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Shadowwalkers II

Kampf und Flucht
von

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"Um dich wieder zu sehen..."

Obwohl Lily nun schon eine ganze Weile in ihrem kleinen Gefängnis lebte, konnte sie sich nicht wirklich daran gewöhnen. Ein bedeutender Grund dafür war, dass Duncan sich nicht die Mühe gemacht hatte, ihr eine Schlafgelegenheit in den Bannkreis zu stellen. Und da Lily nun mal auch Schlaf brauchte und einfach nicht auf ihrem Stuhl schlafen konnte, lag sie oft auf dem Boden.

Irgendwann hatte Emma wohl Mitleid mit ihr gehabt und ihr ein Kissen und eine Decke gebracht. Wie sie das vor Duncan und den anderen rechtfertigen wollte, wusste Lily nicht und es war ihr auch irgendwie egal. Sie war nur froh, dass sie es getan hatte.

In den letzten Tagen hatte sie nur selten jemanden zu Gesicht bekommen. Wahrscheinlich konnte sie von Glück sagen, dass man ihr ab und zu etwas zu essen brachte. Einmal war Emma kurz herein gekommen und hatte ihr eine Schüssel voll Eintopf gebracht und dabei murmelnd ein „Wir haben von Ashley noch nichts gehört.“, anbringen können.

Lilys Antwort war nur ein dankender Blick. Obwohl sich Lily inzwischen sicher war, dass Duncan sie nicht ständig beobachtete, war es sicherer, davon auszugehen, dass er es vielleicht doch tat. Damit er nicht doch einmal etwas aufschnappte, was er nicht hören sollte. Was mit ihr passierte, war ihr inzwischen egal, Emma aber war eine andere Geschichte.

Und Ashley wäre nicht glücklich, wenn sie erfahren würde, dass Emma letztlich doch noch wegen ihrer Beteiligung an ihrer Rettung auffliegen würde. Oder Ärger bekommen würde, weil sie zu Lily freundlicher war, als ein Schattengänger zu einer gefangenen Dämonin sein sollte.

Da Lily kaum einen anderen Zeitvertreib hatte, als Sonnenstrahlen zu zählen oder Staubkörner wegzupusten, war sie ziemlich hellhörig auf jedes noch so kleine Geräusch. Da dieses Zimmer in einem oberen Stock lag, war sie auch weit weg von den anderen Schattengängern und hörte nur selten jemanden im Treppenhaus sprechen oder die Stufen auf- und abzusteigen.

Vor ein paar Minuten war die Sonne untergegangen und das Zimmer wurde von den Lampen erleuchtet. Es war wohl ein bösartiger Scherz von Duncan, dass er dafür sorgte, dass auch nachts das Zimmer hell erleuchtet war. Lily selbst kannte sich mit Folter aus und das war die subtilste Form von Folter, ohne jemanden direkt zu verletzten. Und es war eine effektive Methode.

Aber Lily wollte sich davon nicht klein kriegen lassen. Sie legte sich auf den Boden und schloss die Augen. Nach einer Weile konnte sie ignorieren, dass es im Zimmer taghell war. Wenn man müde ist, dann kann man überall schlafen. Doch dann fuhr sie mit einem Mal kerzengerade in die Höhe. Sie war sich ganz sicher, dass sie hastige Schritte oben im Treppenhaus bemerkt hatte.

Den Blick auf die Tür gewandt, wartete sie, dass jemand eintrat, aber nichts passierte. Sie war sich schon sicher, dass die Person wahrscheinlich nicht bis zur Tür gekommen war, als sie im Zimmer seltsam verhaltene Schritte hören konnte. Sie stand auf und blickte sich um. Was zum Geier ging hier vor? Wurde sie jetzt etwa verrückt? Hatte Duncans Psychofolter wohl doch Früchte getragen?

Während sie darüber nachdachte, durchbrach eine Stimme die Stille im Raum und Lily entfuhr ein kurzer Schrei. „Bist du allein?“ fragte die Stimme. Lily rieb sich die Augen. „Wer ist da?“ rief sie ziemlich angriffslustig, obwohl sie keine Ahnung hatte wo ihr Gegner war und wer ihr Gegner war. Offenbar war ihrem Gegenüber die Antwort darauf wohl zu blöd, denn es blieb ruhig.

Aber Lily hörte Schritte und sie hörte hastige Atemzüge, was auf einen menschlichen Eindringling schließen lies. Bevor sie sich aber weiter der Frage danach widmen konnte, wurde das Rätsel mit einem Mal gelöst. Wie aus dem Nichts erschien einen Meter vor ihr, gerade vor dem Kreis eine Gestalt. Lily war so überrascht, dass sie einige Augenblicke brauchte, bis sie verarbeitet hatte, wer da vor ihr stand.

„Mein Gott… Ashley?“ flüsterte sie mit schwacher Stimme. Und tatsächlich stand sie vor ihr. Es waren nur Tage gewesen, die sie getrennt waren, aber es schien ein ganzes Leben her gewesen zu sein. Ashley hatte ein unschuldiges Lächeln auf den Lippen. Sie betrat den Kreis ohne Mühe. War ja auch nicht weiter verwunderlich, denn sie war ja eine Schattengängerin und der Bannkreis band nur Dämonen.

Als sie direkt vor ihr stand, sah Ashley Lily in die Augen und meinte: „Du siehst müde aus.“ Lily blinzelte noch mal und dann schien endlich die Tatsache bei ihr angekommen zu sein, dass es Ashley war, die vor ihr stand und sie zog Ashley an sich und presste einen Kuss auf ihre Lippen, den Ashley erwiderte. Sie schlang die Arme um Lilys Hals und zog sie näher an sich.

Lily fühlte sich wie im Paradies. Vergessen war ihre Gefangenschaft an diesem Ort, vergessen war der Ärger um das Manuskript und vergessen war die Tatsache, dass Ashley nicht hier sein durfte – bis sie auf Lily einbrach und sie sich von Ashley löste. Sie strich ihr mit der Hand über das Gesicht und plötzlich spürte sie ihre Augen brennen, wo sich langsam Tränen bildeten.

„Oh Mann, was tust du denn hier? Ist dir denn nicht klar, wie unsagbar dumm das ist!“ brachte sie schwach hervor. Für einen Moment erschien ein beleidigter Ausdruck auf Ashleys Gesicht, dann verschwand er wieder. „Mir ist egal ob es klug oder dumm ist, ich ertrage es nicht, dass du hier gefangen bist. Ich bin hier, um dich wieder zu sehen und ich hole dich jetzt hier raus!“ Hastig schüttelte Lily den Kopf. „Mein Engel, das schaffst du nicht.“

Ashley hauchte Lily einen zarten Kuss auf die rechte Wange. „Ich kann dich hier rausholen. Den Kreis zu brechen ist ein Klacks und dann…“ Lily unterbrach Ashley und drehte sich von ihr weg. „Und dann was? Sobald du den Kreis brichst werden sie es wissen und wir werden es nie schaffen, hier raus zu kommen, ohne dass man uns schnappt.“

Ashley sah zu Boden. „Ich habe vor Duncan und den Idioten, die ihm zuhören keine Angst. Ich kann mich unsichtbar machen. Und wenn es sein muss, dich auch, Lily.“

Für einen Moment wollte Lily widersprechen und fragen, wie Ashley auf die komische Idee kam, dass sie sich unsichtbar machen konnte. Aber dann erinnerte sie sich, wie Ashley plötzlich vor ihr aufgetaucht war. Und sie entschied sich einfach, diese Sache so stehen zu lassen und nicht darüber zu diskutieren.

„Selbst wenn dir das gelingt, Ashley, kannst du aber nicht verhindern, dass Duncan mich auf dem Grundstück aufspüren kann, solange ich hier bin. Unsichtbarkeit schützt nicht mein Dämonenblut vor der Entdeckung durch die Schutzzauber, die über diesem Ort liegen, das weißt du doch.“ Ashley sah zu Boden. Sie wirkte wie ein kleines Kind, das trotzig auf dem Boden auftreten wollte. Und ob sie wusste, dass es so war, aber es war ihr egal gewesen.

Lily nahm ihren Kopf und legte ihn an ihre Schulter. Ashley schmiegte sich fest an Lily, die ihr zuflüsterte: „Solange ich hier im Kloster bin, kannst du mich nicht hier weg holen. Es ist wichtiger, dass du in Sicherheit bist.“ Ashley fuhr auf. Eine Erkenntnis war ihr ins Gesicht geschrieben, aber sie schwieg. Und Lily wollte nicht fragen, sie küsste Ashley noch einmal und meinte dann: „Du musst jetzt gehen, bevor sie dich erwischen.“

Ashley hatte Tränen in den Augen, als sie antwortete: „ Ich werde dafür sorgen, dass du hier raus kommst. Es wird sich eine Gelegenheit bieten. Du wirst wissen, wenn es soweit ist.“ Lily runzelte die Stirn und meinte dann nur: „Wenn du das sagst.“ Und nach einem letzten, viel zu kurzen Kuss verschwand Ashley plötzlich. Bevor sie den Raum verließ flüsterte sie nur für Lily hörbar: „Ich liebe dich.“

Lily antwortete: „Ich liebe dich auch, Engelchen.“ Aber sie war sich nicht sicher, ob Ashley sie noch gehört hatte.



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