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How about truth

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The pain of catastrophe

How about truth 7
 

~ The pain of catastrophe ~
 

Als Tohru aus dem Bus stieg und den kurzen Weg von dort zu ihrem Haus zurück gelegt hatte, staunte er nicht schlecht. Auf der Mauer vor dem Haus saß Wataru und starrte ins Leere. Seit er von der Sekretärin abgeholt worden war, hatte keiner der vier etwas von ihm gehört. Allerdings hatte er auch seine Schultasche plus Handy in der Schule gelassen. Yuusuke hatte sie nachher mitgenommen, um sie ihm zu geben. Sie hatten sich große Sorgen gemacht, da ihr Freund nicht zurück gekommen war. In der Klasse waren die größten Spekulationen ausgebrochen, über den Grund seines plötzlichen Verschwindens. Und nun saß Wataru hier auf der Mauer vor seinem zu Hause. Er war vollkommen durchnässt, denn er hatte weder einen Schirm dabei, noch gab es hier eine Möglichkeit sich unterzustellen und vor dem Regen Schutz zu suchen, der immer noch unerbittlich auf die Erde herabprasselte.

Wataru musste schon eine ganze Weile hier sitzen, denn seine Haare hingen nur noch in nassen Strähnen herab und dicke Regentropfen fielen von den Spitzen der Strähnen herab. Sein Hemd klebte an seinem Körper, genau wie seine Hose.

„Wataru!“, entfuhr es ihm erstaunt und er eilte sofort zu seinem Freund hin, um den Schirm über ihn zu halten. Der Klang von seinem Namen schien diesen aus seinen Gedanken zu reißen, denn er sah Tohru an.

„Was ist passiert? Wieso sitzt du hier im Regen?“, wollte er wissen. Es wunderte ihn ein wenig, ihn hier vorzufinden und nicht bei Yuusuke. Denn irgendetwas war vorgefallen, so viel war klar.

„Sie hat es getan, Tohru. Sie hat es endlich getan…“, stammelte Wataru. Sein Gesichtsausdruck ließ ihn verloren wirken.

„Wer hat was getan?“, fragte er nach. Er hatte wirklich keine Ahnung, was der andere meinte. Aber er wusste, dass er ihn möglichst schnell ins Trockene kriegen sollte. Zum Glück kamen seinen Eltern heute erst spät nach Hause, genau wie seine Schwestern, die noch zu ihrem Club in der Schule gingen. Die Kleinste war bei einer neuen Freundin.

„Meine Mutter… sie hat es endlich geschafft… sich… tot zu saufen.“, antwortete der andere tonlos.

„Oh mein Gott, Wataru!“, Tohru war wirklich überrascht und entsetzt. Kein Wunder, dass sein Freund so mitgenommen aussah. „Das kannst du mir gleich drinnen erzählen, wenn du willst, heißt das. Aber jetzt solltest du erstmal ins Trockene kommen. Sonst wirst du krank.“ Er griff nach Watarus Hand uns zog ihn auf die Beine. Dieser ließ sich wortlos mit ins Haus ziehen. Er selber fühlte sich gerade so stumpf und leer, dass er dazu selber nicht in der Lage war. Es hatte ihm nicht einmal etwas ausgemacht Stundenlang im Regen zu sitzen. Allerdings hatte es den Schmerz auch nicht wirklich betäubt. Er war froh, dass Tohru jetzt da war und sich um ihn kümmerte.

Tohru zog ihn in das Gästebadezimmer im unteren Geschoss. Er legte ihm zwei Handtücher auf den Toilettendeckel: „Die kannst du benutzen. Und jetzt ab unter die Dusche mit dir! Ich suche dir inzwischen etwas zum Anziehen raus.“

Wataru nickte nur stumm und begann sich wie mechanisch aus seinen triefenden Klamotten zu schälen. Nachdem Tohru sich vergewissert hatte, dass dieser klar kam, rannte er nach oben in sein Zimmer und suchte eine Jogginghose und ein weites T Shirt heraus. Das sollte Wataru passen. Er hastete zurück und öffnete die Badezimmertür. Er konnte Wataru hinter der Wasserschutzvorrichtung nicht sehen, aber das Wasser konnte er rauschen hören.

„Ich leg dir die Klamotten hin. Ich bin in der Küche und setzte dir einen Tee auf!“, rief er.

„Hmm, ok…“, kam die schlichte Antwort von seinem Freund.

Während Tohru in der Küche Wasser in den Wasserkocher füllte und danach eine Tasse aus dem Schrank holte, hatte er sein Handy gezückt und Yuusuke angerufen. Das Handy hatte er sich dann mit der Schulter festgeklemmt.

„Hi Tohru! Was gibt’s?“, meldete dieser sich wenig später.

„Wataru ist bei mir. Er ist total durcheinander und hat anscheinend stundenlang im Regen gesessen.“, kam dieser gleich zur Sache.

„Er ist bei dir? Gut zu wissen! Sein Vater hat schon bei mir angerufen und gefragt, ob ich wüsste, wo er sei. Hat er dir schon erzählt was passiert ist?“, erkundigte Yuusuke sich nun. Er klang besorgt. Er hatte bereits von Watarus Vater erfahren was vorgefallen war.

„Mehr als, dass seine Mutter es endlich geschafft hat und sich tot gesoffen hat, war noch nicht aus ihm herauszukriegen. Ich habe ihn allerdings erstmal unter die Dusche geschickt, damit er sich wieder aufwärmen kann. Du kannst seinem Vater ja sagen, dass er bei mir ist. Ich bringe ihn nachher auch nach Hause.“, antwortete Tohru.

„Das wäre lieb von dir. Wataru ist einfach aus dem Krankenhaus weggelaufen und keiner wusste wohin. Aber ich denke, dass er zu dir gekommen ist, ist wenigstens ein gutes Zeichen. Er scheint dir langsam wirklich zu vertrauen.“, meinte der Ältere.

„Sieht so aus ja. Ich werd mich dann erstmal um ihn kümmern, so fertig wie er ist, hat er das nötig.“, sagte Tohru. Danach verabschiedeten sich die beiden.
 

Wataru fühlte sich immer noch wie gelähmt. Seit er im Krankenhaus angekommen war und sein Vater ihm erzählt hatte, was geschehen war, fühlte er sich so. In seinem Kopf herrschte das totale Chaos, das ihn sich so leer fühlen ließ. Seit Jahren hatte seine Mutter keine Rolle mehr in seinem Leben gespielt, doch jetzt wo sie wirklich nicht mehr da war, fiel es ihm schwer das zu realisieren.

Er hatte ihren leblosen Körper noch im Krankenhausbett liegen sehen. Sie hatte total ausgemergelt und schon fast etwas verloren gewirkt. Dann hatte er sich umgedreht und war davongelaufen. Er wusste nicht, wo er sein wollte, aber bestimmt nicht hier im Krankenhaus. Er war in irgendeine Bahn gestiegen und hatte sich dann vor dem Haus von Tohrus Familie wiedergefunden. Doch bis dieser aus der Schule kam, hatte es noch Stunden gedauert. Allerdings hatte er nicht gewusst, wo er sonst hinsollte und so einfach gewartet. Immer wieder spielte sich das gleich Szenario in seinen Gedanken ab.
 

„Wataru… es tut mir leid, aber deine Mutter… sie ist heute morgen gestorben…“, begann sein Vater.

Seine Augen weiteten sich, als die Bedeutung der Worte langsam in seinen Verstand sickerte. Deshalb der Anruf, deshalb wusste die Sekretärin nichts davon… seine Mutter war… tot…
 

Schließlich stellte er das Wasser ab und trat aus der Duschkabine. Er trocknete sich ab und zog die Sachen an, die Tohru ihm rausgelegt hatte. Dass diese ein wenig zu groß waren, nahm er gar nicht wahr.

Wenig später kam Wataru in die Küche geschlurft. Über den Haaren hatte er ein Handtuch liegen, da diese noch nass waren.

„Hey…“, meinte Tohru führsorglich und reichte ihm die Tasse Tee. Mit leicht zittrigen Fingern nahm Wataru sie entgegen und ließ sich dann von seinem Freund ins Wohnzimmer schieben. Dieser war einfach nur froh, dass Tohru hier gerade die Führung übernahm. Er selber fühlte sich zu schwach dazu.
 

Sie war blass, hatte tiefe Ringe unter den Augen und ihr Gesicht war leicht aufgequollen. Ihre Haare hatten jeglichen Glanz verloren, genau wie ihre Augen, als er sie das letzte Mal gesehen hatte… vor vier Jahren. Die Frau, die dort leblos auf dem Krankenhausbett lag, hatte kaum noch Ähnlichkeit mit der hübschen jungen Frau, die sein Vater ihm einmal auf Fotos gezeigt hatte und in die er sich damals verliebt hatte.

Es war seltsam nicht sehen zu können, wie ihr Oberkörper sich beim Atmen hob und senkte. Er hatte sie schon häufiger ihren Rausch ausschlafen sehen, meist hatte sie ähnlich ausgesehen…
 

Tohru setzte ihn mehr oder weniger auf das Sofa und setzte sich dann neben ihn. Er bemerkte wie Wataru ein wenig näher rückte, woraufhin er einen Arm um ihn legte. Der andere seufzte und kuschelte sich ein wenig an ihn heran. Dann nippte er an seinem Tee.

„Willst du darüber reden?“, fragte Tohru behutsam nach und strich ihm eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. Inzwischen war das Handtuch auf Watarus Schultern gerutscht. Dieser nickte und nahm noch einen Schluck Tee bevor er zu erzählen begann.

„Als meine Eltern sich damals getrennt haben, war es auch weil meine Mutter ein Alkoholproblem hatte. Ich hab das damals nicht wirklich verstanden, aber ich war auch erst vier. Ich glaube, als ich drei war hat sie damit angefangen. Das Einzige was ich gemerkt habe, war das sie nicht zufrieden war und komisch wurde, wenn sie etwas getrunken hatte. Ich weiß noch an einem Abend, saß sie am Küchentisch mit einer Flasche Wein und hat auf meinen Vater gewartet. Ich wollte etwas von ihr und sie meinte nur, ich solle sie nicht nerven, wegen mir würde sie schon wieder trinken. Mit der Zeit ging es ihr mal besser, dann mal wieder schlechter, aber sie hat nie ganz aufgehört mit dem Trinken. Weißt du, sie hat sich nach der Scheidung selten um mich gekümmert. Zwar haben wir uns jedes zweite Wochenende zu dritt getroffen, na ja wir sollten es zumindest. Aber oft kam sie nicht, weil sie betrunken war und wenn wusste sie manchmal gar nichts mit mir anzufangen. Und dann gab es wieder Treffen, wo sie so unglaublich lieb zu mir war…“, begann Wataru mit seiner Erklärung. Trotz allem Schmerz und allem Durcheinandersein, war ihm noch klar, dass er Tohru eine längere Erklärung geben musste. Gleichzeitig hoffte er, dass er auf diese Weise vielleicht etwas Klarheit in seine eigenen Gefühle bekommen würde.
 

Seine Mutter saß am Küchentisch. Vor ihr stand eine leere Flasche Wein, der letzte Inhalt befand sich in ihrem Glas. Schon fast sehnsüchtig schwenkte sie es vor ihren Augen und beobachtete wie die dunkelrote Flüssigkeit in dem dünnen Glas hin und her schwabbte.

„Mama…“, begann Wataru. Es war spät und er war müde. Sie hatte versprochen ihm etwas zum Einschlafen vorzulesen, doch bisher hatte er vergeblich gewartet. Also hatte er beschlossen nachzusehen, wo sie war. Seinen Lieblingsteddy hatte er in der rechten Hand. „Liest du mir noch etwas vor?“

„Nein, es ist schon spät. Geh ins Bett und versuch zu schlafen, Wataru. Nerv mich bitte nicht. Ich trinke nur wegen dir schon wieder.“, erwiderte sie matt. Sie hatte keinen Nerv sich mit ihrem Sohn zu beschäftigen. Alles was sie wollte, war ihr Glas Wein in Ruhe trinken zu können… dieses Balg gab doch auch nie Ruhe. Immer wollte es etwas. Und ihr Mann? Der arbeitete und half ihr nicht. Dabei hatte sie so vieles für ihn aufgegeben… war da ein wenig Ruhe zu viel verlangt?!

„Aber du hast es mir versprochen…“, versuchte er es noch einmal.

Plötzlich sah sie ihn wütend an und knallte das Glas auf den Tisch. Durch die Wucht blieb das Glas jedoch nicht stehen, sondern kippte um. Die dunkelrote Flüssigkeit lief über den Tisch. Sie stand auf. Polternd schlug der Stuhl auf dem Küchenboden auf.

„Jetzt sieh dir an, was du angerichtet hast! Geh bloß ins Bett, ich will dich heute nicht mehr sehen!“, keifte sie.

Wataru starrte sie geschockt an, doch dann begriff er, dass es besser war zu gehen. Schnell drehte er sich um und rannte in sein Zimmer. Dort legte er sich in sein Bett und kuschelte sich an seinen Teddy. Erst dann begannen die Tränen zu laufen…
 

Tohru sagte nichts, er drückte seinen Freund nur noch stärker an sich. Mit jedem Satz verstand er besser, warum dieser am Anfang so misstrauisch gewesen war.
 

Wataru war sich nicht sicher, ob er seine Mutter sehen wollte. Wahrscheinlich kam sie nicht einmal zu ihren Treffen. Inzwischen war ein Jahr nach der Scheidung seiner Elter vergangen.

„Müssen wir dahin?“, fragte er seinen Vater und trat unsicher von einem Bein auf das andere. Sie befanden sich am Eingang des Parks wo sie sich treffen sollten. Die Sonne schien und im Park waren viele Eltern mit ihren Kindern. Vater und Mutter wie er leicht neidisch bemerkte. Von diesen Kindern hatte sicher niemand so eine Mutter wie er.

„Wataru, wir schauen ob sie da ist und sonst machen wir etwas zu zweit, ok?“, meinte sein Vater.

„Mhm…“, machte dieser nur.

Inzwischen waren sie am Treffpunkt angekommen. Zu Watarus Überraschung saß seine Mutter auf der Parkbank und schien auf sie zu warten. Sie stand auf als sie die beiden sah und ging auf sie zu. Sie lächelte und nahm ihn dann in den Arm. Sie roch nicht so komisch wie meist, weshalb Wataru die Umarmung nicht unangenehm war.

„Hallo Wataru! Du bist aber groß geworden! Sollen wir ein Eis essen gehen? Das Wetter ist doch so gut.“, meinte sie fröhlich.
 

„Als ich älter wurde, habe ich immer mehr begriffen wie krank sie eigentlich war. Ich habe versucht ihr zu helfen, sie zur Therapie zu überreden, aber nichts hat geholfen. Es tat so weh ihr dabei zu zusehen, wie sie sich selber fertig macht.“, seufzte er.
 

„Mum? Du hast schon wieder getrunken oder?“, wollte der zwölf jährige Wataru wissen, als er das Wohnzimmer seine Mutter betrat. Es war Wochenende und eigentlich war heute wieder einer der Tage, an dem sie sich treffen sollten. Wataru war in vielen Aspekten erwachsener als andere Kinder in seinem Alter, was an der Situation mit seiner Mutter lag. Gleichzeitig jedoch machte es ihm schwer anderen zu vertrauen.

Als er das letzte Mal vor zwei Wochen hier gewesen war, hatte seine Mutter gerade wieder eine Therapie begonnen. Doch als er die Wohnung dieses Mal betreten hatte, hatte er bereits eine böse Vorahnung gehabt. Wie auch sonst, wenn sie trank, war die Wohnung verdreckt. Der Müll war nicht raus gebracht worden und auch geputzt war hier schon etwas länger nicht worden. Schließlich hatte er sie auf der Couch im Wohnzimmer gefunden. Ihre Haare hatte sie seit ein paar Tagen nicht mehr gewaschen und auf dem Tisch standen mehrere Dosen Bier, anderer leere Flaschen, sowie Packungen von Fertiggerichten.

„Und selbst wenn…“, nuschelte sie. „Was machst du hier?“

„Dich besuchen. Es ist mal wieder Zeit für unser Treffen.“ , erwiderte er seufzend. Er nahm einen Pizzakarton vom Sessel und setzte sich dann.

„Huch, mal wieder Zeit, was?!“, meinte sie und gab ein glucksendes Lachen von sich.

„Letztes Mal hattest du doch aufgehört. Die Therapie lief doch gut, du hast ein paar Tage nichts getrunken.“, begann Wataru, wobei er ihr Lachen ignorierte. Er bereute, dass er her gekommen war.

„Es macht keinen Spaß ohne Bier und Wein.“, meinte sie.

„Du hast es mir versprochen. Du hast mir versprochen, dass du damit aufhörst dich fertig zu machen.“, erwiderte er verbittert. Er hatte keine Lust mehr zu zusehen, wie sie sich das antat.

„Das verstehst du nicht.“, sagte seine Mutter.

„Nein, tue ich wohl nicht. Genauso wenig, wie du verstehst…“, murmelte Wataru.
 

„Dann als ich 13 war, hatte sie an einem Abend so viel gesoffen, dass sie ins Krankenhaus kam und sie ihr den Magen auspumpen mussten. Als ich sie am nächsten Tag besucht habe, hat sie mich nicht einmal erkannt. Sie war ganz panisch und hat nach dem Arzt gerufen, weil sie mich für jemand Fremden gehalten hatte. An diesem Tag habe ich beschlossen, sie nicht mehr zu besuchen. Ich konnte es einfach nicht mehr, ich wollte damit nichts mehr zu tun haben. Das habe ich dann auch durchgezogen, bis mein Vater heute anrief und mich ins Krankenhaus bestellt hat. Der Nachbar hatte sie heute Morgen bewusstlos in der Wohnung gefunden. Im Krankenhaus hat dann ihr Immunsystem versagt und sie ist gestorben. Ich weiß einfach nicht, was ich fühlen soll… ich habe die letzten Jahre immer gesagt, dass sie mir egal sei, aber das stimmt nicht wirklich. Ich wollte sie nie auf diese Weise verlieren…“, fuhr er dann fort. Inzwischen war seine Stimme brüchig geworden. Tohru nahm ihm die leere Teetasse ab und stellte sie auf den Tisch. Dabei musste er ihn ein wenig aus seiner Umarmung entlassen, aber nicht komplett. Als er sich wieder zurücklehnte, vergrub Wataru sein Gesicht in Tohrus Hemd und fing an zu weinen. Die ganze Zeit hatte er nicht weinen können und dafür hatte er sich geschämt, denn es war natürlich, dass man weinte, wenn die eigene Mutter gestorben war. Doch er hatte nicht weinen können, dafür flossen die Tränen jetzt umso heftiger. Tohru umarmte ihn und strich ihm beruhigend über den Rücken.
 

Gleich nach der Schule war Wataru zum Krankenhaus gefahren um seine Mutter zu besuchen. Sie war gestern Abend mit einer Alkoholvergiftung eingeliefert worden. Obwohl er ihr ständiges Gesaufe wirklich satt hatte, machte er sich immer Sorgen um sie. Wie oft hatte er schon versucht sie zu einer Therapie zu überreden? Und wie oft hatte sie eine begonnen, sie aber später abgebrochen? Wenn er für jedes Mal, das sie ihm versprochen hatte mit dem Trinken aufzuhören auch nur einen Yen bekommen hätte, wäre er heute mit Sicherheit reich. Er hatte schon oft überlegt, ob er sie einfach in Ruhe lassen sollte und sie nicht mehr besuchen sollte, doch bisher hatte er es nicht übers Herz gebracht. Egal wie oft sie ihn verletzt hatte. Sie war seine Mutter… auch wenn sie sich nie wirklich wie so eine benommen hatte.

Sein bester und bislang eigentlich auch einziger Freund, Yuusuke, hatte besorgt nachgefragt, ob er nicht nach seinem Besuch bei ihm vorbeikommen wollte. Einfach um nicht alleine zu sein, doch er hatte abgelehnt. Es würde schon ok sein, es war schließlich nicht das erste Mal…

Wataru hatte die Zimmernummer genannt bekommen und folgte nun dem leicht verworrenen Netz der Krankenhausflure bis er am gewünschten Zimmer angekommen war. Er klopfte und öffnete dann die Tür. Vorsichtig trat er ein. Seine Mutter lag schlafend in ihrem Bett. Sie war blass und sah sehr zerbrechlich aus. Sie war an ein paar Maschinen angeschlossen, deren Sinn er nicht kannte. Aber es war auch niemand hier um ihn aufzuklären. Er seufzte und holte eine Vase aus dem Nachttischschrank. Dann ging er in das kleine, dem Zimmer angeschlossene Badezimmer und füllte sie mit Wasser. Er stellte die Blume, die er ihr mitgebracht hatte in die Vase und diese dann auf den Nachttischschrank. Wahrscheinlich hätte sie sich weitaus mehr über eine Flasche Alkohol gefreut, dachte er bitter. Etwas unschlüssig ob er warten sollte, bis sie wieder aufwachte, setzte er sich dann doch auf den Stuhl neben dem Bett. Er konnte immer noch gehen…

Jedoch dauerte es nicht lange, bis seine Mutter langsam die Augen aufschlug. Sie blinzelte leicht verwirrt, dann gähnte sie herzhaft. Sie richtete sich mühsam ein wenig auf und dann fiel ihr Blick auf Wataru. Dieser erschrak, als er das Misstrauen in ihrem Blick sah.

„Wer bist du und was machst du hier?!“, fragte sie panisch und verwirrt.

„Mum, ich bin’s doch Wataru…“, erklärte er. Was war denn jetzt los? Er verstand die Welt gerade gar nicht mehr.

„Ich kenne keinen Wataru! Und warum nennst du mich Mum?!“, nun wurde ihre Stimme schriller und sie rückte von ihm weg.

„Erkennst du mich nicht? Ich bin dein Sohn…“, versuchte er es.

„Sohn?!“, brüllte sie nun und versuchte aus dem Bett zu klettern. „Ich habe keinen Sohn!!!“ Eine der Maschinen fing wild an zu piepen, dass es Wataru durch Mark und Bein ging. Er konnte gar nicht so schnell gucken, wie ein Arzt und zwei Schwestern in dem Zimmer waren und seine Mutter zurück auf das Bett drückten. Sie schrie, trat um sich und wehrte sich mit aller Kraft. Doch schließlich lag sie wieder in ihrem Bett und bekam eine Spritze mit Beruhigungsmittel.

Eine der Schwestern sah Wataru mitleidig an und führte ihn wortlos aus dem Zimmer. Erst auf dem Flur sprach sie: „Es tut mir leid, was gerade vorgefallen ist. Das muss schwer sein für dich, die eigene Mutter so zu sehen. Aber sie ist nach gestern wohl noch etwas verwirrt. Vielleicht solltest du die Tage noch mal wiederkommen.“

Matt nickte Wataru. Er war viel zu geschockt, um irgendetwas sagen zu können. Seine Mutter hatte ihn nicht erkannt! Sie hatte ihn für einen Fremden gehalten… er war eine Bedrohung für sie gewesen. Er fühlte sich betäubt… es tat so unglaublich weh… er konnte nicht mal in Worte fassen, wie sehr.

Wortlos drehte er sich um und verließ das Krankenhaus. Die Tage wiederkommen, hatte sie gesagt… und wenn sie ihn dann auch nicht erkennen würde? Was sollte er dann tun? Es würde genauso weh tun wie jetzt, vielleicht sogar noch mehr. Sie würde ihm wieder weh tun, so schon unzählige Male zuvor…

Ihm wurde klar, dass er das nicht mehr länger ertragen konnte. Es fraß ihn einfach von Innen auf… vielleicht war es besser, wenn er sie nicht mehr sah? Wenn er all das nicht mehr an sich heranlassen würde… sie hörte ihm zu Liebe sowieso nicht mit dem Trinken auf. Er schien ihr nicht mal soviel zu bedeuten, als dass sie länger als eine Woche trocken bleiben konnte. Wieso sollte sie ihm soviel bedeuten, dass er sich bei jedem Besuch aufs Neue verletzten ließ?!

In diesem Moment beschloss er, dass er sie erst einmal nicht mehr besuchen würde. Er konnte einfach nicht mehr. Er hatte genug!

Wataru griff nach seinem Handy und wählte Yuusukes Nummer. Nachdem dieser sich gemeldet hatte, fragte er mit leicht brüchiger Stimme: „Kann ich doch noch vorbeikommen?“

Er brauchte seinen Freund dringend zum Reden…
 

„Ich… ich habe so oft gesagt, dass sie sich doch tot saufen soll… aber ich wollte nicht, dass sie es wirklich macht…“, schniefte Wataru.

„Das weiß ich doch.“, erklärte sein Freund mit leiser Stimme. „Du warst verletzt und wolltest es nicht mehr an dich heranlassen…“

„Mhm.“, gab dieser nur von sich. „Ich… ich kann gar nicht glauben, dass sie nicht mehr da ist…“

„Das ist auch schwer. Es ist nicht leicht, wenn man jemanden verliert, vor allem nicht, wenn man ihn für immer verliert. Aber vielleicht ist es besser für sie, damit sie sich nicht mehr quälen muss…“, antwortete Tohru.

Wataru nickte. Er ahnte, nein er wusste, dass es stimmte. Seine Mutter musste sich nun nicht mehr quälen, was sie Jahre lang getan hatte. Trotzdem ließ der Schmerz nicht nach. Warum hatte er sie so lange nicht mehr besucht? Wenn er sie vorher noch einmal gesehen hätte, hätte er ihr auf Wiedersehen sagen können… doch jetzt war das nicht mehr möglich. All die Dinge, die er ihr die Jahre über hatte sagen wollen und runtergeschluckt hatte, würden nun für immer unausgesprochen bleiben. Ob sie zuletzt überhaupt an ihn gedacht hatte? Nach diesem Tag als er 13 war und beschlossen hatte, sie nie wieder zu besuchen?

Es dauerte eine Weile, bis Wataru sich wieder halbwegs beruhigt hatte. Tohrus Hemd war in dieser Zeit nicht nur von seinen nassen Haaren, sondern auch von seinen Tränen nass geworden. Betreten sah er Tohru an. „Es… es tut mir leid! Erst tauche ich einfach so auf und du hast so viel Mühe mit mir und dann heule ich dich auch noch voll!“

„Das macht nichts. Freunde sind dafür da, dass sie sich um einen kümmern und sich voll heulen lassen.“, erwiderte Tohru und lächelte ihn führsorglich an. Spätestens jetzt war ihm klar, dass ihm wirklich etwas an Wataru lag. Er mochte den anderen sehr gerne und es hatte ihm nichts ausgemacht sich um ihn zu kümmern.

Irgendwie rang sich dieser ein Lächeln ab: „Danke.“

„Wie gesagt, wir sind Freunde.“, meinte Tohru und strich ihm mit dem Daumen die Reste einer Träne von der Wange. „Kann ich dir noch irgendetwas bringen? Noch einen Tee oder was zu Essen?“

Wataru überlegte. Hunger hatte er keinen, der war ihm schnell vergangen an diesem Tag. „Kann ich noch einen Tee bekommen?“, fragte er dann.

„Klar. Ich mach dir schnell einen.“, antwortete dieser. Wataru erhob sich soweit, dass Tohru aufstehen konnte. Dieser erhob sich und ging mit der leeren Tasse in die Küche. Als er leicht schlurfende Schritte hinter sich hörte, war ihm klar, dass Wataru ihm folgte.

„’tschuldigung…“, nuschelte dieser. „Aber ich glaube, wenn ich allein bin, fange ich wieder an zu heulen…“ Es war ihm schon peinlich, dass er einfach so losgeflennt hatte. Er kam sich gerade wie ein Baby vor, als wenn er sein Innerstes vor Tohru ausgekotzt hatte.

Tohru hatte gerade das Wasser in den Kocher gefüllt. Dieses Mal die doppelte Menge, er würde auch einen Tee trinken. Dann zog er Wataru kurzerhand wieder in seinen Arm: „Ist schon ok. Wenn du noch mal heulen musst, dann mach das. Mich stört das nicht.“

Zum ersten Mal schlang Wataru seine Arme um Tohru. Er fühlte sich wirklich wohl in der Gegenwart des anderen. Es tat ihm gerade einfach gut seine Nähe zu spüren, soviel war ihm klar.

„Es tut mir leid, dass ich am Anfang so eklig zu dir war…“, meinte er plötzlich.

„Darüber haben wir doch schon einmal gesprochen, oder? Es ist ok. Ich verstehe langsam wirklich wieso du ein Problem damit hast anderen zu vertrauen. Wataru, ich bin dir nicht böse. Wir hatten einen schlechten Start, aber das hat sich geändert…“, erwiderte Tohru. Er war überrascht von Watarus plötzlicher Entschuldigung.

Der Wasserkocher brodelte und schließlich war das Klicken zu hören, das anzeigte, dass das Wasser kochte. „Ich schenk kurz das Wasser ein und dann gehen wir in mein Zimmer. Da haben wir Ruhe, falls jemand von meinen Schwestern schon früher wiederkommt.“, meinte Tohru dann. Vorsichtig löste Wataru seine Umarmung und nickte.

Wenig später saßen sie in Tohrus Zimmer auf dem Bett. Tohru hatte sich gegen die Wand gelehnt und Wataru zwischen seinen Beinen sitzen lassen, sodass er sich an ihn lehnen konnte. Dieser war dankbar dafür, dass sein Freund ihm einfach Nähe gewährte und es ihn nicht zu stören schien, dass er so durcheinander und nahe am Wasser gebaut war. Wie auch schon der erste Tee, tat der zweite gut. Auch wenn er den Schmerz nicht wegzaubern konnte, sorgte er doch für ein wenig mehr innere Wärme. Schweigend tranken sie ihren Tee. Nachdem sie ausgetrunken hatten, stellte Tohru die Tassen in das Regal, welches er von seiner Position aus erreichen konnte und schloss beide Arme um Wataru. Dieser gab einen zustimmenden Laut von sich und schloss die Augen. Zum ersten Mal an diesem Tag hatte er das Gefühl, dass er sich wirklich entspannen konnte. Tohru wollte ihm nichts böses, er kümmerte sich um ihn, wo es ihm so schlecht ging…

Tohru hingegen huschte ein Lächeln über die Lippen als er bemerkte, dass Wataru vor lauter Erschöpfung eingeschlafen war. Er war heute mehr als überrascht gewesen, die sensible und verletzte Seite seines Freundes zu sehen zu bekommen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde. Gleichzeitig war er froh, dass er ihm helfen konnte.
 

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So ein neues Kapitel ^.^

Es gab eine Menge Rückblicke in diesem Kapitel, aber ich denke, dass sie notwendig sind, um alles und vor allem Wataru besser zu verstehen. Vielleicht klingt das komisch, aber mir hat dieses Kapitel Spaß gemacht zu schreiben... aber ich schreib gerne Drama XD

Ich bedanke mich wie immer für die lieben Kommentaren und die Favos! Ich bin wirklich froh, dass ein paar Leute diese FF (weil ich sie selber sehr mag) lesen und mögen! Danke!
 

lg Miya



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Toffelchan
2011-01-11T15:46:31+00:00 11.01.2011 16:46
schon niedlich, dass wataru seine softe seite zeigt <333 aber er tut mir leid, dass er seine mum nun nicht mehr hat v__v
aber tohru kümmert sich ja wirklich liebevoll *////* <3333333

müüüh~ freu mich auf das nächste kapitel *O*

lg

Von:  MRS_ABNORMAL
2011-01-11T15:04:16+00:00 11.01.2011 16:04
Hach ich fang mal mit dem Ende an ... wie süß die beiden sind *___*
Schön, dass sich Wataru entschlossen hat Tohru zu vertrauen. Sind die beiden niedlich zusammen >///<
Und es ist hart wenn man eine Person verliert die einem wichtig ist, armer Wataru .__.
Aber wie immer ... ich bin begeistert xD
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel *__*
Achja und das mit den Rückblicken war völlig in Ordnung :3

LG Vivi~


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