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Shadowwalkers II

Kampf und Flucht
von

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Eine unbequeme Wahrheit

Wenn Emma eines hasste, dann war es dieser dämliche Wachdienst. Mindestens einmal im Monat war es ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass innerhalb der Mauern des Klosters auch nachts alles seinen ordentlichen Gang ging. Und das war nicht wirklich eine glorreiche Aufgabe.

Sei es die aus dem Angel Dust kommenden und meist ziemlich angetrunkenen Schattengänger in ihre Schranken zu weisen und dafür zu sorgen, dass sie nicht zu viel Lärm verursachten. Oder auch auf Notrufe zu reagieren und eventuelle Verletzungen von denen, die aus dem Einsatz kamen zu versorgen.

Aber die meiste Zeit hieß es nur wie ein Wächter im Einkaufszentrum durch die langen Gänge zu schleichen und darauf zu warten, dass etwas passierte oder die Nacht vorbei war und man endlich selber etwas schlafen konnte. Früher hatte Emma der Wachdienst nur wenig ausgemacht. Es war eben ein Teil ihrer Pflichten.

Doch in den letzten drei Wochen war sie nun schon zum vierten Mal von Duncan dafür eingeteilt worden. Das ist auch eine Methode mir zu sagen, dass ich noch nicht sein hundertprozentiges Vertrauen genieße, dachte sie grimmig. Aber Emma hatte sich entschlossen, sich nicht von Duncan provozieren zu lassen. Dieses Geduldsspielchen würde sie eher gewinnen.

Und seit Lily im Gebäude fest gehalten wurde, schien die Gewissheit zu steigen, dass Duncan eher auf der Verliererstraße war, als sie. Denn – und das war etwas über das sich Emma nur im Geheimen freuen konnte – Ashley war noch nicht wie erhofft aufgetaucht, um Lily zu retten und auch anderweitig war es niemandem gelungen, sie ausfindig zu machen.

Und das ließ Emma innerlich immer wieder aufs Neue aufatmen. Einfach weil sie sich darüber freute, dass Duncan ihre beste Freundin nicht in die Finger bekommen würde. Und – auch wenn es etwas eigennützig war – so würde er nicht raus finden, dass sie tatsächlich dabei geholfen hatte, dass Ashley ihm entkam.

Allerdings quälte sie auch das Mitleid für Lily und das war etwas, dass sie nicht wirklich verstehen konnte. Obwohl sie ihr Duncans Pläne verraten hatte, blieb Lily eine Erzdämonin – ein Feind. Und so etwas wie Mitleid mit ihr konnte sie sich nicht leisten.

Während sie über diesen Gedanken brütete, schlenderte sie durch die Eingangshalle und überprüfte jede der Türen, schloss die offenen Fenster und überprüfte die Holztreppe, die in den Keller führte. Während sie mit einem von sich erschaffenen Feuerball den dunklen Kellerraum beleuchtete, ließ ein seltsames Geräusch, welches definitiv aus der Eingangshalle kam, sie aufhören.

Sie drehte sich um und rannte in die Halle. Instinktiv beschwor sie Flammensäulen herauf, die alle möglichen Auswege aus der Halle versperrten. Sie blickte sich um, konnte aber niemanden sehen. Sie zog die Stirn kraus und rief: „Wer zum Teufel ist da?“ Sie bekam keine Antwort. Also begann sie kleine Flammenbälle von den Säulen erstehen und durch den Raum fliegen zu lassen.

Die Luft wurde schon nach Sekunden dünn und die Temperatur glich langsam einer Sauna. Emma störte es nicht. Es war ihre Natur. „Okay, wenn ich das noch länger mache, könnte es sein, dass ich diesen Raum verkohle. Und wer auch immer du bist, du brennst mit, das schwöre ich!“

Keine Antwort und auch kein sonstiger Laut. Zumindest für einen langen Augenblick. Doch dann ertönte ein mildes Lachen hinter ihr. Und in einer Schrecksekunde ließ Emma die Flammen ersterben. Sie war wie erstarrt und konnte es kaum glauben. Langsam drehte sie sich um und starrte ungläubig auf ein Podest neben der Treppe, die nach oben führte.

Dort stand Ashley. Sie sah anders aus – ihre Haare waren abgeschnitten worden, eine dünne Narbe als letzte Erinnerung an das was sich selbst angetan hatte prangte auf ihrer Stirn und sie hatte ein selbstsicheres Lächeln aufgesetzt, wie Emma es schon lange nicht mehr bei ihr gesehen hatte.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die Tatsache, dass Ashley hier vor ihr stand, bei Emma angekommen war. Und dann dauerte es aber nur ein paar Sekunden, bis Emma begriff, dass das eine böse Sache war. Sie war so geschockt, dass ihre Stimme auf ein Flüstern reduziert war, aus Angst, irgend jemand im Haus könnte sie hören.

„Gott, Ash, was machst du nur hier?“ war alles, was sie sagen konnte. In ihrem Hals hatte sich ein Kloß breit gemacht und ihr Magen machte Anstalten, sich gleich zu entleeren. Ashley kam auf sie zu, immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen. „Was denkst du denn, warum ich hier bin?“ antwortete sie so lässig, als wäre dies hier ein Kaffeeklatsch und nicht ein für sie lebensgefährliches Unterfangen.

Emma packte ihre Arme und fand langsam die Fassung wieder. Immer noch mit gedämpfter Stimme, aber mit allem an Wut, was sie aufbringen konnte, darin, zischte sie ihr zu: „Bist du von allen guten Geistern verlassen? Wie kommst du überhaupt hier rein? Wenn dich jemand entdeckt… ist dir eigentlich klar, was man mit dir anstellen wird?“

Ashleys Lächeln schwand ein kleines Stück, aber ihre Miene strahlte immer noch eine Menge Ruhe und Selbstsicherheit aus. Und auch – und das machte Emma im Moment rasend – ein bisschen Überheblichkeit. Denn das konnte sie sich jetzt nicht im Geringsten leisten! „Ich musste sie sehen. Ich kann sie ihm doch nicht überlassen. Sie hat das auch nicht bei mir getan.“

Emma schüttelte ungläubig den Kopf. Sie hegte noch die vage Hoffnung, dass sie einfach den Verstand verloren hatte und das alles eine ziemlich düstere Halluzination war. „Du könntest sie niemals hier weg bringen, ohne den Alarm zu betätigen. Und dann müsste ich dich aufhalten, ist dir das den klar?“ Emma war dabei die Fassung zu verlieren.

Einem Moment lang schien dieser Glanz, der ihr diese Selbstsicherheit verliehen hatte, aus Ashleys Augen verschwunden zu sein. „Lily hat mich weg geschickt. Sie will mich nicht in Gefahr bringen.“ Emma schnappte kurz nach Luft und meinte dann trocken: „Das ist die wohl intelligenteste Sache, die sie dir je aufgeschwatzt hat.“

Ärger schlich sich nun in Ashleys Miene, aber er verflog schnell wieder. „Ich werde einen Weg finden. Vielleicht nicht heute, aber meine Chance wird kommen, glaub mir.“ Emma warf ihren Kopf in ihre Hände und schüttelte sich ungläubig. Warum verstand Ashley nicht, was das für Konsequenzen haben konnte?

„Wieso kannst du es nicht einfach lassen. Verschwinden und ein neues Leben anfangen wäre das was du jetzt tun solltest. Du hast die einzigartige Gelegenheit und verspielst sie so leichtsinnig. Wieso machst du das?“ Ashley sah verlegen zu Boden. Es war das erste Mal, dass sie diese Worte Emma gegenüber aussprach: „Ich will kein Leben ohne Lily. Ich liebe sie. Das habe ich immer getan.“

Emma blinzelte ein paar Mal ungläubig und dann brach es aus ihr raus: „Verdammt noch mal! Wie kannst du dich nur so von ihr abhängig machen? Sie hat dich ausgenutzt seit du ein Teenager warst. Sie hat dich belogen und betrogen und dich nur für die Befriedigung ihrer Triebe missbraucht. Warum in Gottes Namen ignorierst du das denn ständig? Warum willst du dich für sie opfern, wenn sie bis vor ein paar Wochen nie was für dich getan hat? Und das nur, weil du dir beinahe eine Kugel in den Kopf gejagt hast und das wegen ihr!“

Ashley schloss die Augen. Sie war nicht wütend oder empört über das was Emma ihr hier an den Kopf warf. Sie atmete tief durch. Es schien ihr sehr schwer zu fallen, das was sie nun sagen würde, auch wirklich sagen zu wollen. Doch dann sah sie Emma an und ihr Blick unterstrich ihre Worte um ein vielfaches.

„Emma, verstehst du es denn nicht? Sie hat mich nie benutzt oder belogen und schon gar nicht mißbraucht. Sie hat niemals etwas getan, was ich nicht auch wollte. Und sie hat nie geleugnet, was sie ist.“ Emma lachte grimmig auf. „Schon klar, aber sie hat sich an dich rangemacht, da warst du noch fast ein Kind. Wie alt warst du noch mal als ihr beide das erste Mal…“

Ashley unterbrach Emma. Es war Zeit für eine Wahrheit, die sie bisher immer für sich behalten hatte: „Ich wusste wer sie war und was ich war, lange bevor Duncan mich gefunden hat. Und auch lange bevor wir zusammen gekommen sind. Meine Familie wusste wer sie ist, noch bevor Duncan mich ihnen weggenommen hat. Sie hat mich beschützt so gut sie konnte. Und sie liebt mich, das weiß ich.“

Emma fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Diese Enthüllung war schlimmer als alles, was sie sich je vorgestellt hat. „Du hast gelogen.“ war alles, was sie sagen konnte. Sie fühlte sich schlimmer als zuvor bei dem Gedanken, dass Duncan rausfinden konnte, dass sie Ashley geholfen hatte. Und Ashley schien das nicht entgangen zu sein. „Ich habe nie behauptet, dass ich nichts davon gewusst habe, das hat Duncan nur immer angenommen und ich habe ihn in dieser Annahme schlichtweg nicht korrigiert.“

Emma schüttelte ungläubig den Kopf. Dann fügte Ashley hinzu „Ich musste das tun. Er hätte mir und meiner Familie sonstwas angetan, wenn er es gewusst hätte.“ Emma starrte zu Boden. Alle Wut schien aus ihr gewichen zu sein und an dessen Stelle war eine gähnende Leere getreten. „Mag sein.“ hauchte sie schwach. Ashley hatte sie aber gehört und nun flackerte die Wut in ihr auf.

„Mag sein? Du weißt, was er mit mir machen wollte, als ich im Krankenhaus lag. Du weißt, dass er nicht gerade ein Heiliger ist, wenn es darum geht, wie er seine Leute behandelt oder sie als Kanonenfutter mißbraucht. Mich hat er auch nur dafür benutzt, dass ich Lily ab und zu beschäftige, damit sie nichts tun kann, was ihm nicht passt. Egal wie oft er mir Vorträge darüber hielt, dass es nicht gut ist, dass ich mit ihr schlafe, die Tatsache, dass er mich ihr immer wieder ohne Protest nächtelang überlassen und mich schließlich allein in der Stadt hat leben lassen, zeigt doch, was er eigentlich darüber dachte.“

Emma atmete tief ein. Leise flüsterte sie: „Er hat mich auch eine Weile eingesperrt, nachdem du weg warst, nur auf einen Verdacht hin, den er nicht im Mindesten beweisen kann.“ Ashley schloss die Augen und atmete tief ein. Dann öffnete sie sie wieder und presste hervor: „Dann frage ich mich, warum du diesen Mistkerl dann auf eine höhere Stufe stellst als Lily. Sie mag ein Dämon sein, aber sie hat mich nicht ausgenutzt im Gegensatz zu ihm. Und auf die Idee, mich einzusperren, würde sie nie kommen.“

Emma sagte nichts, sie starrte Ashley nur an. Ashley legte ihr ihre beiden Hände auf die Schulter. „Du musst dich entscheiden, Emma. Ich kann und will nicht zulassen, dass er dich irgendwann umbringt. Er ist ein Lügner und wenn er dich schon wegen mir auf dem Kieker hat, wird er früher oder später dafür sorgen, dass du verschwindest. Und die Frage ist, Emma, ob du ihm die Gelegenheit dazu geben willst.“

Emma fand ihre Sprache wieder: „Was du da von mir verlangst, ist unvorstellbar!“ Ashley legte den Kopf schief. „Vielleicht jetzt im Moment. Aber es wird der Augenblick kommen, an dem du an einer Kreuzung stehst und einen Weg wählen musst. Und einer davon ist das, was du jetzt für so unvorstellbar hältst.“

Emma lächelte gequält, sie hatte Tränen in den Augen. Ihr erster Eindruck, dass Ashley anders als vorher war, hatte nichts mit ihrem Aussehen zu tun. Es schien, als sei sie aus einem Schlaf erwacht. Als sei sie nun endlich nach so langer Zeit sie selbst. Und Emma war sich nicht sicher, ob sie das gut oder schlecht finden sollte.

„Und wann soll das sein?“ krächzte sie mit tränenerstickter Stimme. Ashley lächelte ein breites und selbstbewusstes Lächeln und meinte: „Das weißt du, wenn es so weit ist.“ Dann drehte sie sich um und ging Richtung Eingangstor. Noch bevor sie durch die Türen hindurchschritt, war sie verschwunden, gerade so, als hätte sie sich unsichtbar gemacht.

Emma stand noch eine Weile und sah ihr nach. Und in ihr dämmerte langsam eine quälende Erkenntnis: Diese Sache war noch lange nicht vorbei. Und sie würde größere Auswirkungen haben, als sie anfangs dachte. Und es konnte sie ihr eigenes Leben und ihre beste Freundin kosten. Wahrscheinlich aber wohl eher beides.



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