toukejin, bereit, seinerseits einen Angriff zu führen, sobald sein Halbbruder den Bannkreis zerstört hatte.

Zum seinem Besten, denn Naraku setzte unverzüglich nach. Er hatte erkannt, dass er nicht gleichzeitig gegen beide Söhne des Taishou ankommen würde. Zum Glück schien der noch nicht persönlich aufgekreuzt zu sein. Dieses brave Hundi beschützte sicher die Welpen der anderen, statt an seine eigenen zu denken. Inu Yashas erste Attacke gegen seinen Bannkreis war soeben fehlgeschlagen und es würde den Kleinen sicher noch einiges kosten, den zu zerstören. Warum dachte der nicht daran, dass er sich selbst natürlich besser schützen würde als das gesamte Schloss? Vorsicht war stets der beste Teil der Tapferkeit. Der Zauber hier war viel komprimierter und somit stärker. Und was den älteren der Hundebengel betraf, so hatte der sich nur mühsam mit seinem Schwert gegen die zweite Angriffswelle schützen können. Noch ein, zwei solcher Attacken und Sesshoumaru wäre zu verletzt, um weiter an dem Kampf teilnehmen zu können. Mit dem Bastard würde er auch so zurande kommen. Tja, das sah ganz so aus, als ob er doch noch dazu käme, die beiden heute zu absorbieren.
 

Kagome hätte um ein Haar aufgeschrien, als sich die bekrallten Finger fest um ihr Handgelenk gelegt hatten, sie daran gehindert hatten, einen Pfeil zu ziehen. Erst im zweiten Moment erkannte sie, wer das war: „Oyakata-sama,“ flüsterte sie erleichtert.

Er gab sie frei. Nachdem er gesehen hatte, dass sie bereits einen Dämon heute Nacht geläutert hatte, hatte er nicht ausprobieren wollen, wie schmerzhaft der Versuch bei ihm werden würde. Er entsann sich nur zu gut der Kämpfe, die magisch befähigte Menschen einst gegen Dämonen geführt hatten, um sich und ihre Dörfer zu schützen. Menschen, wie auch sie und Kikyou. Ohne ein Wort wandte er sich dem Schauspiel im Hof zu. Wenn er sich einmischen würde, würde er seine Jungs beleidigen, das war nicht nötig. Nun, genauer gesagt, würde er das auch nur tun, wenn es wirklich zwingend wäre, sie zu retten.

So starrte er regungslos aus den Schatten in den dunklen Hof. Das sah nicht gut aus, beschloss er. Inu Yasha hatte Schwierigkeiten mit dem Bannkreis, Sesshoumaru war durch den letzten Energieangriff angeschlagen. Aber aufgeben wollte keiner der beiden. Eben seine Söhne, dachte er mit gewissem Stolz. Er spürte eine zögernde Berührung an seinem Arm und sah hinunter zu Kagome.

„Helfen Sie ihnen,“ flüsterte sie.

Er schüttelte den Kopf. Nein. Es gab Situationen, in denen ein Vater seinen Beschützerinstinkt zurückhalten musste. Sie waren alt genug.
 

„Jetzt reicht es mir,“ knirschte Sesshoumaru und schob Toukejin zurück, um das andere Schwert aus seinem Gürtel zu ziehen – zur Überraschung nicht nur der heimlichen Zuschauer sondern auch seines Halbbruders und Narakus. Aber er hatte das Pulsieren gespürt und kannte aus anderen Situationen, dass Tenseiga wusste, was es wollte.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, sprang er empor, an Naraku vorbei, der ihn etwas verwirrt anblickte. Was sollte das? Er spürte nichts, keinen Angriff, der überdies auch nicht durch seinen Schutzschirm gekommen wäre. Was waren das für Funken und was.....? Im nächsten Moment fühlte er eine Veränderung an sich. Zu seinem gewissen Entsetzen konnte er förmlich spüren, wie die letzte Absorption rückgängig gemacht worden war. Die beiden Wolfskinder lagen auf dem Boden. Das bedeutete nicht gerade viel Verlust an dämonischer Energie, aber es war besorgniserregend, dass dieser Hundesohn die Fähigkeit dazu besaß. Und der wechselte erneut die Schwerter, jetzt wieder angriffsbereit.

Es wurde Zeit, sich etwas Neues einfallen zu lassen, Kräfte für die Flucht zu sammeln.
 

Der Inu no Taishou hatte erleichtert bemerkt, dass die zwei Welpen wieder da waren, wenn auch anscheinend erschöpft und bewusstlos. Er musste an sich halten, nicht hinzulaufen und sie zu holen. Seine Jungs dachten sich etwas und er konnte und durfte ihren Plan nicht verhindern.

Wenn seine Söhne diesen Gedankengang gekannt hätten, wären sie vermutlich nicht gerade stolz gewesen. Sie hatten keinen Plan, schon gar keinen gemeinsamen. Inu Yasha war es noch immer nicht gelungen, durch den Bannkreis zu kommen, den zu vernichten, und so hatte er sich drauf verlegt, immer die gleiche Stelle anzugreifen, in dem unklaren Gefühl, diese zu schwächen. Da Tessaiga nicht pulsiert hatte, ihn gewarnt hatte, ging er davon aus, dass sein Schwert der gleichen Ansicht war. Sesshoumaru dagegen war etwas überrascht gewesen, ohne das freilich zu zeigen, welche Wirkung der Einsatz des heilenden Schwertes gehabt hatte. Immerhin, die zwei Welpen waren da und am Leben – Vater würde gewiss zufrieden sein. Alles, was jetzt noch blieb, war diesen Mistkerl von Dämonensammelsurium zu töten, sobald der Bannkreis nachgab. Er hob Toukejin, als er bemerkte, dass Inu Yasha diesmal alle Kraft zusammennahm.

„Tessaiga!“ schrie, nein, brüllte der als er vorwärts sprang und diesmal erneut auf die geschwächte Stelle im Zauber schlug. Jetzt wirkte die Magie der Fledermausdämonen – und der Schutz brach. Im gleichen Moment attackierte Sesshoumaru mit aller Macht, die er besaß – nur Sekundenbruchteile später von der Windnarbe gefolgt.
 

Sämtliche Tentakeln, ja, der gesamte Unterleib des Herrn des Clans wurde zerstört, zerfetzt und er beeilte sich, in die Luft zu kommen. Selbst eine solche Verletzung brachte ihn nicht um. Das würde heilen, eindeutiger Vorteil eines Körpers, der aus vielen bestand. Er lächelte sogar ein wenig, als er begann, sich aufzulösen: „Tja, Kinder, es war nett mit euch zu spielen,“ sagte er: „Das nächste Mal werdet ihr mich nicht so leicht vertreiben können. Zu schade, dass ich die Welpen nicht behalten konnte, oder gar die Fuchskinder bekam....“ Er schien zu verschwimmen, als er sich in einen anderen Aggregatszustand begab.

Weder Sesshoumaru noch Inu Yasha, aber auch der Inu no Taishou griffen mehr an. In solchem Zustand würden Energieangriffe eines Dämons vollkommen nutzlos sein.

„Du Mistkerl!“ schrie Kagome, ihren Pfeil und Bogen in der Hand. Das war zu viel. Er machte sich hier über Inu Yasha und seinen Bruder lustig, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten, um die armen Kinder zu befreien, sie musste daran denken, dass vier Dämonen der Familie bei dem Befreiungsversuch gestorben waren, einige Welpen jetzt zumindest Halbwaisen waren. Sie wurde wütend, wie sie es nie zuvor in ihrem Leben gewesen war, und hatte nun angelegt.

Naraku sah zu ihr: „Komm, kleine Priesterin, schieß ….das würde mir nichts ausmachen. Und jetzt entschuldigt mich. Ich habe noch etwas vor.“
 

Draußen vor dem Schloss erkannten die dreißig Dämonen der Familie und Kikyou ebenso den seltsamen, sich auflösenden Körperteil, wie im Schlosshof die Dämonen des Clans. Allen war klar, dass Naraku verloren hatte und nun fliehen wollte.

Masao sah zu der Priesterin: „Läutern Sie ihn. Das müsste gelingen, er ist angeschlagen..“

„Er ist schon zu weit aufgelöst...“ Aber sie nahm Pfeil und Bogen. Dämonen hatten ihm so geschadet, vermutlich Sesshoumaru oder Inu Yasha oder gar der Herr der Familie selbst – nun konnten sie ihm nichts mehr anhaben. Selbst ihre eigene Macht würde nicht ausreichen ihn vollständig zu läutern. Überdies war er fast am Ende ihrer Reichweite. Aber ein Versuch war es wert, sie musste nur an die Blicke der Mutter eines Wolfsjungen denken, den dieser Kerl absorbiert hatte. Nein. Der war eine echte Gefahr für Dämonen und auch Menschen. Immerhin hatte er ihr diesen Goshinki auf den Hals gehetzt. Sie visierte in die Mitte des sich auflösenden Halbdämons.
 

Der Inu no Taishou trat langsam in den Hof, bemüht, im Notfall die beiden Wolfskinder schützen zu können Er sah, wie über ihn ein läuternder Pfeil hinwegflog, und blickte unwillkürlich empor zu dem Fliehenden. Das würde ihm leider nichts ausmachen, da hatte dieser Mistkerl recht. Kagome besaß gute Anlagen zur Läuterung, aber das würde nicht reichen. Im gleichen Augenblick entdeckte er einen zweiten Pfeil, ebenso hell, der sich auf Naraku niedersenkte. Die beiden Pfeile trafen sich in seiner verschwimmenden Gestalt und leuchteten derart auf, dass es weder Menschen- noch Dämonenaugen vertrugen.

Als sie wieder hinblicken konnten, war Naraku verschwunden. Aber alle hatten die Erinnerung an sein erschrecktes Gesicht, als er begriffen hatte, dass eine Priesterin in der Tat ihm nichts anhaben konnte – zwei, die sich so ähnlich waren und gleichzeitig zuschlugen, nach den Verletzungen, die ihm die Halbbrüder zugefügt hatten, jedoch tödlich waren.
 

„Kagome!“ Inu Yasha fuhr herum: „Habe ich dir nicht gesagt, du....oh, otou-sama.“

„Er ist wirklich tot, chichi-ue,“ konstatierte Sesshoumaru und schob sein Schwert zurück.

„Keine Witterung mehr,“ bestätigte der Inu no Taishou: „Dann nehmt die beiden Welpen. Ihre Eltern werden froh sein, wenn sie sie wiederbekommen.“

Während Inu Yasha Tessaiga in die Scheide steckte und sich dann einen Wolf schnappte, murrte er: „Kagome, ich hatte dir doch gesagt, du sollst hinten bleiben.“

„Aber dein Vater..ich meine, oyakata-sama ging auch auf den Hof,“ verteidigte sie sich: „Und ich blieb hinter ihm.“

„Lass sie,“ sagte dieser: „Ohne Kagome und Kikyou, denn ich vermute, dass der zweite Pfeil der ihre war, wären wir Naraku nicht losgeworden. - Gehen wir.“
 

***
 

Das nächste - und letzte - Kapitel zeigt: Folgen.
 

bye
 

hotep

Folgen

Während der Inu no Taishou mit seinen beiden Söhnen, Kagome und den beiden bewusstlosen Welpen das Schloss des Clans verließ, starrten dessen Mitglieder sie schweigend und regungslos an. Sie konnten sich den Grund denken. Bereits zwei Mal hatten sie zu dritt den Anführer des Clans getötet, waren Dämonen dieser Organisation gestorben. Diesmal allerdings auch vier der Familie.

Als Inu Yasha leise vorschlug, diese mitzunehmen, sagte sein Vater nur: „Nein. Später.“

Das verstand der Halbdämon zwar nicht, wollte sich aber auch nicht vor dem Clan und den eigenen Leuten, die vor dem Schloss warteten, blamieren. Übrigens, das gab er zu, trugen sowohl er als auch Sesshoumaru bereits einen der geretteten Wolfswelpen, die ihnen erst draußen abgenommen wurden. Für Kagome wäre einer doch wohl zu schwer gewesen.
 

„Masao, geh mit zehn Kriegern noch einmal hinein und holt Rinishi und die anderen.“ Der Taishou blickte zu seinem Ältesten: „Tenseiga?“

„Ich werde es versuchen, chichi-ue.“ Der junge Hundedämon blieb stehen und wartete.

Tenseiga? Ach ja, Inu Yasha erinnerte sich. Mit diesem geheimnisvollen Schwert hatte Sesshoumaru auch Kikyou wieder belebt, als Goshinki sie vor zwei Jahren umgebracht hatte. Nun ja, er hatte das eigentlich für einen Irrtum ihrerseits gehalten, aber anscheinend besaß sein Halbbruder tatsächlich ein Schwert, das Tote wieder lebendig machen konnte. Das war natürlich phantastisch – aber er und auch Vater hatten zweifelnd geklungen. Gab es da gewisse Vorbedingungen?

Er bemerkte, dass Kagome zu Kikyou ging und war etwas beruhigt. Sie wirkte etwas...abwesend? Oder wie man das nennen sollte. Er müsste sich nachher um sie kümmern. So eine Nacht war sie doch sicher nicht gewohnt, nun, er ja auch nicht, aber sein Vergleich war die Nacht auf der Bombe und den Lavafeldern, dagegen war das hier leichter zu verkraften, zumal er ja auch entsprechendes Training bekommen hatte.
 

Als die Krieger der Familie die Toten auf den Boden betteten, griff Sesshoumaru zu dem zweiten Schwert in seinem Gürtel – und ließ die Hand wieder sinken. „Nein.“

Der Taishou akzeptierte das: „Bedauerlich. Aber du bist kein Gott. - Gehen wir.“ Der arme kleine Shippou war damit Vollwaise geworden. Er sollte zusehen, dass er sich um ihn kümmerte. Diese Fuchsschule im Norden war sicher bald abgeschlossen. „Masao, bring die Welpen zu mir. Ihre Eltern dürften sich dort aufhalten. Oh, und Kagome, geh mit ihm.“

Sie war zu aufgeregt, um zu fragen, warum nur sie und nicht Kikyou. Überdies – man widersprach einem Heerführer nicht. Der Taishou hätte ihr sagen können, dass er Menschenfrauen am Rande eines Nervenzusammenbruchs erkannte, und sich die ruhigere, ausgebildete Priesterin noch als Verstärkung aufheben wollte, falls der Clan doch noch einen verrückten Einfall hatte.
 

Auf der Rückfahrt erkundigte sich Inu Yasha, der wie immer auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, bei seinem hinter dem Fahrer sitzenden Vater: „Was, glauben Sie, wird nun geschehen, otou-sama? Ich glaube, Rinishi hatte doch einen Sohn?“ Der arme Kleine. Ob er und Kagome sich ein wenig um den kümmern sollten? Seine Freundin war ja mit den beiden letzten geretteten Welpen schon nach Hause zurückgekehrt. Hoffte er zumindest. Sie hatte heute Nacht schon bewiesen, dass sie spontane Ideen hatte.

„Ja, Shippou. Das ist der Einzige der Welpen, der nun Vollwaise ist. Seine Mutter starb bei der Geburt und er hatte ein sehr nahes Verhältnis zu seinem Vater. Ich werde dafür sorgen, dass er seine Schule abschließen kann und ihn fördern. Er ist sowieso stets ein recht intelligentes Kind gewesen, selbst für einen Fuchs. Die anderen drei haben wenigstens noch ihre Mütter, aber auch da werde ich ein Auge darauf haben, um gegebenenfalls helfen zu können. - Ansonsten: der Clan wird einen neuen Anführer bestimmen und dieser sich mit mir in Verbindung setzen. Ich vermute, mit einem Friedensangebot. Das Ende der beiden letzten Anführer des Clans war gewiss nicht aufbauend.“

Den neben ihm sitzenden Sesshoumaru interessierte der Clan im Moment nicht. Seine Gedanken waren bei einem kleinen Mädchen, dessen Pflegemutter Kikyou im Wagen hinter ihnen fuhr. Am liebsten hätte er Rin dauernd um sich, nicht zuletzt, um weitere Entführungen verhindern zu können. Allerdings wäre es da für das Jugendamt notwendig, dass auch Kikyou zu ihnen ziehen würde – vermutlich ein Unding für die Priesterin. Nun, er musste eben seine Wünsche zurückstecken, um dem Mädchen ein behütetes und doch menschenwürdiges Leben zu sichern. Aber allein das Aufleuchten in ihren Augen, als sie ihn nach dem Kampf gegen Naraku wieder gesehen hatte, hatte ihn für vieles entschädigt.
 

Als die Familie nach Hause kam, fanden sie Rin und Kagome in der Vorhalle. Beide saßen eng aneinander geschmiegt und versuchten sichtlich, sich gegenseitig zu trösten, auch, wenn sie erleichtert aufstanden, als der Taishou und seine Söhne hereinkamen, sich höflich vor dem Hausherrn verneigten. Dieser beschloss, dass das deren Sache wäre, zumal Kikyou auch soeben in die Halle kam, und befahl nur kurz seinen Kriegern und Kriegerinnen, sich soweit wieder zurückzuziehen, oder nach Hause zu gehen.

„Sesshoumaru-sama!“ Rin baute sich vor diesem auf und lächelte ihn tapfer an, deutlich bemüht, ihre Tränen zurückzuhalten: „Kikyou-sama,“ ergänzte sie dann eilig, als sie ihre Pflegemutter sah.

Die kam heran und ließ sich neben ihr nieder: „Noch so erschrocken, Rin-chan?“

„Es...ich habe nur immer wieder das Bild vor Augen, wie dieser Dämon die beiden Wolfsjungen gefressen hat. Sie tun mir so Leid.“

Natürlich, dachte die junge Priesterin. Das musste für alle Kinder ein Schock gewesen sein. Nur Dämonen kamen darüber leichter hinweg: „Das ist in Ordnung. Der Taishou, Sesshoumaru-sama und Inu Yasha haben sie gerettet. Sie sind unterwegs zu ihren Eltern. Hat Kagome dir das nicht gesagt?“

Rin atmete auf. Natürlich. Wie hatte sie an Sesshoumaru-sama zweifeln können. Diesmal war ihr Lächeln zu diesem ungetrübt: „Bin ich froh. Nein, Kagome-sama sagte nur, dass Sess...dem Taishou und seinen Söhnen nichts geschehen sei. - Darf ich Sie am Freitag wieder besuchen?“

„Rin!“ tadelte Kikyou prompt.

Der älteste Sohn des Taishou blickte in die braunen, verweinten Augen: „Ja.“ Und freute sich an dem glücklichen Aufstrahlen, das prompt folgte.

Kikyou sah auf: „Ich bitte darum, ebenfalls Bericht erstatten zu dürfen. Rin wird nächste Woche zwölf Jahre alt und es würde auch um ihre weitere Schullaufbahn gehen.“

„Natürlich. - Ono! Bringe die Priesterin und das Mädchen zurück zu ihrem Schrein. In ihrem eigenen Wagen. Ein zweiter Dämon soll dich mit einem zweiten Auto begleiten. Nachdem ihr zur Sicherheit den Schrein überprüft habt, kommt wieder her.“ Gespräche über die Schullaufbahn wären sicher harmlos genug auch gegenüber den Medien, dass Kikyou und damit Rin öfter herkommen konnten. Und da war ja auch noch Inu Yasha...

„Ich danke Ihnen.“ Kikyou war zugegeben froh, nicht mehr selbst Autofahren zu müssen. Die Nacht war lang und aufregend gewesen. Immerhin lebte sie noch und Sesshoumaru schien nicht wütend darüber zu sein, dass man ihr seinen Schützling unter der Nase weg entführt hatte. In den letzten Jahren hatte sie einiges über Dämonen, und vor allem ihn, gelernt, das sie nie zuvor geglaubt hatte. „Nun, komm, Rin. Wir sollten schlafen und Sesshoumaru-sama möchte sich gewiss die Rüstung ausziehen.“ Kagome war anscheinend mit Inu Yasha verschwunden. Nun, die Aufregungen dieser Nacht mochten auch die Studentin an ihren Rand gebracht haben, zumal sie, Kikyou, nicht wusste, was dieser im Schloss so alles widerfahren war. Dass sie nicht einmal daran gedacht hatte, dass Rins Aufregung wohl auf den Kindermord zurückgehen würde, passte eigentlich wenig zu ihr. Was Kagome da wohl zugestoßen war? Oder: was hatte sie mit ansehen müssen? „Auf Wiedersehen, Sesshoumaru-sama.“
 

Dieser blickte ihnen nach. Er hätte Rin gern in seiner Nähe – aber der pflichtbewussten Priesterin war kaum zuzumuten, ihren Schrein zu verlassen und ausgerechnet in ein Schloss voller Dämonen zu ziehen. Nun, es würde kaum etwas dagegen sprechen, dass er öfter mit Rin und Kikyou einen Ausflug machte, wenn seine Pflichten vorüber waren. Kinder gingen doch gern in den Zoo? Oder fuhren ans Meer? Er musste sich wirklich einmal erkundigen, ehe er Kikyou einen entsprechenden Vorschlag machte, am besten bei seinem Halbbruder. Dann blieb sein Interesse an Rin in der Familie. Und mit Kikyou hätte er wenigstens eine ruhige, ja, angenehme Begleitung.
 

Inu Yasha hatte seine Freundin derweilen einfach aus der Vorhalle in einen Seitengang, dann in seine Zimmer gezogen, bemüht, dass ihnen niemand zuhören konnte, und sie in die Arme genommen: „He, jetzt ist doch alles gut, nicht weinen, ja? - Ich meine, es ist doch alles gut?“ erkundigte er sich besorgt.

„Ja, ich denke schon. Es...es sind ja alle Kinder draußen, oder?“

„Ja. Alle Kinder.“ Das mit den Erwachsenen sollte sie mitbekommen haben, aber irgendetwas sagte ihm, dass er sie momentan da besser nicht daran erinnern sollte.

„Immerhin etwas. Ich...oh, ich fühle mich so schlecht. Ich habe diesen...diesen Manten umgebracht!“

„Ehrlich gesagt, wenn ich auch nur einen Blick riskieren konnte: der war gerade dabei, dich fröhlich zu erwürgen. Ich hatte mit Hiten alle Hände voll zu tun. Wenn du ihn nicht geläutert hättest, hätte er dich umgebracht und wäre mir dann in den Rücken gefallen. Du hast uns beiden damit das Leben gerettet. - Ich meine, du erinnerst dich an Ryuukossei? Da war ich auch nicht gerade glücklich darüber, diese Rieseneidechse in Einzelteile zerlegt zu haben. Aber sonst wären auch Vater und Sesshoumaru gestorben, von mir ganz zu schweigen. Es gibt eben ab und an Mistkerle auf dieser Welt, die man mit netten Worten nicht überzeugen kann.“ Sie schien dabei völlig zu vergessen, dass es auch ihr und Kikyous Pfeil gewesen waren, die Naraku den Rest gegeben hatten. Schön, er und sein Bruder hatten schon gut vorbereitet, aber dennoch. Was sollte es. Er zog sie enger an sich: „Es ist nicht schön, aber wenn du das nicht getan hättest, wären wir beide nicht mehr hier. Und vielleicht auch nii-san nicht mehr. Ich habe Sesshoumaru doch...naja..ich habe Naraku abgelenkt und der bekam die Chance sich zu befreien.“

„Ich weiß ja, aber irgendwie...Inu Yasha...darf ich heute Nacht bei dir schlafen?“

„Äh, ja....wenn du magst?“ Er war verwundert, ehe er begriff, dass sie einfach nur festgehalten werden wollte. Nun ja, auch, wenn er sich mehr erträumte, so würde er sie eben einfach festhalten: „Und morgen, nein, heute, fahren wir dann zusammen in die Uni, ja?“

„Ja.“ Plötzlich war sie sicher, dass morgen alles schon anders aussehen würde: „Danke, Inu Yasha.“

„Ich liebe dich.“

Da musste sie lächeln. Es war in der ganzen Zeit das erste Mal, dass er das sagte. Und ausgerechnet jetzt, ausgerechnet heute Nacht....Aber es war gut so, und so murmelte sie nur in sein Feuerrattengewand: „Ich dich doch auch.... Aber du musst doch eine Dämonin heiraten...“

„Blödsinn. Glaubst du wirklich, Vater hätte dich mitmachen lassen oder dir ein Stipendium gegeben, wenn er dich nicht schätzen würde?“

„Du....du meinst....?“ brachte sie hervor, zusätzlich verwirrt, dass ihr jahrelanges Problem mit ihm gar keines war.

Er schwieg. Aber er zog sie fester an sich und umarmte sie lange und zärtlich.
 

Es dauerte sechsunddreißig Stunden, ehe sich ein alter Spinnendämon in traditioneller Kleidung bei dem Taishou melden ließ. Wohlweislich trug er ein weißes Tuch in der Hand, auch unter Dämonen das übliche Zeichen eines Parlamentärs. Begleitet von Kriegern der Familie wurde er vorgelassen und ließ sich nach einer höflichen Verneigung vor dem Herrn der Hunde nieder, der wie meist einen dunklen Anzug trug. Dieser winkte und sie wurden allein gelassen.

Der Hausherr betrachtete seinen Gast: „Ich entsinne mich. Dein Name ist Kisho. Du warst bei den Verhandlungen ein Ratgeber deines Herrn.“

„Ich danke Ihnen, oyakata-sama, dass Sie sich noch an mich erinnern.“

Sehr höflich, dachte der Taishou. Und vorsichtig. Wer ist der neue Herr des Clans? Er etwa? „Nun, was ist dein Begehr?“

„In den vergangenen Stunden haben praktisch alle Mitglieder des Clans miteinander diskutiert, wer der neue Anführer werden sollte. Nach den...hm...Fehlern der letzten, wollten wir das nicht wiederholen. So kam die Mehrheit überein, Sie zu fragen, ob sich die beiden dämonischen Organisationen nicht unter Ihrem Befehl vereinen wollen.“

„Wie schmeichelhaft für mich. Nur meine ich mich zu entsinnen, dass einige Geschäfte des Clans meinen Grundsätzen und denen der Familie zuwiderlaufen.“

„In der Tat. Die Dämonen aus diesen, durchaus ertragreichen, Bereichen, waren denn auch dagegen. Dennoch hofft die Mehrheit, dass Sie....in der Lage wären, sie zu überzeugen.“

„Du bietest mir also an, den Clan zu übernehmen.“

Kisho senkte höflich den Kopf: „Nun, es wäre in unser aller Interesse, nachdem in den vergangenen Jahren doch....Unstimmigkeiten geschahen, die nur Sie und Ihre Söhne in der Lage waren zu bereinigen.“

„Du setzt deine Worte noch immer sehr gewandt, Kisho, und bist ganz sicher einer der weisesten Dämonen des Clans. So groß ist die Sehnsucht nach Frieden im Clan geworden?“

„Bedenken Sie, oyakata-sama, dass die Entscheidung, ob man zum Clan oder der Familie gehört, manchmal nicht freiwillig ablief, sondern nur dem unterlag, welche der eigenen Organisationen von wem aufgenommen wurde.“

„Ich verstehe durchaus. Aber ist dir bewusst, dass diejenigen, die sich nicht an meine Regeln halten, sterben werden?“

Der alte Spinnendämon lächelte: „Oyakata-sama, dieses Risiko trug der Clan bislang ebenso – nur, dass bei Ihnen, falls Sie sich nicht sehr geändert haben, die Regeln klarer sind.“

„Myouga!“ Und da der alte Flohgeist unverzüglich hereinkam: „Ein Gästezimmer für Kisho. Und ich wünsche meine Söhne zu sprechen.“
 

Eine Stunde darauf saßen seine Sprösslinge vor ihm. Inu Yasha war aus der Universität geholt worden, Sesshoumaru, auch wenn das besser keiner erwähnte, aus einem Spielwarenladen, da ja Rin nächste Woche Geburtstag hatte.

Der Herr der Familie berichtete kurz von dem Angebot, dessen Für und Wider er inzwischen überlegt hatte: „Kisho ist einer der ältesten Dämonen und ich kenne ihn seit Jahrhunderten. Kein Grund, an seiner Aussage zu zweifeln.“

„Nun, chichi-ue, es mag sein, dass man ihm nicht alles gesagt hat, eben aus diesem Grund,“ meinte sein Ältester langsam: „Und das nur ein Vorwand ist, einen neuen Krieg auszulösen.“ Vater sah das irgendwie zu einfach.

„Keh!“ machte Inu Yasha: „Glaubst du wirklich, sie haben Ryuukossei und Naraku, also, das Ende, vergessen?“

„Nein, aber eben darum. Neue Intrigen....?“

Der Taishou nickte etwas: „Drogenhandel und Waffenschmuggel sind lukrative Einnahmequellen. Die Dämonen dort werden das kaum freiwillig aufgeben.“

„Nicht, wenn sie dafür was anderes, ähnlich Gutes, bekommen,“ meinte Inu Yasha. Und da ihn alle ansahen: „Naja...sie erhalten viel Geld für hohes Risiko. Sinkt das Risiko, sinkt auch ihre Einnahme – man sollte ihnen nur klarmachen, wo ihr Vorteil liegt....“

„Man merkt doch, dass du neben dem Tourismus auch Betriebswirtschaft studierst,“ erklärte der Taishou anerkennend: „Sie bekommen ihr Leben und weiterhin Geld – man müsste nur zusehen, womit man sie beschäftigt. Ich könnte mir vorstellen, dass Dämonen, die das doch manchmal recht abenteuerliche Leben im Illegalen gewohnt sind, sagen wir, mit einem Leben in einer Bank nicht glücklich wären. Aber das hat Zeit.“

„Darf ich Sie noch etwas fragen, otou-sama?“ erkundigte sich sein Jüngster, warf allerdings einen Blick seitwärts: „Warum hat Tenseiga bei Rinishi und den anderen nicht funktioniert?“

„Das tat es auch bei Kagura nicht,“ erwiderte sein Halbbruder prompt: „Manchmal kann ich die Seele zurückholen – manchmal nicht. Ich vermute, dass das von der Todesart oder auch dem Zeitpunkt abhängt.“

„Tenseiga ist das Gegenstück zu meinem Schwert, Inu Yasha“ sagte der Taishou: „Ein Schwert der Hölle und eines des Himmels. Ich ließ es für Sesshoumaru schmieden, um Menschen und Dämonen zu retten, falls ich eines Tages übernommen werden sollte, und wahllos töte. Nun, bislang ist dies nicht geschehen, und ich hoffe, es bleibt dabei. - Dein Tessaiga dagegen ist das dritte Schwert, das dieser Welt, der der Lebenden, zugehörig ist. Zusammen sind die drei Klingen der drei Welten eine mächtige magische Waffe. Aber nichts, was ein sterbliches Wesen erschaffen kann, ist perfekt. Das sollte man nie vergessen. - Dann werde ich Kisho sagen, dass ich das Angebot annehme. Du, Sesshoumaru, wirst zunächst die Überwachung der bisherigen Clanmitglieder übernehmen, Royakan soll dich darin einstweilen unterstützen. Übrigens wirst du dann auch einen festen Assistenten benötigen. Jaken kann das übernehmen.“

Jaken? Inu Yasha ertappte sich dabei, fast zu grinsen. Er kannte den kleinen, grünen Dämon, dessen größter Vorzug in seinen Augen darin lag, loyal zu sein. Ansonsten fand er ihn etwas nervend. Aber bitte, er musste sich ja nicht mit ihm herumschlagen – und dass sein Halbbruder in der Lage war, Jaken den Mund zu verbieten, zweifelte er nicht an.

Sein Vater sah zu ihm: „Du, Inu Yasha, wirst dir die Bücher des Clans ansehen, auch und gerade, was die illegalen Geschäfte betrifft. Und überlege dir, wie man die Leute, die bislang in Schmuggel und Drogenhandel tätig waren, anderweitig einsetzen kann, gerade auch unter der Berücksichtigung der Abenteuerlust. Myouga soll dir zur Hand gehen. Ich werde mit Bokuseno und den anderen Anwälten einen Vertrag aushandeln, der die Vereinigung der beiden Organisationen klar regelt, auch gegenüber den Menschen. Es wäre fatal, wenn die Mitglieder des Clans das Gefühl bekämen, nicht gleichwertig behandelt zu werden. Rachelüsterne Intriganten kann und werde ich nicht dulden.“ Und genau aus diesem Grunde plante er, Inu Yasha in kurzer Zeit die Leitung des bisherigen Clans anzuvertrauen, natürlich unter seiner eigenen Beobachtung. Der Junge war halb Dämon, halb Mensch und wusste sicher wie kein anderer, wie es war, zwischen den Stühlen zu sitzen. Trotz aller menschlichen Impulsivität besaß er auch das Gefühl dieser Wesen für andere. Kein Dämon konnte selbst bei seinesgleichen so mitdenken. Die Hotels der Familie waren bislang ohne dauernde direkte Kontrolle ausgekommen, so würden sie das auch weiterhin. Vielleicht sollte er sie sich öfter selbst vornehmen? Sesshoumaru war dazu ausgebildet worden die Familie eines Tages zu übernehmen, da konnte der ihn sicher gut vertreten, wenn er öfter auf Reisen ging. Doch. Es gab genug Arbeit und zu dritt würde es einfacher werden, die Aufteilung sollte schließlich auch sein Leben erleichtern. Er wurde nicht jünger, aber auf die Loyalität seiner Söhne konnte er bauen.
 

So saßen der Herr der Hunde und seine beiden Sprösslinge drei Monate nach der Eingliederung des Clans in seinem Arbeitszimmer. Sesshoumaru hatte Bericht erstattet, die möglichen Sicherheitsprobleme namentlich benannt. Gut fünfzig Prozent des Clans waren über den Zusammenschluss angetan, fast einem Viertel war es gleich genug, um keinen Ärger zu verursachen. Unter dem anderen Viertel zeichneten sich einige potentielle Anführer ab.

Inu Yasha zuckte die Schultern: „Ja, das sind genau die Leute, die ich dir auch genannt hätte. Sie haben eine gewisse Abenteuerlust, aber auch Spaß am schnellen Geldverdienen durch den Drogenhandel gefunden. Und wohl auch der Macht. Der menschlichen Polizei sind sie überlegen, so dass sich das Risiko in Grenzen hält. Einige von ihnen könnte man ja als, sagen wir, Reiseführer oder -begleiter in wilden Gegenden einsetzen, aber kaum alle. Da sind ein paar Typen dabei, denen ich nicht einmal mein Pausenbrot anvertrauen würde, geschweige denn zahlungskräftige Kunden. Aber einfach umbringen kann man sie ja auch nicht.“

„Reiseführer, also?“ Sein Vater klang etwas amüsiert.

„Sie wollten doch, dass ich mir etwas überlege. - So etwas, oder auch bei Sicherheitstransporten. Natürlich müsste man höllisch aufpassen, immer nur einen von diesen Kerlen dabei zu haben, das andere müssten schon sehr zuverlässige Leute sein. Aber, ich denke, da hat nii-san oder auch Royakan einen Überblick.“

Sein Halbbruder warf ihm einen etwas erheiterten Blick zu. Vertrauen oder Faulheit? Vertrauen, entschied er dann. Ihre Arbeitsteilung war klar gewesen.

„Und wer einen Fehler begeht, stirbt.“ Der Taishou dachte ein wenig nach: „Ich teile deine Meinung, Sesshoumaru, dass es Problemfälle gibt, und deine, Inu Yasha, dass man sie nicht schon aufgrund von Verdachtsmomenten umbringen solle. Der Clan und die Familie sollen zu einer Einheit werden. Rachegefühle oder auch nur das Gefühl missachtet zu werden, könnten fatal sein.“ Der Vertrag, der die juristische Seite gegenüber den Menschen regelte, war auch bewusst behutsam aufgesetzt worden. Kisho und Bokuseno hatten das sehr gut hinbekommen. Es fehlten noch einige Kleinigkeiten, aber das würde sich aushandeln lassen.

Er wollte noch weitersprechen, aber die Tür wurde ohne Ankündigung geöffnet und Myouga flog förmlich herein, prallte hart auf den Boden:

„Herr....“ keuchte er, halb entschuldigend, halb anklagend.

Der Grund seines Fluges betrat das Arbeitszimmer des Herrn der Hunde mit einer tiefen Verneigung.

„Mutter?“ entkam es Sesshoumaru. Seit wann war sie derart unhöflich?

„Du siehst mich ein wenig überrascht,“ meinte auch der Taishou: „Ich kann diesem...Auftritt nur entnehmen, dass du überaus wichtige Nachrichten hast.“

„In der Tat,“ erwiderte sie: „Ich bitte um Nachsicht.“ Mit einer weiteren Verneigung ließ sie sich neben ihrem Sohn nieder: „Höre mich zuerst an, ehe du mir zürnst, mein Gebieter. - Gut, dass deine Söhne auch hier sind.“

„Geh, Myouga,“ befahl der Hausherr, jetzt doch etwas beunruhigt. Sie neigte nicht zu Übertreibungen: „Nun, meine Teure?“ Gebieter? So hatte sie ihn seit ihrer Trennung nicht mehr angesprochen.

Sie warf einen raschen Blick zur Tür, ehe sie schlicht gestand. „Ich bin schwanger.“

Noch einen Halbbruder? Inu Yasha war erfreut, ehe ihm bewusst wurde, dass er zum ersten Mal in seinem Leben seine männliche Verwandtschaft mit entgleisten Zügen sah. Beide dachten sichtlich das Gleiche: wie? Wer?

Der Taishou fing sich als erster: „Welche Überraschung, meine Teure, zumal wir auf Sesshoumaru so lange warten mussten.“

Gut, dachte dieser, damit war die Frage des Wer geklärt. Nun, eigentlich hatte er auch nicht erwartet, dass sich seine Mutter je einem anderen Mann hingeben würde. Sie war zu stolz dazu. Aber wann? Und wieso? Und...oh nein, nicht noch einen kleinen Bruder, den bestimmt er ausbilden durfte!

Inu Yasha hatte weniger Skrupel: „Na, herzlichen Glückwunsch, otou-sama...äh..“ Wie auch immer man die geschiedene erste Frau seines Vaters ansprechen sollte.

Sie sah zu ihm. Tatsächlich schien sich der Welpe über diese Nachricht schlicht nur zu freuen – als einziger der hier Anwesenden. Natürlich sahen der Taishou und auch ihr Sohn die Probleme, die sich aus einem zweiten, vollblütigen Nachkommen ergeben mochten. Machtkämpfe waren in Fürstenhäusern und auch manchen Organisationen nur zu üblich. Zum Glück konnte sie das ausräumen: „Soweit ich weiß, wird es ein Mädchen.“

Ein Mädchen? Sesshoumaru hätte fast etwas gesagt. Bislang hätte er schlicht angenommen, sein verehrter Vater eigne sich nicht für Töchter, sei zu stark dazu. Nun, immerhin würde das nur seinen eigenen Platz als Nachfolger sichern.

„Eine kleine Schwester? Wie süß!“ Inu Yasha bemerkte, dass er etwas Falsches gesagt hatte, denn seine sozusagen Stiefmutter funkelte ihn förmlich an. Vermutlich waren Dämonen nie süß.

„Ein Mädchen kam seit langem nicht in der Familie vor,“ erklärte der Taishou neutral: „Die Erziehung würdest gewiss du selbst übernehmen.“

„Für die ersten Jahre sehr gern,“ erwiderte seine Ex-Frau: „Aber, wie du weißt, liegt das bei dir.“

Nun, wenn sich ihr Sohn von seiner Überraschung, die offenbar an Unbehagen grenzte, erholt hatte, würde er sich seiner Verpflichtung stellen, da war sie sicher. Ihr kleines Mädchen würde bestimmt von seinen älteren Brüdern umhegt und beschützt werden. Nicht zuletzt von seinem Vater.

Das konnte noch sehr interessant werden. Sie selbst sollte da eher mehr die Beobachterin spielen – natürlich, ohne ihre Pflichten als Mutter oder gegenüber dem Taishou zu vernachlässigen. Und wer weiß, vielleicht würde er sich doch entschließen, ihre Verbindung erneut offiziell zu machen, ehe die Kleine geboren wurde. An ihr sollte es nicht liegen. Sie bemerkte seinen Blick und neigte den Kopf. Er kannte sie, das musste sie zugeben.

„Lasst uns allein!“ befahl der Taishou nur noch. Als seine Söhne gehorcht hatten, fragte er: „Du möchtest wieder zu mir?“

„Es wäre für die Kleine sicher besser.“

„In der Tat. So sind wir uns einig. - Inu Yasha möchte, wenn er mit dem Studium fertig ist, Kagome heiraten, nach Menschenrecht. Du wirst doch sicher die Freundlichkeit besitzen, ihr beizubringen, wie sie mit den Medien und auch den Dämonen umzugehen hat.“

Sie holte ein wenig Atem, als sie begriff, dass er ihr noch einmal eine Chance geben wollte, ihre Meinung zu ändern. Nun, er sollte sehen, dass sie in seiner Menschenfreundlichkeit keine Schwäche mehr entdeckte: „Wie du willst, mein Gebieter.“
 

**
 

Friede , Freude...

Nun ja.

Nächste Woche wird der Epilog zeigen, was außerhalb der höchsten Familie noch für Folgen geschehen sind.
 

Bye
 

hotep

Epilog

Sesshoumaru schwieg, bis Jaken geendet hatte. Als er dann den Blick auf seinen Assistenten richtete, schluckte der. Darin lag eine Kälte, die ihn nur beten ließ, dass er keinen Fehler begangen hatte. Aber er hatte doch nur die neuesten Nachrichten über die Bandenkriege gebracht...? Und dann hatte der kleine grüne Dämon das Gefühl, gleich sterben zu sollen – der Älteste des Taishou und momentan der Herr der Familie lächelte. Das war definitiv kein gutes Zeichen, wie Jaken in den Monaten engster Zusammenarbeit schon mitbekommen hatte. Er hatte den jungen Herrn einmal zu einer Strafaktion begleitet, als ein Dämon des ehemaligen Clans gegen die Anweisung Medikamente unterschlagen und als Drogen verkauft hatte. Auch da hatte der junge Hundedämon nur flüchtig gelächelt, als der andere sein Schwert zog – und er ebenso, um die Sache kurz und schmerzhaft zu beenden: „Äh....Sesshoumaru-sama?“ brachte Jaken irgendwie heraus.

„Geh.“

Während der Assistent hastig gehorchte, nur zu froh hier heil herauszukommen, stand Sesshoumaru auf und trat an das Fenster, unwillkürlich Boa und Krawatte zurecht zupfend. Eine geringe Nervosität hatte ihn befallen, auch, wenn das für einen Dämon, zumal seines Standes, unziemlich war.

Er hatte Recht behalten. Und Vater hatte wohl einen Punkt übersehen bei all seinen Zukunftsplanungen. Aber das half nun nichts. Seine Eltern waren mitsamt der kleinen Takara auf längeren Familienurlaub in der Südsee – und die Verantwortung für die Familie und die neu hinzugekommenen Mitglieder des Clans trug allein er. Sicher, die meisten ehemaligen Clanmitglieder waren eingegliedert, soweit zufrieden, wie sie behaupteten, und er gab zu, dass Inu Yasha da viel Geschick gezeigt hatte. Gut ein Viertel waren allerdings unzufrieden geblieben. Von denen wiederum waren die Hälfte spurlos verschwunden, aber solange sie sich an die Verträge hielten, keine Menschen töteten, sollten sie ihre Freiheit haben. Natürlich keinen Schutz.

Womit Vater wohl nicht gerechnet hatte, war, dass in die Bereiche, die die Dämonen aufgaben, wie Drogengeschäfte, Prostitution und Schmuggel, nun Menschen vordrangen. Zum Teil wurden sie sogar von ehemaligen Angehörigen des Clans geführt. Und es war in den letzten Wochen immer wieder zu schweren Bandenkriegen in der Stadt gekommen.

Rin.

Er hatte ihr ein friedliches, sicheres Leben geben wollen – und nun schien es, als ob die Stadt noch eher in Anarchie versinken würde als zuvor, als die Kriege sich auf Dämonen beschränkt hatten. Der Clan hatte Verbrecher kontrolliert, ja. Aber war das nicht besser gewesen, als das, was nun auf alle zukommen würde?

Was sollte er tun?

Vater auf einen Fehler aufmerksam machen? Damit zugeben, dass er sich mit der Situation überfordert fühlte? Seine Eltern hatten endlich wieder zueinander gefunden, suchten endlich Nähe für sich und die neugeborene Schwester – und er würde eher sterben als zugeben, dass sie sich in ihm getäuscht hatten, er nichts zustande brachte. Nein. Er musste allein entscheiden, was er nun tun sollte.

In diesem Moment begriff er zum ersten Mal, wie unendlich schwer die Last war, die Verantwortung für alle Dämonen zu tragen, die sich seinem Schutz unterstellt hatten, für die Menschen, die die Vertragspartner waren, für Inu Yasha, für Rin und alle anderen.

Vater...

Sollte er ihn doch anrufen?

Aber dieser kannte diese Probleme sicher nur zu gut. Und er war kein Kind mehr, das sich hilfesuchend in Vaters Arme flüchten konnte.

Inu Yasha.

Ja. Sein Halbbruder. Er würde ihm bestimmt zur Seite stehen. Die Nacht auf der Bombe und auf den Lavafeldern hatte er ihm nie vergessen. Sicher, der war neben dem Studium und dem Clan auch noch mit Hochzeitsvorbereitungen beschäftigt, aber er würde ihn nicht im Stich lassen. Dazu musste er ihm allerdings sagen, was er wollte....

Was sollte er nur tun? Vater hatte gewollt, dass Dämonen keine Verbrechen mehr begingen. Aber war es nicht sinnvoller, die Sache weiter zu kontrollieren, damit eben keine Straßenkriege ausbrachen, umgekehrt die Familie wusste, was wer tat und zur Not mäßigend eingreifen konnte?

Inu Yasha sollte die Firmen des ehemaligen Clans führen. Also müsste er mit ihm darüber reden, auch darüber, dass er da wohl etwas anderes bekam, als Vater ursprünglich gedacht hatte. Und dann, im Interesse aller, sollte man der Sicherheit den Vorrang vor der Achtung vor dem Gesetz geben.

Recht und Gerechtigkeit waren ein Unterschied. Aber Rin sollte den nie beklagen müssen.

Er warf einen weiteren nachdenklichen Blick aus dem neuen Hochhaus der Familie über die Stadt und ein leises Lächeln zuckte um seinen Mund, ehe er sich umdrehte und die Taste der Sprechanlage drückte: „Jaken,“

„Ja, Sesshoumaru-sama?“

„Ich möchte, so rasch es geht, meinen Bruder wegen der Schießerei am Hauptbahnhof sprechen.“ Und ihm dann sagen, dass er gegen Vaters eigentlichen Befehl in Zukunft auch Verbrecher zu seinen Mitarbeitern zählen sollte, im Interesse aller Dämonen und Menschen.

Wenn seine Eltern zurückkehrten, würden sie ihn verstehen. Es gab kein Schwarz und Weiß, wie er als Kind immer geglaubt hatte, auch sehr viele Grautöne dazwischen. Seltsam, dass Inu Yasha das schon viel eher begriffen hatte. Nun, wohl auch, weil er eben zwischen den Arten lebte. Aber das andere an ihm, die Loyalität und auch der Kampfgeist, lagen eindeutig in der Familie.
 

**
 

Ich hoffe, es hat euch gefallen.

Noch läuft ja der Dämonenkrimi. Eine neue Brüdergeschichte, Ein guter Tag zum Sterben, wird noch kommen, aber da bin ich noch nicht fertig, auch, wenn es mittlerweile 17 Kapitel sind. Wenn sie fertig ist, geht sie online, wie immer.
 

bye
 

hotep



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Von: abgemeldet
2014-12-18T19:08:16+00:00 18.12.2014 20:08
Wieder einmal lese ich diese Geschichte, und wieder einmal bin ich begeistert.
Einziger Punkt der mir einfällt.
Als Kouga gegen Inuyasha öffentlich "vorgeht" hätte ich am liebsten gehabt dass der Taishou einen öffentlichen Trainingskampf mit Inuyasha begonnen hättel.
In dem Inuyasha in der Lage ist Taishou zu verletzen.
Wichtig dabei wäre danach die Worte des Taishou gewesden die vom Sinnher gewesen seiun hätten sollen:
"Du Inuyasha bist nun eines von nicht einmal fünf Wesen auf dieser Welt, die mich verletzen könnnen. Bdenkt man deine Jugend ..."
In anbderen Worten, es wird aller Welt klar dass Inuyasha seinen Klassenkameraden so weit überlegen ist wie ein Mensch einer Ameise (drauf trtetn ohne es zu bemerken)
Von:  sesshomaru13
2014-09-26T17:44:23+00:00 26.09.2014 19:44
Ich finde es auch süß, dass Sesshomaru eine kl. Schwester bekommt!!!
Von:  Yvibel
2012-06-02T07:02:31+00:00 02.06.2012 09:02
Und noch eine Geschichte, die ich schneller als erwartet endlich nachholen konnte zu lesen.^^ Hat mir auch diesmal sehr gut gefallen. Zugegeben am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig aber man kommt gut damit zurecht, da viele Elemente der eigentlichen Geschichte geblieben sind. Sehr amüsant und damit eine gelungene Abwechslung zur mittelalterlichen Vertrautheit der Inuyasha-Story. Ich hoffe, dass ich in nächster Zeit noch ein bischen mehr Lesestoff aus deiner Feder aufholen kann und freue mich in diesem Sinn auf die nächste Geschichte.

Liebe Grüße
Yvi
Von: abgemeldet
2011-03-26T00:09:04+00:00 26.03.2011 01:09
nette FF
Narakus pläne waren klasse und die persönlichkeiten der akteure waren gut getroffen.
wie bei dir zu erwarten war.
(Bin leider zu müde mehr zu shreiben)

JLP
Von: abgemeldet
2011-03-25T22:23:32+00:00 25.03.2011 23:23
Sehr intresantes Kapitel
I freue mich zu lesen, was naraku vorhat

JLP
Von: abgemeldet
2011-03-25T22:13:42+00:00 25.03.2011 23:13
Gutes Kapitel, wenn ich auch sagen muss das der Kampf selbst etwas kurz war und mich sehr überrascht, wie schnell danach alles ging

JLP

Von: abgemeldet
2011-03-25T22:02:24+00:00 25.03.2011 23:02
Herliches Kapitel.
Die Autofahrt des Sessomaru und die Kommentare der unfreiwilligen Mitfahrer sind sehr gut gemacht.
Wie Totosai gleichzeitig versucht, zu verschwienden, oder Myjogas Los, den zwei "Damen" die Situation zu erklären. Einfach köstlich (der Komentar zur Zwangsjacke und der Spruch von Totosai zu der max 50 km/h waren am besten)

Weiter so

JLP
Von:  Weissquell
2011-03-03T11:03:34+00:00 03.03.2011 12:03
Hehehe, Inu Yasha erfält eine einmalige Würde! Er darf auf Papa reiten *kicher*. Kann mir schon vorstellen, dass Sessi auf die Barrikaden gegangen wäre, wenn er seinen Bruder hätte tragen müssen. Musste sehr schmunzeln ;-)

Na und diesmal überlebt der gute Fledermaus-Papi vermutlich. Und die rote Schutzkugel dürfte noch sehr hilfreich sein um in Narakus Schloss zu kommen und Shippo zu befreien, und wen er noch so kidnappen lässt. Mal gucken was mit Shippos Eltern so passiert. Es bleibt also spannend!

Feines Kapitel. Gut gemacht!

L.G. Weissquell
Von:  Weissquell
2011-03-03T10:40:54+00:00 03.03.2011 11:40
Und wieder erleben wir hier ein paar Querverweise zur Originalserie. Kikyos Tod und Wiederauferstehung, wenn auch anders als gekannt, Inu Yashas Kampf mit Goshinki, das zerbrochene Tessaiga und Inu Yashas Verwandlung. Ich warte ja im Grunde nur darauf, dass Sesshomaru sich Goshinkis Kopf schnappt um Tokijin draus schmieden zu lassen. :-) Aber vielleicht ist das hier ja nicht nötig, denn bisher scheint er mit Tenseiga ja zufrieden zu sein.
Na zumindest geht es ja hoch her dabei. Eigentlich müsste ja jetzt Inu Yashas Zahn in Tessaiga eingeschmiedet werden, aber er kann es ja auch nicht mehr "leichter" werden lassen. Also dürfen wir gespannt sein, was du dir da noch ausgedacht hast.
In diesem Sinne... *weiterlesengeh*

L.G. Weissi
Von:  ayakoshino
2011-02-13T21:39:32+00:00 13.02.2011 22:39
Wie süß ein kleines Schwesterchen, das ist ja mal was ganz neues! Eine wirklich tolle Geschichte, hat mir wirklich sehr gut gefallen! Man hat die Entwicklung der einzelnen Beziehungen sehr schön mitbekommen, die zwischen Sesshomaru und Inuyasha, diesem und Papi und auch die Annäherung von Sesshomarus Mutter und dem Taishou. Das Ende ist eher offen gehalten, vielleicht kommt da ja noch mal ein Zweiter Teil...^^
Ich freu mich jetzt jedenfalls schon auf die neue Brüdergeschichte und bin auf die Krimis gespannt, welche ich ja auch noch nachholen will!^^
lg ayako


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