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Re: Breaking Dawn

Was wäre, wenn Vampirismus kein Allheilmittel gegen Konflikte wäre?
von

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Der große Tag

Ich riss die Augen auf. Zitternd und keuchend lag ich in meinem Bett, und es dauerte einige Minuten, bis ich mich von dem Traum befreit hatte. Die brennende Strip-Bar glühte in meinen Gedanken immer noch in einem netzhautverzehrenden Feuerrot, genauso wie die züngelnden Flammen, die expressionistischen Schlangenköpfen gleich sich gen Himmel geschlängelt hatten, während die völlig demolierte Öffnung, die mal eine Tür gewesen war, langgezogen und klagend wie der Mund der Person auf Munchs Gemälde „Der Schrei“ vor Schmerz zu kreischen schien. Wie Totenlichter spiegelten sich die Funkenstürme auf den glänzenden Gedärmen armseliger ehemaliger Kunden, die es nicht mehr nach draußen geschafft hatten und um diese groteske, brutale Szenerie, die direkt aus dem tiefsten Schlund der Hölle zu stammen schien, noch zu krönen, hatte Tscharlie inmitten dieses Gebäudes gestanden. Er hatte ganz gelassen ausgesehen, sich an einem der Brandherde eine dicke Zigarre angezündet, ein Scharfschützengewehr geschultert und gesagt: „Ich krieg dich, Edwoard!“

Dann war ich aufgewacht und es war gut, dass ich aufgewacht war, denn die ganze Zeit über hatte im Hintergrund meines Traumes ein Hardcore-Techno-Biene-Maja-Remix gespielt.

Zurück in der Wirklichkeit von Edwoards ordentlichem Zimmer, ärgerte ich mich ein wenig über mein Original-Selbst, dass in seinem eigenen unordentliches Zimmer erwacht war, aber nur die bereits ordentlichen Zimmer in Tscharlies Haus „aufgeräumt“ hatte, um sich abzulenken, was mal ziemlich daneben war oder als feiner Subtext hatte andeuten sollen, dass ich doch nicht so ein Hausmütterchen war, wie ich sonst immer dargestellt wurde, da ich mich hier klar vor Arbeit gedrückt hatte. Zum Glück musste ich mich in diesem alternativen Universum weder damit noch mit Tscharlies Frühstück befassen und konnte mich somit mit weitaus interessanteren Dingen von der anstehenden Hochzeit ablenken. Das hier war schließlich Edwoards Zimmer!
 

Inzwischen aß Tscharlie verbrannten Toast und vermisste seine kostenlose Köchin. Er hatte sich für die Hochzeit den ganzen Tag freigenommen und wusste nun nichts mit sich anzufangen, denn es galt eine Menge Zeit totzuschlagen bis diese endlich startete.

Apropos totschlagen...

Verstohlen blickte er zu dem Schrank unter der Treppe, wo er seine Angelgeräte aufbewahrte.
 

Enttäuscht seufzte ich. Noch kein einziges von Edwoards dreckigen Geheimnissen hatte ich lüften können, der Kerl versteckte sein Zeug anscheinend ziemlich gut, doch dieses Zimmer hier war einfach zu sauber und zu unschuldsdurchlutscht als dass es nicht zumindest eine versteckte Leiche beinhalten könnte.

Eine Weile tastete ich unter dem Bett, dass extra meinetwegen in seinem Zimmer stand und fand nicht mehr als Staub, Teppichfusseln und... Moment...

Ich zog meinen Arm zurück und fand in meiner Hand eine benutzte Lümmeltüte von kleiner Normgröße.

„Ach deswegen fühle ich mich jeden Morgen so durchgenudelt“, sagte ich stirnrunzelnd zu mir selbst.

Das war doch echt der Hammer! Da weigerte Edwoard sich ständig mit mir Liebe zu machen, weil das nicht tugendhaft sei und so weiter und so fort, und kaum bekam ich nichts mehr mit, warf er all seine Haltungen über Bord und schickte sein geliebtes Pumablut aus seinem Gehirn zu einer Stelle, wo dieses mehr Spaß haben würde. Noch dazu benutzte er dabei Kondome, damit er keine Spuren in Form von Wichse an mir hinterließ, obgleich dies von der Kirche als menschenverachtend eingestuft wurde! Tss! Tss! Tss! Er war genauso wie all diese scheinheiligen Kirchenvertreter! Nach außenhin Enthaltsamkeit predigen und dann selber vögeln und schänden, dass die Wände wackeln.

Aber ich wäre nicht Bölla, wenn ich ihm nicht auch das auf sein gekrümmtes Lächeln hin sofort vergeben würde.

Ein paar Sekunden saß ich so glückselig lächelnd bei dem Gedanken an Edwoard da, bevor ich mich zu wundern begann, wo Ällis blieb, um mich gewaltsam in mein Hochzeitskleid zu zwängen. Irgendetwas stimmte nicht. Es war ihr einziger Lebensinhalt Leute in Klamotten zu stecken und dies nicht bei mir auszunutzen und das so früh wie möglich an diesem Tage, das war... das war einfach nicht ihrem Charakter gemäß.

Hastiges Fußgetrappel war mit einem Mal auf dem Gang draußen zu hören; ich spitzte die Ohren, als ich Stimmen hörte und begann an der Tür zu lauschen.

„Weiß nicht, was ihr euch dabei gedacht habt. Was soll Böllas Vater nur von euch denken? Aber nicht nur, dass mehrere Menschen wegen euch gewaltsam ums Leben kamen, obwohl wir Kallens uns dem Schutz der Menschen verschworen haben, ich muss jetzt auch Unsummen an Bestechungsgeldern fließen lassen, weil viele der Überlebenden genau gesehen haben, was in dieser Bar geschehen ist!“, hörte ich Karleil mit einer solch wütenden Stimme sagen, dass ich einige Sekunden brauchte bis ich realisierte, dass es sich hier tatsächlich um den ruhigen sanften Karleil handelte, den ich kannte.

„Na ja, sie sahen wie ein Kellner, der völlig fehl am Platze war, von mir Liebe gemacht bekam“, hörte ich Ämmätt kichernd sagen.

„Sie sahen wie Edwoard zwei Menschen mit Leichtigkeit quer durch den Raum schleuderte!“, hörte ich Karleil brüllen.

„Ja, das natürlich auch...“, hörte ich Ämmätt betreten sagen.

Ach du Scheiße! Sollten Ämmätt, Dschäspärr und Edwoard am Ende gar nicht Jagen gewesen sein? Hatte ich mich zu sehr auf das vampirische Nolife verlassen, dass es niemals möglich sein würde, dass sie etwas anderes unternehmen würden als das, was sie immer taten?

„Karleil“, begann Edwoard mit dem vertrauenswürdigen Tonfall eines Hochstaplers. „Das alles ergab sich aus einer Reihe unglücklicher Zufälle.“

„Unter anderem dem unglücklichen Zufall, dass ihr drei euch in einer Strip-Bar befunden habt!“

„Jawohl, aber-“

„Das ist solch ein schändliches Benehmen! Ihr habt doch alle drei Frauen!“

„Ällis war ja auch dort. Und arbeitet als Prostituierte!“, grummelte Dschäspärr.

„Wie bitte?!“

„Ich habe wenigstens keinen Kellner gevögelt oder mit Menschen um mich geworfen! Das alles tat ich doch nur, um später mein Buch „Die geheimen Memoiren der ehemaligen Hure Bügel-Berta“ mit Fakten versehen zu können!“, keifte Ällis, von der ich gar nicht gewusst hatte, dass sie Mitglied dieses Komplotts war.

„Wieso willst du solch ein Buch schreiben, Ällis?“, fragte Karleil bestürzt.

„Um meinem Leben einen weiteren Sinn zu geben als andere Leute in Kleider zu stecken? Um meinem flachen Charakter etwas Tiefe zu verleihen, indem ich auch eine dunkle geheimnisvolle schmutzige Seite habe? Weil ich reich und gelangweilt bin und Dschäspärr mich nicht mehr anfasst?“

„Aber Ällis!“, riefen Karleil und Dschäspärr unisono.

„Wenn du deinen Schwanz in meinen Mund steckst, fühle ich mich, als würdest du mich als Klo benutzen!“

„Ällis, ich hatte ja keine Ahnung, dass du so fühlst. Dass unsere Beziehung langsam erkaltet, weil ich nichts von Slow-Sex halte! Weil wir außer Jagen keine weiteren Interessen haben, die uns vereinen. Manch einer sagt, es wäre furchtbar zu sehen, wenn es Personen nur noch im Doppelpack gibt und sich keiner mehr Zeit für sich alleine nehmen kann, aber bei uns Zweien scheint es genau verkehrt herum zu sein.“

„Allerdings!“

„Gut, dann werde ich fortan als Schlamperich arbeiten und mich ebenfalls prostituieren, damit wir ein gemeinsames Hobby haben und uns darüber austauschen können. Dann wirst du deinem Buch noch mehr Augenzeugen-Schmuddeleien hinzufügen können!“

„Dschäspärr! Das würdest du tun?“, hauchte Ällis gerührt.

„Jawohl, meine Ällis! Meine kleine, dünne, elfenhafte, bezaubernde Hurenprinzessin.“

„Oh, Dschäspärr! Mein goldgelockter Jüngling mit kohlrabenschwarzem Haar! Nimm mich! Nimm mich hier und jetzt!“

Ein paar eindeutige Geräusche von heruntergerissenen Kleidern und Vampire-Kissing-Noises ließen sich hören, denen ein einstimmiges Räuspern seitens Karleil und Rest folgte.

„Gut, gut“, hüstelte Karleil. „Dschäspärr, Ällis, ihr beide seid hiermit entlassen, da ihr euch ja auch nichts weiter zu Schulden habt kommen lassen. Außer dass du Menschenblut getrunken hast, Dschäspärr. Ich bin außerordentlich enttäuscht, aber da die Frau bereits tot war, will ich mal beide Augen zudrücken. Über die Sache mit der Prostitution reden wir aber noch!“

Die Rammelgeräusche entfernten sich und zunächst war nichts mehr zu hören. Ich hielt den Atem an.

„Nun wieder zu euch beiden, Ämmätt und Edwoard“, fing Karleil an und machte eine kurze Pause. „Wieso nur habt ihr euch so beschissen verhalten, wo ihr oder besonders du, Edwoard, doch sonst so dezent und vernünftig agiert. Ach ja, wo ist eigentlich deine Hose, Ämmätt?“

„Öhm... die ist grad jagen“, folgte die fixe Antwort.

„Okay... Jedenfalls wirst du, Ämmätt, zur Strafe den Rasen mähen. Hast du verstanden, Ämmääääähtt? Du wirst den Rasen määäähen! Ämmäääääähtt määääht den Rasen, verstanden?“

„Öhm, was?“

„Was gibt es daran nicht zu verstehen, Ämmäääääääähtt?! Määh den Rasen Ämmäähtt!“

„Okay, das wird ja nicht lange dauern, hehe.“

„Und zwar ohne Vampire-Speed-Hack! Denn ich, Karleil, bin hier auf dem Kallen-Server der Admin und wenn ich dich beim hacken erwische, dann wirst du von hier gebannt!“

Die schlurfenden Schritte ließen darauf schließen, dass sich ein gebeutelter Ämmätt nun ans rasenmähen machen würde.

„So, Edwoard“, begann Karleil langsam, seine Stimme erfüllt vom nachgiebigen verzeihenden Unterton eines katholischen Priesters, als er sein Lieblingskind ansprach.

„Wollen wir uns nun wieder den Hochzeitsvorbereitungen zuwenden, Karleil?“, fragte Edwoard, der nicht den geringsten Zweifel daran hatte, dass er heil aus der Sache wieder herauskam.

„Hosen runter.“

„Wie meinen?“

„Ich sagte: Zieh dir deine Hose runter!“

„Aber Karleil! Wie kannst du nur-“

„Wie kannst du nur zwei Menschen durch die Gegend werfen?“

„Okay, okay...“

Ich hörte das Klackern eines sich öffnenden Gürtels und das unmissverständliche Zippen eines Hosenstalls, bevor mich das Geräusch raschelnder niederfallender Beinkleider umschmeichelte. Schlussendlich hörte ich Karleil sagen:

„Auf meine Knie!“

Nicht viel später klatschte es aus dem Flur und mir wurde schlagartig bewusst, dass Karleil Edwoard gerade seinen nackten Adonis-Hintern versohlte und das machte mich tierisch an. Mit einer Hand stützte ich mich an der Tür ab, lehnte mein Gesicht gegen das gelackte Holz, atmete den ungesunden Geruch ein und ließ meine andere Hand langsam und vorsichtig in mein Höschen wandern. Kurz zuckte ich zusammen, als ich die empfindliche Haut berührte, ließ mich danach aber nicht mehr aufhalten meine Klitoris hervorzulocken. Eifrig rieb ich sie zwischen meinen Fingern, während ich dem Klatschen lauschte. Beides erregte mich zutiefst, ließ mich grinsen als wäre ich völlig stoned, beinahe hätte ich nicht einmal mehr dem Drang meine Zunge raushängen zu lassen widerstanden. Meine Beine zitterten, konnten mich kaum noch halten, der Drang einen gepfefferten Strahl Pinkel loszulassen wurde immer stärker, obwohl dies im erregten Zustand völlig unmöglich war. Ich wand mich unter unterdrücktem Kichern und wabbeligen Beinen, keuchte, ließ allerdings nicht locker und befriedigte mich weiter selber, so stark das Verlangen auch war diesem quälend-kitzeligen supergeilen Gefühl für einen Moment zu entkommen, um wieder richtig Luft schnappen zu können. Feucht und klebrig lief mir mein Liebessaft die Schenkel hinunter...

Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, ich flog nach hinten, kam zu Fall und knallte mit voller Wucht auf mein Hinterteil. Mein Steißbein meldete sich kreischend schmerzhaft und ich begann nun nicht mehr nur aus meiner Ketchupspenderin Flüssigkeit zu verlieren.

„Bölla! Was tust du denn da?!“, fragte mich ein völlig perplexer Edwoard, der nun leider wieder eine Hose trug.

Rasch nahm ich meine Hand aus meinem Schlüpfer und wischte sie extrem peinlich berührt am Teppich ab.

„Ich gebe es ja zu... Ich habe masturbiert“, sagte ich zerknirscht.

Boah, war das peinlich!

„Wie kannst du nur, Bölla?!“

„Entschuldigung, aber-“

„Kein Aber, Bölla! Jeglicher freiwilliger außerehelicher Gebrauch der Geschlechtskraft stellt eine in sich ordnungswidrige Handlung dar!“

„Ach du Scheiße! Du verfickter religiöser Bastard! Dich und deine Kumpanen sollte man allesamt aufhängen!“, schrie ich unter Tränen.

Sofort bemerkte Edwoard, dass er einen Fehler gemacht hatte, hielt mich zurück, als ich einen bühnenreifen Abgang machen wollte und lächelte mich schräg an.

„Bölla“, hauchte er sanft mit seiner rauchigsten Stimme, „Es geht mir doch nur darum, dass du nicht deine Tugend verlierst!“

„Du bist solch ein Reli-Nazi“, flüsterte ich erstickt, als er mich gegen seine marmorne Brust presste. „Aber ich liebe dich trotzdem.“

„Nicht so sehr, wie ich dich liebe.“

„Ich liebe dich mehr, als du jemals erahnen wirst.“

„Menschen können nicht so sehr lieben wie Vampire“, sagte Edwoard mit strenger belehrender Oberlehrerstimme, die vor Spott triefte.

Tief seufzend beließ ich es dabei, schließlich war es eine Tatsache, dass Vampire einfach in allem absolut imba und overpowered waren.

„Edwoard... wieso sagst du nie einfach, dass du an Gott glaubst?“, fragte ich.

Sein ganzes Um-den-heißen-Brei-Herumgerede, wenn er von Tugenden sprach hatte mich schon immer etwas stutzig gemacht.

„Ich glaube nicht an Gott, ich weiß, dass es ihn gibt.“

„Woher willst du das bitte wissen?“

„Weil nur unser aller Vater in seiner göttlichen Weisheit und seinen unergründlichen Wegen solch ein perfektes Wesen wie mich hätte erschaffen können!“

„Glaubst du nicht eher, dass das der Teufel war?“

„Waa...?“

Edwoard verfiel in eine Art Schockstarre.

„Denk doch mal nach! Geht es dem Teufel nicht immer um strahlende Schönheit und Reichtum mit denen er andere verführt, während Gott und seine Boten sich in Bettlergewänder hüllen? Und hat Jesus nicht auch immer Armut gepredigt? Sagte er nicht sogar: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher ins Himmelreich“? Und jetzt schau dich mal an!“

Für einen Moment schienen sich in Edwoards reinster Haut sein Full HD Fernseher, seine ultrateure Designer-Deckenleuchte und sein Original-Picasso-Gemälde zu spiegeln.

„Öh...“

„Ach komm, Edwoard, geh woanders glitzern!“

In eine tiefe Identitätskrise gestürzt, schritt Edwoard von dannen.

Ha, dem hatte ich es gegeben. Große Klappe, nichts dahinter. Ein typischer Bibel-Futzi, der seine eigene Religion nicht verstand. Allerdings würde auch das mich nicht daran hindern ihn zu heiraten, damit er unseren Deal einlöste und mich zum Vampir machte. Also, wo war nun das verdammte Hochzeitskleid? Und vor allen Dingen Ällis...

Rasch lief ich zu ihrem Zimmer und klopfte an die Tür. Sofort erstarben die Bettquietsch- und Stöhn-Geräusche und nur eine Sekunde später öffnete mir eine ziemlich zerwuschelt aussehende Ällis die Tür.

„Ja?!“, fragte sie im genervten Tonfall, als hätte ich sie gerade sehr unpässlich bei irgendwas unterbrochen.

„Du musst mir helfen mich zu frisieren, mich zu stylen, zu schminken und natürlich musst du mir helfen mir mein Kleid anzuziehen!“, ratterte ich atemlos herunter.

„Bölla, ich habe meinen Lebensstil vollkommen umgekrempelt. Ich ziehe Leute nicht mehr an, ich ziehe sie aus! Ich habe ein Gelübde abgelegt!“

„Aber kannst du nicht wenigstens für mich eine Ausnahme machen? Immerhin sind wir beste Freundinnen! Du sagtest immer wieder, dass du mich liebst!“

„Da ist schon etwas dran...“, sagte Ällis, die gerade eine Idee zu haben schien, verschlagen.

„Wie bitte?“, fragte Dschäspärr aus dem Hintergrund, bevor er neben Ällis trat. Seine bienensabberfarbenen Locken leuchteten voll purer Nichtlebensenergie. „Meine Ällis gebe ich nicht wieder her!“

„Aber Dschäspärr! Im Original mischst du auch nie mit, sagst kein Wort, hast keine eigene Meinung und von unserer Beziehung weiß man quasi nur, weil man das in Wikipedia nachgelesen hat!“, warf Ällis ein.

„Nun ja, vielleicht...“, hauchte Dschäspärr in versöhnlichem Verführerton. „Vielleicht habe ja auch ich meinen Lebensstil geändert...“

„Uuuuh...!!“

Vor meinen Augen begannen Ällis und Dschäspärr miteinander zu schnäbeln und schienen mich völlig vergessen zu haben. Ich räusperte mich geräuschvoll.

„Oh, entschuldige, Bölla!“, sagte Ällis erschrocken und zog mich gleich mit sich in ihr übergroßes Badezimmer, nachdem sie Dschäspärr noch freundschaftlich auf den Hintern geklatscht hatte. „Ich werde mich um das Kleid kümmern, du schminkst sie, Dschäspärr!“

„Okidoki!“, sagte Dschäspärr mit Feuereifer und pfefferte mich in einen Stuhl.

„Hast du überhaupt Ahnung vom Schminken?“, fragte ich und unterdrückte ein paar Tränen, weil mein Hinterteil schon wieder in Mitleidenschaft gezogen worden war.

„Na klar!“, sagte Dschäspärr fröhlich, packte eine Torte aus ihrem Karton und schleuderte sie mir sachte ins Gesicht.

Natürlich war „sachte“ für einen Vampir etwas anderes als für einen Menschen. Ich kippte rücklings auf den Badezimmerfußboden, mein Nachthemd rutschte hoch und offenbarte mein Höschen mit Prinzessin-Lillifee-Aufdruck.

„Oh Gott!“, schrie Ällis. „Bella, rasier dich doch mal bitte ordentlicher, das ist ja ekelhaft!“

„S-Sorry...“, stöhnte ich, fasste mir an den Kopf und bemerkte eine Beule.

„Sie blutet doch nicht etwa?“, fragte Dschäspärr und schnupperte angestrengt.

„Nein, tut sie nicht“, entwarnte Ällis.

„Verdammt...“

Auf einmal schneite Rousalie in das Badezimmer hinein, besah sich kurz der Szenerie vor ihr und fragte dann stirnrunzelnd: „Ällis, Dschäspärr, gibt es einen Grund dafür, dass ihr beide nackt seid?“

„Oh!“, riefen beide gleichzeitig, als sie sich ihrer Ungebührlichkeit bewusst wurden.

„Sie hatten gerade Sex, als ich sie darum bat mir bei meinem Hochzeitskleid und meiner Schminke zu helfen“, erklärte ich scharfsinnig, während mir Schlagsahne und Zuckerguss das Gesicht herunterliefen.

Mühevoll richtete ich mich auf und setzte mich wieder auf den Stuhl, darauf hoffend, dass Dschäspärrs Schminkkünste sich nicht nur aus der Kunst des Tortenwerfens erschöpften.

„Ah, das erklärt natürlich alles“, wortete Rousalie ant. „Kann ich euch bei irgendwas behilflich sein?“

„Du könntest ihr die Haare machen!“, schlug Ällis begeistert vor, als sie selbst tatenlos herumsaß und Knitter ins Kleid machte, welches auf ihrem Schoß lag.

Während Dschäspärr sein Arsenal an Karnevalsschminke ausbreitete, vertrieb ich mir die Zeit damit baff darüber zu sein, dass Rousalie, die mich noch nie hatte leiden können, sich anschickte mir behilflich zu sein. Kaum hatte sie meine Haare berührt, da zuckte sie auch schon wieder zurück.

„Da ist echt nichts zu machen... es sei denn...“

Sie packte eine meiner Strähnen und schnitt sie kurzerhand ab, tunkte ihre Hände in Kleister, der hier zufälligerweise in einem Eimer herumstand und massierte daraufhin auf sehr angenehme Weise meine Kopfhaut.

„Fertig!“, sagte sie fies grinsend und hielt mir einen Spiegel vors Gesicht, der sofort zerbrach.

„OH SCHEISSE!“, schrie ich entsetzt.

Zufrieden mit sich selbst, schwebte Rousalie aus dem Bad heraus. Kacke, ich hätte ja wissen müssen, dass diese Oberzicke es niemals gut mit mir meinen könnte.

„Hör mal, du Schlampe! Wenn du unbedingt so ein Mistkind haben willst, dann klau dir ein fertiges und schieb's dir selber in die Röhre!“, rief ich ihr zornig hinterher.

„Nicht aufregen, Bölla“, sagte Dschäspärr mit leicht schwul angehauchter Stimme. „Du versaust sonst noch mein Meisterwerk!“

Abermals wurde mir ein Spiegel vorgehalten, als er mich fertig angepinselt hatte, und diesmal hielt es der Spiegel lange genug aus, um mir in aller schicksalhafter Häme zu zeigen, was für ein Monstrum ich geworden war.

„Ich sehe aus wie ein Clown!!“

Gestresst krallte ich meine Hände in meine Haare und merkte dabei viel zu spät, dass das Kondom, das ich die ganze Zeit über in der Hand gehalten und enttäuscht mit Dschäspärrs Nudel verglichen hatte, unwiderruflich an meinem Schädel kleben geblieben war.

„Oh, schöner Kopfschmuck, Bölla“, gratulierte mir Dschäspärr. „Der setzt dem Ganzen noch so einen erotischen Akzent auf!“

„GYAAAAAAAAAAAAAAAA!!!“

Kreischend sprang ich auf und rannte im Schweinsgalopp aus Ällis' Badezimmer.

„Halt, Bölla! Halt, halt, halt, haaalt!“, singsangte Ällis, überholte mich und stülpte mir das Kleid über.

Selbstverständlich platzten die Nähte bei dieser Prozedur teilweise auf und meine klebrigen Haare verfingen sich im Kragen, sodass mein Kopf nicht hindurchging und ich jämmerlich zu ersticken drohte.

„Ach, vorsicht! Der Kleiderbügel steckt noch drin!“, panflötete Ällis und entzweiteilte ihn mit einem anmutigen Karateschlag, der mir fast den Schädel brach, und endlich, endlich ruckte mein Kopf durch den Kragen und ich sah wieder Tageslicht.

„Bölla, du bist wirklich ein Anzieh-Noob. Wo sind deine Arme? Jetzt muss ich deine Ärmel wie bei einer Zwangsjacke zusammenknoten.“

Ich ließ sie gewähren. Mir war das Ganze bereits zu absurd. Ehrlich, konnte es noch schlimmer werden?

„Öhm, Dschäspärr? Solltest du nicht eigentlich Böllas Eltern aus ihrem Hotel abholen?“

„Können die nicht ein Taxi nehmen? Ich bin hier nicht das Mädchen für alles“, antwortete Dschäspärr eitel, spitzte die Lippen und lippenstiftete sie sich blutrot.

Während mir die Splitter des Kleiderbügels wie eine Dornenkronenkette in den Hals stachen, sagte Ällis: „Jetzt muss ich mich anziehen. Kannst du dich zwei Minuten zusammenreißen?“

„Ich versuche es“, zähneknirschte ich.

Sie verdrehte die Augen und flitzte zurück ins Bad. Ich hingegen traute mich nicht auch nur einen Raum zu betreten, der ansatzweise etwas wie einen Spiegel besaß – ich hatte Angst, eine richtige Panikattacke zu bekommen, wenn ich mich im Hochzeitskleid sähe.

Eine Sekunde später war Ällis wieder da, ihr Kleid floss an ihr herab wie Milch aus einer überfüllten Titte.

„Alice – wow“, staunte ich neidisch.

„Das ist nichts. Niemand wird heute auf mich achten. Und du weißt warum, Bölla...“

Ich unterdrückte einen Heulkrampf.
 

Inzwischen hatte Tscharlie seine „Angelutensilien“ vor sich auf dem Esstisch ausgebreitet. Unter den stets wachsamen Augen seines ehemaligen Marine-Ausbilders Gunnery Sergeant Hartman, dessen eingerahmtes Foto auf der Fensterbank seinen Ehrenplatz hatte, baute er sein liebstes Gerät langsam auseinander, um es noch einmal richtig zu reinigen, auf dass die Fledertöter V2 auch gute Dienste leisten möge. Mit viel Liebe begann er das Visier zu polieren, ein Zielfernrohr, welches eine 24-fache Vergrößerung erlaubte.
 

„Bölla, kannst du dich nun zusammenreißen oder muss ich Dschäspärrs Schminkstudie unterbrechen?“

„Mich zusammenreißen?! Was glaubst du, tue ich die ganze Zeit?!“

„Pussy“, murmelte Ällis, horchte dann plötzlich auf und rief: „Deine Mutter ist da!“
 

Zufrieden und mit viel Genugtuung stellte Tscharlie fest, dass sein Nachtsichtgerät, genauso wie der Laserentfernungsmesser, noch immer einwandfrei funktionierte. Sein Gewehr kurz liebkosend, verstaute er es wieder sorgfältig in dem Angelkasten, nahm dann eine Dose Schuhcreme hervor, tunkte jeweils Zeige- und Mittelfinger hinein und zog sich darauf bedrohliche schwarze Striche unter die Augen.

Den Kasten geschultert wie ein präsentiertes Gewehr, sagte er grimmig grinsend zu sich selbst:

„SEMPER FI, Eddie-Boy!“
 

„Bölla!“

Panisch kam meine Mutter die Treppe hochgerannt. Bereits kurz vor einem Nervenzusammenbruch, würde mich jetzt wohl nichts mehr schockieren können, oder?

„Oh, es war so fürchterlich, Bölla“, schluchzte meine Mutter. „Da wir erwarteten, dass Dschäspärr uns abholt, hatten wir kein Geld dabei und so musste Fill mich an den Taxifahrer verkaufen!“

„Oh Gott!“

„Keine Sorge, Schatz, zum schlimmen Teil der Geschichte komme ich erst noch. Der Fahrer war übrigens richtig gut! Also! Also wir waren gerade vor der Kallen-Villa angekommen, da springt uns plötzlich ein wildes Tier, das aussah wie ein Mensch, an und reißt Fill mit sich, zerrt ihn ins Gebüsch des Kallen-Gartens, der übrigens total hinreißend aussieht.“

„Das ist ja furchtbar!“, quiekte ich.

„Halb so wild, er hat es ja überlebt. Nachdem seine Schreie etwas leiser und wimmernder geworden waren, kam dieser absolut umwerfende Arzt, also Edwoards Papa, angelaufen, seinen in Zeitlupe wehenden weißen Kittel werde ich niemals vergessen!“

„Öh, und dann?“

„Er hechtsprungte ins Gebüsch und trug den armen verletzten Fill in Brauthaltung ins Haus, wo er ihn umsorgte und mir mit seinem umwerfenden Charme versicherte, dass Fill überleben würde. Und na ja, dann bin ich zu dir hoch!“

„Ist Fill bei Bewusstsein?“, fragte ich bestürzt.

„Habe ich schon erwähnt, dass dieser Karleil einfach umwerfend aussieht?“

„Na ja, wer interessiert sich schon für Fill?“, stellte ich nüchtern fest, als aus meiner Mutter nichts Brauchbares mehr zu holen war.

„Oh, das hat dieser Tiermensch auch gefragt!“

Sofort war ich wieder hellhörig.

„Wer?!“

„Karleil nannte ihn 'Ämmätt' und dieser meinte, dass man Fill doch ruhig umbringen dürfe, denn er würde in der ganzen Tetralogie nicht ein einziges Wort von sich geben, was ihn somit zu einem völlig entbehrlichen Charakter machen würde!“

„Da hat er gar nicht mal so unrecht...“, murmelte ich.

„Wie auch immer... Bölla, du siehst...“

„Wie die mutierte Kreuzung aus Alien 4 aus?“

„Nein, du siehst einfach umwerfend aus! Wie aus einem dieser trashigen 80er-Jahre-Zukunftsfilme entsprungen!“

Ällis und ich tauschten einen verschwörerischen Blick. Meine Mutter lag, was den Stil den Kleides anging, um knapp 80 Jahre daneben. Das Kleid war nicht auf einen Trash-Film abgestimmt, sondern auf Edwoard, wie sich eben alles um Edwoard drehte. Von der Treppe her erklang ein schroffes Räuspern.

„Es ist an der Zeit, dass ihr runterkommt“, sagte Äsmä.

„Wow, Äsmä! Jetzt da Tscharlie als verfügbarer Charakter nicht mehr vorhanden ist, bewegst du endlich auch mal deinen Arsch“, stellte ich fest.

„Ja, Bölla, ich freue mich auch über meine zusätzliche Screentime. Wir Twilight-Frauen sind gegenüber unseren Männern völlig vernachlässigt. Weshalb hocken Ämmätt und Dschäspärr auch immer aufeinander? Deshalb!“

Aus dem Bad erklang eine schwuchtelig angehauchte Stimme: „Vampirfrauen haben eben Angst, dass sie sich ihre stahlharten Fingernägel brechen, also springen sie auch nicht für dich in die Breche, Bölla!“

„Äh, Pimmel?“

„Ja, das trifft es ganz genau, Bölla!“

„Hey, sagt mal, Freunde-“

„Wir sind nicht deine Freunde, Bölla!“

„Okay... Also, jetzt wo Tscharlie sich weigert an der Hochzeit teilzunehmen, wer führt mich dann zum Altar?“

Renee, Äsmä und Ällis blickten fragend in die Runde, bis Dschäspärr, geschminkt wie der Joker, endlich aus dem Bad trat.

„Warum denn so ernst?“, fragte er, als er uns bemerkte.

„Hey, Dschäspärr, wärst du so freundlich Bölla zum Altar zu geleiten?“, fragte Äsmä mit liebevollem mütterlichem Tonfall, dem man sich nicht entziehen konnte.

„Wenn es denn sein muss...“, hauchte Dschäspärr schicksalsgebeutelt und bot mir seinen Arm an.

Erleichtert, dass sich solch ein überzeugender Ersatz gefunden hatte, hakte ich mich bei ihm ein.

„Einen Augenblick noch, teure Tochter!“, rief meine Mutter, erschrocken über ihre Vergesslichkeit und zog eine weiße Schachtel hervor. „Die haben deiner Oma gehört. Wir haben die Strasssteine beim Juwelier, der übrigens total umwerfend war, gegen Saphire eingetauscht.“

Sie öffnete die Schachtel und zum Vorschein kam etwas Blaues und etwas Altes.

„Oh, etwas Blaues und etwas Altes!“, entzückte ich mich.

„In der Tat, etwas Blaues und etwas Altes“, bestätigte Äsmä.

„Warum sagt ihr nicht einfach 'Kämme'?“, fragte Dschäspärr irritiert, über das Blau-Alt-Geschwafel.

Rasch riss Ällis die blauen und alten Kämme an sich und steckte sie mir unter den Rand meiner dicken Pippi-Langstrumpf-Zöpfe, welche nach wie vor vor Kleister trieften.

„Jetzt fehlt nur noch das I-Tüpfelchen!“, keckerte Ällis wie ein zufriedenes Eichhörnchen, das gerade ein paar Nachtigalleneier erbeutet und verspeist hatte.

Dann zog sie aus dem Nichts ein hauchdünnes weißes Strumpfband hervor und tauchte unter mein Kleid.

„Ah, uh, aber Ällis!“, quiekte ich und presste meine Hände in meinen Schritt, als trüge ich einen viel zu kurzen Rock, der mir jeden Augenblick hochflattern könnte. „Nein, nein, doch nicht da! Ah, nicht! Quieeeek! AAAAH! AAH! AAAH! Aber Ällis!! Ähähähällis! Ähihihihihiiiiihiihihiiiiieh! Ahh! Iiiiiiiiiiiieh! Ewwwiiiiiieh! IIIIIIEKS! Nicht die Krallääään! Nicht die Krallen! Iiiaiiiaaaiiiiaaaaiii! AAAARRRRHHHH! Kriiikriiiiikchh! Iaah... ahhh... aaaaahhhhhhhh... nnnmmmmhh!“

„Sagt mal, seid ihr langsam fertig?“, fragte Dschäspärr leicht irritiert.

Endlich tauchte eine ziemlich nach Fisch riechende Ällis, die sich genüsslich die Lippen ableckte, wieder unter dem Kleid auf und meinte: „Bölla, Liebste, das Strumpfband sitzt perfekt!“ Mit einem verabschiedenden tussihaften Winken tänzelte sie die Treppe runter und Renee drückte mir meinen Brautstrauß aus Stinkmorcheln und Fliegenpilzen in die Hände. „Für dich, Schatz!“

Nun verschwand auch meine Mutter nach unten, zusammen mit Äsmä Hand in Hand und ich stand nun mit Dschäspärr ganz allein im Flur. Von unten begann Klaviermusik heraufzutönen. Rousalie – neben Edwoard die beste Musikerin der Kallens – hatte sich verdächtig freiwillig für diesen Job gemeldet und jetzt verstand ich auch warum. In Legend's „Pandemonium“ war einfach nicht das, was man bei einer Hochzeit erwartete...

„PANDEMONIUM IS RAGING IN MY HEAD!“

„Bölla, unser Einsatz“, erinnerte mich Dschäspärr.

„I’M A VICTIM OF SELF-CREATED BRAIN DEFECT!“

Vorsichtig begann ich die Treppe an seiner Seite herunterzustolpern. Es war ein Fehler Ällis als einzige Brautjungfer (Jungfer! HUST!) zu haben, denn neben ihr musste ich den Gästen wie der dumme August vorkommen.

„INSECURITY IS RISING CONSTANTLY -“

Unten angekommen sah ich, wie Rousalie ihre lange blonde Mähne in bester Piano-Metal-Manier umherschwenkte, während sie in die Tasten haute und dabei von der Menge entweder beklatscht, belächelt oder mit Weihwasser bespritzt wurde.

„CLOSE TO INSANITY...“

Langsam aber sicher kam es mir etwas sehr dumm vor, dass man die Kallen-Villa für die Vermählung nutzte. Die Stühle mitsamt Hochzeitsgästen standen teilweise im Gästeklo, in der Abstellkammer, Küche und sonstwo, wo sie wohl kaum in der Lage sein würden das Geschehen mitzuverfolgen. Noch dazu war der penetrante Geruch der Abermillionen Blüten erstickend, besonders wo nun die halbe Stadt sich ins Haus gequetscht hatte. Ich reckte den Kopf, um Edwoard auszumachen, sah aber nur Ämmätt, der direkt in der ersten Reihe der für mich reservierten schmalen Gasse stand und eigentümlich grün um den Mund war, als hätte er mit den Zähnen den Rasen gemäht. Auf seinem teils zerrissenen Hemd blühten klatschmohnrote Blutflecken. Na ja, es war besser als Dschäspärrs Harlekin-Kostüm...

Es war gar nicht so leicht, sich zu diesem Takt zu bewegen, doch Dschäspärr hielt mich fest an seine Titaniumerz-Khorium-Legierungene Brust gepresst und so drohte ich nicht auf den Bananenschalen, die hier irgendein Witzbold verstreut haben musste, auszurutschen. Weiter schritten wir die Gasse entlang, vorbei an dem Dorfsäufer (der nicht Tscharlie war), den überlebenden Huren eines jüngst niedergebrannten Strip-Lokals, Lavalampen-Larry, meinem Bio-Lehrer, Taylor mit einer „Team Taylors Van“-Flagge, Charlie aus der Schokoladenfabrik, einem Kellner auf einem Hämorrhoidenkissen, Biene Maja nach ihrem zweiten Entzug endlich wieder als solche zu identifizieren, Oma Swan welche kaum von einem Schimpansen zu unterscheiden war, Andschela, Maik, Dschässikar, Ben, einem Spongebob-Cosplayer, meinem unsichtbaren eingebildeten Freund, Mr T und vielen anderen. Zuerst war ich sehr erleichtert, dass sich anscheinend niemand an meinem Aussehen zu stören schien, doch zeitgleich mit meinem Seufzer traf mich eine Tomate am Hinterkopf. Dschäspärr schnüffelte kurz an den roten Flecken, die mein Kleid nun besprenkelt hatten, stellte aber enttäuscht fest, dass die Tomate mich nicht zum bluten gebracht hatte. Gekicher war zu hören, wenn die Musiklautstärke mal abnahm und viele nackte Finger zeigten auf mein angezogenes Selbst. Doch dann sah ich endlich IHN. Er stand unter einem Bogen mit noch mehr Blumen und Seidenbändern, welche über und über mit Wespen, Bienen, Hummeln und Hornissen bedeckt waren, angezogen von dem extremen Duft. Edwoard klatschte eine Wespe beiseite und lächelte strahlend, als er mich so gebeutelt und gedemütigt erblickte. Wie immer, wenn ich Edwoard sah, wurden mir alle anderen scheißegal und ich konzentrierte mich nur noch auf das bleiche Etwas unter einem Teppich bronzefarbenen Haares. Karleil, der hinter Edwoard stand, war mir egal, Andschelas Vater, der gleich hinter ihm stand – was auch immer er dort zu suchen hatte –, war mir egal, meine Mutter, die sich zwischen besagte Männer quetschte und Karleils Arsch zu befummeln begann, war mir egal und Ällis, die merkwürdigerweise spurlos verschwunden war, ging mir absolut am Popo vorbei.

Edwoards makelloses Gesicht... blabla... seine Augen... blabla... brennendes Gold... blabla... makelloses Gesicht... blabla... Tiefe seiner Gefühle... verarschen kann ich mich selber... blabla... glückstrahlendes kerzengerades Lächeln... blabla... Nachdem wir uns durch die Menge an Gästen gequetscht hatten, standen wir endlich vor dem Altar und Dschäspärr legte meine Hand als ein Symbol, das so alt war wie die Welt, wenn man kreationistischen Glaubens war, in Edwards.

Der Pfarrer war etwas dicklich, Mitte 40, trug eine geschmacklose Brille und schien etwas enttäuscht darüber zu sein, dass jeglicher Teilnehmer dieser Veranstaltung bereits über zehn war. Die in fesches Latex eingekleideten beiden Messdiener mit Stachelhalsbändern agierten als lebender Bibelständer.

„Willst du das wirklich tun?“, fragte der Pfarrer mit rauchiger Fistelstimme und streichelte über Edwoards Oberschenkel. „Ich könnte dir so viel mehr bieten, als diese Schnecke da.“

Lag es an mir, oder wirkten die beiden für einen Augenblick wie Maradona und Messi?

Von purem Ekel erfüllt, schlug Edwoard die Hand weg, die sein Ohrläppchen beknibbelte und antwortete endlich: „Ich habe mich entschieden, Thorsten, zwischen uns wird nie wieder etwas laufen!“

„Das ist aber Schade. Seit wann stehst du nicht mehr darauf mit einem ziemlich attraktiven Mannsbild wie mir in der Sakristei herumzufummeln?“

„Seit heute!“, zischte Edwoard, dem das Ganze recht peinlich zu sein schien, doch ich sah nur in sein güldenes Puttengesicht eines Michelin-Männchens, sodass mein Gehirn diese überaus schockierende Neuigkeit nicht verarbeiten konnte.

„Schön!“, sagte der Pfarrer säuerlich und begann dann seinen traditionellen Text runterzurattern. „Liebe Gemeinde, wir haben uns heute hier versammelt, um Zeugen zu sein, wie der Bund des Lebens von Bölla Swan und Edwoard Kallen vor uns und den Göttern geschlossen wird. Ich rufe die Asen und Wanen an, um diese Verbindung zu segnen. Ich erbitte den Segen Thors. Möget ihr auch in stürmischer Zeit fest beieinander stehen. Ich erbitte den Segen Odins. Möget ihr auf jede Herausforderung des Lebens eine Antwort finden.“

Sprachlos glotzten die Gäste den Pfaffen an.

„Oh, ich verstehe! Eine monotheistische Religion ist natürlich genehmer, weil man dann seinen Hass auf gewisse Minderheiten richten kann, alles klar! Keine Sorge, ich habe jede Religion drauf! Barukh haBa beSchem ADONAJ! Berakhnukhem miBejth ADONAJ! Gesegnet wer kommt im Namen des EWIGEN! Wir segnen Euch vom Haus des EWIGEN! Mi adir al haKhol mi barukh al haKhol, mi gadol al haKhol, hu jewarekh heChathan vehaKhalah! Der mächtig über allem, der gepriesen über allem, der erhaben über allem, ER segne den Bräutigam und die Braut!“

„Wenn Sie noch weiterreden, dann darf diese Textdatei nicht mehr gelöscht werden, denn sie enthält im hebräischen Text den Namen Gottes!“, meldete sich ein Judenschwein aus dem Publikum.

„Dann lass ich es lieber. Wollen wir stattdessen die Mormonen verarschen?“

„Sind Sie nicht eigentlich ein katholischer Kinderschänder, der zu Brei geschlagen werden sollte?“

„Unter anderem ja, aber das lassen wir doch jetzt lieber, diese Mormonen sind nämlich wirklich indoktrinierte A-Löcher und für sie bedeutet eine Heirat einfach alles, also hau ab solange du noch kannst, Fräulein Swan!“

„Wir hatten Sie gebeten eine gewisse Textzeile „bis das der Tod uns scheide“ in „solange wir leben“ umzuwandeln, aber finden Sie nicht auch, dass beides auf das Gleiche hinausläuft und das somit komplett überflüssig war?“, stellte ich eine intellektuelle Frage, weil mich dieser ganze Religionsscheiß tierisch nervte.

„Dann antworte mit JA!“

Edwoards Augen leuchteten triumphierend, als ich ein gerührtes „JA, ich will!“ hervorgreinte und als er dran war, klangen seine Worte klar und glückselig: „Ich will“, schwor er.

Irgendwie hatte ich das Gefühl gerade eben eine Art Filmriss gehabt zu haben...

Mr Weber erklärte uns zu Pussy und Schlappschwanz (ihr könnt euch aussuchen wer wer ist und nehmt dabei automatisch an einem Gewinnspiel teil) und ich schlang, erleichtert dass das Schlimmste nun vorbei war, meine Arme um einen starken stählernen Nacken und küsste die Lippen des zugehörigen Gesichts. Dschäspärr erwiderte den Kuss leidenschaftlich und unsere Zungen umschlängelten sich wie geile Nattern. Seine Schulterblätter massierend und dabei den Brautstrauß ununterbrochen über seinen Rücken scheuernd, schaute ich in seine blutroten Augen, das Zeichen für kürzlichen Menschenblutkonsum und eindeutiger Beweis dafür, dass er kein Schlappi, sondern ein heißer schlimmer Finger war. Auf das Raunen, Kichern, Räuspern und empörte Lufteinziehen achtete ich gar nicht, denn dieser Moment gehörte nur uns allein...

„Ähm, Bölla?“, fragte Edwoard aufrichtig erstaunt.

Wir lösten uns voneinander und drehten uns den Zuschauern entgegen, die wild zu klatschen begannen.

„Hm, das war gerade zwar sehr interessant“, begann Dschäspärr mit nachdenklichem Ausdruck. „Aber weißt du Bölla, so eine hässliche Fotze wie dich, deren Charakter noch dreimal so schlimm ist, die kann ich mir wirklich nicht auf Dauer zumuten. Also, Edwoard, hier hast du die Braut, die sich traut wieder!“

Seine grün gefärbten Haare funkelten wie Smaragde in Fädenform, als er mich in Edwoards Arme schubste und ab da wanderte ich von Umarmung zu Umarmung, von kalten Beton-Umarmungen zu warmen Menschen-Umarmungen, bis zu einer glühend-heißen stinkenden Umarmung. Seff Klierwoter hatte sich an den Vampiren vorbeigedrängt, um für meinen verlorenen Werwolffreund einzuspringen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-09-03T22:34:49+00:00 04.09.2010 00:34
Omg *wegrofl* Das ist echt zu brillant XD Ich soll dir von meinem Schatz auch höchste Anerkennung ausrichten ;)

Also, mal zuerst: Deine Seitenhiebe an unnötige Charaktere/ flache, unausgeprägte Beziehungen sind absolut genial- ich hab mich gewälzt vor lachen.
Bölla ist wirklich ein Flittchen ;) Und Erwoard wäre gerne so tugendhaft, wie er sich immer darstellt...Allein die Schreibweise Karleil hat mich ewig kichern lassen ;)

Mal wieder tolle Umsetzung, vorallem das Styling und die Hochzeit zu nettem Metalsound ;)

Wieder ein Klasse Kapitel^^

Alles Liebe,
Lariza


Ps: Edwoard ist die Pussy XD


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