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Shadowwalkers II

Kampf und Flucht
von

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Das Manuskript

Ashley saß in der großen Bibliothek des Klosters und starrte aus dem Fenster. Es schneite. Es schneite schon seit Tagen und der Schnee lag meterhoch auf den Straßen, Feldern und Wegen um und innerhalb des Klosters. Ashley war gestern Abend mitten in der Nacht hier her zurückgekehrt. Duncan hatte sie vor zwei Tagen los geschickt, um bei einem anderen Schattengänger in der Stadt trainiert zu werden. Doch dort war sie nie angekommen.

Lily hatte sie abgefangen und nur wenig später hatte sie sie in ein Hotel gebracht, in dem Ashley gestern Nacht allein aufgewacht war, Lily hatte eine Notiz hinterlassen: "Bis zum nächsten Mal, Engelchen!". Nur ein paar Worte, das war alles. Doch sie wusste, dass Duncan bestimmt mehr, als nur ein paar Worte für sie übrig hatte. Und er würde bestimmt einen anderen Ton anschlagen als Lily.

Sie war nun schon über ein Jahr bei den Schattengängern, doch ihr Training ging schleppend voran. Schlimm genug, dass sie eigentlich schon viel zu alt war im Vergleich zu anderen Schattengängern, doch Lily tauchte immer wieder auf und dann verschwand sie für eine Nacht, ein paar Tage oder sogar Wochen. Duncan hatte es auf seltsame Weise stets entschuldigt. Ashley sei ein Teenager und würde ihren Hormonen folgen. Und wenn Lily ihre Zeit mit ihr verschwendete, konnte sie nichts andres anstellen, was den Schattengängern nicht passte.

Doch andere waren nicht so gelassen, ob der Tatsache, dass Ashley nach wie vor regelmäßig Kontakt zu der Dämonin hatte, deren Einfluss sie fast ihr ganzes Leben ausgesetzt war. Ashley hatte sich an die strafenden Blicke und die falschen Nieser, die sich wie "Dämonenschlampe" anhörten gewöhnt, dennoch tat es jedes Mal aufs Neue weh. Vor allem, weil Ashley überhaupt nicht hier sein wollte. Sie wollte zur Schule gehen. Abends nach Hause kommen zu ihrer Mutter und ihrem Bruder, wollte mit Freunden in Discos gehen und irgendwo in der Stadt abhängen und sie wollte mit Lily zusammen sein. So wie es früher war. Doch das war ein frommer Wunsch, der sich niemals erfüllen würde.

Und auch Duncan würde nicht ewig so eine schützende Hand über sie halten. Irgendwann würde es ihm bestimmt nicht mehr eine Ausrede sein, dass Ashley Lily ablenkte, wenn sie mit ihr zusammen war. Und Ashley hatte das Gefühl, dieser Tag war heute. Schließlich hatte er sie bereits zwei Stunden warten lassen. Wahrscheinlich überlegte er sich, wie er sie loswerden konnte oder wo er sie einsperren würde, damit Lily sie nicht mehr finden konnte. Dieser Überlegungen schien er wohl müde geworden, denn nur wenig später trat er - endlich - ein. Ashley stand augenblicklich erschrocken von ihrem Stuhl auf. Es sollte eine Geste des Respekts sein, das war das erste, was sie gelernt hatte, nachdem man sie hier her gebracht hatte - vor Duncan hatte man Respekt zu haben.

Er bedeutete ihr, sich wieder zu setzen und nahm an seinem üblichen Stuhl Platz. Er hatte einen Stapel alter Bücher dabei, die er vor sich auf den Tisch legte. Ashley sah ihn an. Dabei fixierte sie seine Stirn, sie wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Sie erwartete einen wütenden Ausbruch, in dem er ihr alles Mögliche vorwerfen würde.

Doch er kam nicht. Duncan deutete auf die Bücher und sprach mit ruhiger Stimme: "Ich möchte, dass du die hier liest. Ich will, dass du dir ihren Inhalt genau einprägst. Jeder Schattengänger bekommt im Laufe seiner Ausbildung diese Bücher zu lesen - nur einmal und dann nie wieder." Ashley war so überrascht, dass er sie nicht zusammenstauchte, dass sie ihn nur verblüfft anstarren konnte.

Er bemerkte dies und fragte: "Gibt es ein Problem. Ich glaube doch, dass du lesen kannst und sie sind in deiner Sprache, also solltest du das schaffen." Ashley blinzelte verwirrt, beschloss dann aber sich lieber darauf zu konzentrieren, was Duncan ihr aufgetragen hatte. Warum sollte sie es herausfordern? Wenn er sie nicht zurecht weisen wollte, dann nahm sie das freudig hin.

"Um was geht es darin?" fragte sie mit krächzender Stimme. Sie räusperte sich. Sie wollte auf keinen Fall, dass er dachte, sie wäre mit etwas anderem beschäftigt. Duncan sah sie fest an: "Um das wichtigste Dokument unserer Geschichte. Um das, was wir das Manuskript nennen." Ashley lief es kalt den Rücken hinunter. Sie hatte schon oft davon gehört. Die anderen Schattengänger sprachen immer wieder davon. Doch was genau es war, hatte sie sich nie zu fragen getraut. Zumindest keinen Schattengänger. Als sie Lily mal danach gefragt hatte, war diese kreidebleich geworden und hatte ausweichend reagiert. Alles was Ashley aus ihr rausbekommen hatte, war, dass sie niemals wollte, dass sie es je zu Gesicht bekam.

Sie räusperte sich erneut und meinte vorsichtig. "Davon habe ich schon gehört. Die anderen unterhalten sich ständig darüber, aber sie sagen mir nichts." Duncan nickte. "Weil du die hier nicht gelesen hast. Erst dann kannst du die Bedeutung davon verstehen." Ashley legte die Stirn in Falten. "Was ist es denn?" Duncan lächelte milde: "Es ist eine uralte Prophezeiung, die vor Jahrhunderten verloren ging. Manche, darunter einige Dämonen meinen, dass es das Ende dieser Welt voraussagt wie die Geschichte in einem Buch. Deshalb nennen wir es das Manuskript."

Ashley war neugierig geworden: "Heißt das, dass die Dämonen es auch kennen?" Duncan nickte erneut: "Genau. Und sie suchen es, genauso wie wir. Vor vielen Jahrzehnten wurden kleine Teile daraus gefunden. In ihnen sollen Hinweise versteckt sein, wo der wichtigste Teil des Manuskripts verborgen ist. Doch niemandem ist es bisher gelungen es zu finden. Weder uns, noch denen."

Ashley überlegte eine Weile, dann fragte sie: "Und warum suchen wir es überhaupt? Wäre es nicht besser, wenn wir es im Verborgenen lassen? Ich glaube nicht, dass es gut ist, die Zukunft zu kennen." Duncan schenkte ihr einen mitleidigen Blick, der soviel bedeutete wie: Du hast keine Ahnung, Mädchen! Dann sagte er: "Nun, wir wissen nicht, ob es wirklich eine Prophezeiung ist. Was es ist, kann niemand mehr genau sagen. Im Laufe der Zeit haben sich so viele Legenden darum entwickelt, dass es auch ein Kochrezept sein kann, mit dem man dem Teufel persönlich um den Finger wickeln kann."

Er lachte, Ashley lachte mit ihm, doch sie gab sich damit noch nicht zufrieden. "Warum wollen wir es dann unbedingt finden, wenn es vielleicht nur ein dummes Stück Papier ist?" fragte sie unschuldig. Duncan stand auf und sah sie mit einem seltsamen Blick an, den Ashley nicht einordnen konnte. Es war Belustigung darin und Mitleid, aber auch Ärger und Wut. Dann sagte er: "Weil wir eines sicher wissen, wer auch immer das Manuskript bekommt hat Macht über alle anderen. Und wir können nicht zulassen, dass unsere Feinde diese Macht bekommen. Wer das Manuskript hat, hat den Krieg gewonnen."

Ashley sah ihn fragend an. Da war noch so einiges was sie darauf erwidern wollte, doch sie wusste, dass sie vorsichtig sein musste und Duncans Blick sagte ihr, dass er weitere Fragen nicht beantworten würde. Er wandte sich zum Gehen und deutete noch einmal auf die Bücher. "Lies. Danach wirst du alles wissen, was wir über das Manuskript in den Jahrhunderten zusammen getragen haben." Ashley nickte und griff nach dem ersten Buch, aus welchen einige Seiten herausstanden und dessen Einband so zerschlissen war, dass sie sich fragte, wie viele Hände diese Seiten schon umgeblättert hatten.

Gerade wollte sie anfangen zu lesen, als Duncan sich noch einmal umdrehte und ihr zurief: "Und falls du das nächste Mal auf dem Weg zu einem Auftrag verloren gehst, schreib wenigstens eine SMS an Emma, damit wir nicht die halbe Stadt nach dir absuchen müssen!" Ashleys Gesicht rief hochrot an. Duncan hatte es wohl doch nicht so einfach ignoriert.

"Das werde ich." antwortete sie kleinlaut und widmete sich dann den Büchern, als Duncan den Raum zufrieden verlassen hatte.



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