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How about truth

von

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One step

How about truth 2
 

~ One step ~
 

Am nächsten Tag in der Schule langweilte sich Wataru bereits in der ersten Stunde. Mathematik langweilte ihn zutiefst. Er verstand einfach nicht, wie man alles in Zahlen ausdrücken konnte. Schon vor ein paar Minuten war sein Blick zum Fenster gewandert. Wenigstens war heute Fußballtraining und Bandprobe…

Plötzlich bemerkte er wie ein Zettel auf seinem Tisch landete. Da der Lehrer gerade mit dem Rücken zur Tafel stand, bemerkte er nichts. Wahrscheinlich hätte er sonst auch nichts bemerkt, da Wataru nun mal immer ganz hinten in der Ecke saß.

Genervt nahm er den Zettel und entfaltete ihn. In deutlichen Letter war dort etwas nicht sehr erfreuliches zu lesen, jedenfalls nicht für ihn.
 

„Du wirkst etwas abwesend heute… lange nicht mehr gefickt worden, Schwuchtel?! Du solltest lieber überlegen aus dem Fenster zu springen, anstatt rauszustarren und von Schwänzen zu träumen!“
 

Nachdem er das gelesen hatte, war Wataru sauer. Er knüllte der Zettel zusammen und ließ ihn unter seinem Tisch verschwinden. Er würde ihn nachher wegschmeißen. Es war nicht das erste Mal, dass er solche Zettel zugesteckt bekam. Wenigstens traute sich meist keiner ihn deswegen zu verprügeln, da er mehr als einmal bewiesen hatte, dass er sehr gut austeilen konnte. Also ließen ihn die meisten in Ruhe, doch ein paar konnten es nicht lassen, ihm solche feigen Notizen zu schreiben. Es machte ihn wütend, wenn er daran dachte, dass sie nicht einmal den Mut hatten, es ihm ins Gesicht zu sagen. Es waren doch alles erbärmliche Feiglinge! Was ihn darüber hinaus noch wütend machte, waren die Umstände wie fast alle davon erfahren hatten… wenn er bloß wüsste, wer ihm diesen Zettel geschrieben hatte! Dann würde er ihn wenigstens zur Schnecke machen können.
 

„Steht das mit der Bandprobe nachher noch?“, wollte Tomoyuki in der Mittagspause von Hiroaki und Wataru wissen. Sie saßen bereits unter dem großen Baum, etwas abseits von den anderen Schülern, wo sie sich immer trafen. Yuusuke und Tohru würden später kommen, da Tohru noch kurz zu einem Lehrer musste und der Ältere ihn zum Büro gebracht hatte. Er hatte versprochen zu warten, bis Tohru fertig war, um ihn dann mit zum Essen zu nehmen.

„Ich dachte ja. Ich würde gleich nach dem Fußballtraining kommen.“, antwortete Wataru und packte seine Bentobox aus. Heute war einer der Tage gewesen, an dem die Freundin seines Vaters ihnen etwas zu Essen mitgegeben hatte.

„Von mir aus geht es auch klar.“, erwiderte Hiroaki. „Oh, hat Sumire wieder gekocht?“, wollte er dann von Wataru wissen. Als sie seine Freunde kennengelernt hatte, hatte sie darauf bestanden, mit dem Vornamen angeredet zu werden. Am Anfang war es für sie etwas seltsam gewesen, doch mit der Zeit hatte sich das geändert.

„Ja, hat sie. Sieht gut aus, oder? Am Freitag kochen wir zusammen.“, erklärte dieser. Seit ein paar Jahren hatte er einen Faible dafür entwickelt, was das Kochen anging. Es machte ihm inzwischen unglaublichen Spaß und immer wieder ließ er sich von Sumire verschiedene Rezepte zeigen.

„Ich hoffe, du lässt uns an dem Ergebnis auch teilhaben.“, grinste Tomoyuki.

„Mhm, das muss ich mir noch überlegen!“, gab Wataru leicht frotzelnd zurück. Woraufhin er sich von Hiroaki einen leichten Schlag gegen den Hinterkopf einfing. „Schon gut, ich geb’ mich geschlagen! Ich bring euch was mit!“, meinte dieser dann und hob abwehrend die Hände.

„Ihr scheint Spaß zu haben!“, mischte Yuusuke sich ein. Neben ihm stand Tohru, der etwas überrascht war, dass Wataru anscheinend so albern sein konnte. Bisher hatte er ihn nur grummelig kennengelernt. Als dieser Tohru bemerkte, verspannte sich sein Körper gleich und alle Zeichen standen bei ihm auf Abwehr. Es schien wirklich so, als wenn dieser von Neuerungen nicht besonders angetan war und sie ihn schlichtweg überforderten. Aber wenn er ihn so mit den anderen sah, dann war es als wenn Tohru eine komplett andere Person vor sich hatte. Wataru schien sich hinter seinem ruppigen Verhalten zu verstecken. Irgendwie hoffte er, dass er auch einmal einen genaueren Einblick hinter die Fassade bekommen würde, so wie Yuusuke, Tomoyuki und Hiroaki… doch Yuusuke hatte gemeint, sie sollte Wataru einfach ein wenig Zeit geben.
 

Als Wataru zum Fußballtraining erschien, war er wie immer der letzte. Seit sein „Geheimnis“ heraus war, kam er immer als letzter und verschwand als erster. Damit war es ihm meistens gelungen Streit zu vermeiden. Als er heute das Feld betrat, musterte Keisuke, sein Senpai und Kapitän der Fußballteams, ihn bereits abschätzig. Es war nicht zu übersehen, dass dieser heute keine gute Laune hatte. Wataru seufzte. Wunderbar, das hatte ihm gerade noch gefehlt. Das würde auf die eine oder andere Art Ärger bedeuten. Nicht dass er vorhatte sich davon einschüchtern zu lassen, das hatte er noch nie getan. Aber es war lästig!

„Wie immer pünktlich auf die Sekunde, Miyawaki!“, bemerkte er.

„Wenigstens bin ich pünktlich, senpai!“, gab Wataru zurück. Er gab sich keine Mühe seine Abneigung zu verhehlen und so klang das Wort senpai nicht gerade respektsvoll.

Dieser funkelte ihn an: „Das will ich dir auch geraten haben. Wer sich verspätet, wird beim nächsten Spiel nicht aufgestellt.“

„Ich weiß.“, erwiderte er trotzig.

Dann begannen sie mit dem Training. Wie immer teilten sie ihre Mannschaft am Ende auf und spielten dann jeweils gegeneinander.

Gerade als Wataru vor dem Tor der gegnerischen Mannschaft stand, sah dass ein Mitspieler freistand und zu ihm passen wollte, wurde er auf einmal mehr als unsanft von den Beinen gerissen. Er hatte nicht einmal mitbekommen, wer ihn dort umgenietet hatte. Er hatte nur einen plötzlichen Schmerz im Knöchel gespürt und gemerkt, wie er das Gleichgewicht verlor. Als nächstes bekam er mit, wie er schmerzhaft auf dem Rasen aufschlug. Ein stechender Schmerz durchzuckte seine Hand, die er sich beim Zusammenstoß mit Tohru verletzt hatte. Anscheinend hatte er unterbewusst versucht sich abzustützen. Wenigstens konnte er es vermeiden, dass er auch noch mit dem Gesicht im Rasen landete.

„Alles in Ordnung Miyawaki?“, hörte er Keisukes heuchlerische Stimme. „Ich wollte den Ball spielen, nicht dich erwischen.“

Er rappelte sich auf und sah wie dieser sich über ihn gebeugt hatte. Es war ja klar, dass dieser ihn so unsanft von den Beinen geholt hatte. Gott, was hatte er ihm eigentlich getan?! Okay, er wusste, was er ihm getan hatte.

Wataru rieb sich seinen schmerzenden Knöchel. Das würde mindestens einen blauen Fleck geben. Seine Knie waren dreckig und leicht aufgeschürft. Der Verband an seiner Hand hatte sich gelöst und die Wunde hatte wieder angefangen zu bluten.

„Geht schon.“, erwiderte er. Inzwischen war ihr Trainer bei ihnen und sah, dass seine Wunde an der Hand wieder blutete.

„Ich denke, für dich ist das Training heute beendet. Ist ja eh nicht mehr lange. Geh duschen und dann zur Krankenschwester. Sie soll deine Hand neu verbinden.“, meinte dieser.

Etwas widerwillig nickte Wataru. Dass er nicht weiter spielen durfte, war für ihn gerade wie eine Schwäche einzugestehen. Doch er wusste, dass es keinen Sinn hatte zu widersprechen.
 

Als Wataru schließlich mit eine neuen Verband das Zimmer der Krankenschwester verließ, um zur Bandprobe zu gehen, sah er Keisuke auf dem Gang warten.

„Was willst du?!“, wollte er wissen. Nun da sie alleine waren, gab er sich keinerlei Mühe mehr seine Abneigung zu verbergen.

„Nur sehen, ob die kleine Schwuchtel auch wirklich in Ordnung ist… nachdem du auf dem Platz den Schwanz einziehen musstest…“, grinste dieser ihn hämisch an.

„Weißt du was Keisuke?! Fick dich einfach!“, knurrte Wataru und ging an ihm vorbei, ohne ihn auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Er hatte keinen Bock auf diese ganze Scheiße.

„Das wird ein Nachspiel haben, du verdammter Wichser!“, brüllte dieser ihm wütend hinterher.
 

Bandprobe! Das war eine Art Zauberwort für Wataru, zumindest seit er mit seinen Freunden in einer Band war. Hier fühlte er sich wirklich sicher. Er konnte all den sonst recht gut versteckten Gefühlen Luft machen. Doch in dem Moment, in dem er die Tür zu ihrem Proberaum öffnete, verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck, als er Tohru auf neben Yuusuke auf dem abgewetzten Sofa sitzen sah. Was machte der Kleine denn nun auch noch hier? Das hier war seine Welt, sein Rückzugsort und jetzt musste er Tohru auch noch hier hineinlassen? Reichte es nicht, wenn dieser sich mit seinen wenigen Freunden angefreundet hatte? In der Schule hatte der Neue die ganze Zeit bei ihnen verbracht, wobei Wataru kaum ein Wort mit ihm gewechselt hatte. Er wusste einfach nicht, wie er damit umgehen sollte.

„Hi Wataru!“, begrüßte Tohru ihn fröhlich. Es war, als wenn der Jüngere sich gar nicht davon beeindrucken ließ, dass er so ablehnend war. Was ihn irgendwie noch mehr ärgerte. Normalerweise gaben die Leute recht schnell auf, wenn er so war. Mit den Jahren war er gut darin geworden Leuten vor den Kopf zu stoßen und sie gar nicht erst an sich heranzulassen.

Auch die anderen begrüßten ihren Sänger.

„Was machst du denn hier?“, wollte er mit verschränkten Armen wissen. Man merkte, dass ihm das Ganze nicht recht war.

„Yuusuke hat mich eingeladen euch mal zu zuhören. Und weil ihr zurzeit keinen festen Schlagzeuger habt. Ich hab bevor wir umgezogen sind auch in einer Band gespielt und zwar Schlagzeug. Die drei haben erzählt, dass du singst.“, antwortete Tohru immer noch fröhlich und gänzlich unbeeindruckt von der Ruppigkeit seines Gegenübers.

„Schön, dass wollte ich schon immer wissen. Kann ich noch eine rauchen gehen oder wollen wir loslegen?!“, kommentierte Wataru das Ganze. Gut, er wusste, dass sie wirklich einen festen Schlagzeuger gebrauchen konnten, da ihr Aushilfsschlagzeuger durch seine Aktivitäten in einer anderen Band, die ihm auch wichtiger war, nicht immer da sein konnte. Aber musste es gleich Tohru sein? Was war das überhaupt schon wieder für ein dämlicher Zufall? Und gefragt wurde er anscheinend gar nicht mehr. Was ihm noch mehr gegen den Strich ging, war die offensichtliche gute Laune, die Tohru ausstrahlte. In diesem Moment nervte ihn das einfach nur.

„Du kannst noch eine rauchen und ich komme mit.“, erklärte Yuusuke. Er sah wie sein Freund die Augen verdrehte, da er ahnte, was dieser wollte.

Als sie draußen waren, sah Yuusuke ihn ernst an: „Warum bist du immer so unfreundlich zu Tohru? Ich meine, ich weiß ja, dass du anderen nicht schnell vertraust, aber bei ihm ist das wirklich extrem.“

„Er ist einfach immer da. Ich weiß auch nicht… warum könnt ihr jemandem so schnell vertrauen?“, versuchte Wataru sein Verhalten zu erklären. Er zündete sich eine Zigarette an und sog genüsslich daran. Das Nikotin hatte eine mehr als beruhigende Wirkung auf ihn. „Hättet ihr mir nicht wenigstens bescheid geben können, dass er kommt? Du weißt, dass die Band für mich so was wie ein Refugium ist und ich mag es nicht, wenn da einfach jemand eindringt. Ich kotze da praktisch meine Seele aus…“, fügte er dann hinzu und nahm noch einen Zug von der Zigarette.

Yuusuke seufzte: „Ich weiß, Wataru, ich weiß. Aber du kannst dich nicht immer einschließen. Gib ihm eine Chance, du hast uns doch eine gegeben und wir haben dich bisher doch nicht enttäuscht, oder? Ich glaube nicht, dass er jemanden von uns etwas Böses will, deshalb vertraue ich ihm erstmal. Bevor ich ihm so vertraue, wie dir, dauert das natürlich noch etwas. So etwas wächst ja nicht einfach von heute auf morgen. Das braucht Zeit, aber ich denke, dass es das Wert ist.“

„Nein das habt ihr nicht, aber genug andere. Und es tut mir leid, ich fühle so etwas nicht, ob es sich lohnt zu versuchen jemanden zu vertrauen.“, antwortete Wataru. Er hatte es inzwischen aufgegeben Menschen verstehen zu wollen. Dafür war er zu oft von Menschen, denen er anfangs vertraut hatte, verletzt worden. Er spürte wie sein Freund einen Arm um ihn legte. „Du musst ihm ja nicht gleich vertrauen, sei nur einfach nicht mehr ganz so widerlich zu ihm, okay?“, meinte Yuusuke. Er hatte nun einen sanfteren Tonfall angeschlagen, schließlich wusste er, weshalb sein Freund sich in Vertrauensdingen so schwer tat.

Dieser seufzte: „Ich versuch’s.“ Es hatte ja doch keinen Zweck. Wenn seine Freunde sich mit Tohru verstanden, blieben ihm zwei Möglichkeiten, damit klar kommen oder auch die drei zu verlieren und das war etwas, was er definitiv nicht wollte.

Zufrieden ließ der andere ihn los und lächelte ihn aufmunternd an. Dann wandte er sich schon fast zum Gehen: „Ach übrigens, wenn es was mit der Band werden sollte, dann musst du deine Seele vor mehr als einer fremden Person auskotzen…“ Damit verschwand Yuusuke endgültig in Richtung Proberaum. Das Wataru ihm den Mittelfinger zeigte, sah er schon gar nicht mehr.
 

„Er hasst mich, oder?“, wollte Tohru betroffen wissen, als er den anderen wieder in den Raum kommen sah. „Ich kann auch wieder gehen…“

„Du bleibst!“, kam es von den dreien wie aus einem Mund.

„Wataru muss da mal durch, er kann sich nicht vor jeder Veränderung verkriechen. Als ich ihm Tomoyuki und Hiroaki vorgestellt habe, war das auch ein halbes Drama. Ich glaube mit ein wenig Zeit, wird er dich auch mögen.“, erklärte Yuusuke dann. Die beiden nickten zur Bestätigung. Es waren nicht die angenehmsten Erinnerungen, wie ihre Freundschaft angefangen hatte. Yuusuke war davon überzeugt, dass eine so fröhliche und unbeschwerte Persönlichkeit Wataru gut tun würde, wenn dieser Tohru nur mal etwas an sich heranlassen würde. Er hatte auch im Falle von Hiroaki und Tomoyuki Recht behalten.

Ein paar Minuten später kam auch Wataru wieder in den Proberaum. Dieses Mal war sein Gesichtsausdruck entspannter als beim ersten Mal, als er gleich Tohru gesehen hatte. „Wollen wir dann mal?“, fragte er und sah die anderen erwartungsvoll an.

„Gut, dann lasst uns mal loslegen.“, stimmte Hiroaki zu. Wie auch die anderen, war er erleichtert, dass Wataru nun um Einiges kooperationswilliger war. Manchmal schien er wirklich einen Arschtritt zu brauchen. Sie hatten ihre Gitarren schon angeschlossen, bevor Wataru gekommen war, sodass dieser sich nur noch um sein Mikrofon kümmern musste. Mit geübten Handgriffen machte er sich an die Arbeit. Yuusuke warf Tohru über seine Schulter hinweg einen triumphierenden Blick zu, als er sicher war, dass Wataru diesen nicht sehen würde. Dieser antwortete mit einem breiten Grinsen.

Nachdem Wataru fertig war, hatten sie sich schnell auf ein Lied geeinigt, mit dem sie anfangen wollten. Als die vertrauten Akkorde einsetzten und der Sänger auf seinen Einsatz wartete, blickte er zu Tohru hinüber. Dieser saß mit einem neugierig gespannten Gesichtsausdruck auf dem Sofa und hörte aufmerksam zu. Am Anfang fiel es ihm nicht ganz so leicht mit allem zu singen was er hatte, doch es dauerte nicht lange, da war es ihm egal, ob dort jemand auf dem Sofa saß, der ihre Lieder noch nie gehört hatte. Es war in diesem Moment völlig gleichgültig, ob er hier gerade seine Seele auskotze und alles offenlegte, was er sonst so gut zu verstecken wusste.

Tohru war überrascht, wie gut die vier zusammen spielten und er war überrascht von Wataru. Er hatte bisher mitbekommen, dass der andere misstrauisch und ablehnend war. Aber hier konnte er gerade eine ganz neue Seite an diesem entdecken. Letztendlich war dieser gar nicht immer so selbstsicher und hart wie er versuchte rüber zu kommen. Aber eigentlich hatte Tohru sich das schon gedacht. Was ihn mehr überraschte war, dass Wataru ihm diese Seite gerade einfach so präsentierte. Auf der einen Seite war es geballte Wut, die ihm mit seiner Stimme entgegenschlug, aber das war nicht alles. Da war eine Verletzbarkeit, die er vorher noch nicht zu Gesichtbekommen hatte und auch eine gewisse Unsicherheit, was das Leben an sich anging.

Schließlich beendeten sie ihre Probe soweit, um sich ihr Urteil von Tohru abzuholen, damit sie sehen konnten, ob dieser überhaupt Interesse hatte bei ihnen mitzuspielen. Dann würden sie sehen, was dieser drauf hatte. Yuusuke hatte Wataru im Schlepptau und zog ihn mit zum Sofa. Die anderen beiden setzten sich auf die beiden Sessel, die neben dem Sofa standen und genauso abgewetzt waren, wie dieses. Es waren Möbel vom Sperrmüll. Aber mit ihrem Taschengeld und dem Geld aus kleinen Nebenjobs, die sie eigentlich laut Schulordnung nicht nachgehen durften, konnten sie sich auch nichts anderes als diesen schäbigen Proberaum leisten.

„Und was sagst du?“, wollte Yuusuke wissen. Auch die anderen sahen ihn erwartungsvoll an. Selbst Wataru zeigte etwas mehr als Desinteresse an Tohrus Meinung. Sie hatten noch nicht oft Gelegenheit gehabt anderen ihre Lieder vorzuspielen.

„Ich bin beeindruckt. Das klingt wirklich gut.“, erklärte dieser. „Das habt ihr alles selber geschrieben?“

„Alles unser Werk.“, grinste Tomoyuki stolz.

„Und hättest du Lust bei uns vorzuspielen?“, wollte Hiroaki wissen.

„Auf jeden Fall!“, stimmte Tohru fröhlich zu. Er wollte wirklich gerne mit den anderen in einer Band spielen. Das hatte ihm gefehlt, seit sie umgezogen waren.

Erstaunlicherweise war es Wataru, der als nächster handelte. Er griff nach dem Ordner, der auf dem kleinen Tisch lag, der vor dem Sofa stand und reichte ihn an Tohru weiter: „Dann wirst du den brauchen.“

Überrascht nahm dieser den Ordner an und blätterte darin herum. In dem Ordner hatten sie die Noten und Texte zu ihren bisherigen Liedern gesammelt. Allzu viele waren es nicht, aber dafür hatten sie tatsächlich alles selber geschrieben. Hinten waren noch ein paar Entwürfe enthalten.

Plötzlich klingelte Watarus Handy. Dieser zuckte ein wenig zusammen, als er den Klingelton hörte. Normalerweise riefen ihn nur seine Freunde an und die waren ja hier. Also musste es sein Vater sein, was meistens nichts Gutes bedeutete. Als er das Handy aus der Tasche kramte, das immer noch klingelte, bestätigte sich seine Vermutung. Es war sein Vater, der anrief.

„Ja?“, meldete er sich. Während er zu hörte, entfernte er sich von den anderen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich ebenfalls. Die Gesichtsmuskeln spannten sich an und sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Ich hab dir schon mal gesagt, dass es mir scheißegal ist, wenn sie schon wieder weg ist. Es geht mich nichts an. Sie hat mich aus ihrem Leben gestrichen und ich sie aus meinem!“, erklärte er genervt. „Nein, nichts aber! Du weißt genau wie ich das sehe! Wenn ihr euch verrückt machen wollt, tut das, aber lasst mich da raus!“, schnaubte er nach einer Weile wütend. Er verstand nicht warum sein Vater ihn immer noch damit belästigte. Er hatte seinen Standpunkt mehr als einmal klar gemacht. Sein Vater versuchte noch einmal ihn davon zu überzeugen, dass er nach Hause kommen sollte, doch Wataru legte schließlich einfach auf. Er holte einmal tief Luft und drehte sich dann wieder zu den anderen um.

„Alles okay?“, fragte Yuusuke vorsichtig, da er nicht genau wusste, wie sein Freund reagieren würde. Obwohl sie sich schon seit Jahren kannte, konnte er oft nicht sagen wie dieser reagieren würde.

„Ja, nur das Übliche.“, erklärte Wataru in einem erschreckend gleichgültigen Ton. Jedenfalls rastete er nicht aus. Trotzdem war klar, dass er nicht weiter darüber reden würde. Doch bis auf Tohru wussten die anderen bescheid, was „das Übliche“ war. „Habt ihr Lust nachher was trinken zu gehen?“, wollte er dann wissen.

Die anderen stimmten zu, wussten sie doch genau, dass Wataru sonst alleine losziehen würde. Bevor sie ihn irgendeine Dummheit machen ließen, würden sie ihn begleiten. Außerdem waren sie schon eine ganze Weile nicht mehr zusammen unterwegs gewesen.

„Kommst du auch mit, Tohru?“, wollte Wataru dann, zum Erstaunen aller, wissen.

„Willst du mich denn dabei haben?“, fragte dieser. Er war überrascht, dass Wataru ihn direkt ansprach, so ganz gegen seine bisherige Gewohnheit. Auch Yuusuke zog überrascht eine Augenbraue nach oben. Hatte seine „Standpauke“ so schnell gefruchtet? Das sah seinem Freund so gar nicht ähnlich.

„Sonst hätte ich dich nicht gefragt.“, stellte dieser fest. Es war nur ein Impuls gewesen, ihn zu fragen, mehr nicht. Und wenn er es nicht getan hätte, hätte Yuusuke es bestimmt getan…

So beschlossen sie Tohru drei Zettel aus ihrem Ordner mitzugeben, damit dieser sich ein wenig vorbereiten konnte und bei der nächsten Probe zeigen konnte, was er konnte. Dafür würden sie jetzt in dem Lokal, in dem sie häufiger waren, etwas essen und trinken gehen. Es war ein kleines, günstiges Lokal, gar nicht weit entfernt von ihrem Proberaum. Man saß praktisch in kleinen abgetrennten Separees, sodass man genügend Privatsphäre hatte. Die Einrichtung war eher traditionell mit niedrigen Tischen und Sitzkissen. Außerdem musste man am Eingang seine Schuhe ausziehen. Aber dafür war es gemütlich hier, sie konnten es sich leisten und sie bekamen tatsächlich Alkohol, obwohl sie eigentlich noch nicht trinken durften. Doch darum kümmerte sich hier niemand.

Schnell hatten sie sich auf verschiedene Dinge zu essen geeinigt, die sie dann teilen würden. Nun standen fünf Biergläser auf dem Tisch, ein Teller mit Salat, Yakitori und andere Kleinigkeiten. Wataru und Tomoyuki saßen auf der einen Seite des Tisches, Hiroaki, Yuusuke und Tohru auf der anderen.

„Wie lange spielst du schon Schlagzeug?“, wollte Wataru von Tohru wissen. Er füllte sich gerade mit seinen Stäbchen etwas Salat auf seinen Teller. Wenn Tohru sowieso bei ihnen vorspielen würde und die anderen sich mit ihm anfreundeten, dann hätte er auch gerne ein paar mehr Informationen. Seine bisherigen Informationen waren ja mehr als löchrig, wie er bemerkte. Gut daran war er auch selber schuld, aber das ließ sich ja ändern. Vielleicht hatte Yuusuke auch recht und Tohru war wirklich ganz in Ordnung. Für etwas Oberflächliches dürfte es reichen, ob ihre Freundschaft dann irgendwann tiefer gehen konnte, würde sich zeigen.

„Seit drei Jahren. Zwei davon in verschiedenen Bands. Und wie lange singst du schon?“, erwiderte Tohru.

„Hm, ich glaube seit vier Jahren. Genauso lange schon sind Yuusuke und ich in einer Band. Hab vorher Gitarre gespielt, aber die anderen sind besser.“, antwortete Wataru. Damit gab er zum ersten Mal freiwillig etwas von sich selber preis. Seine drei älteren Freunde warfen sich einen kurzen erleichterten Blick zu.

„Deine Stimme ist recht ungewöhnlich, aber ich mag wie du singst. Da stecken so viele Emotionen drin. Und ich sag das jetzt nicht, um mich bei dir einzuschleimen…“, meinte Tohru.

Sein Gegenüber sah ihn forschend an, als wenn er durchschauen konnte, ob es wirklich ernst gemeint war. Doch dann lächelte er tatsächlich: „Danke. Ich bin gespannt, was du drauf hast.“

In diesem Moment hatte Yuusuke beinahe das Gefühl, als wenn ihm ein Stein vom Herzen fiel. Er wusste, dass Wataru so was nicht einfach nur sagte. Wenn dann meinte er es auch so.

„Ich hoffe, dass ich euch nicht enttäusche, denn ihr seid wirklich gut. Wenn ihr euch ins Zeug legt, könnte das bestimmt was werden.“, grinste der Jüngste.

„Hör bloß auf, wir werden gleich rot!“, lachte Hiroaki und winkte ab.
 

Später begleiteten Yuusuke und Tohru Wataru nach Hause, da dieser ziemlich betrunken war und sie ihn nicht alleine nach Hause gehen lassen wollten, obwohl er wahrscheinlich heil angekommen wäre. Dieser hatte recht schnell aufgegeben zu protestieren, allerdings unter der Bedingung, dass sie ihn nur bis zur Haustür bringen würden. Als sie sahen, wie dieser in der Haustür des kleinen Appartementkomplexes, in dem er mit seinem Vater und dessen Lebensgefährtin wohnte, machten sie sich auf den Weg zur nächsten U-Bahnstation. Tohru hätte sich gerne erkundigt, ob bei Wataru alles in Ordnung war, doch er traute sich nicht. Dabei machte er sich schon Sorgen um den anderen. Er wusste nicht genau wieso, aber Wataru faszinierte ihn auf eine Weise. Es interessierte ihn, was für ein Mensch wirklich hinter der grummeligen, leicht verbitterten Fassade steckte.

Als Wataru in die Wohnung kam, saß sein Vater mit seiner jungen Lebensgefährtin, die erst Mitte 20 war, im Wohnzimmer. Er begrüßte sie kurz und wollte in sein Zimmer gehen, doch sein Vater hielt ihn zurück.

„Willst du nicht wissen, was mit deiner Mutter ist?“, fragte er seinen Sohn.

„Nein.“, erklärte dieser schlicht und kühl.

„Und du findest es in Ordnung, wenn du angetrunken nach Hause kommst, wo ich mir Sorgen machen, ob deiner Mutter im Suff nichts passiert ist?“, wollte sein Vater wissen.

„Anscheinend ja. Ich versteh auch gar nicht, wieso du dir immer noch Sorgen um sie machst. Ihr seid seit Jahren geschieden und eigentlich habt ihr nichts mehr miteinander zu tun.“, erwiderte Wataru immer noch im selben Tonfall.

„Sie ist krank, Wataru! Jemand muss doch mal nach ihr sehen. Passiert ist ihr übrigens nichts. Sie hat nur ihren Rausch ausgeschlafen und das Telefonkabel rausgezogen. Warum auch immer. Warum machst du dir keine Sorgen? Sie ist schließlich deine Mutter!“, sagte er.

„Das weißt du doch genau! Ich habe es satt, dir das erklären zu müssen! Sieh es endlich ein, es interessiert mich nicht!“, schnappte er und ging. Er war froh endlich in seinem Zimmer zu sein. Er ließ sich mit einem Seufzer auf sein Bett fallen. Das Ganze mit seiner Mutter kotzte ihn nur noch an. Sollte sie sich doch tot saufen, es war ihm egal. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, als er vier Jahre alt gewesen war. Da seine Mutter damals schon ein Alkoholproblem hatte, war er bei seinem Vater geblieben. Dieser hatte schnell eine neue Freundin gehabt, mit der er sich auch sehr gut verstanden hatte. Bis sein Vater sich auch von ihr getrennt hatte. Aber auch diese Beziehung hatte nicht lange gehalten. Es folgte zahlreiche Affären, bis sein Vater nun seine jetzige Lebensgefährtin kennengelernt hatte. Bis Wataru ihr einigermaßen vertraut hatte, hatte es einige Zeit gedauert, aber inzwischen verstand er sich recht gut mit ihr. Mit seinem Vater verstand er sich, bis auf ihre Meinungsverschiedenheit was seine Mutter anging, auch gut. Diese war ihm inzwischen egal. Es hatte Zeiten gegeben, da war er noch mit ins Krankenhaus gefahren, aber sie hatte sich eigentlich nie für ihn interessiert. Mit 13 hatte er sie das letzte Mal im Krankenhaus besucht. Zu der Zeit hatte sie ihn nicht mal mehr erkannt. Das war der Punkt, an dem er endgültig beschlossen hatte, dass sie in seinem Leben keinen Platz mehr hatte. Trotzdem griff er nach seinem Handy und schrieb Yuusuke eine kurze Nachricht. Er wusste, dass sein Freund sich Sorgen um ihn machte. „Bin gut angekommen. IHR geht’s anscheinend gut, Beerdigung steht noch nicht an.“, tippte er ins Handy und verschickte die Nachricht dann.

„Dann bin ich beruhigt, du alter Zyniker. Danke, dass du Tohru mitgenommen hast. War gar nicht so schlimm, oder?!“, kam wenig später als Antwort.

„Bin kein Zyniker, ist nur die Wahrheit. War okay, aber das heißt nicht, dass wir jetzt Freunde sind!“, schrieb Wataru zurück.

„Hatte ich auch nicht vermutet. Trotzdem danke, bin stolz auf dich. Geh schlafen, morgen ist Schule! XP Schlaf gut!“, war Yuusukes Antwort, die ihn tatsächlich lächeln ließ. Er war schon froh, wenigstens ein paar Freunde zu haben, die es mit ihm aushielten.
 

Als Tohru im Badezimmer stand und sich die Zähne putze, versuchte er es zu vermeiden in den Spiegel zu gucken. Wenn er irgendetwas nicht sehen wollte, dann war es sein eigenes Spiegelbild. Er seufzte, als er doch hinguckte. Wie er diesen Anblick hasste! Er setzte sich resignierend auf den Badewannenrand, von wo aus er den Spiegel nicht sehen konnte. Jetzt wo er alleine war, kamen all die Gedanken zurück, die er tagsüber so gut verdrängen konnte. Vor allem in der Gesellschaft seiner neuen Freunde klappte es ganz prima. Tohru hatte sich das Ganze schwieriger vorgestellt. Seit er wieder zur Schule ging, ging es ihm eindeutig besser, jedenfalls wenn er mit den anderen zusammen war. Er war wirklich froh, dass er die vier so schnell kennengelernt hatte, sonst würden sich die Dinge wohl anders verhalten.

Seine Eltern waren froh, dass es ihm augenscheinlich wieder besser ging. Sie waren mehr als erleichtert gewesen, dass er gleich am ersten Schultag neue Freunde gefunden hatte.

Bevor Tohru schließlich zu Bett ging, schaltete er noch kurz seinen Laptop an und sah nach seinen E-Mails. Auf seiner neuen Adresse waren keine neuen Nachrichten eingegangen. Für einen Moment überlegte er, ob er seine alte auch checken sollte. Er wusste, dass er sie eigentlich hatte löschen sollen, doch er hatte es noch nicht über sich gebracht auch diese Verbindung zu kappen. Obwohl er doch genau wusste, dass es besser für ihn war. Trotzdem konnte er es noch nicht.

Er merkte gar nicht, wie er das Passwort für die alte Adresse eingab. Hier war das Postfach gut gefüllt. Die meisten Mails stammten von ein und derselben Person. Die letzten Wochen waren allerdings recht mau. Doch Tohru entdeckte eine Nachricht von vor zwei Tagen, die er noch nicht gelesen hatte.

Mit klopfenden Herzen öffnete er die Nachricht.
 

„Tut mir schrecklich leid, dass ich dir erst jetzt schreiben kann, aber du weißt ja, dass die Situation nicht besonders einfach ist.

Ich möchte, dass du weißt, dass ich dich immer noch liebe und nie wollte, dass du so leiden musst. Es ist mir egal, was die anderen sagen, du bist das Einzige, was zählt für mich.

Ich vermisse dich sehr und hoffe, dass wir uns irgendwann wiedersehen können und dass du mich dann immer noch liebst. Über Antwort würde ich mich sehr freuen. Würde meine grauen Tage etwas erhellen.

Verzeih mir bitte.

In Liebe XXX“
 

Innerlich fluchte Tohru. Er hätte das nicht lesen sollen. Es riss einfach zu viele Wunden wieder auf. Er wusste nicht, was er noch für den anderen empfand. Aber diese Frage, die er bisher so erfolgreich verdrängt hatte, meldete sich nun mit einer Penetranz in seinen Gedanken wieder, als wenn sie unbedingt jetzt gleich beantwortet werden müsse. Seufzend loggte er sich aus und schmiss sich auf sein Bett. Aber auch dort ließen die Gedanken ihn erstmal nicht zur Ruhe kommen.
 

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* Hui, da bin ich wieder! Dieses Mal ist das Kapitel um Einiges länger geworden... aber es war schwer vorher abzubrechen...

* Lesen das hier echt nur zwei Leute? T.T Aber an die beiden vielen Dank für Kommi und Favo! Freu mich drüber! *g*

* Leute liebt doch 12012 ein wenig mehr!!! Das ist ne echt gute Band! Das neue Album ist der Hammer! *_*



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  TOKlO
2010-07-23T08:43:04+00:00 23.07.2010 10:43
Das kapitel ist super süß
du schreibst echt gut~
mach weiter so ich les die FF's gern~
und ja das neue album und die band is geil xD
nur wenn ich persöhnlich das lied One step nicht kenne
aber jetz kann ich es mir vorstellen das es sehr gut ist
so wie das letzte kapitel
schreib schnell weiter


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